Andreas Borchardt Koordinationsinstrumente in virtuellen Unternehmen
Betriebswirtschaftliche Aspekte lose gekoppelter Systeme und Electronic Business Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Sonke Albers, Prof. Dr. Birgit Friedl, Prof. Dr. Achim Walter, Prof. Dr. Joachim Wolf, Institut fiir Betriebswirtschaftslehre, Christian-Albrechts-Universitat zu Kiel Prof.Dr.UdoKonradt, Institut fiir Psychologie, Christian-Albrechts-Universitat zu Kiel
In der Schriftenreihe werden Ergebnisse von Forschungsarbeiten veroffentlicht, die sich in herausragender Weise mit Fragen des Managements lose gekoppelter Systeme, virtueller Unternehmen und elektronischer Geschaftsprozesse beschaftigen. Die Reihe richtet sich an Leser in Wissenschaft und Praxis, die Anregungen fiir die eigene Arbeit und Problemlosungen suchen. Sie ist nicht auf Veroffentlichungen aus den Instituten der Herausgeber beschrankt.
Andreas Borchardt
Koordinationsinstrumente in virtuellen Unternehmen Eine empirische Untersuchung anhand lose gekoppelter Systeme
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Gunter Endruweit
Deutscher Universitats-Verlag
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Dissertation Universitat zu Kiel, 2006
Gedruckt mitfreundlicher Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
I.Auflage November 2006 Alie Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachveriage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Britta Gohrisch-Radmacher Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlielJIich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt Jede Verwertung aulierhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfiimungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Schefilitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebieichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0531-6 ISBN-13 978-3-8350-0531-0
Geleitwort Was ein Untemehmen ist, kann jeder sich mehr oder weniger gut vorstellen, solange er es nicht definieren muss. Aber was ist virtuell? Es wird erst seit 1991 zur Beschreibung einer besonderen Art von Untemehmen verwendet. Ganz allgemein kann man es am zutreffendsten mit „scheinbar" Ubersetzen/ und im Englischen wird es im Sinne von „quasi" oder „so gut wie" benutzt.^ Ein virtuelles Untemehmen ist also ein Gebilde, das nach auBen so aussieht wie ein reales Untemehmen, aber keines ist. Genauer gesagt: Ein virtuelles Untemehmen ist ein Netzwerk von weiterhin als selbstSndig bestehenden realen Untemehmen, die in wechselnder Zusammensetzung zur Erledigung grOBerer Vorhaben nach auBen hin als einheitliches Untemehmen auftreten. Nicht nur der Begriff ist neu, sondem die Sache auch. Andreas Borchardt hat 19 virtuelle Untemehmen in seiner vergleichenden Fallstudie auf der Gmndlage von miindlichen Experteninterviews mit FUhmngskraften untersucht; alle diese virtuellen Untemehmen in Deutschland, Osterreich und der Schweiz waren zwischen 1990 und 2002 gegrtindet worden. Ihnen gehCren jeweils zwischen 3 und 80 Mitglieder an, reale Untemehmen oder einzelne Freiberufler. Zumeist waren sie in der Informationstechnologie tatig, aber auch z. B. im Handwerk und der Ingenieurkonstmktion. Hier hat Andreas Borchardt mit einem beeindmckenden Aufwand an Arbeit unter Verwendung aller bekannten theoretischen Vorarbeiten zu ergrUnden versucht, wie es die virtuellen Untemehmen schaffen, die Arbeit ihrer realen Mitglieder bei der Erledigung von Auftragen zu koordinieren. Denn das ist die Hauptaufgabe der virtuellen Untemehmen und damit ihr Kemproblem. Deshalb sei dem Leser geraten, zuerst die 19 Fallstudien im Anhang D zu lesen, damit er die Vielfalt, die Unterschiede und die Ubereinstimmungen in dieser neuen Wirtschaftsform kennenlemt. Im Hauptteil der Arbeit wird in einer sehr geschickten Verbindung von Theorie aus alien vorhandenen Que lien und Empiric aus den untersuchten Untemehmen die Kommunikationsstmktur beschrieben und in Typologien aufgeteilt, mit besonderem Augenmerk filr die elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Ergebnisse sind in 43 ausfiihrlich erlSuterten Hypothesen zusammengefasst, die detaillierte Ausgangspunkte flir weitere Forschung sein k5nnen. FUr den Wissenschaft-
* Vgl. Duden (2006), S. 1088. ^Terrell (1990), S. 749.
VI
Geleitwort
ler ist es damit eine hervorragende Unterrichtung uber den gegenwartigen Erkenntnisstand und ein zielgenauer Hinweis zur Weiterarbeit. Auch der Praktiker kann wegen der Detailgenauigkeit viele Anregungen ftir eigene Versuche fmden, die ihm auf diesem neuen Feld manche Kosten fiir Fehlversuche ersparen konnen. Auch wenn diese Arbeit bei Hypothesen stehen bleibt, was angesichts der Neuheit des Gegenstandes, der Dynamik des Praxisfeldes und der ForschungsmOglichkeiten eines Doktoranden unvermeidlich ist, ist sie mit das Beste, was es zur Zeit auf diesem Gebiet gibt.
Kiel, am 23.08.2006
Prof. Dr. GUnter Endruweit
Danksagung An dieser Stelle mochte ich nun denjenigen danken, die mich in meiner Promotionszeit begleitet und untersttitzt haben und damit wesentlich zur erfolgreichen Erstellung dieser Arbeit beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater und akademischen Lehrer Herm Univ.-Prof. Dr. Giinter Endruweit fiir seine Diskussionsbereitschaft und die stets vorhandene fachliche wie personliche Unterstutzung. Wahrend des gesamten Promotionsprojekts hat er mich kontinuierHch gefbrdert und mit vielfahigen Anregungen betreut. Herm Univ.-Prof. Dr. Joachim Wolf danke ich fiir die konstruktiven Anregungen in den Doktorandenseminaren und die freundliche Ubernahme des Zweitgutachtens. Herm Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. S5nke Albers danke ich fur die Obemahme des Vorsitzes der Promotionskommission. Die vorliegende Arbeit ist im Graduiertenkolleg „Lose gekoppelte Systeme und Electronic Business" an der Christian-Albrechts-Universitat zu Kiel entstanden und wurde durch ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) untersttitzt. Im MSrz 2006 wurde diese Arbeit von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultat als Dissertation angenommen. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft bin ich fiir die GewShrung des Stipendiums zu grofiem Dank verpflichtet. Das Stipendium ermciglichte mir auch meinen Forschungsaufenthalt in den USA. Herr Prof Kevin Crowston hat mich an der School of Information Studies der Syracuse University, NY, sehr freundlich aufgenommen und mich wahrend meines Aufenthaltes dort stets untersttitzt, wofiir ich ihm herzlich danke. Die Forschungszeit an der IST trug wesentlich zur Qualitat dieser Arbeit bei. Besonders danken mochte ich auch den im Rahmen dieser Untersuchung interviewten Netzwerkmanagerinnen und Netzwerkmanagem. Sie haben es ermoglicht, sich dem Thema empirisch zu nahem und einen genaueren Einblick in die Hintergrtinde und Relevanzstrukturen in virtuellen Unternehmen zu gewinnen. Dafiir, dass sie mir als Interviewpartner zur Verfugung gestanden haben, mOchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken. Meinen Kolleginnen und Kollegen des Kieler Graduiertenkollegs sowie des Instituts fiir Soziologie der Christian-Albrechts-Universitat zu Kiel verdanke ich ein ideales Arbeitsumfeld. Ihre fachlichen und menschlichen Bereicherungen haben sicher zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Beispielhaft fiir alle Kolleginnen und Kollegen danke
VIII
Danksagung
ich an dieser Stelle meiner Biirokollegin in der Anfangszeit Dr. Silvia Thies sowie Stephan E. Gothlich, Jan Kuhlmann, Dirk Muller, Christian Rohrlack und Dr. Bjom Schafers fiir die kritische Durchsicht groBerer Exzerpte meines Manuskripts. Besonders hervorzuheben ist mein Freund und Kollege Martin Haberstroh, der die vorliegende Arbeit mit seiner unermiidlichen Bereitschaft zu kritischer und konstruktiver Auseinandersetzung auf sehr wertvolle Weise bereichert hat. Die gemeinsamen wissenschaftlichen Diskurse werden mir in sehr guter Erinnerung bleiben. Bedanken mochte ich mich an dieser Stelle auch bei Annette Hinz fiir ihre stets freundliche und hilfsbereite Unterstutzung in alien administrativen Angelegenheiten des Graduiertenkollegs und bei Kyrima M. Dico fur den stilistischen Feinschliff des Manuskripts. Mein grSBter Dank gebuhrt schlieBlich meiner Familie: meinen Eltem, Lieselotte und Kurt Borchardt. Sie haben mich wShrend meiner gesamten akademischen Ausbildung liebevoll und SuBerst groBzugig gefbrdert sowie in jeglicher Weise hervorragend unterstiitzt. Auch meinen Briidem Rechtsanwalt Volker Borchardt und Dipl.-Ing. (FH) Dirk Borchardt sowie meiner lieben Schwagerin Dr. med. Antje Borchardt gilt mein herzlicher Dank ftir ihre Untersttitzung und ihren Anspom. Meiner lieben Katrin danke ich ftir ihr groBes Verstandnis und die liebevolle Unterstutzung in den vergangenen Jahren. Ihnen widme ich diese Arbeit und danke ihnen von Herzen.
Kiel, am 20.07.2006
Andreas Borchardt
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung
1
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung 1.2 Forschungsfragen, Vorgehensweise und Zielsetzung dieser Untersuchiing
1
1.3 Aufbau dcr Arbeit
9
8
2 KonzeptueUe Grundlagen und Stand der Forschung................................ll 2.1 Konzept des virtueUen Untemelimens 2.1.1 Eigenschaften der Virtualitat 2.1.2 Konstitutive Merkmale virtueller Untemehmen 2.1.3 Ableitung einer Arbeitsdefinition des „virtuellen Untemehmens" 2.1.4 Abgrenzung des Konzepts des virtuellen Untemehmens gegentiber anderen netzwerkartigen Kooperationsformen
11 14 16 29 31
2.1.5 Idealtypischer Lebenszyklus eines virtuellen Untemehmens 2.2 Koordination 2.2.1 Begriff und Formen der Koordination 2.2.2 Entwurf einer Typologie von Koordinationsinstrumenten 2.2.3 Koordinationsbedarf und Koordinationsaufgaben in virtuellen Untemehmen
37 40 40 45
2.3 Stand der Forschung
64
53
3 Theoretische AnsStze zur ErMfirung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes in virtuellen Untemehmen ............73 3.1 Transaktionskostenansatz 3.1.1 Einordnung und Grundaussagen des Transaktionskostenansatzes 3.1.2 Beurteilung des Transaktionskostenansatzes als ErklSmngsbasis fiir die Koordination in virtuellen Untemehmen
76 76 81
3.2 Selbstorganisationsansatz................................................................................86 3.2.1 Einordnung und Grundaussagen des Selbstorganisationsansatzes 86 3.2.2 Beurteilung des Selbstorganisationsansatzes als ErklSmngsbasis fiir die Koordination in virtuellen Untemehmen 92 3.3 Koordinationstheorie 3.3.1 Einordnung und Grundaussagen der Koordinationstheorie
99 99
Inhaltsverzeichnis 3.3.2 Beurteilung der Koordinationstheorie als ErklSrungsbasis fur die Koordination in virtuellen Untemehmen
108
3.4 Vergleichder£rklSrimgsansfttze,.......................,.........................................110 4 Empirische Untersuchung .......................................................................... 113 4.1 Methodologische Grundlagen und Forschungsansatz................................ 113 4.1.1 Die Grounded Theory als methodologische Basis der Arbeit 116 4.1.2 Der Forschungsansatz der vergleichenden Fallstudie 118 4.2 Forschungsdesign 122 4.2.1 Auswahl der Untemehmensbeispiele und der Interviewpartner 123 4.2.2 Datenerhebung 132 4.2.2.1 Das Experteninterview als zentrale Methode der Datenerhebung 135 4.2.2.2 Erstellung des Interviewleitfadens
137
4.2.2.3 Einleitung der Interviews und Interviewsituation
140
4.2.3 Datenanalyse 143 4.3 Glite des Forschungsprozesses ......................................................................149 5 DarsteUungderErgebiiisse.........................................................................l57 5.1 Beschreibung der untersuchten Untemehmen 157 5.2 Entwicklung einer Typologie virtueUer Untemehmen und Beschreibung der identifizierten Typen.......................................................l62 5.2.1 Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen und Zuordnung der untersuchten Untemehmen 162 5.2.2 Beschreibung der identifizierten Typen virtueller Untemehmen 173 5.2.2.1 Typ I: Der „Virtuelle Generaluntemehmer"
173
5.2.2.2 Typ II: Das „Virtuelle Verteilungsnetzwerk"
176
5.2.2.3 Typ III: Die „Virtuelle Fabrik"
181
5.2.2.4 Typ IV: Das „Virtuelle Verteilungsnetzwerk"
188
5.2.3 Vergleich der identifizierten Typen virtueller Untemehmen 194 5.3 Gesonderte Betrachtung einzehier Koordinationshistmmente.................l96 5.3.1 Personenorientierte Koordinationsinstmmente in virtuellen Untemehmen 198 5.3.1.1 Selbstabstimmung
198
5.3.1.2 Soziale Rollen
214
5.3.1.3 Vertrauen und Vertrauenskultur
238
Inhaltsverzeichnis 5.3.1.4 Zwischenergebnis zur Verwendung personenorientierter Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen 5.3.2 Strukturelle Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen
XI 254 255
5.3.2.1 Kemuntemehmen
256
5.3.2.2 Zentrale Untersttitzungseinheit
263
5.3.2.3 Steuerkreis
268
5.3.2.4 Interne Markte
271
5.3.2.5 Zwischenergebnis zur Verwendung struktureller Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen
276
5.3.3 Technokratische Koordinationsinstmmente in virtuellen Untemehmen ....278 5.3.3.1 Programme
278
5.3.3.2 Plane/Planung
281
5.3.3.3 Verrechnungspreise
301
5.3.3.4 Regeln
311
5.3.3.5 Vertrage
323
5.3.3.6 Zwischenergebnis zur Verwendung technokratischer Koordinationsinstmmente in virtuellen Untemehmen
340
5.3.4 Informationstechnologische Koordinationsinstmmente in virtuellen Untemehmen
343
5.3.4.1 Telefon/Fax/Email
357
5.3.4.2 Telefon-A^ideo- und Onlinekonferenzen
358
5.3.4.3 Groupware
360
5.3.4.4 Workflow-Management-Systeme
372
5.3.4.5 Zwischenergebnis zur Verwendung informationstechnologischer Koordinationsinstmmente in virtuellen Untemehmen
374
6 Zusammenfossung und Implikationen.........................,..................,....,....377 6.1 Wesentliche Belunde 6.2 Ableitungeii aus den Beftinden far die Praxis 6.3 Impliluitionen fftr die Wissenschaft
377 395 405
Anhang
413
Literatur
515
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
10
Abbildung 2: Konzept des virtuellen Untemehmens
20
Abbildung 3: Typologie von Koordinationsinstrumenten
50
Abbildung 4: EinflussgrSBen auf die Transaktionskosten
78
Abbildung 5: AbhSngigkeiten zwischen Aufgaben und Ressourcen
104
Abbildung 6: Vorgehensweise bei der Datenanalyse
144
Abbildung 7: Typologie virtueller Untemehmen
170
Abbildung 8: Einflussfaktoren auf die Selbstabstimmung bzw. Selbstkoordination in virtuellen Untemehmen
214
Abbildung 9: Planungen in virtuellen Untemehmen
285
Abbildung 10: Screenshot der „VirtuellBau Coordination Cam"
360
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Konstitutive Merkmale virtueller Untemehmen
17
Tabelle 2: Unterscheidungsmerkmale zwischen bestehenden netzwerkartigen Kooperationsformen und dem Konzept des virtuellen Untemehmens
33
Tabelle 3: Komponenten der Koordination
100
Tabelle 4: Die Prozessebenen der Koordination
102
Tabelle 5: Zusammenfassung der Abhangigkeiten und Koordinationsmechanismen Tabelle 6: Ubersicht tiber die untersuchten 19 Fallbeispiele virtueller Unternehmen
107 158
Tabelle 7: Stellenwert der Selbstabstimmung im Untersuchungssample
204
Tabelle 8: Rollenkonstellationen im Untersuchungssample
222
Tabelle 9: Stellenwert von sozialen Rollen im Untersuchungssample
237
Tabelle 10: Der Stellenwert von Vertrauen im Untersuchungssample
242
Tabelle 11: Die Existenz eines Kemuntemehmens im Untersuchungssample Tabelle 12: Verwendung von zentralen Untersttitzungseinheiten im Untersuchungssample
259 265
Tabelle 13: Verwendung eines Steuerkreises im Untersuchungssample
269
Tabelle 14: Verwendung intemer MSrkte im Untersuchungssample
273
Tabelle 15: Verwendung von PlSnen im Untersuchungssample
283
Tabelle 16: Verwendung von Budgets im Untersuchungssample
295
Tabelle 17: Verwendung von Verrechnungspreisen im Untersuchungssample
305
Tabelle 18: Die Verwendung variabler und fester Verrechnungspreise in Abhangigkeit von der Standardisierbarkeit der Teilleistungen
308
Tabelle 19: Verwendung von schriftlichen Regeln im Untersuchungssample
316
Tabelle 20: Verwendung von VertrSgen im Untersuchungssample
327
Tabelle 21: Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Untersuchungssample Tabelle 22: Synchrone/asynchrone und verteilte/nicht verteilte Kommunikation
350
Tabelle 23: Stellenwert der Koordinationsinstrumente in den untersuchten virtuellen Untemehmen
382
Tabelle 24: Stellenwert der Koordinationsinstrumente in Bezug auf die Typen virtueller Untemehmen
385
346
XVI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 25: Uberblick uber die Forschungsarbeiten zum Konzept des virtuellen Untemehmens
414
Tabelle 26: Erfiillungsgrad der Auswahlkriterien bei den untersuchten virtuellen Untemehmen
420
Abkfirzungsverzeichnis
a. a. 0. bzw. d.h. EDV etal. i. d. R. i.S. i. w. S. IT Nr. resp. S. Sp. u. a. u.U. vgl. Vol. WWW Z.B. Z.T.
am angegebenen Ort beziehungsweise das heifit Elektronische Datatenverarbeitung et alii in der Kegel im Sinne im weiteren Sinne Informations-Technologie Nummer respektive Seite Spalte und andere / unter anderem unter Umstanden vergleiche Volume World Wide Web zum Beispiel zum Teil
1 Einleitung 1.1 Aiisgangssituation und Problemstellung Seit einigen Jahren sehen sich viele Untemehmen mit einer Reihe von tief greifenden Veranderungen der Wettbewerbsbedingungen konfrontiert.^ Beispielhaft seien genannt: die fortschreitende Intemationalisierung und Globalisierung der MSrkte und die damit verbundene Intensivierung des Wettbewerbs sowie der steigende Rationalisierungsdruck, eine verstarkte Nachfragedifferenzierung, ktirzere Produktlebenszyklen und eine wachsende Innovationsdynamik. Begleitet werden diese Faktoren von einem rapiden technischen Fortschritt und immer leistungsfUhiger werdenden Informationsund Kommunikationstechnologien. Diese Faktoren resultieren in einer Zunahme der Komplexitat der gesamten Untemehmensumwelt und einer damit verbundenen Zunahme des unternehmerischen Risikos. Um unter diesen Wettbewerbsbedingungen bestehen zu kOnnen, sind eine gesteigerte Reaktionsschnelligkeit, ein hohes Mal3 an Flexibilitat und ein hohes Quaiitatsniveau die entscheidenden Wettbewerbskriterien."* Traditionelle, insbesondere hierarchisch strukturierte Untemehmen erweisen sich unter den verSnderten Wettbewerbsbedingungen als zu inflexibel und zu anfUllig gegenUber nicht prognostizierbaren StGrungen und sind daher haufig nicht mehr geeignet.^ Dies ist V. a. auf die enge Kopplung der Organisationseinheiten zuruckzufUhren, die z. B. durch starre Vertrage und Richtlinien oder ausgepragte organisatorische Strukturen gekennzeichnet ist, Eine vielversprechende Strategie, den Veranderungen der Untemehmensumwelt Rechnung zu tragen, wird in der aktuellen betriebswirtschaftlichen Diskussion in der Entwicklung lose gekoppelter Systeme in Anlehnung an Karl E. Weick^ gesehen/ Im Zentmm der Betrachtung loser Kopplungen stehen die Beziehungsstrukturen zwischen organisatorischen Einheiten.^ Der herrschenden Meinung zufolge beriicksichtigt der Begriff der Kopplung dabei die Starke, Richtung und Komplexitat der Beziehungen Vgl. Krystek et al. (1997a), S. 21; Ackermann (1998), S. 41; Picot et al. (2003), S. 32 ff. Vgl.Picotetal.(2003),S.4. Vgl. Brunnecke (1998); Skirl/Schwalb (1994); Chisholm (1989), S. 11 ff. Das Konzept der losen Kopplung bzw. des lose gekoppelten Systems ist von Karl E. Weick in die Organisationstheorie eingeftihrt worden. Siehe hierzu Weick (1976); Weick (1982); Weick (1998); OrtonAVeick (1990). Vgl. Levin/Cross (2004); KieserAValgenbach (2003), S. 107; Steven/Otterpohl (2000), S. 181; Kortzfleisch (1999), S. 675; Staehle (1991), S. 330. Vgl. Beekun/Glick (2001), S. 227.
2
Einleitung
unter den organisatorischen Einheiten oder Systemeinheiten.^ Dabei ist der Kopplungsgrad umso hOher bzw. die Kopplung umso enger, je starker die Systemeinheiten z. B. durch gemeinsame VertrSge oder organisationale Strukturen aneinander gebunden sind.*° Im Gegensatz zu einer engen Kopplung weisen bei einer losen Kopplung die Beziehungsstrukturen zwischen den Systemeinheiten einen nur geringen Determinierungsgrad auf. Die lose Kopplung erlaubt damit eine hohe Flexibilitat und eine schnelle Anpassung von Organisationseinheiten an dynamische Untemehmensumwelten.^' Zudem bleiben StSrungen oder Konflikte innerhalb der einzelnen Organisationseinheiten aufgrund der losen Kopplung auf diese begrenzt und greifen nicht - wie bei einer engen Kopplung - direkt auf das Gesamtsystem Uber.^^ Hellgren/Stjemberg (1987) fUhren in Bezug auf Untemehmensnetzwerke aus: „In a loosely coupled network, changes can occur within a subsystem of organizations without changing the entire network. Because of the absence of strong power and dependence relations among subsystems, the loosely coupled network is fairly stable; disturbances are handled by subsystems that are free to adapt to changing environment pressures."^^ Lose gekoppelte Systeme kOnnen sowohl innerhalb eines Untemehmens bestehen, z. B. in Form flexibler Gruppenarbeit in sog. Fertigungsinseln, als auch zwischen rechtlich selbstandigen Untemehmen.'"^ Durch die Weiterentwicklung elektronischer Informations- und Kommunikationstechnologien und der mit ihr verbundenen MOglichkeit einer kostengUnstigen Kommunikation unabhangig vom Standort und jeglicher Zeitrestriktionen richtet sich das Interesse der diesbezuglichen betriebswirtschaftlichen Forschung v. a. auf lose gekoppelte Systeme zwischen organisatorisch abgegrenzten Einheiten.'^ Hierbei stehen insbesondere netzwerkartige Kooperationen zwischen rechtlich unabhSngigen Untemehmen im Vordergrund. Ein besonders interessantes Beispiel einer netzwerkartigen Kooperationsform, das als lose gekoppeltes System bezeichnet werden kann, stellt das seit Anfang der 90er Jahre
Vgl. Weick(1976),S.4f Vgl. Glassman (1973), S. 85; Weick (1976), S. 5. Vgl. Staehle (1991), S. 331. Vgl. Staehle (1991), S. 331; Staehle (1999), S. 564; Chisholm (1989), S. 36. Vgl. Hellgren/Stjemberg (1987), S. 90 f Vgl. OrtonAVeick (1990), S. 208; Beekun/Glick (2001), S. 234 ff ^^ Siehe z. B. Thies (2005), S. 73.
Ausgangssituation und Problemstellung
3
diskutierte Konzept des virtuellen Untemehmens dar.'^ In einer einleitenden Betrachtung kann darunter eine temporare Kooperationsform von unabhangigen, v. a. kleinen und mittelstandischen Untemehmen verstanden werden, die ihre Kemkompetenzen kurzfristig zur Nutzung einer Marktchance zusammenschlieBen. Urn bei der Erstellung kundenorientierter und qualitativ hochwertiger Produkte und Dienstleistungen Flexibilitats- und Kostenvorteile nutzen zu k5nnen, stehen die Kooperationspartner untereinander nur in einer losen Kopplung und sind Uber modeme, v. a. intemetbasierte Informations- und Kommunikationstechnologien miteinander vemetzt.'^ Die Relevanz des Konzepts des virtuellen Untemehmens in der Organisationsforschung ist evident: Sowohl die international renommierte Zeitschrift „Organization Science" widmete ihre Ausgabe vom November/Dezember 1999 diesem Thema als auch die Zeitschrift fiir Betriebswirtschaft ihr ErgSnzungsheft 2/2000. Das virtuelle Untemehmen wird vor dem Hintergmnd der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als ein emst zu nehmendes Organisationskonzept betrachtet.^^ So weist auch das renommierte Politik- und Wirtschaftsberatungsinstitut Prognos in seinem neuesten Deutschland Report 2002-2020 zur zukUnftigen Bedeutung dieser Untemehmensform darauf hin: „Mit der beschleunigten Neuentwicklung von Produkten und Dienstleistungen sowie dem insgesamt schnelleren Stmkturwandel steigt die Anfordemng an die Flexibilitat der Untemehmen. Vermehrt werden zukunftig temporare Untemehmenskooperationen dazu genutzt werden, spezifische KundenbedUrfnisse zu befriedigen und die Produktion mit Blick auf Produktpalette und Kostenstmkturen zu optimieren. BegUnstigt werden diese Tendenzen durch die Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnik, die den raschen Aufbau sich wandelnder Netzwerke verbundener Untemehmen erleichtert. In diesem Umfeld des schnellen Wandels und zunehmender Spezialisierung entstehen temporar immer neue Nischen, die insbesondere Chancen fUr kleine, flexible und innovative Untemehmen bieten."^^
Vgl. Goldman et al. (1996); Scholz (1996); Sydow/Winand (1998); Wolter et al. (1998); Wiithrich/Philipp (1998); Weibler/Deeg (1998); Camarinha-Matos et al. (1999); Gerpott/B6hm (2000); Pribilla (2000). Vgl. Picot et al. (2003), S. 438. Zur Herleitung der Arbeitsdefinition siehe Abschnitt 2.1.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Albers et al. (2003), S. 53; Ringle (2004), S. 47; Picot et al. (2003), S. 418. Vgl. Eitenmtlller (2002), S. 18. Siehe auch unter http://www.prognos.com. (letzter Zugriff: 15.03.2005).
4
Einleitung
In der betriebswirtschaftlichen Managementliteratur wurde dem Konzept des virtuellen Untemehmens bisher groBe Aufmerksamkeit geschenkt.^° Nach einer euphorischen Anfangsphase,
eingeleitet
insbesondere
durch
die
VerOffentlichung
von
Davidow/Malone (1992) befindet sich die diesbezUgliche Organisationsforschung in einer Phase der Konsolidierung und der kritischen Reflexion.^' Erste empirische Untersuchungen (z. B. Sieber (1998a), K5szegi (2001), Tjaden (2003)) vermitteln einen genaueren Eindruck liber die EinsatzmCglichkeiten des Konzepts des virtuellen Untemehmens und werfen sowohl fiir die Wissenschaft als auch fiir die Praxis neue Fragestellungen auf: Durch die Verteilung von Aufgaben auf rechtlich selbstSndige Untemehmen entsteht in virtuellen Untemehmen ein betrachtlicher Abstimmungsbzw. Koordinationsaufwand.^^ Da die an einem virtuellen Untemehmen beteiligten Kooperationspartner untereinander nur in einer losen Kopplung stehen und aus Flexibilitats- und KostengrUnden bewusst auf die Institutionalisiemng zentraler Funktionen resp. die Ausbildung einer formalen Organisation verzichtet wird,^^ steht die Frage im Vordergmnd, wie ein aufeinander abgestimmtes und koordiniertes Handeln ermOglicht werden kann. Von vielen Autoren wird eine effektive und effiziente Koordination als wesentlicher Erfolgsfaktor virtueller Untemehmen bzw. als eine Gmndvoraussetzung filr die Vorteilhaftigkeit des Virtualisiemngsansatzes betrachtet und eine genauere Analyse der interorganisationalen Koordination postuliert.^"* Die Frage, wie ein virtuelles Unternehmen, das als ein lose gekoppeltes System aus rechtlich selbstandigen Untemehmen betrachtet werden kann, sich effektiv und effizient koordinieren iSsst, gewinnt immer mehr an theoretischer und praktischer Bedeutung.^^
Dies kann darin gesehen werden, dass eine Suche iiber die weltweit grOBte wirtschaftswissenschaftliche Zeitschriftendatenbank „Business Source Premier" zu den Stichworten „virtual enterprise", „virtual organization" und „virtual corporation" seit 1992 insgesamt weit uber 500 Zeitschriftenartikel gefunden werden konnten. Per Recherche Uber den Gemeinsamer Bibliotheksverbund (GBV) lassen sich dariiber hinaus uber 280 deutschsprachige Publikationen zum Thema „virtuelles Untemehmen" bzw. „virtuelle Organisation" finden. Vgl. Scholz (2000a), S. 323. Siehe zur „Begriffsevolution der Virtuellen Untemehmung" auch die Ausftihrungen bei Jansen (1998), S. 6 ff. Vgl. Specht/Kahmann (2000), S. 60; Wirtz (2000), S. 108; Weibler/Deeg (1998), S. 114. Vgl. Arnold et al. (1995a); Linde (1997b), S. 20. Vgl. z. B. Krystek et al. (1997a), S. 410 f.; Mertens et al. (1998), S. 12 ff.; Gerpott/BOhm (2000), S. 21; Wirtz (2000), S. 108; Specht/Kahmann (2000), S. 59 f.; Picot/Neuburger (2000), S. 184; Reichwald/MOslein (2000), S. 128; Hatchuel (2002), S. 1060; Picot et al. (2003), S. 429. Vgl. Wirtz (2000), S. 108; Bachmann (2000), S. 107.
Ausgangssituation und Problemstellung
An die Koordination virtueller Untemehmen sind jedoch hohe Anforderungen gestellt^^: "Coordination of virtual work activities becomes more complex, as goals and priorities must be communicated to individuals in a variety of different locations, often with differing local needs."^^ Vor diesem Hintergrund sind Manheim/WatsonManheim (1999) der Auffassung: „Virtual Work is one of the most complex management problems."^* Trotz der groBen Bedeutung, die der Koordination in virtuellen Untemehmen beigemessen wird, wurde der Frage, wie die Koordination zwischen autonomen Einheiten in diesem Kooperationskonzept erm5glicht werden kann und welche Koordinationsinstrumente dabei sinnvoll eingesetzt werden kSnnen, in der wissenschaftlichen Managementliteratur bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt.^^ Zwar wurden bisher einzelne Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen im Rahmen theoretischer Arbeiten naher untersucht,^^ jedoch mangelt es v. a. an empirisch fundierten Erkenntnissen zu diesem Themenbereich. Einen ersten Uberblick liefem Albers et al. (2003) mit ihrem managementorientierten Beitrag,^^ der auf einer Fallstudienarbeit von Teichmann/Borchardt (2003) aufbaut.^^ Eine gr5l3ere empirische Untersuchung, in der das komplexe Spektrum der unterschiedlichen, in virtuellen Untemehmen verwendeten Koordinationsinstrumente untersucht wird, wurde bisher noch nicht durchgeftlhrt. Die Griinde dafiir, dass die Koordination in virtuellen Untemehmen ein noch weitgehend unerschlossener Forschungsbereich ist, sind vielfUltig. Zu den wesentlichen GrUnden zahlt u. a. die konzeptuelle UnschSrfe dieser modemen, sich erst herausentwickelnden Kooperationsform. Dies ist v. a. darauf zuriickzuftlhren, dass das Konzept der Virtualisierung nicht wie die meisten anderen Organisationsformen statisch und klar bestimmbar ist, sondem eher als "matter of degree" verstanden werden sollte.^^
Vgl. Albers etal. (2003), S. 53. Vgl. Fritz/Manheim(1998), S. 127. Vgl. ManheimAVatson-Manheim (1999), S. 39. Vgl. Faust et al. (1999), S. 60; Wall (2000a), S. 118. Siehe z. B. die Arbeit von Pieles (2004), der die Planung in virtuellen Untemehmen untersucht hat, und die Arbeiten von KOszegi (2001), Zimmermann (2003) und H5lsch (2000), in denen Vertrauen im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Siehe hierauf aufbauend auch Teichmann et al. (2004). Einen weiteren Managementbeitrag bieten Kemmner/Gillessen (2000), die jedoch nicht explizit auf die unterschiedlichen Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen eingehen. Vgl. Teichmann/Borchardt (2003), S. 61 ff. Vgl. Kraut etal. (1999), S. 723.
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Einleitung
Damit fUllt es schwer, eine allgemein anerkannte Definition des virtuellen Untemehmens zu finden, mit der sich dieses Konzept von anderen Netzwerkkooperationen abgrenzen iSsst. Wirtz (2000) macht femer darauf aufmerksam, dass eine empirische Untersuchung von virtuellen Untemehmen mit einem „gewissen Komplexitatsgrad" behaftet ist, da es sich hierbei urn temporar angelegte Netzwerkkooperationen handelt, die zudem durch die lose Kopplung der Organisationseinheiten nur schwer abzugrenzen und zu analysieren sind.^'* Zudem entwickeln sich erst langsam konzeptbezogene Ansatze, die als Basis fiir empirische Untersuchungen genutzt werden kCnnen. Das Konzept des virtuellen Untemehmens vor diesem Hintergrund als bereits gut abgesichertes Konzept zu betrachten,^^ erscheint deshalb unangebracht.^^ Dartlber hinaus mangelte es insbesondere zu Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Konzept des virtuellen Untemehmens an konkreten Untemehmensbeispielen. In der Literatur wurden nur einzelne, z. T. schon recht bekannte Beispiele wie die Virtuelle Fabrik Euregio-Bodensee angefilhrt.^^ Dieser Mangel fiihrte dazu, dass die Diskussion um das Konzept des virtuellen Untemehmens vielfach lediglich auf theoretischer Basis erfolgte und z. T. noch immer erfolgt.^^ Nicht zuletzt befmdet sich die Koordinationstheorie erst in einem friihen Entwicklungsstadium.^^ So besteht z. B. weder im Hinblick auf das Phanomen der Koordination noch in Bezug auf eine Typologie von Koordinationsinstmmenten eine einheitliche Theoriebasis/° Brockhoff/Hauschildt (1993) weisen darauf hin, dass der Entwurf einer vollstandigen und tiberschneidungsfreien Typologie von Koordinationsinstmmenten daher groBe Schwierigkeiten bereitet/^
^^ Vgl. Wirtz (2000), S. 109. ^^ Vgl.KGszegi(2001),S.2. ^^ Vgl. Reiss (2002), S. 26; Drumm (1996), S. 8. ^^ Siehe z. B. Schuh et al. (1998), S. 151 ff. ^^ Dies lasst sich anhand der aktuellen Publikationen verdeutlichen. Siehe z. B. KOszegi (2001); Fischer (2001); Reiss (2002); Jurk (2003); Zimmermann (2003). ^^ Vgl. Fleisch (2001), S. 99; Malone (1988); Malone/Crowston (1991); Malone/Crowston (1994). ^^ Vgl. Brockhofraauschildt (1993), S. 400; Pieles (2004), S. 21. Die Diversitat lasst sich z. B. an den unterschiedlichen Typologisierungsversuchen von Koordinationsinstmmenten in der einschlagigen Literatur feststellen. Einen guten Uberblick aber die in der Literatur vorfindbaren Systematisierungsversuche bietet Wolf (1994), S. 116. Siehe femer auch Winkler (1999), S. 102; Wollnik/Kubicek (1976), S. 502 f; Kutschker/Schmid (2002), S. 997; Staehle (1999), S. 558 ff. ^* Vgl. Brockhoff/Hauschildt (1993), S. 400; siehe auch Wohlgemuth (2002), S. 30.
Ausgangssituation und Problemstellung
Die Analyse der effizienten Gestaltung von virtuellen Untemehmen bietet auch nach knapp anderthalb Jahrzehnten nach Erscheinen der Publikation von Davidow/Malone (1992) noch erhebliches Forschungspotenzial. Besondere Relevanz wird hierbei der empirischen Untersuchung von Koordinationsinstrumenten unter BerUcksichtigung intemer und extemer Kontextbedingungen beigemessen/^ So deuten z. B. Forschungen im Bereich der Betriebswirtschaftslehre darauf bin, dass m6glicherweise VerdrSngungs- Oder Substitutionseffekte zwischen einzelnen Koordinationsinstrumenten auftreten kOnnen/^ Solche Phanomene k5nnen erhebliche Konsequenzen im Hinblick auf die Effizienz der Koordination eines virtuellen Untemehmens haben. Vor dem Hintergrund der groBen Aufmerksamkeit, die dem Konzept des virtuellen Untemehmens gegenwSrtig sowohl in der Wissenschaft als auch der Untemehmenspraxis beigemessen wird'*'^ und des entscheidenden Einflusses der Koordination der arbeitsteiligen Prozesse auf den untemehmerischen Erfolg dieser Kooperationsform/^ erscheint es daher sinnvoll, sich mit einer empirischen Arbeit diesem komplexen und anspruchsvollen Problemfeld anzunahem.
Vgl. Wirtz (2000), S. 108; Weibler/Deeg (1998), S. 111 ff. Vgl. Frey (1997), S. 101 ff.; Frey/Osterloh (1997), S. 310 ff. Das Interesse der Wissenschaft an diesem Kooperationskonzept kann neben den Beitragen in Fachzeitschriften v. a. in der steigenden Zahl der Dissertationen zu diesem Forschungsbereich festgestellt werden. In der Praxis wird dem Konzept ebenfalls zunehmend Beachtung geschenkt, was sich in der zunehmenden Anzahl virtueller Untemehmen erkennen lasst. Siehe z. B. Teichmann/Borchardt (2003). Vgl. Wirtz (2000), S. 108.
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Einleitung
1.2 Forschungsfragen, Vorgehensweise und Zielsetzung dieser Untersuchung Die dargelegte Ausgangslage verdeutlicht einerseits die eminente Wichtigkeit der Koordination in virtuellen Untemehmen. Andererseits iSsst sich das Forschungsdefizit in Bezug auf die Koordination generell und insbesondere hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen zur Abstimmung der arbeitsteiligen Leistungsbeziehungen auf das gemeinsame Kooperationsziel feststellen. Basierend auf dieser Ausgangslage sollen mit der vorliegenden Arbeit deshalb die folgenden Forschungsfragen beantwortet werden: 1. Wie iSsst sich das „virtuelle Untemehmen" konzeptualisieren? 2. Wie lassen sich die Koordination resp. die unterschiedlichen Koordinationsinstmmente konzeptualisieren? 3. Welche Koordinationsinstmmente werden in virtuellen Untemehmen verwendet? 4. Welchen Stellenwert haben die unterschiedlichen Koordinationsinstmmente bei der Koordination der Leistungserstellung in virtuellen Untemehmen? Wahrend die Beantwortung der ersten beiden Forschungsfragen auf der Basis der Fachliteratur erfolgen soil, sollen die Forschungsfragen 3 und 4 anhand von empirischen Beispielen untersucht werden. Da der Forschungsgegenstand und die Fragestellungen in der wissenschaftlichen Diskussion noch weitgehend unerschlossen sind, wird ein qualitatives Forschungsdesign gewahlt, das auf dem Forschungsansatz der vergleichenden Fallstudie basiert/^ Die Zielsetzung der empirischen Untersuchung besteht neben der Beantwortung der Forschungsfragen insbesondere in der Ableitung empirisch fundierter Hypothesen zur Verwendung von Koordinationsinstmmenten in virtuellen Untemehmen. Diese sollen als Basis fUr zuktinftige Arbeiten in diesem Forschungsfeld genutzt werden kQnnen. Auf der Gmndlage der gewonnenen Ergebnisse aus den Fallstudien sollen dartiber hinaus Gestaltungsempfehlungen fUr die Praxis abgeleitet werden. Mit der Beantwortung der 0. g. Forschungsfragen und der hier verfolgten Zielsetzung versteht sich diese Arbeit als erste grOBere, empirisch ausgerichtete Forschungsarbeit, in der die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen analysiert wird.
^^ Vgl. Yin (2003), S. 13; Yin (1981), S. 59; Bortz/DOring (2002), S. 113; Stake (1994), S. 245; Atteslander (2003), S. 67; Wirtz (2000), S. 108.
Aufbau der Arbeit 1.3 Aufbau der Arbeit In Kapitel 2 werden die konzeptuellen Grundlagen erarbeitet. ZunSchst wird auf das Konzept des virtuellen Untemehmens nSher eingegangen und im Anschluss auf wesentliche Strukturdimensionen der Koordination Bezug genommen. Hierbei steht neben der Darstellung des Koordinationsbedarfs und der Koordinationsaufgaben in virtuellen Untemehmen der Entwurf einer Typologie von Koordinationsinstrumenten im Vordergrund. Anschliefiend wird der Stand der Forschung im Hinblick auf die verfolgten Fragestellungen aufgegriffen. In Kapitel 3 werden mit der Transaktionskostentheorie, dem Selbstorganisationsansatz und der Koordinationstheorie ausgewShlte theoretische Grundlagen und Erkiarungsansatze zur Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen diskutiert und einer kritischen Betrachtung unterzogen. Kapitel 4 umfasst die empirische Untersuchung. Hierbei werden die methodologischen Grundlagen und der Forschungsansatz der vergleichenden Fallstudie naher dargestellt, das Forschungsdesign prasentiert und anschliefiend die Gtite des Forschungsprozesses einer kritischen WUrdigung unterzogen. Der Ergebnisdarstellung der empirischen Untersuchung widmet sich Kapitel 5. Auf der Basis der Fallstudien und der einschlSgigen Literatur wird zunachst eine Typologie virtueller Untemehmen entwickelt und die identifizierten Typen virtueller Untemehmen durch jeweils ein Fallbeispiel illustriert. Auf der Grundlage der Typologie von Koordinationsinstmmenten erfolgt sodann die gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstmmente. Im Anschluss an die Darstellung der empirischen Ergebnisse werden unter Berticksichtigung der Fachliteratur Hypothesen abgeleitet. In Kapitel 6 erfolgt eine Zusammenfassung der wesentlichen empirischen Befunde. Auf ihrer Gmndlage werden unter Berticksichtigung der fiir Fallstudienarbeiten geltenden Limitationen Handlungs- oder Gestaltungsempfehlungen fUr das Management virtueller Untemehmen und Implikationen fiir die Wissenschaft abgeleitet. AbschlieBend werden Anregungen filr den weiteren Forschungsbedarf gegeben. Abbildung 1 verdeutlicht im graphischen Uberblick den Aufbau der Arbeit:
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Einleitung
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit 1 Einleitung 2 Konzeptuelle Gnindlagen und Stand der Forschung 2.1 Konzept des virtuellen Untemehmens
2.2 Koordination
2.3 Stand der Forschung 3 Theoretisclie Ansfttze zur Erklftrung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes in virtuellen Untemehmen 3.1 Transaktionskostenansatz
3.2 Selbstorganisationsansatz
3.3 Koordinationstheorie
3.4 Vergleich der ErkiarungsansStze
4 Empirische Untersuchung 4.1 Methodologische Grundlage der Untersuchung
4.2 Forschungsdesign
4.3 Giite des Forschungsprozesses 5 Darstellung der Ergebnisse 5.1 Beschreibung der untersuchten Untemehmen 5.2 Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen und Beschreibung der identifizierten Typen 5.3 Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstmmente 5.3.1 Personenorientierte Koordinationsinstrumente
15.3.2 Strukturelle 1 5.3.3 Technokratische KoordinationsKoordinati(xisinstrumente instnimente
6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
5.3.4 Informationstechnologische Koordinationsinstnimente
2 Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung Im Folgenden werden die konzeptuellen Grundlagen naher dargestellt, urn die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen empirisch untersuchen zu kOnnen. Da das Konzept des virtuellen Untemehmens als eine noch recht junge Entwicklungsrichtung innerhalb der Organisationsforschung bezeichnet werden kann, wird in einem Uberblick die Entwicklung dieses Konzepts nachgezeichnet. Vor diesem Hintergrund wird die hohe Relevanz der in dieser Arbeit verfolgten Fragestellungen sowohl filr die Wissenschaft als auch filr die Praxis verdeutlicht. Aufgrund der noch immer uneinheitlichen Darstellung des Konzepts des virtuellen Untemehmens werden zunSchst die Eigenschaften der Virtualitat skizziert und anschlieBend die konstituierenden Merkmale virtueller Untemehmen ausfUhrlicher dargestellt und zu einer Arbeitsdefmition verdichtet. Da einzelne Merkmale virtueller Untemehmen in der Organisationsforschung keinen Exklusivitatsanspmch erheben und dadurch die Nahe zu etablierten Kooperationsformen und Organisationsmodellen sichtbar wird, erfolgt eine konzeptuelle Abgrenzung, in der auf die Besonderheiten virtueller Unternehmen Bezug genommen wird. Als Ausgangsbasis ftlr die empirische Untersuchung von Koordinationsinstmmenten in virtuellen Untemehmen ist zunSchst der Koordinationsbedarf zu kiaren, bevor mit dem Entwurf einer Typologie von Koordinationsinstmmenten ein konzeptuelles GerUst erstellt wird, auf dessen Basis eine Hypothesenableitung auf der Grundlage der gewonnenen Daten mOglich ist. Um m5gliche Ankntipfungspunkte in Bezug auf die beiden empirisch zu beantwortenden Forschungsfragen aufzugreifen, wird der Stand der Forschung kurz skizziert. 2.1 Konzept des yiitueUen Unternehmens Das Konzept"*^ des virtuellen Untemehmens fand insbesondere durch die viel zitierte Publikation von Davidow/Malone (1992) viel Aufmerksamkeit in der Wissenschaft und der Untemehmenspraxis."*^ Die Autoren griffen dabei die in der amerikanischen
Im Hinblick auf das „virtuelle Untemehmen" wird in dieser Arbeit stets von einem Konzept und nicht von einem Model! gesprochen, da es sich noch nicht von den etablierten Organisationsmodellen trennscharf abgrenzen lasst. Siehe auch Picot et al. (2003), S. 418, die ebenfalls von einem Konzept sprechen. Der Begrififdes „virtuellen Untemehmens" wurde erstmals von Mowshowitz (1991) verwendet.
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Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
Managementliteratur gSngigen und auch heute noch anzutreffenden Managementprinzipien wie z. B. Lean Production, Just-in-Time Production, Total-Quality-Management und Computer Integrated Manufacturing auf und setzten sie mit den Potenzialen modemer Informations- und Kommunikationstechnologien vielversprechend in Verbindung/^ Insgesamt wies ihr Ansatz jedoch noch erhebliche konzeptuelle Schwachen auf Seitdem durchlief dieses Konzept mehrere Entwicklungsphasen.^° Nach der Phase der abertriebenen Euphoric, die v. a. auf die Publikation von Davidow/Malone (1992) zurtickzuflihren ist, wurde aus wissenschaftlicher Sicht die Notwendigkeit einer Konzeptualisierung und der Entwicklung einer Definition erkannt, um das sich in der Entwicklung befmdliche Konzept in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre verorten zu kOnnen. Die damit verbundene Phase der Konzeptualisierung wurde im angloamerikanischen Raum v. a. durch Bleeker (1994) und King (1994) begrUndet. Durch die Publikation von Griese (1992) bzw. Griese (1994) wurde das Konzept in den deutschsprachigen Raum Ubertragen und der Versuch einer genaueren Konzeptualisierung untemommen.^^ Aber auch aus den zahlreichen BemUhungen um eine klare Konzeptualisierung resultierte keine einheitlich akzeptierte Definition." Vielmehr wurden die Theoriedefizite immer deutlicher, die auch durch das Aufgreifen des Konzepts v. a. in der Wirtschaftsinformatik, in welcher der Schwerpunkt auf die MOglichkeiten der modemen Informations- und Kommunikationstechnik gelegt wurde, nicht verringert werden konnten. Die daran anschliefiende Phase der Emiichterung resultierte auf den vorangegangenen Kritikpunkten und filhrte zu einem RUckgang der Forschungsaktivitaten und damit zu einer Vemachlassigung wichtiger strategischer und organisationstheoretischer Aspekte.^^ Durch die rasante Weiterentwick-
Siehe hierzu insbesondere Davidow/Malone (1992), S.139 ff. Siehe hierzu auch Pieles (2004), S. 42 ff. Siehe z. B. Szyperski/Klein (1993), die virtuelle Untemehmen und andere Formen interorganisationaler Netzwerke hinsichtlich der informationslogistischen Infrastruktur untersuchten, und Mertens (1994) sowie Mertens/Faisst (1995), die eine genauere, wenn auch nicht prSzise Definition des Konzepts vorschlugen und auf die besondere Bedeutung der Informationstechnologie hinweisen. Siehe auch Olbrich (1994) sowie Scholz (1994), der ftir das Konzept des virtuellen Untemehmens durch das Vier-Merkmal-Schema der Virtualitat einen Beitrag zur theoretischen Fundierung liefert. Weibler/Deeg (1998), S. 107 kritisieren z. B. die betrachtliche defmitorische Unscharfe sowie die eher fragmentarische theoretische Fundierung. Schrader (1996), S. 10 kritisiert die Dififusitat der als virtuelles Untemehmen bezeichneten Konzepte. Vgl. Lux/Stadelmann (1995), S. 72.
Konzept des virtuellen Untemehmens
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lung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien und die steigende Zahl erfolgreicher Umsetzungen des Konzepts des virtuellen Untemehmens kann seit einigen Jahren wieder ein deutliches Forschungsinteresse im Bereich der Betriebswirtschaftslehre und der Wirtschaftsinformatik festgestellt werden. Diese Entwicklung dauert bis heute an und begrUndet die Phase des emeuten Aufschwungs bzw. der kritischen Reflexion. Unter den Publikationen fmden sich sowohl LehrbUcher,^"* SammelbSnde,^^ Zeitschriftenartikel^^ als auch in zunehmenden MaBe Dissertationen.^^ Die steigende Zahl der Publikationen deutet einerseits darauf hin, dass die gegenwartige Phase noch nicht als abgeschlossen bezeichnet werden kann.^^ Andererseits zeigt die rege wissenschaftliche Auseinandersetzung, dass es sich beim Konzept des virtuellen Untemehmens nicht nur - wie anfangs gem angenommen wurde - um ein Modethema der populistischen Managementliteratur handelt. Vielmehr wird es in der Fachliteratur als logisch nSchste Stufe in der Weiterentwicklung von modemen Managementansatzen unter der Einbeziehung verbesserter Informations- und Kommunikationstechnologien, V. a. des Intemet, betrachtet.^^ Das Konzept des virtuellen Untemehmens wird als neueste Organisationsform Okonomischer Aktivitaten bezeichnet und zunehmende Bedeutung zugeschrieben.^^ Jedoch stellt es aufgrund der mangelnden konzeptuellen Geschlossenheit und theoretischen Fundierung noch keinen vollstandig ausgereiften und etablierten organisationstheoretischen Ansatz dar.^^ Dies ist nicht
Siehe z. B. Krystek et al. (1997a); Muller-Stevens (1997); Scholz (2000a); WUthrich et al. (1997). Siehe z. B. Albers et al. (2003); Arnold et al. (2003); Rohde et al. (2001); Gora/Bauer (2001). Siehe z. B. Wall (2000b); Specht/Kahmann (2000); Scherm/SOB (2000); Gerpott/Bdhm (2000); Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2004). Siehe z. B. Wagner (1999); Kftszegi (2001); Fischer (2001); Reiss (2002); Garrecht (2002); Zimmermann (2003); Pieles (2004); Ringle (2004). Vgl. Pieles (2004), S. 58. Pieles ist der Auffassung, dass erst die einzelnen, problemspezifischen Ansatze der Phase des emeuten Aufschwungs zusammenzufassen und zu strukturieren seien, um schlieBlich eine tragfUhige theoretische Fundierung des Konzepts zu erreichen. Siehe hierzu auch Picot et al. (2003), S. 419; Bullinger et al. (2003), S. 114; Bilschken (1999), S. 779; Krystek et al. (1997a), S. 39 f; Bleicher (1996), S. 15 betrachtet das virtuelle Untemehmen als einen vorlaufigen „Endpunkt der Organisationsevolution" an. Vgl. Sydow (2001), S. 304; KOszegi (2001), S. 2. Die GrUnde fur die Attraktivitat des Konzepts werden u. a. in der zunehmenden Bedeutung des Intemet bei einer Vielzahl von Untemehmensablaufen und der damit verbundenen „Intemet Economics" (Vgl. ShapiroA^arian (1998)) bzw. der InformationsOkonomie (siehe z. B. Wirtz/Denger (1995b), S. 20 ff.; SydowAVinand (1998), S. 17; Brennecke (2002)) betrachtet. Rayport/Sviokla (1995), S. 75) fUhren hierzu aus: „Every business today competes in two worlds: a physical world of resources that managers can see and touch and a virtual world made of information." Vgl. Reiss (2002), S. 26; Drumm (1996), S. 8.
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Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
zuletzt darauf zurUckzufiihren, dass bisher nur wenige Beispiele virtueller Untemehmen bekannt waren und dadurch nur sehr wenige empirische Untersuchungen durchgefiihrt werden konnten.^^ Eine fundierte Untersuchung, inwieweit die theoretischen bzw. konzeptuellen Aspekte auch in der Praxis umsetzbar sind, blieb deshalb lange Zeit aus.^^ Die konzeptuelle Unscharfe wird besonders dadurch deutlich, dass es noch keine weitgehend anerkannte Definition des „virtuellen Untemehmens" gibt.^"* Vielmehr existiert in der Literatur eine Vielzahl von Definitionsvorschlagen, die sich hinsichtlich ihrer Exaktheit und der angefilhrten Merkmale virtueller Untemehmen z. T. deutlich voneinander unterscheiden.^^ Um das Konzept des virtuellen Untemehmens genauer herauszuarbeiten, ist es hilfreich und erkenntnisleitend, zun^chst die Eigenschaften der Virtualitat zu skizzieren^^ und im Anschluss daran die konstitutiven Merkmale virtueller Untemehmen zu beschreiben. 2.7.1 Eigenschaften der Virtualitdt „Virtuell", abgeleitet vom lateinischen ,,virtus''= „TUchtigkeit", bezeichnet etwas, das nicht real oder physisch, sondem mOglich oder kUnstlich ist, etwas, das der Kraft oder MOglichkeit nach vorhanden ist,^^ scheinbar oder ,als ob' bzw. „existing in the mind,
Vgl. Vogt (1999), S. 18; Reiss (2002), S. 19 Zu den wenigen empirischen Untersuchungen gehOren z. B. die Arbeit von Sieber (1998a), H5lsch(2000). Dies ist aber nicht nur ein Problem des Konzepts des virtuellen Untemehmens. Ahnliche Abgrenzungsprobleme finden sich z. B. auch im Hinblick auf den Begriff der ,Allianz". Vgl. Kronen (1994), S. 28. Da bereits ausflihrliche Diskussionen zum Begriff des „virtuellen Untemehmens" in der Literatur erfolgt sind, soil an dieser Stelle lediglich auf die weiterftihrende Literatur hingewiesen werden. Schrader (1996), S. 23 ff. bietet eine umfangreiche Darstellung und kritische WUrdigung verschiedener Defmitionsvorschlage. Eine systematische Unterteilung der in der Literatur vorzufmdenden Defmitionsversuche bietet Freise (1997), S. 6f. Ebenso bieten Reiss (2002), S. 25 sowie Garrecht (2002), S. 42 ff. einen guten Uberblick Uber die unterschiedlichen Defmitionen. Siehe aber auch z. B. Goldman et al. (1996), S. 169; Cescutti et al. (1998), S. 222; Jansen (1998), S. 16; Sieber (1998a), S. 11 ff,; OuzounisA'aschammer (1999), S. 178; Kocian (1999), S. 72; Camarinha-Matos et al. (1999), S. 267; Kemmner/Gillessen (2000), S. 11; CamarinhaMatos/Pantoja-Lima (2001), S. 133. Vgl. Griese/Sieber (1999), S. 123. Vgl. Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 22. Aufl., S. 1043.
Konzept des virtuellen Untemehmens
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especially as a product of imagination".^^ ''Virtualitdt spezifiziert also ein konkretes Objekt tiber Eigenschaften, die nicht physisch, aber dock in ihrer Funktionalitdt vorhanden sind"'.^^ Der Ursprung des Begriffs „virtuell" in der wissenschaftlichen Literatur geht auf die virtuelle Speicherverwaltung in der Informatik zurUck/^ Trotz dieses Verweises ist die aktuelle Virtualitatsdiskussion sehr heterogen. Was unter Virtualitat im Allgemeinen zu verstehen ist, bleibt hSufig unklar oder wird aus der speziellen Fragestellung abgeleitet.^* Dementsprechend vielfUltig und facettenreich zeigt sich das Begriffsangebot.^^ Eine genauere, bereits auf Untemehmen bezogene Definition des Begriffs „Virtualitat" bieten Venkatraman/Henderson (1996): „Virtualness is the ability of an organization to consistently obtain and coordinate critical competencies through its design of valueadding business processes and governance mechanisms involving external and internal constituencies to deliver differential, superior value in the market place."^^ Mit dem Begriff "Virtualisierung" wird eine organisatorische Innovationsstrategie oder Entwicklungsrichtung verstanden,^"* die v. a. durch die Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien eine orts- und zeitungebundene Leistungserstellung ermSglicht und damit die lose Kopplung von Untemehmenseinheiten untersttitzt. In Analogic zur virtuellen Speicherverwaltung k6nnen Organisationen durch eine geschickte Kombination heterogener Kompetenzen organisatorisch selbstandiger Einheiten nach auBen verschiedene Erscheinungsformen annehmen. Die
Vgl. z. B. auch Klein (1997), S. 44; Scholz (2000a), S. 328. Vgl. Scholz (1996), S. 204 (Hervorh. im Original). Dabei wird zwischen dem physikalischen und dem logischen Speicherplatz unterschieden. Um den verftigbaren Speicherplatz fiir Anwendungen zu optimieren, werden Daten vom physikalischen Hauptspeicher (RAM) auf einen sekundaren Speicherplatz auf der Festplatte ausgelagert, der den virtuellen Arbeitsspeicher darstellt. De Vries (1998), S. 57 sieht ein Erfolgskriterium dieses Begriffs in seiner Unscharfe und der daraus resultierenden fast universellen Anwendbarkeit. Die Begriffe „virtueir' und „Virtualitat" suggerieren haufig etwas vermeintlich Neuartiges und Fortschrittliches und werden nicht selten als Camouflage fur alles nicht genau ErklSr- oder Beschreibbare kritisiert (vgl. Scholz (1997), S. 320). Neben den Begrififen „virtuelles Untemehmen" und „virtuelle Organisation" lassen sich zahlreiche weitere Begriffe wie „virtuelle Teams", „virtuelle Banken", „virtuelles Geld", „virtuelle Hochschulen", „virtuelle Marktplatze", „virtuelle Galerien und Museen", „virtuelle Bibliotheken", aber auch absurd klingende Begriffe wie „virtuelle Schlagereien", „virtuelle Mumien" und „virtuelle TierfriedhOfe" finden. Vgl. Venkatraman/Henderson (1996), S. 1. Vgl. Mertens/Faisst (1997), S. 112.
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Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
Flexibilitat der Organisation wird dabei durch die lose Kopplung der Untemehmenseinheiten ermOglicht. Fiexibilitatsvorteile kOnnen z. B. dadurch erzielt werden, dass einzelne Untemehmenseinheiten je nach Bedarf aneinander gekoppelt werden kSnnen. Dadurch lassen sich GrOBen- bzw. Netzwerkeffekte sowie durch den Verzicht des Aufbaus formaler Strukturen auch Zeitvorteile nutzen, die zur Steigerung der Effektivitat und Effizienz der Organisation beitragen.^^ Durch die problembezogene, dynamische Verkntipfung realer, aber rSumlich verteiiter Ressourcen mitteis modemer Informations- und Kommunikationstechnologien werden beim Leistungserstellungsprozess keine statischen Strukturen aufgebaut. Virtualisierung stellt deshalb nicht eine konkrete LOsung dar, sondem sollte als Prozess verstanden werden, der mehrere LSsungsansatze fUr Probleme bereitstellen kann/^ 2. L2 Konstitutive Merkmale virtue Her Unternehmen Die zunehmende Zahl von Untemehmensbeispielen, die dem Konzept des virtuellen Untemehmens sehr nahe kommen, deutet darauf hin, dass die Virtualisierung als Konzept zur Effizienz- und Leistungssteigerung auch auf Organisationen gewinnbringend Ubertragbar ist. Da es jedoch noch zu wenige Erkenntnisse tiber die Gestaltungsstrategien virtueller Unternehmen und deren Vorteilhaftigkeit gibt, erscheint es sinnvoller, zunachst die konstitutiven Merkmale virtueller Unternehmen genauer herauszuarbeiten^^ Wahrend die Defmitionsvorschlage in den friihen Entwicklungsphasen des Konzepts des virtuellen Untemehmens noch sehr heterogen und z. T. widerspriichlich waren,^^ kristallisieren sich in der gegenwartigen Phase des emeuten Aufschwungs und der
Vgl. z. B. Picot et al. (2003), S. 420 f Vgl. Jansen (1998), S. 16; Kraut et al. (1999), S. 723, die vorschlagen „that virtual organizing is a matter of degree." Der prozessuale Charakter der Virtualisierung weist darauf hin, dass unterschiedliche Virtualitatsgrade bestimmt werden kOnnen. Siehe hierzu weiterftihrend Venkatraman/Henderson (1996), S. 8, die drei Vektoren und drei Stufen der Virtualitat unterscheiden. Da eine Darstellung dieses Modells fUr die Untersuchung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Unternehmen keinen wesentlichen Beitrag leistet, wird auf eine genauere Darstellung dieses Konzepts verzichtet. Vgl. Picot etal. (2003), S. 422. Siehe hiezu z. B. Mertens/Faisst (1996b), S. 1; Weibler/Deeg (1998), S. Ill ff; Scherm/SuB (2000), S. 357 ff.
Konzept des virtuellen Untemehmens
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kritischen Reflexion zahlreiche Ubereinstimmungen zentraler Definitionsmerkmale heraus,^^ die in Tabelle 1 dargestellt und anschlieBend nSher ausgeftihrt werden. TabeUe 1: Konstitutive Merkmale virtueller Untemehmen 1. Es besteht ein latentes Netzwerk aus rechtlich und wirtschaftlich selbstandigen, insbesondere kleinen und mittelstSndischen Untemehmen. 2. Die Kooperationspartner beteiligen sich an der Leistungserstellung vorrangig mit ihren Kemkompetenzen. 3. Die Zusammenarbeit der Kooperationspartner erfolgt projektorientiert und ist dadurch zeitlich befristet. 4. Der Leistungserstellungsprozess erfolgt unter intensivem Einsatz modemer Informations- und Kommunikationstechnologien (luK). 5. Die kooperierenden Einheiten treten nach auBen bzw. gegentiber dem Kunden als einheitliches Untemehmen auf. 6. Unter den kooperierenden Einheiten bestehen intensive ein- und wechselseitige Leistungsbeziehungen. 7. Auf umfangreiche Vertragswerke bei der Kooperation wird verzichtet. An ihre Stelle treten gegenseitiges Vertrauen, ein gemeinsames Geschaftsverstandnis und lose Ubereinkiinfte. 8. Auf die Institutionalisiemng zentraler Managementfunktionen wird weitestgehend verzichtet. 9. Individualisierte Produkte betonen den hohen Stellenwert der Kundenorientiemng. Quelle: Eigene Darstellung.
Vgl. Pieles (2004), S. 58. Zur Darstellung der Charakteristika bzw. Kennzeichen virtueller Untemehmen siehe auch Szyperski/Klein (1993), S. 192 ff.; Rayport/Sviokla (1995), S. 76 ff.; Mertens/Faisst (1996a), S. 280 ff; Scholz (1996), S. 207 ff.; Jansen (1998), S. 17; Sieber (1998a), S. 11 ff u. S. 149 ff.; Venkatraman/Henderson (1998b), S. 35 ff; Konradt (1999), S. 103 ff.; Kortzfleisch/Al-Laham (1999); Kemmner/Gillessen (2000), S. 12 ff.; Reiss (2002), S. 31 ff.; Garrecht (2002), S. 36 ff.; Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2004), S. 41 ff. gelangen aufbauend auf einer breit angelegten Literaturanalyse, in der sie die unterschiedlichen Definitionen zum Konzept des virtuellen Untemehmens untersuchen, zu einer ahnlichen Auflistung von konstitutiven Merkmalen.
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(1) Es besteht ein latentes Netzwerk aus rechtlich selbstdndigen, insbesondere kleinen und mittelstdndischen Unternehmen. Mit der Beschrankung auf rechtlich selbstandige Unternehmen wird hier der Fokus nicht auf die intraorganisatorische, sondem auf die interorganisatorische Form virtueller Unternehmen gerichtet.*^ ZusStzlich wird auf die Kooperation zwischen kleinen und mittelstandischen Unternehmen Bezug genommen, da das Konzept des virtuellen Untemehmens v. a. ihnen durch Kooperationen Vorteile bietet.^' In den ersten Entwicklungsphasen des Konzepts des virtuellen Untemehmens wurde noch haufig angenommen, dass ein virtuelles Unternehmen ad hoc aus untereinander unbekannten Marktteilnehmem gebildet wird, um eine Marktchance zu nutzen, die sie aufgrund fehlender Kapazitaten oder Ressourcen nicht allein wahmehmen kOnnten. Die Bildung eines virtuellen Untemehmens durch untereinander unbekannte Marktteilnehmer wird aus heutiger Sicht als unrealistisch betrachtet.^^ Vielmehr ist davon auszugehen, dass vor einem freiwilligen Zusammenschluss von Untemehmen zu einem virtuellen Untemehmen, wie bei anderen Untemehmensnetzwerken auch, sich die Kooperationspartner zunachst einmal persOnlich kennen lemen mUssen. Dabei kann a priori festgestellt werden, ob eine Kooperation mOglich ist und die ben5tigten Kompetenzen zur erfolgreichen Leistungserstellung zur Verfugung stehen. Da diese Prozesse haufig recht zeitaufwandig und mit vergleichsweise hohen Ex-anteTransaktionskosten^^ verbunden sind, erfolgt die Bildung eines virtuellen Untemehmens haufig auf der Gmndlage bereits existierender Geschafts- und Vertrauensbezie-
Wahrend bei der intraorganisatorischen Form eines virtuellen Untemehmens eine Virtualisierung innerhalb eines meist grOBeren Untemehmens erfolgt, sind bei der interorganisatorischen Fomi ausschlieBlich rechtlich selbstandige Untemehmen beteiligt. Siehe zur genaueren Unterscheidung beider Formen z. B. Scholz (1994), S. 14 ff; Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2004), S. 36. In der Literatur wird hierbei auch von virtuellen Organisationen ersten und zweiten Grades gesprochen. Siehe z. B. Bultje/Wijk (1998), S. 17 f; Reiss (2002), S. 138 ff. Vgl. Scholz (1996), S. 210; WimmersAVolter (1997), S. 95 f Dennoch scheinen einzelne Autoren das latente Netzwerk bei der Betrachtung virtueller Unternehmen nicht zu berUcksichtigen. Siehe z. B. Reiss (2002), S. 40; ahnlich auch Mertens/Faisst (1996a), S. 280; Engelhard (1999), S. 328. Dies fUhrt u. a. dazu, dass Inkonsistenzen beziiglich des Konzepts des virtuellen Untemehmens, z. B. die in den ersten Entwicklungsphasen haufig gestellte Frage, wie sich Vertrauen unter den Kooperationspartnem entwickeln kann, weiter bestehen bleiben. Siehe hierzu die Ausfuhmngen zum Transaktionskostenansatz unter Abschnitt 3.1 der vorliegenden Arbeit.
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hungen.^^ Je linger geschaftliche Beziehungen unter den einzelnen Untemehmen bestehen und je starker die Kooperation auf Vertrauen unter den Kooperationspartnem grUndet, desto eher bilden sich im Zeitverlauf latente Netzwerke^^ heraus, die als soziale Beziehungsnetzwerke potenzieller Kooperationspartner betrachtet werden kOnnen.^^ Auf der Grundlage eines latenten Netzwerks ist es m5glich, beim Aufbau eines virtuellen Untemehmens, d. h. dem sich darauf bildenden aktivierten Netzwerk, auf eine langere Grtlndungs- und Konsolidierungsphase zu verzichten. Dadurch ist eine rasche HandlungsfUhigkeit eines virtuellen Untemehmens mOglich, welche einen wesentlichen Vorteil dieses Kooperationskonzepts darstellt.^^ Die Unterscheidung zwischen dem latenten und dem aktivierten Netzwerk wird in Abbildung 2 noch einmal graphisch verdeutlicht. Das Konzept des virtuellen Unternehmens hat durch das latente Netzwerk eine stabile und durch das aktivierte Netzwerk, das auftragsspezifische Projektnetzwerk, eine dynamische Gmndkomponente.^* Durch diese Unterscheidung kann grundlegend zwischen der Netzwerkebene und der Projektebene eines virtuellen Untemehmens differenziert werden.
Siehe hierzu auch Mertens/Faisst (1997), S. 111. Virtuelle Untemehmen, die aus Kooperationen von GroBuntemehmen entstehen, sind theoretisch mOglich. Wie sich aber bei der Beschreibung dertibrigenCharakteristika verdeutlichen wird, widerspricht der bei GroBuntemehmen h^ufig anzutrefifenden ausgepragte Formalisiemngsgrad dem Flexibilitatspostulat virtueller Untemehmen. In der Literatur existieren neben dem Begriff des „latenten Netzwerks" noch weitere Bezeichnungen, die jedoch synonym verwendet werden kdnnen. So z. B. „interorganisatorisches Beziehungspotential" (vgl. Schuh et al. (1998), S. 32), ^Business Network" (vgl. Mertens/Faisst (1997), S. I l l und auch Sieber (1998a), S. 150 ff.), „virtuelles Netz" (vgl. Goldman et al. (1996), S. 184). Siehe femer auch: Macharzina/Durrfeld (2000), S. 30; Weber (1996), S. 140; Fischer (2001), S. 156. Unter ihnen kOnnen sich sowohl kleine und mittelstandische Untemehmen als auch Freibemfler befmden, die sich bereits aus vorangegangenen Projekten pers5nlich kennen. Vgl. Albers et al. (2003), S. 12 f Vgl. Schuh etal. (1998), S. 63.
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Abbildungl: Konzept des virtuellen Untemehmens
Quelle: Eigene Darstellung in Aniehnung an Blecker (1999), S. 34 und Arnold et al. (1995a), S. 11. Das latente Netzwerk eines virtuellen Untemehmens unterscheidet sich von Distributions-, Produktions- oder Absatznetzwerken dadurch, dass es den Kooperationspartnem als Pool dient, in dem sich Kooperationspartner mit homogenen wie auch heterogenen Kemkompetenzen^^ in einer nur losen Kopplung befmden. Dabei ist haufig die Anzahl der Partner in einem latenten Netzwerk grOfier als die Anzahl der Partner im aktivierten Netzwerk. Zwar weist das im Hintergrund liegende latente Netzwerk Gemeinsamkeiten mit einem strategischen Netzwerk auf, jedoch besteht der Unterschied darin, dass das latente Netzwerk im Gegensatz zum strategischen Netzwerk, welches haufig unter GroBuntemehmen gebildet wird, nicht als solches auf dem Markt in Erscheinung
*^ Zum Begriff der „Kemkompetenz" siehe die nachfolgenden Ausflihrungen zum zweiten konstitutiven Merkmal virtueller Untemehmen.
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tritt. Es bleibt vielmehr als Netzwerkpool nach auBen hin unerkannt und kann als „Brutstatte fiir neue Kooperationen"^^ aufgefasst werden. Die Existenz eines latenten Netzwerks kann als besonderes Charakteristikum des hier betrachteten Konzepts betrachtet werden. Auf dieser Grundlage ist es m5glich, dass rechtlich selbstandige Untemehmen oder Kemkompetenztrager zusammenarbeiten, ohne hierfiir ein Untemehmen zu grilnden, Personal einzustellen oder einen gemeinsamen Standort bzw. eine eigene Organisation aufbauen zu mtissen.^^ Es ist die Einmaligkeit, d. h. der einmalige bzw. einzigartige Zusammenschluss verschiedener Kemkompetenztrager auf der Basis des latenten Netzwerks zu einem aktivierten, auftragsspezifischen Netzwerk, mit dem sich das Konzept des virtuellen Untemehmens gegenUber den bisherigen Kooperationsmodellen unterscheidet.^^ Dies ist vor allem darauf zurtickzufiihren, dass im Gegensatz zu herkOmmlichen Untemehmen virtuelle Unternehmen auftrags- bzw. projektbezogen sind, d. h., dass sich das auf der Gmndlage des latenten Netzwerks gebildete virtuelle Untemehmen nach Beendigung des Geschaftszwecks quasi wieder in das latente Netzwerk aufl6st, bis sich einzelne Partner emeut zu einem virtuellen Untemehmen zusammenschlieBen. Auch Scherm/StiB (2000) gehen davon aus, dass sich virtuelle Untemehmen auf der Basis eines latenten Netzwerks bilden.^^ Jedoch sind sie der Auffassung, dass der spontane Charakter eines virtuellen Untemehmens dadurch verloren gehe, dass keine projektspezifische Suche nach Kooperationspartnem auf dem Markt erfolgt. Diesem Standpunkt muss jedoch entgegengesetzt werden, dass die Suche nach potenziellen Kooperationspartnem auf dem Markt mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden sein kann und dadurch nur wenig Spontaneitat aufweist. Es scheint dagegen eher wahrscheinlich, dass sich Partner eines auf Vertrauensbeziehungen basierenden latenten Netzwerks spontan und rasch zu einem virtuellen Untemehmen zusammenschlieBen und im Falle des Fehlens von Kemkompetenzen, die fiir die Projektabwicklung notwendig sind, kurzfristig ggf exteme, d. h. spezialisierte Marktteilnehmer als Zulieferer einbeziehen. Somit steht das Konzept des latenten Netzwerks nicht zwangslaufig im Widerspmch zu der gewtinschten Spontaneitat bzw. Flexibilitat. Dariiber
Vgl.BrOtsch(1999),S.50. Vgl.Gora/Scheid(2001),S. 13. Vgl. Linde( 1997b), S. 20. Die Autoren sprechen hier von einem Kern von potenziellen Kooperationspartnem. Vgl. Scherm/Su6 (2000), S. 458.
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hinaus lassen die Autoren einen wichtigen Aspekt auBer Acht, wenn sie die fallweise Suche nach Kooperationspartnem postulieren, namlich den Kostenaspekt. Unter transaktionskostentheoretischen Gesichtspunkten ist die Transaktion mit zuvor unbekannten Kooperationspartnem aufgrund der Opportunismusgefahr mit einem erheblichen Unsicherheitspotenzial verbunden. Sowohl die Kosten, die durch die Suche entstehen wtirden (Ex-ante-Transaktionskosten) als auch die Kosten, die zur Einhaltung von Vereinbarungen oder der Regelung von Konflikten entstehen (Ex-postTransaktionskosten) wtirden sich erhShen, wodurch die dem Konzept des virtuellen Untemehmens zugeschriebenen Okonomischen Vorteile stark eingeschrSnkt wSren. Zudem erscheint eine fallweise Suche nach Kooperationspartnem oder sogar die gesamte AuflOsung der Kooperation nach Beendigung eines Projekts nicht rational, da anzunehmen ist, dass mit steigender HSufigkeit der Transaktionen zwischen untereinander bekannten Kooperationspartnem die Produktions- wie auch die Transaktionskosten pro Transaktion sinken.^"* (2) Die Kooperationspartner beteiligen sich an der Leistungserstellung vorrangig mit ihren Kernkompetemen. Wird ein Auftrag an einen Partner aus dem latenten Netzwerk gestellt, den er aus Kapazitatsgrtinden oder aufgmnd mangelnder Ressourcen bzw. Kompetenzen nicht allein abwickeln kann, schlieBen sich nach der Identifikation der im latenten Netzwerk befmdlichen Kemkompetenzen diejenigen Netzwerkpartner zu einem virtuellen Untemehmen zusammen, die in Bezug auf die Auftragsabwicklung die benOtigten Kemkompetenzen aufweisen.^^ Kemkompetenzen k5nnen dabei als ein spezifisches Btindel von Kompetenzen aufgefasst werden,^^ die (a) einen hohen Kundenwert stiften, (b) in ihrer Kombination einzigartig sind bzw. sich gegentiber der Konkurrenz langfristig schtitzen und (c) durch ihre potenzielle AusbauMigkeit in einer Vielzahl von Produkt-Markt-Kombinationen einsetzen lassen.^^ Sie stellen v. a. nicht-tangible.
Siehe hierzu auch die AusfUhrungen zum Transaktionskostenansatz in Abschnitt 3.1. Vgl. Macharzina/Dttrrfeld (2000), S. 29, die die Kemkompetenzfokussierung der Partner virtueller Untemehmen hervorheben. Vgl.Steinleetal.(1997),S.2. Vgl. Prahalad/Hamel (1991), S. 22. Der Begriff der Kemkompetenzen hat in der Strategiediskussion in den vergangenen Jahren groBe Bedeutung gewonnen. In der Literatur zum strategischen Management von Untemehmen fand der Aufsatz „The Core Competence of the Corporation" von Prahalad/Hamel (1990), die fraglos zu den Hauptvertretem des Kemkompetenzansatzes gezahlt werden kOnnen, insbesondere durch ihre praxisbezogene Ausrichtung groBe Resonanz. Siehe auch
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wissensbasierte Ressourcen dar, die im Zeitverlauf durch Lemprozesse aufgebaut und in komplexen, organisatorischen Routinen verankert sind. Deshalb k5nnen sie nur schwer imitiert, transferiert oder gehandelt werden.^^ Kemkompetenzen werden im Leistungserstellungsprozess als besondere bzw. strategische Produktionsfaktoren herausgestellt, sodass die Kemkompetenzfokussierung in hohem MaBe als erfoigsprSgend betrachtet wird.^^ Mit der Beteiligung von Kemkompetenztragem am Leistungserstellungsprozess wird die Strategie verfolgt, Synergieeffekte wie z. B. economies of scope zu realisieren und damit Wettbewerbsvorteile zu erzielen.^^^ Durch die Kombination von Spezialisten stellt ein virtuelles Untemehmen eine Art „Best-of-everything-Organization"^^^ dar, die einen hohen Kundennutzen durch eine optimierte WertschGpfung realisieren kannr' (3) Die Zusammenarbeit der Kooperationspartner erfolgt projektorientiert und ist dadurch zeitlich befristet. Die projektorientierte Zusammenarbeit ergibt sich aus der flexiblen Zusammenstellung von Leistungstragem, um kurzfristige Marktchancen nutzen zu k5nnen. Durch die projektorientierte Bildung virtueller Untemehmen und die unterschiedlichen Anforderungen des Projekts, entstehen virtuelle Untemehmen, die in ihrer Stmktur und Konstellation immer wieder einzigartig sind. In der Literatur wird diesbezUglich jedoch die Frage aufgeworfen, wie sich der hohe Koordinationsaufwand eines solchen Untemeh-
Hamel (1994). FUr eine weiterfiihrende, v. a. managementorientierte Betrachtung des Kemkompetenzansatzes siehe z. B. Thomsen (2001); Blohm (2000) und Duschek (1998). Vgl.Rasche (1993), S. 426. Vgl. Scholz (2000b), S. 206; Blohm (2000), S. 158. Zur Identifikation von Kemkompetenzen siehe z. B. Rogulic (2000), S. 257 ff.; Thomsen (2001), S. 87 ff. Siehe hierzu z. B. Goldman et al. (1996), S. 178 f.; Schuh et al. (1998), S. 48; Krystek et al. (1997a), S. 356 ff. Unter den Netzwerkeflfekten, d. h. den Auswirkungen des Zusammenschlusses mehrerer Untemehmenseinheiten, werden z. B. Synergieeffekte subsumiert. Synergieeffekte k6nnen in virtuellen Untemehmen z. B. dadurch entstehen, dass durch einen gemeinsamen Einkauf von Ressourcen in grftBeren Stuckzahlen Einsparungen ermOglicht werden. In diesem Zusammenhang wird auch das Konzept der „Economies of Scope" diskutiert, bei dem es sich um Verbundeffekte handelt. Siehe hierzu auch MacharzinaAVolf (2005), S. 340. Vgl. Mertens/Faisst (1996a), S. 280; Kemmner/Gillessen (2000), S. 13. 102
Vgl. Goldman et al. (1996), S. 171 ; Kemmner/Gillessen (2000), S. 13 f. Da sich die Kooperationspartner an einem virtuellen Untemehmen i.a. nur mit ihren Kemkompetenzen beteiligen und Kemkompetenzen, die sie nicht besitzen, von den Netzwerkpartnem beziehen, stellt ein virtuelles System nach Hiirlimann (1995), S. 21 die „Extremform des Outsourcing" dar.
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mensnetzwerks vor dem Hintergrund der verhaltnismaliig kurzen Lebensdauer ekonomisch rechtfertigen iSsstJ^^ Zudem sei es unklar, wie in einem virtuellen Untemehmen eine projektorientierte Zusammenarbeit auf der Grundlage von Vertrauen mOglich ist, wenn die Zusammenarbeit zeitlich befristet ist und sich das virtuelle Untemehmen nach Abschluss des Projekts auflSst-^^"^ Wie bereits oben mit der Unterscheidung zwischen dem latenten Netzwerk und dem aktivierten Netzwerk dargestellt, bedeutet die AuflSsung eines virtuellen Untemehmens nicht, dass damit auch gleichzeitig die Beziehungen unter den Kooperationspartnem beendet werden. Dies ware aus 5konomischer bzw. transaktionskostentheoretischer Sicht auch nicht sinnvoU, da mit dem Aufbau von Vertrauen ein erheblicher Zeitaufwand verbunden ist^^^ und damit der Nutzen eines virtuellen Untemehmens in Frage gestellt wtirde. Vielmehr wird nur das aktivierte Netzwerk bzw. Projektnetzwerk aufgelost.^^^ Die Kooperationspartner bleiben jedoch im latenten Netzwerk lose miteinander gekoppelt. Die Arbeitskapazitat der gesamten Organisation wird durch eine AuflOsung also nicht vemichtet, sondem durch die Ubertragung auf neue Ziele weiterhin genutzt/^^ Somit ist es mGglich, dass auf der Grundlage des latenten Netzwerks sich immer wieder projektspezifische virtuelle Untemehmen aus Spezialisten bzw. Kemkompetenztragem bilden, unter denen bereits vor der jeweiligen projektspezifischen Kooperation Vertrauensbeziehungen bestanden.^^^ Diese relativ dauerhafte Ebene des latenten Netzwerks unterhalt die Kundenkontakte, fungiert in rechtlichen Fragen als Ansprechpartner, stellt die Projektteams zusammen und nimmt damit die wichtigsten Aufgaben der Unternehmensleitung war.'^^ Der eher langerfristige Zu-
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Vgl. Weibler/Deeg (1998), S. 120. In Bezug auf diese auf den ersten BHck widersprtichliche Konstellation vermutet z. B. Reiss (2002), S. 142 irrttimlicherweise, dass liberwiegend nur einfache Kooperationsmuster in Frage kommen, mit denen rasche Ergebnisse erzielt werden kOnnen, die jedoch aufgrund der unvollstandigen Konfiguration nur eine einschrankte Efifizienz aufweisen. Die in Abschnitt 5.1.2 der vorliegenden Arbeit dargestellten Untemehmensbeispiele sowie die im Anhang dieser Arbeit befmdlichen dargestellten Untemehmen verdeutlichen das Gegenteil. Siehe hierzu auch die Ausftihrungen zum Koordinationsinstrument Vertrauen in Abschnitt 5.3.1.3. Vgl. Fischer (2001), S. 156. Schuh et al. (1998), S. 35 weichen aus zwei GrUnden von einer zeitlichen Definition ab. Die genaue Angabe der „zeitlichen Begrenzung" einer Kooperation ist nicht nur schwierig, sondem auch sehr dehnbar - in einigen Branchen dauert die Zusammenarbeit nur Monate, in anderen sind es dagegen mehrere Jahre.
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Vgl. Endruweit (2004), S. 98. BrUtsch(1999),S.50. Vgl. JOrges/SUss (2000), S. 79.
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sammenschluss von potenziellen Kooperationspartnem in Form eines latenten Netzwerks betont dabei nicht nur das Wachstum als ein untemehmerisches Grundprinzip, sondem schliefit auch mOgliche Weiterentwicklungen virtueller Untemehmensstrukturen nicht aus.**° (4) Der Leistungserstellungsprozess erfolgt unter intemivem Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (luK). Ein wesentliches Charakteristikum virtueller Untemehmen, das diese Kooperationsform von anderen unterscheidet, besteht in der intensiven Verwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Leistungserstellungsprozess.^^* Dies sind neben den Standardtechnologien wie Telefon und Fax vor allem intemetbasierende Technologien wie E-Mail, Online-Konferenzen oder projektunterstUtzende Computerapplikationen wie Lotus Notes oder Microsoft Project.**^ Intemetbasierte Technologien bieten sich fUr die Kooperation in virtuellen Untemehmen dadurch an, dass sie Kosten- und Zeitvorteile bei der Leistungserstellung und auch bei der Kommunikation und Koordination arbeitsteiliger Prozesse ermOglichen. So ist es z. B. virtuellen Untemehmen mOglich, Uber intemetbasierte Technologien sehr preiswert zu kommunizieren und durch die geographische Verteilung''^ der Kooperationspartner Uber mehrere Zeitzonen hinaus Zeitvorteile realisieren kOnnen. Die Nutzung intemetbasierter Technologien bietet sich dabei v. a. bei der Erstellung von Dienstleistungen an, da der gesamte WertschOpfungsprozess mit Hilfe der elektronischen Dateniibermittlung erfolgen kann. Infolgedessen nimmt die AbhSngigkeit vom Ort der Leistungserstellung ab. Der erhOhte Koordinationsbedarf, der durch die untemehmenstibergreifende Zusammenarbeit rechtlich selbstandiger und geographisch hSufig verteilter Untemehmen entsteht, kann durch den Einsatz geeigneter elektronischer Kommunikationstechnologien kompensiert werden.**"^ Wegen der Unterstutzung der Kommunikations- und
Denkbar ware z. B. die Herausbildung von Holding-Strukturen. Vgl. Garrecht (1998), S. 113; SydowAVinand (1998), S. 17 ff; Fischer (2001), S. 164; KasperFuehrer/Ashkanasy (2004), S. 49. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen unter Abschnitt 5.2.4, in dem die unterschiedlichen Informations- und Kommunikationstechnologien, die in virtuellen Untemehmen verwendet werden kOnnen, thematisiert werden. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang von „Delokalisation" (vgl. Linde (1997a), S. 41) oder „organisationaler Desintegration" (vgl. Picot et al. (1996), S. 66) gesprochen. Vgl.Picotetal.(1996),S.68.
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Koordinationsprozesse werden die modemen Informations- und Kommunikationstechnologien auch als „enabler" der Virtualitat bezeichnet.'^^ (5) Die kooperierenden Einheiten treten nach aufien bzw. gegeniiber dem Kunden als einheitliches Unternehmen auf. Ein weiteres wesentliches Merkmal virtueller Unternehmen besteht in ihrem wirtschaftlich und rechtlich einheitlichen Erscheinungsbild gegentlber dem Kunden.'^^ Dies wird v. a. dadurch hervorgerufen, dass das virtuelle Unternehmen einen einheitlichen Namen tr^gt und der Kunde einen festen Ansprechpartner hat, mit dem er den Projektauftrag schiieBt und der hSufig die einzige Schnittstelle zwischen dem virtuellen Unternehmen und dem Kunden bildet. Dadurch sind die Zustandigkeiten aus der Sicht des Kunden klar geregelt. Die Aufbau- bzw. Ablauforganisation bleibt dem Kunden dagegen weitgehend unersichtlich, um mOglicherweise entstehende Vorbehalte gegeniiber dieser modemen Form der Leistungserstellung zu vermeiden.^*^ (6) Unter den kooperierenden Einheiten bestehen intensive ein- und wechselseitige Leistungsbeziehungen. Die Leistungsbeziehungen zwischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Unternehmens, die auf den arbeitsteiligen Leistungserstellungsprozess zurUckzufQhren sind, kennen unterschiedlich ausgeprSgt sein.^^^ Einerseits kOnnen einseitige Leistungsbeziehungen bestehen, d. h. dass ein Partner AuftrSge an einen oder mehrere Partner vergibt und sie dafur entsprechend entlohnt. Dies kann mit dem Prinzip des Generaluntemehmers und seiner Subleister bzw. Zulieferer vergiichen werden. Da der Output der Zulieferer den Input fUr die Leistungserstellung des Generaluntemehmers darstellt, kann hierbei auch von einer sequenziellen Abhangigkeit gesprochen werden. ^^^ Andererseits k5nnen die Beziehungen unter den Partnem auch wechselseitig sein, d. h. die Unternehmen sind bei der Leistungserstellung voneinander abhangig und tauschen
Siehe z. B. Venkatraman/Henderson (1998b), S. 34; Zimmermann (2003), S. 95; KasperFuehrer/Ashkanasy (2004), S. 34. Vgl. Scholz (1996), S. 208; Specht/Kahmann (2000), S. 56; Kutschker/Schmid (2002), S. 525; Macharzina/DUrrfeld (2000), S. 26; Fischer (2001), S. 154. Vgl. Kemmner/Gillessen (2000), S. 18. Vgl. Kemmner/Gillessen (2000), S. 14 f Vgl. Thompson (1967), S. 54, der zwischen gepoolten, sequenziellen und reziproken Abhangigkeiten differenziert. Auf die Klassifikation von Thompson wird in Abschnitt 2.2.1 noch einmal genauer Bezug genommen.
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gegenseitig Leistungen aus, Dabei wechseln die Rollen des Zulieferers und des Abnehmers, sodass eine reziproke Abhangigkeit unter den Partnem besteht. Da die o. g. Interdependenzen auf aile Organisationen Ubertragbar sind, stellt das Kriterium der intensiven ein- und wechselseitigen Leistungsbeziehungen von Kooperationspartnem allein jedoch kein Charakteristikum virtueller Untemehmen dar, mit dem es sich von anderen Organisationsformen abgrenzen lieBe.^^^ (7) Auf umfangreiche Vertragswerke bei der Kooperation wird verzichtel An ihre Stelle treten gegenseitiges Vertrauen, ein gemeinsames Geschdftsverstdndnis und lose Ubereinkunfte. Wie unter den Ausflihrungen zum o. g. ersten konstitutiven Merkmal virtueller Unternehmen skizziert, bilden sich virtuelle Untemehmen v. a. auf der Basis eines latenten Netzwerks. Der strategische Vorteil dieses im Hintergrund liegenden Netzwerks besteht darin, dass sich die Kooperationspartner bereits zuvor in gemeinsamen Treffen Oder vorausgegangenen Kooperationen kennen gelemt haben und sich unter ihnen ein gewisses Mali an Vertrauen gebildet hat.'^' Vertrauen wird im Konzept des virtuellen Untemehmens als ein zentrales Merkmal betrachtet/^^ weil es als Substitut fUr die nur sehr eingeschrankt mSgliche Kontrolle wShrend der Kooperation fungieren kann^^^ und dazu beitrSgt, die Gefahr des opportunistischen Ausnutzens von Informationsasymmetrien unter den Kooperationspartnern zu reduzieren.'^"* Auf der Gmndlage von Vertrauen kOnnen Flexibilitats- und Kostenvorteile dadurch ermOglicht werden, dass z. B. auf umfangreiche Vertragswerke verzichtet werden kann und die Kooperationspartner untereinander eher in einem losen, informellen Kontakt stehen.^^^
For eine Typologisierung virtueller Untemehmen bietet sich diese Differenzierung jedoch an. Siehe auch Albers et al. (2003), S. 21 und die Ausfuhrungen in Abschnitt 5.2.1 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Weber (1996), S. 140. Vertrauen lasst sich nach Giddens (1990), S. 34 wie folgt definieren: „Trust may be defined as confidence in the reliability of a person or system, regarding a given set of outcomes or events, where that confidence expresses a faith in the probity or love of another, or in the correctness of abstract principles." Vgl. Davidow/Malone (1992), S. 18 f; Handy (1995), S. 44 ff.; Scholz (1996), S. 208; WeberAValsh (1994), S. 26; Sieber (1998a), S. 43; Mertens/Faisst (1997), S. 111. 123
Vgl. z. B. Garrecht (2002), S. 125flf.;Picot et al. (2003), S. 560.
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Vgl. Grabowski/Roberts (1999), S. 713; Zimmermann (2003), S. 133.
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Vgl. Schuh et al. (1998), S. 71; Kemmner/Gillessen (2000), S. 18. Lose ZusammenschlUsse von Untemehmen, zwischen denen keine Vertrauensbeziehungen bestehen, sind dagegen eher selten zu beobachten. Vgl. Mertens/Faisst (1997), S. 111.
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Einen vergleichbaren Stellenwert wie Vertrauen nimmt das gemeinsame Geschaftsverstandnis unter den Netzwerkpartnem ein. Dieses wird wesentlich durch die Verfolgung eines gemeinsamen Ziels gebiidet, das v. a. darin besteht, die Ressourcenbasis durch eine Kooperation flexibel zu erweitem ohne zusatzliche Kosten hervorzurufen und dadurch Wettbewerbsvorteile erzielen zu kSnnen. Aus der Kooperation ergeben sich im Idealfall sog. „Win-Win-Situationen", d. h. Vorteile fiir alle Beteiligten.'^^ Auf der Grundlage der dam it verbundenen Motivation der Kooperationspartner kann auf umfangreiche Vertragswerke verzichtet werden. Es besteht z. B. die MOglichkeit, dass die Kooperationspartner allein auf der Grundlage eines „Gentlemen's Agreement" lose Ubereinktinfte schliefien. (8) Auf die Institutionalisierung zentraler Managementfunktionen wird weitgehend verzichtet Der weitgehende Verzicht auf die Institutionalisierung zentraler Managementfunktionen stellt ein weiteres konstitutives Merkmal virtueller Untemehmen dar.^^^ Hierbei wird die Strategie verfolgt, durch einen m5glichst geringen Formalisierungsgrad und die Vermeidung eines strukturellen Uberbaus FlexibilitSts- und Kostenvorteile zu erzielen. Der weitgehende Verzicht auf zentrale Managementfunktionen bzw. ein gemeinsames juristisches Dach setzt jedoch komplexitats- und unsicherheitsreduzierende Faktoren wie das Vertrauen und das gemeinsame Geschaftsverstandnis unter den Kooperationspartnem voraus. Hierbei darf jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass in einem virtuellen Untemehmen ein geringerer Koordinationsbedarf besteht als in anderen arbeitsteiligen Organisationen oder eine Koordination sogar Uberfltissig ist. Vielmehr deutet vieles darauf hin, dass bei einem virtuellen Untemehmen aufgmnd der rechtlichen Selbstandigkeit der Kooperationspartner und ihrer Spezialisiemng auf Kemkompetenzen von einem anderen Rollen- bzw. Fiihmngsverstandnis ausgegangen werden muss.^^^ (9) Individualisierte Produkte hetonen den hohen Stellenwert der Kundenorientierung. Durch die projektorientierte Zusammenarbeit von Kemkompetenztragem in einem virtuellen Untemehmen kCnnen nicht nur hochwertige Produkte und Dienstleistungen
*^^ Vgl. WUthrich/Philipp (1998), S. 265. *^^ Vgl. Arnold et al. (1995a); Linde (1997b), S. 20. *^* Vgl. Wagner (1999), S. 144.
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angeboten werden, sondem v. a. auch kundenspezifische Probleml5sungen/^^ Uber einen festen Ansprechpartner hat der Kunde die M5glichkeit, sich Uber die Entwicklung der Leistungserstellung zu informieren und auch wahrend des Projekts Anderungswunsche zu auBem. In diesem Zusammenhang wird in der deutschen Ubersetzung von Davidow und Malones „The Virtual Corporation" der Kunde auch als „CoProduzent" bezeichnet.^^^ Zusammenfassend lasst sich hier festhalten, dass die originSren Merkmale virtueller Untemehmen in der Existenz eines latenten Netzwerks, der Beteiligung insbesondere von Kemkompetenztragem, dem geringen Formalisierungsgrad und dem intensiven Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien bei der arbeitsteiligen Leistungserstellung bestehen. 21.3 Ableitung einer Arbeitsdefmition des „ virtuellen Untemehmens " Zwar existieren in der Literatur zum virtuellen Untemehmen zahlreiche, z. T. sehr unterschiedliche Defmitionen/^' jedoch lasst sich keine Definition finden, die die o. g. neun aus der einschlagigen Literatur abgeleiteten konstitutiven Merkmale virtueller Untemehmen aufweist. Andererseits ist es fUr eine empirische Arbeit, deren Zielsetzung in der Entwicklung von Hypothesen in Bezug auf die Verwendung von Koordinationsinstmmenten in virtuellen Untemehmen besteht, nicht nur opportun, sondem auch notwendig, auf Aussagen zur Koordination oder Hinweisen auf Koordinationsinstmmente in der Definition zu verzichten. So sind hier z. B. die Definition von Chrobok (1996) oder Cesutti (1998) u. a. deshalb unzweckmaBig, da bereits von einer Selbstorganisation der Kooperationspartner ausgegangen wird.'^^ Ebenso erscheint auch die vielfach zitierte Definition von Byrne/Brandt (1993) als ungeeignet fiir die verfolgte Fragestellung, da hierarchische Aspekte prinzipiell ausgeschlossen werden.^"
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Vgl. GOransson/Schuh (1997), S. 69; WOthrich/Philipp (1998), S. 265.
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Vgl. Davidow/Malone (1993), S. 158.
131
Einen Oberblick Uber die in der Literatur bestehenden Definitionen bieten z. B. KasperFuehrer/Ashkanasy (2004), S. 63 f
132
Siehe Chrobok (1996), S. 252; Cescutti et al. (1998), S. 222.
133
Vgl. Byrne/Brandt (1993), S. 37, die in ihrer Definition u. a. ausfiihren: „... It will have no hierarchy, no vertical integration."
30
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
Mit einer Arbeitsdefinition wird die Absicht verfolgt, das Konzept des virtuellen Untemehmens aufbauend auf der Darstellung der konstitutiven Merkmale'^"* zu prSzisieren, gleichzeitig jedoch das Spektrum der in diesem Konzept verwendbaren Koordinationsinstrumente a priori nicht einzuschranken. Daher werden bei der folgenden Arbeitsdefinition die in Tabelle 1 dargesteilten Punkte 7 (Verzicht auf umfangreiche Vertragswerke) und 8 (weitgehender Verzicht auf die Institutionalisierung zentraler Management-Funktionen) bewusst ausgeschlossen: ^^^ Ein virtuelles Untemehmen ist eine (auf einem latenten Netzwerk basierende) projektorientierte Kooperationsform rechtlich unabhangiger Untemehmen, Institutionen und/oder Einzelpersonen, die eine Leistung auf der Basis eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses erbringen. Unter intensivem Einsatz modemer Informations- und Kommunikationstechnologien beteiligen sich die kooperierenden Einheiten an der Leistungserstellung vorrangig mit ihren Kemkompetenzen und treten gegentiber dem Kunden wie ein einheitliches Unternehmen auf. Die Kombination der Kemkompetenzen und der unter den Kooperationspartnem bestehenden intensiven ein- und wechselseitigen Leistungsbeziehungen ermOglicht die Erstellung individualisierter Produkte und Dienstleistungen, mit denen der hohe Stellenwert der Kundenorientierung betont wird. Die Arbeitsdefinition steiit ein idealtypisches^^^ virtuelles Untemehmen dar, mit der das Verstehen und Erklaren des Konzepts ermfiglicht wird. Mit diesem Idealtypus sind zwei Funktionen verbunden. Einerseits lasst sich auf dieser Gmndlage feststellen, ob samtliche Annahmen und die daraus ableitbaren Schlussfolgemngen logisch konsistent sind. Andererseits ist eine Vergieichbarkeit der empirischen Beispiele mit dem Idealtypus und eine Ubertragung der in einer theoretisch gefUhrten Diskussion zum Idealtypus gewonnenen Ergebnisse auf reale Untemehmensbeispiele mSglich. Es geht also nicht darum, ein Untemehmensbeispiel so zu gestalten, dass es sich diesem Ideal
SieheAbschnitt2.1.2. Dadurch, dass diese Arbeitsdefinition auf den Merkmalen aufbaut, die im Schrifttum eine breite Zustimmung erfahren haben, wird die Begriffsvielfalt in Bezug auf das „virtuelle Untemehmen" nicht unnatig erweitert. Vielmehr kann sie als eine im Wesentlichen auf Arnold et al. (1995a), S. 10 basierende Definition verstanden werden, die die charakteristischen Merkmale des Konzepts des virtuellen Untemehmens in einer Synthese zusammenfasst. Der Begriff „idealtypisch" wird hier im Sinne Max Webers verstanden. Siehe Weber (1968), S. 42 ff.
Konzept des virtuellen Untemehmens
31
annahert/" sondem vielmehr darum, vor dem Hintergrund des Ideals die Problematik virtueller Untemehmen besser zu verstehen.'^* Die in der Einleitung dieser Arbeit genannte Fallstudienuntersuchung zum Management virtueller Untemehmen in Schleswig-Holstein^^' verdeutlicht, dass die AusprSgung eines virtuellen Untemehmens sehr stark von dem jeweiligen Zweck und der Untemehmensumwelt abhangt.^'*^ Aus diesen Grtlnden kann deshalb nicht von einem statischen, sondem es muss von einem dynamischen Konzept ausgegangen werden, in dem die konstitutiven Merkmale unterschiedlich stark ausgeprSgt sein kGnnen.'"*' Im Anschluss an die Darstellung der konstitutiven Merkmale virtueller Untemehmen und der Ableitung einer Arbeitsdefmition erfolgt nun eine Abgrenzung des hier betrachteten Kooperationskonzepts von den wesentlichen netzwerkartigen Kooperationsformen. Dies erscheint einerseits sinnvoll, um den innovativen Charakter des Konzepts des virtuellen Untemehmens zu verdeutlichen. Andererseits erscheint es zweckmaBig, da in der Literatur Uneinigkeit dartiber besteht, ob das virtuelle Untemehmen bereits als neue, eigenstSndige Organisationsform^"*^ oder lediglich als Mode oder Mythos des Organisierens^^^ zu betrachten ist. 2.1.4 Abgrenzung des Konzepts des virtuellen Untemehmens gegenuber anderen netzwerkartigen Kooperationsformen Auf der Gmndlage der zuvor genannten konstitutiven Merkmale virtueller Untemehmen und der darauf entwickelten Arbeitsdefmition ist ein Vergleich bzw. eine Abgrenzung zwischen dem virtuellen Untemehmen und anderen netzwerkartigen Kooperationsformen mSglich. Da bereits an mehreren Stellen in der Literatur z. T. recht ausfiihrliche Gegeniiberstellungen des Konzepts des virtuellen Untemehmens mit anderen
137
Auf die Annahme, dass ein Realtypus sich an einen Idealtypus nur annShem, ihn aber nicht erreichen kann, machen auch Davidow/Malone (1992), S. 5 mit Bezug auf das Konzept des virtuellen Untemehmens aufmerksam, die darauf hinweisen: "Such a firm in its purest form will never exist."
138
Vgl. Weber (1968), a.a.O. und S. 52.
139
Siehe hierzu den Beitrag von Teichmann/Borchardt (2003) und darauf aufbauend Albers et al. (2003).
140 141 142 143
Siehe z. B. auch Ringle (2004), S. 54, der die Gestaltungsvielfalt virtueller Untemehmen betont. Vgl. Kraut et al. (1999), S. 723; Picot et al. (2003), S. 418. Siehe z. B. Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2004), S. 51. Vgl. Kieser(1996),S.20ff.
32
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
Kooperationsformen zu fmden sind,*"^"^ erscheint eine tabellarische Ubersicht und eine Erlauterung der wesentlichen Unterscheidungsmerkmale angemessen. Im Folgenden werden Kooperationsformen er5rtert, deren Konstitution und Bedeutung jenen der virtuellen Untemehmen ahneln und bei denen z. T. „flieBende UbergSnge" bestehen. Dabei werden weitere Formen der Zusammenarbeit wie z. B. Kartelle,*"*^ Keiretsu*"^^ Oder Konzeme*"*^ aufgrund ihrer deutlichen Unterschiede (insbesondere des hohen Formalisierungsgrades und der starken Kapitalverflechtungen) im Vergleich zum virtuellen Untemehmen nicht behandelt. In Tabelle 2 werden die Merkmale der wesentlichen, netzwerkartigen Kooperationsformen kontrastierend denen des virtuellen Untemehmens gegenilbergestellt:
Siehe z. B. Schrader (1996), S. 12 ff.; Mertens/Faisst (1996b), S. 3; Wtithrich/Philipp (1998), S. 266; BrUtsch (1999), S. 26 ff; Blecker (1999), S. 34 ff.; Specht/Kahmann (2000b), S. 22; Macharzina/DUrrfeld (2000), S. 28 ff.; Fischer (2001), S. 146 ff.; Reiss (2002), S. 138; Jurk (2003), S. 38 ff; Tjaden (2003), S. 39 ff.; Ringle (2004), S. 47 ff.; Pieles (2004), S. 77 ff.; KasperFuehrer/Ashkanasy (2004), S. 51 ff. Bin Kartell ist ein horizontaler Zusammenschluss von rechtlich selbstandigen Konkurrenten, deren wirtschaftliche Selbstandigkeit durch den Verzicht auf Handlungsoptionen eingeschrankt ist und mit dem das Ziel der Regelung oder Beschrankung des Wettbewerbs verfolgt wird. Vgl. W5he/D0ring (2002), S. 312 ff.; Blecker (1999), S. 35. Ein Keiretsu ist ein japanisches Netzwerk rechtlich selbstandiger Untemehmen, die sich in einer festen und dauerhaften Mitgliedschaft befinden, enge Kapitalverflechtungen aufweisen und zumeist durch eine GroBbank gefbrdert werden. Vgl. Hilpert (1994), S. 17. Ein Konzem ist ein horizontaler, vertikaler oder lateraler Verbund rechtlich selbstandiger, wirtschaftlich jedoch aufgrund von Kapitalverflechtungen oder Vertragen abhangiger Untemehmen, die unter der einheitlichen Leitung eines GroBuntemehmens stehen. Vgl. W5he/D0ring (2002), S. 315 f
Konzept des virtuellen Untemehmens
33
Tabelle 2: Unterscheidungsmerkmale zwischen bestehenden netzwerkartigen Kooperationsformen und dem Konzept des virtuellen Untemehmens Kooperattonsform Wesentliches Unterscheidungsmerkmal gegenflber einem virtuellen Unteinehmen Strategische Allianz
Arbeitsgemeinschaft (ARGE)
Konsortium
V. a. auf groBe multinationale Untemehmen beschrankt
-
auf einzelne spezifische Geschaftsfelder ausgerichtet
-
basiert auf einem formalisierten Kooperationsvertrag
-
strategische Fuhrung
-
langfristig ausgerichtet
-
iiblicherweise zwischen mehreren Organisationen
-
horizontale Integration der Wertschopfung
-
vertraglich formalisiert
-
haufig durch Finanzinstitutionen gegriindet
-
hoher Strukturierungs- und Formalisierungsgrad
-
formal geschlossen
-
geringe Beteiligung von Kemkompetenzen Equity Joint Venture setzen Neugriindung eines Untemehmens voraus
Joint Venture
-
formal geschlossen, eigene Rechtsform, eigene Produktionsmittel
-
Flexibilitat der Partner eines Equity Joint Ventures ist vergleichsweise gering
-
auf Dauer angelegter Joint-Venture-Vertrag
-
rechtlich unselbstandige vertragliche Kooperation
-
Gesellschaft mit einer nicht begrenzten Zahl von gleichberechtigten Mitgliedem (Genossen)
-
der Zweck besteht in der Forderung der Mitglieder mittels eines gemeinschaftlichen Geschaftsbetriebes
Contractual Joint Venture
Genossenschaft
Quelle: Eigene Darstellung. Bei einer strategischen Allianz handelt es sich um eine Kooperation rechtlich und wirtschaftlich selbstSndiger Untemehmen, mit der Zielsetzung der ErschlieBung strategischer Wettbewerbsvorteile. Dabei konzentriert sich die Zusammenarbeit auf beschrSnkte Bereiche der gleichen Wertsch5pfungsstufe, wobei unter den Koopera-
34
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
tionspartnem haufig gegenseitige Kapitalbeteiligungen bestehen.'"*^ Ahnlichkeiten zum virtuellen Untemehmen bestehen in der rechtlichen und wirtschaftlichen Selbstandigkeit der Kooperationspartner und der gemeinschaftlichen Nutzung ihrer Kompetenzen. Die wesentlichen Unterschiede bestehen jedoch in der Beteiligung meist einer kleinen Anzahl von GroBuntemehmen, der langfristigen Ausrichtung auf einzelne Geschaftsfelder, der deutlich starkeren vertragiichen Bindung und der strategischen FUhrung eines Untemehmens/'*^ Erhebliche Ahnlichkeiten zu dem hier im Vordergrund stehenden Konzept werden den Konsortien bzw. Arbeitsgemeinschaften (ARGE) zugesprochen, die v. a. im Bankenund Bausektor zu finden sind.*^^ Konsortien sind „Untemehmensverbindungen auf vertragiicher Basis, die zur DurchfUhrung bestimmter, genau abgegrenzter Aufgaben gebildet werden und sich nach ErfUllung der Aufgabe wieder auflCsen."'^^ Dagegen stellen Arbeitsgemeinschaften einen Zusammenschluss von rechtiich und wirtschaftlich selbstandigen Untemehmen des gieichen Wirtschaftszweiges dar, die gemeinsam eine zeitlich befristete und inhaltlich abgegrenzte Aufgabe iGsen.*" Die Ahnlichkeiten sind darauf zurtickzufiihren, dass keine neue juristische Einheit gegrtindet wird, sich die Kooperationspartner mit ihren KemfUhigkeiten an einem befristeten Projekt beteiligen und die Kooperation nach der Beendigung des Projekts wieder aufgelOst wird. Von einem virtuellen Untemehmen kann hier jedoch aufgmnd des Fehlens eines latenten Netzwerks, einer intensiven informationstechnologischen Kopplung, des geringen Innovationsgrades,'" des hohen Formalisiemngsgrades und der Leistungserstellung der Beteiligten an einem Ort*^"* nicht gesprochen werden. Dartlber hinaus werden auch Zuliefemetzwerke z. B. in der Automobilindustrie als dem virtuellen Untemehmen ahnliche Formen arbeitsteiliger Leistungserstellung betrachtet.^^^ Auch wenn hier der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien bereits einen unverzichtbaren Faktor darstellt, bestehen die Unterschiede zu einem virtuellen
Vgl. Bleicher (1989), S. 78; WUthrich et al. (1997), S. 99 und 101; Blecker (1999), S. 37. Vgl. Blecker (1999), S. 38; Franke (2001), S. 37. 150
Vgl. WeberAValsh (1994), S. 26; Ringle (2004), S. 54; Macharzina/DUrrfeld (2000), S. 29; WOhe/DOring(2002),S.310.
151
Vgl. W0he/D5ring (2002), S. 310. 152
Vgl. WOhe/DOring (2002), S. 309 f 153 154 155
Vgl. Scholz(1994),S. 19ff. Vgl. Macharzina/DUrrfeld (2000), S. 29. Vgl. Ringle (2004), S. 51; Macharzina/DUrrfeld (2000), S. 38 f
Konzept des virtuellen Untemehmens
35
Untemehmen v. a. darin, dass haufig starke wirtsehaftliche Abhangigkeiten zwischen den Lieferanten und dem Abnehmer bestehen. Zudem besteht durch das Abschliefien detaillierter Zuliefervertrage und der Androhung hoher Konventionalstrafen bei Nichteinhaltung des Vertragsinhaltes ein hoher Formalisierungsgrad, der, wie Garrecht (2002) annimmt, nicht auf eine vertrauensbasierte Kooperation schlieBen lasst.'^^ Grundsatzlich lassen sich zwei Formen von Joint Ventures unterscheiden: Equity Joint Ventures und Contractual Joint Ventures. Unter einem Equity Joint Venture versteht man Kooperation von Gesellschaften, bei denen es zur Grtindung einer neuen, rechtlich selbstandigen Geschaftseinheit kommt, an der beide Grtindungsgesellschaften mit ihrem Kapital beteiligt sind (Kapitalgesellschaft)/^^ Neben dem Kapital bringen die Grtindungsgesellschaften meist einen wesentlichen Ressourcenanteil an Technologic, Schutzrechten, technischem oder Marketing-Know-how und/oder Betriebsanlagen ein. Gemeinsamkeiten mit einem virtuellen Untemehmen bestehen in dem Projektcharakter der Zusammenarbeit, die rechtliche und wirtsehaftliche Unabhangigkeit der Kooperationspartner sowie dem Ziel der Erschliefiung von Marktchancen, die fUr die einzelnen Partner ohne die Kooperation nicht mOglich ist.^^* Equity Joint Ventures unterscheiden sich von einem virtuellen Untemehmen v. a. durch die neugegrtlndete Rechtsform der Kooperation und die vergleichsweise geringe Flexibilitat der Kooperationspartner, die auf die gemeinsame Abwicklung von eher langfristigen GroBprojekten zurUckzuftlhren ist.^^^ Contractual Joint Ventures stellen dagegen zeitlich begrenzte und vertraglich geregelte Arbeitsgemeinschaften dar, mit denen z. B. Forschungs- und Entwicklungsprogramme oder Projektaufgaben durchgefuhrt werden. Im Vergleich zu einem virtuellen Untemehmen sind Contractual Joint Ventures jedoch rechtlich unselbstandig.*^ Eine Genossenschaft ist „eine Gesellschaft mit einer nicht geschlossenen Zahl von Mitgliedem (Genossen), die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen und sich dazu eines gemeinsamen Geschaftsbetriebes bedienen."^^^ Der Zweck einer Genossenschaft besteht in der Selbsthilfe der gleichberechtigten Mitglieder durch gegenseitige FOrde-
'^^ Vgl. Garrecht (2002), S. 49. ^" Vgl. Schaumburg (1999), S. 55 ff.; Schoppe (1998), S. 167; Bea/Haas (2005), S. 432. '^* Vgl.Mehler(1999),S.21f ^^^ Vgl. Mertens/Faisst (1995a), S. 65; Wathrich et al. (1997), S. 101; Blecker (1999), S. 39; Schrader (1996), S. 39; Bea/Haas (2005), S. 432. *^ Vgl. Schoppe (1998), S. 167. •^^ Vgl. WOhe/DCring (2002), S. 275.
36
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
rung.*^^ Die Unterschiede zu einem virtuellen Untemehmen bestehen in der eigenen Rechtsform und dem o. g. Zweck der Kooperation. Zudem unterscheidet sich eine Genossenschaft durch ihre parit^tische Fuhrung, wohingegen bei einem virtuellen Untemehmen eine heterarchische Ftihrung angenommen wird.'^^ Die in Kapitel 2.1.2 genannten konstitutiven Merkmale virtueller Untemehmen und die tiberblicksartige Darstellung in Tabelle 1 sowie die erfolgten Ausfilhmngen zeigen, dass die Abgrenzungen des Konzepts des virtuellen Untemehmens gegeniiber anderen netzwerkartigen Kooperationsformen nicht durchgehend eindeutig sind.^^ Dies ist v. a. darauf zurUckzufilhren, dass die praktische Umsetzung des Konzepts des virtuellen Untemehmens eine groBe Gestaltungsvielfalt erkennen lasst.*" Die Ahnlichkeiten deuten darauf hin, dass das Konzept des virtuellen Untemehmens nicht als v5llig neu zu bezeichnen ist.'^^ Das konzeptuell Neue besteht vielmehr in dem gleichzeitigen Vorliegen der bisher angefUhrten konstituierenden Merkmale.^^^ Die wesentlichen Unterschiede, die sich daraus zwischen den bisherigen netzwerkartigen Kooperationsformen und dem virtuellen Untemehmen ergeben, bestehen in der informalen Gestalt der Kooperation, dem Vertrauen unter den Kooperationspartnem, dem projektorientierten und daher temporSren Charakter eines virtuellen Untemehmens, die zusammen eine hohe Flexibilitat bei der Leistungserstellung und die Anpassung an MarktverSndemngen ermOglichen.^^^ Der innovative Charakter des Konzepts des virtuellen Unternehmens wird dabei v. a. durch drei Merkmale betont: die Existenz eines latenten Netzwerks, in dem die potenziellen Kooperationspartner in einer losen Kopplung stehen und das als Basis ftir die Bildung eines virtuellen Untemehmens fungiert, die
Vgl. WOhe/DOring (2002), S. 275. 163
Vgl. Tjaden (2003), S. 45; Windeler (2001), S. 42. Von daher erscheint es nicht angemessen, von einem „gut abgesicherten Konzept", wie es KOszegi (2001), S. 2 in der Einieitung ihrer Dissertationsschrift behauptet, zu sprechen. Vgl. Ringle (2004), S. 54. Vgl. Mertens/Faisst (1995), S. 7; Scholz (1994), S. 13; Goldman et al. (1996), S. 174; Windeler (2001), S. 13; Engelhard (1999), S. 329; Ringle (2004), S. 54. Vgl. Tjaden (2003), S. 46. Siehe zu den wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen zwischen virtuellen Untemehmen und anderen netzwerkartigen Kooperationsformen auch Heck (1999), S. 197; Engelhard (1999), S. 329; KOszegi (2001), S. 6; Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2004), S. 53.
Konzept des virtuellen Untemehmens
37
klare Kemkompetenzfokussierung und der intensive Einsatz v. a. intemetbasierter Informations- und Kommunikationstechnologien/^^ 2.7.5 Idealtypischer Lebenszyklus eines virtuellen Untemehmens In der Literatur wird der Abiauf eines Projekts im Rahmen eines virtuellen Untemehmens haufig in unterschiedlichen Phasen dargestellt, wobei die Phaseneinteilung von Mertens/Faisst (1995a) breite Zustimmung erfahren hat/^^ Die Autoren unterscheiden hierbei vier Phasen: die Phase der Anbahnung und Partnersuche, die Vereinbarungsphase, die DurchfUhrungsphase und die AuflOsungsphase. Mit den im Folgenden naher zu beschreibenden Phasen wird nicht der Anspruch auf VoUstandigkeit erhoben. Ebenso milssen sie nicht zwangslaufig vollstSndig durchlaufen werden.^^^ Vielmehr ist mit dieser Darstellung die Absicht verbunden, einen eher idealtypischen Lebenszyklus eines virtuellen Untemehmens zu beschreiben, auf dessen Gmndlage die M5glichkeit besteht, den jeweiligen Phasen die wichtigsten Koordinationsaufgaben zuzuordnen und bei der spSter folgenden Betrachtung der Fallbeispiele mSglicherweise phasenspezifische Unterschiede hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstmmenten zu analysieren. 1. Die Phase der Anbahnung und Partnersuche: Bahnt sich ein Projekt an, dass ein Partneruntemehmen des latenten Netzwerks aus Kapazitatsgrtinden oder aus Mangel an notwendigen (Kem-)Kompetenzen nicht allein abwickeln kann, miissen geeignete Kooperationspartner gefunden werden. Die in der bereits erwahnten Fallstudienuntersuchung^^^ untersuchten Beispiele virtueller Unternehmen deuten darauf hin, dass die Suche bzw. Auswahl von potenziellen Ko-
Vgl. Macharzina/DUrrfeld (2000), S. 29; Wuthrich/Philipp (1998), S. 204; SydowAVinand (1998), S. 17 ff.; Heck (1999), S. 197. 170
171
Vgl. Mertens/Faisst (1995a), S. 65. Die Phaseneinteilung findet sich z. B. auch bei Mertens/Faisst (1995), S. 162 f; Arnold et al. (1995a), S. 16. Femer: Behrens (2000), S. 172; Faisst (1998), S. 64 ff.; Zimmermann (1997); Sieber (1997), S. 205 f; Arnold et al. (2003), S. 37 f; Gerpott/BOhm (2000), S. 22 ff; Zimmermann (2003), S. 157 ff. Vgl. Mertens/Faisst (1995a). Siehe auch Mertens/Faisst (1997), S. 127 ff Gerpott/B6hm (2000), S. 22 ff greifen das Phasenschema von Mertens/ Faisst auf, erganzen es jedoch durch die „Visionsphase" und die „Identifikationsphase", die den vier Phasen von Mertens/Faisst vorausgehen. Da die von Gerpott/ BOhm erganzten Phasen jedoch noch nicht direkt in Verbindung mit der Abstimmung und Koordination der Leistungserstellung in Verbindung gebracht werden kann, folgt die hier gewahlte Darstellung im weitesten Sinne dem Phasenschema von Mertens/Faisst. Siehe hierzu Teichmann/Borchardt (2002).
38
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung operationspartnem nur sehr selten uber Intemet-KooperationsbSrsen^^^ erfolgt. Vielmehr greift das Untemehmen, welches das Projekt akquiriert hat, auf bestehende Geschaftsbeziehungen bzw. auf die Partner des latenten Netzwerks zurUck, zu denen bereits (mehr oder weniger ausgepragte) Vertrauensbeziehungen bestehen. Hierdurch wird die Phase der Anbahnung und Partnersuche erheblich beschleunigt und vereinfacht, da die Leistungsspektren bzw. die Kemkompetenzen sowie die Zuveriassigkeit der Partner untereinander bereits hSufig bekannt sind. Fehlen zur Abwicklung des Projekts einzelne (Kem-)Kompetenzen oder Ressourcen, k6nnen diese tlber eine kurzfristige Einbindung von Marktteilnehmem beschafft werden. 2. Vereinbarungsphase: Wurden geeignete Partner gefunden, werden in der Vereinbarungsphase die Details der Zusammenarbeit bzw. die WertschQpfungskette des operativen Betriebs ausgearbeitet. So muss z. B. zu Beginn festgelegt werden, welcher Partner innerhalb des virtuellen Untemehmens die Projektverantwortung und damit auch die rechtliche Haftung gegeniiber dem Kunden tragt. Daneben werden die notwendigen technischen und organisatorischen Schnittstellen fUr den Informations- und Leistungsaustausch zwischen den Partnem defmiert. Zu den wichtigsten Aspekten dieser Phase gehOren aber auch die Spezifizierung und Bestimmung der gemeinsamen Geschaftsfelder, die Festlegung der Leistungsbeitrage der Kooperationspartner, die Verteilung der Aufgaben, die Planung des Leistungserstellungsprozesses sowie die Fragen zur Gewinnaufteilung. Das Ziel dieser Phase liegt u. a. in der Entwicklung eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses als Grundlage der Zusammenarbeit und der Auswahl von Koordinationsinstrumenten zur operativen UnterstUtzung des geplanten virtuellen Untemehmens. 3. Durchfiihrungsphase: Aufbauend auf den vorherigen Vereinbarungen wird das operative Geschaft, in der die gemeinsame Leistungserstellung im Mittelpunkt steht, aufgenommen. Die Kommunikation und Koordination des virtuellen Untemehmens wird auf der operativen Ebene durch interorganisationale Informationssysteme unterstUtzt. In dieser Phase mtissen Ziel- und Ergebniskriterien
173
Beispiele fiir intemetbasierte KooperationsbOrsen sind etwa „Projektwerk" (www.projektwerk.de) oder das „Virtuelle Transfemetz" (www.hdin-stuttgart.de/forschung/projekte/transfemetz). Hierbei kOnnen potenzielle Kooperationspartner Uber elektronische „Gelbe Seiten" ausfindig gemacht werden, in denen Untemehmen ihre Kemkompetenzen mittels eines Katalogs prasentieren.
Konzept des virtuellen Untemehmens
39
ermittelt, der Leistungserstellungsprozess gesteuert und ggf. auftretende Probleme und Konflikte gelOst werden. 4. AuflOsungsphase: Das Ziel eines virtuellen Untemehmens ist erfiillt, wenn die vom Kunden nachgefragte Leistung in der gewtinschten Art und in dem zu Beginn festgelegten Umfang bereitgestellt worden ist oder die vom virtuellen Untemehmen verfolgte Marktchance nicht weiter besteht.^^"* Geht man von der eingangs dargestellten Differenzierung zwischen dem aktivierten Projektnetzwerk, d. h. dem hier dargestellten virtuellen Untemehmen und dem im Hintergrund befmdlichen latenten Netzwerk aus, kann das virtuelle Untemehmen zur Wahmehmung eines neuen Projekts in einer ahnlichen Form fortgesetzt oder durch AuflOsung in das latente Netzwerk beendet werden. Erfahmngen aus der Projektarbeit k5nnen in Ergebnis- bzw. Erfahrungsberichten festgehalten werden, um evtl. bei zuktinftigen Kooperationen als Hilfestellung dienlich sein zu kOnnen. Mit den Ausfiihmngen zum Konzept des virtuellen Untemehmens in Abschnitt 2.1 wurde die erste Forschungsfrage auf der Basis der Fachliteratur beantwortet. Unter Bezug auf die Eigenschaften der Virtualitat wurden die konstitutiven Merkmale virtueller Untemehmen herausgearbeitet, eine Arbeitsdefmition abgeleitet und das Konzept des virtuellen Untemehmens gegenuber anderen netzwerkartigen Kooperationsformen abgegrenzt. Hierbei konnte verdeutlicht werden, dass ein virtuelles Unternehmen als ein lose gekoppeltes System im Sinne von Weick aufgefasst werden kann: Die lose Kopplung bezieht sich auf die projektorientierte Zusammenarbeit von rechtlich selbstSndigen Kooperationspartnem, die auf der Gmndlage gegenseitigen Vertrauens auf umfangreiche Vertragswerke verzichten und aus Kosten- und FlexibilitatsgrUnden von einer Institutionalisierung zentraler Managementfunktionen weitgehend absehen. Als eine Besonderheit des hier betrachteten Konzepts ist das gleichzeitige Bestehen sowohl einer stabilen als auch einer dynamischen Gmndkomponente festzuhalten, die auf einen Zusammenhang zwischen loser und eher fester Kopplung schlieBen lasst.
'^^ Vgl. Gerpott/BOhm (2000), S. 24.
40
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
2.2 Koordinatioii Nachdem mit der Ausfiihrungen zum Konzept des virtuellen Untemehmens auf die erste Forschungsfrage Bezug genommen wurde, richten sich die nun folgenden Ausfiihrungen zur Koordination auf die Beantwortung der zweiten Forschungsfrage. Hierbei wird zunSchst auf den Begriff der Koordination und die unterschiedlichen Koordinationsformen einzugehen sein. Im Anschluss wird mit dem Entwurf einer Typologie von Koordinationsinstrumenten ein konzeptuelles Gertist fiir die empirische Untersuchung entwickeh, mit der das Spektrum potenzieller Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen aufgezeigt wird. Femer wird auf der Grundlage der einschlagigen Literatur die Frage diskutiert, worin der Koordinationsbedarf virtueller Untemehmen besteht und welche Koordinationsaufgaben in diesem Organisationskonzept zu beriicksichtigen sind. 2.2.1 Begriff und Formen der Koordination In der Literatur existieren zum Begriff der Koordination unterschiedlich weit gefasste Defmitionen.^^^ Dies ist u. a. darauf zurtickzuftlhren, dass dieser Begriff in mehreren Disziplinen, wie z. B. der Informatik, der Organisationslehre, der Volkswirtschaftslehre, der Linguistik, der Psychologie und der ktinstlichen Intelligenz in unterschiedlicher Weise verwendet wird'^^ und ein allgemeingtiltiger Bezugsrahmen zur Analyse von Koordinationsproblemen fehlt.^^^ Grundsatzlich geht es bei der Koordination um die Abstimmung und Ausrichtung von Leistungen oder EinzelaktivitSten eines arbeitsteiligen Systems im Hinblick auf ein angestrebtes Ziel.^^^ Die Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung stellt dabei den wesentlichen Grund fLlr den Koordinationsbedarf eines Systems dar.'^^ Durch die Verteilung der Gesamtheit der zur Leistungserstellung notwendigen Aufgaben auf mehrere
175 Die weiteste Definition setzt Organisation und Koordination gleich: „... Koordination besteht aus
der Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen." Vgl. Hoffmann (1980), S. 303. Bereits bei Fayol (1925) wird der Begriff der „Koordination" genauer untersucht. Fine Ubersicht (iber unterschiedliche Begriffsdefinitionen bieten z. B. Hoffmann (1980), S. 300 ff. und auch CamarinhaMatos/Lima(1999),S. 50. Vgl. Camarinha-Matos/Lima(1999), S. 50. Vgl. Hoffmann (1980), S. 301. Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 979; Hoffmann (1980), S. 296 ff.; Welge (1987), S. 410 ff.; Kieser/Walgenbach (2003), S. 100 ff.; Laux (1993), Sp. 2308 ff. Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 100 f; Milgrom/Roberts (1992), S. 90.
Koordination
41
Akteure ist es dem Einzelnen i. d, R, nicht mehr m5glich, alle Aktivitaten zu uberblicken. Die Koordination ist demnach eine geeignete MaBnahme, den durch die Dezentralisation hervorgerufenen Abstimmungsproblemen entgegenzuwirken und eine Optimierung des Arbeitsablaufs bzw. eine Effizienzsteigerung zu erm6glichen.*^° Koordination kann damit wie folgt definiert werden: Koordination ist die aktive Abstimmung und Ausrichtung der Aktivitaten interdependenter organisatorischer Einheiten auf das Ubergeordnete untemehmerische Gesamtziel.*^' In Verbindung mit der Arbeitsteilung stehen mehrere Faktoren, die den Koordinationsbedarf in einem Untemehmen oder einer Netzwerkorganisation hervorrufen und hohe Koordinationskosten verursachen. Der Koordinationsbedarf ist besonders dann hoch und ftihrt zu hohen Koordinationskosten, wenn: -
ein hoher Differenzierungsgrad bei der Arbeitsteilung besteht,
-
ein hoher Interdependenzgrad zwischen den Organisationseinheiten besteht,
-
eine Vielzahl von Personen an der arbeitsteiligen Leistungserstellung beteiligt sind,
-
die an der Leistungserstellung beteiligten Organisationseinheiten sich hinsichtlich ihrer Gr5Be und ihres Leistungsspektrums unterscheiden,
-
groBe raumliche, zeitliche, sachliche und zwischenmenschliche Distanzen zu Uberwinden sind und
-
wenn die zu lOsenden Aufgaben unstrukturiert, umfangreich und komplex sind.'^^
Bei der Analyse des Koordinationsbedarfs in arbeitsteiligen Organisationen werden den Interdependenzen zwischen den Organisationseinheiten besondere Aufmerksamkeit geschenkt.^*^ Die Ermittlung von Interdependenzen ist in diesem Zusammenhang notwendig, urn abstimmungsbedUrftige Schnittstellen zwischen den Organisationsein-
Vgl. Schuh et al. (1998), S. 64; Rtthli (1992), S. 1165. Vgl. Hoffmann (1980), S. 305; Frese (2000), S. 10; Winkler (1999), S. 9. Siehe auch Fritz/Manheim (1998), S. 126, die eine ahnliche Definition geben: „Coordination is the process of Unking the activities of different workers together in order to accomplish the goals and objectives of the organization." Vgl. Bisani (1995), S. 514; RUhli (1992), Sp. 1165; Staehle (1999), S. 555 f; TrGndle (1987), S. 99; Otterpohl (2002), S. 99; Wall (2000a), S. 132 f Vgl. Frese (2000), S. 55 ff.; Hoffmann (1980), S. 308.
42
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
heiten identifizieren zu kOnnen.^^'^ Interdependenzen werden in erster Linie dadurch hervorgerufen, dass die Teilaufgaben aus der jeweiligen Gesamtaufgabe der Organisation abgeleitet werden und dadurch in einem Zusammenhang stehen. Die Art und das AusmaB der Interdependenzen ist von mehreren Faktoren abhangig, wie z. B. der Nutzung gemeinsamer, begrenzter Ressourcen, dem Komplexitatsgrad der Aufgabe Oder der Art, dem Umfang und der Spezifitat der Leistungsbeziehungen.^^^ Eine in der Organisationsforschung breite Zustimmung erfahrene Systematisierung von Interdependenzen geht auf den Soziologen Thompson (1967) zurtick, der mSgliche Abhangigkeiten nach dem Kriterium unterschiedlicher Intensitat unterscheidet und dabei zwischen gepoolten, sequenziellen und reziproken Interdependenzen differenziert.^^^ Gepoolte oder gebUndelte Interdependenzen entstehen, wenn Organisationseinheiten gleichzeitig auf gemeinsame, begrenzte Ressourcen (z. B. Produktionseinrichtungen, Arbeitskrafte oder Budgets) angewiesen sind. Hierbei muss abgestimmt werden, welche Organisationseinheit wann und in welchem Umfang auf die jeweilige Ressource zurilckgreifen kann. Sequenzielle Interdependenzen liegen vor, wenn der Output einer Organisationseinheit den Input einer anderen Organisationseinheit darstellt, sodass in Bezug auf den Leistungserstellungsprozess von einem Fliefiprinzip bzw. einer Hintereinanderschaltung gesprochen werden kann. Reziproke Interdependenzen sind gegeben, wenn zwischen zwei oder mehreren Organisationseinheiten unmittelbar
wechselseitige
Input-Output-Beziehungen
bestehen.
Wechselseitige
Leistungsbeziehungen liegen z. B. haufig im Bereich der Forschung- und Entwicklung, der Herstellung von Produkten oder der Entwicklung von Softwareapplikationen vorJ«^ Diese drei Typen von Interdependenzen weisen in der genannten Reihenfolge zunehmend komplexere Abhangigkeiten zwischen den Organisationseinheiten auf, wodurch ein entsprechend hOherer Koordinationsbedarf hervorgerufen wird. Zudem setzen die jeweils komplexeren Interdependenzen jene geringerer Komplexitat voraus. Das heiBt, wenn z. B. reziproke Interdependenzen bestehen, setzen sie zugleich gepoolte und
Vgl. Frese (2000), S. 15. Von einer Schnittstelle kann immer dann gesprochen werden, wenn zwischen zwei Einheiten ein potenzieller Koordinationsbedarf besteht. Vgl. Frese (2000), a.a.O. Vgl. Frese (2000), S. 58 ff. Vgl. Thompson (1967), S. 54 f Eine ausfiihrliche Betrachtung dieser Klassifikation bietet LaBmann (1992), S. 34 ff. Siehe hierzu aber auch z. B. Kieser/Kubicek (1992), S. 93 f; Sydow (1992a), S. 84, Wolf (2005), S. 240. Vgl. Vahs (2005), S. 105.
Koordination
43
sequenzielle Abh^ngigkeiten voraus. Je nach Art der Interdependenzen mtissen komplexere und kostenintensivere Koordinationsinstrumente zur Bewaltigung der Koordinationserfordemisse verwendet werden: gepoolte Interdependenzen werden v. a. durch Standardisierung, sequenzielle durch Plane und Programmierung und reziproke durch gegenseitige Abstimmung koordiniert/^^ Urn den Koordinationsbedarf in Organisationen, der im Wesentlichen durch die Arbeitsteilung und die unterschiedlichen Interdependenzen unter den Organisationsmitgliedem hervorgerufen wird, Rechnung zu tragen, kOnnen grundsatzlich zwei Strategien unterschieden werden: ^^^ Zum einen kOnnen dies Strategien sein, mit denen der Koordinationsbedarf gesenkt werden soil, zum anderen kOnnen dies aber auch Strategien sein, mit denen der Koordinationsbedarf gedeckt werden soil. Zu den koordinationsbedarfsreduzierenden Strategien'^ gehOren z. B. das Outsourcing, der Aufbau von Uberschussressourcen (z. B. ZwischenlSger) sowie die Flexibilisierung von Ressourcen. Koordinationsbedarfsdeckende Strategien beziehen sich dagegen auf die Verwendung von Koordinationsinstrumenten. Da mit dieser Arbeit das Ziel verfolgt wird, die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen zu untersuchen, wird im Folgenden vomehmlich auf die koordinationsbedarfsdeckenden Strategien Bezug genommen/^' Bevor auf die unterschiedlichen Koordinationsinstrumente im folgenden Abschnitt eingegangen wird, werden zunSchst die wichtigsten Koordinationsformen skizziert, vor deren Hintergrund sich die wesentlichen Merkmale und Funktionen von Koordinationsinstrumenten in der spSteren Betrachtung charakterisieren lassen. Im Schrifttum werden mehrere Koordinationsformen unterschieden, die meist als idealtypische Gegensatzpaare dargestellt werden. Hierbei muss jedoch berlicksichtigt werden, dass die Gegensatzpaare nur Extrempunkte eines Spektrums an MOglichkeiten markieren und sich in der Untemehmenspraxis v. a. Mischformen fmden lassen, in
188
Vgl. Thompson (1967), S. 54 f Vgl. Hoffmann (1980), 328 ff.; Kutschker/Schmid (2002), S. 989 ff. Vgl. Kieser/Walgenbach (2003), S. 107 f Dies soil jedoch nicht heiBen, dass koordinationsbedarfsreduzierende Strategien fur virtuelle Untemehmen unbedeutend sind. So ist z. B. Outsourcing bzw. die Konzentration auf Kemkompetenzen ein zentrales Kriterium virtueller Untemehmen. Aus Grunden der Zielsetzung werden diese Strategien jedoch weitgehend ausgeklammert. Siehe weiterfiihrend Kutschker/Schmid (2002), S. 989 ff".
44
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
denen die eine oder die andere Form uberwiegt.'^^ Folgende Koordinationsformen lassen sich unterscheiden:^^^ Fremd' und Selbstkoordination: Eine Fremdkoordination liegt vor, wenn die Koordination durch eine hierarchisch iibergeordnete Instanz bzw. eine steuemde Person erfolgt/^"* In diesem Zusammenhang spricht man auch von einer autoritSren, zentralen Oder hierarchischen Koordination. Selbstkoordination bedeutet, dass die Planungs- und Entscheidungsfreiheit bei den interdependenten Akteuren selbst verbleibt, bzw. die Akteure ihre Entscheidungen aus eigener Initiative treffen. Damit wird die Selbstkoordination auch ais dezentrale, nicht autoritare Koordination bezeichnet.^^^ Neben der Fremd- und Selbstkoordination lassen sich in der Literatur noch Zwischenformen wie z. B. die Kontextsteuerung und die Gruppenabstimmung unterscheiden.^^^ Wenn sich eine Managemententscheidung einer Ubergeordneten Ebene lediglich auf die Festlegung allgemeiner Rahmenbedingungen beschrSnkt, wenn z. B. nur Planungsrichtlinien erlassen werden, liegt eine Kontextsteuerung vor.^^^ Werden Entscheidungen in eigens dafUr geschaffenen Gremien unter Verwendung von zuvor defmierten Abstimmungsregeln getroffen, so handelt es sich um den Sonderfall der Gruppenabstimmung.^^^ Voraus- und Feedbackkoordination: Eine Vorauskoordination liegt vor, wenn eine vorausschauende Abstimmung oder Planung vorgenommen wird.^^^ Treten jedoch St(5rungen bei einem Leistungserstellungsprozess auf, sodass Abstimmungen als Reaktion auf diese StCrungen notwendig sind, liegt eine Feedbackkoordination bzw. „Korrekturkoordination"^°° vor. Das heiBt, die Bedeutung der Koordination durch Feedback ist umso grQBer, je variabler und schwerer vorhersehbar die Situation ist.
192
Vgl. Hoffmann (1980), S. 319.
193
Siehe hierzu auch Hoffmann (1980), S, 319 ff.; RUhli (1992), Sp. 1166 ff; Rehfeldt (1998), S. 30 f; EggerAVinterheller (1994), S. 50 ff.; KieserAValgenbach (2003), S. 105 f; Wohlgemuth (2002), S. 27. Vgl.Frese(2000),S. 17. Vgl. Rehfeldt (1998), S. 32.
194 195 196
Vgl. Willke (1989), S. 58. Zur Kontextsteuerung siehe auch die Ausftihrungen in Abschnitt 3.2.2.
197
Vgl. Naujoks (1994), S. 254 ff
198
Vgl. Laux(1993),Sp. 2313. In Bezug auf den Zeitraum, auf den sich die Koordination bezieht, kann bei der Vorauskoordination zwischen Kurz-, Mittel- und Langfristplanung unterschieden werden. Vgl. EggerAVinterheller (1994), S. 50 ff.
199
200
Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 106.
Koordination
45
Horizontale- und vertikale Koordination: Bei einer horizontalen Koordination erfolgt die Abstimmung zwischen gleiciirangigen Organisationseinheiten. Eine horizontale Koordination ist jedoch oft nur in Verbindung mit einer vertikalen Koordination mOglich und dient v. a. der Entlastung der vertikalen Kommunikationswege.^^' Eine vertikale Koordination liegt dagegen vor, wenn die Abstimmung hierarchisch untergeordneter Einheiten durch die vorgegebenen Ziele ubergeordneter Einheiten erfolgt. Formale und informale Koordination: Die formale Koordination steht in engem Zusammenhang mit der Fremdkoordination und implementiert, dass der Koordinationsprozess in gewisser Weise institutionalisiert und nach festgelegten Kriterien erfolgt. DemgegenUber erfolgt die informale Koordination spontan und nicht standardisiert.^'^ Simultane und sukzessive Koordination: Eine simultane Koordination liegt dann vor, wenn der Entscheidungsprozess gemeinsam und gleichzeitig auf der Grundlage einer einzigen, umfassenden Entscheidung erfolgt. Hingegen bedeutet die sukzessive Koordination die stufenweise, approximative Abstimmung von Einzelentscheidungen.^^^ Nachdem nun durch die Begriffsbestimmung und die Skizzierung der wichtigsten Koordinationsformen die Grundlage fur die Betrachtung der unterschiedlichen Koordinationsinstrumente gegeben wurde, erfolgt im Folgenden der Entwurf einer Typologie von Koordinationsinstrumenten. 2.2.2 Entwurf einer Typologie von Koordinationsinstrumenten Eine wesentliche Voraussetzung, um die in virtuellen Untemehmen verwendeten Koordinationsinstrumente empirisch untersuchen zu kOnnen, besteht zunSchst einmal darin, eine sinnvolle, m5glichst uberschneidungsfreie Typologie zugrunde zu legen.^^"* Sie erfiillt den Zweck eines systematischen Uberblicks und dient bei der Datenerhebung und Ergebnisdarstellung als konzeptueller Rahmen. Koordinationsinstrumente kSnnen als Regelungen bezeichnet werden, „die der Abstimmung arbeitsteiliger Prozesse und der Ausrichtung von Aktivitaten auf die Organi-
^^^ Vgl. Becker/Rosemann (1993), S. 276 ff ^^^ Vgl. Hoffinann (1980), S. 321. ^^^ Vgl. Hoffmann (1980), S. 324. '^^ Siehe z. B. V^oUnik/Kubicek (1976), S. 505 und Hoffmann (1980), S. 297, die dies als Voraussetzung einer empirischen Untersuchung von Koordinationsinstrumenten betrachten.
46
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
sationsziele dienen".^^^ Sie erlauben es, die unterschiedlichen Leistungen kooperierender Untemehmen untereinander abzustimmen und in die WertschOpfungskette sinnvoll, d. h. in Bezug auf Zeit, Art, Umfang und Reihenfolge, zu integrieren. Damit haben sie ahnliche Funktionen wie Katalysatoren, da sie die Richtung und die Geschwindigkeit von Prozessen beeinflussen. In der Literatur hat sich bisher noch keine einheitliche Typologie von Koordinationsinstrumenten etabliert. Vielmehr existiert eine Vielzahl von AnsStzen, Koordinationsinstrumente zu klassifizieren.^^^ Hierbei iassen sich sowohl konzeptuelle als auch empirische Arbeiten aus der Organisationssoziologie^^^ und der jUngeren Managementforschung^^^ finden, die sich auf die Identifikation von Koordinationsinstrumenten sowie deren systematische Unterteilung konzentrieren. Die Vielfalt der Klassifikationsansatze macht deutlich, dass keine einheitliche Auffassung darilber besteht, nach welchen Klassifikationsmerkmalen Koordinationsinstrumente voneinander abzugrenzen sind. Der Grund hierfiir kann u. a. in der FtiUe m5glicher Koordinationsinstrumente bzw. darin gesehen werden, dass sich die Koordinationsinstrumente hinsichtlich ihres Abstraktions- bzw. Konkretisierungsgrades z. T. signifikant voneinander unterscheiden.^^^ Eine haufig verwendete Untergliederung in strukturelle, technokratische und personale Koordinationsinstrumente geht ursprtlnglich auf den Soziologen Leavitt (1964) zurtick.^'^ Diese wurde zunSchst im angelsSchsischen Raum von Khandwalla (1972) und spater durch Welge (1980) und Hoffmann (1980) in den deutschen Sprachraum tibertragen,^'^ wo sie gegenwSrtig u. a. auch im Bereich des intemationalen Managements verwendet wird.^^^
205
Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 101; Rilling (1997), S. 88.
206
Einen guten Uberblick uber die in der Literatur vorfindbaren Systematisierungsversuche bietet Wolf (1994), S. 116. Siehe femer auch Winkler (1999), S. 102; Wollnik/Kubicek (1976), S. 502 f; Kutschker/Schmid (2002), S. 997; Staehle (1999), S. 558 ff.; Reger (1997), S. 302.
207
Vgl. z. B. Leavitt (1964); Thompson (1967); Blau (1968); Hage (1974); Van de Ven et al. (1976).
208
Vgl. z. B. Brockhofraauschildt (1993); Wolf (1994), S. 115flf.;Harzing (1999).
209
Vgl. ReiB (2004), S. 691.
210
Vgl. Leavitt (1964), S. 56. Vgl. Khandwalla (1972) und Khandwalla (1975), S. 143; Welge (1980), S. 133; Hoffmann (1980), S. 325 ff. und 375 f Siehe hierzu z. B. Kenter (1985); MacharzinaAVolf (2005), S. 474 f; Kutschker/Schmid (2002), S. 997 ff.; Wohlgemuth (2002).
211
Koordination
47
Zu den strukturellen Koordinationsinstrumenten kOnnen samtliche Instrumente gezahlt werden, die auf expliziten organisatorischen Regelungen aufbauen und als Bestandteil bzw. ErgSnzung der formalen Organisationsstruktur gelten.^'^ Sie beinhalten die Einrichtung von Kommunikationsbezieliungen zwischen den Organisationseinheiten^^"* sowie die Festlegung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungsbereichen. Zu den strukturellen Koordinationsinstrumenten gehOren z. B. Koordinationsorgane wie Komitees, AusschUsse, Gremien oder zentrale Unterstutzungseinheiten sowie auf Netzwerke bezogen auch fokale Untemehmen oder Generaluntemehmer.^^^ Als technokratische Koordinationsinstrumente k5nnen all die Regelungen und Festlegungen betrachtet werden, die nicht an Personen gekoppelt sind, d. h., dass bei der Anwendung der Koordinationsinstrumente von den ausfiihrenden Personen nicht direkt identiflzierbar ist, wer die Entscheidung zur Verwendung dieser Koordinationsinstrumente getroffen hat. Daher werden sie auch als unpersOnliche Koordinationsinstrumente bezeichnet.^'^ Die Regelungen und Festlegungen sind „institutionalisierte" Koordinationsinstrumente, bei denen der Mensch als Trager einer Organisation austauschbar ist.^^^ Zur Kategorie der technokratischen Koordinationsinstrumente gehdren z. B. Programme, Plane, Ziele, Budgets, Verrechnungspreise, Regeln und Vertrage.^*^ Mittels technokratischer Koordinationsinstrumente wird im Gegensatz zu den strukturellen nicht direkt in den Koordinationsprozess eingegriffen. Vielmehr ermCglichen sie eine indirekte Steuerung, well sie vom Einzelfall abstrahiert werden kOnnen und Ziele und Regelungen die Richtung bzw. den Handlungsspielraum defmieren, innerhalb dessen die Kooperationspartner agieren k5nnen.^'^ Personenorientierte Koordinationsinstrumente beinhalten alle Hilfsmittel zur Verhaltenssteuerung und Unsicherheitsverarbeitung.^^^ Im Mittelpunkt stehen dabei die
Vgl. Hoffmann (1980), S. 338. Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 714. 215
Siehe z. B. Albers et al. (2003), S. 38. Siehe z. B. Blau/Schoenherr (1971), S. 38.
217
Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 997. Siehe hierzu auch Van de Ven et al. (1976), S. 323. Die Autoren zahlen hierzu auch Vorhersagen und Taktiken, die hier jedoch unter Programme und Plane subsumiert werden kOnnen. Kaluza (2001), S. 4 differenziert hier lediglich zwischen Planen und Programmen.
219
Vgl. Trundle (1987), S. 102.
220
Vgl. Wolf (1994), S. 118.
48
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
handelnden Akteure selbst.^^* In Anlehnung an Kaluza (2001), der bei der Betrachtung personenorientierter Koordinationsinstrumente auf ihre Wirkrichtung Bezug nimmt, kann zwischen zentral-vertikal wirkenden und dezentral-horizontal wirkenden Instrumenten unterschieden werden.^^^ Zu den zentral-vertikal wirkenden Instrumenten gehOren z. B. soziale Rollen, wie die des Netzwerk- und Projektmanagers bzw. Koordinators^^^ oder pers(3nliche Weisungen.^^'* Dagegen kOnnen zu den dezentralhorizontal wirkenden Instrumenten^^^ z. B. ein Mitarbeiteraustausch (Job Rotation),^^^ die Selbstabstimmung,^^^ Vertrauen^^^ und eine Vertrauenskultur^^^ gezahlt werden. Im Gegensatz zu den zentral-vertikal wirkenden Instrumenten, mit denen eine direkte Koordination vorgenommen werden kann, wird mit dezentral-horizontal wirkenden Instrumenten eher eine indirekte Koordination erm5glicht.^^° Obwohl dieser Typologisierung eine analytische Klarheit attestiert wird,^^' entbehrt ihre Popularitat nicht einer gewissen WillkUr^^^ und wird daraufhin kritisch hinterfragt.^^^ Zwar erscheint eine Unterscheidung zwischen personenorientierten und technokratischen Koordinationsinstrumenten sinnvoll, da bei der erstgenannten Instrumentenkategorie die Urheber im Gegensatz zur zweitgenannten identifizierbar sind.^^"* Bei genauerer Betrachtung lassen sich jedoch Unscharfen bei der Abgrenzung
^^^ Siehe z. B. KieserAValgenbach (2003), S. 108. ^^^ Vgl. Kaluza (2001), S. 4. ^^^ Albers et al. (2003), S. 46 weisen in diesem Zusammenhang auf die Koordinationsfiinktion von Promotoren hin. Nach TrOndle (1987), S. 102 kftnnen sie auch als unipersonale (personenorientierte) Koordinationsinstrumente bezeichnet werden. Auf die Koordination durch soziale Rollen machen auch KieserAValgenbach (2003), S. 135 aufinerksam. ^^"^ Siehe z. B. KieserAValgenbach (2003), S. 109 ff. ^^^ TrOndle (1987), S. 102 spricht hier auch von multipersonalen (personenorientierten) Koordinationsinstrumenten. "^ Vgl. z. B. R6h (2003), S. 159. "^ Siehe z. B. ReiB (2003), S. 7; KieserAValgenbach (2003), S. 129 ff. ^^^ Siehe z. B. Picot/Reichwald (1999), S. 141; Albers et al. (2003), S. 47. ^^^ Siehe z. B. KieserAValgenbach (2003), S. 129 ff. ^^° Wahrend die strukturellen Koordinationsinstrumente eine eigene Kategorie bilden, werden die technokratischen und personenorientierten Koordinationsinstrumente auch zur Kategorie der nicht-strukturellen bzw. prozessualen Koordinationsinstrumente gezahlt. Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 997; Welge/HoltbrUgge (2001), S. 155 ff. ^^^ Vgl. Hoffmann (1980), S. 328; Macharzina/DUrrfeld (2000), S. 714. ^^^ Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 997. 2^^ Vgl. Riihli (1992), Sp. 1168-1174. ""* Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 108.
Koordination
49
struktureller und personeller Koordinationsinstrumente erkennen. So bauen z. B. strukturelle Koordinationsinstrumente auf persSnlichen Interaktionen zwischen Organisationsmitgliedern auf und kOnnen damit nicht voneinander getrennt betrachtet werden.^^^ Die hier dargestellte Typologie von Koordinationsinstrumenten bietet fUr die vorliegende Arbeit eine wichtige analytische Grundlage. Jedoch ist sie im Hinblick auf die Untersuchung virtueller Untemehmen einerseits anpassungs- bzw. erganzungswurdig, andererseits aber auch hinsichtlich einzelner Koordinationsinstrumente aus konzeptionellen Grtinden einzuschrSnken: Die Informations- und Kommunikationstechnologien k5nnen zwar i. w. S. zur Kategorie der technokratischen Koordinationsinstrumente gezahlt werden, da sie nicht personenbezogen sind. Dies aber hatte zur Folge, dass den Informations- und Kommunikationstechnologien, die als konstitutive und charakteristische Merkmale virtueller Untemehmen aufgefasst werden, bei der Analyse der unterschiedlichen Koordinationsinstrumente und deren Vergleich zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wUrde. Dartiber hinaus ware eine gesonderte und kontrastierende Betrachtung kaum mSglich. Deshalb bilden die Informations- und Kommunikationstechnologien als informationstechnologische Koordinationsinstrumente in Anlehnung an Corsten/ReiB (1992) eine eigene Kategorie.^^^ Zu den informationstechnologischen Koordinationsinstrumenten kOnnen u. a. Standardtechnologien wie Telefon, Fax und E-Mail, sowie aufwandigere Technologien wie z. B. Telefon-, Video- und Onlinekonferenzen, Groupware-Applikationen und Workflow-Management-Systeme gezahlt werden."^ Eine Einschrankung bei der Gruppe der personenorientierten Koordinationsinstrumente ist im Hinblick auf das Koordinationsinstrument der persOnlichen Weisung vorzunehmen. Wie in den Ausftlhrungen zu den konstitutiven Merkmalen virtueller Unternehmen in Abschnitt 2.1.2 dargelegt wurde, sind an einem virtuellen Untemehmen rechtlich und wirtschaftlich selbstandige Untemehmen beteiligt. PersOnliche Weisun-
Vgl. Kenter (1985), S. 83. Diese Kritik wird in der Promotionsschrift von Wolf (1994), S. 118 aufgegriffen, in der aus diesem Grunde lediglich zwischen technokratischen und personenorientierten Instrumenten im Bereich des intemationalen Managements dififerenziert wird. Vgl. Corsten/Reifi (1992), S. 40. Siehe auch Wohlgemuth (2002), S. 31, der hier zwischen primaren (technokratischen, personellen und strukturellen) und sekundSren (informationellen) Hilfsmitteln unterscheidet. Im Gegensatz dazu betrachtet Bauer (2001), S. 30 die Informationsund Kommunikationstechnologien als zentrale Koordinationsinstrumente. 237
Vgl. Muller (2003), S. 106 ff Siehe hierzu ausfUhrlich Abschnitt 5.3.4.
50
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
gen weisen jedoch einen starken hierarchischen Charakter auf bzw. implizieren ausgepr^gte hierarchische Organisationsstrukturen mit mehreren Instanzen,^^^ die im deutlichen Widerspruch zum Konzept des virtuellen Untemehmens stehen. Daher sind persOnliche Weisungen als Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen weitestgehend ausgeschlossen.^^^ Die bisherigen Ausftihrungen kOnnen wie in Abbildung 3 dargestellt werden: Ahhildung 3: Typologie von Koordinationsinstrumenten
^mn IWMIWfM ^^^^H
^.--""^
^ ^ m minH
^^"^-^
^^^^^n ^H^^fflm
Programme /
Ns,^ PlXne
X zentrale
/ Untcrttiltzungsdlnheit
\
Budgeto
/ /
\^^
Zide
\
(Verrechnung*-)Preise
Steuerkreis
/
\
Regdn interne Mftrkte
Vertrige Tdefon/Fax/E-Mail
Sdbitabstimmung \
Tdefon-/Video-/ Onlinekonferenzen
soraale Rollen \ \
Vertrauen / Vertrauenskultur Nw N.
\
Mitarbeiterauitaufch
/ /
/ Groupware WorkflowManagementSytteme
/ /
y/ y^
1 H^^^^nlninl^^RnKi^n^^raii^H
••••••••••••••i^^
Quelle', Eigene Darstellung in Anlehnung an ReiB (2004), S. 694.
Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 109 f.; Welge/HoltbrUgge (2001), S. 170. Vgl. Schrader (1996), S. 125; Fischer (2001), S. 193. Nach Specht/Kahmann (2000), S. 61 sind pers5nliche Weisungen nur im Ausnahmefall mOglich, wenn die Komplexitat einer bestimmten Koordinationsaufgabe den Aufbau einer zentralen Koordinationsstelle erforderlich macht. Bitz et al. (1999), S. 169 machen darauf aufmerksam, dass in virtuellen Untemehmen prinzipiell eine weitgehende Verlagerung von Weisungs- und Entscheidungsrechten auf die einzelnen rechtlich selbstandigen Untemehmen erfolgt. Siehe auch Albers et al. (2003), S. 10, die darauf hinweisen, dass das Management virtueller Untemehmen auf der Basis nicht-hierarchischer Koordinationsinstrumente erfolgen muss.
Koordination
51
Hierbei sei jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen, dass mit dieser Typologisierung nicht der Anspruch auf Vollstandigkeit erhoben werden kann. Dies ist u. a. darauf zurOckzuflihren, dass bisher noch keine geschlossene Koordinationstheorie entwickelt wurde und das Spektrum der in der Literatur diskutierten Koordinationsinstrumente inzwischen derart groB ist, dass eine vollstandige, Itickenlose und tiberschneidungsfreie Darstellung faktisch nicht mehr m(5glich ist.^'^^ Bei der Betrachtung der hier dargestellten Koordinationsinstrumente muss jedoch • berticksichtigt werden, dass sie sich nur analytisch differenzieren lassen und hSufig in einem Interdependenzverhaltnis stehen.^"** Zudem ist davon auszugehen, dass sie sich gegenseitig bedingen, d. h. sich ergSnzen, mOglicherweise verstSrken oder teilweise auch in einem substitutiven Verhaitnis zueinander stehen kOnnen.^"*^ Interdependenzen lassen sich z. B. nicht nur zwischen den vier Kategorien von Koordinationsinstrumenten ausmachen, sondem kOnnen auch zwischen einzelnen Koordinationsinstrumenten auftreten. Schwierigkeiten treten z. B. bei der Unterscheidung der Koordinationsinstrumente Plane, Programme oder Gremien auf, da alle in die Zukunft reichenden Koordinationsentscheidungen (Vorauskoordination) im weitesten Sinne als Planung bezeichnet werden kOnnen.^"*^ Diese Instrumente sind jedoch nicht das Ergebnis eines Emergenz- oder Selbstabstimmungsprozesses, sondem werden in der Regel nach festgelegten Verfahren im Rahmen eines institutionalisierten Planungsprozesses erarbeitet. Programme und Plane kOnnen auch aufeinander aufbauen. So werden nicht selten Plane auf der Grundlage von Programmen erstellt. Dabei kann in Programmen festgelegt sein, welche Informationen in welcher Art und Weise zu Planen zu verarbeiten sind. So stellen z. B. auch PlanungshandbUcher Sammlungen solcher Programme dar. Femer wird in der Fachliteratur nicht nur von Koordinationsinstrumenten, sondem u. a. auch von „Managementinstmmenten",^'^'^ ^Management-Tools",^"*^ „Koordinations-
Vgl. Brockhoff/Hauschildt (1993), S. 400; Wohlgemuth (2002), S. 30. Auf die Oberschneidungen bei der Typologisierung von Koordinationsinstrumenten weist auch Reger (1997), S. 66 bin, der von „hybriden Koordinationsmechanismen" spricht. 241
Vgl. MacharzinaAVolf (2005), S. 476 f
242
Vgl. TrOndle (1987), S. 122 f.; Wolf (1994), S. 180; Frey/Osterloh (1997), S. 310 ff. Siehe hierzu auch die Ausftihrungen in Abschnitt 5.3.1.3, in dem Vertrauen als Koordinationsinstrument naher betrachtet wird.
243
Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 119.
244
Siehe z. B. Wohlgemuth (2002), S. 30.
52
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
mechanismen",^'*^ „Integrationsmechanismen"^'^^ oder „Integrationsinstrumenten"^'^^ gesprochen. Wahrend diese Begriffe aufgrund der etymologischen und inhaltlichen Ubereinstimmung haufig synonym verwendet werden,^"^^ schlagt Wiesenthal (1999) vor, zwischen den Begriffen „Koordinationsinstrument" und „Koordinationsmechanismus" zu unterscheiden.^^° Er argumentiert damit, dass Koordinationsinstrumente einzeln angebbare Steuerungsmittel sind, wahrend Koordinationsmechanismen eher komplexere, auf dem Zusammenwirken mehrerer Koordinationsinstrumente beruhende Steuerungsformen darstellen.^^' Bereits hier wird jedoch deutlich, dass eine trennscharfe Unterteilung nicht mSglich ist. Selbst Wiesenthal (1999) raumt dies indirekt ein, indem er auf das empirische Uberwiegen von „gemischten" Koordinationsmechanismen, d. h. dem Zusammenwirken von unterschiedlichen Koordinationsinstrumenten und -mechanismen hinweist.^^^ Aufgrund der mangelnden Trennscharfe der beiden Begriffe wird diesem Unterscheidungsvorschlag hier jedoch nicht gefolgt. Zudem hatte die Begriffsunterscheidung die Komplexitat der empirischen Untersuchung erheblich gesteigert, ohne einen erkennbaren forschungsrelevanten Mehrwert zu bieten. Um eine Begriffsverwirrung zu vermeiden, wird in der vorliegenden Arbeit ausschliefilich der Begriff „Koordinationsinstrument" praferiert. Unter Beriicksichtigung der nur analytischen Trennbarkeit unterschiedlicher Koordinationsinstrumente wird die hier skizzierte Typologisierung als konzeptueller Bezugsrahmen bzw. untersuchungsleitendes OrdnungsgerUst fUr die vorliegende Arbeit gewahlt, da sie einen flir die Ubertragbarkeit in die Praxis gewUnschten vergleichs-
245
Siehe z. B. Albers et al. (2003), S. 37.
246
Siehe z. B. KieserAVaigenbach (2003), S. 101.
247
Siehe z. B. SchreyOgg (2003), S. 155 ff. Siehe z.B.ReiB (2003), S. 7. Siehe z. B. KieserAVaigenbach (2003), S. 101 und S. 108; Martinez/Jarillo (1989), S. 490; Zimmermann (2003), S. 131 und S. 133, der z. B. Vertrauen uneinheitlich einmal als Koordinationsmechanismus und einmal als Koordinationsinstrument bezeichnet. Vgl. Wiesenthal (1999), S. 17. In der aktuellen Literatur werden jedoch auch komplexe Phanomene wie Vertrauen oder Selbstabstimmung als Koordinationsinstrumente und nicht als Koordinationsmechanismen bezeichnet. Siehe z. B. Picot/Reichwald (1999), S. 141; Zimmermann (2003), S. 71 bzw. Staehle (1999), S. 558. Vgl. Wiesenthal (1999), S. 17.
Koordination
53
weise geringen Abstraktionsgrad aufweist^" und im Vergleich zu anderen Typologisierungen eine umfassende Einordnung von Koordinationsinstrumenten ermOglicht. 2.2 3 Koordinationsbedarfund Koordinationsaufgaben in virtuellen Unternehmen In der Literatur wird u. a. darauf hingewiesen, dass das Konzept des virtuellen Unternehmens mit einem erheblichen Koordinationsaufwand bzw. Koordinationsbedarf verbunden ist.^^"* Um der Frage nachzugehen, welche Koordinationsinstrumente in virtuellen Unternehmen verwendet werden, ist es zunachst sinnvoll hervorzuheben, wodurch der Koordinationsbedarf hervorgerufen wird, welche Koordinationsaufgaben zu bewSltigen sind und welche Besonderheiten die Koordination in dem hier betrachteten Organisationskonzept aufweist. In einem virtuellen Unternehmen ist von einem hohen Grad der Arbeitsteilung auszugehen, da sich mehrere rechtlich selbstandige Unternehmen bei der Leistungserstellung vorrangig mit ihren Kemkompetenzen beteiligen und dadurch ein hoher Differenzierungsgrad hervorgerufen wird. Durch die Kombination unterschiedlicher Kemkompetenztrager kOnnen kundenspezifische Auftrage bewaltigt werden, die umfangreich und komplex sind. Je nach Art und Komplexitatsgrad der Auftr^ge und der einzelnen Aufgabenstellungen kOnnen unterschiedliche Interdependenzen zwischen den Kooperationspartnem bestehen, die zu unterschiedlichen Koordinationsbediirfnissen fUhren. Erfordert z. B. die Abwicklung eines Kundenauftrags lediglich einen Zusammenschluss V. a. von Kooperationspartnem mit ahnlichen Kemkompetenzen, um GrQBeneffekte zu erzielen, dann liegt die Annahme nahe, dass v. a. gepoolte und sequenzielle Interdependenzen zwischen den Kooperationspartnem bestehen. Der Koordinationsbedarf besteht dabei neben der Festlegung auf einen gemeinsamen Qualitatsstandard v. a. in der Reihenfolge- und der Zeitplanung, um die Einzelleistungen der Kooperationspartner zu der gewtinschten Gesamtleistung zusammenzusetzen. Erfordert die Abwicklung eines Kundenauftrags jedoch einen Zusammenschluss von Kooperationspartnem mit unterschiedlichen Kemkompetenzen, um Spezialisiemngseffekte hervorzubringen, ist anzunehmen, dass damit ein hOherer Koordinationsaufwand verbunden
^^^ Siehe Otterpohl (2002), S. 2, der darauf hinweist, dass viele Koordinationstypologien zu abstrakt sind, als dass man sie direkt in der Praxis verwenden kOnnte. ^^^ Vgl. Specht/Kahmann (2000), S. 60; Wirtz (2000), S. 108; Wall (2000a), S. 120 ff; Scherm/SaB (2000), S. 459.
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Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
ist.^^^ Dies ist zum einen damit zu begriinden, dass Spezialisierungseffekte im Wesentlichen dann erzielt werden, wenn unter den Kooperationspartnem komplexe, d. h. vor allem reziproke Leistungsbeziehungen bestehen. Zum anderen steigt mit dem AusmaB der Heterogenitat der Partner unter ihnen die M5glichkeit des Auftretens von Zieloder Interessenkonflikten.^^^ Urn die Leistungstrager sinnvoll und effizient miteinander zu koppeln und auf das gemeinsame Ziel ausrichten zu kSnnen, sind daher integrative MaBnahmen notwendig. Femer ist der Koordinationsbedarf in einem virtuellen Untemehmen darauf zurtickzuftihren, dass zwischen den Kooperationspartnem haufig grOBere rSumliche Distanzen bestehen, die eine direkte Kommunikation erschweren. Hierbei wird angenommen, dass die direkte Kommunikation zumindest teilweise durch die MGglichkeiten der modemen Informations- und Kommunikationsteciinologien kompensiert werden kann.^^^ Nach dem gegenwSrtigen Forschungsstand besteht kein Zweifel, dass Koordination auch in virtuellen Untemehmen notwendig ist.^^^ Im Gegensatz zu traditionellen Untemehmen und den meisten netzwerkartigen Kooperationsformen besteht die Besonderheit der Koordination in virtuellen Untemehmen darin, dass Koordinationsaufgaben auf zwei Ebenen bestehen: der Netzwerkebene (Ebene des latenten Netzwerks) und der Projektebene (Ebene des aktivierten Netzwerks)."^ Wie in den Ausftihmngen zu den konstitutiven Merkmalen eines virtuellen Untemehmens hervorgehoben wurde,^^° bilden sich die virtuellen Untemehmen i. d. R. auf der Basis eines latenten Netzwerks heraus. Dadurch, dass die Partner des latenten Netzwerks untereinander bereits bekannt sind und sie gemeinsam geschaftliche Beziehungen im Rahmen eines virtuellen Untemehmens anstreben, kann auf eine zeitaufwandige GrUndungsphase eines virtuellen Untemehmens verzichtet werden. Um den
"^ Vgl.TrOndle(1987),S.99. ^^^ Vgl. Otterpohl (2002), S. 99; Wall (2000a), S. 1321 "^ Vgl. Wolter et al. (1998), S. 26 f ^^* Vgl. z. B. Wirtz (2000), S. 104. ^^^ Vgl. Sieber (1998a), S. 258; Albers et al. (2003), S. 33 ff. Im Gegensatz zu CamarinhaMatos/Lima (1999), S. 50 und Camarinha-Matos/Pantoja-Lima (2001), S. 133 f wird der Koordinationsbedarf in den beteiligten Untemehmen hier nicht als dritte Ebene betrachtet, da die Steuerung eines virtuellen Untemehmens die Koordination der Leistungserstellung in den beteiligten Untemehmen nicht umfasst. Hierbei tritt vielmehr das Prinzip des Outsourcing in den Vordergrund, sodass die Koordination innerhalb eines beteiligten Untemehmens der jeweiligen Unternehmensftihmng obliegt. ^^ SieheAbschnitt2.1.2.
Koordination
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Vorteil der raschen Handlungsf^higkeit eines virtuellen Untemehmens nutzen zu k5nnen, muss jedoch vorausgesetzt werden, dass bereits auf der Ebene des latenten Netzwerks ein GroBteil der abstimmungsbedlirftigen Fragen hinsichtlich einer Kooperation unter den Partnem geklSrt ist.^^' Auf dieser Grundlage kOnnen die Projektverhandlungen schneller und reibungsloser erfolgen. Jedoch darf hierbei nicht Ubersehen werden, dass der Aufbau eines latenten Netzwerks zunSchst mit hohen technischen und organisatorischen Anfangskosten sowie einen hohen Zeitaufwand verbunden ist,^^^ bevor die Vorteile genutzt werden kSnnen. Aufgrund des eher iSngerfristigen Bestehens eines latenten Netzwerks und der damit verbundenen Nutzenpotenziale bei der Bildung virtueller Untemehmen im Zeitverlauf ist dieser anfangs hohe Mitteleinsatz jedoch durchaus sinnvoll.^" Zu den wesentlichen abstimmungsbedlirftigen Aufgaben und Entscheidungen auf der Netzwerkebene gehQren folgende:^^ •
Festlegung der Ziele und Strategien: Eine notwendige Voraussetzung fur die Ableitung einzelner Mafinahmen in einem virtuellen Untemehmen besteht in der Definition von Zielen und daraus abgeleiteten Strategien. Diese sind kontinuierlich auf ihre AktualitSt zu priifen und ggf. an geanderte Kontextbedingungen anzupassen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Festlegung der Geschaftsfelder und/oder Marktbereiche, in denen die auf der Grundlage des latenten Netzwerks gebildeten virtuellen Untemehmen positioniert werden sollen^^^ sowie die Gestaltung des einheitlichen Marktauftritts.^^^
• Definition der Aufgaben und Zustandigkeitsbereiche: Wesentliche Voraussetzung fur eine effiziente Arbeitsteilung ist eine klare Definition der ZustSndigkeiten und Aufgaben der Kooperationspartner virtueller Untemehmen.^^^ Damit die Bildung eines virtuellen Untemehmens problemlos mSglich ist und die ar-
^^' Vgl. Albers et al. (2003), S. 33. ^" Vgl. ReiB/Beck (1995), S. 51; Schewe (1997), S. 17. ^^^ Vgl. Schewe (1997), S. 13. ^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 33 ff.; Kemmner/Gillessen (2000), S. 60; Fritz/Manheim (1998), S. 123 ff ^^^ Vgl. Heck (1999), S. 201; Wall (2000a), S. 123; Sieber (1998a), S. 258. '^^ Vgl. Heck (1999), S. 197. ^^^ Vgl. Heck (1999), S. 200; Behrens (2000), S. 164; Gora/Bauer (2001), S. 12.
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Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung beitsteilige Leistungserstellung reibungslos erfolgen kann, sind folgende kiarungsbediirftige Punkte zu berUcksichtigen:^^^ o Akquisition von Kunden: Es muss gekiart werden, wer fUr die Kundenakquisition im latenten Netzwerk zustSndig ist. Denkbar ist hierbei z. B. die Wahmehmung dieser Aufgabe durch einen Netzwerkpartner, ggf. durch eine Dachorganisation oder aber durch alle Netzwerkpartner. o Auftragsvergabe: Befinden sich im latenten Netzwerk Partner, die ahnliche Kompetenzen und Leistungsspektren aufweisen, muss eine Kegel festgelegt werden, mit der die Auftragsvergabe erfolgen soil. o Pflichten der Netzwerkpartner: Jedem Netzwerkpartner muss vor dem Eintritt in das latente Netzwerk bekannt sein, welche Ressourcen und/oder Leistungen von ihm in das gemeinsame Netzwerk einzubringen sind.^^^ Damit ist es m5glich, die Vor- und Nachteile bei der Teilnahme an einem virtuellen Untemehmen m5glichst genau abzuschatzen. Als Ressourcen oder Leistungen kSnnen hierbei z. B. fmanzielle Beitr^ge, zu leistende Arbeitszeit oder Informationspflichten betrachtet werden. ^^^ o Festlegung des Qualitatsstandards: Um einen einheitlichen Marktauftritt zu erreichen, ist es sinnvoll, einen gemeinsamen Qualitatsstandard festzulegen. Zudem erleichtert es das ZusammenfUgen der Einzellleistungen der Kooperationspartner. o Personal- und Konfliktmanagement: Zur Sicherung der Stabilitat und Entwicklung des latenten Netzwerks sowie zum Aufbau und zur Pflege der Vertrauensbeziehungen unter den Netzwerkpartnem ist es wichtig, die Kriterien, nach denen die Auswahl und Aufnahme neuer Partner in das latente Netzwerk erfolgen soil, festzulegen.^^^ Da auch in virtuellen Untemehmen Konflikte zwischen den Kooperationspartnem entstehen kOnnen, ist es notwendig, Verfahrensweisen zu determinieren, wie mit
^^* Vgl. Albers et al. (2003), S. 34 f ^^^ Vgl. Wolter et al. (1998), S. 69; Wall (2000a), S. 130. ^^° Vgl. Behrens (2000), S. 34. ^''^ Vgl. Schuh et al. (1998), S. 112 ff.; Kemmner/Gillessen (2000), S. 60; Fritz/Manheim (1998), S. 125.
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57 einem mSglichen Konflikt umzugehen ist.^^^ Wesentliche Ursache fur das Entstehen von Konflikten stellt opportunistisches Verhalten von Netzwerkpartnem dar.^^^ Um der Opportunismusgefahr entgegenzuwirken, sind entsprechende Sanktionsmechanismen zu bestimmen. Diese kSnnen z. B. Abmahnungen sein oder sich in Form des Ausschlusses bei einzelnen Projekten SuBem. Im Extremfall muss der Partner, der sich opportunistisch verhSlt, aus dem latenten Netzwerk ausgeschlossen werden, um die Stabilitat des Netzwerks nicht zu geflhrden.^^"^
o Regelung grundlegender projektbezogener Aufgaben: Um die Bildung eines virtuellen Untemehmens zu beschleunigen und eine rasche Aufnahme der gemeinsamen Projektarbeit zu ermOglichen, sollten grundlegende projektbezogene Aufgaben bereits auf der Netzwerkebene geregelt werden.^^^ Hierzu gehQren z. B. die Klarung der Verrechnung von Kosten und Leistungen zwischen den Kooperationspartnem, die Klarung von Haftungsfragen sowie die im Rahmen des Wissensmanagements zu I5sende Frage nach der Rechteverwertung (z. B. die weitere Nutzung gemeinsam entwickelter Patente und/oder Kemkompetenzen).^^^ • Aufbau einer informationstechnologischen Infrastruktur: Bin wesentliches konstitutives Merkmal virtueller Untemehmen besteht in der Unterstiitzung der Geschaftsaktivitaten durch leistungsfUhige Informations- und Kommunikationstechnologien.^^^ Damit nicht erst bei der Bildung eines virtuellen Untemehmens aus der Vielzahl der unterschiedlichen Technologien die geeignetsten ausgewahlt und bei jedem Kooperationspartner installiert werden miissen, sollten bereits im Vorwege gemeinsame technologische Standards festgelegt und die Technologien bereitgestellt werden.^^^
272
Vgl. Wolter et al. (1998), S. 69; Blecker (1999), S. 328.
273
Vgl.Braun (1997), S. 239.
274
Vgl. Burr (1999), S. 1168.
275
Vgl. Albers et al. (2003), S. 35 f
276
Vgl. Blecker (1999), S. 324; Kemmner/Gillessen (2000), S. 62; Braun (1997), S. 240; Wirtz (2000), S. 102 ff.; Fritz/Manheim (1998); Fritz/Manheim (1998), S. 127. SieheAbschnitt2.1.2.
277 278
Vgl. Braun (1997), S. 239; Wolter et al. (1998), S. 69; Wall (2000a), S. 129; Mailer (2003), S. 100 ff.; Fritz/Manheim (1998), S. 128 f
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Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
Wahrend auf der Ebene des latenten Netzwerks die Partner nur in einem losen Kontakt stehen und zwischen ihnen bis zu einer Projektanbahnung kein Leistungsaustausch vollzogen wird, stehen die Partner im aktivierten Netzwerk im Rahmen der Arbeitsteilung in einem leistungsbezogenen Interdependenzverhaltnis. Zu den Koordinationsaufgaben auf der Projektebene geh5rt zunSchst die Koordination des Leistungsprofils, d. h. die aufgabenbezogene Zusammenstellung der Partner bzw. der zur Abwicklung eines Auftrags benOtigten Kemkompetenzen.^^^ Im Rahmen der Projektkoordination muss die Abstimmung der Produktionsplanung und -steuerung zwischen den Partnem des virtuellen Untemehmens vorgenommen werden. Ausgehend vom Kundenwunsch gilt es, die erforderlichen arbeitsteiligen Prozesse zu bestimmen, eine Aufgabenverteilung unter den Kooperationspartnem vorzunehmen, ggf. Ressourcen zu verteilen und Entscheidungskompetenzen unter den Kooperationspartnem festzulegen. Dartiber hinaus sind abstimmungsbedtirftige Fragen zu klaren, Schnittstellen zwischen den Kooperationspartnem zu defmieren und ihre Aktivitaten auf das gemeinsame Ziei auszurichten. Hiemach sind der notwendige Koordinationsbedarf zu ermitteln, der vom Kunden vorgegebene Zeitrahmen bei der Erstellung eines Ablaufplans zu berQcksichtigen und geeignete Koordinationsinstmmente zu bestimmen. Zudem gilt es, geeignete Kommunikationskanale einzurichten, um unter den Kooperationspartnem einen gleichen Informations- und Wissensstand zu gewahrleisten und damit redundante bzw. unnOtige Arbeitsschritte zu vermeiden.^^° Die iiberblicksweise Darstellung zeigt einerseits, dass sich das Projektmanagement in virtuellen Untemehmen vom traditionellen Projektmanagement in und zwischen Untemehmen kaum unterscheidet.^^' Da das Projektmanagement einen eigenstandigen, vom Konzept des virtuellen Untemehmens unabhangigen Forschungsbereich innerhalb der Betriebswirtschaftslehre darstellt und in einer Vielzahl von wissenschaftlichen und praxisbezogenen Publikationen beschrieben wird,^^^ erfolgen hierzu keine weiteren Ausflihrungen. Die Erlauterungen zu den Koordinationsaufgaben auf der Netzwerk-
^"^^ Vgl. Kemmner/Gillessen (2000), S. 60. ^^° Vgl. Specht/Kahmann (2000), S. 65; Wildemann (1997), S. 422; Rehfeldt (1998), S. 26. ^*' Vgl. Albers et al. (2003), S. 52. Pieles (2004), S. 189 kommt im Hinblick auf die strategische Planung in virtuellen Untemehmen zu einem ahnlichen Ergebnis. ^^^ Siehe z. B. Schott/Campana (2005); Bea/Scheurer (2004); Kefiler/Winkelhofer (2002); Mantel (2001).
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und der Projektebene verdeutlichen andererseits, dass in virtuellen Untemehmen ein erheblicher Koordinationsbedarf besteht.^^^ Abgesehen von den Koordinationsaufgaben auf der Projektebene, die weitgehend denen des traditionellen Projektmanagements entsprechen, bestehen die Besonderheiten der Koordination in virtuellen Untemehmen v. a. in den Koordinationsaufgaben auf der Ebene des latenten Netzwerks. Zudem mUssen die Leistungen rechtlich und wirtschaftlich selbstSndiger sowie weitgehend gleichberechtigter Untemehmen tiber Untemehmensgrenzen hinweg aufeinander abgestimmt und in die WertschSpfungskette integriert werden. Dies setzt voraus, dass die Ziele und Prioritaten den geographisch verteilten Akteuren kommuniziert werden mUssen, die oft mit unterschiedlichen lokalen Bedingungen konfrontiert sind.^*"* Aufgmnd der rechtlichen und wirtschaftlichen Selbstandigkeit und der weitgehenden Gleichberechtigung der Kooperationspartner sowie des Fehlens einer klaren hierarchischen Organisationsstmktur ist jedoch eine Koordination durch pers5nliche Weisungen weitestgehend ausgeschlossen.^^^ Vielmehr mUssten Entscheidungen nach Kemmner/Gillessen (2000) durch gemeinsame Absprachen erfolgen: „Was in grOBeren Untemehmen [...] durch Overhead koordiniert wird, erfolgt in Virtuellen Untemehmen durch Selbstorganisation."^^^ Die in der vorausgegangenen Argumentation angefilhrten Aspekte deuten femer darauf hin, dass die Besonderheiten oder Unterschiede der Koordination in virtuellen Untemehmen im Vergleich zu traditionalen Untemehmen auch auf den unterschiedlichen Stellenwert von Macht^^^ zurtickzufUhren sind. Wahrend sich in einem traditionell hierarchischen Untemehmen Machtunterschiede v. a. aufgmnd formaler Machtgmndlagen, die an eine Hierarchic gebunden sind (z. B. Macht eines Positionsinhabers durch Legitimitat (Autoritat), Macht durch die MOglichkeit der Verteilung positiver und negativer Sanktionen) ergeben, spielen diese Machtgmndlagen in virtuellen Untemehmen keine oder wenn Uberhaupt nur eine marginale Rolle.^^^ Es ware jedoch
283
Vgl. Wall (2000a), S. 120 ff.
284
Vgl. Fritz/Manheim(1998).
285
Vgl. Abschnitt 2.2.2.
286
Vgl. Kemmner/Gillessen (2000), S. 63.
287
Macht bedeutet nach Weber ,jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht." Vgl. Weber (1972), S. 28. Vgl. JOrges/SUss (2000), S. 81. Zur Differenzierung von Machtgmndlagen siehe z. B. Luthans (2002), S. 448 ff.; Staehle (1999), S. 400; Crozier/Friedberg (1979), S. 50 ff.
60
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
naiv anzunehmen, ein Untemehmensnetzwerk wie z. B. ein virtuelles Untemehmen sei ein machtfreier Raum.^^^ Als Machtgrundlagen k5nnen z. B. Informationen und das Expertentum betrachtet werden.^^^ Auch wenn Macht, die sich z. B. auch in mikropolitischen Prozessen unter den Kooperationspartnem auBem kann, in der hier betrachteten Kooperationsform nicht ausgeschlossen werden darf, so steht dieses Medium jedoch in erheblichem Widerspruch zum Konzept des virtuellen Untemehmens. Die Durchsetzung von Macht konfligiert mit dem Aufbau von Vertrauen unter den Kooperationspartnem.^^' Vertrauen, das ein konstitutives Merkmai eines virtuellen Unternehmens ist,^^^ und Macht kOnnen hier eher als gegensStzliche Mechanismen betrachtet werden. Zudem sprechen die Vorteile, die Vertrauensbeziehungen i. d. R. gegenUber machtbasierten Beziehungen haben, generell ftlr die PrSferenz von Vertrauen.^^^ Die Ausflihrungen verdeutlichen, dass die Koordination des Leistungserstellungsprozesses in einem virtuellen Untemehmen eine mehrdimensionale, komplexe Gesamtaufgabe darstellt.^^"* Die zu koordinierenden Austauschbeziehungen lassen sich durch die Merkmale Dynamik, Komplexitat und Spezifitat charakterisieren.^^^ Durch die rechtliche und wirtschaftliche Selbstandigkeit der Kooperationspartner virtueller Untemehmen und dadurch, dass die Kooperationspartner zudem aus Kosten- und FlexibilitatsgrUnden auf die Ausgestaltung umfangreicher Vertragswerke verzichten und damit untereinander nur in einer losen Kopplung stehen, sind flexible Stmkturen mit einer hohen Dynamik mOglich.^^^ Zwar eignen sich flexible und dynamische Stmkturen insbesondere in volatilen Markten, jedoch ist damit die Koordinationsproblematik verbunden, dass ein GroBteil der Ursache-Wirkungszusammenhange ex ante nicht bekannt ist und deshalb von nur schwer stmkturierbaren, hochkomplexen Interdependenzen und Austauschbeziehungen ausgegangen werden muss.^^^ Dartiber hinaus wird die Komplexitat der Koordination in virtuellen Untemehmen u. a. dadurch
289
Vgl. Bachmann (2000), S. 118.
290
Vgl. J5rges/SUss (2000), S. 81 f.
291
Vgl. Bachmann (2000), S. 119.
292
Vgl. Abschnitt 2.1.2.
293
Vgl. Bachmann (2000), S. 119.
294
Vgl. Amold/Hartling (1995b), S. 9; ManheimAVatson-Manheim (1999), S. 39; Fritz/Manheim
295 296 297
(1998), S. 123. Vgl. Wagner (1999), S. 120 ff. Vgl. Heck (1999), S. 197; Engelhard (1999), S. 329. Vgl. Picot et al. (2003), S. 522 ff.; WeberAValsh (1994), S. 25.
Koordination
61
hervorgerufen, dass zwischen den Kooperationspartnem nicht nur bilaterale, sondem haufig auch multilaterale Beziehungen bestehen. Dies bedeutet, dass die Beziehung zweier Netzwerkpartner einen Einfluss auf einen dritten Netzwerkpartner haben kann, der wiederum Einfluss auf die Beziehung zwischen diesen beiden Netzwerkpartnem nehmen kann.^^^ Zudem ist mit der Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien eine tendenzielle Delokalisierung, Entmaterialisierung^^^ und Enttemporalisierung verbunden.^^ So besteht z. B. vor allem bei der Erstellung immaterieller Leistungen nicht mehr die Notwendigkeit, dass sich die Kooperationspartner am selben Standort befmden und zur gleichen (Tages-)Zeit kooperieren. Raumliche und zeitliche Barrieren kOnnen mit Hiife modemer Technologien zwar ieicht tiberwunden werden, jedoch wird dadurch die Schwierigkeit hervorgerufen, die an der arbeitsteiligen Leistungserstellung beteiligten Einheiten tiber rSumliche Distanzen hinweg effektiv und effizient zu koordinieren. Die Spezifitat der Koordination eines virtuellen Untemehmens wird dadurch hervorgerufen, dass sich die Kooperationspartner an der Leistungserstellung v. a. mit ihren Kemkompetenzen beteiligen.^^^ Damit ist es mSglich, projektspezifische Teilleistungen zu erbringen. Im Hinblick auf die Koordination besteht dabei jedoch die besondere Herausforderung, dass zur Erstellung der Gesamtleistung immer wieder unterschiedliche Teilleistungen mit jeweils spezifischen Charakteristika aufeinander abgestimmt werden mUssen. Mit den Ausfiihrungen zur Konzeptualisierung der Koordination und der unterschiedlichen Koordinationsinstrumente in Abschnitt 2.2 wurde die zweite Forschungsfrage beantwortet. Koordination wurde defmiert als die Abstimmung und Ausrichtung von Leistungen oder Einzelaktivitaten eines arbeitsteiligen Systems im Hinblick auf ein angestrebtes Ziel. Koordinationsinstrumente ermOglichen eine Deckung des Koordinationsbedarfs und wurden in Anlehnung an die Typologie von Reifi (2004) in strukturelle, technokratische, personenorientierte und informationstechnologische Koordinationsinstrumente untergliedert.
Vgl. Beck (1998), S. 12 I Sydow (1992a), S. 83 ff spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Multiplexitat der Netzwerkbeziehungen". Vgl. Macharzina/Dttrrfeld (2000), S. 30; Scherm/SuB (2000), S. 457 ff.; Jansen (1998), S. 17, der hier von „Dematerialisierung" spricht und Linde (1997a), S. 40, der auf den Ubergang vom Materiellen zum Immateriellen hinweist. Vgl. Macharzina/DUrrfeld (2000), S. 30. Vgl. Abschnitt 2.1.2.
62
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
Das Okonomisches Ziel besteht darin, die unterschiedlichen Koordinationsinstrumente im Rahmen der zur Erreichung der Kooperationsziele zu bewSltigenden Koordinationsaufgaben m^glichst effektiv und effizient (und damit erfolgreich) einzusetzen. Bei genauerer Betrachtung der Begriffe Effektivitat und Effizienz werden jedoch sowohl inhaltliche als auch methodische Schwierigkeiten offenbar. Die inhaltliche Schwierigkeit besteht darin, dass eine durchgangige und klare begriffliche Trennung von Effektivitat und Effizienz bislang nicht vorliegt.^^^ Dem mehrheitlichen Begriffsverstandnis folgend stellt die Effizienz (efficiency) die MafigrOBe fiir die Wirtschaftlichkeit (Input/Output-Relation bzw. Input-Ziel-Relation) dar.^°^ Effizienz bedeutet hierbei, ein defmiertes Ziel mit mOglichst geringen Aufwand zu erreichen.^^ Dagegen bezeichnet die Effektivitat (effectiveness) die Ma6gr5l3e fiir die Zielerreichung (Output), d. h. das AusmaB, in dem die Leistungen die beabsichtigten Wirkungen erreichen.^^^ Fiir den Erfolg einer Organisation sind Effektivitat und Effizienz gleichermaBen wichtig, da die zur VerfUgung stehenden Ressourcen sparsam und zielfUhrend einzusetzen sind.^^^ Methodische Schwierigkeiten haben dazu gefiihrt, dass bei der Betrachtung der Koordinationsinstrumente die beiden Seiten der Erfolgsmedaille im Folgenden integrativ behandeh werden: Zum einen besteht die Schwierigkeit darin, dass Effektivitat und Effizienz nicht unabhangig voneinander betrachtet werden kOnnen und im Regelfall „Trade-offs" zwischen diesen beiden Seiten der Erfolgsmedaille bestehen.^^^ Einerseits wird Effektivitat als eine grundsatzliche Voraussetzung fiir Effizienz verstanden,^^* andererseits gilt die Effizienz i. S. einer guten Ressourcennutzung als Unterkriterium der Effektivitat.^^^ Hierbei steht auBer Frage, dass von der Effektivitat nicht unbedingt auf die Effizienz geschlossen werden kann, da - wenn (iberhaupt - nur sehr schwer festgestellt werden kann, ob die Zielerreichung durch eine optimale Ausnutzung der Ressourcen oder durch gtinstige andere Bedingungen zustande kam.^^° Ebenso kann
302
Vgl.Scholz(1992),Sp.532.
303
Vgl. Scholz (1992), Sp. 533. Siehe hierzu auch die von Fessmann (1980), S. 27 fif. dargestellten Auffassungen in der Literatur.
304
Vgl. Thompson (1967), S. 86 f.
305
Vgl. Scholz (1992), Sp. 533.
306
Vgl.Siebert(2006),S.24.
307
Vgl. Siebert(2006),S.24.
308
Vgl. Klingebiel (2000), S. 25.
309
Vgl. Bea/G5bel(1999),S. 14.
310
Vgl.Bohr(1993),Sp.867.
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auch von der Effizienz nicht unbedingt auf die EffektivitSt geschlossen werden, wenn die Ressourcen so sparsam eingesetzt wurden, dass das Ziel damit nicht erreicht werden konnte.^'^ In Anlehnung an Duncan/Weiss (1979) werden Koordinationsinstrumente dann erfolgreich, d. h. effektiv und effizient verwendet, wenn sie es ermOglichen, (1) die Unternehmensziele unter Einsatz eines geplanten Portfolios personeller und sachlicher Ressourcen zu erreichen, (2) Strukturen und Routinen zu fbrdem, mit denen die Zielerreichung des Untemehmens sichergestellt wird und (3) konsistente Aktivit^ten innerhalb der Organisation ermoglichen.^'^ Aufgrund der individuellen ZielabMngigkeit von Effektivitats- und Effizienzkriterien^^^ muss die Bewertung jedoch immer fallspezifisch erfolgen. Die Ableitung verallgemeinerbarer und dennoch konkreter Kriterien, die Uber das Abstraktum der Zielerreichung hinausgehen, ist mit erheblichen methodischen Problemen verbunden.^'"* Inwieweit sich die Forschung bisher mit der Koordination in virtuellen Untemehmen und der Verwendung von Koordinationsinstrumenten zur BewSltigung des Koordinationsbedarfs beschaftigt hat, wird im Folgenden naher zu betrachten sein.
^^^ Dariiber hinaus bestehen methodische Schwierigkeiten auch darin, dass es keine quantifizierbare Grenze zwischen EfFizienz und Ineffizienz bzw. zwischen Effektivitat und Ineffektivitat gibt und eine allgemeine verbindliche Festlegung konkreter Kriterien bislang nicht gelungen ist. Die Frage, ob eine Organisation effektiv und effizient ist, zieht daher erhebliche Subjektivierungsprobleme mit sich. Vgl. Scholz (1992), Sp. 532. ^^^ Vgl. DuncanAVeiss (1979), S. 81. ^'^ Vgl.Fessmann(1980),S. 89f ^^^ Vgl.Bea/G(3bel(1999),S. 17.
64
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
2.3 Stand der Forschung Ziel dieses Abschnitts ist es, einen Uberblick uber die bisher durchgefuhrten theoretischen und empirischen Untersuchungen zu geben, die im Hinblick auf die in dieser Arbeit verfoigten Forschungsfragen relevante BeitrSge leisten. Dies ist einerseits sinnvoll, um an den Stand der Forschung anzukntipfen, andererseits notwendig, da zur Verwendung von Koordinationsinstrumenten bzw. in Bezug auf die bisher durchgeftlhrten Untersuchungen in virtuellen Untemehmen bisher noch keine Literaturtibersicht existiert. Durch die Aufarbeitung der einschlSgigen ForschungsbeitrSge leistet diese Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Wissensverdichtung fUr die Organisationsforschung und Managementlehre. Auf der Grundlage der bisherigen empirischen Befunde und theorieorientierten BeitrSge wird verdeutlicht, welchen „inhaltlichen Mehrwert" diese Arbeit in empirischer und konzeptueller Hinsicht anstrebt. Bei dieser Bestandsaufnahme werden einschl^gige Forschungsarbeiten zum Konzept des virtuellen Untemehmens berUcksichtigt, zu denen neben Dissertationen auch Gemeinschaftsprojekte von Forschungseinrichtungen gehOren. Dagegen werden Forschungsarbeiten bewusst ausgeblendet, in denen die Verwendung einzeiner Koordinationsinstrumente in anderen netzwerkartigen Kooperationsformen untersucht werden, da eine direkte Ubertragbarkeit der Befunde aufgrund der konzeptuellen Unterschiede^^^ und der Besonderheiten der Koordination in virtuellen Untemehmen^ ^^ nicht zuiassig ist. Da erst seit dem Ende der 90er Jahre, in der Phase des emeuten Aufschwungs bzw. der kritischen Reflexion,^ *^ die Forschungsaktivitaten zum Konzept des virtuellen Unternehmens verstarkt wurden und bisher nur wenige virtuelle Untemehmen bekannt waren, ist die Anzahl empirischer Forschungsarbeiten in diesem Bereich noch recht tlberschaubar. Im Rahmen einer umfangreichen Literaturanalyse konnten 18 Forschungsarbeiten zum Konzept des virtuellen Untemehmens gefunden werden, die im Anhang in Tabelle 26tiberblicksartigdargestellt sind.^*^ Unter ihnen befmden sich 10 empirische und 8 theoretische Forschungsarbeiten.
315
Siehe hierzu die Ausfilhrungen in Abschnitt 2.1.4.
316
Siehe hierzu die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.2.3.
317
Siehe hierzu die Ausfilhrungen in Abschnitt 2.1.
318
Unter Angabe des Autors und des Erscheinungsjahrs werden die jeweilige Zielsetzung der Untersuchung sowie das Forschungsdesign, bei empirischen Arbeiten zusatzlich die Methode und die Datengrundlage, und die wesentlichen Ergebnisse der jeweiligen Arbeiten im Hinblick auf die Verwendung von Koordinationsinstrumenten skizziert.
Stand der Forschung
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Die zunehmende Anzahl an Dissertationen^^^ und empirischen Projekten von Forschungseinrichtungen^^° zum Konzept des virtuellen Untemehmens verdeutlichen das Interesse der Wissenschaft an dieser Kooperationsform. Wie der Tabelle 26 zu entnehmen ist, sind alle Arbeiten darauf ausgerichtet, i. w. S. einen Beitrag zur ErklSrung des Erfolgs virtueller Untemehmen zu leisten. Hierunter befmden sich theoretisch ausgerichtete Arbeiten, die sich in erster Linie auf die theoretische Fundierung des Konzepts des virtuellen Untemehmens und ihrer Verortung in das Spektrum bestehender Netzwerkmodelle bzw. -konzepte konzentrieren.^^^ Dartiber hinaus zeigt die LiteraturUbersicht, dass mit einer zunehmenden Anzahl von empirischen Arbeiten im Rahmen der Analyse von Erfolgsfaktoren^^^ v. a. zwei Themenbereiche bisher besondere Aufmerksamkeit erfahren haben: diese sind einerseits die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien^^^ und andererseits die Entwicklung von Vertrauen unter den Kooperationspartnem virtueller Untemehmen.^^"* Bei nahezu alien dieser vorwiegend explorativen Arbeiten steht jedoch weniger der Aspekt der Koordination in virtuellen Untemehmen im Vordergmnd. Im Zentrum steht vielmehr die Frage, welche Nutzenpotenziale sich aus der Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien fUr die Kooperation ergeben kOnnen,^^^ bzw. die KlSrung der Frage, wie Vertrauen unter wechselnden und geographisch getrennten Kooperationspartnem tlberhaupt aufgebaut werden kann. In Bezug auf die in der vorliegenden Arbeit verfolgten empirisch zu beantwortenden Fragestellungen leisten die Ergebnisse der meisten Arbeiten^^^ deshalb nur geringe bzw. auf
Dies sind v. a. Dissertationen aus den Wissenschaftsdisziplinen der Betriebswirtschaftslehre und der Wirtschaftsinformatik. Siehe z. B. Sieber (1998a); Faisst (1998); Wagner (1999); Fischer (2001); KOszegi (2001); Garrecht (2002); Reiss (2002); Jurk (2003); Tjaden (2003); Zimmermann (2003); Pieles (2004); Ringle (2004); JSger (2004). Exemplarisch seien hier die Untersuchungen von Kraut et al. (1999); Scholz (2000b); Benz (2003b) und Albers et al. (2003) genannt. Siehe z. B. die Arbeiten von Reiss (2002) und Jurk (2003). Siehe insbesondere die Arbeiten von Tjaden (2003) und Ringle (2004). Siehe hierzu die Arbeiten von Sieber (1998a); Faisst (1998); Kraut et al. (1999); Reiss (2002); Benz (2003b). Siehe hierzu die Arbeiten von KOszegi (2001); Zimmermann (2003) und femer auch die Diplomarbeit von H<)lsch (2000). 325
Z. B. die Uberwindung von rSumlichen und zeitlichen Barrieren und/oder die Erm5glichung kostengunstiger und schneller Kommunikation. Gemeint sind die Arbeiten von Tjaden (2003); Ringle (2004); Sieber (1998a); Faisst (1998); Kraut et al. (1999); Reiss (2002); Benz (2003b); KOszegi (2001); Zimmermann (2003).
66
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
einzelne Koordinationsinstrumente bezogene Beitrage. Im Folgenden werden diese Beitrage im Uberblick dargestellt. Sieber (1998a) fUhrt z. B. anhand von virtuellen Untemehmen der IT-Branche aus, dass intemetbasierte Informations- und Kommunikationstechnologien, z. B. E-Mail und Groupware,^^^ einen wichtigen Beitrag zur Deckung der Kommunikationsbediirfnisse in virtuellen Untemehmen leisten.^^* Die Koordination komplexer Aufgaben und Prozesse kOnne jedoch nicht allein unter Verwendung einer aufwSndigen intemetbasierten Kooperationsplattform erfolgen, sondem erfordere eine Kommunikation unter den Kooperationspartnem von Angesicht zu Angesicht.^^^ Zu einem ahnlichen Ergebnis kommt auch die empirische Untersuchung von Kraut et al. (1999), in der die Rolle von elektronischen Netzwerken"^ und pers5nlichen Beziehungen in virtuellen Unternehmen analysiert wurde. Hierbei haben die Autoren festgestellt, „how unimportant computer-to-computer networking seemed to be in coordinating production."^^^ Hinsichtlich der interorganisationalen Koordination konnte festgestellt werden, dass auf der Grundlage pers5nlicher Beziehungen deutlich bessere Ergebnisse erzielt wurden als auf der Basis elektronischer Netzwerke. Dabei konnte ein positiver Zusammenhang zwischen der Nutzung elektronischer Netzwerke und persOnlicher Beziehungen bei der interorganisationalen Koordination nachgewiesen werden.^^^ Die Autoren sind hierbei der Auffassung, dass beide Kategorien in einem komplementSren Zusammenhang stehen und sich nicht gegenseitig substituieren: „It may be that the very act of putting in and working with electronic networks causes a greater need for personal coordination. Alternatively, preexisting personal relationships used for organizational coordination may also help firms to coordinate electronically."^" Bei der Betrachtung der empirischen Ergebnisse der Arbeit von Kraut et al. (1999) muss jedoch berUcksichtigt werden, dass die Datenerhebung bereits 1995 durchgefUhrt
327 328 329 330
331 332 333
Siehe hierzu ausfuhrlich auch Abschnitt 5.2.4.3 der vorliegenden Arbeit. Siehe z. B. Sieber (1998a), S. 267. Vgi. Sieber (1998a), S. 266. Den Begrifif Computer-Netzwerke verwenden die Autoren sehr weit und meinen damit jegliche Computer- oder Datennetzwerke, die es den Untemehmen erlauben, Informationen zwischen den Computem auszutauschen. Vgl. Kraut et al. (1999), S. 725. Vgl. Kraut etal. (1999), S. 723. Vgl. Kraut etal. (1999), S. 736. Vgl. Kraut et al. (1999), S. 736.
Stand der Forschung
67
wurde.^^"* Aufgrund des rasanten technischen Fortschritts in den vergangenen 10 Jahren k5nnen die Befunde hinsichtlich der Verwendung von elektronischen Netzwerken sicherlich nicht mehr unuberprilft auf die gegenwSrtige Situation in virtuellen Untemehmen Ubertragen werden."^ Auch Faisst (1998) widmet sich den M5glichkeiten von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Untersttitzung des Kooperationsmanagements in virtuellen Untemehmen. In Abhangigkeit von den unterschiedlichen Projektphasen ordnet er unterschiedliche Informations- und Kommunikationstechnologien zur Untersttitzung der Managementprozesse zu. In der Anbahnungsphase eignen sich z. B. interne Partner-Datenbanken, elektronische Gelbe Seiten und Untemehmensprasentationen. In der Vereinbarungsphase kOnnen unterschiedliche Organisationstools wie Programme zur Untersttitzung der Vertragskonfiguration oder Kalkulationsprogramme verwendet werden. Ftihrungsinformationssysteme und Systeme zur Auftragsabwicklung und zwischenbetrieblichen Leistungsverrechnung k^nnen in der DurchfUhrungsphase zum Einsatz kommen. In der Aufldsungsphase eignen sich Erfahrungs- und Know-howDatenbanken, um aufgetretene Probleme zu analysieren und Lemprozesse zu untersttitzen. Benz (2003b) geht der Frage nach, inwieweit ein Muhimedia-Briefmg^^^ eine Alternative zu einer ersten projekteinleitenden Besprechung unter den beteiligten Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens darstellt. Hierbei wird gezeigt, dass eine technische Realisation eines Multimedia-Briefings durchaus mOglich ist und den Vorteil hat, dass insbesondere weit entfemte Kooperationspartner auf eine kosten- und zeitaufwSndige An- und Abreise zu einer Projektbesprechung verzichten kOnnen. Dem steht jedoch ein erheblicher Kosten- und v. a. Zeitaufwand bei der Erstellung eines
"^ Vgl. Kraut et al. (1999), S. 722. ^^^ Zudem wurden ausschlieBlich GroBuntemehmen betrachtet: „...we conducted interviews in 14 large companies in four industries - apparel manufacturing, pharmaceuticals, magazine publishing, and advertising - where we thought virtual organizations were common" Vgl. Kraut et al. (1999), S. 722. ^^^ Hierunter ist eine computergestiitzte Foto- und VideoprSsentation zu verstehen, in dem der Kunde seine WUnsche und Vorstellungen bezUglich seiner gewtinschten Dienstleistung darstellt und verdeutlicht. Neben beschreibenden und erklarenden Videosequenzen sind Fotos und graphische Animationen Bestandteile eines Multimedia-Briefings.
68
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
Multimedia-Briefings gegenuber,^^^ sodass dadurch die Effizienz dieser technischen LOsung in Frage gestellt werden muss. Das Vertrauen unter den Kooperationspartnem virtueller Untemehmen wird von Fischer (2001) als wichtigste Voraussetzung fiir die Herausbildung von Selbstorganisationsprozessen hervorgehoben und in der empirischen Untersuchung von Tjaden (2003) als wesentlicher Erfolgsfaktor identifiziert. Auf der Grundlage von Vertrauen bzw. einer Vertrauenskultur kOnnten nach Scholz (2000b) komplexe rechtliche Vereinbarungen teilweise ersetzt werden. Der Vertrauensbildungsprozess werde, so K5szegi (2001), von situativen Faktoren wie Gewinnanreizen, einem vergleichsweise geringen Transaktionskostenrisiko, der Transaktionsh^ufigkeit sowie von bisherigen positiven Erfahrungen und personenbezogenen Charakteristika wie Risikofreude und hohe Kooperationsmotivation positiv beeinflusst. Bei der Betrachtung der empirischen Ergebnisse dieser Arbeit muss jedoch berucksichtigt werden, dass sie nicht auf Beispielen virtueller Untemehmen basieren, sondem auf einer Experimentalgruppe von Studenten. Eine Ubertragbarkeit der Ergebnisse des Experiments auf virtuelle Unternehmen ist daher - wie auch KOszegi (2001) selbst deutlich macht"^ - wenn tiberhaupt nur mit groBer Vorsicht m6glich.^^^ Neben den Informations- und Kommunikationstechnologien und dem Vertrauen wurde bisher die strategische Planung in virtuellen Untemehmen in der theoretisch ausgelegten Arbeit von Pieles (2004) naher analysiert. In diesem Zusammenhang wurde die Notwendigkeit eines fokalen Untemehmens flir die Koordination eines virtuellen Untemehmens postuliert.^'^^ In Bezug auf die hier bisher genannten Arbeiten kann festgehalten werden, dass der Gesamtkomplex der Koordination bzw. die Analyse von Koordinationsinstmmenten nicht im Zentmm der Untersuchungen stand. Vielmehr wurden bisher nur auf einzelne Koordinationsinstrumente mit unterschiedlicher Intensitat Bezug genommen. Dagegen
^^^ So solle der Aufwand allein fiir das Vorbereiten, Aufzeichnen und Auswerten von 9 Stunden Videomaterial sowie der Schnitt und die Konvertierung von 10 Einzelfilmen mit insgesamt 22 Minuten Laufzeit mehr als 200 Arbeitsstunden betragen haben. Vgl. Benz (2003b), S. 124. "^ Vgl. KOszegi (2001), S. 144. ^^^ Die Griinde sind darin zu sehen, dass die Probanden einerseits eine relativ homogene Gruppe darstellten und andererseits die kurze Dauer des Experiments von zwei Stunden die Aussagekraft der gewonnenen Ergebnisse einschrankt, da der Vertrauensbildungsprozess zwischen den Kooperationspartnem virtueller Untemehmen haufig mehrere Jahre in Anspmch nimmt. Zum Aufbau von Vertrauen in virtuellen Untemehmen siehe auch die Arbeit von Zimmermann (2003). '^''^ Vgl. Pieles (2004), S. 152 f
Stand der Forschung
69
leistet die tendenziell eher praktikerorientierte Untersuchung von Albers et al. (2003) fiir die vorliegende Arbeit den grOBten Beitrag. Aufbauend auf der Fallstudienarbeit von Teichmann/Borchardt (2003), in der 10 Praxisbeispiele virtueller Untemehmen hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstrumenten betrachtet wurden,^"*^ bieten Albers et al. (2003) einen ersten Uberblick Ober die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen. Ausgehend von der o. g. Typologie von Leavitt (1964)^"*^ zeigt die Analyse der 10 Praxisbeispiele, dass in Kooperationen, in denen die Merkmale virtueller Untemehmen nur gering ausgepragt sind, v. a. strukturelle und sachliche Koordinationsinstmmente verwendet werden. Dagegen lassen sich bei Untemehmensbeispielen, die dem Idealtypus eines virtuellen Untemehmens recht nahe kommen, keine klaren Tendenzen bezUglich der Verwendung von Koordinationsinstmmenten erkennen. Vielmehr mOssten hierbei weitere Kontextfaktoren in Betracht gezogen werden, mit denen die Auswahl der Koordinationsinstmmente begrundet werden kann.^"*^ Aufbauend auf einer Typologie virtueller Untemehmen kommen Albers et al. (2003) zum Ergebnis, dass der Erfolgsfaktor virtueller Untemehmen in einer typspezifischen Koordination besteht, bei der mehrere Koordinationsinstmmente gleichzeitig verwendet werden.^"*"* Die Betrachtung einzelner Koordinationsinstmmente bietet einen ersten geeigneten Uberblick, bleibt jedoch z.B. hinsichtlich der Koordinationsfunktionen der einzelnen Instrumente erganzungswUrdig. Obwohl sich seit der Phase emeuten Aufschwungs und der kritischen Reflexion des Konzepts des virtuellen Untemehmens eine herrschende Meinung bezUglich der wesentlichen Merkmale eines virtuellen Untemehmens in der wissenschaftlichen Diskussion herauskristallisiert hat,^"*^ fmden sich selbst in aktuellen Dissertationen z. T. noch erhebliche konzeptuelle Unterschiede. In der Dissertation von JSger (2004) wird das „virtuelle Dienstleistungsuntemehmen" von der herrschenden Meinung, welcher die vorliegende Arbeit folgt,^"^^ stark abweichend konzeptualisiert.^"*^ Dies wird
341
Siehe Teichmann/Borchardt (2003), S. 61 ff.
342
Siehe Abschnitt 2.2.2.
343
Vgl. Albers et al. (2003), S. 37 ff.
344
Vgl. Albers etal. (2003), S. 55.
345
Siehe die Ausftlhrungen in Abschnitt 2.1.2 der vorliegenden Arbeit.
346
Siehe hierzu die Ausftlhrungen in Abschnitt 2.1.2 dieser Arbeit.
347
Die Abweichungen werden v. a. in folgenden Punkten deutlich: 1) keine Beschrftnkung auf kleine und mittelstandische Untemehmen; 2) keine Kemkompetenzfokussierung; 3) das „virtuelle Dienstleistungsuntemehmen" tritt gegeniiber dem Kunden nicht als einheitliches Untemehmen auf, stattdessen werde der Kunde „quasi von Untemehmung zu Untemehmung „weitergereicht"".
70
Konzeptuelle Grundlagen und Stand der Forschung
insbesondere durch die Auswahl der Fallbeispiele bei JSger (2004) deutlich.^"^^ Aufgrund dieser erheblichen konzeptuellen Unterschiede ist eine Ubertragung der dort gewonnenen Ergebnisse^"*^ in die vorliegende Arbeit nicht zulSssig. Gravierende Mangel in der Konzeptualisierung des virtuellen Untemehmens weist dagegen die Arbeit von Garrecht (2002) auf.^^° Daraus ergeben sich weit reichende Konsequenzen fiir die Abgrenzung virtueller Untemehmen von anderen netzwerkartigen Kooperationsformen, die Operationalisierung des Konzepts und die Auswahl von Untemehmensbeispielen^^^ sowie die Formulierung der Fragen der standardisierten
Vgl. Jager (2004), S. 90; 4) der weitgehende Verzicht auf die Institutionalisierung zentraler Managementfunktionen wird nicht postuliert. Siehe Jager (2004), S. 37 ff. Die Bezeichnung „virtuelles Dienstleistungsuntemehmen" erscheint daher irrefUhrend. Auch der haufige Wechsel der Begriffe „Dienstleistungsnetzwerk" und „virtuelles Dienstleistungsuntemehmen" ohne inhaltliche Abgrenzungen deuten auf konzeptuelle Inkonsistenzen hin. Siehe z. B. die Ausfiihrungen bei Jager (2004), S. 84 ff. In der Ergebnisdarstellung wird dagegen hauptsachlich von hierarchischen und heterarchischen Dienstleistungsnetzwerken gesprochen. Siehe Jager (2004), S. 281 fif. 348
Die drei dort angefUhrten Fallbeispiele sind der Flughafen Zurich, und zwei alpine touristische Feriengebiete in der Schweiz („Destination Samnaun" und „Destination Arosa"). So flihrt Jager (2004), S. 167 f zu seiner Fallstudienauswahl aus: „In touristischen Destinationen werden die einzelnen Leistungen (Ubemachtung, Verpflegung, Freizeitaktivitat etc.) von unterschiedlichen Leistungsanbietem (Hotels, Restaurants, Skischulen etc.) erbracht. Damit kOnnen Destinationen als eine Art Idealmodell einer virtuellen Dienstleistungsuntemehmung (...) bezeichnet werden, welche basierend auf gemeinsamen Ressourcen wie einem Stammgastepotential, einer Marke, einem Image oder den Kapitalien der natilrlichen und gesellschaftlichen Umwelt (...) das Dienstleistungsprodukt „Ferien" erbringen." Siehe neben der Skizzierung in Tabelle 26 auch die ErgebnisUbersicht bei Jager (2004) auf S. 278-286. Die Obersicht mOglicher Koordinationsinstrumente, die Jager (2004) vorschlagt, lasst Uberdies deutliche Lucken erkennen. So bleiben z. B. Plane, Programme, Ziele, Budgets, soziale Rollen und Regeln in seiner Darstellung unberUcksichtigt. Siehe Jager (2004), S. 60. Dagegen wird die „zentrale Weisung" als Koordinationsinstrument beriicksichtigt, die jedoch aufgrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Selbstandigkeit der Kooperationspartner in virtuellen Untemehmen weitgehend ausgeschlossen ist. Das auf S. 60 von Jager angefiihrte Koordinationsinstmment „Untemehmenskultur" fmdet jedoch weder in der Einzelbetrachtung der Fallstudien noch in der Ergebnisdarstellung BerUcksichtigung. Diese werden u. a. durch die bei Garrecht (2002), S. 56 zugrunde gelegte Arbeitsdefmition deutlich: „Ein Virtuelles Untemehmen ist eine auf die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zielende Organisationsform, in der Untemehmen, Teile von Untemehmen oder einzelne Spezialisten hauptsachlich verbunden durch Informations- und Kommunikationstechnologien, kooperieren, um ein gemeinsames spezifisches wirtschaftliches Ziel zu erreichen." Im Vergleich zur herrschenden Meinung der Literatur bleiben dabei folgende konstitutive Merkmale virtueller Untemehmen auBer Acht: das latente Netzwerk als Basis eines virtuellen Untemehmens, der Fokus auf kleine und mittelstandische Untemehmen, die Kerakompetenzorientiemng, einheitliches Auftreten des virtuellen Untemehmens gegenUber dem Kunden, der weitgehende Verzicht auf die Institutionalisiemng zentraler Managementfunktionen. Auch das von Garrecht im Anschluss angefiihrte Idealbild eines virtuellen Untemehmens kommt der herrschenden Meinung der Literatur nicht naher.
351
Als Untersuchungsgmndlage wahlt der Autor „B5rsenaspiranten" (vgl. Garrecht (2002), S. 154) der Jahre 1998 und 1999, d. h. relativ junge und technologieorientierte Untemehmen, die am
Stand der Forschung
71
Befragung und die Gtite des Fragebogens.^^^ Aufgrund der erheblichen Mangel, welche die hier genannte Arbeit aufweist, muss auf eine Berucksichtigung der in der Datenanalyse gewonnenen Ergebnisse^" verzichtet werden. In der vorliegenden Arbeit werden deshalb nur sehr eingeschrSnkt auf die Arbeiten von Jager (2004) und Garrecht (2002) Bezug genommen. Auf der Grundiage der eingehenden Literaturdurchsicht lasst sich zusammenfassend festhalten, dass die Fragen zur Koordination bzw. zur Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen noch keineswegs geklart sind^^"^ und die diesbeztigliche Forschung erst am Anfang steht. Vieifach wird deutlich, dass die empirischen Grundlagen der Untersuchungen einen Mangel an Beispielen virtueller Untemehmen aufweisen. Erst mit der Zunahme der Anzahl von Untemehmensbeispielen in den vergangenen fllnf Jahren gewinnen die Untersuchungen zum Konzept des virtuellen Untemehmens eine breitere empirische Basis. Eine empirische Untersuchung, in der die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Unternehmen anhand einer grOBeren Anzahl an Untemehmensbeispielen umfassend analysiert und in einem Gesamtzusammenhang betrachtet wird, existiert bisher nicht.
Neuen Markt notiert wurden, aus. Das Problem besteht hierbei, wie nachgewiesen werden kann, dass diese Untemehmen tats&chhch als virtuelle Untemehmen organisiert sind. Eine Antwort auf diese Frage gibt Garrecht leider nicht. Damit liegt der Verdacht nahe, dass in erster Linie nicht virtuelle Untemehmen, sondem lediglich kleine und mittelstandische bOrsennotierte Technologieuntemehmen untersucht wurden, die mOglicherweise nur geringe Ahnlichkeiten mit virtuellen Untemehmen aufweisen. Siehe hierzu Garrecht (2002), S. 243 ff. Auch die dort verwendete Einstiegsfrage, in der nach dem Selbstbild gefragt wird, d. h. inwieweit der Proband („auch ohne sich mit dem Thema intensiv auseinander gesetzt zu haben") sein eigenes Untemehmen als ein „virtuelles Untemehmen" bezeichnet, deutet auf einen Mangel an inhaltlicher Stringenz hin: Wie soil ein Proband etwas beurteilen, von dem er mOglicherweise noch keinen Einblick gewonnen hat? Auf methodische Mangel, die z. B. in der Provoziemng eines Halo-Effekts mit dieser Einstiegsfrage zu sehen sind, soil hier jedoch nicht weiter eingegangen werden. 353
Die auf Mittelwertsberechnungen und einzelnen Korrelationsanalysen basierende Ergebnisdarstellung (der Fragebogen umfasste lediglich 17 Fragen) bleiben zudem sehr unspezifisch bzw. global. Siehe hierzu die Ausfuhrungen zum Fazit der Untersuchung bei Garrecht (2002), S. 197-200, insbesondere S. 200. Vgl. Wall (2000a), S. 138.
3 Theoretische Ansfitze zur ErklSrung des Koordinationsinstnimenteneinsatzes in virtuellen Unternehmen Nachdem im vorausgegangenen Kapitel mit den Ausfiihrungen zum Konzept des virtuellen Untemehmens und zur Koordination sowie einer Typologie von Koordinationsinstrumenten die beiden ersten Forschungsfragen der vorliegenden Untersuchung beantwortet wurden,^^^ konzentrieren sich die folgenden Ausfiihrungen auf die theoretische Fundierung der vorliegenden Arbeit. Wahrend eine theoretische Fundierung in einer quantitativ-konfirmativen Untersuchung eine vorteilhafte Voraussetzung fiir die Ableitung von Forschungshypothesen ist, erscheint sie auch in einer qualitativexplorativen Untersuchung - wie der vorliegenden - sinnvoll, in der komplexe, weitgehend unerschlossene PhSnomene untersucht werden.^^^ In erster Linie werden Theorien oder TheorieansStze hierbei jedoch nicht zur Hypothesenableitung verwendet, sondem dienen v. a. als heuristischer Bezugsrahmen zur systematischen Annaherung an den Untersuchungsgegenstand und zur Sensibilisierung flir bestimmte Facetten des zu untersuchenden Phanomens.^" Die Theorieauswahl wird geleitet durch die Frage, welche Theorie oder welcher theoretische Ansatz einen Erkiarungsbeitrag zur Beantwortung der in dieser Arbeit verfolgten Fragestellungen der Koordination resp. der Auswahl von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Unternehmen leisten kann.^^^ In der Organisationstheorie besteht jedoch, wie in fast alien Bereichen der Sozialwissenschaften, gegenwartig folgendes Defizit: „Given the efficiency gains of specialization, the fundamental task of organization is to coordinate the efforts of many specialists. Although widely addressed, organization theory lacks a rigorous integrated, well-developed and widely agreed theory of coordination".^^^ Da es scheinbar keine Organisations- oder Managementtheorie gibt, die als alleinige Grundlage zur theoretischen Fundierung herangezogen werden kann, mtissen mehrere Theorien bzw. Theorieansatze aus unterschiedlichen Disziplinen in eklektischer Manier herangezogen werden, die jeweils einen
^
Siehe hierzu auch Abschnitt 1.2 der vorliegenden Arbeit.
^^^ Vgl. Wrona(2005),S. 19 f ^^^ Vgl. Sieber (1998a), S. 4; Wrona (2005), S. 23. ^^^ Siehe auch Endruweit (2004), S. 89, der darauf hinweist, dass fiir die jeweils zu klarende Forschungsfrage derjenige theoretische Ansatz gewahlt werden miisse, der die grfiBte Erklarungskraft besitzt. ^^^ Vgl. Grant (1996a), S. 113.
74
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
Beitrag zur Auswahl von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen leisten. Der Vorteil einer multitheoretischen Vorgehens- oder Betrachtungsweise besteht darin, mehrere ErklSrungsans^tze heranzuziehen, mit denen das zu untersuchende Phanomen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden kann.^^° Bereits auf der Basis der AusfUhrungen zu den konzeptuellen Grundlagen in Kapitel 2 ergeben sich Implikationen fiir die Auswahl geeigneter Theorien. Die Austauschbeziehungen bzw. die Koordination in virtuellen Untemehmen wurden dabei mit den Merkmalen Komplexitat, Dynamik und SpezifitSt charakterisiert.^^^ Zur Koordination von Austauschbeziehungen k5nnen dabei unterschiedliche, speziell auf die jeweiligen Koordinationsanforderungen
abgestimmte
Koordinationsinstrumente
verwendet
werden. Da die WettbewerbsfUhigkeit eines virtuellen Untemehmens u. a. von den Kosten der Koordination abhangt, erscheint die Auswahl von Koordinationsinstrumenten unter Berilcksichtigung der durch ihre Verwendung entstehenden Kosten sinnvoll. Als eine Theoriegrundlage bietet sich hierbei der Transaktionskostenansatz als bedeutendste und alteste Variante der Neuen InstitutionenOkonomie an, mit dem eine kostenorientierte Perspektive mOglich ist. Als zweite Theoriegrundlage bietet sich der sozialwissenschaftliche Selbstorganisationsansatz als Modell der neueren Systemtheorie an. Dieser Ansatz stellt auf die Frage ab, inwieweit eine Selbstkoordination in sozialen Systemen mOglich ist, wenn eine Fremdkoordination aufgrund der Komplexitat der Austauschbeziehungen Uberfordert ist. Auf der Grundlage des Selbstorganisationsansatzes ist damit eine Betrachtung aus der Perspektive der Komplexitatsbewaitigung mCglich. Mit der Koordinationstheorie als dritter Theoriegrundlage kann auf die Merkmale der Dynamik und Spezifitat virtueller Untemehmen Bezug genommen werden. Sie ermOglicht eine analytische Betrachtung der Koordinationsprozesse in arbeitsteiligen Systemen und bietet Vorschlage zur Auswahl von Koordinationsinstmmenten an. Insofem kann sie als konkreteste Theoriegmndlage dieser Arbeit betrachtet werden, die eine prozessorientierte Perspektive der Koordination erlaubt.
360
Zur Bedeutung des sog. „multitheoretischen Vorgehens" siehe z. B. Sydow (1992a) S. 127 ff. und S. 167 f; Scherer (2002), S. 2 f.; Balling (1997), S. 63. Ahnlich auch Yin (2003), S. 99, der in diesem Zusammenhang von „theory triangulation" spricht.
361
Vgl. hierzu die AusfUhrungen in Abschnitt 2.2.3.
Transaktionskostenansatz
75
Alle drei Theorien bzw. theoretischen Ansatze^^^ setzten sich explizit mit der Frage der Koordination in Organisationen auseinander. Mit der Auswahl dieser drei TheoriegebSude wird in diesem Forschungsfeld eine der Sltesten AnsStze (Transaktionskostenansatz), eine der komplexesten Ansatze (Selbstorganisationsansatz) und eine der konkretesten Ansatze (Koordinationstheorie) berucksichtigt, die im Hinblick auf ihren Erklarungsbeitrag zur Auswahl und Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen untersucht werden. DarUber hinaus ware hier auch eine Betrachtung weiterer Theorien denkbar, wie z. B. der strukturell-funktionalen Theorie, der Kontingenztheorie oder der Principal-Agent-Theorie. Da sich diese Theorien jedoch in erster Linie nicht auf das Koordinationsproblem in Organisationen beziehen,^" sind nur geringe theoretische Beitrage fUr die hier verfoigten Fragestellungen zu erwarten. Deshalb beschrankt sich die Auswahl auf die drei o. g. Theorieansatze. AbschlieBend erfolgen ein Theorievergleich, in dem die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der hier ausgewahlten Theorieansatze im Hinblick auf ihre Erkiarungspotenziale skizziert werden, und die Darstellung des in dieser Arbeit verfoigten Ansatzes.
362
In der vorliegenden Arbeit werden die Bezeichnungen „TransaktionskostenaA?5a/r" und „Selbstorganisationsa/ii'a/z" verwendet, urn zu verdeutlichen, dass diese Sinnsysteme sich noch in der Entwicklungsphase befinden. So halten z. B. Weik/Lang (2003), S. 246 in Bezug auf letzteren Ansatz fest, dass man trotz zahlreicher Bemtihungen „von einer einheitlichen Theorie der Selbstorganisation noch weit entfemt ist." Siehe hierzu auch Wolf (1997), S. 630. Gleiches muss auch ftir die hier genannte noch junge „Koordinationstheorie" konstatiert werden, die eher einen Theorieansatz darstellt. So befasst sich z. B. die strukturell-funktionale Theorie von Talcott Parsons mit dem Phanomen des organisationalen Wandels durch Dififerenzierung und der Entwicklung von Subsystemen sowie deren funktionalen Beitrag zur Erhaltung des Systems. Siehe hierzu z. B. Endruweit (2004), S. 67 ff.; Morel et al. (2001), S. 147 ff. Mit der Kontingenztheorie ist dagegen eine Betrachtung der Anpassung von Organisationen an die Veranderungen ihrer Umweh mOglich. Siehe hierzu z. B. Kieser (2002), S. 169 ff. Die Prinzipal Agency-Theorie fokussiert auf Probleme bzw. Gestaltungsfragen, die in Vertragsbeziehungen zwischen einem Auftraggeber (dem Prinzipal) und einem Auftragsnehmer (dem Agenten) entstehen. Siehe hierzu z. B. Kieser (2002), S. 209 ff; Wolf (2005), S. 276 ff.
76 3.1
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes Transaktionskostenansatz
3. L J Einordnung und Grundaussagen des Transaktionskostenansatzes Der Transaktionskostenansatz, der auf der Arbeit von Coase (1937) aufbaut und insbesondere durch Williamson (1975)^^ und Teece (1984) weiterentwickelt wurde, zielt auf die Fragestellung ab, unter welchen institutionellen Rahmenbedingungen (Koordinationsformen)
bestimmte wirtschaftliche
Transaktionen
vergleichsweise
effizient abgewickelt und organisiert werden k5nnen.^^^ Im Rahmen des Transaktionskostenansatzes wird zwischen den reinen Koordinationsformen Markt und Hierarchie, die als Extrempunkte eines Kontinuums mOglicher Koordinationsformen betrachtet werden, sowie den zwischen ihnen befmdlichen AusprSgungen hybrider Koordinationsformen (z. B. Kooperationen bzw. Untemehmensnetzwerke) unterschieden.^^^ Den Ausgangspunkt des Transaktionskostenansatzes bilden dabei die Austauschbeziehungen zwischen spezialisierten Akteuren eines arbeitsteilig organisierten Unternehmens sowie die zwischen ihnen erfolgende Ubertragung von Verfiigungsrechten im Rahmen von VertrSgen.^^^ Zentraler Betrachtungsgegenstand sind die im Rahmen der Austauschbeziehungen anfallenden Transaktionskosten, die aufgefasst werden kOnnen als „... Kosten der Information und Kommunikation, die fUr die Vereinbarung und Kontrolle eines als gerecht empfundenen Leistungsaustausches zwischen Aufgabentragem entstehen".^^^ Durch die Fokussierung auf Transaktionen und Transaktionskosten stellt der Transaktionskostenansatz auf das Phanomen der Koordination arbeitsteiliger Handlungen ab.^^^
364
366
Siehe auch Williamson/Ouchi (1981) und Williamson (1985). Vgl. Ebers/Gotsch (1999), S. 225. Zur grundlegenden Differenzierung der Koordinationsformen Markt, Hierarchie und Netzwerke als hybride Formen siehe z. B. Sydow (1992a), S. 98 ff.; Siebert (2006), S. 9; Semlinger (2003b), S. 43; Fleisch (2001), S. 71 ff.; Balling (1997), S. 56. Durch den Vergleich dieser Koordinationsformen stellt der Transaktionskostenansatz einen komparatistischen Ansatz dar. Vgl. Williamson (1996), S. 136. Der Begriff „Verfilgungsrechte" geht auf den Property-Rights-Ansatz zuriick, der neben dem Principal-Agent und dem transaktionskostenansatz ein Theoriestrang der neuen InstitutionenOkonomie darstellt. Im Property-Rights-Ansatz besitzt ein Gut nicht nur einen physikalischen Wert, sondem ist zudem mit Handlungs- und Verfiigungsrechten behaftet, die unter den Akteuren durch Vertrage geregelt werden. Vgl. Picot et al. (2005), S.46 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Picot (2005), S. 53. Siehe auch Milgrom/Roberts (1992), S. 29, die Transaktionskosten auffassen als „[...] the costs of running the system: the cost of coordinating and of motivating". Vgl. Wolf (2005), S. 267.
Transaktionskostenansatz
77
Transaktionskosten, die hSufig auch synonym als Koordinationskosten bezeichnet werden^^°, entstehen dabei vor, wahrend und nach Vertragsabschluss.^^^ In der wissenschaftlichen Diskussion hat sich hierbei die Unterteiiung in (1) Anbahnungskosten (z. B. Kosten der Informationsbeschaffung), (2) Vereinbarungskosten (z. B. Kosten der Vertragsverhandlung), (3) Abwicklungskosten (z. B. Kosten der Durchsetzung der Vereinbarungen), (4) Kontrollkosten (z. B. Kosten der Qualitatssicherung) und (5) Anpassungskosten (Kosten zur Durchsetzung von PreisSnderungen) durchgesetzt.^^^ Die
H(3he der Transaktionskosten richtet sich dabei nach dem Informations- und
Kommunikationsaufwand, der bei der Durchftihrung einer Transaktion zwischen zwei Akteuren entsteht, dem Verhalten der Akteure und den jeweiligen situativen Bedingungen, unter denen eine bestimmte Transaktion durchgeftihrt wird.^^^ Die EinflussgrGfien der Transaktionskosten kOnnen mit Hilfe des in Abbildung 4 dargestellten organizational failure frameworks von Williamson (1975) systematisiert werden: Der Transaktionskostenansatz geht im Wesentlichen von zwei Verhaltensannahmen aus: dem Opportunismus und der begrenzten Rationalitat der Akteure.^^"* Der Opportunismus ist nach Williamson (1985) aufzufassen als die Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List, Ltigen, Stehlen und Betriigen.^^^ Die begrenzte Rationalitat der Akteure ist u.a auf ihre eingeschrankten Informationsverarbeitungskapazitaten unter der Bedingung eines begrenzten Zeitraumes der Informationsverarbeitung zurtlckzufiihren. Die Akteure kOnnen deshalb nur begrenzt Informationen im Rahmen einer Transaktion beriicksichtigten.
Vgl. Specht/Kahmann (2000), S. 92; Blecker (1999), S. 127; Rupprecht-Daullary (1994), S.127; Picot (1982), S. 270; Jost (2000), S. 185. Im Folgenden wird jedoch ausschlieBlich der Begriff "Transaktionskosten" verwendet. 371
Vgl.Picot(1991),S.344. Vgl. GOtze/Mikus (1999), S. 217 f.;Picot et al. (2005), S. 57; Picot (1993), Sp. 4195 f; Sydow (1992a), S. 130.
373
Vgl. Liebhart (2002), S. 79. Siehe hierzu auch Kieser (2002), S. 228 ff. Vgl. Williamson (1981), S. 553 ff; Williamson (1985), S. 44 fif. Auf die „Risikoneutralitat der Akteure" als dritte Verhaltensannahme des Transaktionskostenansatzes wird eher seltener eingegangen. Sie bezieht sich darauf, dass sich wirtschaftliche Akteure ausschlieBlich auf der Grundlage des Erwartungswerts von Handlungsaltemativen entscheiden. Vgl. Wolf (2005), S. 268. Vgl. Williamson (1985), S. 47.
78
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
Abbildung 4: EinflussgrCBen auf die Transaktionskosten
Verhaltensannahmen
Transaktionsatmosphare / Transaktionshaufigkeit
situative Umweltbedingungen
Informationsverkeilung
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Williamson (1975), S. 40. Die jeweiligen situativen Bedingungen von Transaktionen werden durch die vier von Williamson (1985) eingefUhrten Situationsvariablen „Unsicherheit", „Faktorspezifitat", „Transaktionshaufigkeit" und „Transaktionsatmosphare" beeinflusst.^^^ Die Variable „Unsicherheit" oder Komplexitat bezieht sich auf die Vorhersagbarkeit einer Transaktion, d. h. das Fehlen von Informationen sowohl hinsichtlich der gegenwartigen und zuktinftig erwarteten Gegebenheiten im Transaktionsfeld als auch hinsichtlich des Verhaltens des Transaktionspartners. Unsicherheiten im Rahmen einer Transaktion erh5hen die Komplexitat der jeweiligen Austauschprozesse.^^^ „Faktorspezifitat" umschreibt, ob die zur Erstellung des zu transferierenden Gutes erforderlichen Ressourcen oder Investitionen ausschlieBlich fiir eine Transaktion genutzt werden (hohe Faktorspezifitat) oder ob sie auch als Grundlage in anderen Transaktionen verwendet werden kSnnen (geringe Faktorspezifitat). Der Faktorspezifitat wird im Transaktions-
^^^ Vgl. Williamson (1985), S. 44 ff. ^^^ Vgl. Picot et al. (2005), S. 59. Der Komplexitatsgrad einer Transaktion richtet sich dann v. a. nach der Analysierbarkeit einer Aufgabe, d. h. wie gut sich anhand der ihr zugrundeliegenden UrsacheWirkungszusammenhange die erforderlichen Inputfaktoren fUr den gewtinschten Output bestimmen lassen.
Transaktionskostenansatz
79
kostenansatz die grOBte Bedeutung unter den Einflussfaktoren beigemessen.^^^ Im Vergleich zu den beiden bisher genannten Variablen nimmt die Variable „Transaktionshaufigkeit" dagegen einen eher nachrangigen Stellenwert ein.^^^ Sie bezieht sich darauf, wie oft sich eine bestimmte Transaktion innerhalb einer Transaktionsbeziehung zwischen zwei Partnem wiederholt. Zudem stellt die Variable „Transaktionsatmosphare" auf die sozialen und technologischen Kontextfaktoren ab, die einen Einfluss auf die Koordination einer Leistungsbeziehung bzw. die H6he der Transaktionskosten haben k5nnen. Hierunter kOnnen z. B. kulturelle Rahmenbedingungen wie z. B. eine Untemehmens- oder Vertrauenskultur aufgefasst werden sowie die Informations- und Kommunikationstechnologien, die die Interaktion der Transaktionspartner erleichtem und als Instrument zur Reduzierung von Koordinationskosten in koordinationsintensiven Strukturen betrachtet werden.^^^ Auf der Grundlage des organizational failure network iSsst sich ableiten, welche Koordinationsform in Hinblick auf die Transaktionskosten zu bevorzugen ist.^^^ Zentrales Kriterium ist dabei die Effizienz, welche die MaBgrOBe fllr die Wirtschaftlichkeit (Output/Input-Relation) bezeichnet^^^ und die im Transaktionskostenansatz im Transaktionskostenminimum angenommen wird:^^^ Im Hinblick auf durchzufiihrende Transaktionen bietet sich diejenige Koordinationsform an, bei der die geringsten Transaktionskosten verursacht werden.^^"* Williamson (1985) baut seine Argumentation dabei haupts^chlich auf den drei erstgenannten Situationsvariablen Unsicherheit, Faktorspezifitat und TransaktionshSufigkeit auf Demnach bietet sich in Transaktionen bei hoher Unsicherheit die Hierarchic als Koordinationsform an. Dieser Annahme liegt die Argumentation zugrunde, dass sich eine vertragliche Erfassung bei unsicheren und komplexen Leistungsbeziehungen aufgrund der begrenzten Rationalitat der Akteure schwierig gestaltet und Uber eine iSngerfristige hierarchische Einbindung transaktionskosteneffizienter regeln lasst. Bei Transaktionen mit hoher Vorhersagbarkeit und
378
Vgl. Picot (1991), S. 346 f; Picot (2005), S. 55.
379
Vgl. Picot (1991), S. 347; Picot (2005), S. 56; Williamson (1985), S. 60.
380
Vgl. Picot et al. (1996); Sydow (1992b), S.256 f; Wagner (1999), S. 169 ff.; Picot (2005), S. 64; Fleisch (2001), S. 65 ff; Appel/Behr (1996), S. 13 fif.
381
Vgl. Williamson (1991). Siehe auch Picot et al. (2003), S. 50 f; Wolf (2005), S. 269 ff.
382
Vgl. Scholz (1992), Sp. 533.
383
Vgl. Williamson (1985), S. 61, S. 90 ff., S. 141 ff; Picot (1993), Sp. 4196; MacharzinaAVolf (2005), S. 60; Picot et al. (2003), S. 49; Kieser (2002), S. 225. Vgl. Sydow (1992a), S. 130; Corsten/ReiB (1999), S. 247.
80
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
standardisierten Leistungen eignen sich hingegen eher marktliche Koordinationsformen. Bei hoher Faktorspezifitat ist der Wechsel der Transaktionspartner aufgrund der hohen transaktionsrelevanten Investitionen mit hohen Transaktionskosten verbunden. Dies ist darauf zurUckzuflihren, dass hochspezifische Leistungen in der Regel nur von wenigen Oder im Extremfall nur von einem Partner bezogen werden kOnnen. Mit diesem als „locking-in" bezeichneten Effekt^^^ ist eine Zunahme der gegenseitigen AbhSngigkeit der Akteure verbunden, womit sich die Gefahr des opportunistischen Verhaltens des Vertragspartners erhOht. In dieser Situation erscheint die untemehmensinteme Geschaftsabwicklung (Hierarchie) als geeignete Koordinationsform, da eine marktliche Geschaftsabwicklung nur unter der Voraussetzung aufwSndiger und damit transaktionskostentheoretischer KontrollmaBnahmen mOglich wSre. Bei steigender HSufigkeit bestimmter Transaktionen sind hierarchische Strukturen vorteilhaft, da bei einer hohen Wiederholungszahl bestimmter Transaktionen in marktlichen Transaktionen gleichartige Priifprozesse hSufig von unterschiedlichen Akteuren wiederholt werden mtlssten. Dies hat zur Folge, dass hohe Transaktionskosten anfallen wtirden. Gelegentliche Transaktionen werden dagegen eher marktlich abgewickelt, da eine untemehmensinteme Geschaftsabwicklung (Hierarchie) hohe spezifische Investitionskosten hervormfen wtirde. Zusammenfassend iSsst sich festhalten, dass der Nutzen des Transaktionskostenansatzes in seinem heuristischen Wert begriindet liegt.^*^ Auf dessen Grundlage kOnnen einzelne Tendenzaussagen zur Auswahl effizienter Koordinationsformen abgeleitet werden. So bietet sich die Hierarchie als Koordinationsform bei einem hohen Unsicherheitsgrad, hoher Faktorspezifitat und hohen TransaktionshSufigkeit an.^^^ Bei geringer Unsicherheit, niedriger Faktorspezifitat und geringer Transaktionshaufigkeit erscheint dagegen der Markt als Koordinationsform geeignet.^^^ AuBerdem existieren auf dem Kontinuum zwischen den Extrema Markt und Hierarchie unterschiedliche hybride Koordinationsformen. Zu ihnen werden Untemehmensnetzwerke gezahlt, die
^*^ Williamson bezeichnet diesen Efifekt auch als „lock-in". Vgl. Williamson (1985), S. 53. ^*^ Vgl. MacharzinaAVolf (2005), S. 62; Macharzina/DUrrfeld (2000), S. 51. ^" Vgl.MacharzinaAVolf(2005),S.61. ^^* Siehe auch Fleisch (2001), S. 64.
Transaktionskostenansatz
81
sowohl Elemente marktlicher als auch hierarchischer Koordinationsformen aufweiDer Transaktionskostenansatz hat eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung hervorgerufen und wird in der Betriebswirtschaftslehre v. a. in Bezug auf die „Make-or-buy"-Problematik, der Frage beztiglich der Optimierung der Leistungstiefe bzw. der optimalen BetriebsgrOBe und der Gestaltung von Kooperationen verwendet.^^^ In zunehmendem MaBe wird dieser Ansatz auch zur Untersuchung unterschiedlicher Aspekte in virtuellen Untemehmen herangezogen.^^' Inwieweit der Transaktionskostenansatz Erkenntnisse im Hinblick auf die Koordination in virtuellen Untemehmen liefem kann, soil nachfolgend diskutiert werden. 3.1.2 Beurteilung des Transaktionskostenansatzes als Erkldrungsbasis fur die Koordination in virtuellen Untemehmen Bei der Einordnung und Darstellung der Grundaussagen des Transaktionskostenansatzes sind bereits wichtige Vorteile, aber auch Nachteile offensichtlich geworden. Bevor der Transaktionskostenansatz hinsichtlich seines ErklSrungsgehalts fiir die Koordination in virtuellen Untemehmen betrachtet wird, erfolgt zunSchst eine allgemeine Beurteilung dieses Ansatzes. Der Transaktionskostenansatz wird von seinen AnhSngem nicht nur als theoretisches Erklamngsmodell ftir institutionelle Entwicklungen, sondem v. a. auch als pragmatisches und entscheidungsbezogenes Aussagesystem betrachtet.^^^ Hierbei wird insbesondere die universelle Anwendbarkeit und die logische Geschlossenheit des Theoriegebaudes hervorgehoben.^^^ Die universelle Anwendbarkeit des Transaktionskostenansatzes scheint jedoch in erster Linie nicht auf seine logische Stringenz, sondem vielmehr auf seine mangelnde Exaktheit zuruckfiihrbar zu sein, was einen wesentVgl. Kaluza 2001, S. 3; Williamson (1991), S. 280. Untemehmensnetzwerke werden aus transaktionskostentheoretischer Sicht haufig als eine effiziente Koordinationsform betrachtet (vgl, z. B. Kaluza 2001, a.a.O.), da z. B, im Gegensatz zu einem hierarchischen Konzem Koordinationskosten innerhalb des Netzwerks im Wesentlichen nur zwischen den beteiligten Netzwerkpartnem entstehen. Vgl. Wildemann (1997), S. 419. Vgl. Picot (1991); Picot et al. (2003); Witte (1991); Grote (1990); Liebhart (2002); Kieser (2002), S. 239fif.und die dort angegebene Literatur. Siehe z. B. Schrader (1996), S. 44 ff.; Scholz (2000a), S. 372 ff; Wagner (1999), S. 133 ff.; Garrecht (2002), S. 61 ff.; Fischer (2001), S. 137fif.;Pieles (2004), S. 13 ff. Vgl. Teece (1986), S. 40; Picot/Dietl (1990), S. 183. Vgl. Richter( 1990), S. 397.
82
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
lichen unter den zahlreichen, z. T. gravierenden Kritikpunkten dieses Ansatzes darstellt.^^"^ So lassen sich die Transaktionskosten weder prSzise quantifizieren noch lasst sich das Verhaltnis von Transaktionskosten zu anderen Kostenarten, wie z. B. den unberechtigterweise ausgeblendeten Produktionskosten, angeben.^^^ Damit ist das zentrale Konstrukt des Transaktionskostenansatzes forschungspraktisch kaum beherrschbar.^^^ Femer bieiben Machtaspekte und Konflikte unberUcksichtigt.^^^ Nach Picot (1993) komme es jedoch nicht darauf an, die HOhe der Kosten anzugeben, vielmehr reiche es aus, wenn „indirekt" festgestellt werden kann, welche Koordinationsformen unter den jeweiligen Transaktionsbedingungen die geringeren Transaktionskosten verursachen.^^^ Auf der Grundlage des Transaktionskostenansatzes sind deshalb letztlich nur Tendenzaussagen mOgiich.^^^ Virtuelle Untemehmen k5nnen als spezielle Formen von Untemehmensnetzwerken als hybride Koordinationsformen zwischen Markt und Hierarchie betrachtet werden/°° Dies lasst sich anhand der drei als wesentlich betrachteten Situationsvariablen „Unsicherheit", „Faktorspezifitat", „Transaktionshaufigkeit" verdeutlichen: In virtuellen Untemehmen ist aufgrund der dynamischen Umwelt, der sich rasch andemden Kundenanforderungen und der dadurch nur sehr eingeschrSnkten Standardisierbarkeit der Leistungserstellung von einem hohen Unsicherheitsgrad auszugehen. Zudem besteht eine hohe Transaktionshaufigkeit, wenn man - wie in dieser Arbeit angenommen wird - davon ausgeht, dass sich virtuelle Untemehmen auf der Gmndlage eines latenten Netzwerks bilden. Die Partner des latenten Netzwerks kooperieren so im Laufe der Zeit unter jeweils unterschiedlichen Partnerkonstellationen in mehreren virtuellen Untemehmen. Auf der Gmndlage des Transaktionskostenansatzes wtirde sich unter den Bedingungen einer hohen Unsicherheit und einer hohen Transaktionshaufigkeit eine hierarchische Koordination anbieten. Gegen eine hierarchische Koordination in virtuellen Untemehmen spricht jedoch die eher als gering einzuschatzende Faktor394
395
Zur ausfiihrlichen Darstellung der Kritik am Transaktionskostenansatz siehe z. B. Staber (2000), S. 227fif.;Sydow (1992a), S. 145 ff.; Balling (1997), S. 62; Wolf (2005), S. 272 ff. Die relative Bedeutung von Transaktionskosten fur die Wahl einer Koordinationsform kann letztlich nur empirisch beantwortet werden. Vgl. Sydow (1992a), S. 149. Unklar bleibt jedoch, wie sich diese Kosten tats&chlich erfassen lassen.
396
Vgl. Wolf (2005), S. 273.
397
Vgl. Perrow (1981), S. 381 f; Sydow (1992a), S. 157 ff.; Wolf (2005), S. 274.
398
Vgl. Picot (1993), Sp. 4196.
399
Vgl. Ebers/Gotsch (1999), S. 224.
400
Vgl. Fischer (2001), S. 137 f; Reiss (2002), S. 78; Linde (1997a), S. 85.
Transaktionskostenansatz
83
spezifitat, da sich die Kooperationspartner v. a. mit ihren Kemkompetenzen an der Leistungserstellung beteiligen. Werden spezielle (Kem-)Kompetenzen zur Abwicklung eines Projekts benOtigt, die ein einzelnes Untemehmen nicht aufweist, dann braucht dieses die fehlenden (Kem-)Kompetenzen nicht erst zeit- und kostenintensiv selbst entwickeln. Vielmehr werden die Partner des latenten Netzwerks mit einbezogen, die diese (Kem-)Kompetenzen aufweisen. Sollten auch die Partner des latenten Netzwerks nicht tiber die notwendigen (Kem-)Kompetenzen verfUgen, kOnnen diese durch die bedarfsorientierte Angliederung von Marktteilnehmem zugekauft werden. Kostenintensive einmalige bzw. Einzweckinvestitionen'^^' in Human- und Sachkapital kCnnen in virtuellen Untemehmen somit weitestgehend vermieden werden. Vor dem Hintergrund der Betrachtung der Situationsvariablen ist daher anzunehmen, dass die Koordination in virtuellen Untemehmen sowohl einen tendenziell hierarchischen als auch marktlichen Charakter aufweist. Die Komplexitat und Dynamik der Transaktionen in virtuellen Untemehmen"*^^ erweist sich jedoch als Koordinationsproblem, da mit zunehmender Unstrukturiertheit und Unsicherheit der Aufgaben auch die Verhaltensspielraume der Kooperationspartner und die Opportunismusgefahr steigen. Um opportunistisches Verhalten zu vermeiden, sind Uberwachungs- und Kontrollmafinahmen notwendig, die zu einen Anstieg von Transaktionskosten und zu Zeitverlusten durch die Entwicklung und Modifikation von VertrSgen fiihren. Mit zunehmender HSufigkeit vertraglicher Modifikationen steigen zudem die OpportunitStskosten, sodass ab einem gewissen Grad an Aufgabenkomplexitat und -dynamik von einem Organisationsversagen ausgegangen werden kann.'*^^ Damit limitiert die im Transaktionskostenansatz explizit unterstellte Verhaltensannahme des Opportunismus letztlich die Wirkung einer hierarchischen Koordination.'^^'^
Einzweckinvestitionen sind Investitionen, die lediglich zur Erfiillung einer einzigen Aufgabe getatigt werden. Dagegen kOnnen die Investitionen in Human- und Sachkapital bei Mehrzweckinvestitionen zur Erfullung mehrerer Aufgaben verwendet werden. Siehe hierzu auch MacharzinaAVolf (2005), S. 61. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.2.3. 403
Vgl. Ouchi (1980), S. 134 f; Sydow (1992a), S. 136; Wagner (1999), S. 136. Zu den Konsequenzen von Organisationsversagen siehe z. B. Buhner (1998), S. 813. Die Problematik des Organisationsversagens bezieht sich jedoch keinesfalls nur auf die Hierarchic als Koordinationsform, sondem kann ebenfalls auch bei hybriden Koordinationsformen auftreten. Siehe hierzu R661 (1996), S. 320 fif. Vgl. Wagner (1999), S. 136.
84
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
Auch wenn die Opportunismusannahme im jeweiligen Fall hinterfragt werden mtisste/^^ kann und sollte sie nicht ausgeschlossen werden/^^ Jedoch werden im Transaktionskostenansatz personenorientierte Koordinationsinstrumente, wie z. B. Selbstabstimmung, Vertrauen oder eine Untemehmens- bzw. Vertrauenskultur, die der Opportunismusgefahr entgegenwirken kSnnen, weitestgehend ausgeschlossen. Dies hat zur Folge, dass der dynamische Charakter der Koordination vemachlassigt wird/^^ Die Einbeziehung personenorientierter Koordinationsinstrumente ist in Anbetracht der komplexen Koordinationsaufgaben in virtuellen Untemehmen'*^^ jedoch evident. Vor dem Hintergrund einer auf Kosten fokussierten Betrachtung k5nnen sie einen wichtigen Beitrag zur Senkung des Koordinationsbedarfs und damit auch von Transaktionsund Opportunitatskosten leisten.'^^^ Erfolgt eine hierarchische Koordination, kOnnen zwar mOglicherweise Transaktionskosten reduziert werden, jedoch besteht bei einem weitgehenden Verzicht auf Selbstabstimmung, Vertrauen und eine Vertrauenskultur die Gefahr, dass das wettbewerbsrelevante Wissen der Kooperationspartner und Selbstorganisationspotenziale weitgehend ungenutzt bleiben. Dadurch kOnnen Opportunitatskosten entstehen, welche die eingesparten Transaktionskosten kompensieren oder sogar Ubersteigen kOnnen.'**^ Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass der Transaktionskostenansatz die Koordination arbeitsteiliger Aktivitaten aus einem Kosten fokussierenden Blickwinkel betrachtet. Die konzeptionelle Unscharfe dieses Ansatzes fiihrt jedoch dazu, dass sich die Zusammenhangsannahmen empirisch kaum analysieren lassen und nur grobe Tendenzaussagen abgeleitet werden k5nnen. In Bezug auf die Koordination in virtuellen Untemehmen bietet der Transaktionskostenansatz eher wenig Anhaltspunkte.
Insbesondere bei mittel- oder eher iangerfristigen Kooperationen, in denen kooperatives Verhalten auf der Grundlage eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses zu gegenseitigen Vorteilen fUhren kann, kann diese Verhaltensannahme hinterfragt werden. Vgl. Wolf (2005), S. 272, der darauf hinweist, dass eine Ausblendung der Opportunismusannahme sogleich die Kritik des Verzichts auf diese Annahme hervorrufen wtirde. Vgl. Hedlund (1994), S. 74; Klein (1996), S. 83; Uhr/Osterloh (1993), S. 122 f; Wolf (2005), S. 275. Aufbauend auf der Kritik der unterstellten Verhaltensannahme des Opportunismus bzw. der Vemachlassigung personenorientierter oder kultureller Steuerungsinstrumente wurden in der Literatur weitere Koordinationsformen entwickelt. So haben z. B. Ouchi (1980) die „ClanOrganisation" und Jarillo (1988) das „strategische Netzwerk" als weitere Koordinationsformen konzeptionalisiert. Vgl. Ouchi (1980), S. 130; Jarillo (1988), S. 32. Siehe hierzu die AusfUhrungen in Abschnitt 2.2.3. Vgl. Rupprecht-Daullary (1994), S. 51. Vgl. Wagner (1999), S. 138.
Transaktionskostenansatz
85
Zudem kann allein mit einer auf Kosten fokussierenden Betrachtung der Komplexitat des Untersuchungsgegenstandes nicht gerecht werden. Vertrauen, das ein wesentliches Merkmal virtueller Untemehmen ist, sowie weitere personenorientierte Koordinationsinstrumente wie Selbstabstimmung und eine Vertrauenskultur, denen in virtuellen Untemehmen groBe Aufmerksamkeit beigemessen werden/^ ^ bleiben bei einer transaktionskostentheoretischen Betrachtung weitestgehend ausgeschlossen/^^ Aufgrund des geringen Erkiarungswertes des hier betrachteten Ansatzes ist es notwendig, die theoretische Fundierung durch weitere AnsStze bzw. Theorien zu erg^nzen. Im Folgenden wird der Erklarungsbeitrag des Selbstorganisationsansatzes fiir die hier verfolgte Fragestellungen nSher diskutiert.
^^^ Siehe z. B. Gallivan (2001); Handy (1995); Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2001); KOszegi (2001); Zimmermann (2003). ^^^ Vgl. Wagner (1999), S. 139.
86
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
3.2 Selbstorganisationsaiisatz 3.2.1 Einordnung und Grundaussagen des Selbstorganisationsansatzes Der sozialwissenschaftliche Selbstorganisationsansatz knupft an das Gedankengut naturwissenschaftlicher Arbeiten an"*'^ und wurde im Bereich der neueren Systemtheorie insbesondere von Luhmann begrUndet/^"* Im Gegensatz zur betriebswirtschaftlichen Organisationslehre, die die Selbstorganisation als Desiderat der Fremdorganisation betrachtet, wird in der neueren Systemtheorie die Fremdorganisation als ein Desiderat der Selbstorganisation aufgefasst."^'^ Der Selbstorganisationsansatz bietet sich als theoretische bzw. heuristische Basis fur die vorliegende Arbeit dadurch an, da er erklaren will, wie Ordnung in sozialen Systemen entsteht und wie soziale Systeme in dynamischen Umwelten bestehen und koordiniert werden kOnnen/'^ Angesichts der zunehmenden Komplexitat sozialer Systeme wird immer hSufiger bezweifelt, dass eine Weiterentwicklung von Managementmethoden auf Basis der bisherigen Logik sinnvoll ist/'^ Ebenso wird das bisher in der Managementliteratur vorherrschende technomorphe Denken, das von einer prinzipiellen Organisier- und Koordinierbarkeit von Untemehmen ausgeht, durch neuere systemtheoretische und institutionalistische Ansatze angezweifelt/'^
Hier sind vor allem die Arbeiten von Haken (1984), Prigogine/Gregore (1987) und Eigen (1971) zu nennen. Siehe z. B. Luhmann (1985), der v. a. auf den Autopoiesisbegriff von MaturanaA^arela (1972) Bezug nimmt. Vgl. Sydow (1992a), S. 246 f. Wahrend der Begriff der „Fremdorganisation" eine hierarchische Steuerung oder Organisationsgestaltung durch eine Weisungsrechte vermittelnde Autoritatsperson impiiziert (siehe z. B. Frese (2000), S. 322) und damit vergleichsweise klar defmiert werden kann, wird der Begriff der „Selbstorganisation" in der Literatur sehr weit verwendet (vgl. Weik/Lang (2003), S. 245; Wolf (1994), S. 73). Analog zum institutionellen und instrumentellen Organisationsbegriff wird die Selbstorganisation von Systemen als Sdhststrukturiermg und als Selbst^ordimtion (vgl. Kieser (1994), S. 218 ff.) verstanden. Dagegen vermeidet Frese (2000), S. 322 diese Begriffe und spricht in diesem Zusammenhang von „Selbsts/ewerw«g". Endruweit (2004), S. 176 verwendet dagegen den Begriff „SelbstregM/a//o«'Mn der vorliegenden Arbeit soil die Selbstorganisation als ein systemisch bedingtes Phanomen betrachtet werden, das im Folgenden naher dargestellt wird. Die Differenzierung zwischen den beiden in der vorliegenden Arbeit verwendeten Begriffen Selbst- und Fremdorganisation basiert inhaltlich auf der Unterscheidung zwischen den Begriffen Selbstkoordination und Fremdkoordination in Abschnitt 2.2.1. Vgl. Wolf (2005), S. 318; Weik/Lang (2003), S. 245. Vgl. z. B. Staehle (1999), S. 562; Sydow (1992a), S. 246; Jung (1987), S. 313; Weik/Lang (2003), S. 246 und S. 249. Siehe z. B. Hedberg et al. (1976); Meyer/Rowan (1977); Weick (1979); Probst (1987a), S. 88.
Selbstorganisationsansatz
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Die Existenz einer Selbstorganisation wird dadurch begrtindet, dass die Fremdorganisation bei der Regelung aller Sachverhalte uberfordert ist, die Organisation aller Sachverhalte angesichts zunehmender Komplexitat und Dynamik unzweckmSBig erscheint und das Management nur einen begrenzten Zugriff auf das flir die Fremdorganisation notwendige Prozesswissen der Organisationsmitglieder hat/'^ Aufgrund der Komplexitat und der mit ihr hSufig verbundenen Untiberschaubarkeit sozialer Prozesse wird die Auffassung vertreten, dass in Untemehmungen ein recht hohes MaB an Eigendynamik und Selbstorganisation vorzufmden ist, das, wenn Uberhaupt, nur schwer zu beeinflussen ist/^° Die Selbstorganisation wird dabei als ErgSnzung oder Alternative in Betracht gezogen, wenn die Komplexitat einer Organisation das SteuerungsvermOgen einer Zentralinstanz Ubersteigt/^* In der deutschsprachigen"*^^ Organisationsforschung kOnnen in Bezug auf den Selbstorganisationsansatz zwei TheoriestrOmungen unterschieden werden: dies ist einerseits der V. a. von Malik, Probst und Dyllick-Brenzinger vertretene sog. St. Gallener Ansatz^^^ und andererseits das „Konzept der fortschrittsf^igen Organisation" von Kirsch und seinem Schiller zu Knyphausen-AufseB, das in der Literatur als Munchner Ansatz bezeichnet wird/^"* Zwar gehen beide Ansatze davon aus, dass Organisationen zu komplex sind, um vom Management beherrscht zu werden,"*^^ jedoch weisen sie erhebliche Unterschiede auf. Der St. Gallener Ansatz geht von zwei zentralen Konzepten aus: Das erste ist das Konzept der „spontanen Ordnung" von Hayek, demzufolge Verhaltensregeln, welche die Grundlage einer spontanen Ordnung darstellen, als Ergebnis evolutionarer Prozesse aufzufassen sind."*^^ Diese Regeln bestimmen das Verhalten von sozialen Akteuren meist unbewusst und ermSglichen sozialen Systemen durch die wechselseitige antizi-
419
Vgl. Sydow (1992a), S. 246; Weick (1977), S. 38.
420
Vgl. Malik (2000), S. 317.
421
Vgl. Malik (2000), S. 367.
422
Im anglo-amerikanischen Raum beschaftigt sich z. B. Weick (1977) mit dem Selbstorganisationsansatz. Siehe z. B. Malik (1984); Malik (2000); Probst (1987b); Probst (1992); Dyllick-Brenzinger (1982). Siehe z. B. Kieser (1994), S. 200; Kirsch (1979); Kirsch (1992); Kirsch/Knyphausen (1991); Knyphausen-AufseB (1988); Knyphausen (1991); Kieser (2002), S. 276 ff
425
Siehe z. B. Kirsch (1992), S. 545.
426
Vgl. Hayek (1980), S. 57 ff.; Hayek (1994), S. 32 ff.
88
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
pierende Anpassung und Modifikation des Verhaltens beteiligter Personen, sich an die sich wechselnden Umweltbedingungen quasi selbstorganisierend anzupassen. Eine spontane Ordnung bzw. eine spontane Selbstorganisation kann hSufig in bUrokratischen Organisationen beobachtet werden, um Unzuianglichkeiten der hierarchischen Koordination zu kompensieren, die z. B. durch fehlende planerische MaBnahmen entstehen kfinnen. Dabei handeln die Organisationsmitglieder im Idealfall spontan so, dass ihr Handeln auch ohne (ibergeordnete Anweisungen weiterhin auf das Erreichen des angestrebten Ziels ausgerichtet ist. Die zweite wesentliche Basis des St. Gallener Ansatzes stellt Ashbys (1956) „law of requisite variety " dar/^^ Danach hangt die UberlebensfMhigkeit eines Systems in erster Linie von dessen Komplexitatsgrad ab. Dieses Konzept geht von der Annahme aus, je komplexer ein System ist, desto mehr MSglichkeiten besitzt es, sich bei Veranderungen der Systemumwelt zu behaupten. Ein System kann jedoch aus zwei GrUnden seinen Komplexitatsgrad nicht standig erhohen. Zum einen kSnnen die Systemmitglieder aufgrund ihrer begrenzten Informationsaufnahmekapazitat nur einen kleinen Teil der Umweltkomplexitat wahmehmen. Zum anderen ist das System auBerstande, den Teil, der als Umweltkomplexitat wahrgenommen wird, vollstandig zu verarbeiten."*^^ In Anlehnung an beide Basisannahmen postuliert der St. Gallener Ansatz den Erhalt bzw. weitere MaBnahmen zum Ausbau der Systemkomplexitat, um die Anpassungsund damit UberlebensfUhigkeit des Systems zu erhalten bzw. zu steigem. Durch die hohe Systemkomplexitat ist jedoch eine reine Fremdsteuerung durch das Management ineffizient bzw. wOrde die gewiinschte Flexibilitat zu sehr einschranken, sodass die Untersttitzung durch eine Selbstorganisation geeigneter erscheint. Selbstorganisierende Systeme k5nnen dabei durch vier charakteristische Merkmale beschrieben werden:"*^^ (l) Komplexitat: Aufgrund der mannigfaltigen und dynamischen Interaktionsbeziehungen der Systemmitglieder und der Einfltisse aus der Systemumwelt resultiert in selbstorganisierenden Systemen eine komplexe Ordnung, die in ihrer
Vgl.Ashby (1956), S. 206. 428
In diesem Zusammenhang wird auch von einer zweifachen Selektion gesprochen. Vgl. Probst (1981), S. 137 ff.; Kieser (1994), S. 200. Vgl. Probst (1987a), S. 76 ff.; Probst (1987b), S. 245 ff.; Probst (1992), Sp. 2259 ff; Ulrich/Probst (1990), S. 62 ff. Zu einer ahnlichen MerkmalsUbersicht gelangt man, wenn man die von Weick (1977), S. 31 ff. dargestellten Effizienzbedingungen bzw. charakteristischen Merkmale selbstorganisierender Systeme zugrunde legt.
Selbstorganisationsansatz
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Gesamtheit weder vollstandig strukturiert noch antizipiert werden kann/^° Infolgedessen ist eine zentrale Steuerung weniger effizient als eine dezentrale. (2) Selbstreferenz: Selbstorganisierende Systeme weisen eine operationale Geschlossenheit auf, d. h. sie beziehen sich in ihren Aktivitaten fortlaufend auf sich selbst. Dadurch begrlinden sie eine eigene Identitat, durch die sie sich von der Systemumwelt abgrenzen. (3) Redundanz: Die Redundanz bezieht sich auf das parallele Vorhalten von Informationen bzw. Qualifikationen innerhalb des Systems, durch das die HandlungsfUhigkeit der Selbstorganisation gewahrleistet und systemische Flexibilitat generiert wird. Die Mehrfachqualifikation impliziert auch den Aufbau dezentraler bzw. heterarchischer Strukturen, da Funktionen von vielen Systemmitgiiedem erflQllt werden k(5nnen. (4) Autonomie: Selbstorganisierte Systeme sind autonom, weil sie hinsichtlich ihrer Gestaltung, Steuerung und Regulierung nicht fremdbestimmt, sondem eigenbestimmt sind, d. h. aus sich selbst heraus steuem. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie v5iiig unabhangig von der Systemumwelt agieren. Nach Probst (1987a) besteht eine interessante Implikation des Konzepts der Selbstorganisation in der Unterscheidung zwischen dem substantiellen oder materialisierten und dem symbolischen oder geistig-sinnhaften Organisieren/^' Im Vordergrund des substantiellen oder materialisierten Organisierens stehen z. B. Organigramme, Ablaufund Funktionendiagramme sowie Stellenbeschreibungen und Zeiterfassungssysteme. Das symbolische oder geistig-sinnhafte Organisieren Uberlagert dagegen die zuvor genannte Form des Organisierens und bezieht sich auf die Vermittlung und Erfassung von Sinnsystemen wie Normen und Werte. Zu den wichtigsten Funktionen des Managements zahlt die Aufrechterhaltung, Bereicherung und Verstarkung der Varietat, die z. B. durch die Bildung von Subsystemen erreicht werden kann, und die Schaffung von Bedingungen zur „Kanalisierung von Varietat", z. B. durch die Einbindung des Systems in einen Kontext, der eine sinnstiftende Interpretation erlaubt."*^^ Dadurch Ubemimmt das Management die Metafunktion
^^° Zum Begriff der Komplexitat siehe auch Luhmann (1985), S. 46. ^^^ Vgl. Probst (1987a), S. 91 ff.; vgl. auch Probst/Scheuss (1984), S. 482 ff. ^^^ Vgl. Probst (1987b), S. 114 I Dyllick-Brenzinger (1982), S. 19 geht sogar noch dariiber hinaus, indem er vom Management fordert, bisher akzeptierte und gemeinsam geteilte Interpretationen in
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Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
eines Katalysators oder Facilitators ein/^^ jedoch ist eine aktive Beteiligung des Managements an den Selbstorganisationsprozessen zu vermeiden/^"* Fremdorganisation soil im St. Gallener Ansatz nicht nur an Einfluss verlieren, sondem durch Selbstorganisation substituiert werden. Diese Auffassung st6Bt jedoch in der Literatur auf heftige Kritik, da nicht von der naiven Vorstellung ausgegangen werden konne, dass eine ROcknahme der Fremdorganisation nicht zwangslSufig zu einer Zunahme an Selbstorganisation fiihrt, sondem eher von einem gleichzeitigen Auftreten von Fremdund Selbstorganisation ausgegangen werden mtisse/^^ Der wesentliche Aspekt beim Aufbau selbstorganisierender Prozesse liegt nicht darin, dass weniger fremdorganisiert werden muss, sondem dass vielmehr anders organisiert werden muss, beispielsweise durch planmaBige Selbst- und Fremdorganisation/^^ Auch der Munchner Ansatz geht davon aus, dass Organisationen zu komplex sind, um fremdorganisiert zu werden. Die Ursache von Komplexitat in Organisationen wird dabei als Resultat eines Konflikt- und Interessenpluralismus betrachtet, der durch den Einfluss unterschiedlicher Abteilungen mit unterschiedlichen Zielsetzungen und z. T, gegenlaufigen Auffassungen entsteht."*^^ Aus diesem Gmnde schlagt Kirsch (1992) Managementrichtlinien vor, die gegentiber den MOglichkeiten einer bewusst gesteuerten organisatorischen Entwicklung skeptisch gegentiber stehen und die Grundeinstellung eines „gemaBigten Voluntaristen" fordem."*^^ Mit dieser Grundeinstellung soil erreicht werden, dass eine autonome VerstSndigung zwischen den einzelnen Organisationseinheiten auf der Gmndlage des kommunikativen Handelns nach Habermas"^^^ hergestellt wird. Kommt es innerhalb dieses Selbstorganisationsprozesses jedoch zu keiner gemeinsamen LOsung, kann einer der beteiligten Akteure Funktionen im Sinne eines „Leadership" Ubemehmen und formale Regeln defmieren.'*'^^
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eine widerspruchliche Wirklichkeit zu stellen, um produktives Handeln im Sinne einer Neuorientierung zu forcieren. Vgl. Probst (1987a), S. 117. Vgl. Malik/Probst (1981), S. 123, der Respekt und Zurtickhaltung gegentiber dem System als neue Managertugenden betrachtet. Vgl. Wolf (2005), S. 334; Kieser (1994), S. 120; Kirsch (1992), S. 277; Knyphausen (1991), S. 52. Vgl. Kieser (1994), S. 220. Vgl. Kirsch (1992), S. 119 ff.; Knyphausen-AufseB (1995), S. 333 fif. Vgl. Kirsch (1992), S. 346. Siehe Habermas (1981), S. 183. Siehe hierzu auch Kieser (2002), S. 284.
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Im MUnchner Ansatz wird durch Kirsch und noch deutlicher von zu KnyphausenAufseB die Meinung vertreten, dass selbstorganisierende Prozesse in komplexen Sozialsystemen erst dadurch ermOglicht werden, dass Anfangs- und Randbedingungen fremdorganisiert werden, durch die ein „Netz" bzw. ein „organisatorischer Rahmen" bereitgestellt wird. Zur Definition der Randbedingungen gehOrt notwendigerweise auch die Bestimmung der Zielsetzung einer Organisation. Damit wird die Selbstorganisation immer auch durch extern vorgegebene Ziele limitiert.'^'*' Die zunehmende Komplexitat in Organisationen kOnne daher nur durch eine neue Rationalitat des Managements bewSltigt werden, die als evolutionSres Management Eingang in die Fachliteratur gefunden hat,"^"*^ das angesichts einer nicht beherrschbaren Komplexitat dazu anleiten will, gUnstige Rahmenbedingungen fiir eine „Selbstorganisation" zu schaffen. Wahrend im St. Gallener Ansatz die Selbstorganisation auf der Grundlage des Konzepts der „spontanen Ordnung" nach Hayek betrachtet wird, ist sie im MUnchner Ansatz nur in Verbindung mit Fremdorganisation denkbar. Nach zu Knyphausen muss „immer eine bestimmte Arena definiert werden, innerhalb derer „Selbstorganisation" dann ablaufen kann. Andererseits muss aber [...] Selbstorganisation keineswegs notwendig einen „herrschaflsfreien Raum" konstituieren: Im Zuge eines selbstorganisierenden Prozesses mag sich eben auch ein „Machtiger" herauskristallisieren, der das Heft in die Hand nimmt.""^"^^ Selbst- und Fremdorganisation verweisen damit wechselseitig aufeinander bzw. stehen in einem komplementSren Zusammenhang."*"*"* Damit geht der St. Galler Ansatz von einer spontanen Selbstorganisation aus, wShrend der MUnchner Ansatz auf der Annahme einer institutionalisierten Selbstorganisation basiert.'"' Der Selbstorganisationsansatz mit seinen unterschiedlichen Interpretationen wird seit den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zur Erkiarung der Handlungen Okonomischer Institutionen herangezogen und u. a. im intemationalen Personalmana-
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Vgl. Endruweit (2004), S. 176. Siehe hierzu z. B. Sydow (1992a), S. 248; Kieser (1994); Knyphausen (1991), S. 54 ff.; Staehle (1999), S. 563.; Dyllick-Brenzinger (1982), S. 343 f; Kieser (2002), S. 275 ff. Vgl. Knyphausen (1993), S. 158 (Hervorh. im Original). Siehe auch Knyphausen (1991), S. 52. Vgl. Knyphausen-AufseB (1995), S. 341 ff.; Knyphausen (1991), S. 52 f; Kieser (1994), S. 218. Siehe z. B. auch KubicekAVelter (1985), S. 798. Kieser (1994), S. 216 spricht in diesem Zusammenhang auch von „planmaBiger Selbstorganisation" und Scholz (2000a), S. 194 von einer „externinduzierten Selbstorganisation".
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Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
gement verwendet.'^'*^ Dariiber hinaus wird er auch als Erklarungsgrundlage fiir die Virtualisierung von Organisationen genutzt/"*^ Inwieweit auf der Grundlage der hier skizzierten TheoriestrSme des Selbstorganisationsansatzes Erkenntnisse im Hinblick auf die Koordination in virtueilen Untemehmen abgeleitet werden kSnnen, soil nachfolgend diskutiert werden. 3.2.2 Beurteilung des Selbstorganisationsansatzes als Erkldrungsbasis fur die Koordination in virtueilen Untemehmen Die beiden hier dargestellten Ansatze einer Selbstorganisationstheorie wenden sich in Anbetracht der Komplexitat und der zunehmenden Vemetztheit von Problemstellungen innerhalb und auBerhalb von Organisationen von einfachen, nur wenige Einflussfaktoren berUcksichtigenden ErklSrungen ab. Ein hoher ErklSrungswert und eine hohe faktische Bedeutung werden hierbei der Argumentation des Selbstorganisationsansatzes beigemessen, dass eine starke Zentralisierung von Entscheidungs- und Koordinationsprozessen aufgrund der Komplexitat von Organisationen wenig Aussicht auf Erfolg verspricht/"^* Dagegen ist anzunehmen, dass selbstorganisierende Systeme geeigneter sind, einen hohen Grad an Komplexitat und Dynamik erfolgreich zu bewaltigen, da alle Systemmitglieder zu einer Komplexitatsbewaltigung beitragen/"*^ Der MUnchner Ansatz kann daher insbesondere unter BerUcksichtigung neuerer Entwicklungen in Untemehmen, zu denen z. B. die Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen, die Prozessorientierung und die ergebnisorientierte Steuerung von Teileinheiten gezahlt werden kann, als zeitgemaB beurteilt werden/^^ Die im St. Gallener Ansatz vertretene Auffassung der Entstehung spontaner Ordnungen i. S. von Hayek erscheint dagegen hOchst unwahrscheinlich."*^' In beiden Ansatzen wird jedoch zu wenig reflektiert, dass „Prozesse der Selbstorganisation mit hoher Wahrscheinlichkeit bewahrte und in Normen guter Praxis verankerte Strukturierungsprinzipien reproduzieren."^" DarUber hinaus wird beklagt, dass die
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Siehez.B.Woif(1994),S.57ff. Siehez. B.Wagner (1999). Vgl.Wolf(1994),S.84. Vgl. Bleicher( 1995b), S. 14; Knyphausen-Aufse6(1995), S. 321 f Vgl. Wolf (2005), S. 334. Vgl. Kieser( 1994), S. 225. Vgl. Kieser( 1994), S. 225.
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Ansatze ftir die Managementpraxis nur einzelne und dazu meist wenig konkrete Handlungsanweisungen ftir die Managementpraxis bereithalten/" So bleibt z. B. unklar, welcher Dezentralisierungsgrad angestrebt werden soil bzw. in welchem Verhaltnis die Selbstorganisation zur Fremdorganisation stehen muss."*^"* Die Frage nach dem relativen Anteil von Selbst- und Fremdorganisation kann letztlich nur empirisch beantwortet werden/^^ In der einschlSgigen Literatur zum Konzept des virtuellen Untemehmens wird der UnterstUtzung der Koordination virtueller Untemehmen durch Selbstorganisation bzw. Selbstkoordination groBe Aufmerksamkeit geschenkt/^^ Nachfolgend kann auf der Grundlage der o. g. vier Charakteristika selbstorganisierender Systeme (Komplexitat, Selbstreferenz, Redundanz und Autonomie) aber gezeigt werden, dass in einem virtuellen Untemehmen nur von einer eingeschrankten Selbstorganisation ausgegangen werden kann. Mehrere Grllnde sprechen fiir eine hohe Komplexitat in virtuellen Untemehmen. Ein wesentlicher Grund besteht darin, dass die Kooperationspartner sich v. a. mit ihren Kemkompetenzen an der arbeitsteiligen Leistungserstellung beteiligen."*^^ Kemkompetenzen stellen v. a. intangible, wissensbasierte Ressourcen dar, die auf komplexen, auf Lemprozessen basierenden, sozialen Interaktionsmustem bemhen und somit in der Tiefenstruktur eines Untemehmens verankert sind."*^^ Die Komplexitat wird zudem dadurch hervorgemfen, dass die zur Leistungserstellung benotigten Kemkompetenzen auf mehrere dezentrale Kooperationspartner verteilt sind, zwischen ihnen ein uneingeschranktes Beziehungsgefilge und eine hohe Interaktivitat aufgmnd der haufig reziproken Interdependenzen bestehen.'*^^ Die Entwicklung von Routinehandlungen oder gefestigter Organisationsstmkturen, die zur Komplexitatsreduktion oder -bewaltigung genutzt werden kOnnten, ist in virtuellen Untemehmen kaum mSglich. Dies ist darauf zurtickzuftihren, dass auf der Grundlage des latenten Netzwerks eines virtuellen
Vgl. Wolf (1994), S. 81. In Bezug auf den St. Gallener Ansatz ist dies v. a. darauf zuriickzufiihren, dass er weitgehend prozess- und nicht ergebnisorientiert ist. Vgl. Probst (1987a), S. 118. 454
Vgl. Jung (1987), S. 313.
455
Vgl. Sydow( 1992a), S. 248.
456
Vgl. Chrobok (1996), S. 252; Gerpott/BOhm (2000), S. 30; Specht/Kahmann (2000), S. 61; ReiB (1996a), S. 199; Schrader(1996), S. 91; Fischer (2001), S. 185.
457
Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zu Abschnitt 2.1.2.
458
Vgl. Rasche( 1993), S. 426.
459
Vgl. Gerpott/BOhm (2000), S. 17.
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Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
Untemehmens immer wieder neue Kooperationsbeziehungen unter jeweils spezifischen Projektbedingungen entstehen. Das Merkmal der Selbstreferenz selbstorganisierender Systeme steht jedoch im Widerspruch zu der fiir virtuelle Untemehmen explizit geforderten Ausrichtung auf die Untemehmensumwelt.'^^^ Diese Kooperationsform ist gerade nicht operational geschlossen, da sie ihre Aktivitaten nicht fortlaufend auf sich selbst richtet, sondem auf die ErfUllung eines Kundenwunsches. Ebenso ist nicht davon auszugehen, dass die Projekte ausschlieBlich durch die Partner des latenten Netzwerks durchgefUhrt werden. Fehlen z. B. innerhalb des latenten Netzwerks Kemkompetenzen zur Abwicklung eines Projekts, mussen exteme Kemkompetenztrager kurzfristig und ftir einen bestimmten Zeitraum in die Projektarbeit mit eingebunden werden. Die Identitat des Kooperationsverbundes wird daher nicht durch eine operationale Geschlossenheit gebildet, sondem baut auf dem gemeinsamen Geschaftsverstandnis sowie der erstellten Leistung bzw. Probleml5sung auf."*^^ DarUber hinaus konstituieren sich die Grenzen eines virtuellen Untemehmens im Gegensatz zu traditionellen Untemehmen nicht Uber Besitzgrenzen, sondem v, a. Uber Leistungsgrenzen/^^ Das Kriterium der Redundanz, d. h, des Aufbaus von Mehrfachqualifikationen, widerspricht deutlich dem Konzept des virtuellen Untemehmens/^^ Dem Konzept wird unterstellt, dass die Spezialisiemng entlang der WertschOpfungskette erfolgt und sich hierbei ausschliel^lich die Kooperationspartner mit ihren Kemkompetenzen beteiligen. Um eine mOglichst schlanke und flexible Ablaufstmktur zu gewahrleisten, sollen gerade Redundanzen bzw. Suboptimalitaten abgebaut werden. Dies bezieht sich auch auf das Vorhalten von Projektinformationen bzw. die Informationsverarbeitung. Redundanzen wUrden hierbei die Notwendigkeit der simultanen Aktualisiemng und Kontrolle der projektspezifischen Informationen erfordem, um Fehlentwicklungen und Doppelarbeit zu vermeiden, und zusatzliche Kosten hervormfen. Virtuelle Untemehmen weisen dagegen einen hohen Grad an Autonomie auf. Dies ist darauf zurtickzufUhren, dass die beteiligten Untemehmen nicht wie z. B. in einem Vgl. Scholz(1997),S. 143. Vgl. Spence(1990),S.45. Vgl. Schuh et al. (1998), S. 32; Linde (1997b), S. 21, der von „sinnbestimmten Grenzen" spricht; Badaracco (1991), S. 2; Szyperski/Klein (1993), S. 196 sprechen hier auch von „virtuellen Grenzen". Insofem ist der Titel des Lehrbuchs von Picot et al. (2003) („Die grenzenlose Untemehmung") irrefuhrend. Vgl. Scholz(1994),S.40.
Selbstorganisationsansatz
95
Konzem unter der Leitung eines GroBunternehmens stehen oder wie in einem Keiretsu von einer im Hintergrund stehenden Bank beeinflusst werden, sondem aus rechtlich und wirtschaftlich selbstSndigen v. a. kleinen und mittelstandischen Untemehmen gebildet werden. Das virtuelle Untemehmen steuert sich quasi aus sich selbst heraus. Vor dem Hintergrund der Betrachtung der Merkmale selbstorganisierender Systeme kann festgehalten werden, dass in Bezug auf das Konzept des virtuellen Untemehmens die Merkmale Autonomic und Komplexitat zutreffen, jedoch hinsichtlich der Selbstreferenz und Redundanz erhebliche WidersprUche feststellbar sind. Diese Feststellung bedeutet jedoch nicht, dass die Selbstorganisation mit dem Konzept des virtuellen Untemehmens unvereinbar ist. Vielmehr zeigen die Merkmale die Grenzen der Anwendbarkeit des Konzepts der Selbstorganisation bei diesem Kooperationskonzept auf."*^ Da nicht alle Merkmale selbstorganisierender Systeme erflillt sind, erscheint aus theoretischer Sicht eine Selbstorganisation in virtuellen Untemehmen folglich nur eingeschr^nkt mOglich. Vielmehr unterstUtzt diese theoretische Betrachtung die Annahme des Mtinchner Ansatzes, dass Fremd- und Selbstorganisation in einem komplementaren Verh^ltnis zueinander stehen."^^^ Zudem rUhren die Grenzen der Anwendbarkeit der beiden hier dargestellten TheoriestrGme des Selbstorganisationsansatzes nicht zuletzt daher, dass sie auf naturwissenschaftlichen Ansatzen aufbauen, die sich jedoch nur sehr eingeschrankt auf soziale Systeme Ubertragen lassen. Im Gegensatz zu natUrlichen Systemen sind soziale Systeme sinnverstehende Systeme, die die Fahigkeit zur Selbstreflexion und zur bewussten und absichtsgeleiteten Zielformuliemng besitzen.'*^^ Analogieschliisse sind insofem nicht ohne EinschrSnkung und kritische Reflexion zulassig, Gleichwohl bieten sich die Theoriestr6me des sozialwissenschaftlichen Selbstorganisationsansatzes im Hinblick auf die Koordination komplexer Systeme als Heuristik an. Die Koordination komplexer Systeme, zu denen ein virtuelles Untemehmen fraglos gezahlt werden kann, erfolgt damit im Spannungsfeld zwischen Hierarchic und Markt, Zentralisation und Dezentralisation, Fremd- und Selbstorganisation."^^^ Eine rein hierarchische Koordination scheitert in komplexcn Systemen oder ist ineffizient, da das gesamte Spektrum der HandlungsmOglichkeitcn von einzelnen Akteuren aufgmnd
^^ Vgl. Gerpotty^dhm (2000), S. 18. "^^^ Vgl. Sydow (1992a), S. 246; Schrader (1996), S. 91 ff.; Fischer (2001), S. 185. ^^ Siehe hierzu auch Wolf (1997), S. 639. ^^'' Vgl. Wolf (1994), S. 77.
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Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
der eingeschrankten
Informationsverarbeitungskapazitat
niemals erfasst werden
kann/^^ Willke (1989) verdeutlicht dies, indem er von der „Entzauberung von Hierarchic" spricht/^^ Der Prozess der Entscheidungsfindung muss vielmehr den komplexen Kontcxtbedingungen Rechnung tragen. Dezentrale Entscheidungsstrukturen eignen sich starker fiir die Koordination komplexer Systeme als hierarchische Koordinationsformen.'^^^ Jedoch sind beide Extremformen der Koordination in komplexen Systemen ungeeignet. Weder die Koordination durch direkte, zielgerichtete Intervention („totale Planung") noch die zufallsgesteuerte, wechselseitige Anpassung in kleinen Schritten („Inkrementalismus" bzw. „Evolution"), in der auf eine langerfristige Planung verzichtet wird, I5st das Dilemma funktionaler Differenzierung/^^ Als LGsungsansatz schlagt Willke (1989) stattdessen Strategien einer „Kontextsteuerung" vor/^^ Im Wesentlichen bedeutet Kontextsteuerung „die reflexive, dezentrale Steuerung der Kontcxtbedingungen allcr Teilsystcme und selbstreferentiellc Sclbststeuerung jedes einzclnen Teilsystems"."*^^ Eine reflexive, dezentrale Steuerung ist z. B. durch cinen Planungsrahmen mSglich, mit der fcstgelcgt wird, welche Plane cs Oberhaupt geben soil und welche Kategorien dabci berUcksichtigt werden soUen/^"* Ein Planungsrahmen kann z. B. cinen Planungskalcnder cnthalten, der die terminlichcn Eckdaten fiir den Abschluss einzclner Prozessphasen setzt/^^ Dartiber hinaus kOnnen gemcinsam entwickcltc Kooperationsregcln Kontcxtbedingungen setzen, mit denen sclbstorganisicrendc Prozesse in cine bestimmtc Richtung gelcitct werden und cine Konformitat der Handlungen crzielt werden kann. Vertrauen und eine auf Vertrauen basicrende Untemehmcnskultur crleichtcm Uberdies die notwendigen Abstimmungsprozesse bei der arbeitsteiligcnLcistungscrstcllung. Die selbstreferentiellc Sclbststeuerung jedes einzclnen Tcilsystems, d. h. die Sclbstorganisation jedes einzclnen an cinem virtucUen Untemchmen beteiligten Koopcrationspartners, erscheint uncrlasslich: Eincrseits sind die Koopcrationspartner rcchtlich und wirtschaftlich sclbstandig, d. h., cs bestcht kein abergcordnetes Untemchmen, das
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Vgl. Grant (1996a), S. 118; Wolf (1994), S. 78; Wolf (1997), S. 633.
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Vgl. Willke (1989), S. 44.
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Vgl. Knyphausen-AufseB (1988), S. 307 ff.; Probst (1987b), S. 246; Wolf (1997), S. 633.
471
Vgl. Willke (1989), S. 58; Wolf (1997), S. 633.
472
Vgl. Willke (1989), S. 58.
473
Vgl. Willke (1989), S. 58.
474
Vgl. Naumann (1982), S. 109 ff.
475
Vgl. Welge (1985), S. 496 ff.
Selbstorganisationsansatz
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weisungsbefugt wSre. Andererseits beteiligen sie sich v. a. mit ihren Kemkompetenzen an der arbeitsteiligen Leistungserstellung. Da das Wissen in Bezug auf die Kemkompetenzen aufgrund der kausalen Ambiguitat"*^^ und der intangiblen Latenz"*^^ schwer Oder gar nicht vermittelbar ist, sollten Entscheidungen, die in Verbindung mit dem Kemkompetenzwissen stehen, von den jeweiligen Kemkompetenztragem selbst getroffen werden/^^ Dam it ist es mOglich, das Fach- und Kontextwissen, die organisatorischen FShigkeiten und die FlexibilitSt der Kooperationspartner zur Koordination eines virtuellen Untemehmens zu nutzen. In Selbstorganisationsprozessen zwischen mehreren Teilsystemen, d. h. Kooperationspartnem, kommt dem Diskurs eine Schlusselfunktion zu/^^ Damit wird einerseits die Erfordemis persOnlicher Treffen der Kooperationspartner, z. B. im Rahmen von Projektbesprechungen, und andererseits die Notwendigkeit modemer, insbesondere intemetbasierter Informations- und Kommunikationstechnologien in virtuellen Unternehmen deutlich. Aus dem Diskurs bzw. den darin zu erfolgenden gemeinsamen Abstimmungen werden die Kontextbedingungen fur die weiteren Prozesse festgelegt/»° Die Kontextsteuerung ist jedoch weitaus komplexer und voraussetzungsvoller als die 0. g. beiden Extremformen der Koordination/^^ Sie stellt nicht nur hohe Anforderungen an die Qualifikation und Motivation der Kooperationspartner sowie an ihre Lemund InnovationsfUhigkeit, sondem auch an ihre Loyalitat. Diese setzt jedoch ein MindestmaB an gemeinsamer Orientierung voraus und auBert sich z. B. in der Identifikation der Kooperationspartner mit den gemeinsam verfolgten Unternehmenszielen/^^
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Nach Barney (1991), S. 108 f. kann von einer kausalen Ambiguitat gesprochen werden, wenn der Zusammenhang zwischen den Ressourcen eines Untemehmens und den vom Untemehmen entwickelten Wettbewerbsvorteilen nicht oder, wenn Uberhaupt, nur ansatzweise erkannt werden kann. Die intangible Latenz von Kemkompetenzen bezieht sich auf das implizite, verborgene und damit intangible Wissen, das sich den Versuchen einer Explikation durch Artikulation weitgehend entzieht. Vgl. Hall (1992), der auf intangible strategische Ressourcen und Kemkompetenzen Bezug nimmt. Vgl. Wagner (1999), S. 143. Vgl. Wagner (1999), S. 145; Wolf (1997), S. 631; Kasper(1991), S. 61. Vgl. Willke(1989),S. 58. Vgl. Willke(1989),S.58. Vgl. Frese (2000), S. 322.
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Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
Werden die gemeinsamen Ziele handlungsleitend, kann auch von dem Prinzip der ,,Ordnung durch Selbstbindung"' gesprochen werden/^^ Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass in einem virtuelien Untemehmen nur von einer eingeschrankten Selbstorganisation ausgegangen werden kann und Fremd- und Selbstorganisation in einem komplementaren Verhaltnis zueinander stehen. Damit scheint der Munchner Ansatz einen gr5Beren Erkiarungsbeitrag fiir die Koordination in virtuelien Untemehmen zu haben, der von einer institutionalisierten Selbstorganisation ausgeht. In diesem Zusammenhang erscheint eine Kontextsteuerung fiir die Koordination virtueller Untemehmen geeignet, mit der die Rahmenbedingungen ftir Selbstorganisationsprozesse gesetzt werden kOnnen. Die hier dargestellten Ansatze eignen sich in dieser Arbeit als Heuristik, mit der gmndlegende Aspekte der Koordination in komplexen Organisationen erklart werden k5nnen. Jedoch bieten sie aufgmnd ihres recht hohen Abstraktionsniveaus nur wenig Anhaltspunkte hinsichtlich der Auswahl und Verwendung einzelner Koordinationsinstmmente in virtuelien Untemehmen. Zudem wird der prozessuale Charakter der Koordination zu wenig berUcksichtigt, sodass eine Erganzung durch eine weiteren Theorieansatz sinnvoll erscheint. Hierbei bietet sich die Berticksichtigung der Koordinationstheorie an, mit der diesen Defiziten entgegengewirkt werden kann.
Vgl. Willke (1989), S. 59 (Hervorh. im Original).
Koordinationstheorie
99
3.3 Koordinationstheorie 3.3. J Einordnung und Grundaussagen der Koordinationstheorie Die noch recht junge und in der Entwicklung befindliche Koordinationstheorie'^^'^ wurde insbesondere von Malone und Crowston im Bereich der Informatik und der Wirtschaftsinformatik begriindet.'^^^ Mit der Entwicklung der Koordinationstheorie wird die Absicht verfolgt, Erkenntnisse Ober grundlegende, zielgerichtete Koordinationsprozesse in komplexen und dynamischen Systemen zu gewinnen und dabei wesentliche Koordinationsmechanismen zu identifizieren und zu beschreiben."^^^ Mit dem Begriff „Koordinationsmechanismus" werden in der Koordinationstheorie nicht nur spezifische Koordinationsinstrumente (wie z. B. Plane oder Regeln) subsumiert, sondem auch allgemein informationsverarbeitende Aktivitaten verstanden, die eine Koordination von Prozessen ermSglichen/^^ Die Erkenntnisgewinnung der Koordinationstheorie kniipft dabei in eklektischer Manier an das Gedankengut unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen wie z. B. den Naturwissenschaften, der Organisationslehre, der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, der Soziologie, der Psychologie sowie der Sozialpsychologie an/^^ Malone und Crowston gehen davon aus, dass Koordinationsprozesse in unterschiedlichen technischen, biologischen oder sozialen Systemen gewisse Ahnlichkeiten und grundsStzliche Merkmale aufweisenr'^^^jjHowever, even with coordination there are common patterns: similar problems arise and are managed similarly. For example, nearly every organization must assign activities to specific actors and task assignment mechanisms can be grouped into few broadly similar categories.'"^^^
In Anbetracht der noch unvollstandigen Entwicklung sollte auch hier eher von einem theoretischen Ansatz als von einer Theorie gesprochen werden. Da jedoch ausschlieBlich die Bezeichnung „Koordinationstheorie" bzw. „coordination theory" in der Literatur gebrauchlich ist, soil auch hier diese Bezeichnung verwendet werden. Vgl. Malone (1988); Malone/Crowston (1991); Malone/Crowston (1994). Siehe Malone (1988), S. 6; Malone/Crowston (1991), S. 4 und S. 20. 487
Vgl. Crowston (1997), S. 159 f.; siehe auch Fleisch (2001), S. 102. Vgl. Malone/Crowston (1991), S. 5. Als wichtige Ausgangspunkte der Theorieentwicklung konnen insbesondere die mathematische Arbeit von Mesarovic et al. (1970), die Ansatze der Kommunikationstheorie von Shannon/Weaver (1949), der Managementbeitrag von Allen (1977) sowie der sozialpsychologische Beitrag von Weick (1979) betrachtet werden. Siehe z. B. Crowston (1997), S. 158. Vgl. Crowston 1997, S. 159.
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Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
Der Koordinationstheorie liegen im Hinblick auf die Analyse der Koordinationsprozesse in Organisationen zwei Axiome zugrunde:"*^' Erstens, die Mechanismen, die verwendet werden kSnnen, um Abhangigkeiten zu steuem, sind allgemeiner Art oder ubiquitar und kOnnen in unterschiedlichen Organisationsstrukturen gefunden werden. Das zweite Axiom beinhaltet, dass sehr oft mehrere Koordinationsmechanismen verwendet werden kOnnen, um ein bestimmtes Abhangigkeitsverhaltnis zu steuem/^^ Organisationen, in denen ahnliche Aktivitaten vollzogen werden, um ahnliche Ziele zu erreichen, haben die gleichen Abhangigkeiten zu koordinieren. Zur Steuerung dieser Abhangigkeiten miissen aber nicht notwendigerweise die gleichen Koordinationsmechanismen verwendet werden. Trotz ahnlicher Bedingungen kOnnen in Organisationen unterschiedliche Koordinationsmechanismen verwendet und damit unterschiedliche Prozessveriaufe hervorgerufen werden. Die
Analyse
der
Koordinationsprozesse
in
Organisationen
setzt
nach
Malone/Crowston (1991) an vier sog. Koordinationskomponenten an: Ziele, Aktivitaten, Akteure und Interdependenzen."*^^ Ihnen k5nnen, wie in Tabelle 3 dargestellt, jeweils charakteristische Koordinationsprozesse zugeordnet werden: Tabelle 3: Komponenten der Koordination Komponenten der Koordinatioii
Koordinationsprozesse
Ziele
Zielidentifikation (z. B. Auswahl von Zielen)
Aktivitaten Akteure
Interdependenzen
Zuordnung von Zielen zu Aktivitaten (z. B. des iibergeordneten Ziels in Teilziele) Zuordnung von Aktivitaten zu Akteuren (z. B. Aufgabenverteilung) „managen" von Interdependenzen (z. B. die Ressourcenverteilung, Sequenzierung und Synchronisation)
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Malone/Crowston (1991), S. 10.
^'^^ Vgl. Crowston (1997), S. 159; Malone et al. (1999), S. 429. ^^^ Vgl. Malone/Crowston (1991), S. 4. ^^^ Vgl. Malone/Crowston (1991), S. 10. Eine sehr ahnliche Unterteilung wahh auch Rehfeldt (1998), S. 26, der Ziele, Akteure, Aktivitaten und Abhangigkeiten als Voraussetzung filr die Koordination betrachtet.
Koordinationstheorie
101
Ziele stellen den Grund und die Ursache alien Handelns dar. Die Koordinationsaufgabe besteht im Hinblick auf die Ziele darin, sie zunSchst einmal zu identifizieren bzw. zu definieren und ggf. eine Auswahl zu treffen. Aktivitaten sind die auszuftlhrenden bzw. ausgefilhrten Handlungen. Der charakteristische Koordinationsprozess besteht hierbei in der Operationalisierung der Ziele, d. h. der Untergliederung des Hauptziels in Uberschaubare Teilziele und der anschliefienden Zuordnung von Zielen zu Aktivitaten. Akteure sind die Subjekte, denen die Aktivitaten, d. h. die Aufgaben zugeordnet werden und die die Handlungen ausfilhren. Interdependenzen entstehen bei einer Zusammenarbeit durch voneinander abhangige oder aufeinander aufbauende Aktivitaten oder Ressourcen. Unter Ressourcen versteht Crowston (1994) alle Subjekte Oder Objekte, die im Rahmen einer Aktivitat tangiert werden. Urn einen reibungslosen Leistungserstellungsprozess zu ermfiglichen, mlissen die Interdependenzen z. B. durch Sequenzierung oder Synchronisation aufeinander abgestimmt werden. Nach Malone/Crowston (1991) sind alle vier Koordinationskomponenten Voraussetzungen bei der Analyse von Koordinationsprozessen."^^"* Ein zentrales Anliegen der Koordinationstheorie besteht in der Suche nach Prozessen, die der Koordination in alien Systemen zugrunde liegen. Basierend auf der Annahme, dass die Koordinationsprozesse in unterschiedlichen Organisationen gewisse Ahnlichkeiten und grundsatzliche Merkmale aufweisen, haben Malone/Crowston (1991) ein Modell entwickelt, in dem sie vier Prozessebenen der Koordination unterscheiden. In Tabelle 4 sind diese vier Prozessebenen der Koordination sowie die jeweils dazugehOrigen Koordinationskomponenten unter Hinweis auf Beispiele generischer Koordinationsprozesse dargestellt:"*^^
"^"^^ Vgl. Malone/Crowston (1991), S. 10. ^'^^ Fur weitere Beispiele „generischer Koordinationsprozesse" siehe Malone/Crowston (1990), S. 360; Malone/Crowston (1991), S. 18.
102
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
Tabdle 4: Die Prozessebenen der Koordination Beispiele generischer Koordina-
Prozessebene
Komponenten
Koordination
Ziele, Aktivitaten, Akteure, Interdependenzen
Identifikation von Zielen, Untergliederung in operable Teilziele, Verteilung von Aufgaben an Akteure, Ressourcenverteilung. Synchronisation von Aktivitaten
A 1
Gruppenentscheidungen
Ziele, Akteure, Altemativen, Bewertung, Auswahl
Vorschlagen von Altemativen, Bewertung von Altemativen, Auswahl treffen (z. B. durch eine AutoritSt, durch Ubereinstimmung oder Wahl)
y
Kommunikation
Sender, EmpfSnger, Mitteilungen, Sprachen
Festlegen einer gemeinsamen Sprache bzw. eines Kommunikationsstandards, Weiterleitung von Mitteilungen
^ 1
Wahmehmung gemeinsamer Objekte
Akteure, Objekte
Betrachtung der gleichen physischen Objekte, ZugrifFauf gemeinsame Datenbanken
tionsprozesse
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Malone/Crowston (1991), S. 16. Die in der linken Spalte dargestellten Pfeile weisen darauf bin, dass die vier Ebenen aufeinander aufbauen. Grundlegende Voraussetzung eines Koordinationsprozesses besteht in der Wahmehmung gemeinsamer Objekte oder Informationen in gemeinsamen Datenbanken durch die an einem Koordinationsprozess beteiligten Akteure. Nach der Wahmehmung allgemeiner Objekte besteht auf der zweiten Prozessebene die Notwendigkeit der Kommunikation unter den Akteuren. Hierzu wird eine gemeinsame Sprache bzw. ein gemeinsamer Kommunikationsstandard z. B. im Hinblick auf die Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien festgelegt. Auf der Gmndlage von Kommunikation kOnnen Gruppenentscheidungen hinsichtlich der Beurteilung von Altemativen und der Auswahl von Zielen durch autorisierte Akteure oder durch eine Wahl getroffen werden. Auf der Prozessebene der Koordination werden die Ziele identifiziert, in Teilziele untergliedert, Aufgaben und Ressourcen an die Akteure verteilt sowie die AbhSngigkeiten zwischen den von den Akteuren zu bewaltigenden Aufgaben und den Ressourcen aufeinander abgestimmt. Der Koordinationsbedarf eines arbeitsteiligen Systems ist darauf zurtickzufilhren, dass AbhSngigkeiten zwischen den Aktivitaten der Akteure und der von ihnen verwendeten Ressour-
Koordinationstheorie
103
cen bestehen."*^^ Die Koordination wird hierbei als eine Reaktion auf die Abstimmungsprobleme betrachtet, die durch die AbMngigkeiten hervorgerufen werden."*^^ Deshalb wird die Koordination auch als „managing dependencies between activities" definiert/'' Ausgehend von der Kritik an den meisten Ansatzen zur Klassifikation von Interdependenzen, die lediglich auf die Interdependenzen zwischen Akteuren bzw. zwischen denen von ihnen verrichteten Aufgaben Bezug nehmen, entwickelt Crowston (1994) eine erweiterte Typologie. Sie erlaubt eine systematische Analyse der Interdependenzen zwischen Aufgaben und Ressourcen sowie die Verwendung von Koordinationsmechanismen zur Regelung dieser Interdependenzen/^^ Hierbei greift er auf die Klassifikation von Thompson (1967)^°° und Malone/Crowston (1994) zurtick, Abbildung 5 zeigt die mOglichen Abhangigkeiten zwischen Aufgaben und Ressourcen, wobei die Pfeile den Fluss der Ressource, die entweder durch die Aufgabe konsumiert Oder produziert wird, kennzeichnen. Im Vordergrund stehen hierbei die theoretisch mSglichen AbhSngigkeiten zwischen multiplen Aufgaben und einer Ressource,^^' d. h. die ersten drei in Abbildung 5 dargestellten Abhangigkeiten: 1) „Geteilte-Ressource-Abhangigkeit" („Shared Resource"), 2) „Produzenten-Konsumenten-Abhangigkeit" („Producer/Consumer") und 3) „Gemeinsames-Objekt-Abhangigkeit" („Common Object").
496
Siehe hierzu auch Milgrom/Roberts (1992), S. 90.
497
Vgl. Crowston (1994), S. 3. Vgl. Malone/Crowston (1994), S. 90. Vgl. Crowston (1994), S. 20.
500
Siehe hierzu die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.2.1.
501
Vgl. Crowston (1994), S. 15.
Theoretische Ansatze zur ErklSrung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
104
Abbildung 5: Abhangigkeiten zwischen Aufgaben und Ressourcen
1) Geteilte ReMource
Aufgabe konsumiert mehrere Ressourcen
2) ProduzentenKonsumentenAbhingigkeit
5) Aufgabe konsumiert und produziert Ressourcen
3) Gemeinsames Objekt
Aufgabe produziert mehrere Ressourcen
a
Aufgabe
Ressource
"^
Fluss der Ressource
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Crowston (1994), S. 15. Bine „geteilte-Ressource-Abhangigkeit" („Shared Resource") liegt vor, wenn mit zwei Aufgaben gemeinsam auf dieselbe Ressource zugegriffen wird. Urn Konflikte bei der gemeinsamen Ressourcennutzung zu verhindem, ist eine Koordination der Prozesse erforderlich. Die Koordination hangt jedoch von der Art der Ressource ab, die hierbei im Hinblick auf ihre Teilbarkeit und Wiederverwendbarkeit betrachtet werden kann.^^^ Ist eine gemeinsame Ressource teilbar, kann sie in der Regel von mehreren Akteuren ohne Konflikte gleichzeitig zur Aufgabenerftillung verwendet werden. Informationen bilden dabei wichtige Ausnahmen, da eine konfliktfreie gemeinsame Verwendung voraussetzt, dass sie bei der Verwendung durch die Akteure nicht verSndert werden. Ist eine Ressource jedoch nicht teilbar, wie z. B. Werkzeuge oder Produktionsanlagen, k5nnen zwei Aufgaben, die auf dieselbe Ressource zugreifen mtissen, nicht gleichzeitig ausgefuhrt werden. Dann miissen entweder zus^tzliche Ressourcen beschafft werden oder die Ressource nur einer Aufgabe zugeteilt werden. Die Wiederverwend-
Vgl. Crowston (1994), S. 15 f
Koordinationstheorie
105
barkeit bezieht sich darauf, wie oft eine Ressource in unterschiedlichen Aufgaben wiederholt verwendet werden kann. Wahrend z. B. Rohstoffe nur einmal verwendet werden kOnnen, sind Produktionsanlagen fiir einen langeren Zeitraum wiederverwendbar. Durch den Koordinationsmechanismus der Reihenfolgeplanung kann die Verwendung im Voraus festgelegt werden. Eine „Produzenten-Konsumenten-Abhangigkeit" („Producer/Consumer") liegt vor, wenn eine Aufgabe eine Ressource generiert, die Vorbedingung zur Ausfiihrung einer weiteren Aufgabe ist. Diese Abhangigkeit liegt sehr haufig einem sequenziellen Leistungserstellungsprozess zugrunde und setzt voraus, dass die Aufgaben in der richtigen Reihenfolge ausgefUhrt werden und dass der Ressourcenfluss zwischen den zwei Aufgaben gesteuert wird. Bei dieser sequenziellen oder Flussabhangigkeit sind jedoch drei weitere Abhangigkeiten bzw. Beschrankungen zu berUcksichtigen: freilich muss zunachst einmal die Ressource produziert werden, bevor sie verwendet werden kann („prerequisite constraints"), zweitens muss die produzierte Ressource fiir weitere Akteure zuganglich sein („accessibility constraints") und drittens muss die produzierte Ressource fUr weitere Aufgaben verwendbar sein („usability constraints"). Durch die Festlegung von Qualitatsstandards und durch Absprachen zwischen dem Produzenten und dem Konsumenten hinsichtlich der Art und des Umfangs der benStigten Ressource kSnnen die Verwendbarkeitsbeschrankungen bewaltigt werden. Um bei dieser Art von Abhangigkeit den Ressourcenfluss oder eine ,Just-in-time"-Produktion zu gewahrleisten, kSnnen bei standardisierbaren Ressourcen Zwischenlager eingerichtet werden. Die Voraussetzung fiir eine effiziente
Produzenten-Konsumenten-Abhangigkeit
besteht demnach darin, die richtige Ressource („usability") zum richtigen Zeitpunkt („prerequisite") am richtigen Ort („accessibility") bereitzustellen. ^^^ Bei einer „Gemeinsames-Objekt-Abhangigkeit" („Common Objecf^^^"* generieren zwei Aufgaben dieselbe Ressource. Die Koordinationsaufgabe richtet sich danach, ob beide Aufgaben dieselben oder unterschiedliche Leistungen hervorbringen. Sind es dieselben, bieten z. B. mehrere Akteure eine bestimmte Ressource an, dann kann es wtinschenswert sein, die beiden Aufgaben zu kombinieren, um Synergic- bzw. Gr5Beneffekte zu erzielen. Die Voraussetzung daflir besteht jedoch darin, dass beide Aufgaben gleichzeitig ablaufen und beide Akteure die gleiche Zielsetzung haben. Generieren zwei Aufgaben unterschiedliche Bestandteile einer gemeinsamen Ressour-
^^^ Vgl. Maloneetal. (1999), S. 431. ^^'^ Pieles (2004), S. 177 spricht hier auch von einer „Gleichlaufigkeitseinschrankung"
106
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
ce, besteht die Notwendigkeit der gegenseitigen Abstimmung im Hinblick auf das zu erreichende Ziel. Stehen die Leistungen jedoch in Konflikt zueinander und erscheint die Erreichung des gemeinsamen Ziels unmOglich, muss ahnlich wie in dem Fall, bei dem zwei Aufgaben auf eine nicht teilbare Ressource zurtickgreifen, entweder eine Aufgabe abgebrochen oder eine Terminplanung, d. h. eine Reihenfoigeplanung vorgenommen werden. Crowston ist der Ansicht, dass die theoretisch mSglichen Abhangigkeiten zwischen einer Aufgabe und multiplen Ressourcen, d. h. die auf der rechten Seite der Abbildung 5 dargestellten AbhSngigkeiten, vor dem Hintergrund der Koordination weniger problematisch sind als die soeben dargestellten Abhangigkeiten zwischen multiplen Aufgaben und einer Ressource. Lediglich die AbhSngigkeit, wenn eine Aufgabe mehrere Ressourcen konsumiert, erfordere eine gleichzeitige Bereitstellung dieser Ressourcen, damit die Aufgabe ohne VerzOgerung durchgefiihrt werden kann.^^^ Crowston betrachtet diese Typologie als eine grundlegende Systematisierung von Abhangigkeiten.^^^ Dabei weist er darauf hin, dass tiberdies noch weitere Abhangigkeiten angeftihrt werden kOnnen, z. B. zwischen Objekten und zwischen Mechanismen.^^^ Denkbar waren auch Abhangigkeiten zwischen mehreren Aufgaben und mehreren Ressourcen. Letztlich konnten jedoch alle weiteren Abhangigkeiten als Spezialisierungen oder Kombinationen der drei hier im Vordergrund stehenden Abhangigkeiten aufgefasst werden. ^^^
505
Vgl. Crowston (1994), S. 19. Malone et al. (1999), S. 430 f gehen bei der Betrachtung noch einen Schritt weiter und sind der Auffassung, dass alle weiteren Abhangigkeiten als Spezialisierungen oder Kombinationen der drei hier im Vordergrund stehenden Abhangigkeiten sind. Vgl. Crowston (1997), S. 174. Vgl. Malone et al. (1999), S. 430 f.
107
Koordinationstheorie
Tabelle 5: Zusammenfassung der AbhSngigkeiten und Koordinationsmechanismen AbMngigkeit
BeispielffirKoordinatioiisprozesse zur Steuenmg der Abhftngigkeiten
Geteilte-Ressource-Abhingigkeit teilbare Ressource nichtteilbare Ressource
marktliche Steuerung, funktionsbezogene Verteilung "First come/first serve", eine Aufgabe auswahlen, neue Ressource beschaffen
wiederverwendbare Ressource
Reihenfolgeplanung, Budgets
nicht-wiederverwendbare Ressource
"First come/first serve", eine Aufgabe auswahlen, neue Ressource beschaffen
Produzenten-Konsumenten-AbhSngigkeit "Pull-" vs. "Push"-Prinzip wahlen, Just-in-timezeitliche Bedingung („prerequisite") Produktion vs. Aufbau von Zwischenlagem
1 r
raumliche Bedingung („accessibility")
Transportwege wahlen oder Herstellung vor Ort
qualitative Bedingung („usability")
gemeinsame Standards entwerfen oder Ubereinkunft mit dem Konsumenten treffen
Gemeinsames-Objekt-Abhftngigkeit zwei Aufgaben generieren unterschiedliche Bestandteile einer Ressource zwei Aufgaben generieren dieselbe Ressource zwei Aufgaben stehen in Konflikt zueinander
gegenseitige Abstimmung im Hinblick auf das zu erreichende Ziel gleichartige Aufgaben zusammenftigen eine Aufgabe auswahlen oder Reihenfolgeplanung
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Crowston (1994), S. 24; Crowston (1997), S. 160; Malone et al. (1999), S. 278. Urn die fiir eine koordinationstheoretische Betrachtung als wichtig erachteten ersten drei AbhSngigkeiten prSgnanter zu fassen, bezeichnen Malone und Crowston sie auch als „Sharing", „Flow" und „Fit".^°^ Eine Ubersicht uber das grundlegende Modell der Koordinationstheorie, das die Abhangigkeiten und Beispiele fur die jeweiligen Koordinationsprozesse darstellt, bietet Tabelle 5. Crowston (1997) geht davon aus, dass die Gestaltung eines (Leistungserstellungs-) Prozesses von den gewShlten Koordinationsmechanismen bzw. -instrumenten abhSngt, die zur Steuerung der Abhangigkeiten zwischen den Aufgaben und Ressourcen eines Prozesses verwendet werden. Die Koordinationsmechanismen beeinflussen demnach die Art der Prozesse mafigeblich: "Coordination theory provides an approach to the
Vgl. Crowston (1994), S. 24; Crowston (1997), S. 160; Malone et al. (1999), S. 278.
108
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
study of processes. In this view, the design of a process depends on the coordination mechanisms chosen to manage dependencies among tasks and resources involved in the process."^'^ Seit Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts ist eine Reihe von Publikationen erschienen, die ein wachsendes Interesse an der Entwicklung einer Koordinationstheorie aufweisen.^" Die noch in der Entwicklung befmdliche Koordinationstheorie wurde bisher im Bereich der Wirtschaftsinformatik, der Organisationslehre und der Innovationsforschung als Theoriegrundlage zur Erforschung der Effekte der Informationstechnologic auf Markte und Organisationen, der Gestaltung von Instrumenten zur UnterstUtzung von Kooperationen und der Entwicklung von verteilten und parallel vemetzten Computersystemen verwendet.^^^ Inwieweit auf der Grundlage der hier skizzierten Koordinationstheorie Erkenntnisse im Hinblick auf die Koordination in virtuellen Untemehmen abgeleitet werden k5nnen, soil im Anschluss an eine kritische WUrdigung nachfolgend diskutiert werden. 3.3.2 Beurteilung der Koordinationstheorie als ErklCirungsbasis fur die Koordination in virtuellen Unternehmen Auf der Grundlage der Koordinationstheorie ist eine prozessorientierte Sicht der Koordination mOglich.^^^ Sie erlaubt die Analyse von Koordinationsprozessen, indem sie auf die jeweiligen AbhSngigkeiten zwischen Aufgaben und Ressourcen sowie den unterschiedlichen Koordinationsanforderungen Bezug nimmt. Dariiber hinaus sensibilisiert sie dafiir, dass Koordinationsmechanismen und -instrumente in einer Vielzahl unterschiedlicher organisationaler Strukturen verwendet werden kOnnen und ihre Auswahl einen Einfluss auf die Koordinationsprozesse hat. Durch die prinzipielle MOglichkeit der Verwendung altemativer Koordinationsmechanismen zur L5sung eines Koordinationsproblems motiviert die hier dargestellte Theorie auch zur Neugestaltung und Optimierung organisationaler Prozesse.^^"* Zudem bietet sie durch die
510 511
512
Vgl. Crowston (1997), S. 157. Siehe z. B. Papadopoulos /Arbab (1998); Schmidt/Simone (1996); Simone et al. (1996); Homburg/SchneeweiB (1997); Rilling (1997); Wildemann (1997); Camarinha-Matos et al. (1999); ReiB (2000); Camarinha-Matos/Pantoja-Lima (2001). Siehe z. B. Bergqvist/Dahlberg (1998); Fleisch (2001); Pieles (2004).
513
Vgl. Crowston (1994), S. 6.
514
Vgl. Crowston (1997), S. 158.
Koordinationstheorie
109
Differenzierung unterschiedlicher Koordinationsmechanismen und -instrumente die M5glichkeit, sowohl bestehende als auch neue, sich herausentwickelnde Organisationsformen zu analysieren.^^^ Dabei ist das Ziel der Koordinationstheorie an sich nicht neu: Prozesse zu definieren, zu analysieren und sie zu optimieren war seit jeher ein wichtiges Ziel der Organisationstheorie.^^^ Der theoretische Beitrag der Koordinationstheorie besteht v. a. darin, die bestehenden Ansatze durch die Deicomposition von Aufgaben und Ressourcen zu prSzisieren. Den Potenzialen der Koordinationstheorie hinsichtlich der Erklarung von Koordinationsprozessen und der Auswahl von Koordinationsmechanismen bzw. -instrumenten stehen jedoch auch Limitationen gegentiber: Wie Crowston (1997) selbst darauf hinweist, stellt die Koordinationstheorie durch ihre Prozessorientierung die Komplexitat von Organisationen nur simplifiziert dar.^^^ So wird z. B. die starke Orientierung der Koordinationstheorie an der Informationsverarbeitung kritisiert und eine starkere Berlicksichtigung sozialer Aspekte gefordert.^'^ Akteure werden in erster Linie als informationsverarbeitende Systemeinheiten betrachtet.^'^ Die Fragen, weshalb sie motiviert sind, die Aufgaben im Rahmen eines arbeitsteiligen Leistungserstellungsprozesses zu erfiillen, und wie sie ihre Aufgabe verstehen, werden nicht thematisiert. Ebenso werden die Bedingungen und Kontextfaktoren, unter denen Koordinationsprozesse erfolgen, ausgeblendet. So bleiben z. B. personenorientierte Koordinationsinstrumente wie Vertrauen oder eine auf Vertrauen aufbauende Untemehmenskultur bei der Analyse von Koordinationsprozessen unberticksichtigt. Die Limitationen der Koordinationstheorie miissen jedoch vor dem Hintergrund ihrer vergleichsweise kurzen und noch verlaufenden Entwicklungsphase betrachtet werden, sodass eine abschlieBende Theoriekritik aus diesem Grunde noch nicht mSglich ist. Die Koordinationstheorie liefert mit ihren zentralen Konzepten der Komponenten der Koordination (Tabelle 3), der Prozessebenen der Koordination (Tabelle 4) und der Typologie von Interdependenzen zwischen Aufgaben und Ressourcen (Abbildung 5) wichtige Beitrage zur theoretischen Fundierung der vorliegenden Arbeit und zur
^'^ Vgl. Crowston (1997), S. 160; Crowston (1994), S. 26. ^'^ Siehe z. B. Thompson (1967); Van de Ven et al. (1976); Mintzberg (1979); Martinez/Jarillo (1989); McCann/Galbraith (1981). ^'^ Vgl. Crowston (1997), S. 173. ^^^ Vgl. Kling et al. (2001); Himberger (1994), S. 29 f. ^'^ Vgl. Malone(1990),S. 57.
110
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
Beantwortung der zweiten Forschungsfrage. Die hier betrachteten Konzepte ermOglichen eine systematische Betrachtung der Koordination und der mit ihr verbundenen Prozesse. Daruber hinaus kann auf der Basis der Koordinationstheorie die Auswahl und Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen begrundet werden, wodurch sie einen vergleichsweise hohen Praxisbezug aufweist. Durch die prozessorientierte Sichtweise der Koordinationstheorie eignet sie sich v. a, zur Analyse von Koordinationsinstrumenten, die einen eher prozessualen Charakter aufweisen, wie z. B. Plane Oder Planungen. 3.4 Vergleich der Erklftrungsaiisfltze Der Transaktionskostenansatz, der Selbstorganisationsansatz und die Koordinationstheorie tragen zur theoretischen Fundierung der Koordination in virtuellen Untemehmen bei. Dabei ist auf der Grundlage der jeweiligen Theorien bzw. Ansatze die Betrachtung der Koordination und der Verwendung von Koordinationsinstrumenten aus unterschiedlichen Blickwinkeln mSglich: Der Transaktionskostenansatz macht auf der Basis einer statisch-komparativen Analyse deutlich, dass jegliche Koordination mit einem fmanziellen Aufwand verbunden ist, und erlaubt damit eine kostenorientierte Perspektive. Er sensibilisiert dafiir, dass bei der Auswahl von Koordinationsinstrumenten das Effizienzkriterium im Vordergrund steht. Der Selbstorganisationsansatz stellt auf die Frage der Komplexitatsbewaltigung bei der Koordination sozialer Systeme ab und riickt das Selbstorganisations- bzw. Selbstkoordinationspotenzial der Organisationsmitglieder in den Vordergrund der Betrachtung. Die theoretische Fundierung der in dieser Arbeit verfolgten Fragestellungen wird mit der Koordinationstheorie durch eine prozessorientierte Perspektive der Koordination ergSnzt. Die drei hier dargestellten Theoriebeitrage kSnnen durch die Betrachtung der Koordination aus den jeweils unterschiedlichen Perspektiven als Heuristiken mit z. T. betrachtlichem Erklarungswert genutzt werden. Die hier betrachteten Theorieansatze weisen erhebliche Unterschiede hinsichtlich ihrer Erklarungskraft in Bezug auf die Begrundung der Auswahl und Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen auf. Sowohl der Transaktionskostenansatz als auch der Selbstorganisationsansatz liefem hierzu aufgmnd ihres recht hohen Abstraktionsgrades nur wenig Anhaltspunkte."^ Durch die Analyse der Komponenten und Prozessebenen der Koordination sowie der Typologie von Abhangigkei-
"° Siehe hierzu Abschnitt 3.1.2 und 3.2.2.
Vergleich der ErkiarungsansStze
111
ten bietet die Koordinationstheorie die grSBte ErklSrungskraft im Hinblick auf die BegrQndung der Auswahl von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen."^ Hierbei wird u. a. die Eignung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien zur UnterstUtzung der Koordination hervorgehoben."^ Zudem erm(3glicht die Koordinationstheorie unter Einbeziehung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien auf Aspekte des organisatorischen Wandels einzugehen und Anknupfungspunkte zur Transaktionskostentheorie zu bieten. Crowston (1994) fiihrt hierzu aus: „The use of electronic media (and other kinds of IT) will change the relative costs of coordination mechanisms, making new processes feasible and desirable. Coordination theory thus provides a conceptual link between organizational form and the use of communication technology."^^^ Soziale Aspekte wie Vertrauen und eine auf Vertrauen basierende Untemehmenskultur, denen ein wesentlicher Stellenwert bei der Koordination komplexer Prozesse beigemessen wird,""^ bleiben beim Transaktionskostenansatz und der Koordinationstheorie jedoch unberiicksichtigt. Dagegen werden soziale Aspekte im Selbstorganisationsansatz im Rahmen einer Kontextsteuerung mit einbezogen."^ Die drei Theoriebeitrage werfen vor dem Hintergrund ihrer inhaltlichen Fokussierung wichtige Gestaltungsfragen zur Konfiguration und Koordination von Organisationen im Allgemeinen und virtuellen Untemehmen im Speziellen auf. Hinsichtlich der Ableitung von GestaltungsvorschlSgen ftir die Managementpraxis unterscheiden sie sich jedoch erheblich von einander. Wahrend auf der Grundlage des Transaktionskostenansatzes nur grobe Tendenzaussagen hinsichtlich einer Koordination zwischen den Extremformen Markt und Hierarchic mSglich sind, bietet der Selbstorganisationsansatz der Munchner Provenienz einzelne, wenn auch eher generelle Gestaltungsvorschlage hinsichtlich einer institutionalisierten Selbstorganisation. Dagegen liefert die Koordinationstheorie unter Bezugnahme auf die Prozessebenen und die identifizierten grundlegenden Abhangigkeiten zwischen Aufgaben und Ressourcen zahlreiche Gestaltungsvorschiage in Form von Beispielen generischer Koordinationsprozesse.
Siehe hierzu Abschnitt 3.3.2. Vgl. Malone/Crowston (1991), S. 22 u. 27; Malone (1988), S. 15. Vgl. Crowston (1994), S. 5. 524 Siehe z. B. Kfiszegi (2001), S. 43; Jarisch et al. (2001), S. 110; Zimmermann (2003), S. 149;
Handy (1995), S. 44; PicotTleichwald (1999), S. 141; Picot et al. (2003), S. 438; Grabowski/Roberts (1999), S. 713. Siehe hierzu Abschnitt 3,2.2.
112
Theoretische Ansatze zur Erklarung des Koordinationsinstrumenteneinsatzes
Der in dieser Arbeit verfolgte Ansatz kann als Synthese der zentralen Annahmen und Modelle der hier dargestellten Theorieansatze betrachtet werden. Ausgehend von der Annahme, dass die Auswahl von Koordinationsinstrumenten sich nach Effektivitatsund Effizienzkriterien richtet, wird von einer eingeschrSnkten Seibstorganisation in virtuellen Untemehmen ausgegangen. Dabei wird ein komplementSres Verhaltnis von Fremdorganisation (z. B. durch einen zentralen Koordinator) und Seibstorganisation (z. B. gemeinsame Abstimmungen) angenommen. Femer ist zu vermuten, dass mehrere Koordinationsinstrumente zur Steuerung ein und desselben Abhangigkeitsverhaltnisses bzw. Abstimmungsprozesses verwendet werden kSnnen und dass aufgrund des hohen Kommunikationsbedarfs in virtuellen Untemehmen der Kommunikation eine SchlUsselfunktion zukommt. Die dargestellten drei TheorieansStze bilden eine heuristische Grundlage fiir die vorliegende explorative Untersuchung. Sie schr^nkt dabei die Wahmehmung neuer, in der Forschung bisher unberilcksichtigt gebliebener Aspekte und Zusammenhange nicht ein, da die hier dargestellten Annahmen nicht als Gesetzmafiigkeiten betrachtet werden, sondem lediglich als erkenntnisleitende InterpretationsmOglichkeiten verwendet werden. Die Erkenntnisgewinnung im Rahmen dieser Arbeit ist damit nicht theorielos und wird hier als offener, hermeneutisch-interpretativer Prozess verstanden. Nachdem die theoretische Basis fiir die vorliegende Arbeit dargestellt wurde, wird im Folgenden die Vorgehensweise bei der empirischen Untersuchung dieser Arbeit nSher betrachtet.
4 Empirische Untersuchung Wie schon in der Einleitung angemerkt wurde, handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine erste umfangreiche empirische Annaherung zur Untersuchung des Einsatzes von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen. Um die dabei gewShlte Vorgehensweise zu verdeutlichen (Kapitel 4.1), werden zunachst die methodologischen Grundlagen (Kapitel 4.1.1) sowie der hier vertretene Forschungsansatz dargestellt (Kapitel 4.1.2). AnschlieBend wird das Forschungsdesign naher betrachtet (Kapitel 4.2). Hierbei wird die Auswahl der untersuchten Untemehmensbeispiele und - da die Expertenbefragung als zentrale Erhebungsmethode gewShlt wurde - die Auswahl der Interviewpartner beschrieben (Kapitel 4.2.1), die Datenerhebung naher dargestellt (Kapitel 4.2.2) und die Datenanalyse verdeutlicht (Kapitel 4.2.3). In einer kritischen Reflexion wird schlieBlich kurz auf die Gute des Forschungsprozesses eingegangen (Kapitel 4.3). 4.1 Methodologische Grundlagen und Forschungsansatz Verschiedene Grtinde haben dazu geftihrt, dass keine quantitative Untersuchung, die das Uberprtifen von Hypothesen verfolgt, zu diesem Forschungsthema durchgefiihrt werden konnte. Wie in Kapitel 2.1 dargestellt, wurde zwar bisher eine Vielzahl von Beitragen zum Konzept des virtuellen Untemehmens publiziert, jedoch kann es aufgrund des Fehlens einer allgemein akzeptierten Definition und des Mangels einer theoretischen Fundierung, die Kennzeichen relativ junger, noch weitgehend unerschlossener Forschungsgebiete sind,"^ noch nicht als etabliert oder gar eigenstandig bezeichnet werden.^^^ Zwar vermitteln erste grOBere Forschungsarbeiten einen praxisorientierten Einblick in die Funktionsweise virtueller Untemehmen, jedoch wurde die hier zu untersuchende Fragestellung der Koordination von bzw. der Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen bisher nur ansatzweise diskutiert."* Die hierzu in der Literatur vorfindbaren wenigen empirischen und theoretischen Ansatzpunkte batten jedoch nicht ftlr eine adaquate Operationalisierung bzw.
"^ Vgl. Porter (1991), S, 95; Daft/Buenger (1990), S. 101. Lueken (1992), S. 176 ff. betrachtet sie noch im Ubergang aus der primaren Praxis in die theoretische Praxis. "^ Vgl. Reiss (2002), S. 26; Drumm (1996), S. 8. Aus diesem Grunde wird in dieser Arbeit auch nicht, wie bei manchen Autoren zu fmden, von dem „Modell des Virtuellen Untemehmens" gesprochen, sondem lediglich von dem Konzept des virtuellen Untemehmens. ^^^ Siehe hierzu auch Abschnitt 2.3.
114
Empirische Untersuchung
Umsetzung einer quantitativen Untersuchung ausgereicht. Nicht zuletzt ware es aufgrund der noch relativ geringen Verbreitung von Untemehmensbeispielen, die einen hohen Deckungsgrad in Bezug auf die in Abschnitt 2.1.2 genannten konstitutiven Merkmale virtueller Untemehmen aufweisen, aus forschungspraktischer Perspektive sehr schwierig geworden, eine ausreichend hohe Fallzahl fiir eine quantitative Untersuchung zu finden. Die Wahl des Forschungsansatzes und der Forschungsmethode sollte sich in Anlehnung an das in der methodologischen Diskussion erhobene Postulat der Gegenstandsorientierung allein an den zu untersuchenden sozialen bzw. organisationalen Phanomenen orientieren,"^ Da es sich bei der Koordination von virtuellen Untemehmen um ein komplexes Phanomen handelt,^^^ liefe eine quantitative Untersuchung Gefahr, mit „eindimensionaien" quantitativen Wirkindikatoren die eigentlichen Effekte bestenfalls verktirzt abzubilden.^^* So wird z. B. in Bezug auf die Mehrzahl der quantitativen Studien, in denen Koordinationsprozesse in Untemehmen untersucht wurden, bekiagt, dass anhand von aggregierten und nicht getesteten Skalen nur eine recht oberfiachliche Analyse der Koordinationsprozesse in Untemehmen erfoigt und Ublicherweise nur die Zusammenhange zwischen dem Kontext und den verwendeten Koordinationsinstmmenten korrelationsstatistisch aufgezeigt werden, die vom Forscher zuvor auch vermutet wurden.^^^ Dadurch kann jedoch nicht sichergesteUt werden, ob auch die tatsachlichen Faktoren und Wirkzusammenhange berticksichtigt werden. So besteht die MCglichkeit, dass zwar auf formeile Koordinationsinstmmente Bezug genommen wird, jedoch die jeweiligen informellen Koordinationsinstmmente durch ein standardisiertes Erhebungsinstmment nur unzureichend oder gar nicht abgebildet werden kOnnen."^ Auch die Chance, dass neue Zusammenhange oder Erkenntnisse gefunden werden, verringert sich durch einen auf die Erhebungsmethode zurUckzufuhrenden zu engen Fokus betrachtlich. Zudem ware mit einer standardisierten Erhebungsmethode das Risiko verbunden, fahrlassig Ober Unterschiede in den Auspragungen und spezifischen Kontextfaktoren virtueller Untemehmen hinwegzusehen und lediglich einen sehr eingeschrankten und verzerrten Ausschnitt der Realitat
"^ Vgl. Kleining(1995),S. 13. "° Vgl. Wirtz (2000), S. 109. ^^^ Vgl. BortzADOring (2002), S. 113. "^ Vgl. Wolf (2005), S. 327. "^ Vgl. Wolf (2005), a.a.O.
Methodologische Grundlagen und Forschungsansatz
115
abzubilden. So k5nnen in einem quantitativen Untersuchungsdesign z. B. individuelle Gewichtungen von Argumenten und subjektiven Abstufungen nur sehr unzureichend beriicksichtigt werden. Vor dem Hintergrund der Forschungsfragen und der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit sowie der o. g. UnzulSnglichkeiten wurde fiir diese Arbeit ein qualitativer Forschungsansatz gewShlt, der eine explorative Annaherung an den Forschungsgegenstand ermSglicht und mit dem das Ziel der Generierung empirisch fundierter Hypothesen im Hinblick auf die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen erreicht werden kann. Mit Hilfe von Fallstudien, in denen einzelne FSlle einer vertieften Analyse unterzogen werden, wird eine inhaltliche Ausdeutung des zu untersuchenden PMnomens vorgenommen.^^"* Damit wird einerseits der Auffassung der empirischen Sozialforschung gefolgt. So konstatiert z. B. Atteslander (2003): „Je weniger man Uber einen Gegenstand weiB und je weniger ein Gebiet erforscht ist, desto wichtiger ist es, ausreichende qualitative Abkiarungen jedem Versuch des Messens voranzustellen."^^^ Andererseits wird die hier gewahlte Vorgehensweise bei der Untersuchung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen auch von Fachvertretem der Betriebswirtschaftslehre vorgeschlagen.^^^ Mit einer soliden Durchfiihrung einer qualitativen Untersuchung besteht die Moglichkeit, tiefer in das bestehende Kausalgeflecht einzudringen und vollstandigere Erkenntnisse - in diesem Fall Uber die Koordination und die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen - hervorzubringen."^ In der weiteren Darstellung kann deutlich gemacht werden, dass die „Grounded Theory" sich als methodologische Grundlage dazu eignet, die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit zu erreichen. Mit ihr ist der Forschungsansatz der hypothesengenerierenden vergleichenden Fallstudie verbunden.
Wolf (2001), S. 28 weist z. B. darauf hin, dass in vielen Fit-Studien mit statistischen Methoden die Variablenkonfigurationen erfolgreicher Untemehmen bestimmt werden, ohne diese Variablenmuster inhaltlich auszudeuten. 535
Vgl. Atteslander (2003), S. 58. Es ist jedoch nicht gerechtfertigt, die explorative Sozialforschung immer nur als Vorstufe bzw. Vorbereitung fiir die Anwendung quantitativer Methoden anzusehen, da es immer mehr gesellschaftliche und damit auch 6konomische Phanomene und Fragestellungen gibt, die sich einer quantitativen Untersuchung verschlieBen und nur durch qualitative Forschungsmethoden zugSnglich sind. Vgl. Atteslander (2003), a.a.O. Siehe hierzu auch Kutschker et al. (1997), S. 18, die der Auffassung sind, dass die qualitative Forschung eine eigenberechtigte Forschung darstellt. Siehe z. B. Wirtz (2000), S. 108. Zu den Limitationen des hier gewahlten qualitativen Forschungsansatzes siehe Abschnitt 4.3.
116
Empirische Untersuchung
4,1.1 Die Grounded Theory als methodologische Basis der Arbeit Da die qualitative Sozialforschung nicht von Hypothesen ausgeht, die aus vorhandenen Theorien deduktiv abgeieitet werden, sondem zunSchst einmal mit einer mehr Oder weniger „offenen" Sammlung von Daten beginnt, wird ihr Vorgehen als „induktiv" bezeichnet."^ Nach Auffassung von Glaser/Strauss (1967), die als Begrtinder der Grounded Theory gelten,^^^ sei es fUr eine „unvoreingenommene" Erfassung der Realitat weder notwendig noch fbrderlich, von theoretischem Vorwissen auszugehen, da der Forscher somit bereits voreingenommen die Datenerhebung beginnt. Theoretisches Wissen soil sich bei der Datenerhebung quasi allein in einem Emergenzprozess herausbilden.^'^^ Da es jedoch weder mSglich noch sinnvoll ist, ohne ein subjektives Vorverstandnis, das theoretische Konzepte mit einschlieBt/"^' ein Forschungsprojekt zu beginnen bzw. durchzufiihren/"*^ soil hier dem theoriegeleiteten Ansatz von Strauss/Corbin (1990) gefolgt werden. Mit der Einbeziehung von Theorien, die vorwiegend als heuristischer Bezugsrahmen benutzt werden,^"^^ kann die Vorgehensweise somit nicht mehr ausschliel31ich als induktiv bezeichnet werden, da verschiedene deduktive Elemente integriert sind. Die Methodologie der „Grounded Theory" nach Strauss/Corbin (1990) bietet sich fiir die Erreichung der Zielsetzung der hier vorliegenden Arbeit dadurch an, dass sie weder auf einer rein subjektivistischen noch einer rein objektivistischen Grundposition basiert^"^"* und damit eine gemaBigte Grundposition einnimmt.^"^^ Mit der Grounded
538
Vgl. Kelle/Kluge (1999), S. 16. Vgl. Turner (1983), S. 333. Siehe hierzu weiterfuhrend: Glaser/Strauss (1967); Glaser (1978); Strauss (1991), Strauss/Corbin (1998). Locke (2001) weist darauf hin, dass trotz des groBen Interesses, die „grounded theory" missverstandlich als Synonym fiir qualitative Forschungsmethoden aufgefasst wird. Sie weist noch einmal darauf hin, dass die grounded theory keine Forschungsmethode darstellt, sondem ein Forschungsansatz ist, der auf der Idee aufbaut, dass theoretische Konzepte auf der intersubjektiven Realitat der sozialen Welt „verankert" bzw. gegriindet sein sollen.
540
Vgl. Glaser/Strauss (1967), S. 47. Vgl. Wrona (2005), S. 19. In dieser Auffassung stimmen die modernen wissenschaftsphilosophischen Schulen weitestgehend Oberein. In Gadamers Hermeneutik wird es deutlich, dass dem Sinnverstehen immer ein Vorverstandnis bzw. ein „Vorurteir' (das hier wertneutral und nicht unbedingt negativ zu verstehen ist) vorausgehen muss. Vgl. Gadamer (1960), S. 281 ff.. Zu weiteren wissenschaftsphilosophischen Ausfiihrungen siehe z. B. Lakatos (1982), S. 14. Siehe hierzu die einleitende Darstellung in Abschnitt 3. Vgl. Lamnek (1993), S. Ill ff.. Vertreter einer objektivistisch-positivistischen Grundposition betrachten die soziale Realitat als objektiv gegeben, die durch ein Netz von (Kausal)zusammenhangen zwischen ihren konstituierenden Elementen reprSsentiert wird. Dagegen fassen
Methodologische Grundlagen und Forschungsansatz
117
Theory wird versucht, den Erkenntnisgewinn in empirischen Daten zu verankem („grounded") und durch fortwahrende Interpretationen der sich zeitlich (Iberlappenden Datenerhebung und -analyse zu untersttitzen. Diese Methode basiert, beginnend mit der Datenerhebung, auf einem kontinuierlichen Vergleich gewonnener Daten mit der sich im Interpretationsprozess herausentwickelnden Theorie.^"^^ Ihr Ziel liegt darin, auf einem hSheren Abstraktionsniveau Kategorien zu bilden, ZusammenhSnge aufzudecken und, wenn mCglich, allgemeinere Gesetzeszusammenhange abzuleiten, die eine Grundlage filr die Bildung von Theorien mittlerer Reichweite bieten.^"*^ Ihr theoriekonstruktiver Charakter ermOglicht es in der vorliegenden Arbeit somit, auf der Grundlage der erhobenen Daten Hypothesen Ober den Einsatz von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen zu generieren. Durch den mit ihr angestrebten breiten Zugang zum Untersuchungsfeld wird der explorative Charakter der Grounded Theory verdeutlicht, der sich insbesondere fiir das Aufdecken und das genauere Verstehen von PhSnomenen anbietet, Uber die - wie in Bezug auf die Koordination virtueller Untemehmen - bisher nur wenig bekannt ist.^"^^ Die Grounded Theory eignet sich insbesondere durch ihren interpretativen Charakter zur Analyse von qualitativen Daten, die aus Beobachtungen, halbstrukturierten und unstrukturierten Interviews gewonnen wurden sowie der Analyse von Fallstudien.^"*^ Dabei bleibt sie nicht auf die Erhebung und Analyse einer Momentaufnahme beschrSnkt, sondem erm6glicht aufgrund ihrer methodischen Offenheit und Flexibilitat das Aufdecken von Prozessmustem und Entwicklungslinien.^^° Mit dem dynamischen Analyseprozess, der die gleichzeitige Interpretation wahrend der Datenerhebung
die Vertreter einer subjektivistischen Grundposition die soziale Realitat nicht als objektiv gesehen und messbar auf Sie betrachten die Realitat als von Individuen konstruiert, die durch Bedeutungszuschreibungen. Situations- und Handlungsinterpretationen ihren Sinn erfKhrt. Vgl. Morgan/Smircich (1980), S. 493. In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wird h^ufig auf die Systematisierung von Ansatzen auf den Bezugsrahmen von Burell/Morgan (1979) Bezug genommen. Aus diesem Grund wird die Grounded Theory recht h^ufig als Methodologie in qualitativen Forschungsarbeiten zu Grunde gelegt. Siehe z. B. Sieber (1998a), S. 70 ff; Maurer (2003), S. 74 ff. 546
Vgl. Eisenhardt( 1989), S. 534.
547
Zur Rolle der Grounded Theory bei der Entwicklung akonomischer Theorien siehe z. B. Finch (2002).
548 549 550
Vgl. Strauss/Corbin (1990), S. 19. Vgl.Tumer(1983),S. 335. Vgl. Strauss/Corbin (1990), S. 143 ff
118
Empirische Untersuchung
ermOglicht/^* wird der prozessorientierte Charakter der Grounded Theory betont. Die Offenheit und Flexibilitat dieser Methodologie setzt sich in der Wahl der vergleichenden Fallstudie als zentraler Forschungsansatz der vorliegenden Arbeit fort. 4,1.2 Der Forschungsansatz der vergleichenden Fallstudie Die Verwendung von Fallstudien bietet sich insbesondere dann an, wenn ein in der Theorie weitgehend ungekiartes Phanomen in seiner Ganzheit und Komplexitat sowie unter Beriicksichtigung seines spezifischen Kontextes untersucht werden soU.^" Femer kann die Verwendung von Fallstudien damit begrilndet werden, wenn angenommen werden kann, dass der Kontext wichtige beschreibende Variablen tiber das zu untersuchende Phanomen aufweist oder die Grenzen zwischen dem Phanomen und dem Kontext nicht evident sind.^" Daher kann eine Fallstudie wie folgt defmiert werden: ,^4 case study is an empirical inquiry that investigates a contemporary phenomenon within its real-life context, especially when the boundaries between phenomenon and context are not clearly evident."^^"* In der Methodendiskussion zur Verwendung von Fallstudien werden haufig die Arbeiten von Yin sowie Miles/Huberman zitiert.^^^ Jedoch lassen sich in Bezug auf die Fallstudienmethode weitere ForschungsstrQmungen erkennen, die unterschiedliche Akzente betonen oder andere Techniken der Entwicklung von Theorien aus Fallstudien anwenden."^ Wurde die Theoriebildung auf der Grundlage qualitativer Forschung zunachst sehr skeptisch betrachtet, wird seit einiger Zeit vermehrt auch in der Betriebswirtschaftslehre die Durchfahrung von Fallstudien vorgeschlagen.^^^ Prominentes Beispiel hierfiir ist Porter (1991): "Academic journals have traditionally not accepted or encouraged the deep examination of case studies, but the nature of strategy
So ist es z. B. schon wahrend des Interviews mOglich, den Interviewpartner durch Nachfragen zu einem bestimmten Aspekt eingehender zu befragen und die gewonnenen Informationen dabei vor dem Hintergrund bisher gesammelter Daten zu interpretieren. Vgl. Yin (1981), S. 59; Yin (2003), S. 13; Bortz/DOring (2002), S. 113; siehe auch Stake (1994), S. 245. Zur Erkenntnisgewinnung durch Fallstudien siehe z. B. Borchardt/GOthlich (2006). 553
Vgl. Yin (1993), S. 31.
554
Vgl. Yin (2003), S. 13, (Hervorh. im Original).
555
Siehe Yin (1981); Yin (1993); Yin (2003); Miles/Huberman (1994). Yin hat die Fallstudie als eine Forschungsstrategie herausgearbeitet, eine Typologie von Fallstudiendesigns entwickelt und die Vorgehensweise bei der Durchfiihrung mehrerer Fallstudien beschrieben.
556 557
Siehe hierzu z. B. Eisenhardt (1989), S. 534. Vgl. hierzu die Diskussion bei Scherer (1995), S. 113.
Methodologische Grundlagen und Forschungsansatz
119
requires it. The greater use of case studies in both books and articles will be necessary for real progress at this stage in the field's development."^^^ Die besondere Starke von Fallstudien liegt darin, dass sie nicht auf statische Momentaufnahmen beschrankt bleiben, sondem dem Forscher einen induktiven, interpretativen und breiten Zugang zur Empiric er5ffnen. Damit ist es mSglich, praktisch relevante, datenbasierte Aussagen zu treffen sowie Entwicklungen und Prozessablaufe nachzuvollziehen.^^^ Anders als in quantitativen Untersuchungen bestehen der wissenschaftliche Anspruch und das Ziel nicht in der statistischen Generalisierbarkeit und der Darstellung der Haufigkeiten in Bezug auf die zu untersuchenden Phanomene. Vielmehr geht es in den noch weitgehend unerforschten Themenbereichen zunachst einmal darum, sich dem Untersuchungsfeld bzw. dem Forschungsgegenstand explorativ zu nahem und aus typischen oder besonders auffUlligen realen Fallen zu lemen. Dabei kSnnen Fragen nach dem Wie und Warum beantwortet werden, Ursache und Wirkungszusammenhange aufgedeckt sowie Strukturmuster erkannt werden und die darauf aufbauenden Aussagen, z. B. in Form von Hypothesen, in den wissenschaftlichen Diskurs Oberfuhrt werden.^'^ Neben der Beschreibung von empirisch beobachtbaren Phanomenen kSnnen Fallstudien auch dazu genutzt werden, zur Generierung von Theorien beizutragen.^^' In der vorliegenden Arbeit werden Fallstudien insbesondere zur Beschreibung der Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen und als Grundlage fUr einen Theoriebeitrag durch die Generierung von Hypothesen verwendet. Damit steht die Verwendung von Fallstudien in direktem Zusammenhang mit dem Einsatz der Grounded Theory. Wahrend die Fallstudien den konkreten Forschungsansatz der Arbeit darstellen, bildet die Grounded Theory die methodologische Grundlage.^^^
Vgl. Porter (1991), S. 99. 559
Vgl. Yin (2003), S. 109 ff.; Parkhe (1993), S. 250. Lamnek (1993), S. 5 weist darauf hin, dass es bei der Fallstudie insbesondere darum geht, ein ganzheitliches und realistisches Bild der sozialen Welt zu zeichnen, indem moglichst alle fur das Untersuchungsobjekt relevanten Dimensionen in die Analyse einbezogen werden. Vgl. Osterloh (1993), S. 80 ff.; Yin (2003), S. 7 ff.; Maurer (2003), S. 78. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 535; Kromrey (1986), S. 320. Die Unterscheidung zwischen dem methodologischen Paradigma (in dieser Arbeit die Grounded Theory), dem Forschungsansatz (hier die Fallstudie) und der konkreten Erhebungstechnik (das Experteninterview) fmdet sich z. B. auch bei Lamnek (1995), S. 4 f
120
Empirische Untersuchung
Bei der Erstellung von Fallstudienarbeiten ergeben sich zunSchst zwei grundlegende Fragen. Die erste Frage bezieht sich auf die Analyse- bzw. Untersuchungseinheit, die den zu untersuchenden Fall bestimmt.^^^ Die zweite Frage betrifft die Anzahl der zu untersuchenden Falle. Hierbei muss - in Abhangigkeit der gewUnschten Hypothesenform - entschieden werden, ob nur ein einzelner Fall oder mehrere Faile betrachtet werden sollen. Die Untersuchungseinheit stellt die Analyseeinheit der Fallstudie dar und ist so zu wShlen, dass mit ihr die Beantwortung der Forschungsfrage erm5glicht wird und dabei das zu untersuchende Phanomen vor dem Hintergrund seines spezifischen Kontextes betrachtet werden kann.^^"^ In der vorliegenden Arbeit stellt ein virtuelles Untemehmen unter BerUcksichtigung seines spezifischen Kontextes das Untersuchungso^yeA:/ dar. Die in dem virtuellen Untemehmen verwendeten Koordinationsinstrumente werden dagegen als UntQrsuchungseinheiten betrachtet. Die Frage, ob die empirische Grundlage einer Fallstudienarbeit in der Betrachtung eines einzelnen Falls oder mehrerer Falle bestehen soil, zielt auf das Fallstudiendesign ab. Yin unterscheidet hier zwischen den zwei wesentlichen Typen von Fallstudien: dem „single-case design" (Einzelfallstudie) und dem „multiple-case design" (vergleichende Fallstudie).^^^ Die Einzelfallstudie weist deutliche Parallelen zum Einzelfallexperiment auf und konzentriert sich auf zumeist kritische, extreme, einzigartige, reprasentative, typische oder bisher nicht zugangliche Falle oder solche, die Uber einen langeren Zeitraum beobachtet werden.^^^ Einzelfallstudien werden z. B. durchgefuhrt, um theoretische Erkenntnisse in Frage zu stellen und neue Erkenntnisse in Bezug auf bislang unerforschte Phanomene zu gewinnen. Der Vorteil eines „multiple-case designs" bzw. einer vergleichenden Fallstudie gegeniiber einer Einzelfallstudie liegt darin, dass die gewonnen Erkenntnisse durch Ahnlichkeiten und Unterschiede zwiEin Fall kann als ein beobachtbares Phanomen innerhalb eines eingrenzbaren Kontextes definiert werden. Vgl. Miles/Huberman (1994), S. 25. Dabei kann sich ein Fall auf unterschiedliche Untersuchungseinheiten beziehen wie z. B. ein Individuum, eine soziale oder organisationale Gruppe (Familie, Kultur, Organisation), Verhaltensmuster (Entscheidungen) sowie Prozesse (sozialer oder organisationaler Wandel, Gruppenprozesse, Steuerungsprozesse). Vgl. Laninek (1995), S. 5 f; Miles/Huberman (1994), S. 25 f; Yin (1993), S. 48. Vgl. Yin (1993), S. 47 f Vgl. Yin (1993), S. 79; Yin (2003), S.39 ff. Neben diesen zwei wesentlichen Untergruppen differenziert Yin (2003), S. 42 f Fallstudien femer in „holistic case studies" und „embedded case studies". Wahrend „holistic case studies" sich auf eine Analyseeinheit (z. B. ein Krankenhaus) beziehen, werden in „embedded case studies" mehr als eine Analyseeinheit (z. B. ein Krankenhaus, ihre Angestellten und ihre technische Ausstattung) betrachtet. Zusammen mit der Unterscheidung zwischen „single-" und „muhiple-case studies" bildet er eine 2x2 Matrix. Vgl. Yin (2003), a.a.O.
Methodologische Grundlagen und Forschungsansatz
121
schen den Fallen kritisch beleuchtet werden kOnnen. Aus diesem Grund gelten die Ergebnisse vergleichender Fallstudien als tiberzeugender, vertrauenswUrdiger und robuster.^^^ Bei der Betrachtung dleser Vorteile muss jedoch berilcksichtigt werden, dass mit dem Forschungsansatz der vergleichenden Fallstudie, abgesehen von nicht geringen Kosten, v. a. ein erheblicher Zeitaufwand verbunden ist. ^^^ Die einzelnen Fallstudien stellen, ahnlich wie bei der Durchfiihrung einer Serie von Experimenten, jeweils eigene Studien bzw. eigene Untersuchungseinheiten dar. Wie noch zu zeigen sein wird, unterscheiden sich aufgrund der jeweiligen Auspragungen virtueller Untemehmen die im Sample befmdlichen Fallstudien.^^^ Diese gewunschte Eigenschaft des Samples dient der fUr Fallstudien geforderten „replication logic".^^^ Hierbei geht es darum, Erkenntnisse, die aus einer Fallstudie gewonnen wurden, in weiteren Fallstudien des Samples zu replizieren, um sie durch ahnliche Befunde zu bestatigen („literal replication") oder durch abweichende oder kontrare Befunde zu hinterfragen (^theoretical replication"). Diese Vorgehensweise tragt dazu bei, die GlaubwOrdigkeit der aus den Daten gewonnenen Aussagen zu erhShen und die Validitat und Robustheit der Untersuchung zu bestarken.^^' Nachdem mit den Ausfiihrungen zur Grounded Theory auf die methodologische Basis eingegangen wurde und mit der vergleichenden Fallstudie der Forschungsansatz dieser Arbeit verdeutlicht werden sollte, wird im Folgenden das Forschungsdesign naher eriautert.
567
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 541; Miles/Huberman (1994), S. 29; Yin (2003), S. 19 und 53.
568
Vgl. Yin (2003), S. 47.
569
Eine Beschreibung der untersuchten Untemehmensbeispiele, auf deren Grundlage die Fallstudien im Wesentlichen basieren, erfolgt in Abschnitt 5.1.
570
Vgl. Yin (2003), S. 47 f; Eisenhardt (1989), S. 537; Miles/Huberman (1994), S. 29.
571
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 542; Parkhe (1993), S. 251.
122
Empirische Untersuchung
4.2 Forschimgsdesign Die bisherigen Ausflihrungen zur Grounded Theory und zum Forschungsansatz der vergleichenden Fallstudie verdeutlichen zwar die methodologische Grundlage dieser Arbeit, jedoch bleibt noch die Frage offen, wie man von der anfUnglichen Fragestellung zur Beantwortung dieser Fragestellung gelangt. Diesem forschungspraktischen Entwiclclungsverlauf widmet sich das Forschungsdesign, in der auf die Untersuchungsanordnung und die Vorgehensweise bei der Beantwortung der Forschungsfrage naher eingegangen wird.^^^ Auch wenn man vergeblich nach einem weitgehend anerkannten Forschungsdesign fUr Fallstudienarbeiten in der Fachliteratur sucht,^^^ bedeutet es nicht, dass ein solches weder angebracht noch hilfreich ist. Vielmehr wird der Forscher auch bei der Durchfiihrung einer explorativen Untersuchung durch seine eigenen konzeptionellen Ideen schon vor Beginn seiner Untersuchung eine grobe Vorstellung dessen haben, wie er methodisch vorgehen will, Nicht selten miissen dabei anfangs getroffene Planungen im weiteren Forschungsverlauf ver^ndert oder angepasst werden.^^"* Das Forschungsdesign ist davon abhangig, inwieweit die Absichten und das Ziel der Forschung zuvor defmiert wurden. Bei Fallstudienarbeiten werden Forschungsdesigns vorgeschlagen, die auf engen Rahmenvorgaben basieren.^^^ Das Forschungsdesign erftillt in dieser Untersuchung im Wesentlichen folgende drei Funktionen: Erstens sichert das Forschungsdesign den inhaltlichen Fokus der Untersuchung. Um nicht durch eine mehr oder weniger willktirliche Datenerhebung letztlich alles als potenziell wichtig zu erachten und in einem nicht mehr zu durchdringenden Datenmaterial zu ersticken, ist es notwendig, enge Rahmenvorgaben zu setzen, die den Forschungsprozess strukturieren.^^^ Das Forschungsdesign kann dabei als ein logischer Plan bezeichnet werden, mit dem sichergestellt werden kann, dass die empirischen Befunde Antworten auf die Forschungsfragen liefem und zusammen mit der Interpretation und den Schlussfolgerungen eine logische Einheit bilden.^^^ Zweitens ermSglicht
"^ Vgl. Bortz/DOring (2002), S. 203 ff.; Lamnek (1995), S. 386; Schnell et al. (2005), S. 211 ff; Yin (2003), S. 20 f. "^ Vgl. Yin (2003), S. 20. ^^"^ Vgl. Miles/Huberman (1994), S. 16 f ^^^ Vgl. Miles/Huberman (1994), S. 17; Yin (1993), S. 45. "^ Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540; Miles/Huberman (1994), S. 17; Yin (2003), S. 21 f. ^^^ Vgl. BortzA35ring (2002), S. 203; Yin (1993), S. 45; Yin (2003), S. 21.
Forschungsdesign
123
das Forschungsdesign durch die engen Rahmenvorgaben, die Fallstudien Uberhaupt vergleichen zu kCnnen. Die fUr vergleichende Fallstudien geforderte Replikation der Daten kOnnte ohne diese Rahmenvorgaben nicht sinnvoll durchgefiihrt werden, da ansonsten nicht deutlich werden wiirde, worin uberhaupt Ahnlichkeiten und Unterschiede bestehen. Drittens erlaubt ein enges Forschungsdesign die AnschlussfKhigkeit der gewonnenen Ergebnisse an den aktuellen Forschungsstand. Damit kOnnen die Ergebnisse einen Beitrag zur Weiterentwicklung theoretischer Konzepte leisten wie auch Ansatzpunkte flir daran anknOpfende empirische Arbeiten liefem.^^^ Die Gestaltung des Forschungsdesigns kann sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen.^^^ In der vorliegenden Arbeit wird auf die Aspekte der Auswahl der zu untersuchenden Falle und der Interviewpartner (4.2.1), die methodische Vorgehensweise der Datenerhebung (4.2.2) sowie die Datenanalyse (4.2.3) nSher eingegangen. 4.2.1 Auswahl der Unternehmensbeispiele und der Interviewpartner Die Auswahl der Unternehmensbeispiele stellt fiir eine Fallstudienarbeit wie bei einer hypothesentestenden Untersuchung einen entscheidenden Schritt dar, da mit der Stichprobe das Spektrum an potenziell erhebbaren Daten defmiert wird und sie einen Einfluss auf die Aussagekraft der empirischen Befunde hat.^^^ Anders als bei groB angelegten quantitativen Untersuchungen erfolgt die Auswahl der zu untersuchenden Falle jedoch nicht zufUllig, sondem muss wegen der bei vergleichenden Fallstudienarbeiten geforderten Replikationslogik zielgerichtet erfolgen.^^' Darilber hinaus ist eine zielgerichtete Auswahl auch aus 5konomischen und forschungspraktischen Grtinden geboten, da die DurchfUhrung von Fallstudienarbeiten mit einem hohen Erhebungs-, Analyse- und Kostenaufwand verbunden ist.^^^ Dies begrenzt wiederum die Anzahl der zu untersuchenden Falle und flihrt i. d. R. zu einem vergleichsweise uberschaubaren Sample.''' Als Auswahlkriterien fiir das Untersuchungsobjekt kOnnen die in Kapitel 2.1.2 dargestellten konstitutiven Merkmale virtueller Untemehmen herangezogen werden. Da " ' Vgl.Maurer(2003),S.82. "^ Vgl. Flick (2000), S. 22; Yin (2003), S. 21 ff. '*° Vgl. Eisenhardt( 1989), S. 536 f; Miles/Huberman (1994), S. 31. ''• Vgl. Yin (2003), S. 51; Bortz/DOring (2002), S. 336. '^^ Vgl. Liebig/Nentwig-Gesemann (2002), S. 169; Yin (2003), S. 47. '*' Vgl. Eisenhardt (1989), S. 545.
124
Empirische Untersuchung
jedoch mit dieser Arbeit die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in dieser Kooperationsform untersucht werden soil und Auswahlkriterien, die bereits auf Koordinationsinstrumente hinweisen, die Auswahl von Untemehmensbeispielen in Bezug auf die zu untersuchende dritte Forschungsfrage a priori einschranken wurde, wurden die in der Tabelle 1 unter Punkt 7 und 8 dargestellten Merkmale („Umfangreiche Vertragswerke werden durch gegenseitiges Vertrauen, ein gemeinsames GeschaftsverstSndnis und lose UbereinkUnfte ersetzt." und „weitgehender Verzicht auf die Institutionalisierung zentraler Management-Funktionen") nicht als Auswahlkriterien gewahlt. Eine Sonderstellung nehmen hierbei die modemen Informations- und Kommunikationstechnologien ein, die der Kategorie der informationstechnologischen Koordinationsinstrumente zugeordnet wurden.^*"* Da sie jedoch - wie bereits in Abschnitt 2.1.2 erwahnt -- als eine der zentralen Charakteristika virtueller Untemehmen hervorgehoben wurden, die den innovativen Charakter dieses Kooperationskonzepts betonen,^^^ wurden sie zu den Auswahlkriterien hinzugezogen. Dam it entsprechen die Auswahlkriterien der in Kapitel 2.1.3 festgelegten Arbeitsdefmition. Die Auswahl von Untemehmensbeispielen erfolgte deshalb auf der Grundlage folgender Merkmale: 1. Es besteht ein Netzwerk aus rechtlich und wirtschaftlich selbstandigen, insbesondere kleinen und mittelstandischen Untemehmen. 2. Die Kooperationspartner beteiligen sich bei der Leistungserstellung vorrangig mit ihren Kemkompetenzen. 3. Die Zusammenarbeit der Kooperationspartner erfolgt projektorientiert und ist zeitlich befristet. 4. Der Leistungserstellungsprozess erfolgt unter intensivem Einsatz modemer Informations- und Kommunikationstechnologien. 5. Die kooperierenden Einheiten treten nach auBen bzw. gegenuber dem Kunden als einheitliches Untemehmen auf. 6. Unter den kooperierenden Einheiten bestehen intensive ein- und wechselseitige Leistungsbeziehungen.
7. ( - ) ^^^ Siehe hierzu die Ausfuhrungen in Abschnitt 2.1.2 dieser Arbeit. ^^^ Siehe hierzu die AusfUhrungen in Abschnitt 2.1.4 dieser Arbeit.
Forschungsdesign
125
8. (..-) 9. Individualisierte Produkte betonen den hohen Stellenwert der Kundenorientierung. Mit diesen Auswahlkriterien konnte gewShrleistet werden, dass die Untemehmensbeispiele in das Untersuchungssample aufgenommen werden, die eine recht hohe Affinitat mit dem Idealtypus eines virtuellen Untemehmens aufweisen.^^^ Durch das Auswahlkriterium unter Punkt 1 wurden dabei bewusst Kooperationen unter GroBunternehmen ausgeschlossen. Dies war erforderlich, urn der in der Zielsetzung dieser Arbeit liegenden Fokussierung auf kleine und mittelstandische Untemehmen zu entsprechen. Dartiber hinaus sichert die Auswahl von Untemehmensbeispielen auf der Grundlage dieser Kriterien die grundlegende Vergleichbarkeit der gewonnenen Daten. Urn in dieser explorativen Untersuchung ein mOglichst vielschichtiges und informationsreiches Sample an Fallen zu erhalten, auf dessen Grundlage sich die Verwendung von Koordinationsinstrumenten differenziert und kontrastierend betrachten iSsst, folgt die Auswahl dem Prinzip des „theoretical sampling". Das Prinzip des „theoretical sampling" wurde von Glaser/Strauss (1967) entwickelt^^^ und bezieht sich auf die wahrend der Datenerhebung und -auswertung vom Forscher getroffene Auswahl von ahnlichen oder kontrastierenden Untersuchungseinheiten, die fur einen Vergleich bzw. die Analyse interessant sein kSnnte.^^^ Dieses Auswahlprinzip gewahrleistet die Wahmehmung von Vielfalt und Prozessen sowie die Dichte der erhobenen Datengrundlage, erfordert jedoch vom Forscher auch ein gewisses MaB an Flexibilitat, um bei der Datenerhebung auf relevante Aspekte, die zuvor nicht geplant oder vorhergesehen wurden, eingehen zu kOnnen.^^^ Die Fallauswahl orientiert sich somit im Sinne eines „geplanten Opportunismus" an den zugrunde gelegten Forschungsfragen sowie dem konzeptuellen Bezugsrahmen der Untersuchung.^^^
586
Eine Ubersicht, inwieweit die untersuchten virtuellen Untemehmen die Auswahlkriterien erfiillen, findet sich im Anhang in Tabelle 27. Vgl. Glaser/Strauss (1967), S. 45 Vgl. Bortz/DOring (2002), S. 334 und 336; Eisenhardt (1989), S. 537; Flick (2000), S. 81 ff.; Kelle/Kluge (1999), S. 44 ff; Lamnek (1993), S. 92; Strauss/Corbin (1990), S. 176 ff; zur Darstellung unterschiedlicher Samplingstrategien siehe Patton (1986), S. 169 ff. Vgl. Strauss/Corbin (1990), S. 178. Vgl. Miles/Huberman (1994), S. 29 f; Pettigrew (1990), S. 274 f. Im Gegensatz dazu erfolgt bei quantitativen, Hypothesen testenden Untersuchungen durch die Zufallsstichprobe ein „statistical sampling". Vgl. Eisenhardt (1989), S. 537.
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Empirische Untersuchung
Der spezifische Kontext, in dem die zu untersuchenden virtuelien Untemehmen operieren, kann einen Einfluss auf ihre Entwicklung sowie die Verwendung von Koordinationsinstrumenten haben. Im Einzelnen wurden bei der Fallauswahl folgende Kontextfaktoren berUcksiciitigt: das Grundungsjahr, die geographische Verteilung der Kooperationspartner, die Gr5l3e und Rechtsform sowie der Branchensektor, in dem das virtuelle Untemehmen agiert. Das Grlindungsjahr ist aus zwei Grilnden bei der vorliegenden Untersuchung zu berucksichtigen. Einerseits sind viele modeme Untemehmenskonzepte v. a. Ende der 90er Jahre im Rahmen von WirtschaftsfSrderungsmaBnahmen fmanziell untersttitzt und durch Forschungsprogramme an Hochschulen bei ihrer Entwicklung begleitet worden. Anderseits muss davon ausgegangen werden, dass virtuelle Untemehmen, die bereits uber mehrere Jahre am Markt bestehen, nicht nur erfolgreiche Strategien und ArbeitsablSufe entwickelt haben, sondem auch durch die bisher durchgeftihrten Projekte Uber einen gr56eren Erfahmngshorizont verfUgen als Untemehmensbeispiele, die sich noch in der Aufbauphase befmden. Durch die Aufnahme von Untemehmensbeispielen, in denen bereits Erfahmngen Uber einen iSngeren Zeitraum gesammelt werden konnten, besteht zudem die MOglichkeit, Entwicklungsverlaufe nachzuzeichnen oder gar Entwicklungstendenzen festzustellen. Die geographische Verteilung der Kooperationspartner eines virtuelien Untemehmens wird bei der Auswahl von Untemehmensbeispielen als weiterer Kontextfaktor berUcksichtigt. Dem liegt die Vermutung zu Gmnde, dass die geographische Verteilung der Kooperationspartner einen Einfluss auf die Auswahl von Koordinationsinstrumenten bei der Steuemng der Projektarbeit in virtuelien Untemehmen hat. So kann z. B. die Zusammensetzung der Kooperationspartner eines virtuelien Untemehmens regional, national oder auch intemational sein. M5glicherweise werden bei intemationalen Kooperationen andere Koordinationsinstmmente bei der Auftragsabwicklung verwendet als bei regionalen. Femer kOnnten bei intemationalen Kooperationen rechtliche Aspekte Auswirkungen auf die Koordination eines virtuelien Untemehmens haben. Die Gr66e eines virtuelien Untemehmens, gemessen an der Zahl potenzieller Kooperationspartner im latenten Netzwerk, soil bei der hier vorliegenden Untersuchung berUcksichtigt werden, well davon auszugehen ist, dass mit der Anzahl an Kooperationspartnem sowohl im latenten als auch aktivierten Netzwerk ebenso die Komplexitat der Steuemngsprozesse zunimmt. Interessant ware z. B. hierbei zu untersuchen, welchen Beitrag die Verwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zur Koordinationsbedarfsdeckung und Komplexitatsreduktion leisten kann und ob sich
Forschungsdesign
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der Einsatz bzw. die Nutzung von Koordinationsinstrumenten in Abhangigkeit von der Anzahl der Kooperationspartner verandert. Auf die Auswahl virtueller Untemehmen, die sich hinsichtlich der Rechtsform des latenten Netzwerks unterscheiden, wurde deshalb besonders geachtet, urn eventuelle strukturelle Unterschiede in der Aufbau- und Ablauforganisation beriicksichtigen zu kOnnen. Nicht zuletzt sollten in dem zu untersuchenden Sample virtuelle Untemehmen aus unterschiedlichen Branchen vertreten sein, um ein mOglichst breites Spektrum an Beispielen zu erhalten.^^* Damit ist es mOglich, auf etwaige Branchenunterschiede in Bezug auf die Verwendung von Koordinationsinstrumenten aufmerksam zu werden. Naheliegend ware z. B. der starkere Einsatz modemer Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere spezieller EDV oder intemetbasierter Dienste, in virtuellen Untemehmen der IT-Branche.^^^ Unter der Beriicksichtigung der soeben genannten Kontextfaktoren wurde eine Recherche nach virtuellen Untemehmen durchgefUhrt. Da bisher nur recht wenige, dafiir aber sehr haufig genannte Beispiele virtueller Untemehmen Eingang in die Fachliteratur gefunden haben^^^ und noch keine umfassende und aktuelle Ubersicht Uber Unternehmensbeispiele existiert, musste eine recht umfangreiche Recherche gestartet werden. Neben den vereinzelten Hinweisen aus der Literatur und Berichten aus Zeitungsartikeln erfolgte die Suche vor allem mit Hilfe des Internet. Hierzu wurde unter Verwendung der Intemet-Suchmaschine Google nach den Stichworten „virtuelles Untemehmen", „Untemehmensnetzwerk + virtuelles", „virtuelle Kooperation" und „virtuelle Organisation" durchgefuhrt. Die Popularitat des Begriffs „virtuell" fuhrte dabei zu einer enorm groBen Trefferanzahl.^^"* Nach genauerer Durchsicht der jeweiligen Homepages vermeintlich virtueller Unternehmen wurde anhand des Fehlens vieler Defmitionsmerkmale jedoch schnell deutlich, dass nur sehr wenige Untemehmen tatsachlich die an diese Untersuchung gestell-
In der Literatur wird z. B. beklagt, dass Beispiele virtueller Untemehmen aus der IT-Branche Uberwiegen und nur sehr wenige Informationen zu Beispielen im produzierenden Gewerbe bestehen. Vgl. WUthrich et al. (1997). Siehe hierzu v. a. Sieber (1998a). So z. B. die Virtuelle Fabrik Euregio Bodensee. Vgl. Schuh et al. (1997a). Das Suchergebnis mit Hilfe von Google umfasste mehr als 20.000 Hinweise. Abruf liber www.google.de am 21.06.2001
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Empirische Untersuchung
ten Kriterien eines virtuellen Untemehmens aufweisen. Dies mag daran liegen, dass der Virtualitatsbegriff vielfach verwendet wird, urn den technischen Fortschritt eines Untemehmens zu betonen und damit dem Kunden einen Wettbewerbsvorteil zu suggerieren. Andererseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Kooperationsverbunde, die dem Konzept des virtuellen Untemehmens sehr nahe kommen, sich nicht explizit als virtuelles Untemehmen bezeichnen. Dies kOnnte z. B. auf die BefUrchtung zurtickgefiihrt werden, dass durch die Verwendung dieser Bezeichnung eher konservative Kunden vor Inanspruchnahme von Leistungen eines Untemehmensnetzwerks ohne genau defmierbaren Firmensitz und ohne Untemehmensgrenzen womOglich zurlickschrecken.^^^ Dies macht die Suche nach virtuellen Untemehmen im hier dargestellten Sinne zu einem recht schwierigen und zeitintensiven Unterfangen. Im Anschluss an die Intemetrecherche wurden alle deutschen Industrie- und Handelskammem und einzelne Forschungseinrichtungen telefonisch kontaktiert und nach Beispielen virtueller Untemehmen in der jeweiligen Wirtschaftsregion gefragt. Somit konnte die Suche auch auf regionaler Ebene durchgefUhrt und die Informationsvorteile sozialer Netzwerke, Ober die weitere Ansprechpartner gefunden werden konnten, genutzt werden. Dartiber hinaus konnten liber das Intemet und weitere Forschungseinrichtungen auch Beispiele aus Osterreich und der deutschsprachigen Schweiz gefunden werden. Insgesamt konnten mit diesen Recherchen 20 Kooperationsverbtinde gefunden werden, welche die o. g. Auswahlkriterien eines virtuellen Untemehmens weitgehend erfUllten. Die Anzahl der Untemehmensbeispiele, welche die wesentliche empirische Gmndlage der Arbeit bilden, wurde dabei nicht willkiirlich festgelegt. Vielmehr orientierte sich die Vorgehensweise am Prinzip der theoretischen Sattigung gemSB der Methodologie der Grounded Theory.^^^ Das Prinzip der theoretischen Sattigung impliziert, dass die Anzahl der zu untersuchenden FSlle nicht zu Beginn der Untersuchung festgelegt wird, sondem davon abhSngt, wie groB der jeweilige Informationszugewinn durch die sukzessive Auswahl und Auswertung eines weiteren Falles ist. Eine theoretische sattigung ist dann erreicht, wenn wdhrend der Datenerhebungsphase durch die Auswahl weiterer Faile der Informationszugewinn in Bezug auf die Beantwortung der
^^^ Diese Befiirchtung wurde auch von einzelnen Interviewpartnem angesprochen. Vgl. z. B. die Fallstudie Creaprodi und die Fallstudie Ingenieurburo Zengerle & Partner im Anhang dieser Arbeit. ^^^ Vgl. Eisenhardt (1989), S. 545; Glaser/Strauss (1967), S. 61; Strauss/Corbin (1990), S. 193.
Forschungsdesign
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jeweiligen Forschungsfrage immer geringer wird, letztlich also nur noch ahnliche, aber keine nennenswerten neuen Aspekte gefunden werden kSnnen. Die Datenerhebungsphase wird daraufhin abgeschlossen.^^^ In der vorliegenden Untersuchung, in der die Methode des Experteninterviews als zentrale Datenerhebungsmethode gewShlt wurde,^^^ konnte bei der Durchfiihrung der ersten 10 Experteninterviews festgestellt werden, dass in Abhangigkeit von den o. g. Kontextfaktoren z. T. deutliche Unterschiede hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstrumenten existieren. Mit steigender Anzahl durchgefiihrter Interviews wurde jedoch deutlich, dass der Zugewinn an neuen Informationen immer geringer und eine theoretische SSttigung erreicht wurde. Damit konnte die Datenerhebung mit Durchfiihrung des 19. Experteninterviews abgeschlossen werden. Die sukzessive Vorgehensweise und der zirkulSre Prozess der Auswahl und Auswertung von Experteninterviews hatte den Vorteil, dass Fragestellungen oder Hinweise aus den vorangegangenen Interviews in den nachfolgenden Interviews beriicksichtigt werden konnten und somit auch beim Interviewer ein Lemprozess sowie eine intensive Auseinandersetzung mit den Problemen der Untemehmenspraxis erfolgten.^^^ Da Organisationen sensible Forschungsobjekte darstellen, die sich keineswegs selbstverstandlich einer wissenschaftlichen Untersuchung Offnen, musste der Einstieg in das Untersuchungsfeld sorgfUltig vorbereitet werden.^^^ Die Kontaktaufnahme zu den virtuellen Untemehmen erfolgte daher telefonisch, um eine mOglichst hohe Beteiligung zu erreichen.^^' Fur die Durchfiihrung von Experteninterviews sollten Interviewpartner aus virtuellen Untemehmen gewahlt werden, die in Bezug auf das Forschungsthema relevante Informationen liefem kOnnen. Da bereits haufig in den Homepages (und spater auch bei der telefonischen Kontaktaufnahme) deutlich wurde, dass diese virtuellen Unter-
Vgl. Eisenhardt (1989), a.a.O. ^^* Auf die Datenerhebungsmethode des Experteninterviews wird in Abschnitt 4.2.2.1 naher Bezug genommen. ^^ Diese Vorgehensweise folgt dem o. g. Prinzip des „theoretical sampling" nach Glaser/Strauss (1967), S. 45 bzw. Strauss/Corbin (1990), S. 178. ^^ Vgl. Liebig/Nentwig-Gesemann (2002), S. 168. Die Autoren weisen des weiteren daraufhin, dass qualitative Forschungsvorhaben dadurch vor erhebliche Anforderungen gestellt sind. ^^* Kontaktadressen sowie Telefonnummem und E-Mail-Adressen konnten aus den jeweiligen Internetprasenzen der Kooperationsverbiinde entnommen werden. Vielfach wurde bereits dort auf den Ansprechpartner hingewiesen.
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Empirische Untersuchung
nehmen einen zentralen Akteur (z. B. einen Netzwerkmanager oder Koordinator) aufweisen, der fur die Koordination und den Ablauf des virtuellen Untemehmens zust^dig ist, wurde jeweils dieser zentrale Akteur telefonisch kontaktiert.^^^ Nach einer kurzen Darstellung des Forschungsprojekts wurde in diesem Kontaktgesprach noch einmal implizit auf die Auswahlkriterien Bezug genommen urn sicherzustellen, dass die jeweiiigen Beispiele die Kriterien erfUllen. Um der Seriositat dieser Untersuchung Ausdruck zu verleihen und weitere Hintergrundinformationen zu bieten, wurde jedem GesprSchspartner nach vorheriger Ankiindigung eine zweiseitige Kurzdarstellung des Forschungsprojekts per E-Mail zugeschickt.^^^ Insgesamt konnte somit aus 19 virtuellen Untemehmen jeweils der zentrale Akteur zu einem Vor-OrtInterview^^"* gewonnen werden.^^^ Zwar kann die Befragung mehrerer Personen in einer Untersuchungseinheit, hier einem virtuellen Untemehmen, die Validitat der gewonnenen Daten begUnstigen,^^^ jedoch stellt sich dabei die Frage, welche weiteren Personen in einem virtuellen Untemehmen in vergleichbarem Umfang Uber das relevante Wissen verfUgen wie der zentrale Akteur, der haufig der Initiator dieser Kooperationsform ist und der Uberwiegend fiir die Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung zustSndig ist. Bei der Befragung einer weiteren Person (z. B. eines Kooperationspartners) in einem virtuellen
In den Kontaktgesprachen mit diesen zentralen Akteuren stellte sich hSufig heraus, dass diese auch die Idee fUr ein virtuelles Untemehmen umgesetzt hatten. Mit Hilfe dieser Kurzdarstellung im PDF-Format hatte der Interviewpartner die MOglichkeit, durch den Hinweis auf die Web-Seiten des Kieler Graduiertenkollegs, in dessen Rahmen diese Arbeit stattfand, die Authentizitat zu priifen und sich bereits vorab auf die im Zentrum stehende Fragestellung vorzubereiten. Es wurde besonderer Wert darauf gelegt, ein Vor-Ort-Interview durchzufiihren, um im direkten face-to-face Kontakt mit dem Interviewpartner zu stehen und somit den Nachteilen einer medienvermittelten Kommunikation (z. B. durch ein Telefoninterview) zu entgegnen. Zudem wird durch den Aufwand, der durch die Anreise des Interviewers entsteht, dessen Interesse an den Erfahrungen der Interviewpartner verdeutlicht. 605
Lediglich bei der Kontaktierung eines virtuellen Untemehmens blieb die Bereitschaft zu einem Interview aufgmnd der haufigen Interviewanfragen und der Arbeitsauslastung verwahrt. Die hohe Teilnahmebereitschaft der insgesamt 19 virtuellen Untemehmen zu einem Interview mag zum einen darauf zurtickzufUhren sein, dass das Thema - die Koordination von virtuellen Untemehmen - filr die jeweiiigen Ansprechpartner von groBem Interesse ist, da sie selbst mit den damit verbunden Problemen und Schwierigkeiten bei den Kooperationen konfrontiert werden. Andererseits wurde den Interviewpartnera ein Managementpapier mit der dazugehOrigen Fallstudienarbeit zu diesem Thema sowie eine Kurzfassung der Ergebnisse der Doktorarbeit zugesichert. Damit haben die Interviewpartner die MOglichkeit, weitere Beispiele virtueller Untemehmen kennen zu lernen und ggf mit den jeweiiigen Betreibem zum Zwecke des Erfahrungsaustauschs bzw. sich anbahnender Kooperationen Kontakt aufzunehmen.
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Siehe hierzu z. B. Schnell et al. (2005), S. 262.
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Untemehmen, die nur uber einen eingeschrankten Uberblick hinsichtlich der Koordinationsprozesse verfUgt, konnen folgende Probleme entstehen: So ist z, B. aufgrund des eingeschrankten Uberblicks des Informanten anzunehmen, dass nur einzelne Koordinationsinstrumente in den Vordergrund gehoben werden oder auf Zusammenhange zwischen der Verwendung mehrerer Koordinationsinstrumente mOglicherweise nicht Oder nur ansatzweise Bezug genommen werden kann. Besonders deutlich wird diese Problematik, wenn z. B. - wie in der Untersuchung von Albers et al. (2003) bzw. Teichmann/Borchardt (2003) gezeigt werden konnte - ein virtuelies Untemehmen durch einen Generaluntemehmer koordiniert wird. In dieser speziellen AusprSgung eines virtuellen Untemehmens verfiigen die Kooperationspartner i, d. R. nur tiber einen sehr eingeschrSnkten Einblick in die einzelnen Ablaufe des Leistungserstellungsprozesses und die jeweils verwendeten Koordinationsinstrumente. Dartiber hinaus wSre mit der Durchfiihrung mehrerer Interviews pro Untemehmensbeispiel ein deutlich hCherer Kosten- und v. a. Zeitaufwand durch die Anreise verbunden, da die Kooperationspartner durch die Nutzung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien weit voneinander entfemt sein konnen.^^^ Um das mit dieser explorativen Arbeit gesetzte Ziel eines mOglichst breiten und inhaltlich fundierten Uberblicks tiber die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen zu erreichen und auf dieser Gmndlage Hypothesen abzuleiten, wurde der jeweils zentrale Akteur der 19 virtuellen Untemehmen interviewt. Beztiglich der Interviewpartner kann festgehalten werden, dass sie sich im Wesentlichen hinsichtlich des Geschlechts, des Lebensalters und ihrer bisherigen Bemfserfahmngen sowie den Erfahmngen im Hinblick auf die Arbeit in und die Steuemng von virtuellen Untemehmen unterscheiden. Hierbei kann also nicht von einer reprSsentativen, disproportional geschichteten Stichprobe gesprochen werden. Unter den Interviewpartnem sind z. B. solche, die erst seit ca. einem Jahr mit der Koordination in ihrem virtuellen Untemehmen betraut sind. Dagegen haben andere Interviewpartner bereits seit mehreren Jahren umfangreiche Erfahmngen sammeln k5nnen, sodass sich
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Eine Fokussierung auf v. a. regional ausgerichtete virtuelle Untemehmen hatte dagegen national und international ausgerichtete Untemehmensbeispiele, die eine hohe Affinitat mit dem Idealtypus des virtuellen Untemehmens aufweisen, systematisch ausgeblendet. Vor diesem Hintergrund wiirden sich telefonische Interviews anbieten, jedoch wUrden sich durch die unterschiedlichen Erhebungssituationen bei der Datengewinnung bei persOnlichen Vor-Ort-Interviews und Telefoninterviews Probleme bei der Vergleichbarkeit der gewonnenen Daten ergeben. Siehe hierzu weiterfuhrend z. B. Schnell et al. (2005), S. 363; Diekmann (2004), S. 429 ff.
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Empirische Untersuchung
die Interviews hierdurch in qualitativer Hinsicht z. T. erheblich voneinander unterscheiden. Die Anzahl von 19 Untemehmensbeispielen ist fur Fallstudienarbeiten vergleichsweise hoch/^^ Da die Anzahl der zu vergleichenden Falle von dem jeweiligen Forschungsinteresse und der Fragestellung abhangig ist, existiert in der Methodenliteratur zum Forschungsansatz der vergleichenden Fallstudie kein absoluter Richtwert. Eisenhardt (1989) weist z. B. darauf hin, dass eine Anzahl von 4 bis 10 Fallen bei Fallstudienarbeiten bereits ausreichend sei.^^^ Eine deutlich h5here Anzahl an Fallbeispielen liegt der vorliegenden Arbeit zugrunde, da das Konzept des virtuellen Untemehmens in der Untemehmenspraxis eine Vielzahl von Auspragungsformen zuiasst und die Auswahl der Fallbeispiele dem Prinzip der theoretischen Sattigung folgte. Der Vorteil einer grOBeren Zahl von Fallbeispielen besteht darin, dass eine hOhere Sicherheit in Bezug auf die Ergebnisse erreicht werden kann.^'° Mit insgesamt 19 Untemehmensbeispielen wurde nicht nur eine theoretische Sattigung, sondem auch das Ziel erreicht, ein m5glichst breites Spektrum an Informationen zur Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen zu gewinnen. Um zu verdeutlichen, auf welcher Datengrundlage die 19 Fallstudien erstellt werden konnten, wird im folgenden Abschnitt die Vorgehensweise bei der Datenerhebung genauer dargestellt. 4.2.2
Datenerhebung
Eine grundsatzliche Frage jeder wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit sozialen Phanomenen richtet sich auf die Wahl der Erhebungsmethode.^" Diese Frage lasst sich keinesfalls durch eine beliebige Auswahl an Methoden, Instrumenten oder Techniken beantworten. Sie ist vielmehr im Forschungsansatz, d. h. in der wissenschaftstheoretischen und methodologischen Grundposition der Arbeit begrUndet, in der den Bedingungen des zu untersuchenden Phanomens Rechnung getragen werden.
Eine Ubersicht der 19 Untemehmensbeispiele befindet sich in Abschnitt 5.1. der vorliegenden Arbeit. ^^^ Vgl. Eisenhardt (1989), S. 545. ^'° Vgl. Yin (2003), S. 51. ^'* Vgl. Atteslander (2003), S. 18.
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Die Datenerhebung im Rahmen von Fallstudienarbeiten ist an keine bestimmte Erhebungsmethode gebunden. Deshalb kOnnen sehr unterschiedliche Methoden wie die teilnehmende Beobachtung, die mtindliche Befragung, z. B. in Form von Interviews, die Gruppendiskussion oder die Dokumentenanalyse in Betracht kommen.^'^ Eine willkllrliche Wahl eines Erhebungsinstruments ist jedoch auch bei Fallstudienarbeiten weder sinnvoll noch zulSssig. Nicht jede Methode eignet sich fur eine bestimmte Fragestellung.^^^ Vielmehr muss sich die Auswahl der Methode bzw. der Methoden nach der Forschungsfrage und dem jeweiligen Untersuchungsobjekt richten. Das Experteninterview wurde im Wesentlichen aus zwei Grunden als zentrale Datenerhebungsmethode dieser Untersuchung gewahlt: Zum einen sichem Experteninterviews den Zugang zu den fiir diese Untersuchung relevanten Daten und ermSglichen so die Beantwortung der Forschungsfrage. Zum anderen kOnnen die so gewonnenen Informationen vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen und im Zusammenhang mit dem organisatorischen Kontext des Untersuchungsobjekts betrachtet werden. Um die gewonnenen Daten aus den Experteninterviews erganzen bzw. kritisch hinterfragen zu kOnnen, wurde der methodische Zugang zu diesem Forschungsbereich durch die Berticksichtigung von schriftlich bzw. elektronisch vorliegenden, untemehmensintemen und -extemen Dokumenten erg^nzt und im Rahmen einer Dokumentenanalyse genutzt.^*"^ Neben den untemehmensextemen, d. h. 5ffentlich zug^nglichen Dokumenten wie die Intemetseiten der jeweiligen virtuellen Untemehmen,^^^ Berichten aus Zeitungen und Zeitschriften^'^ sowie einzelner Fallstudien,^'^ konnten sogar tiber einzelne Interviewpartner auch schwer erhaitliche und bisher unver5ffentlichte Dokumente, wie z. B. ein Regelwerk, miteinbezogen werden, das einen detaillierten Einblick ermSglichte. DarUber hinaus konnten Powerpoint-Firmenprasentationen, die
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Vgl. Eisenhardt (1989), S. 537; Lamnek (1993), S. 7. Siehe hierzu auch Borchardt/GOthlich (2006).
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So ist z. B. die Dynamik der Gruppendiskussion ftir die Untersuchung von Meinungsbildungsprozessen aufschlussreicher als die Analyse individueller Erfahrungen auf der Grundlage von Einzelinterviews. Vgl. Flick (2000), S. 144. Dieses Vorgehen ist methodisch opportun, da es darauf ankommt, jeden einzelnen Fall in Bezug auf die im Zentrum stehende Fragestellung mftglichst individual und genau zu untersuchen. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 539. Die Intemetadressen der untersuchten virtuellen Untemehmen kOnnen den im Anhang befindlichen Fallstudien entnommen werden.
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Siehe z. B. Teichmann et al. (2004); N.N. (2001), S. 19. Siehe z. B. Picot et al. (2003), S. 520 ff.; Teichmann/Borchardt (2003), S. 61 ff; Hofmann (2003), S. 4 ff; Schuh et al. (1998); Hafliger (2000), S. 220 ff; Mertens/Faisst (1997), S. 101 ff
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Empirische Untersuchung
einzelne Interviewpartner zur Verfligung gestellt hatten, fiir die Beschreibung der Untemehmensbeispiele genutzt werden. Die Verwendung von Dokumenten zu Analysezwecken ist zwar mit dem Problem behaftet, dass ihre „Echtheit" und Validitat kaum zutiberprUfensind, jedoch bieten sie eine weitere, mOglicherweise aufschlussreiche Perspektive auf die Untersuchungseinheit.^*^ Femer konnten durch die Teilnahme an einem Projekttreffen (teilnehmende Beobachtung) Einblicke in die Ablaufplanung und die komplexe Entscheidungsfindung in einem virtuellen Unternehmen gewonnen werden.^'^ DarOber hinaus konnte auch ein Untemehmensbeispiel, das bereits in der o. g. Untersuchung von Albers et al. (2003) bzw. Teichmann/Borchardt (2003) Beriicksichtigung fand, auch als Fallbeispiel filr die vorliegende Arbeit aufgenommen werden. Der zwischen der Datenerhebung der Fallstudienarbeit und der Datenerhebung dieser Arbeit ca. einjahrige Entwicklungszeitraum bot die M5glichkeit, auf die in diesem Zeitraum gewonnenen Erfahrungswerte und VerSnderungen in Bezug auf die Verwendung von Koordinationsinstrumenten naher eingehen zu k5nnen.^^° Die Verwendung mehrerer Methoden ermOglicht eine Methodentriangulation,"^ wodurch wissenschaftliche Artefakte, die z. B. durch den Einfluss des Interviewers haben entstehen kOnnen, vermieden werden.^^^ Dahinter steht die Uberlegung, dass mit dem Einsatz mehrerer komplementSrer Methoden in einer Untersuchung den Einseitigkeiten und Verzerrungen, die mit jeder Methode verbunden sind, vorzubeugen.^^^ DarUber hinaus sorgt eine Methodentriangulation durch die Betrachtung des Untersuchungsobjekts aus unterschiedlichen Blickwinkeln fur eine starkere Untermauerung der zu entwickelnden Konstrukte und Hypothesen.^^"*
^'^ Vgl. Yin (2003), S. 87 ff. ^'^ Siehe hierzu das Beobachtungsprotokoll in Anhang G, das sich im Extraband der Anlagen befmdet. ^^° Vgl. hierzu die Fallstudie der ConVerve im Anhang dieser Arbeit. Damit ahnelt die Untersuchung dieses Failbeispiels gewissermaBen einer Paneluntersuchung. ^^' Lamnek (1993), S. 25 weist darauf bin, dass der in die Methodendiskussion eingegangene Begriff der „Methodentriangulation" eigentlich „Techniktriangulation" heiBen mtisste. "^ Vgl. Lamnek (1993), S. 25; siehe hierzu auch Schnell et al. (2005), S. 262. ^^^ Vgl. Steinke (1999), S. 46. Die Methodentriangulation knupft damit an nautische Verfahren wie z. B. die Kreuzpeilung an. "^ Vgl. Eisenhardt (1989), S. 538; Marshall/Rossman (1989), S. 146; Yin (2003), S. 98.
Forschungsdesign
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Die Phase der Datenerhebung, in der - im Sinne der Grounded Theory - bereits die ersten Interviews analysiert wurden,"^ erfolgte schwerpunktmSBig im Zeitraum von Juni 2002 bis Oktober 2002. Urn die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Datenerhebung zu gewahrleisten,"^ werden zunachst die methodischen Rahmenbedingungen des Experteninterviews sowie die Erstellung des Interviewleitfadens skizziert, bevor kurz auf die Einleitung der Interviews und die Erhebungssituation einzugehen sein wird. 4.2.2.1 Das Experteninterview als zentrale Methode der Datenerhebung Mit den Experteninterviews wird das Interesse verfolgt, einen genaueren Einblick sowohl in die Relevanzstrukturen und Erfahrungshintergrtinde als auch die Interpretationen und Deutungsmuster der Befragten zu dem Forschungsthema zu erlangen. Die AuBerungen der Experten werden dabei von Anfang an im „Kontext ihrer institutionell-organisatorischen Handlungsbedingungen verortet",^^^ aus dem sie ihre Bedeutung erhalten. Aufgrund dieser Kontextbezogenheit ist es mOgiich, die Angaben der Experten"^ vor dem Hintergrund des jeweiligen Untemehmensbeispiels zu betrachten. Im Unterschied zu anderen Varianten des qualitativen Interviews^^^ steht in den Experteninterviews nicht die interviewte Person im Vordergrund, sondem der organisatorische Kontext, in dem die agierenden Personen stehen. Der Experte wird dabei nicht wie in einem biographischen Interview als Einzelfall betrachtet, sondem als Reprasentant einer bestimmten Gruppe.^^^ Ob jemand als Experte fiir einen Themenbereich gilt, ist in erster Linie abhSngig vom jeweiligen Forschungsinteresse. Somit ist der Status eines Experten ein relationaler. Als Experten werden in der vorliegenden Untersuchung die Akteure bezeichnet, die mit den Aufgaben der Koordination in einem virtuellen Untemehmen betraut sind. Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte damit - ebenso wie die Auswahl der Untemehmensbeispiele - nicht zuf^Uig, sondem durch die Forschungsfrage geleitet.
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Vgl. Glaser/Strauss (1967), S. 45; Eisenhardt (1989), S. 538.
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Siehe hierzu Abschnitt 4.3.
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Vgl. Meuser/Nagel (1991), S. 453.
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Die Verwendung des Begriffs „Experten" schlieBt sowohl Interviewpartner als auch Interviewpartnerinnen mit ein. Fine gute Ubersicht uber die unterschi^dlichen Varianten des qualitativen Interviews gibt z. B. Lamnek (2002). Vgl. Meuser/Nagel (1991), S. 444.
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Empirische Untersuchung
Die Funktion des Experten, die zumeist in einer verantwortungsvoUen Position und einem privilegierten Zugang zu Informationen uber Personengruppen, Organisationsabiaufe und Entscheidungsprozesse gekoppelt ist, ermoglicht den Einblick in Fachbzw. Hintergrundwissen^^' sowie in die spezielien Erfahrungen, die der Experte in seinem Handiungsfeld gemacht hat. Dabei darf die Tatsache, dass ein Experte ais Interviewpartner gewShlt wurde, nicht zu der Annahme verieiten, man erhalte interessenunabhSngiges Spezialwissen. Es besteht durchaus die Gefahr, dass sich die Experten als „Diener des Gemeinwohis" inszenieren und daraufhin (mehr oder weniger absichtsvoll) die Standortverbundenheit ihres Wissens verschleiern.^^^ Ahnlich wie beim narrativen Interview oder beim problemzentrierten Interview wird auch beim Experteninterview das Erzahlprinzip herausgestellt. Mittels eines erzahlgenerierenden Stimulus wird der Interviewpartner zu der interessierenden Fragestellung hingefiihrt, wobei die Bedeutungsstrukturierung der sozialen Wirklichkeit dem Befragten tiberlassen wird.^" Mit Hilfe der insgesamt 19 Experteninterviews konnte ein explorativer Zugang zum Untersuchungsgegenstand hergestellt werden. Es sei jedoch bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass mit den erhobenen Daten kein Anspruch auf ReprSsentativitat verbunden wird und auch die gewonnen Daten aufgrund der unterschiedlichen Auspragungen virtueller Untemehmen nicht generalisierbar sind. Die Ergebnisse der explorativen Untersuchung dienen in erster Linie der Situationsbeschreibung eines relativ wenig erforschten Untersuchungsbereichs und der Hypothesengenerierung^^'* und ermSglichen femer eine kritische Auseinandersetzung mit den Auffassungen der Literatur.^^^
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Meuser/Nagel (1991), S. 446 unterscheiden zwischen Betriebs- und Kontextwissen. Vgl. Hitzler (1994) S. 17 f. Der Forscher bekommt nicht ,die' Wahrheit vom Informanten vorgetragen, sondem immer nur dessen Bild von der Wirklichkeit, das von den Handlungsorientierungen, von den kognitiven, motivationalen und emotionalen Dispositionen des Informanten abhangig ist und letztlich einen subjektiven Anteil umschlieBt. Vgl. Dexter (1970), S. 5 ff. Vgl. Bortz/D6ring (2002), S. 54; Scheuch (1973), S. 123. Scheuch spricht in diesem Zusammenhang von der Systematisierung vorwissenschaftlichen VerstSndnisses.
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Vgl. Meuser/Nagel (1991), S. 447.
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4.2.2.2 Erstellung des Interviewleitfadens Leitfadenorientierte Interviews, zu denen das Experteninterview gezahlt werden kann, bieten einen Kompromiss zwischen narrativer und fokussierter GesprSchsgestaltung bzw. zwischen Offenheit und Strukturierung.^^^ Der Vorteil von offenen Fragen ist gerade in einem wenig erforschten Themenbereich evident: Die Antworten k5nnen dem Forscher informative Einblicke in einen fUr ihn noch unbekannten Bereich geben. In meist langeren Antwortsequenzen kOnnen vom Experten neue Aspekte angesprochen werden, die dem Interviewer mangels Praxiswissen noch unbekannt waren. Aufgrund der unterschiedlichen AusprSgungen virtueller Untemehmen und der unterschiedlichen Erfahrungshorizonte der Interviewpartner ist deshalb ein Interviewleitfaden entwickelt worden, der das Interview in seinem Ablauf zwar strukturieren kann, aber gleichzeitig genugend Flexibilitat fiir eine offene GesprSchsfiihrung ermSglichen sollte.^^^ In diesem Zusammenhang setzt der Leitfaden selbst die Bedingungen seiner Verwendung in der Auswertung der Interviews. Der Interviewleitfaden diente v. a. der inhaltlichen Orientierung des Interviewers, damit alle zuvor als wichtig erachteten Fragestellungen angesprochen werden konnten und eine gewisse Vergleichbarkeit der Interviewergebnisse gewahrleistet werden kann.^^^ Dennoch solite durch die Verwendung des Interviewleitfadens nicht das Gefiihl einer standardisierten Befragung entstehen.^^^ Vielmehr wurde bei der Verwendung dieses Hilfsmittels darauf geachtet, dass das Interview den Charakter eines entspannten, seriOsen und problemorientierten Gesprachs aufweist. Hierzu wurde der Leitfaden flexibel gehandhabt, sodass im Einzelfall die Reihenfolge der Fragen dem GesprSchsverlauf angepasst werden konnte. Oftmals wurden einzelne Punkte des Leitfadens vom Befragten selbst angesprochen und beantwortet. Um das komplexe Phanomen der Koordination von virtuellen Untemehmen bzw. der Verwendung von Koordinationsinstrumenten zu diesem Zweck genauer zu untersuchen, war ein recht umfangreicher Interviewleitfaden notwendig. Der Erstellung dieses Erhebungsinstruments ist eine umfangreiche Sichtung der einschlagigen Litera-
"^ Vgl. Lamnek (2002), S. 173. "^ Vgl. Strauss/Corbin (1996), S. 152. "^ Vgl. hierzu auch Bortz/DOring (2002), S. 315; Lamnek (1995), S. 77; Meuser/Nagel (1991), S. 453. ^^^ Bortz/DOring (2002), S. 298 sehen bei der Erhebung qualitativer Daten keine oder in nur sehr geringem Umfang die Notwendigkeit, den Untersuchungsvorgang zu standardisieren.
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Empirische Untersuchung
tur zum virtuellen Untemehmen vorausgegangen. Urn einen Uberblick uber das Spektrum potenzieller Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen zu bekommen, wurde nicht nur die Literatur zu diesem Kooperationskonzept herangezogen, sondem auch die Managementliteratur analysiert, die sich u. a. mit der Verwendung von Koordinationsinstrumenten in Untemehmensnetzwerken auseinandersetzt.^^ Einen ersten empirischen Einblick in die Koordinationsprozesse und die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen konnte der Verfasser der vorliegenden Arbeit im Rahmen des bereits o. g. Forschungsprojekts zum Management virtueller Untemehmen gewinnen.^^ Damit konnte gewahrleistet werden, dass Fragen zu den wesentlichen, in virtuellen Untemehmen verwendbaren Koordinationsinstmmenten in den Interviewleitfaden aufgenommen wurden. Der auf dieser Gmndlage erstellte Interviewleitfaden erwies sich in den Interviews als geeignet und umfasste folgende Themenbereiche, in denen jeweils mehrere Fragen enthalten waren:^^ A) Allgemeine Fragen zum Interviewpartner B) Fragen zum virtuellen Untemehmensnetzwerk Bl) allgemeine Angaben B2) Fragen zu den Kooperationspartnem B3) Fragen zu der wirtschaftlichen Lage des virtuellen Untemehmens C) Fragen zur Koordination in virtuellen Untemehmensnetzwerken und der Verwendung von Koordinationsinstmmenten CI) personelle Koordinationsinstrumente C2) stmkturelle Koordinationsinstmmente C3) technokratische Koordinationsinstmmente C4) informationstechnologische Koordinationsinstmmente D) AbschlieBende Fragen Begonnen wurde jedes Interview mit den Fragen zur Person des Interviewpartners. Damit wurden zweierlei Absichten verfolgt. Zum einen sollten diese Fragen dem Interviewpartner den Einstieg in das Interview erleichtem und durch eine unstmktu-
^^^ Darunter befanden sich z. B. folgende Publikationen: ReiB (2000); Reifi (2004); Renz (1998); Rilling (1997); RogersAVhetten (1982); Albers et al. (2003); Wolf (1994); ROh (2003). ^^^ Siehe hierzu Teichmann/Borchardt (2003) und darauf aufbauend Albers et al. (2003). ^^^ Siehe hierzu den fiir diese Untersuchung zugrunde gelegten Interviewleitfaden im Anhang dieser Arbeit.
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rierte Erzahlaufforderung etwaige Hemmungen reduzieren. Zum anderen kann eine sinnvolle Interpretation der gewonnen Daten erst durch die Beriicksichtigung der Berufserfahrungen der Interviewpartner erfolgen. Zu diesem Zweck wurden die Interviewpartner darum gebeten, einen kurzen Uberblick tiber ihren beruflichen Werdegang zu geben und darzustellen, welche Aufgaben sie innerhalb des virtuellen Untemehmens wahmehmen. Teil B) beinhaltete die Fragen zum virtuellen Untemehmensnetzwerk, zu den beteiligten Kooperationspartnem und ihren Kemkompetenzen und auch Fragen zur wirtschaftlichen Lage des Kooperationsnetzwerks. Hierdurch wurden grundlegende Hintergrundinformationen abgefragt, welche die Voraussetzung fiir die weitergehenden Fragen zur Koordination bildeten. Mit den Fragen des Interviewleitfadens in Teil C) wurde auf den hier im Zentrum stehenden Aspekt der Koordination bzw. die Verwendung von Koordinationsinstrumenten eingegangen. Hierzu wurde zunSchst durch eine auf diesen Aspekt hinfiihrende Frage ein erzahlgenerierender Stimulus vorausgeschickt. Auf den jeweiligen Darstellungen der Interviewpartner aufbauend, wurden in Anlehnung an die in Kapitel 2.2.2 dargestellte Typologie der Koordinationsinstrumente Fragen zur Verwendung der unterschiedlichen Koordinationsinstrumente gestellt. Die Fragen fokussierten dabei auf personenorientierte Koordinationsinstrumente (soziale Rollen, Selbstabstimmung, Vertrauen, Vertrauenskultur, Mitarbeiteraustausch), auf strukturelle Koordinationsinstrumente (Kemuntemehmen, zentrale UnterstUtzungseinhheit, Steuerkreis, netzwerkintemer Markt), auf technokratische Koordinationsinstrumente (Programme, Plane, Ziele, Budgets, Verrechnungspreise, Regeln, VertrSge) und auf informationstechnologische Koordinationsinstrumente (Telefon, Fax, E-Mail, Telefon-A^ideokonferenzen, Groupware, Workflow-Management-Systeme). Nachdem ausfiihrlich zu den verwendeten Koordinationsinstrumenten Stellung genommen worden war, konnten in den abschlieBenden theoriebasierten bzw. hypothesengerichteten Fragen im Teil D) des Interviewleitfadens Einschatzungen der Interviewpartner im Hinblick auf eine mOgliche phasenspezifische Verwendung von Koordinationsinstrumenten, die Chancen und Risiken eines virtuellen Untemehmens, die Konfliktregulierungsstrategien innerhalb des Netzwerks und die AuflOsung des virtuellen Untemehmens nach der
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Beendigung eines Projekts eingegangen werden.^"*^ Die abschlieBenden Fragen dienten auch dazu, dem Interviewpartner die Gelegenheit zu bieten, auf Aspekte einzugehen, die im Interview nicht angesprochen worden waren, jedoch im Zusammenhang mit der Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen wichtig erschienen.^^^ 4.2.2.3 Einleitung der Interviews und Interviewsituation Mit dem Einsatz von Experteninterviews wurde das Interesse verfolgt, Untemehmensbeispiele aufzugreifen, anhand derer der Einsatz von Koordinationsinstrumenten untersucht werden kann. Durch die teilstrukturierte Gesprachsfiihrung mittels eines Interviewleitfadens sollte neben der Beantwortung der Forschungsfragen zudem die MOglichkeit eingerSumt werden, neue Forschungsfragen aufzuwerfen, die der Diskussion um das Kooperationskonzept des virtuellen Untemehmens sowie zukUnftigen Untersuchungen dienlich sein kfinnen. In der qualitativen Sozialforschung wird ein besonderer Wert auf die Kommunikativitat und Nattirlichkeit der Erhebungssituation gelegt, um mSglichst authentische Daten zu gewinnen.^^ Eine wesentliche Voraussetzung, um verlassliche und gultige Befunde hervorzubringen, besteht zum einen darin, dass die Erhebungssituation flir den Informanten moglichst einer Alltagssituation entsprechen sollte.^^ Aus diesem Grund wurden alle Interviews in einer dem Interviewpartner vertrauten Umgebung, d. h. in ihren BUros oder Geschaftsraumen bzw. in EinzelfUllen in ihrer Wohnung durchgefUhrt.^^ Durch die Anreise des Interviewers ist dies zwar gegentiber einem Telefoninterview mit einem wesentlich hSheren fmanziellen und zeitlichen Aufwand verbun-
Mit diesen Fragen konnte an einzelne Aspekte aus der Literatur angekniipft werden. Sie dienten femer dazu, das nicht unmittelbar verfUgbare, implizite Wissen des Interviewpartners zu explizieren. Ein GroBteil der Interviewpartner machte jedoch deutlich, dass die wichtigsten Fragen zur Koordination in ihrem virtuellen Untemehmen wShrend des Interviews behandelt wurden. Vielfach wurde darauf hingewiesen, dass die Vorbereitung auf dieses Interview sehr griindlich gewesen war und wahrend des Interviews ein hoher Sachverstand des Interviewpartners deutlich wurde. Vgl. Lamnek(1993),S. 7. Vgl. Lamnek (2005), S. 396. In vier der 19 Interviews (siehe Interview Nr. 1, 4, 9 und 19 im Anhang dieser Arbeit) war neben dem Interviewpartner ein Kollege anwesend, der aus Interesse an diesem Gesprach als ZuhGrer teilnahm und nur gelegentlich erganzende Beitrage lieferte. Es konnte dabei jedoch nicht festgestellt werden, dass durch die Teilnahme eines Dritten die Interviewsituation beeintrachtigt wurde.
Forschungsdesign
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den, jedoch bestehen die Vorteile in einer direkten Kommunikation darin, dass die Gesprachspartner die Reaktionen und Gesten ihres Gegenubers wahmehmen kOnnen und sich dieses Gesprach somit einer „normalen" sozialen Situation annShert. Die Qualitat der gewonnenen Daten hangt neben der Natiirlichkeit der Erhebungssituation zum anderen davon ab, ob der Forscher in der Lage ist, sich in die Situation des Interviewpartners einzufiihlen und ein Vertrauensverhaltnis in der Kommunikationssituation herzustellen.^"^* Urn vom Experten als kompetenter und seriOser GesprSchspartner akzeptiert zu werden, ist der Durchfiihrung der Interviews ist eine sehr sorgfUltige Auseinandersetzung mit der Fachliteratur zum virtuellen Untemehmen vorausgegangen. Daniber hinaus konnte durch die o. g. Untersuchung von Albers et al. (2003) bzw. Teichmann/Borchardt (2003) bereits vor der Datenerhebung der vorliegenden Arbeit ein erster empirischer Eindruck gewonnen werden.^^ Nachdem darauf hingewiesen wurde, dass alle Angaben im Sinne des Datenschutzes behandelt werden, erklarten sich alle Befragten mit der Tonbandaufzeichnung des Interviews und der Ver6ffentlichung der Daten einverstanden.^^^ Da den Interviewpartnem bereits beim ersten Kontaktgespr^ch per Telefon das Thema und das Ziel dieser Arbeit deutlich gemacht worden war und sie im Anschluss eine zweiseitige Kurzdarstellung per E-Mail erhielten, wurde vor Beginn eines jeden Interviews nur kurz auf das Forschungsprojekt und die im Zentrum stehende Forschungsfrage Bezug genommen. Das Thema der Koordination von virtuellen Unternehmen wurde bei den Interviewpartnem mit grofiem Interesse aufgenommen.^^^
Vgl. Lamnek (1993), S. 58; Steinke (1999), S. 33 ff. 649
Lamnek (1993), S. 67 betont, dass der Interviewer in einem qualitativen Interview gegentiber dem einer standardisierten Befragung eine doppelte und erhohte Kompetenz aufweisen muss. Zum einen muss er mit dem Gegenstand des Interviews weitestgehend vertraut sein und mitreden kdnnen. Zum anderen muss der Interviewer seine Kenmnisse so einsetzen, urn den Befragten durch Fragen oder Anreize zum Sprechen zu bringen.
650
Gegen die VerOffentlichung einer Fallstudie zu dem jeweiligen Untemehmensbeispiel wurden keine EinwSnde erhoben, da dies auch eine werbewirksame Funktion haben kOnnte.
651
Dies mag daran gelegen haben, dass sich die Interviewpartner selbst in ihrer tSglichen Arbeit mit den Problemen der Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung und der Verwendung von Koordinationsinstrumenten auseinandersetzen mtlssen. Zum anderen wurde von mehreren GesprSchspartnem die Frage gestellt, wie andere virtuelle Untemehmen diese Aufgaben wahmehmen und umsetzen. Um die Darstellung der Interviewpartner nicht zu beeinflussen, wurde erst nach Beendigung des Interviews hierzu Stellung genommen.
142
Empirische Untersuchung
Zu Beginn des Interviews wurde darauf geachtet, eine entspannte und kollegialneutrale Atmosphare zu schaffen.^" Zu diesem Zweck wurde den Interviewpartnem eine „Anlaufphase" eingeraumt, damit sie sich an die Interviewsituation bzw. den Interviewablauf gew5hnen und anfUngliche Hemmungen abbauen konnten.^^^ Deshalb wurden die Interviews mit einer an die Interviewten gerichteten Frage zur Person und des beruflichen Werdegangs begonnen.^^"* Die damit gewonnenen Informationen erm^glichten dem Interviewer, die Fragen vor dem Hintergrund des jeweiligen Unternehmensbeispiels und den Erfahrungen der Interviewpartner zu stellen. Urn in den Experteninterviews neben der Beantwortung der Fragen des Interviewleitfadens neue, bisher unbekannte bzw. unberucksichtigt gebiiebene Aspekte und Zusammenhange aufgreifen zu kSnnen, wurde ein neutraler bis weicher Interviewstil gewahlt.^" Hierbei wurden die Befragten wahrend des Interviews weder in ihren Ausfiihrungen unterbrochen noch wurden wertende Kommentare zu dem Gesagten gegeben. Das Interesse an den Darstellungen der Befragten wurde durch verbale AuBerungen (z. B. „Mhm", „Ah, ja" etc.) oder nonverbale Gesten (z. B. Kopfnicken, Blickkontakt) und das Mitschreiben von Gesprachsnotizen^^^ deutlich gemacht. Dadurch sollte die Asymmetric in der Erhebungssituation tendenziell kompensiert werden und die Interviewsituation der Alltagssituation angenahert werden.^^^ Auf etwaige Fragen der Interviewpartner wurde nur so weit wie notwendig eingegangen, um einer Verzerrung im Sinne der sozialen ErwUnschtheit^^* bzw, dem Effekt der „self-fulfilling prophecy" vorzubeugen.^^^
Vgl.Lamnek(1993),S.66. Vgl. Bortz/DOring (2002), S. 244 f., die die Wichtigkeit einer erfolgreichen InterviewerOfftiung besonders hervorheben, da die Startphase des Interviews haufig entscheidenden Einfluss auf den gesamten Interviewablauf hat. Vgl. Atteslander (2003), S. 123 ff. Atteslander betont in diesem Zusammenhang die „soziale Situation" in einem Interview. 655
657
Vgl.Lamnek(1993),S.67. Wahrend des Interviews woirden z. B. Besonderheiten oder im Vergleich zu den bisher gesammelten Daten kontrare Auffassungen der Interviewpartner notiert. Diese Gesprachsnotizen wurden bei der Datenanalyse berUcksichtigt. Die auftretende Asymmetrie in einem qualitativen Interview ist nach Lamnek (1993), S. 67 jedoch keine atypische Alltagssituation. Ahnlichkeiten zu einem LehrgesprSch zwischen Lehrer und Schiller sind durchaus erkennbar. Vgl. Schnell et al. (2005), S. 355 f Die gewissenhafte Durchfilhrung von qualitativen und insbesondere Experteninterviews setzt besondere InterviewerfUhigkeiten wie AnpassungsfUhigkeit und Flexibilitat bei der Frageformulierung, Selbstreferenz, Selbstkritik, Geduld und ,JZuh()ren k6nnen" voraus. Vgl. Strauss/Corbin
Forschungsdesign
143
Obwohl mit Sorgfalt darauf geachtet wurde, den Interviewpartner in seinen AusfUhrungen mOglichst wenig zu beeinflussen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Altersunterschiede oder Kontextbedingungen (z. B. Termindruck, Sympathie und Antipathic) Einfluss auf die Interviewsituation genommen haben.^^^ Dies ist jedoch in der Erhebungssituation weder technisch noch methodisch kontrollierbar. Es entstand jedoch der Eindruck, dass cin GroBteil der Interviews auch von Seiten der Interviewpartner auf Interesse stieB.^^* Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Interviews ohne Probleme durchgefUhrt und auf Tonband aufgenommen werden konnten. Die Interviewdauer variierte dabei zwischen 55 und 110 Minuten und lag durchschnittlich bei 73 Minuten. 4.2.3
Datenanalyse
Die Datenanalyse im Rahmen vergleichender Fallstudien gestaltet sich aus unterschiedlichen GrUnden als komplex und schwierig. Dies ist im Wesentlichen darauf zuruckzufiihren, dass in der Literatur keine klaren Handlungsanweisungen, Methoden oder Techniken fUr eine ,richtige' Fallstudienanalyse existieren.^" Zwar liefem einschlSgige Werke anwendungsorientierte VorschlSge,^^^ jedoch bleibt die Art ihrer Umsetzung dem Forscher selbst Uberlassen, der sein analytisches Repertoire Ober die Zeit entwickelt.^^^ Die hier verfolgte Vorgehensweise bei der Datenanalyse lehnt an die VorschlSge von Meuser/Nagel (1991) und Eisenhardt (1989) an und kann grob in die Einzelfallanalyse („within-case analysis") und die fallubergreifende Datenanalyse („cross-case analy(1998), S. 18; Yin (2003), S. 59; Strauss/Corbin (1990), S. 182; Lamnek (1993), S. 65 ff.; Bortz/D6ring (2002), S. 247. Nach Lamnek (2005), S. 389 ist jedoch auch eine suggestive Fragestellung zulassig, vorausgesetzt die Atmosphare in der Befragungssituation wirkt derart permissiv und tolerant, dass negative Sanktionen weder unmittelbar noch spSter zu erwarten sind. Suggestivfragen werden von Richardson et al. (1993), S. 222 auch als eine Quelle erhohter Validitat gesehen, und zwar dann, wenn der Befragte zCgert, eine Aussage zu machen und ihm Uber d\Q Unterstellung ein Erzahlstimulus gegeben wird. ^^° Siehe zum Einfluss des Interviewers auf das Ergebnis z. B. Schnell et al. (2005), S. 354. ^^' Dies wurde vor allem nach Beendigung der Interviews deutlich. Viele Interviewpartner wiesen darauf hin, dass ihnen das Interview SpaB bereitet und sie gem Uber die Arbeitsweise in ihrem virtuellen Unternehmen berichtet hatten. Zudem zeigten sie groBes Interesse an den Ergebnissen der Arbeit und boten bei etwaigen Nachfragen ihre Bereitschaft an. ^^^ Vgl. Eisenhardt (1989), S. 539; Yin (2003), S. 109. ^^^ Z. B. Eisenhardt (1989); Miles/Huberman (1994); Meuser/Nagel (1991); Meuser/Nagel (1994); Yin (2003). ^^ Vgl. Yin (2003), S. 116; Eisenhardt (1989), S. 539 f
144
Empirische Untersuchung
sis") unterteilt werden.^^^ Der Analyseprozess, der in folgender Abbildung dargestellt ist, umfasst insgesamt sechs Analyseschritte: Abbildung 6: Vorgehensweise bei der Datenanalyse
2.
Paraphrasierung thematischer Einheiten und Erstellung von Fallstudienreporten
g H
kommunikative Validierung Berticksichtigung der Informationen aus der Dokumentenanalyse und der teilnehmenden Beobachtune
ft. sr
Quelle: Eigene Darstellung. Der erste Analyseschritt besteht in der Transkription der Interviews: In der MethodenFachliteratur besteht keine Einigkeit dartiber, ob ein auf Tonband aufgezeichnetes Interview zu anschlieBenden Analysezwecken komplett transkribiert werden soil oder es ausreichend ist, nur diejenigen Passagen zu verschriftlichen, die einen direkten Beitrag zur Beantwortung der Forschungsfrage leisten konnen.^^^ Diese Frage ist nicht nur auf die Genauigkeit und Vollstandigkeit der anschlieBenden Datenanalyse gerichtet, sondem wirft auch forschungspraktische Uberlegungen auf: Mit der Transkription
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540. Strauss/Corbin (1990), S. 30 f sind der Auffassung, dass es dem Forscher selbst Uberlassen sei, zu entscheiden, ob die Interviews voll- oder nur teiltranskribiert werden sollen. Die Autoren raten jedoch an, im Zweifel eher einen hCheren Aufwand zu betreiben, um eventuelle Riickgriffe auf zuvor als unwesentlich erachtete Passagen zu ermoglichen. Siehe zur Durchfiihrung von Transkriptionen z. B. auch Dittmar (2004).
Forschungsdesign
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des gesamten Datenmaterials ist ein erheblicher Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand verbunden, der den Fortschritt der Untersuchung erheblich verlangsamen kann.^^^ In der vorliegenden Arbeit wurde die Entscheidung getroffen, alle Interviews komplett zu transkribieren, zum einen, weil kein Interview misslungen ist,^^^ und zum anderen, um die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der gewonnen Daten zu gewShrleisten und ein „Verschenken von Wirklichkeit"^^^ zu vermeiden/^^ Uber das Forschungsinteresse dieser Arbeit hinaus halt diese Entscheidung die Moglichkeit filr eine SekundSranalyse offen.^^' Die auf Tonband aufgezeichneten Interviews wurden vom Autor selbst Schritt fiir Schritt abgehOrt und mit Hilfe einer Spracherkennungssoftware verschriftlicht.^^^ Bei der Ubertragung von Interviews in eine schriftliche Form treten nicht selten Probleme auf, die sich aus der Disparitat zwischen der Schriflsprache und spontanen verbalen AuBerungen ergeben.^^^ Da eine ausschlieBlich wortgetreue Wiedergabe aufgrund dieser Unterschiede wenig sinnvoll ist und die Lekture des Transkripts unnOtig erschwert, wurden die Interviews nach zuvor festgelegten Regeln transkribiert.^^"* Hierbei mussten jedoch nur wenige „sprachliche Unebenheiten" geglattet werden. GrundsStzlich wurde jedoch auf eine ni5glichst wortgetreue Wiedergabe des Interviews geachtet, um dem Leser einen m5glichst authentischen Eindruck vom GesprSchsverlauf zu geben und einer etwaigen Wieder- bzw. Weiterverwendung der
Vgl. Strauss/Corbin (1990), S. 30. Zu den Griinden des Misslingens von Experteninterviews siehe Meuser/Nagel (1991), S. 449 f. Vgl. Meuser/Nagel (1991), S. 456. Hierbei sei noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich um subjektive Einschatzungen handelt. Strauss/Corbin (1990), S. 30 f sind der Auffassung, dass es die Entscheidung des Forschers selbst sei, ob er alle Interviews transkribiert oder nur die Passagen, die einen Beitrag zur Beantwortung der Forschungsfrage leisten. Um einen Einstieg in die Datenauswertung zu bekommen, sei es jedoch ratsam, die ersten Interviews komplett zu transkribieren und anschlieBend zu entscheiden, ob die (ibrigen Interviews ebenfalls komplett oder nur passagenweise transkribiert werden sollen. 671
Siehe hierzu auch Yin (2003), S. 102 f Zwar ware es mOglich gewesen, die Transkription der Interviews gegen Bezahlung eines Schreibdienstes vomehmen zu lassen, jedoch ist mit der eigenstandigen Transkription der Vorteil verbunden, einen sehr genauen Uberblick iiber die Daten zu bekommen und somit den Einstieg in die Datenanalyse zu erleichtem. Mit Hilfe der Spracherkennungssoftware Dragon Naturally Speaking Professional 6.0 vom Hause Lernout & Hauspie konnte dieser Arbeitsschritt durch das AbhOren des Tonbandes und des anschlieBenden Diktierens des Gehorten erleichtert und beschleunigt werden. Eine Korrektur des durch die Spracherkennungssoftware produzierten Textes war jedoch dennoch notwendig, da im Durchschnitt eine Genauigkeit von ca. 97 % erreicht wurde. Zu nennen seien hier z. B. der Satzbau oder gelegentliche Versprecher. In der Literatur lassen sich unterschiedliche Transkriptionsregeln finden. Siehe z. B. Silverman (1993), S. 118; Watson (1997), S. 83; Psathas/Anderson (1990).
146
Empirische Untersuchung
Daten in einer Sekundaranalyse nicht im Wege zu stehen.^^^ An wenigen Stellen wurden nonverbale AuBerungen in den Interviewtranskripten mit zusatzlichen ErlSuterungen und Erganzungen dokumentiert, sofem sie fiir das Verstandnis des Inhalts erforderlich waren. Die ErlSuterungen wurden dabei durch eckige Klammem hervorgehoben, wie z. B.: [Pause]:
weist auf eine deutlich wahmehmbare Gedankenpause hin, die vom Interviewer z. T. durch das Umformulieren der Frage abgebrochen wurde;
[betont]:
weist auf die besonders starke Betonung eines Wortes hin, wobei diese Konnotation immer nach dem hervorgehobenen Wort angefUgt wurde;
[lacht]:
weist auf eine humorvolle AuBerung des GesprSchspartners hin;
[wird unterbrochen]:
weist darauf hin, dass der Interviewer vom Interviewpartner unterbrochen wurde.
Der zweite Analyseschritt besteht in der Paraphrasierung der Interviewtranskripte nach thematischen Einheiten und der Erstellung von Fallstudienreporten. Im Unterschied zu der von Miles/Huberman (1994) vorgeschlagenen Kodiertechnik als Datenanalysemethode^^^ wird in der hier verfolgten, auf Meuser/Nagel (1991) und Eisenhardt (1989) basierenden Vorgehensweise auf die Kodierung des verschriftlichten Materials zugunsten einer Paraphrasierung verzichtet. Dies erscheint in der vorliegenden Arbeit aus forschungspraktischen GrUnden nicht nur legitim, sondem in Anbetracht der 19 Interviewtranskripte mit insgesamt 220 Seiten^^^ auch angemessen. WUrde das verschriftlichte Material wie vereinzelt postuliert Wort fur Wort kodiert werden,^^^ wiirden sehr leicht mehrere hundert Codes generiert werden, wobei bezweifelt werden kann, ob das Ziel dieses zweiten Datenanalyseschritts, das in der Gewahrleistung eines
Urn eine Ubersichtlichere Lekture der Transkripte zu ermeglichen, wurden die Fragen des Interviewers in kursiver Schrift und die Antworten des Interviewten in Normalschrift abgedruckt. Auf eine weitere Untergliederung der Transkripte in Absatze wurde verzichtet. Die vollstandigen Interviewtranskripte umfassen insgesamt 340 Seiten und sind beim Autor der vorliegenden Arbeit erhaltlich. Vgl. Miles/Huberman (1994), S. 55 ff. Siehe hierzu die Interviewtranskripte im Anhang dieser Arbeit. Vgl. z. B. Wrona (2005). S. 29.
Forschungsdesign
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besseren Uberblicks Uber das gesamte Material besteht,^^^ mit dieser Vorgehensweise tatsSchlich erreicht werden kann.^^° Mit der hier gewahlten Vorgehensweise der Paraphrasierung, zu der es in der Literatur ebenfalls iceine standardisierten Richtlinien gibt,^^* konnten die umfangreichen und z. T. wenig strukturierten Daten verdichtet werden und damit der Gefahr des „death by data asphyxiation"^^^ vorgebeugt werden. Zudem konnte sich die Paraphrasierung an der Typologie der Koordinationsinstrumente orientieren, wodurch sich die Strukturierbarkeit und Ubersichtlichkeit der Daten weiter verbesserte. Bei diesem Arbeitsschritt wurde besonderer Wert darauf gelegt, die Meinungen, Urteile, Beobachtungen und Deutungen der Interviewpartner mOglichst textgetreu wiederzugeben.^*^ Kemaussagen oder besonders prSgnante Aussagen wurden aus diesem Grunde als wOrtliche Zitate bzw. als sog. In-Vivo-Codes^^"* in die Paraphrase Ubemommen und verdeutlichen die Authentizitat der gewonnenen Daten. Die einzelnen Paraphrasen wurden anschliefiend in einem Fallstudienreport zusammengefasst. Bei der Erstellung der Fallstudienreporte wurde in diesem friihen Analyseschritt auf eine Interpretation verzichtet, um die Informationen des Interviewpartners zunSchst in einem Gesamtzusammenhang und vor dem Hintergrund des jeweiligen virtuellen Untemehmens betrachten zu kOnnen. Daher sind die Fallstudienreporte in einem Gutachtenstil verfasst worden, der es dem Leser zunSchst erlaubt, eigene, vom Forscher unabhangige Schlussfolgerungen zu Ziehen. Um sicherzustellen, dass bei der Erstellung der Fallstudienreporte keine Fehler bei der Paraphrasierung entstanden sind, die sich als Bias durch die gesamte Fallstudienanalyse Ziehen wiirden, wurden im dritten Analyseschritt die jeweiligen Fallstudienreporte im Rahmen einer kommunikativen Validierung^^^ den Interviewpartnem mit der Bitte
Vgl.Eisenhardt (1989), S. 540. Als Alternative hatte sich hier eine computeruntersttitzte Datenanalyse z. B. mittels des Programms ATLAS/ti (siehe z. B. unter www.atlasti.de (letzter Zugriff 01.08.2004)) angeboten, jedoch ist fraglich, ob der mOglicherweise dadurch erzielte Nutzen den zusatzlichen Aufwand, der durch die Dateneingabe von mehreren hundert Codes hervorgerufen worden ware, rechtfertigen wUrde. Vgl. Bortz/DCring (2002), S. 334. Zur computerunterstutzten Analyse qualitativer Daten siehe weiterftihrend z. B. Flick (2002), S. 361 ff. Vgl.Eisenhardt (1989), S. 540. Vgl. Pettigrew (1990), S. 281. Vgl. Meuser/Nagel (1991), S. 456. Vgl. Strauss/Corbin (1996), S. 50. 685
Siehe hierzu die Ausfiihrungen im folgenden Abschnitt 4.3.
148
Empirische Untersuchung
um inhaltsbezogene kritische Durchsicht des Dokuments zugeschickt.^^^ AnschlieBend wurden im vierten Analyseschritt ergSnzende Informationen aus den Homepages, aus Zeitschriftenartikeln sowie unternehmensintemen Dokumenten im Rahmen der Dokumentenanalyse aufgegriffen und in die jeweiligen Fallstudien tibertragen. Um dem interessierten Leser die MOglichkeit zu bieten, diesen zunSchst rein beschreibenden Analyseschritt nachzuvoUziehen, wurden alle Angaben der Interviewpartner mit genauen Zeilenverweisen auf die entsprechenden Textsequenzen des Interviewtranskripts versehen.^^^ Diese muhevoUe Arbeit dient nicht nur dem besonders an qualitative Forschungen gestellten Kriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit, sondem ermOglicht auch dem Forscher, in der anschliefienden fallvergleichenden Analyse ohne groBen Aufwand die jeweiligen Textpassagen aus den Interviewtranskripten emeut aufzugreifen. Mit dieser Methodik wird, ahnlich wie in einer kriminologischen Untersuchung, die Beweiskette aufrechterhalten und die ReliabilitSt der in einer Fallstudie enthaltenen Daten und damit der gesamten Fallstudie gesteigen.''' Mit der Generierung zweier separater Dokumente, dem Interviewtranskript und dem beschreibenden Fallstudienreport, wird der von Yin (2003) geforderten Sorgfalt bei der Datendokumentation entsprochen: „However, with case studies, the distinction between a separate database and the case study report has not yet become an institutionalized practice. Too often, the case study data are synonymous with the narrative presented in the case study report, and a critical reader has no recourse if he or she wants to inspect the raw data that led to the case study's conclusions."^^^
686
Die durchweg positive RUckmeldung der Interviewpartner, in der nur in 2 von 19 Fallen kleine, unerhebliche Verbesserungen vorgeschlagen wurden, deutet darauf hin, dass die Fallstudienreporte das vom Interviewer Gesagte korrekt wiedergegeben haben.
687
Hierbei wird durchgehend nach folgendem Muster zitiert, z. B.: „Vgl. [Nr.5: 120-125]". In den eckigen Klammern werden die Nummer des Interviewtranskripts und die Fundstelle unter Angabe der genauen Zeilennummem ausgewiesen, H^ufig werden mehrere Fundstellen innerhalb eines Transkripts angegeben. Die Zeilenangaben werden dann durch Kommata abgegrenzt. Die Nummerierung der Interviev^anskripte entspricht der der Fallstudien, die sich im Anhang dieser Arbeit befinden. Vgl. Yin (2003), S. 102 und 105. Wahrend des Erstellens der Paraphrasen bzw. des Fallstudienreports wurde durch das fortlaufende Markieren bereits berttcksichtigter Interviewpassagen sichergestellt, dass alle Informationen aus den Interviews in den fortlaufenden Analyseprozess aufgenommen wurden. Damit wird nicht nur die Qualitat der jeweiligen Fallstudie verbessert, sondem auch dem methodologischen Problem der Bestimmung der Konstruktvaliditat Rechnung getragen Vgl. Yin (2003), a.a.O. Vgl. Yin (2003), S. 101.
Forschungsdesign
149
Nach der fallspezifischen Analyse, die v. a. in der Erstellung von beschreibenden Fallstudienreporten bestand, erfolgte mit dem fiinften und sechsten Schritt die fallvergleichende Analyse. Unter Benicksichtigung der Auffassungen der Literatur wurden hierbei auf der Grundlage der Typologie von Koordinationsinstrumenten die jeweiligen Paraphrasen aus den 19 Fallstudienreporten betrachtet und gegentiberstellend analysiert. Hierbei wurde insbesondere auf Ahnlichkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstrumenten geachtet. Bei der Interpretation der gewonnenen Daten wurden zudem die jeweiligen Kontextfaktoren berUcksichtigt. LieBen sich die empirisch gewonnenen Daten verdichten und auf der Grundlage der Inhaltsanalyse Tendenzen in Bezug auf die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in den betrachteten virtuellen Untemehmen feststellen, erfolgte eine Hypothesenableitung. Die Ergebnisse der fallvergleichenden Analyse sind ausfllhrlich in Kapitel 5 dargestellt. Nachdem die Vorgehensweise bei der Datenerhebung dargestellt wurde, soil nun auf die GUte des Forschungsprozesses eingegangen werden, um vor diesem Hintergrund eine Bewertung der gewonnenen Daten vomehmen zu kOnnen. 4.3 Gfite des Forschungsprozesses Sowohl an quantitative als auch an qualitative Untersuchungen kOnnen eine Reihe von Giitekriterien gestellt werden, um die Qualitat wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung beurteilen zu kOnnen. Jedoch sind die theoretischen Grundlagen beider Forschungsparadigmen von ihrem Ansatz her derart verschieden, dass nur eine kleine Basis fiir einen gemeinsamen Dialog gefunden werden kann, auf welcher ein gleiches Vorverstandnis beztiglich der Giitekriterien besteht.^^^ Erschwerend kommt hinzu, dass in beiden Forschungsparadigmen hinsichtlich der Giitekriterien identische Termini verwendet werden, obwohl sie inhaltlich-substanziell anders besetzt sind. Wahrend die Giitekriterien in der quantitativen Forschung relativ einheitlich verwendet werden, besteht in der qualitativen Forschung noch keine Einigkeit beziiglich der Zugrundelegung bestimmter Giitekriterien.^^' Die folgenden Ausflihrungen orientieren sich an den Vorschlagen von Yin (2003) und Lamnek (2005) und umfassen die Giitekriterien
Vgl. Lamnek (2005), S. 143. Vgl. Lamnek (2005), S. 143 f. Zur Diskussion unterschiedlicher GUtekriterien in der qualitativen Forschung siehe z. B. Bortz/DOring (2002), S. 167 u. 210; Silverman (1993), S. 144 ff.; Marshall/Rossman (1989), S. 148 f.; Lamnek (2005), S. 144 ff.; Miles/Huberman (1994), S. 262 ff.
150
Empirische Untersuchung
Konstruktvaliditat, interne und exteme Validitat, Reliabilitat und Objektivitat.^^^ DarUber hinaus werden einzelne Postulate beriicksichtigt, die in der Diskussion urn Gtitekriterien qualitativer Sozialforschung angefiihrt werden.^^^ Auf der Grundlage dieser Kriterien und Postulate ist es mOglich, Aussagen Uber die Gute der gewonnen Daten, die Angemessenheit (Indikation) des Forschungsprozesses sowie die empirische Verankerung der Forschungsergebnisse zu treffen.^^"^ Konstruktvaliditat Zunachst einmal geht es darum, angemessene und operable Messverfahren auszuwahlen, mit denen das zu untersuchende Phanomen - in der vorliegenden Arbeit die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen - erfasst werden kann.^^^ Zur Absicherung der Konstruktvaliditat wurden bei der Datenerhebung drei Taktiken verfolgt, mit denen das Postulat der Gegenstandsangemessenheit von Forschungsmethoden^^^ adressiert wird: Erstens erfolgte eine Methodentriangulation, mit der Daten auf unterschiedliche Art und Weise gewonnen wurden. Zwar war das Experteninterview bei der Datenerhebung die zentrale Methode, jedoch konnten erganzende Informationen aus der Dokumentenanalyse sowie bei einer teilnehmenden Beobachtung gewonnen werden, die eine kritische Reflexion der Informationen aus den Experteninterviews erm5glichte. Damit wird dem Postulat der Offenheit gegenUber den Untersuchungspersonen und den Untersuchungsmethoden entsprochen, um die Einzigartigkeit von Forschungssubjekten und -situationen berUcksichtigen zu k5nnen.^^^ Neben der Betrachtung des interessierenden Phanomens aus unterschiedlichen Perspektiven besteht der Vorteil darin, dass die mit jeder Datenerhebungsmethode verbundenen Nachteile, z. B. hinsichtlich einer unbeabsichtigten Verzerrung der Datenerhebung, durch die Verwendung unterschiedlicher Methoden tendenziell kompensiert werden kSnnen, wodurch sich letztlich die Konstruktvaliditat der empirischen Untersuchung erhOht/^^
692
Vgl. Yin (2003), S. 34 ff.; Lamnek (2005), S. 142 ff
693
Siehe hierzu z. B. Kutschker et al. (1997), S. 14 ff.; Bogumil/Immerfall (1985), S. 32 ff.; Mayring (2002),S. 19ff
694 695 696 697 698
Vgl. Strauss/Corbin (1996), S. 216. Vgl. Yin (2003), S. 35. Vgl. Kutschker et al. (1997), S. 14 f; Kleining (1995), S. 13. Vgl. Kutschker et al. (1997), S. 15. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 538; Yin (2003), S. 36; Lamnek (2005), S. 147.
Gtite des Forschungsprozesses
151
Zweitens wurde unter RUckgriff auf die relevante Literatur mit der Typologisierung von Koordinationsinstrumenten und den Koordinationsformen eine A-prioriSpezifikation interessierender Konstrukte vorgenommen.^^^ Wie unter Punkt 4.1.1 ausgeflihrt, entspricht dieses Vorgehen der von Strauss/Corbin (1996) vertretenen Variante der Grounded Theory, die einen theoriegeleiteten Zugang zum Untersuchungsfeld fUr sinnvoll erachtet. Diese Vorstrukturierung war aufgrund der Vielzahl der in der Untemehmenspraxis verwendeten Koordinationsinstrumente notwendig, urn die zielgerichtete Erhebung relevanter Daten zu gewShrleisten. Die dritte Taktik besteht in der kommunikativen Validierung, bei der die Fallstudienreporte den jeweiligen Interviewpartnem zur inhaltlichen Prufung zugesandt wurden, urn sicherzustellen, dass das im Interview Gesagte auch korrekt wiedergegeben wurde und keine inhaltlichen Fehler aufweist.^^^ Dieses Verfahren sichert zwar nicht gegen Fehlinterpretationen ab, jedoch kOnnen weitere Anhaltspunkte fiir die Relevanz der Ergebnisse gefunden sowie der Authentizitatsgrad der Fallstudienreporte erhSht werden.^^' Mit der kommunikativen Validierung und dem Einsatz von Experteninterviews als zentrale Datenerhebungsmethode wird dem Postulat des kommunikativen Zugangs zur Wirklichkeit entsprochen, wodurch eine bessere Abbildung komplexer Zusammenhange mOglich ist.^°^ Interne Validitat Wahrend das Giitekriterium der Konstruktvaliditat sich v. a. auf die Datenerhebung und die Zusammenstellung der erhobenen Daten richtet, konzentriert sich die interne (oder auch nomologische) Validitat vorwiegend auf die Datenanalyse.^^^ Die interne Validitat, die ausdrUckt, inwieweit die verwendete Methode auch das misst, was sie zu messen vorgibt/^"* wird in qualitativen sowie quantitativen Untersuchungen als wichtigstes Gutekriterium betrachtet^^^ und bezieht sich auf die Gultigkeit der aufgestellten
Siehe hierzu Punkt 2.2.1 und 2.2.2 dieser Arbeit. Zum Gutekriterium der kommunikativen Validierung siehe z. B. Lamnek (2005), S. 147 u. 155; Mayring (2002), S. 106; Lechler (1982); Bortz/Dfiring (2002), S. 328. Die jeweiligen Fallstudien wurden mit nur sehr geringen Erg^nzungen an den Interviewer zurtickgesandt. In vielen Fallen wurden die Fallstudienreporte wegen ihrer sorgfilltigen und korrekten Darstellung gelobt. Vgl. Mayring (2002), S. 112 u. 147; Flick et al. (1995), S. 168. 702
Vgl. Kutschker et al. (1997), S. 15.
703
Vgl. Yin (2003), S. 34. Vgl. Friedrichs (1990), S. 100. Vgl. Bortz/DOring (2002), S. 327.
152
Empirische Untersuchung
Kausalzusammenhange, ihre intersubjektive Uberprtifbarkeit sowie die Zuverlassig-
Durch die thematische Fokussierung auf die Verwendung von Koordinationsinstrumenten und der durch die Replikationslogik geforderte Auswahl ahnlicher Beispiele virtueller Untemehmen, die durch unterschiedliche Kontextfaktoren bedingt sind/°^ konnte die Entdeckung m5glicher Kausalzusammenhange gew^hrleistet werden. Das zentrale Verfahren der Datenanalyse bestand im fortwahrenden Vergleichen unterschiedlicher Aspekte in den einzelnen Fallstudien und der Interpretation der Befunde. Der Replikationslogik folgend wird die Validitat in Bezug auf einen mfiglichen Kausalzusammenhang durch die Anzahl der bestatigenden Fallbeispiele erhOht. Hingegen bieten konfligierende Befunde die Mdglichkeit, die Zusammenhangsannahmen zu prazisieren oder den dahinter liegenden theoretischen Ansatz zu erweitem/^^ Mit der argumentativen Validierung wurde eine weitere Taktik zur Sicherung der intemen Validitat berUcksichtigt.^^^ Dabei stehen sowohl der Interpretationsprozess und dessen inhaltliche Entwicklung als auch dessen Darstellung im Vordergrund. Der Interpret legt seine Annahmen offen dar und gibt somit dem Leser die MOglichkeit, die Argumentationskette nachzuvollziehen und sich ein eigenes Urteil Uber die diskutierten Aspekte zu bilden. Dariiber hinaus wird dem Rezipienten dieser Arbeit der Interpretationsprozess auch dadurch ermOglicht, dass samtliche Darstellungen der Expertenaussagen, die in die Ergebnisdarstellung eingeflossen sind und die zur Hypothesenableitung genutzt werden, unter Verweis auf die jeweiligen Zeilenangaben des Interviewtranskripts lUckenlos belegt werden.^^^ Diese sehr genaue und explikative Darstellung der Datenanalyse kommt somit dem Postulat der intersubjektiven Uberprtifbarkeit nach/*' die insbesondere bei qualitativen Untersuchungen aufgrund des erheblichen Zeitaufwandes haufig vemachlassigt wird. Die Argumentation, in der Annah-
Vgl. Yin (2003), S. 36; Bortz/Ddring (2002), S. 56 f Vgl.Eisenhardt (1989), S. 542. 708
Vgl. Eisenhardt (1989), a.a.O.
709
Zur argumentativen Validierung siehe z. B. Lamnek (2005), S. 156 f. Dies erleichtert dem interessierten Leser das Nachvollziehen und eine kritische Oberprilfung dei Interpretationen, da hierzu nicht erst die Uber 300 Seiten Interviewtranskript gelesen werden mUssen. Zur Ergebnisdarstellung siehe Kapitel 5 dieser Arbeit. Siehe hierzu auch Mayring (2002), S. 144 f; Lamnek (2005), S. 153 und 644; Flick (2002), S. 322 ff.; Kutschker et al. (1997), S. 16; Steinke (1999), S. 207 ff.
Gute des Forschungsprozesses
15 3
men und Ideen, aber auch Widersprtichlichkeiten weitgehend expliziert werden, kann somit als Medium des Validierungsprozesses betrachtet werden^'^ Validitatsfragen richten sich bei der qualitativen Datenerhebung z. B. darauf, ob die AuBerungen der Interviewpartner authentisch und ehrlich sind. Das Problem der Vaiiditat der erhobenen Daten, das kein Spezifikum des Experteninterviews darsteilt, besteht in der eingeschrSnkten Kontrolle bzw. Uberprufbarkeit der Aussagen. So ist es nicht auszuschlieBen, dass die Interviewpartner einzelne Aspekte besch5nigen oder z. B. die Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien zur Koordination in ihrem virtuellen Untemehmen besonders hervorheben, um die Fortschrittiichkeit und WettbewerbsfUhigkeit ihres Untemehmens zu betonen. Es kSnnen jedoch mehrere Hinweise fiir authentisches Verhalten angefuhrt werden, mit der eine kumulative Validierung erm5giicht werden kann.^'^ So sehen Meuser/Nagel (1991) eine Gewahr dafiir, dass die Experten nicht allzu weit von den realen Bedingungen abweichen, da sie dam it rechnen mtissen, dass auch Kollegen bzw. Kooperationspartner interviewt werden/'"* Um die innere Stimmigkeit der erhobenen Daten zu prtifen, wurden bereits wahrend des Interviews zu unterschiedlichen Zeitpunkten Kontrollfragen gestellt/'^ Bei der Datenanalyse konnten somit durch das Prinzip des „pattemmatching"^'^ in einem Fall Widersprtichlichkeiten entdeckt werden, die dazu flihrten, die jeweiligen Passagen von der Gesamtauswertung auszuschlieBen/*^ Dariiber hinaus k5nnen Ubereinstimmungen zwischen den Aussagen der Interviewpartner und den erhaltenen untemehmensintemen Dokumenten sowie einzelnen Berichten und Fallstudien zum jeweiligen Untemehmensbeispiel aus der Literatur festgestellt werden/*^ Um
Vgl. Lamnek (1993), S. 166. Vgl. Bortz/Ddring (2002), S. 328; Lamnek (2005), S. 154 ff. Vgl. Meuser/Nagel (1991), S. 466. Im Sinne eines kriminalistischen Befragens diirfte es bei einer bewussten Falschdarstellung zudem sehr schwer sein, sich bei einem bis zu zweisttindigen Interview nicht in WiderspriichHchkeiten zu verwickeln. Vgl. Yin (2003), S. 36. DeanAVhyte (1958), S. 36 sprechen hier auch vom Prinzip des „cross checking". Vgl. Bortz/D5ring (2002), S. 329. Vgl. z. B. die hier dargestellten Fallstudien zur Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mitte Iland und Baden-Wiirttemberg, zum Softwarezentrum Bdblingen'Sindelfmgen sowie des Ingenieurbiiros Zengerle & Partner in den Diplomarbeiten von HOlsch (2000) und Beckert (2000). In Bezug auf die hier dargesteUte Fallstudie zur ConVerve siehe z. B. Teichmann/Borchardt (2003). Die Unternehmensbeispiele Creaprodi und TWG werden auch bei Arnold et al. (2003), S. 50 ff. bzw. S. 106 ff. herangezogen.
154
Empirische Untersuchung
eine mSglichst geringe Verzerrung bei der Datenerhebung zu verursachen, wurde sowohl die Erhebungssituation berUcksichtigt als auch auf die Vermeidung m5glicher Interviewereffekte geachtet. ^^^ Exteme Validitat Die exteme Validitat richtet sich auf die Generalisierbarkeit wissenschaftlicher Aussagen und ist gegeben, wenn die Befunde einer Untersuchung auch in anderen Stichproben Oder zu einem spSteren Zeitpunkt GOltigkeit besitzen/^^ Wird mit groB angelegten quantitativen Untersuchungen idealerweise ein ReprSsentationsschluss von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit gezogen und eine Generalisierbarkeit der Aussagen angestrebt, so ist dies bei qualitativen Untersuchungen aufgrund der meist nur geringen Fallzahl und der mangelnden Replizierbarkeit nicht zulSssig.^^^ Hierbei ist jedoch zu berticksichtigen, dass sich die Generalisierbarkeit der in Fallstudienarbeiten gewonnenen Daten und Ergebnisse nicht auf eine statistische Generalisierbarkeit bzw. eine Population bezieht, sondem auf theoretische Propositionen und analytische Generalisierbarkeit zielt/^^ Die analytische Generalisierbarkeit wurde in der vorliegenden Arbeit dadurch erreicht, dass die virtuellen Untemehmen auf der Grundlage eines theoretischen Sampling ausgewahlt wurden/^^ Durch die kriteriengeleitete und zielgerichtete Auswahl von Untemehmensbeispielen bzw. Interviewpartnem, die hinsichtlich ihrer Aufgaben bzw. Positionen innerhalb des jeweiligen virtuellen Untemehmens eine gewisse Vergleichbarkeit zulassen, und durch die Verwendung eines einheitlichen Interviewleitfadens wurde eine Basis fiir die bei Fallstudienarbeiten geforderte Replikationslogik geschaffen. Mit Hilfe der im Laufe der Datenerhebung durchgeftihrten 19 Experteninterviews konnte eine theoretische Sattigung in Bezug auf die Forschungsfrage erreicht werden.^^"^ Durch die Methode fortwahrender Vergleiche wurden die empirischen Daten hinsichtlich bestehender Ahnlichkeiten und Unterschiede sowohl in als auch zwischen
719
Siehe hierzu die AusfUhrungen unter Punkt 4.2.2.3.
720
Vgl. Lamnek (2005), S. 150; Wrona (2005), S. 41.
721
Vgl. Wrona (2005), S. 41. Die externe Validitat wird daher auch als Schwachpunkt qualitativer Untersuchungen betrachtet. Siehe z. B. Marshall/Rossman (1989), S. 146; Bortz/DGring (2002), S. 113.
722 723 724
Vgl. Yin (2003), S. 37; Lamnek (2005), S. 404. Siehe hierzu auch Punkt 4.2.1 dieser Arbeit. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 545; Glaser/Strauss (1967), S. 61; Strauss/Corbin (1990), S. 193.
Gute des Forschungsprozesses
155
den Fallbeispielen analysiert. Die fallvergleichende Analyse und die Berilcksichtigung ahnlicher und kontrastierender Auffassungen der einschiagigen Literatur k5nnen als weitere Hinweise fiir eine analytische Generalisierbarkeit der Ergebnisse betrachtet werden.'^^^ Reliability Inwieweit qualitative Erhebungstechniken reliabel sein sollen, ist in der Methodenliteratur strittig.^^^ Das Ziel der Reliabilitat von Fallstudienarbeiten besteht darin, sicherzustellen, dass ein weiterer Forscher mit der gleichen Vorgehensweise, wie sie von dem Forscher der betrachteten Fallstudienarbeit verwendet wurde, bei der Untersuchung desselben Falls zu den gleichen Befunden und Schlussfolgerungen kommt/^^ Eine grundlegende Voraussetzung daftir ist die prSzise Dokumentation bei der Durchfiihrung der Untersuchung/^^ Es sollte bei den Ausfiihrungen zur Vorgehensweise bei dieser empirischen Untersuchung deutlich geworden sein, dass die einzelnen Schritte genau dargestellt wurden. Theoretisch kOnnte die Untersuchung anhand derselben Fallbeispiele wiederholt werden, jedoch bestehen insbesondere bei qualitativen Forschungsarbeiten erhebliche Zweifel, dass die gleichen Untersuchungsbedingungen vorausgesetzt werden kOnnen. Die Grlinde bestehen z. B. in der Einzigartigkeit, der historischen Unwiederholbarkeit von Situationen sowie ihrer kontextabhangigen Bedeutung^^^ Auch wenn theoretisch die gleichen Untersuchungsbedingungen vorausgesetzt werden kOnnten, wUrde es nicht zwangsiaufig bedeuten, dass gleiche Ergebnisse resultieren, da die Forschungsmethode niemals unabhangig von seinem Anwender bleibt/^° Obiektivitat Das Gutekriterium der Objektivitat ist die Basiskategorie jeder wissenschaftlichen Forschung/^* Sie liegt dann vor, wenn eine inter-individuelle Zuverlassigkeit oder
725
Vgl.Eisenhardt (1989), S. 554.
726
Siehe z. B. Bortz/D5ring (2002), S. 327; Yin (2003), S. 37 ff; Lamnek (1993), S. 177 ff.
727
Vgi. Lamnek (2005), S. 166 f
728
Vgl. Yin (2003), S. 37.
729
Vgl. Lamnek (2005), S. 169; Kutschker et al. (1997), S. 15 f. sind deshalb der Auffassung, dass das Gutekriterium der Reliabilitat bei den quantitativen Verfahren nicht anzusetzen ist.
730
Vgl. Lamnek (1993), S. 175.
731
Vgl. Lamnek (2005), S. 172.
156
Empirische Untersuchung
Nachprufbarkeit gegeben ist, sodass verschiedene Forscher unter den gleichen Bedingungen zum selben Ergebnis gelangen, d. h. die Ergebnisse unabhSngig vom Forscher sind.^^^ Im Unterschied zu quantitativen Untersuchungen, bei denen die Objektivitat durch die Standardisierung der Datenerhebung und -auswertung erreicht werden soil, kann in qualitativen Untersuchungen wie der vorliegenden aufgrund der methodischen Rahmenbedingungen gerade nicht von Standardisierung gesprochen werden/" Zudem wird die Subjektivitat des Forschers und seiner Interpretationen zur Erkenntnisgewinnung klar in den Forschungsprozess mit einbezogen. Der Subjektivitat kann jedoch durch die ErmOglichung einer intersubjektiven Nachvollziehbarkeit des Datenerhebungs- und Analyseprozesses entgegengewirkt werden/^"* In der vorliegenden Arbeit wurde dies durch die Dokumentation des Forschungsprozesses und der GewShrleistung des Einblicks in samtliche Interviewtranskripte erreicht.^^^
^^^ Vgl. Lamnek (2005), S. 172; Diekmann (2004), S. 216. ^" Vgl. Lamnek (2005), S. 174. ^^^ Vgl. Wrona (2005), S. 43 f; Lamnek (2005), S. 176 f; Kutschker et al. (1997), S. 16 f. ^^^ In der qualitativen Methodologie wird in diesem Zusammenhang auch von einer „emergentistischen Objektivitat" gesprochen. Vgl. Kleining (1982), S. 246.
5 Darstellung der Ergebnisse Kapitel 5 widmet sich der Ergebnisdarstellung der vorliegenden empirischen Untersuchung. Zunachst werden in Abschnitt 5.1 die 19 virtuellen Untemehmen Uberblicksartig beschrieben, um einen ersten Eindruck von den untersuchten Untemehmensbeispielen zu bekommen. AnschlieBend wird in Abschnitt 5.2 auf der Grundlage der 19 virtuellen Untemehmen und unter Berticksichtigung der Literatur eine Typologie virtueller Untemehmen entwickelt, der sich die untersuchten Unternehmensbeispiele zuordnen lassen (Abschnitt 5.2.1). Die Entwicklung einer geeigneten Typologie stellt eine notwendige Voraussetzung dar, um die Untemehmensbeispiele einer systematischen Betrachtung unterziehen zu k5nnen. Dabei kQnnen Gemeinsamkeiten und Unterschiede nicht nur im Hinblick auf den Aufbau und die Struktur virtueller Unternehmen, sondem auch hinsichtlich einer m5glicherweise typenspezifischen Verwendung von Koordinationsinstmmenten festgestellt werden. Die auf der Gmndlage der 19 virtuellen Untemehmen identifizierten Typen werden in Abschnitt 5.2.2 naher beschrieben und jeweils durch ein geeignetes Beispiel eines virtuellen Untemehmens illustriert. AnschlieBend werden die identifizierten Typen virtueller Untemehmen in Abschnitt 5.2.3 in einem Uberblick verglichen. Abschnitt 5.3 bildet den Hauptteil der Ergebnisdarstellung. In diesem Abschnitt erfolgt eine ausfuhrliche Betrachtung der in den untersuchten virtuellen Untemehmen verwendeten Koordinationsinstrumente. Hierbei stehen die deskriptive Darstellung der Ergebnisse und die Hypothesengeneriemng unter Berticksichtigung der identifizierten Typen virtueller Untemehmen im Vordergmnd. 5.1 Beschreibung der untersuchten Untemehmen Auf der Gmndlage des in Abschnitt 4.2.1 beschriebenen Auswahlverfahrens wurden insgesamt 19 virtuelle Untemehmen aus Deutschland, Osterreich und der Schweiz ausgewShlt und hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstmmenten untersucht. Tabelle 6 gibt einen Uberblick tiber die untersuchten virtuellen Untemehmen. Sie gibt dartiber Auskunft, in welchem Jahr das virtuelle Untemehmen gegrtindet wurde, welche Rechtsform das latente Netzwerk hat und wie viele Partner diesem Netzwerk angehOren. AuBerdem informiert sie dartiber, ob die Netzwerkpartner eher regional,tiberregionaloder intemational verteilt sind und welcher Branche das virtuelle Untemehmen zugeordnet werden kann. Zudem ist jeweils der Interviewort angegeben, der i. d. R. der Ort ist, in der der Interviewpartner seinen Geschaftssitz hat:
158
Darstellung der Ergebnisse
Tabelle 6: Ubersicht uber die untersuchten 19 Fallbeispiele virtueller Untemehmen Nr. Name des virtuellen Grttn- Rechts- Anzahl geogr. Unternehmens dungs- form PartVerner jahr teiluag
Branche
Interviewort
1 Virtual Fab
2001
GmbH
60
2
Tronsoft
1990
GmbH
10
3
Virtuelle Fabrik fiir Offentlichkeitsarbeit
19972001
-keine-
4
4
Gigaperls
1998
GbR
15
5
Virtual Company The Virtual Company (TVC) Softwarezentrum BOblingen/ Sindelfingen (SBS)
1996
-keine-
15
Optik-ZFeinwerkbranche/IT interna- Dienstleistung (Freitional beruflervermittlung) Medien (Offentlichregional keitsarbeit) interna- Medien (Kindertional software) regional IT (E-Business)
1999
GmbH
15
regional IT (E-Business)
Salzburg
1995
e.V.
80
IT (Softwareregional entwicklung)
BOblingen
8
Creaprodi
1998
GmbH
9
9
123plus
2002
GbR
3
10
IngenieurbUro Zengerle & Partner
1996
-keine-
5
1992
GmbH
5
1997
AG
20
1997
e.V.
39
1997
GmbH
40
1998
GmbH
5
regional Handwerk
Freiburg
2001
e.V.
22
Automobilbranche regional (Sondermaschinenbau)
Freiburg
2000
GmbH
10
regional IT (E-Commerce)
Berlin
1998
GmbH
5
2000
GmbH
5
6 7
11 FunKey Virtuelle Fabrik Steko Virtuelle Fabrik 13 Nordwestschweiz-
12
Mittelland (w NWS-MI)
14 VirtuellBau Freie Holzwerkstatt Koncraft Virtuelle Fabrik 16 Baden-Wtirttemberg (VF B-W) Redesign Deutsch17 land The Webworker 18 Group (TWO) 15
19 Converve
Quelle: Eigene Darstellung.
regional
V. a.
Dienstleistung (Arbeitsplatzgestaltung) Uberre- IT (Web-Beratungsdienstleistungen) gional Ingenieur (Sonderregional maschinen) interna- IT (Systementwicklung/Administration) tional internaMetallverarbeitung tional Dienstleistung V. a. (Produktiregional on/Logistik) Baubranche (Handregional werk) V. a.
regional
uberregional international
IT (Beratung, Internet Strategien) Dienstleistung (EBusiness)
Jena Greifswald MUnchen Mtinchen Zurich
NUrtingen Freiburg Ulm Zurich Zurich Brugg St. Gallen
Berlin Itzehoe
Beschreibung der untersuchten Untemehmen
159
Der tabellarische Uberblick zeigt, dass sich die virtuellen Untemehmen hinsichtlich des Zeitraums ihres wirtschaftlichen Bestehens, der Rechtsform und der GrOBe des latenten Netzwerks sowie der geographischen Verteilung der Netzwerkpartner und der BranchenzugehOrigkeit unterscheiden. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung (Juni/Juli 2002) weisen einzelne virtuelle Untemehmen einen Erfahmngshorizont von mehr als 6 Jahren auf/^^ Im Untersuchungssample befmden sich aber auch virtuelle Untemehmen, die sich zu dem o. g. Zeitpunkt noch in der Entwicklung befanden bzw. am Aufbau des latenten Netzwerks arbeiteten^^^ Im Durchschnitt waren die virtuellen Untemehmen bereits knapp viereinhalb Jahre am Markt prSsent. Bine Ausnahme bildet die Virtuelle Fabrikfur Offentlichkeitsarbeit, die von 1997 bis 2001 aktiv am Markt war, deren wirtschaftliche Aktivitaten nach dieser Phase jedoch mhten. Die untersuchten virtuellen Untemehmen weisen hinsichtlich der Rechtsform des latenten Netzwerks Unterschiede auf. Wird bei einem idealtypischen virtuellen Unternehmen auf ein gemeinsames juristisches Dach verzichtet,^^^ sind je nach Gr5Be und/oder Zusammensetzung der Partneruntemehmen aber auch virtuelle Untemehmen anzutreffen, die eine Dachorganisation aufweisen/^^ Im Untersuchungssample weisen diese hSufig die Rechtsform einer Gesellschafl mit beschrankter Haftung (GmbH) auf'*^, aber auch die Rechtsform einer Gesellschafl btlrgerlichen Rechts (GbR),^"^* eines eingetragenen Vereins (e.V.) oder einer Aktiengesellschaft (AG)^"*^ sind anzutreffen^^^
Siehe die Fallbeispiele Sqftwarezentrum BoblingenSmdelflngen (Nr. 7), FunKey (Nr. 11), Tronsqft (Nr. 2) und das Ingenieurburo Zengerle & Partner (Nr. 10) im Anhang dieser Arbeit. 737 Siehe die Fallbeispiele J2Spins (Nr. 9), Virtuelle Fabrik Baden-Wurttemberg (Nr. 16) oder Redesign Deutschland (NT. 17). Siehe die Fallbeispiele Virtuelle Fabrikfur Offentlichkeitsarbeit (Nr. 3), Virtual Company (Nr. 5), Ingenieurburo Zengerle & Partner (Nr. 10). 739
Siehe hierzu z. B. auch Albers et al. (2003), S. 39 f; Blecker (1999), S. 323 ; Kemmner/Gillessen (2000), S. 13; Teichmann/Borchardt (2003), S. 84. Siehe die Fallbeispiele Virtual Fab (Nr. 1), Tronsoft (Nr. 2), The Virtual Company TVC (Nr. 6), Creaprodi (Nr. 8), FunKey (Nr. 11), VirtuellBau (Nr. 14), Koncraft (Nr. 15), Redesign Deutschland(Nr. 17), The Webworker Group (Nr. 18) und ConVerve (Nr. 19).
741
Siehe die Fallbeispiele Gigaperls (Nr. 4), I23plus (Nr. 9).
742
Siehe das Fallbeispiel Virtuelle Fabrik Steko (Nr. 12).
743
Siehe zu den unterschiedlichen Rechtsformen, die in virtuellen Untemehmen mOglich sind, z. B. auch Benz (2003a), S. 67 ff. Benz ist der Auffassung, dass es keine optimale Rechtsform fur virtuelle Untemehmen gibt. Als geeignetste erscheint seiner Ansicht die GmbH & CO. KG.
160
Darstellung der Ergebnisse
Die GrQBe des latenten Netzwerks, die durch die Anzahl ihrer Partner bestimmt wird, unterscheidet sich bei den untersuchten Untemehmensbeispielen z. T. erheblich. HSufig weisen die latenten Netzwerke eine tiberschaubare Anzahl von Partnern (bis max. 10) auf. Es sind jedoch auch Beispiele erfasst worden, die eine vergleichsweise hohe Anzahl von bis zu 80 Partnern im latenten Netzwerk aufweisen/"*"^ Die Kooperationspartner der untersuchten virtuellen Untemehmen sind entweder Freiberufler, oder - wie in den meisten Fallen - v. a. kleine, aber auch mittelstandische Untemehmen/'*^ Die Kooperationspartner der latenten Netzwerke der hier untersuchten virtuellen Untemehmen stammen hSufig aus derselben Wirtschaftsregion. Von den 19 latenten Netzwerke kOnnen 12 als regional bezeichnet werden, lediglich bei zwei Beispielen sind die Partner uberregional verteilt.^'*^ DarUber hinaus weisen fiinf virtuelle Unternehmen intemationale Kooperationspartner auf/"*^ Die Uberwiegende Mehrheit (13 von 19) der untersuchten virtuellen Untemehmen ist dem Dienstleistungssektor zuzuordnen. Hiemnter befmden sich v. a. virtuelle Untemehmen aus der IT-Dienstleistungsbranche, die z. B. E-Business-LQsungen, Intemet-Beratungsdienstleistungen, Systemund Softwareentwicklungen anbieten, aber auch virtuelle Untemehmen, die Dienstleistungen im Bereich der Produktion und Logistik, der Vermittlung von spezialisierten Freibemflem, der Arbeitsplatzgestaltung und in der Medienbranche anbieten. DarUber hinaus konnten auch sechs virtuelle Untemehmen aus dem produzierenden Sektor untersucht werden, die kundenspezifische Produkte und ProblemlOsungen aus dem Bereich der Optik- und Feinwerkbranche, dem Sondermaschinenbau, der Metallverarbeitung sowie der Bau- oder Handwerksbranche anbieten. Im Untersuchungssample befmden sich drei virtuelle Untemehmen, die in der Aufbauphase eine fmanzielle Fordemng erhalten haben.^"*^ Zum Zeitpunkt der Datenerhebung waren jedoch alle virtuellen Untemehmen selbstandig und eigenfmanziert.
744
Siehe z. B. das Softwarezentrum Boblingen-Sindelflngen (Nr. 7).
745
Siehe z. B. Redesign Deutschiand(NT. 17).
746
Siehe die Fallstudien der 123plus (Nr. 9) und The Webworker Group (Nr. 18).
747
Hierzu gehOren die Tronsoft (Nr. 2), die Kooperationspartner in Russland hat, die Gigaperls (Nr, 4), die einen Kooperationspartner in Frankreich hat, die FunKey (Nr. 11), die Kooperationspartner in England hat, die Virtuelle Fabrik Steko (Nr. 12), die Kooperationspartner in Tschechien hat und die ConVerve (Nr. 19), die Kooperationspartner in Indien hat. Eine Wirtschaftsfbrderung haben erhalten: die Virtual Fab (Nr. 1), das Softwarezentrum Boblingen-Sindelflngen (Nr. 7) und die Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-MitteHand (Nr. 13).
Beschreibung der untersuchten Untemehmen
161
Diese allgemeinen Merkmale beschreiben v. a. die latenten Netzwerke der untersuchten virtuellen Unternehmen. Dariiber hinaus kSnnen auch in Bezug auf die aktivierten Netzwerke, d. h. die projektbezogenen virtuellen Unternehmen, allgemeine Aussagen getroffen werden, z. B. hinsichtlich der Anzahl der beteiligten Kooperationspartner, der Projektdauer, dem Projektvolumen und dem Prozentsatz des Umsatzes, den die Netzwerkpartner uber die Beteiligung an den virtuellen Untemehmen realisieren. Die Anzahl der an einem virtuellen Untemehmen beteiligten Kooperationspartner schwankt nach Angabe der Interviewpartner in Abhangigkeit von der Projektgr56e. Durchschnittlich sind drei bis fiinf Kooperationspartner an einem virtuellen Unternehmen der arbeitsteiligen Leistungserstellung beteiligt.^"^^ Die Projektdauer schwankt bei den untersuchten virtuellen Untemehmen je nach Projektgr56e zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.^^^ Das Auftragsvolumen der Projekte kann bis zu einer Million Euro betragen.^^^ Da sich an den untersuchten virtuellen Untemehmen v. a. kleine Untemehmen beteiligen, ist davon auszugehen, dass es im Durchschnitt jedoch deutlich kleinere Projekte sind. Uber die Beteiligung an einem virtuellen Untemehmen realisieren die Kooperationspartner im Durchschnitt 5 - 20 % ihres Umsatzes^" Damit stellt die Beteiligung an den Kooperationen ftlr die einzelnen Kooperationspartner ein temporares Zusatzgeschaft neben ihrem eigentlichen Kemgeschaft dar/" Im Rahmen eines virtuellen Untemehmens ist es ihnen mCglich, auch grOBere Kundenauftrage annehmen zu k(5nnen, die sie als einzelnes Untemehmen aus KapazitatsgrUnden oder aus Grtinden fehlender Kompetenzen sonst nicht annehmen kCnnten. Da virtuelle Untemehmen idealtypisch auf gesonderte Rechenwerke wie z. B. Bilanzen verzichten, um keinen zusatzlichen Administrationsaufwand zu verursachen,^^"* standen nur in einzelnen Fallbeispielen weitere Wirtschaftsdaten zur Verfiigung.
Vgl. z. B. [Nr.l: 100-114]; [Nr.4: 199-218, 191-192]; [Nr.6: 264-273]; [Nr.7: 295-312]; [Nr.lO: 42-49]; [Nr.ll: 350-366]; [Nr.l8: 163-177]. Vgl. z. B. [Nr.3: 496-505]; [Nr.5 : 81-85]; [Nr.8: 60-61]; [Nr.lO: 161-165, 173-174]; [Nr.ll: 72103]. Vgl. [Nr.6: 164-173,31-35]. Vgl. [Nr.4: 298-313]; [Nr.7: 425-437]; [Nr.6: 557-568]; [Nr.l4: 625-637]. Die Netzwerkpartner der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland realisieren bis zu 20 % ihres Umsatzes iiber die Virtuelle Fabrik. Vgl. Picot et al. (2003), S. 520. In der Virtuellen Fabrik Euregio Bodensee, dem Ursprungsnetzwerk nach dem Konzept der Virtuellen Fabrik nach Schuh et al. (1998), lag dieser Anteil im Jahre 1997 zwischen 3 und 20 %. Vgl. Wuthrich et al. (1997), S. 155. Vgl. Ringle (2004), S. 13 und 345. Vgl. Wall (2000a), S. 128.
162
Darstellung der Ergebnisse
5.2 Entwicklung einer Typologie virtueller Unternehmen und Beschreibung der identifizierteii Typen 5.2.1 Entwicklung einer Typologie virtueller Unternehmen und Zuordnung der untersuchten Unternehmen Empirisch gesicherte Typologien kOnnen als das am haufigsten angewandte Instrument der wissenschaftlichen Praxisberatung betrachtet werden und bieten sich fUr eine erste grobe Problembearbeitung an.^" Mit der Verwendung einer Typologie virtueller Unternehmen werden in der vorliegenden Arbeit zwei wesentliche Ziele verfolgt: Einerseits bietet eine Typologie die MOglichkeit, die unterschiedlichen virtuellen Unternehmen hinsichtlich mehrerer Unterscheidungsmerkmale zu strukturieren, wodurch eine bessere Ubersichtlichkeit Uber das Untersuchungssample ermOglicht wird und wesentliche Unterschiede unter den virtuellen Unternehmen deutlich gemacht werden. Andererseits kOnnen auf der Grundlage einer geeigneten Typologie virtueller Unternehmen Hypothesen zur Verwendung von Koordinationsinstrumenten abgeleitet werden,^^^ wodurch die Zielerreichung der vorliegenden Untersuchung unterstiitzt wird. Dadurch, dass sie eine Hypothesenableitung erm6glichen, werden sie auch als ,,Heuristiken der Theoriebildung'' bezeichnet/" welche die (Weiter-) Entwicklung von Theorien in vielfUltiger Weise untersttitzen.^^^ Um zu einer geeigneten Typologie zu gelangen, mit der eine Zuordnung der untersuchten 19 virtuellen Unternehmen vorgenommen werden kann, bestehen grundlegend drei MQglichkeiten: (1) Eine Typologie wird allein auf der Grundlage der Untemehmensbeispiele entwickelt, (2) es wird eine bestehende Typologie verwendet Oder (3) es wird ein bestehender, empirisch bereits bewShrter Typologisierungsansatz als Grundlange gewShlt und unter Berticksichtigung der Praxisbeispiele angepasst oder ggf. erweitert. Wahrend die erste M5glichkeit prinzipiell gegeben ist, setzt die zweite voraus, dass eine bestehende Typologie geeignet ist, um alle Praxisbeispiele sinnvoll zuordnen zu kSnnen. Wie im Folgenden gezeigt wird, sind die meisten bisher entwickelten Typologien hierzu nur wenig geeignet. Die dritte und hier verfolgte M6glichkeit der Entwicklung einer Typologie wurde gewahlt, da hiermit auf bewMhrte
^^^ Vgl. Endruweit (2004), S. 35. ^^^ Vgl. Kelle/Kluge (1999), S. 81, die auf die Unterstutzung durch Typologien bei der Generierung von Hypothesen hinweisen. ^" Vgl. Kelle/Kluge (1999), S. 9, (Hervorh. im Original). "^^^ Siehe hierzu auch Endruweit (2004), S. 35.
Entwicklung einer Typologie virtueller Unteraehmen
163
Unterscheidungsmerkmale bei der Typenbildung zuriickgegriffen und somit ein Anschluss an die aktuelle Forschung gewShrleistet werden kann.^^^ Im Schrifttum kann ein reges Bemiihen urn eine Typologisierung virtueller Untemehmen festgestellt werden/^^ Die Entwicklung einer geeigneten Typologisierung der in der Untemehmenspraxis vorfindbaren virtuellen Untemehmen ist jedoch aufgrund der Nahe zu anderen Netzwerkkonzepten, der konzeptuellen Unscharfe sowie der dam it verbundenen Vielzahl an GestaltungsmOglichkeiten recht schwierig. So kann die Gestalt eines virtuellen Untemehmens von einer Reihe von Faktoren abhSngen wie z. B. der Gr6l3e des virtuellen Untemehmens, d. h. die Anzahl der potenziellen Kooperationspartner im latenten Netzwerk, die Rechtsform, die Zielsetzung der Kooperation, die Formalisierung sowie der Grad der Entscheidungszentralisation. Eine trennscharfe realtypische Untergliederung virtueller Untemehmen scheint daher nicht vorstellbar. Vielmehr ist nur eine grobe, heuristische Typologisiemng mOglich. Da bisher nur wenige virtuelle Untemehmen bekannt waren, wurden die meisten Typologisierungen v. a. auf theoretischer Basis entwickelt. Aufbauend auf der von Snow et al. (1992) vorgeschlagenen Unterscheidung von Untemehmensnetzwerken in interne, stabile und dynamische,^^^ werden virtuelle Organisationen^^^ bzw. virtuelle Untemehmen ersten und zweiten Grades unterschieden.^^^ Das virtuelle Untemehmen ersten Grades ist durch Virtualisiemngstendenzen innerhalb eines eimelnen UnterZwar ist die so aufgestellte Typologie als Ergebnis der Fallstudienanalyse zu betrachten und damit unter logischen Gesichtspunkten der Fallstudiendarstellung anzuschlieBen, Aus pragmatischen Griinden wird die Typologie jedoch der Fallstudien- sowie der Ergebnisdarstellung vorangestellt, um dem Rezipienten dieser Arbeit den Zugang zu den Fallstudien zu erleichtem und ihn nicht mit einer geballten Informationsflut von 19 Fallbeispielen (mit einem Gesamtumfang von nahezu 100 Seiten) zu konfrontieren. In Abschnitt 5.2.2 wird jeweils ein Untemehmensbeispiel fUr jeden identifizierten Typ von virtuellen Untemehmen naher dargestellt. Die iibrigen Fallstudien befmden sich im Anhang dieser Arbeit ^^° Siehe hiezu z. B. Ouzounis/Tschammer (2001), S. 178 f.; Cescutti et al. (1998), S. 222 f.; BultjeAVijk (1998), S. 17 f; Palmer/Speier (1997); Campbell (1997); Mertens/Faisst (1997), S. 111. ^^' Siehe auch Miles/Snow (1986). Siehe zur Unterscheidung von statischen und dynamischen Netzwerken auch Wohlgemuth (2002), S. 21. 762
Die Begriffe „virtuelle Organisation" kann als Oberbegriff aufgefasst werden, unter dem neben virtuellen Untemehmen auch virtuelle Teams subsumiert werden. Siehe hierzu z. B. Scholz (1994), S. 14 ff. Die Begriffe „virtuelle Organisation" und „virtuelles Unteraehmen" werden hSufig jedoch synonym verwendet. Vgl. hierzu z. B. BultjeAVijk (1998), S. 17 f., die sich auf Campbell (1997) beziehen. Da bereits Reiss (2002), S. 138 ff. genauer auf die Dififerenziemng virtueller Organisationen ersten und zweiten Grades eingegangen ist, soil im Folgenden nur ein knapper Uberblick uber diese Systematisiemng gegeben werden.
164
Darstellung der Ergebnisse
nehmens gekennzeichnet^^ Hierbei handelt es sich urn flexible, aufgabenorientierte (teil-)autonome Arbeitsgruppen, deren Leistungskoordination und Fuhrung zwar weitgehend dezentral erfolgt, jedoch von einer Ubergeordneten kontrollierenden und steuemden Instanz geleitet werden. Diese definiert nicht nur die Ziele und Rahmenbedingungen der Arbeitsgruppen, sondem gibt auch Verfahrensanweisungen oder Handlungsempfehlungen sowie die Regelungen fiir die Kommunikation vor. Diese Form virtueiier Organisationen wird auch als intraorganisationales virtuelles Untemehmen bezeichnet^^^ Das virtuelie Untemehmen zweiten Grades ist durch die Virtuaiisierungstendenzen zwischen mehreren rechtlich selbstdndigen Untemehmen gekennzeichnet und stellt daher eine interorganisationale Form einer virtuellen Organisation dar/^^ Innerhalb dieser Kategorie kann weiter differenziert werden zwischen dem stabilen und dem dynamischen virtuellen Untemehmen: Das stabile virtuelie Untemehmen stellt eine meist auf iSngere Sicht hin ausgelegte (interorganisationale) Netzwerkuntemehmung dar/^^ Die arbeitsteiligen Prozesse werden hSufig durch einen zentralen Akteur^^^ oder ein fokales Untemehmen geplant und gesteuert. An der Leistungserstellung beteiligen sich nur wenige Kooperationspartner, die untereinander z. T. sehr detaillierte VertrSge schlieBen und dadurch in einer festen Kopplung stehen/^^ Das dynamische virtuelie Untemehmen,^^^ das auch als Idealtyp eines virtuellen Untemehmens bezeichnet wird,^^' entspricht weitgehend der gmndlegenden Idee eines virtuellen Untemehmens, wie sie in der vorliegenden Arbeit definiert wurde/^^ Die Zusammenarbeit in einem dynamischen virtuellen Untemehmen ist stets temporSr
^^ Dieser Typus kann mit dem „intemen Netzwerk" von Snow et al. (1992) verglichen werden. ^^^ SieheScholz(1994),S. 14 ff. "^^ SieheScholz(1994),S. 14ff. ^^^ Vgl. BultjeAVijk(1998). ^^^ Diese Funktion kann auch als „Leader" bzw. „Leadership" bezeichnet werden. Vgl. Ehrhardt/Gora (2001), S. 151; Kleinfeld (2000); Pribilla (2000), S. 5 f. 769 770
Vgl. Ouzounis/Tschammer (2001), S. 179. Vgl. BultjeAVijk (1998), S. 17 f., Palmer/Speier (1997). Diese Form stellt nach Faisst/Birg (1997),S. 7den„TypC'dar. Vgl. Schuh et al. (1998), S. 32. Dieser Typ entspricht im Weitesten dem „Typ A" von Mertens/Faisst(1997),S. 111. Siehe hierzu die AusfUhrungen in Abschnitt 2.1.2.
Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen
165
bzw. projektorientiert und hSufig durch Marktchancen motiviert. Im Vergleich zu den bisher dargestellten Typen weisen dynamische virtuelle Untemehmen eher heterarchische bzw. polyzentrische Aufbaustrukturen auf7^^ Damit weist dieser Typ deutliche Parallelen zum „dynamischen Netzwerk" von Miles/Snow (1986) auf. Ein wesentliches Merkmal dynamischer virtueller Untemehmen besteht in der Existenz eines latenten Netzwerks aus potenziellen Kooperationspartnem, das als Basis fUr das aktivierte Netzwerk, d. h. das eigentliche virtuelle Untemehmen, dient/^"* Dagegen dtirften virtuelle Untemehmen, die von Marktteilnehmem unter Zuhilfenahme der SuchmSglichkeiten des Intemet spontan gebildet werden und ihre Leistungen ausschlieBlich Uber das Intemet anbieten, wenn uberhaupt nur auBerst selten zu finden sein/^^ Dies ist v. a. damit zu begrtinden, dass gegenseitiges Vertrauen als eine wesentliche Voraussetzung eines virtuellen Untemehmens unter bislang unbekannten Marktteilnehmem a priori nicht besteht. Die soeben im Uberblick dargestellte Typologisierung virtueller Untemehmen bietet die M5glichkeit, virtuelle Untemehmen in einem ersten groben Uberblick zu klassifizieren. Sie bleibt jedoch flir die vorliegende empirische Arbeit zu grobmaschig, da durch die o. g. Auswahlkriterien bzw. durch die zugrunde gelegte Definition ausschlieBlich dynamische virtuelle Untemehmen in die Untersuchung aufgenommen wurden.^^^ Da innerhalb der im Sample befindlichen dynamischen virtuellen Unternehmen z. T. deutliche Unterschiede festgestellt werden konnten, ist eine weitergehende bzw. genauere Typologisiemng sinnvoll. In der Literatur finden sich nur sehr wenige AnsStze fiir eine weitergehende Differenziemng virtueller Untemehmen. Im Wesentlichen k5nnen hierbei taxonomische und
In einem Untemehmensnetzwerk liegen heterarchische bzw. polyzentrische Aufbaustrukturen vor, wenn die Netzwerkpartner gleichberechtigt sind und die Netzwerkkoordination gemeinsam oder durch gemeinsam festgelegte, zeitweilige Ubertragung auf einen bestimmten Akteur erfolgt. Vgl. Windeler (2001), S. 42. Siehe hierzu auch Wildemann (1997), S. 423 ff. Siehe hierzu auch die Ausftihrungen in Abschnitt 2.1.2 dieser Arbeit. Aus diesem Grunde wird hier nicht der von BultjeAVijk (1998), S. 17 f. vorgeschlagene Typus „Web Company" als weitere Klasse der virtuellen Untemehmen zweiten Grades herangezogen. Dariiber erscheinen die Abgrenzungsmerkmale im Vergleich zu dem dynamischen virtuellen Untemehmen sowie das von den Autoren gewahlte Beispiel amazon.com zu vage. Vgl. Reiss (2002), S. 141. Ebenso ware der Vorschlag von Tjaden (2003), S. 223, virtuelle Untemehmen in fokale und heterarchische Netzwerke zu unterteilen, zu grobmaschig filr die vorliegende Untersuchung.
166
Darstellung der Ergebnisse
korrelative Typologisierungsansatze^^^ unterschieden werden. Korrelative Typologisierungsansatze bieten z. B. WUthrich et al. (1997) und Schuh et al. (1998), die jeweils eine graphische Darstellungsform in Form eines durch zwei Unterscheidungsmerkmale gekennzeichneten Diagramms gewShlt haben/^^ Mit einer graphischen Darstellungsform als Grundlage fiir eine Typologisierung wird zwar dem Aspekt Rechnung getragen, dass es sich bei der Virtualisierung um einen kontinuierlichen Prozess handelt^^^ Das Problem besteht jedoch in der Identifikation und Abgrenzung von Typen virtueller Untemehmen, da kein eindeutiger MaBstab fUr die Zuordnung von Untemehmensbeispielen zu den jeweiligen Typen zugrunde gelegt werden kann. Diese Darstellungsform erscheint jedoch durchaus legitim, wenn damit - wie die Autoren selbst darauf hinweisen - lediglich der Zweck einer illustrativen und nicht einer explikativen Darstellung von Untemehmensbeispielen verfolgt wird.^^^ Eine rein illustrative Darstellung eignet sich jedoch fUr den hier verfolgten Zweck einer Typologisierung, die als Grundlage einer Hypothesengenerierung genutzt werden kann, nur wenig. Vielmehr ist eine Typologisierung auf der Grundlage konkreter Unterteilungskriterien erstrebenswert, die neben einer illustrativen auch eine explikative Darstellung erlaubt. Da korrelative Typologien nur einen sehr engen Kreis von Organisationselementen einbeziehen,^*' virtuelle Untemehmen sich jedoch hinsichtlich mehrerer Merkmale unterscheiden lassen,^*^ erscheint eine taxonomische Typologisierung f[ir die vorliegende Untersuchung geeigneter. Die von Albers et al. (2003) vorgeschlagene Typologisierung^*^ bietet sich hierzu an, da sich Untemehmensbeispiele durch die Berticksichtigung mehrerer Unterschei-
Zur Unterscheidung taxonomischer und kon-elativer Typologien siehe Endruweit (2004), S. 36 ff. Siehe hierzu auch Bortz/DOring (2002), S. 388.
783
WUthrich et al. (1997), S. 63 ff. verorten virtuelle Unternehmen in einem Diagramm, in dem das Kontinuum der Virtualitat durch a) den Auspragungsgrad der Virtualitat und b) die Unterscheidung virtueller Organisationsformen als intraorganisational und interorganisational dargestellt ist, wobei sich beide Dimensionen (a und b) auf dem y-Achsenabschnitt befinden. Dabei gelangen die Autoren zu 12 Virtualisierungstypen. Schuh et al. (1998), S. 33 ff. leiten aus ihrem Diagramm, das aus den Dimensionen „Zielfokus im aktivierten Netzwerk" (x-Achsenabschnitt) und ,JFormalisierungsgrad des interorganisatorischen Beziehungspotenzials" (y-Achsenabschnitt) besteht, vier Typen virtueller Untemehmen ab. Siehe hierzu die Ausftlhrungen in Abschnitt 2.1.1. Vgl. z. B. WUthrich et al. (1997), S. 63. Vgl. Endruweit (2004), S. 40. Vgl. Albers etal. (2003), S. 17. Siehe hierzu Albers et al. (2003), S. 17 ff.
Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen
167
dungskriterien in einem mehrstufigen Prozess einzelner Typen zuordnen lassen und aufgrund der jeweils nur dichotomen AusprSgungen der Unterscheidungskriterien ein Uberschaubarer Differenzierungsgrad erreicht wird.^^"* Diese Typologisierung wird im Folgenden naher betrachtet. Da es in Kooperationen in erster Linie darum geht, ein Produkt oder eine Dienstieistung in einem arbeitsteiligen Prozess unter Beteiligung mehrerer Kooperationspartner herzustellen bzw. zu erbringen,^^^ bietet es sich als erstes Unterscheidungsmerkmal die Art des Leistungsaustausches^^^ bzw. die Koordinationsrichtung^^^ an. Hierbei kSnnen grundlegend zwei M5glichkeiten unterschieden werden:^^^ Arbeiten Untemehmen unterschiedlicher
Wertsch5pfungsstufen zusammen, d. h.
stehen sie in einem Zulieferer-Abnehmer-Verhaltnis zueinander, dann liegt eine
warden z. B. jedem Unterscheidungsmerkmal jeweils drei Auspragungen zugeordnet werden kOnnen, wurden auf der dritten Differenzierungsebene bereits 27 unterschiedliche Typen resultieren. Damit ware die Vielfalt so groB, dass dies wiederum kiinstliche Zusammenfassungen von Klassen zur Folge hatte, filr die weder ein umgangssprachlicher noch ein wissenschaftlicher Name existiert. Vgl. Endruweit (2004), S. 39. 785
Reoperation kann nach Bea (2000), S. 365 wie folgt definiert werden: "Unter einer Kooperation versteht man die Zusammenarbeit zwischen mehreren Untemehmen, bei der die wirtschaftliche Selbstandigkeit lediglich in den von der Kooperation betroffenen Bereichen ftir die Dauer der Kooperation eingeschrankt wird, die rechtliche Selbstandigkeit der Kooperationspartner aber vollstandig erhalten bleibt." (Hervorh. im Original). Vgl. Kemmner/Gillessen (2000), S. 21. Siehe auch DeSanctis/Jackson (1994), S. 87; Rehfeldt (1998), S. 31. Vgl. EggerAVinterheller (1994), S. 50 ff. Neben dieser grundlegenden und in der Literatur breite Zustimmung erfahrenden Unterscheidung zwischen vertikalen und horizontalen Kooperationen wird vereinzelt noch eine dritte Form, diskutiert, die uneinheitlich als „laterale" bzw. „diagonale" oder „komplementare" Kooperation bezeichnet wird. Siehe z. B. Kaluza (2001), S. 2; Staudt et al. (1992), S. 4. Das wesentliche Merkmal dieser Kooperationsform bestehe in der Beteiligung von Untemehmen aus unterschiedlichen Branchen, die auf unterschiedlichen WertschOpfungsstufen wechselseitige Leistungsbeziehungen pflegen. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch die Auffassung vertreten, dass das Unterscheidungsmerkmal der BranchenzugehGrigkeit ftir die Begrtindung und trennscharfe Abgrenzung einer dritten Kooperationsform nicht als ausreichend betrachtet werden kann, da bei einer horizontalen Kooperation nicht zwangslaufig Untemehmen nur der selben Branche zusammenarbeiten mUssen. Unscharfen werden darUber hinaus auch darin deutlich, dass zwischen den Untemehmen bei einer lateralen Kooperation ebenfalls ein wechselseitiges Leistungsverhaltnis besteht und auch von einer eher heterarchischen Koordination auszugehen ist. Aufgrund der mangelnden Abgrenzbarkeit wird die diagonale Kooperation lediglich als eine Sonderform einer horizontalen Kooperation betrachtet und hier nicht weiter ausgefiihrt. Zudem wird dem Aspekt unterschiedlicher BranchenzugehGrigkeit in der Typologisierung virtueller Untemehmen in einem zweiten Schritt durch die Differenzierung der Leistungsspektren der virtuellen Untemehmen Rechnung getragen. Siehe hierzu die nachfolgenden Ausfuhrungen.
168
Darstellung der Ergebnisse
vertikale Kooperation vor/^^ Diese zeichnet sich dadurch aus, dass ein Untemehmen (der Abnehmer) Leistungen von einem anderen Untemehmen (dem Zulieferer) empfUngt und diese entsprechend entlohnt. Neben dieser einseitigen Leistungsbeziehung zeichnet sich diese Kooperationsform dadurch aus, dass die Untemehmen haufig aus derselben Branche stammen.^^^ Vorteile bieten sich durch die Sicherung von Absatz und Zulieferung, durch Know-how-Transfer sowie durch die M5glichkeit, die Koordination von Produktionsprozessen durch die hierarchieShnliche Stmktur eher zu standardisieren. Arbeiten dagegen Untemehmen auf derselben WertschOpfungsstufe zusammen, liegt eine horizontale Kooperation vor7^^ Diese Kooperationsform ist v. a. dadurch gekennzeichnet, dass unter den Kooperationspartnem ein wechselseitiges Leistungsverhaltnis besteht. Hierbei tauschen sie wechselseitig Leistungen aus und rechnen diese untereinander ab. Vorteile bieten sich dabei v. a. in der Erzielung von Mengen- und Speziaiisiemngseffekten, die zu Kostensenkungen fUhren kOnnen. Im Vergleich zur vertikalen Kooperation ist bei der horizontalen Kooperation eine hierarchische Koordination nur eingeschrankt m5glich, da gleichberechtigte Untemehmen zusammenarbeiten. Die Struktur kann deshalb eher als heterarchisch bzw. polyzentrisch charakterisiert werden. In einem zweiten Schritt lassen sich vertikale und horizontale Kooperationen im Hinblick auf das Leistungsspektmm der Kooperationspartner weiter differenzieren. Hierbei kann eine Unterscheidung zwischen einem eher homogenen und einem eher heterogenen Leistungsspektmm vorgenommen werden/^^ Ein eher homogenes Leistungsspektmm liegt dann vor, wenn die Kompetenzbereiche und Leistungen der Kooperationspartner gleichartig oder sehr ahnlich sind. Bei Kooperationen dieses Typs kooperieren hSufig Untemehmen der gleichen Branche miteinander und konzentrieren sich dabei auf ihre Kapazitatsauslastung. Von einem eher heterogenen Leistungsspekt-
^^^ Vgl. Bea/GObel (1999), S. 365. Analog dazu kann von einer vertikalen Kommunikation gesprochen werden, wenn Informationen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen und umgekehrt ubertragen werden. Vgl. KubicekAVelter (1985), S. 799. ^^ Vgl. Staudtetal.(1992),S.4. ^^' Dadurch, dass sich die Untemehmen auf der selben Markt- bzw. WertschOpfungsstufe befinden, stehen sie, bevor sie sich zu einer Kooperation zusammenschlieBen, hSufig auch in einem Konkurrenzverhaltnis. Vgl. Bea/G6bel (1999), S. 365. Die Obertragung von Informationen zwischen hierarchisch Gleichgestellten kann als horizontale Kommunikation bezeichnet werden. Vgl. KubicekAVelter (1985), S. 799. ^^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 19.
Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen
169
rum kann gesprochen werden, wenn sich die Kompetenzbereiche der Kooperationspartner nur sehr gering Uberschneiden, d. h. die Partner vorrangig aus unterschiedlichen Branchen stammen und der strategische Zweck der Kooperation in erster Linie nicht in der Kapazitatsauslastung, sondem in der qualitativen ErgSnzung der Kompetenzen besteht. Da sich die im Untersuchungssample befindlichen virtuellen Untemehmen hinsichtlich ihres Formalisierungsgrades z. T. deutlich von einander unterscheiden, was moglicherweise auf die gemeinsam verfolgte Strategie und/oder die GrSBe des latenten Netzwerks zurtickzufiihren ist, und dies einen Einfluss auf die Wahl von Koordinationsinstrumenten haben kann, wird die von Albers et al. (2003) vorgeschlagene Typologisierung durch ein drittes Unterscheidungskriterium, den Formalisiemngsgrad, ergSnzt. Hierbei soil ebenfalls nur grob zwischen einem vergleichsweise hohen und einem vergleichsweise geringen Formalisiemngsgrad unterschieden werden. Netzwerke mit einem eher hSheren Formalisiemngsgrad kSnnen als Ergebnis planerischen und gestalterischen Handelns bezeichnet werden/^^ Ein hoher Formalisiemngsgrad ist z. B. dadurch gekennzeichnet, dass die Kommunikation nach genauen Kriterien festgelegt ist, die Beziehungen unter den Kooperationspartnem schriftlich fixiert und die Leistungen dokumentiert sind/^"* Das Kooperationsnetzwerk weist dadurch Ahnlichkeiten zu einem untemehmensintemen Netzwerk auf/^^ Netzwerke mit einem eher geringen Formalisiemngsgrad sind dagegen durch faktische Verflechtungen oder Abhangigkeiten gekennzeichnet, die aus Komplementaritat oder persQnlicher, kultureller oder geographischer NShe gewachsen sind. Virtuelle Untemehmen mit einem nur geringen Formalisierungsgrad bauen hSufig auf persOnlichen Beziehungen zwischen den Kooperationspartnem und stillschweigenden Abmachungen auf. Auf schriftliche Vereinbamngen wird weitestgehend verzichtet, sodass die Kooperationspartner untereinander nur lose gekoppelt sind.^^^ Auf der Gmndlage dieser drei Unterscheidungskriterien lassen sich theoretisch acht verschiedene Typen virtueller Untemehmen differenzieren. Bei der Zuordnung der im
^^^ Vgl. ReiB (2001), S. 141 f ^^"^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 169 ff.; ReiB (2001), S. 141 I In Anlehnung an LawrenceA^orsch (1967), S. 17 nimmt der Formalisierungsgrad auch durch den Stellenwert, der in einer Organisation den Regeln zugesprochen wird, zu. ^^^ Vgl. Schuhetal.(1998),S.33. '^^ Vgl. ReiB (2001), S. 141 f; Schuh et al. (1998), S. 33.
170
Darstellung der Ergebnisse
Untersuchungssample befmdlichen virtuellen Untemehmen konnten jedoch nur vier Typen identifiziert werden: Typ I: „Virtueller Generalunternehmer", Typ II: „Virtuelles Verteilungsnetzwerk", Typ III: „Virtuelle Fabrik" und Typ IV: „Virtuelles Unterstiitzungsnetzwerk". Die folgende Abbildung verdeutlicht die Zuordnung der empirischen Beispiele: Abbildung 7: Typologie virtueller Untemehmen •
virtuelies I nternehmen
vertikale Kooperation
Kooperationsrichtung
•
horizontale Kooperation
j Leistungsspektrutn der Kooperati(Htspartner
Formalisierungsgrad
Untemehmensbeispiele
1
eher homogen
|
j
eher heterogen
•
eher homogen
|
1 eher heterogen
|
! eher hoch VF Steko Tronsoft
i eher ; j gering ;
: eher i i hoch ;
j eher ; : gering ;
j eher i i hoch ;
eher 1 gering |
eher hoch
eher gering
Koncraft VFNwsMl Ing-Buro Zengerle VFB-W 123plus VirtuellBau Sofhvarezentnun BS
Converve TWO Funkey Creaprodi Gigaperls Virtual Fab TVC Salzbufg VF fiir Offentlichkeitsarbeit Redesign Deutschland Virtual Company CH
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Albers et al. (2003), S. 21. Wie in der Abbildung durch die hellgraue Darstellung angedeutet, sind theoretisch noch weitere vier Typen virtueller Untemehmen mSglich. Fraglich ist jedoch, ob sich bei einer vertikalen Kooperation, deren Leistungsspektmm der Kooperationspartner entweder eher homogen oder eher heterogen ist, auch solche Untemehmensbeispiele finden lassen, die einen nur geringen Formalisiemngsgrad aufweisen. Dies wurde z. B. voraussetzen, dass die Beziehungen zwischen einem Abnehmer und seinen Zulieferem nur auf mundlichen Abmachungen bemhen wurde und die Kommunikationsbeziehungen nicht oder nur ansatzweise festgelegt sind. Es ist anzunehmen, dass hierbei nicht nur Ineffizienzen hinsichtlich der Kommunikationsbeziehungen entstehen, sondem sich auch Risiken durch opportunistisches Verhalten ergeben. Dagegen wSren virtuelle
Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen
171
Untemehmen durchaus denkbar, die sich im Vergleich zum in Abbildung 7 dargestellten Typ I nur durch ein eher heterogenes (anstelle eines homogenen) Leistungsspektrum der Kooperationspartner auszeichnen. Schwierigkeiten kCnnen jedoch dadurch hervorgerufen werden, dass der Abnehmer (oder Generaluntemehmer) aufgrund des heterogenen Leistungsspektrums seiner Zulieferer (bzw. Subuntemehmer) zunachst einen hOheren Informationsbedarf hat, urn die Kooperationspartner effizient zu koordinieren. Der habere Informationsbedarf und der vergleichsweise hohe Formalisierungsgrad, der durch die Festlegung der Leistungen z. B. in ZuliefervertrSgen hervorgerufen wird, lassen vermuten, dass der Bezug der Ware Uber den Markt gUnstiger ist. Eine horizontale Kooperation, die sich durch ein eher homogenes Leistungsspektrum der Kooperationspartner auszeichnet und in der ein eher hoher Formalisierungsgrad vorherrscht, erscheint praktikabel. Der vergleichsweise hohe Formalisierungsgrad kOnnte im Hinblick auf die Koordination der Netzwerkpartner z. B. dann sinnvoll sein, wenn ein groBes latentes Netzwerk besteht. Obwohl die Auswahl und Reihenfolge der Unterscheidungskriterien in der o. g. Typologie virtueller Untemehmen begrtindet wurde und eine gewisse Plausibilitat aufweist, ist theoretisch auch eine andere Reihenfolge mSglich. Denkbar ist z. B. ein Reihenfolgenwechsel der beiden Unterscheidungskriterien Kooperationsrichtung und Leistungsspektrum der Kooperationspartner. Hierbei wiirde dem letzteren Kriterium eine grOBere Aufmerksamkeit zugesprochen werden. Im Hinblick auf die Typologisierung virtueller Untemehmen vor dem Hintergmnd des Einsatzes von Koordinationsinstmmenten erscheint dies jedoch weniger geeignet. So ist z. B. anzunehmen, dass sich wesentliche Unterschiede in Bezug auf die Auswahl von Koordinationsinstmmenten nicht in erster Linie durch das Leistungsspektrum der Kooperationspartner ergeben, sondem durch die Kooperationsrichtung: Wahrend bei einem homogenen als auch einem heterogenen Leistungsspektmm der Kooperationspartner die gleichen Koordinationsinstmmente verwendet werden kSnnen, kann dies in Bezug auf die beiden hier betrachteten gmndlegenden Kooperationsrichtungen nicht angenommen werden. So werden - wie nachfolgend noch zu erlautem ist - z. B. virtuelle Untemehmen des Typ I defmitionsgemaB durch einen Generaluntemehmer oder ein Kemuntemehmen koordiniert. Dagegen ist bei den virtuellen Untemehmen, die eine horizontale Kooperationsrichtung aufweisen und bei denen die Kooperationspartner in einem wechselseitigen Leistungsverhaltnis stehen, eine h5here Komplexitat bei der Leistungserstellung anzunehmen. Um den Koordinationsaufwand zu bewaltigen, erscheint hierbei
172
Darstellung der Ergebnisse
eine starkere Beteiligung der Kooperationspartner an den Koordinationsaufgaben notwendig. Den Formalisierungsgrad als Unterscheidungskriterium in der Hierarchie der Unterscheidungskriterien weiter oben zu positionieren, erscheint auch nicht sinnvoll, da er als abhangige Variable hier lediglich zur Feingliederung verwendet wird. Eine andere Anordnung der Unterscheidungskriterien als der oben beschriebenen wurde in einer geringeren Trennsch^rfe zwischen den identifizierten Typen resultieren^^^ Mit der dieser Arbeit zugrunde gelegten Typologisierung virtueller Untemehmen kann nicht das Ziel der Begriindung valider Typen erreicht werden, da jeder Typologisierungsversuch eher zur Bildung von Ideal- als von Realtypen neigt^^^ Dieses Vorhaben wtirde nicht nur aufgrund des hier im Zentrum stehenden vielschichtigen Organisationskonzepts, sondem auch aufgrund der geringen Anzahl an Fallbeispielen SuBerst schwierig, vielleicht sogar unmOglich sein. Vielmehr wird mit dieser Typologisierung die Absicht verfolgt, die herangezogenen Untemehmensbeispiele systematisch zu differenzieren und auf dieser Grundlage die Ableitung von Hypothesen zu ermQglichen. Im Folgenden werden die vier identifizierten Typen nSher beschrieben und jeweils durch ein geeignetes Beispiel eines virtuellen Unternehmens illustriert.^^^ Auf eine aufeinander folgende Darstellung aller 19 Fallstudien wird an dieser Stelle verzichtet, well dadurch die Ubersichtlichkeit der einzelnen Fallstudien und der entwickelten Typen verloren gehen wtirde. Da dem interessierten Leser die tibrigen Fallbeispiele nicht vorenthalten werden sollen, befmden sie sich im Anhang dieser Arbeit.
Theoretisch sind auch andere als die o. g. Unterscheidungskriterien mOglich, wie z. B. die Ziele des Kooperationsverbundes, die benutzten Technologien oder der Autonomiegrad der Kooperationspartner. Da ihre Identifikation jedoch mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist und sie sich nicht immer sinnvoll in nur zwei Auspragungen unterteilen lassen, was eine starke Differenzierung und Probleme in der Abgrenzung der identifizierten Typen hervorrufen wtirde, wird auf weitere Ausfuhrungen verzichtet. Vgl. Endruweit (2004), S. 36. Die Auswahl eines Fallbeispiels pro Typ fiel jedoch nicht immer leicht, da jedes Beispiel fUr sich einen interessanten Einblick in die Untemehmenspraxis bietet und Aufschluss iiber die Verwendung von Koordinationsinstrumenten gibt. Die Auswahl erfolgte jedoch nicht willkurlich, sondem verfolgte die Absicht, dem Leser anhand eines charakteristischen Beispiels einen mCglichst kompakten Oberblick uber die weiter oben entwickelten vier Typen virtueller Untemehmen zu ermOglichen. Dartlber hinaus verdeutlichen diese Fallbeispiele virtueller Untemehmen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Typen. Selbstverstandlich erfolgte die Auswertung auf der Gmndlage aller 19 Fallbeispiele. Die Ergebnisse sind in Abschnitt 5.2 ausfiihrlich dargestellt.
Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen
173
5.2.2 Beschreibung der identifizierten Typen virtueller Untemehmen Auf der Basis der in dieser Arbeit entwickelten und zu Grunde gelegten Typologie konnten vier Typen virtueller Untemehmen identifiziert werden, die als „Virtueller Generaluntemehmer" (Typ I), „Virtuelles Verteilungsnetzwerk" (Typ II), „Virtuelle Fabrik" (Typ III) und als „Virtuelles Vertrauensnetzwerk" (Typ IV) bezeichnet wur-
5.2.2.1 Typ I: Der „Virtuelle Generaluntemehmer" Virtuelle Untemehmen des Typs I werden durch einen Generaluntemehmer bzw. ein Kemuntemehmen gesteuert. Dabei handelt es sich um vertikale Kooperationen, da der Generaluntemehmer bzw. das Kemuntemehmen die Leistungserstellung fast ausschlieBlich an seine Kooperationspartner Ubertragt und sich vielfach nur auf den Kundenkontakt, die Zusammenstellung der Gesamtleistung und die Vermarktung konzentriert. Dabei bestehen zwischen dem Generaluntemehmer und seinen Subunternehmen v. a. gepoolte und/oder sequenzielle Interdependenzen oder in der Terminologie der Koordinationstheorie ausgedrtickt eine „Produzenten-KonsumentenAbhangigkeit" („Flow").''' Das Leistungsspektmm der Kooperationspartner kann bei virtuellen Untemehmen dieses Typs als eher homogen bezeichnet werden, da die Kooperationspartner haufig aus derselben Branche stammen und ahnliche Kemkompetenzen aufweisen. Die Fokussiemng auf einen speziellen Leistungsbereich sowie die Beteiligung von Kooperationspartnem einer bestimmten Branche und die verhaitnismafiig geringe Anzahl an zumeist festen Kooperationspartnem erlauben es dem Generaluntemehmer bzw. dem Kemuntemehmen, den Koordinationsaufwand durch Standardisiemngen und detaillierte Planungen Uberschaubar zu halten.^^^ Durch die Vergabe von Auftragen an die Partner auf der Gmndlage genau defmierter schriftlicher Vertrage und der Kontrolle der Leistungen der Subuntemehmen kann zwischen dem Generaluntemehmer bzw. dem Kemuntemehmen und den Subuntemehmen eine tendenziell hierarchische Stmk-
Siehe Abbildung 5. Siehe hierzu die Ausfiihrungen zur Einordnung und Grundaussagen der Koordinationstheorie in Abschnitt 3.3.1. Die Beziehungen unter den Netzwerkpartnem kdnnen als eher stabil bezeichnet werden, da die iiberwiegende Anzahl an Auftragen in einer sehr ahnlichen oder sogar identischen Konfiguration, d. h. durch die selben Partner in gleicher Reihenfolge, vom Kooperationsnetzwerk abgewickelt wird. Vgl. Wohlgemuth (2002), S. 21.
174
Darstellung der Ergebnisse
tur festgestellt werden. Diese wird darUber hinaus auch dadurch betont, dass der Generaluntemehmer bzw. das fokale Untemehmen nicht nur die einzige Schnittstelle des Netzwerks zum Kunden bildet bzw. Uber einen Marktzugang verftigt, sondem auch im Hinblick auf die Projektabwicklung ein Informationsmonopol besitzt. Der Generaluntemehmer bzw. das fokale Untemehmen wahlt aus einer Gmppe von Lieferanten so aus, dass alle benOtigten Leistungen im Leistungserstellungsprozess zur ErfUllung des Kundenwunsches erbracht werden.^^^ Im Untersuchungssample k5nnen zwei virtuelle Untemehmen dem Typ I „Virtueller Generaluntemehmer" zugeordnet werden: die Tronsoft (Nr.2) und die Virtuelle Fabrik Steko (Nr.l2).*^ Anhand der Virtuellen Fabrik Steko wird der Typ I naher illustriert: Fallstudie Virtuelle Fabrik Steko Die 1997 gegrtlndete Virtuelle Fabrik Steko mit Sitz in ZUrich ist ein kleines Unternehmen, das sich auf Metallbearbeitung spezialisiert hat.^^^ Die Geschaftsidee und Dienstleistung der Virtuellen Fabrik Steko bestehen darin, freie Produktionskapazitaten einzelner Partner^°^ zu nutzen und gegeniiber dem Kunden als zentraler Ansprechpartner bzw. Dienstleister zur Seite zu stehen,^^^ der sich um alle Aufgaben des Projekts kUmmert und dafUr sorgt, dass das Produkt den Anspriichen des Kunden gentigt und zum richtigen Zeitpunkt geliefert werden kann.^^^ Zu den Kunden gehOren vor allem mittelstandische Untemehmen, die spezielle Auftrage ftlr die Herstellung von Metall- bzw. Edelmetallprodukten erteilen, die zum Teil in Handarbeit gefertigt werden.''^ Die Netzwerkstmktur der Virtuellen Fabrik Steko weist ein Kemuntemehmen und fiinf Subuntemehmen auf, die das latente Netzwerk bilden. Die Subuntemehmen sind
Vgl. Goldman et al. (1996), S. 183. In der Literatur kOnnen weitere Untemehmensbeispiele herangezogen werden, die diesem Typ zugeordnet werden kOnnen: z. B. der amerikanische Computerhersteller Dell (Vgl. Magretta (1998)) und die in Teichmann/Borchardt (2002) dargestellten Beispiele dhs consult und TeamDesign. Siehe hierzu auch die Intemetprasenz der Virtuellen Fabrik Steko unter http://www.stekovirtuelle-fabrik.com/ (letzter Abruf: 04.05.2005). Vgl. [Nr.l2: 161-162]. Vgl. [Nr. 12: 276-280]. Vgl. [Nr. 12: 30-68]. Vgl. [Nr.l2: 113-124].
Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen
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rechtlich selbststandige Kooperationspartner der Metall verarbeitenden Branche, die alle ihren Firmensitz in Tschechien haben. Das Kemuntemehmen wird vom interviewten Geschaftsfiihrer der Virtuellen Fabrik Steko geleitet. Im Rahmen des Netzwerks fungiert er als Generaluntemehmer und ist federfiihrend in alien Phasen des Projekts.^^^ Zu seinem Aufgabenbereich geh5ren zum Uberwiegenden Teil die Akquisition von Auftragen, die Koordination der Leistungserstellung und der Verkauf. Dabei versteht sich der Interviewpartner nicht als "Chef, sondem er koordiniert die einzelnen Projekte auf der Basis einer "nattirlichen Autoritat".^'' Aufgrund der Uber- und Unterordnungsverhaltnisse zwischen dem Generaluntemehmer und seinen Zulieferem existiert eine hierarchieahnliche Struktur. Wird ein Auftrag an die Virtuelle Fabrik Steko vergeben, beauftragt die GeschaftsfUhrung die dazu notwendigen Kooperationspartner in Tschechien. Diese sind zwar untereinander bekannt, wissen aber haufig nicht, dass es sich dabei urn ein Netzwerkprojekt handelt, in dem die unterschiedlichen Teilleistungen der Zulieferer vom Generaluntemehmer zu der kundenspezifischen Leistung zusammengesetzt werden.^^^ Unter den Zulieferem existieren im Regelfall keine Vertrage, sondem nur zwischen dem Generaluntemehmer und den Zulieferem. Da die Untemehmen des latenten Netzwerks ahnliche Kompetenzen aufweisen und nicht in jedem Projekt alle Zulieferer in den Leistungserstellungsprozess mit einbezogen werden, erfolgt die Auswahl der Zulieferer nach dem preiswertesten Angebot.^'^ Insofem stehen die Zulieferer in preislicher Konkurrenz. Werden zur Abwicklung eines Projekts (Kem-)Kompetenzen benOtigt, welche die fUnf Zulieferer nicht aufweisen, werden weitere Zulieferer uber das Intemet, Inserate und das Branchenbuch gesucht.^'"* Je nach Projekt werden unterschiedlich detailreiche Vertrage mit den einzelnen Zulieferem geschlossen. Wenn allerdings Produkte hergestellt werden, deren Verwendung mit einem hohen Risiko verbunden ist (z. B. die Verwendung von Edelstahlbehaitem zum Transport von Chemikalien), dann schlieBen die Kooperationspartner einen
^'° ^^' ^'^ *'^ *'^
Vgl.[Nr. 12: 26-28, 65-66]. Vgl. [Nr.l2: 1-28]. Vgl. [Nr. 12: 36-41]. Vgl. [Nr.l2: 130-141,203-212]. Vgl. [Nr.l2: 155-160].
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Darstellung der Ergebnisse
gemeinsamen Vertrag mit dem Kunden, um eine Versicherung fiir die Produkte abschliefien zu kSnnen.^^^ Da es sich hierbei um eine einseitige Leistungsabhangigkeit zwischen dem Generaluntemehmer und den Zulieferem handelt, besteht eine vertikale Kooperationsrichtung. Vertrauen gegeniiber den Zulieferem aufzubauen, ist nach Angaben des Interviewpartners aufgrund der vertikalen Kooperationsrichtung recht schwierig. Die Geschaftsgrundlage bilden dabei hauptsachiich die schriftlichen Vertrage und die in ihnen berticksichtigten festen Verrechnungspreise. Ein erheblicher Koordinations- und Kontroilaufwand entstehe dabei im Hinblick auf die Qualitatskontrolle der Leistungen und die Einhaltung der Liefertermine.^*^ Zudem sei darauf zu achten, dass die Zulieferuntemehmen nicht direkt mit dem Kunden in Kontakt treten und damit die Geschaftsprozesse des Generaluntemehmers umgangen werden.^'^ Zur Koordination der Leistungserstellung werden hauptsachiich die Kommunikationsmedien Telefon und Fax eingesetzt. E-Mails werden dazu benutzt, dem Kunden z. B. den Stand des Projekts durch Fotos, die mit einer Digitalkamera aufgenommen wurden, zu dokumentieren.^^^ Uber Microsoft Outlook werden die Termine koordiniert.^*^ Der Interviewpartner betont, dass die Kommunikation mit den Zulieferem v. a. zu Beginn des Leistungserstellungsprozesses im Rahmen von Vor-Ort-Gesprachen erfolgen muss und erst dann modeme Informations- und Kommunikationstechnologien sinnvoU und effizient verwendet werden k5nnen.*^° 5.2.2.2 Typ II: Das „Virtuelle Verteilungsnetzwerk" Im Gegensatz zu Typ I existiert beim „Virtuellen Verteilungsnetzwerk" kein Generaluntemehmer oder ein fokales Untemehmen, der bzw. welches das operative Geschaft Ubemimmt und durch die exponierte Stellung im Netzwerk eine hierarchieahnliche Struktur im Netzwerk hervorruft. Die Kooperationspartner beteiligen sich vielmehr gleichberechtigt an den Projekten, sodass von einer horizontalen Kooperation gesprochen werden kann. Unter den Kooperationspartnem bestehen bei der Leistungserstel-
^'^ Vgl. [Nr.l2: 236-240,230-236]. ^'^ Vgl. [Nr.l2: 113-124,103-108, 223-229, 281-288]. ^'"^ Vgl. [Nr.l2: 44-64, 274-293]. ^*^ Vgl. [Nr.l2: 168-181]. ^'^ Vgl. [Nr.l2: 182-186]. ^^^ Vgl. [Nr. 12: 294-311].
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lung V. a. sequenzielle und reziproke Interdependenzen bzw. ProduzentenKonsumenten-AbhangigkeitenundGemeinsame-Ressource-Abhangigkeiten.^^' Da die Kooperationspartner hSufig aus derselben Branche stammen und sich die Kompetenzbereiche der Kooperationspartner mai3ig bis stark Uberschneiden, kann von einem eher homogenen Leistungsspektrum der Kooperationspartner gesprochen werden. Die Ziele virtueller Untemehmen des Typs II bestehen in der gemeinsamen Entwicklungsarbeit, der Know-how-BUndelung sowie einer mOglichst optimalen Nutzung der jeweiligen Kapazitaten. Die Koordination der gemeinsamen Projekte erfolgt in der Regel durch den Kooperationspartner, der den Kunden akquiriert bzw. den Kundenauftrag erhalten hat. Infolge des Vertragsschlusses mit dem Kunden ist dieser Partner nicht nur direkter Ansprechpartner fUr den Kunden, sondem Ubemimmt auch die rechtliche Verantwortung fiir das Projekt. Die Kooperation ist durch einen geringen Formalisierungsgrad gekennzeichnet. Auf schriftliche Kooperationsvertrage wird z. B. weitgehend verzichtet. Dies ist darauf zurUckzufiihren, dass sich die meist regional ansassigen Kooperationspartner zu einem haufig nach aul3en geschlossenen Kooperationsnetzwerk zusammengeschlossen haben, welches durch ausgepragte Vertrauensbeziehungen gekennzeichnet ist. Die Kommunikation erfolgt aufgrund der geographischen Nahe der Kooperationspartner haufig pers6nlich, d. h. von Angesicht zu Angesicht. Modeme Informations- und Kommunikationstechnologien erganzen die Kommunikation unter den Kooperationspartnem, jedoch wird auf aufwandige Informations- und Kommunikationstechnologien wie Groupwaresysteme aus Kosten- und Flexibilitatsgrunden weitgehend verzichtet. Dem Typ II „Virtuelles Verteilungsnetzwerk" k5nnen aus dem Untersuchungssample vier Beispiele virtueller Untemehmen zugeordnet werden: die Freie Holzwerkstatt Koncraft (Nr.l5), die 12Spins (Nr.9), das Ingenieurburo Zengerle (Nr.lO) und das Softwarezentrum BoblingenSindelfingen (Nr.7). Anhand der Freien Holzwerkstatt Koncraft wird das virtuelle Untemehmen des Typs II naher illustriert: Fallstudie Freie Holzwerkstatt Koncraft Die Freie Holzwerkstatt Koncraft ist ein Uberregionales virtuelles Untemehmensnetzwerk in Baden-Wurttemberg mit einer stabilen Kooperationsplattform,^^^ die aus fiinf
^^^ Siehe hierzu auch die Ausflihrungen zur Koordinationstheorie in Abschnitt 3.3.1. ^^^ Vgl.[Nr. 15: 97-100].
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Darstellung der Ergebnisse
rechtlich selbststandigen Schreinereien besteht/^^ Dieser Kooperationsverbund, der aus einer Gemeinschaftsidee im Jahre 1998 hervorging,^^"* bietet eine Bandbreite von HolzmObeln aller Art an und hat sich insbesondere auf die Konstruktion und den Bau von qualitativ hochwertigen KUchen spezialisiert, die aus einzelnen Systemelementen zusammengesetzt werden kOnnen.^^^ Das Ziel dieses Untemehmensnetzwerks liegt in einer gemeinsamen Entwicklungsarbeit, der Know-how-Btindelung, der gemeinsamen Abwicklung von Projekten, bei denen es in erster Linie urn die Fertigung von Koncraft-SystemkUchen geht und einer mOglichst optimalen Ausnutzung der jeweiligen Kapazitaten.^^^ Die Struktur des Verbunds verfilgt Uber keinerlei Hierarchiestufen. Die Kooperationspartner arbeiten auf der Grundlage eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses gleichberechtigt zusammen.^^^ Eine hierarchische Struktur wUrde nach Angaben des Interviewpartners unvorteilhaft sein, da zum einen die Flexibilitat eingeschrankt werden wtirde und die Partner nur eine geringe Motivation hatten, im Netzwerk weiter zu kooperieren.^^^ Die Koordination eines Projekts erfolgt i. d. R. durch den Kooperationspartner, der den Kundenauftrag erhalten hat und damit als Koordinator die Verantwortung tragt.*^^ Mit Hilfe von miindlichen Absprachen wird unter den Kooperationspartnem zu Beginn eines Projekts gemeinsam die Aufgabenverteilung abgestimmt und der Lieferzeitpunkt der Teilleistungen festgelegt. Im Laufe des Projekts werden zahlreiche Informationsund Kommunikationsmedien eingesetzt, die fUr die Koordination der Projekte unentbehrlich sind: Telefon, Fax, Telefonkonferenzen, gelegentliche Videokonferenzen, EMail und Online-Konferenzen Uber eine Internet-Software, die unter den Kooperationspartnem eine bewahrte Standardsoftware darstellt. Eine zentrale Bedeutung fUr die Durchfiihrung eines Projekts kommt dem Netzwerkserver der Freien Holzwerkstatt Koncraft zu, auf den die Partner Uber das Internet
Siehe hierzu auch die Intemetprasenz der Freien Holzwerkstatt Koncraft unter http://www.freie' holzwerkstatt.de/04Dartner/index.html (letzter Abnif: 04.05.2005). 824
Vgl.[Nr.l5: 116-125].
825
Vgl. [Nr.l5: 10-26].
826
Vgl. [Nr.l5: 41-46,136-145,247-255].
827
Vgl. [Nr.l5: 36-37, 38-40].
828
Vgl. [Nr.l5: 413-433].
829
Vgl. [Nr. 15: 269-279, 305-320].
Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen
179
zugreifen kOnnen. Auf ihm befinden sich alle Systemelemente einer Koncraft-Kuche, die in Form von CAD-Konstruktionen in einer umfangreichen Systembibliothek abgelegt sind.^^° Zwar habe die Entwicklung dieser Systembibliothek einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand in Anspruch genommen, jedoch k5nnten auf dieser Grundlage nun GrOfien- und Flexibilitatsvorteile realisiert werden, die es dem Verbund ermCgliche, qualitativ hochwertige Produkte zu einem konkurrenzMigen Preis anzubieten.^'^ Der interviewte Schreinermeister, der gleichzeitig einer der drei GescMftsfiihrer der Freien Holzwerkstatt Koncraft GmbH ist^^^ weist darauf bin, dass es jedem Partner dieses Kooperationsverbundes mSglich ist, auch grOBere AuftrSge anzunehmen, die er aus KapazitatsgrQnden nicht allein bewSltigen kOnnte. Uber die auf dem Netzwerkserver implementierte Kooperations- und Kommunikationsplattform kOnnen die Kooperationspartner sSmtliche Projektinformationen ablegen, eine prSzise Aufgabenverteilung unter den Netzwerkpartnem vomehmen und eine terminliche Koordination auf der Grundlage eines gemeinsamen, intemetbasierten Terminkalenders vomehmen.^^^ Die Gewahr dafllr, dass trotz dieser Arbeitsteilung und der Anfertigung einzelner KUchenelemente in unterschiedlichen Schreinereien schlieBlich eine vollstandige, passgenaue und qualitativ hochwertige Ktlche entsteht, sei neben den pers^nlichen Projektbesprechungen durch die gemeinsame Verwendung von standardisierten CADKonstruktionen gegeben.^^"* Dariiber hinaus bietet die auf dem Server befindliche Konstruktionssoftware dem Kunden den Vorteil, dass er sich seine Wunschktiche mittels Virtual Reality schon vor der Fertigstellung anschauen und gegebenenfalls planerische Veranderungen vomehmen lassen kann. Der Verwaltungsaufwand in Bezug auf die Systembibliothek wird zudem durch die zentrale Datenhaltung auf dem Netzwerkserver verhaltnismSBig gering gehalten. Das Problem der Gewahrleistung einer einheitlichen Datengrundlage unter den Kooperationspartnem wird damit gel6st.^^^
830 831 832 833 834 835
Vgl. [Nr.l5: 126-135]. Vgl.[Nr.l5: 61-71,147-172]. Vgl, [Nr.l5: 1-6]. Vgl. [Nr.l5: 280-304]. Vgl. [Nr.l5: 217-226]. Vgl. [Nr.l5: 346-377, 19-21].
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Darstellung der Ergebnisse
Das Internet nimmt bei der Projektarbeit einen zentralen Stellenwert als Kommunikationsbasis ein.^^^ Uber dieses Medium werden der gemeinsame Einkauf und die gemeinsame Logistik abgewickelt. Zudem erlaubt es den Partnem, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten und z. B. auch von zu Hause aus an den Projekten weiterzuarbeiten und dadurch Beruf und Familie vereinbaren zu kOnnen.^^^ Der interviewte Geschaftsfiihrer betont die Wichtigkeit eines sozialen Beziehungsnetzwerks unter den Kooperationspartner: Jch denke, das Koncraftnetzwerk steht und fdllt liber personliche Kontakte und auch Uber Vertrauen,[...]'' [177 f.].^^^ Schon vor der Grundung dieses Netzwerks haben unter den Kooperationspartnem enge Geschaftsbeziehungen bestanden, die auf einer Vertrauensgrundlage basierten. Die Vertrauensbeziehungen innerhalb des Netzwerks werden z. B. darin deutlich, dass die Kooperationspartner ihre Betriebsgeheimnisse offen legen und ihre Leistungen und Zeitaufwendungen nicht akribisch genau auflisten, sondem darauf vertrauen, dass sie am Ende eines Projekts fUr ihre Aufwendungen gerecht entlohnt werden. Zur Leistungsverrechung unter den Kooperationspartnem werden hauptsSchlich flexible Verrechnungspreise verwendet."^ Auf eine vertragliche Bindung der Kooperationspartner untereinander kann auf der Grundlage von Vertrauen verzichtet werden. Daftlr wurde ein Verhaltenskodex entwickelt, in dem u. a. die Aufnahme bzw. der Austritt von Kooperationspartnem geregelt ist.^"*^ Die Vertrauensgrundlage und der Verhaltenskodex ermOglichen es, dieses Netzwerk in einem labilen Gleichgewichtszustand zu halten. Die Voraussetzung dafiir ist, dass die Kooperationspartner gewillt sind, Leistungen zu erbringen und davon uberzeugt sind, dass eine Kooperation fur jeden einzelnen Partner von Vorteil ist. Treten z. B. Konflikte zwischen zwei Partnem auf, dann wUrden die tibrigen Partner dieses quasi selbsterhaltenden Systems darauf hinwirken, dass dieser Konflikt wieder befriedet wird. ^^'
Vgl.[Nr.l5:46-55]. Vgl. [Nr.l5: 72-96]. Die Freie Holzwerkstatt Koncraft wurde aus diesem Grunde vom Bundesministerium fur Familie und dem Bundeswirtschaftsministerium als familienfreundlichster Betrieb des Jahres 2000 ausgezeichnet. Siehe hierzu auch http://www.freie-holzwerkstatt.de/ 06auszeichnungen/index.html (letzter Abruf: 04.05.2005). Vgl. [Nr. 15: 454-466]. Vgl. [Nr.l5: 196-216,244-246, 256-267, 378-402]. Vgl. [Nr.l5: 227-235]. Vgl. [Nr.l5: 403-412].
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5.2.2.3 Typ III: Die „Virtuelle Fabrik" Virtuelle Untemehmen des Typs III zeichnen sich durch horizontale Kooperationen, ein heterogenes Leistungsspektrum der Kooperationspartner und einen relativ hohen Formalisierungsgrad aus. Hierbei handelt es sich urn virtuelle Untemehmen, die vor allem regional ausgerichtet sind und die zumeist (iber ein grSfieres latentes Netzwerk aus potenziellen Kooperationspartnem mit haufig mehr als 20 Partnemntemehmen verfUgen. Das groBe latente Netzwerk dient v. a. der Unterstiitzungsfunktion bei der DurchfUhmng komplexer Projekte und ermSglicht die Erzielung von Skaleneffekten. Gegenuber der Systemumwelt bestehen haufig recht hohe Eintrittsbarrieren, die dadurch deutlich werden, dass die Aufnahme neuer Netzwerkpartner nur nach festgelegten Kriterien erfolgt, um innerhalb des Netzwerks einen gewissen Grad an Konformitat zu erreichen bzw. zu halten. Bekannteste Vertreter des hier dargestellten Typs III sind die Virtuellen Fabriken in Anlehnung an das Konzept von Schuh et al. (1998). Zu den Hauptunterscheidungsmerkmalen gehSrt neben der Gr56e des latenten Netzwerks eine relativ aufwSndige Aufbauorganisation. Diese wird durch zentrale Stmkturen wie Untersttitzungseinheiten und zahlreiche soziale Rollen,^"*^ einem Set kodifizierter Kooperationsregeln, einer aufwandigen IT-Infrastmktur sowie Schulungen und Fortbildungen deutlich, in denen die Netzwerkpartner mit den Rollen und Kooperationsregeln sowie mit der ITInfrastmktur vertraut gemacht werden. Die Steuemng des latenten Netzwerks, die mit seiner Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung verbunden ist, erfolgt durch einen Netzwerkbroker. Obwohl das Vertrauen unter den Partnemntemehmen wie bei den anderen virtuellen Untemehmen mit horizontaler Kooperationsrichtung eine gmndlegende Voraussetzung fiir eine erfolgreiche Kooperation darstellt, erfolgt die Zusammenarbeit in den Projekten auf der Gmndlage von Vertragen. Virtuelle Untemehmen des hier dargestellten Typs III sind vor allem im produzierenden Gewerbe anzutreffen. Aus dem Untersuchungssample lassen sich diesem Typ drei Fallstudien zuordnen: die Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland (Nr.l3), die Virtuelle Fabrik Baden-Wurttemberg (Nr.l6) und die VirtuellBau AG (Nr.l4). Zur Illustration des hier identifizierten Typ III „Virtuelle Fabrik" wird die Fallstudie der
^^^ Beim Konzept der Virtuellen Fabrik existieren z. B. sechs Rollen. Vgl. Schuh et al. (1998), S. 92 ff sowie die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.3.1.2 der vorliegenden Arbeit.
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Darstellung der Ergebnisse
Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland herangezogen, da es zu den Sltesten und am weitesten entwickelten Untemehmensbeispielen zahlt.^"^^ Fallstudie Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland Die Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittellandv^urdQ 1997 als eingetragener Verein mit Sitz in Brugg (CH) gegrundet.^'*'* Nach einer zweijahrigen Aufbauphase, in der die virtuelle Fabrik zur Haifte von der Industrie finanziell gefbrdert wurde, existiert sie seit dem Geschaftsjahr 2000 selbstandig und eigenfmanziert,^"*^ Zum Hauptgeschaftsfeld der virtuellen Fabrik gehCrt die Produktion in den Bereichen Anlagen-, Apparate-, Maschinen-, Werkzeug- und Formenbau und die Logistik.^^^ Im latenten Netzwerk der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland befinden sich 39 Kooperationspartner aus unterschiedlichen Branchen (z. B. Elektrik, Elektronik, Mechanik, Engineering, Logistik, Design).^"*^ Damit ist es mOglich, nicht nur Standardprodukte, sondem den gesamten WertschOpfungsbereich je nach Kundenwunsch anbieten zu kOnnen.*"^* Von der anfUnglichen Idee, ein latentes Netzwerk von bis zu 200 Schweizer Untemehmen aufzubauen, hat man sich recht schnell distanziert, da sich mit einer so uniiberschaubaren Anzahl an Untemehmen nur SuBerst schwer ein Vertrauensverhaltnis unter den Partnem aufbauen iSsst. Der interviewte Netzwerkmanager ist der Auffassung, dass die maximale Anzahl an Untemehmen in einem stabilen Untemehmensnetzwerk bei ca. 50 Untemehmen liegt, um ein solches Netzwerk noch steuem zu kSnnen. Eines der wesentlichen Merkmale des Konzepts der Virtuellen Fabrik nach Schuh et al. (1998), dem das hier betrachtete Fallbeispiel folgt, besteht in der Existenz eines Sets aus sechs verschiedenen, fest defmierten Rollen. Zu ihnen gehSren der Netzwerkcoach, der Broker, der Leistungsmanager, die Leiter In-/Outsourcing, der Auftragsma-
Zum hier untersuchten Fallbeispiel der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland siehe z, B. Teichmann/Borchardt (2003), S. 84 ff. und auch die Fallstudie von Hafliger (2000), auch online unter: http://e-business.fhbb.ch/eb/publications.ns£^id/67 (letzter Abruf: 04.05.2004). Siehe hierzu auch die Intemetprasenz der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland unter http://www.virtuellefabrik.ch (letzter Abruf: 04.05.2005). Die Virtuelle Fabrik NordwestschweizMittelland ist auch bei Picot et al. (2003), S. 520 ff. im Rahmen einer Fallstudie dargestellt. Vgl.[Nr. 13: 64-73]. Vgl. [Nr.l3: 112-113]. Vgl. auch Picot et al. (2003), S. 520. 847
Vgl.[Nr. 13: 99-100]. Vgl. [Nr.l3: 135-152,205-223,234-235].
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nager und der Auditor.^"^^ Der Broker und der Netzwerkcoach teilen sich die auftragsUbergreifenden AktivitSten auf der Netzwerkebene. Dabei ist der Broker insbesondere filr die AuBenkontakte mit dem Schwerpunkt Marketing zustSndig.^^^ Der Netzwerkcoach Ubemimmt die Aufgaben der Weiterentwicklung des latenten Netzwerks und der IT-Infrastruktur. Der Leistungsmanager ist fiir die Auftragskonfiguration und den Aufbau des aktivierten Netzwerks, d. h. die Auswahl der geeigneten Netzwerkpartner zustandig. Hierzu tritt der Leistungsmanager mit den jeweiligen Leitem In-/ Outsourcing der Partneruntemehmen in Verbindung. Jedes Netzwerkuntemehmen verfiigt Ober einen Leiter In-/Outsourcing, der fiir die Koordination, Kommunikation, Planung und Leistungserbringung seines Untemehmens im Netzwerk verantwortlich ist und die Interessen seines Untemehmens gegentiber den Netzwerkpartnem vertritt. Die Auftragsplanung erfolgt durch den Broker und den Auftragsmanager. Ist die Planung abgeschlossen, Ubemimmt der Auftragsmanager die Projektverantwortung. Auftragsmanager ist i. d. R. derjenige Partner, der den grOBten Anteil am Auftragsvolumen tibemommen hat und auch der Vertragspartner des Kunden ist. Der Auditor ftingiert als Justitiar und ist fiir die Klamng juristischer Angelegenheiten und Fragestellungen zustandig. Die hier skizzierten sechs Rollen haben sich im Laufe der Projekte der virtuellen Fabrik und der mit ihnen gesammeiten Erfahmngen herausgebildet.^^^ Es sei wichtig, dass die Rollen nicht dauerhaft von bestimmten Netzwerkpartnem wahrgenommen werden, sondem situativ und aufgabenspezifisch verteilt werden.^" Damit wird den an ein virtuelles Untemehmen gestellten Flexibilitatsanft)rdemngen nachgekommen. Beim Auft3au des latenten Netzwerks aus rechtlich selbstSndigen Untemehmen wurde darauf geachtet, dass es zu keiner Sonderstellung eines Untemehmens (z. B. zu einem Kemuntemehmen) oder der Herausbildung einer Hierarchic kommt: ,,Wir sind hier alle sog. ,Eins-zu-EinS'Partner' wie alle anderen in diesem Netzwerk auch. " [12-13]. Durch die rechtliche Organisation eines eingetragenen Vereins hat jedes Mitgliedsuntemehmen feste JahresbeitrSge zu zahlen, die zur Aufrechterhaltung der virtuellen
Siehe hierzu auch Schuh et al. (1998), S. 114; Picot et al. (2003), S. 520. Da Rollen im Rahmen dieser Arbeit als Koordinationsinstrumente betrachtet und gesondert in Abschnitt 5.3.1.2 analysiert werden, erfolgt an dieser Stelle lediglich ein Uberblick iiber die Rollen und die mit ihnen verbundenen wesentlichen Aufgaben. Siehe hierzu auch Teichmann/Borchardt (2003), S. 85. 851
Vgl. Schuh etal.( 1998), S. 114. Vgl. Schuh et al. (1998), a.a.O.
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Darstellung der Ergebnisse
Fabrik genutzt werden. Als Mitglied in diesem Verein hat jeder Partner gewisse Rechte und Pflichten. So verpflichtet sich jeder Partner, eine festgelegte Anzahl von Tagen im Netzwerk mitzuarbeiten, sich an einem der Arbeitskreise (z. B. den Arbeitskreisen fUr den Bereich Partnergewinnung, Finanzen oder sog. Erfa-Tagungen^") zu engagieren und an den Erfa-Tagungen teilzunehmen.^^"* FUr den strategischen Aufbau des latenten Netzwerks sei es wichtig, dass es in einem Kompetenzbereich mindestens zwei Partner gibt, urn Monopolsteiiungen zu vermeiden. Durch die Existenz von Redundanzen kann sich innerhalb des latenten Netzwerks tendenziell ein netzwerkintemer Markt entwickeln, mit dem sowohl eine konkurrenzbezogene Preisgestaltung gefordert werden kann als auch Ressourcen bei grOfieren Projekten bereitgestellt werden kQnnen. Urn Konflikte unter den Netzwerkpartnem zu vermeiden, sei es jedoch wichtig darauf zu achten, dass nicht zwei oder mehrere Partner die gleichen Produkte auf ein und demselben regionalen Markt anbieten.^^^ Fiir den Bestand eines solchen strategischen Netzwerks sei es unabdingbar, dass die Partner eigenmotiviert arbeiten und sich aktiv am Netzwerk und den Gemeinschaftsprojekten beteiligen. Ein solches Netzwerk dUrfe von den Partnem nicht als Versorgungsnetzwerk missverstanden werden, in dem sie tatenlos verharren kOnnen.^^^ Um sicherzustellen, dass geeignete Partner in das Netzwerk der virtuellen Fabrik aufgenommen werden, erfolgt die Auswahl - auf der Grundlage eines genauen Anforderungsprofils - im Regelfall nicht uber IntemetkooperationsbSrsen, sondem Uber das Beziehungsnetzwerk der Partneruntemehmen. Wird ein potenzieller Kooperationspartner von einzelnen Netzwerkpartnem vorgeschlagen, wird mit ihm ein erstes VorOrt-Gesprach gefiihrt, bei dem der Bewerber ein Assessment-Programm durchlauft, um herauszufmden, worin der Nutzen ftir das Netzwerk und worin der Nutzen fiir den Bewerber besteht. Absolviert der Bewerber dieses Assessment-Programm erfolgreich, werden alle Netzwerkpartner tiber den Beitrittswunsch des Bewerbers in die virtuelle Fabrik mit Hilfe eines Newsletters informiert. Den Netzwerkpartnem werden 10 Tage eingerSumt, in denen sie sich zu dem Bewerber auBem kSnnen. Dies hat den Vorteil, dass kein Untemehmen in das strategische Netzwerk aufgenommen wird, welches
^^^ „Erfa-Tagungen" werden durchgefiihrt, um einen Erfahrungsaustausch unter den Partnem des latenten Netzwerks zu ermOglichen. Siehe hiezu auch: Hafliger (2000), S. 225. ^^^ Vgl. [Nr.l3: 10-29, 124-134, 303-304]. ^" Vgl. [Nr.l3: 167-204]. ^^^ Vgl. [Nr.l3: 153-166].
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unter den Netzwerkpartnem als unzuverlSssig gilt oder mit dem bereits schlechte Erfahrungen gesammelt wurden. Wird dieser soziale Selektionsprozess positiv entschieden, beginnt der Aufnahmeprozess mit einer Einflihrungsschuiung in das Grundkonzept der virtuelien Fabrik. Dem neuen Partner wird hierzu ein sog. „G5tti", d. h. ein Pate, zur Seite gestellt, um ihm die Integration in das Netzwerk zu erleichtem.^^^ Mit diesem verhSltnismaBig aufw^ndigen Aufnahmeprozess bzw. Selektionsmechanismus wird beabsichtigt, dass nur Kooperationspartner in das strategische Netzwerk aufgenommen werden, die nicht nur Uber Kemkompetenzen verfiigen, sondem auch im Hinbiick auf ihre Untemehmenskultur eine gewisse Stimmigkeit in Bezug auf das bestehende Netzwerk der virtuelien Fabrik aufweisen: ,^ber eine Firma mit einer Firmenkultur, die uberhaupt nicht auf Kooperation ausgelegt ist, die kommt erst gar nicht hier in unser Netzwerk rein''' [680-682]. Bestehen unter den Kooperationspartnem ahnliche Untemehmenskulturen, kOnne sich ein gemeinsames Geschaftsverstandnis leichter entwickeln und der Aufbau von Vertrauen rascher erfolgen.^^^ Dem interviewten Netzwerkcoach der Virtuelien Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland, der Mitglied im FUhrungsteam der virtuelien Fabrik ist, in dem insgesamt sechs Firmen aus dem Netzwerk beteiligt sind, obliegt das Ressort der Geschaftsentwicklung.^^^ Seine Aufgabe besteht dabei z. B. in der strategischen Weiterentwicklung der IT-Plattform, die das zentrale IT-System der virtuelien Fabrik darstellt, und der Einftlhrung neuer IT-Instrumente und IT-L5sungen/^° Der Interviewpartner verftigt Uber langjahrige Erfahrungen, die er in einem Forschungsprojekt zusammen mit Prof. Schuh, dem BegrUnder des Konzepts der Virtuelien Fabrik,^^^ gesammelt hat. In diesem Projekt hat der Interviewpartner als Netzwerkcoach mitgearbeitet, Kooperationspartner akquiriert und Workshops durchgeftihrt.^^^ Durch den engen Kontakt zu Prof. Schuh und den Schweizer Hochschulen sind bereits mehrere staatlich gefSrderte Forschungsprojekte zum Thema „Produktion und Logistik in einem Unternehmens-
857
Vgl.[Nr.l3: 244-293].
858
Vgl.[Nr.l3: 675-725].
859
Siehe auch Picot et al. (2003), S. 522.
860
Vgl. [Nr.l3: 1-9].
861
Siehe zum Konzept der Virtuelien Fabrik z. B. auch Schuh et al. (1998); Schuh et al. (1997a); Schuh et al. (2000). Vgl. [Nr. 13: 30-44].
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netzwerk" durchgefuhrt und nationale und Internationale Fachtagungen abgehalten worden.^" Zur Koordination des latenten Netzwerks und der auf dieser Grundlage aufbauenden Projekte wird eine Reihe von Koordinationsinstrumenten verwendet.^^ Eine wesentliche Basis ftlr eine effektive und effiziente Kooperation und Koordination sind nach Ansicht des Interviewpartners soziale Beziehungen und Vertrauen unter den Netzwerkpartnern: „Ja, das istfiir uns sehr wichtig, dass wir eine Gemeinschaft darstellen und uns gut kennen. Auf dieser Grundlage konnen wir vie I unkomplizierter unsere Projekte durchfUhren undjeder mochte, dass er auch unter den Partnern ein gescMtztes Mitgiied ist. ... Also, soziale Netzwerke sind in einer virtue lien Fabrik zentral.'' [333-336; 352]. Der Interviewpartner hebt den Stellenwert sozialer Beziehungen und von Vertrauen im Vergleich zum Einsatz modemer Medien hervor: ,,Die Vernetzung uber die Kopfe ist meines Erachtens nach viel wichtiger als die Vernetzung mit der IT'' [347-348].^^^ Auf Messen, Tagungen, Geschaftstreffen und gemeinsamen Freizeitveranstaltungen kGnnen die Kontakte unter den Netzwerkpartnem erweitert und das GemeinschaftsgefUhl gestarkt werden. Die Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland setzt zur Koordination des stabilen Netzwerks und der Projektarbeit ein umfassendes und speziell auf die Bedtirfnisse abgestimmtes IT-System ein.^^^ Mittels eines Servers werden den Netzwerkpartnem Informationen (z. B. Dokumente von den Erfa-Tagungen oder Projektausschreibungen) bereitgestellt, auf die sie passwortgeschiitzt zugreifen kOnnen.^^^ Dem interviewten Netzwerkcoach ist es Uber dieses IT-System m5glich, in die laufenden Projekte Einblick zu gewinnen und Informationen Uber die einzelnen Netzwerkpartner, ihre Kemkompetenzen und eingesetzten Technologien, Leistungen und Umsatz abzurufen.^^^ Mit Hilfe einer Projektdatenbank konnen den Projektpartnem Beschreibungen, Zeichnungen sowie Fotos Uber das jeweilige Projekt zugSnglich gemacht werden. Der Vorteil dieser zentralen Datenverwaltung liegt insbesondere darin, dass alle Partner auf denselben Informationsstand zurUckgreifen k5nnen und sich somit der Koordina-
863
Vgl. [Nr.13: 101-123].
864
Siehe hierzu auch Teichmann/Borchardt (2003), S. 85 ff
86S
Vgl. [Nr.13: 315-352,696-701]. Siehe hierzu auch Teichmann/Borchardt (2003), S. 85 und 87.
866
Siehe hiezu auch: Hafliger (2000), S. 226; Teichmann/Borchardt (2003), S. 87.
867
Vgl. [Nr.13: 294-303, 306-308].
868
Vgl. [Nr.13: 224-233, 308-314].
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tionsaufwand bei der Informationsweitergabe reduziert wird. Wesentlich sei dabei die Transparenz des Projekte, damit z. B. jeder Partner feststellen kann, welche Partner bereits an einem Projekt arbeiten bzw. welche Projekte abgeschlossen wurden oder welche ProjektauftrSge nicht an die virtuelle Fabrik vergeben wurden.^^^ Alle Netzwerkpartner sind beim Eintritt in das Netzwerk Uber die Kooperationsregeln in netzwerkintemen Schulungen informiert worden. Diese ca. 10 Regeln sind Uber das IT-System jedem Netzwerkpartner zugSnglich.^^^ Akquiriert z. B. der Broker einen Projektauftrag oder wird eine Anfrage von einem Kunden an einen Netzwerkpartner gerichtet, der die gewUnschte Leistung nur im Verbund mit anderen Partnem erstellen kann, dann erfolgt eine Ausschreibung Uber das IT-System, Uber die sich die Netzwerkpartner informieren k5nnen. Eine Regel besteht z. B. darin, dass sich jeder Netzwerkpartner (auch im eigenen Interesse) jeden Morgen Uber die aktuellen Ausschreibungen im IT-System informiert. Soweit Leistungsanforderungen in seinen Kompetenzbereich fallen und er freie Kapazitaten hat, kann er sich Uber das IT-System fiir dieses Projekt als Projektpartner eintragen und ein Leistungsangebot abgeben.^^* Mittlerweile wurde das Konzept der Virtuellen Fabrik nach dem Prinzip eines Franchising-Systems in mehreren Wirtschaftsregionen erfolgreich aufgebaut.*^^ Ein wesentlicher strategischer Vorteil, der sich aus dem Aufbau der virtuellen Fabriken als Franchising-System ergibt, liegt in der Kompatibilitat der Netzwerke der wirtschaftlich selbstandigen virtuellen Fabriken.^^^ Ein besonderer Vorteil des Franchising-Systems, in der die Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland eingebunden ist, besteht darin, dass Uber das vereinheitlichte IT-System auch netzwerkUbergreifend kooperiert werden kann. Fehlt z. B. eine Kemkompetenz oder sind die Kapazitaten einer virtuellen Fabrik temporSr ausgelastet, besteht die MOglichkeit, dass der Broker auf die Kapazitaten eines Partnemetzwerks, z. B. der Virtuellen Fabrik Baden-Wiirttemberg mit Hilfe des einheitlichen IT-Systems zugreifen kann oder Kundenanfragen auf dieser Ubergeordneten IT-Plattform hineinstellt. Durch das einheitliche IT-System und den
869
Vgl. [Nr.l3: 427-437]. Vgl. Teichmann/Borchardt (2003), S. 85.
870
Vgl. [Nr.l3: 444-447,488-517,606-612]. Siehe hierzu auch Teichmann/Borchardt (2003), S. 85.
871
Vgl. [Nr.l3: 353-392,441-443].
872
Siehe hierzu auch das Fallbeispiel der Virtuellen Fabrik Baden-Wiirttemberg im Anhang dieser Arbeit.
873
Vgl. [Nr.l3: 45-100,236-243].
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Darstellung der Ergebnisse
gleichen Netzwerkaufbau ist es mOglich, dass an einem Projekt mehrere Partner aus unterschiedlichen virtuellen Fabriken zusammenarbeiten konnen.^^"* 5.2.2.4 Typ IV: Das „Virtuelle Verteilungsnetzwerk" Virtuelle Untemehmen des Typs IV zeichnen sich ebenso wie die des Typs III durch horizontale Kooperationen, heterogene Leistungsspektren der Kooperationspartner und V. a. reziproke Interdependenzen aus, jedoch weisen sie nur einen relativ geringen Formalisierungsgrad und im Vergleich zu Typ III ein deutlich kleineres latentes Netzwerk aus i. d. R. 5 bis 10, in einzelnen Fallen bis zu 15 Netzwerkpartnem auf. Die Steuerung und Weiterentwicklung des latenten Netzwerks erfolgt durch einen Netzwerkmanager. Der Netzwerkmanager ist aber nicht zwangslSufig der Koordinator in alien Projekten. Vielmehr wird derjenige Partner zum Projektkoordinator bzw. Projektmanager gewShlt, der im Hinblick auf das jeweilige Projekt die grOBte Kompetenz aufweist oder aber den grOfiten Anteil am Leistungserstellungsprozess hat. Somit existieren nicht selten zwei Koordinatoren in einem virtuellen Untemehmen des Typ IV: einer, der in erster Linie die Steuerung auf der Ebene des latenten Netzwerks ubemimmt und damit fUr den Bestand des virtuellen Untemehmens Sorge trSgt, und ein zweiter, haufig wechselnder Koordinator, der neben der Erstellung seiner Teilleistung vornehmlich fur die Koordination auf der Projektebene zustSndig ist.^^^ Durch die Verteilung der Steuerungsaufgaben auf beide Ebenen wird der Komplexitat der Leistungserstellung in einem virtuellen Untemehmen des hier dargestellten Typs Rechnung getragen, die aus der Beteiligung unterschiedlicher Kemkompetenztr^ger resultiert. Auf schriftliche ProjektvertrSge wird unter den Kooperationspartnem vor dem Hintergmnd ausgepragter Vertrauensbeziehungen, die z. T. bereits vor der Grtindung des virtuellen Untemehmens bestanden, haufig verzichtet.^^^ Werden unter den Partnem dennoch Vertrage geschlossen, sind dies jedoch nur sehr knappe, wenige Seiten
874
875
Vgl. [Nr.l3: 447-487, 431-432]. Siehe hierzu auch die im Anhang befindliche Fallstudie der Virtuellen Fabrik Baden-Wurttemberg. Siehe z. B. Virtuelle Fabrik fur Offentlichkeitsarbeit, Virtual Company, Creaprodi oder Redesign Deutschland. Auf die Unterscheidung zwischen der Koordination auf der Netzwerkebene und der Projektebene wird in Abschnitt 5.2.3.1 genauer eingegangen. Dies sind interessanterweise auch die Untemehmensbeispiele, die durch die o. g. zwei Koordinatoren (Netzwerkebene. Promotor, Projektebene: Projektkoordinator) gesteuert werden. Siehe vorherige FuBnote.
Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen
189
umfassende VertrSge^^^ oder Rahmenkooperationsvertrage,*^^ in denen die wichtigsten Projektdaten und -regelungen festgehalten werden. Aus dem Untersuchungssample lassen sich diesem Typ nahezu die Halfte der Unternehmensbeispiele zuordnen. Zu den insgesamt zehn Beispielen gehOren: die Virtual Fab (Nr.l), die Virtuelle Fabrikfur Offentlichkeitsarbeit (Nr.3), die Gigaperls (Nr.4), die Virtual Company (Nr.5), die TVC - The Virtual Company (Nr.6), die Creaprodi (Nr.8), die FunKey (Nr.l 1), die Redesign Deutschland(NrAl), The Webworker Group (Nr.l8) und die ConVerve (Nr.l9). Zu Illustrationszwecken wird die Fallstudie der Virtual Company (Nr.5), eines virtuellen Untemehmens der IT-Dienstleistungsbranche gewShlt. Fallstudie Virtual Company Die Virtual Company wurde im August 1996 vom Interviewpartner in der NShe von Zurich gegrtindet und gehOrt damit zu den ersten virtuellen Untemehmen im deutschsprachigen Raum.^^^ Mit der Spezialisierung auf den Bereich Informationsverarbeitung und Telekommunikation gehOrt die Virtual Company zu den virtuellen Untemehmen der IT-Dienstleistungsbranche.^^^ Entstanden ist dieses eher regional ausgerichtete virtuelle Untemehmensnetzwerk - begleitet von der damals beginnenden Intemeteuphorie - aus dem Bedtirfnis nach einer eigenstandigen und eigenverantwortlichen Projektgestaltung. Mit dem Kooperationsverbund, dem 15 rechtlich selbstSndige Untemehmen angehSren, wird das Ziel verfolgt, eine mOglichst hohe Flexibilitat und Effizienz bei der Erstellung von kundenspezifischen, qualitativ hochwertigen Dienstleistungen zu erreichen. Dies wird in dem schriftlich niedergelegten Leitbild der Virtual Company deutlich: „Nicht die Gr5Be eines Untemehmens ist wichtig, sondem die Art und Qualitat der Produkte/Dienstleistungen und vor allem, die Fahigkeit, sich neuen Gegebenheiten schnellstmOglich und ohne groUen Aufwand anpassen zu k5nnen!"^^* Weitere wesentliche Ziele, die sich dariiber hinaus im sog. Grundlagenkatalog befmden und nach Angaben des Interviewpartners bereits zum gr5l3ten Teil erreicht
877
Siehe z. B. in den Fallstudien der ConVerve, FunKey oder The Webworker Group.
878
Siehe z. B. in den Fallstudien der Virtual Fab, TVC - The Virtual Company oder der Gigaperls.
879
Siehe im Internet unter http://www.virtualcompanv.ch (letzter Zugriff: 04.05.2005). Zur Virtual Company siehe z. B. auch Mertens/Faisst (1997), S. 106 f. und HOlsch (2000), S. 52 ff.
880
Vgl. [Nr.5: 163-183].
881
Siehe hierzu auch den Grundlagenkatalog der Virtual Company, S. 1 im Anhang H, der sich im Extraband der Anlagen befmdet.
190
Darstellung der Ergebnisse
werden konnten, sind die Erhaltung und StSrkung der Eigenstandigkeit und die Erhaltung der Flexibilitat durch kurze Entscheidungswege unter den gleichberechtigten Kooperationspartnem und durch den Wegfall von Hierarchiestufen.^^^ Der Interviewpartner vergleicht den Aufbau der Virtual Company mit dem eines Sportvereins, in dem es einen harten Kern von Mitgliedem gibt, die das System steuem und aufrechterhalten. Um diesen Kern herum wUrden sich weitere Kooperations- bzw. Netzwerkpartner gruppieren, deren Fluktuation jedoch wesentlich hOher sei.^^^ Insgesamt gibt es bei Virtual Company vier Mitglieder-Status:^^"^ Die erste Statusgruppe wiirden die „Partner" bilden. Zu ihnen zShlen die insgesamt 15 Mitglieder des latenten Netzwerks, die alle rechtlich selbstSndige kleine und mittelstandische Untemehmen der IT-Branche sind. Diese sind Uberwiegend Untemehmen ehemaiiger Arbeitskollegen des Interviewpartners, die - wie der Interviewpartner - Uber langjahrige Erfahrungen in weltweit agierenden groBen IT-Untemehmen verfUgen. Somit bestanden bereits bei der GrUndung des virtuellen Untemehmens Geschafts- und Vertrauensbeziehungen zwischen dem Interviewpartner und den meisten Partnerunternehmen.^*^ Die „Co-Partner" bilden die zweite Statusgruppe. Zu ihnen gehOren z. B. Beratungsuntemehmen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien wie auch Untemehmensstrategie, die an einer Kooperation mit einzelnen Partnem der Virtual Company interessiert sind. Uber die „Co-Partner" kOnnen weitere Kunden gewonnen werden. Die dritte Statusgruppe bilden die sog. „Berater und Coaches", zu denen Wissenschaftler unterschiedlicher Hochschulen und Fachrichtungen gehOren.^*^ Zur vierten Statusgruppe gehOren die sog. „Supporter oder Sponsoren". Dies sind z. B. GroBuntemehmen, die das virtuelle Untemehmen Virtual Company fmanziell oder technologisch unterstUtzen. Im Rahmen eines Projekts bestehen bei der horizontalen Kooperation v. a. reziproke Interdependenzen unter den Kooperationspartnem. Da die Partner jeweils unterschiedliche (Kem-)Kompetenzen aufweisen und keine wesentlichen KompetenzUberschnei-
882
Vgl. [Nr.5: 4-8, 45-47]. Siehe hierzu auch den Grundlagenkatalog der Virtual Company, S. 3 im Anhang H, femer auch Mertens/Faisst (1997), S. 106.
883
Vgl. [Nr.5: 187-190]. Vgl. [Nr.5: 218-243]. Siehe hierzu auch HOlsch (2000), S. 52.
885
Vgl. [Nr.5: 12-35].
886
Siehe http://www.virtualcompanv.ch/main/Show$Id= 108.html (letzter Abruf: 07.05.2004).
Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen
191
dungen bestehen, liegt ein heterogenes Leistungsspektrum vor. Auf dieser Grundlage ist es mGglich, eine Vielzahl kundenspezifischer IT-Dienstleistungen anzubieten.^^^ Urn Flexibilitatsvorteile und Kostenvorteile nutzen zu kOnnen, wird bei der Virtual Company auf eine Rechtsform verzichtet.^*^ Auch vereinsspezifische Merkmale wie z. B. Statuten oder eine Jahresrechnung finden sich nicht, Aiie Partner der Virtual Company entrichten dafUr einen Jahresobolus von SFR 800,-, der fiir die Koordinationsaufgaben, die Organisation der Partnertreffs und die Pflege der Web-Seiten verwendet wird.^^^ Rechtlich abgesichert ist dagegen nur die Verwendung des Labels ^Virtual Company'\ welches eine eingetragene Marke darstellt.^^° Dabei ist es den Kooperationspartnem aus Grtinden der Selbstbestimmung freigestellt, inwieweit sie bei den einzelnen Projekten gegentlber dem Kunden auf den Untemehmensverbund •
KQ1
verweisen. Bei der Virtual Company kann die Koordination auf zwei unterschiedlichen Ebenen unterschieden werden. Einerseits die Ebene des latenten Netzwerk und andererseits auf der Ebene des Projekts: Auf der Ebene des latenten Netzwerk erfolgt die Koordination durch den Interviewpartner, der gleichzeitig Grtinder der Virtual Company ist.^^^ Er bezeichnet sich als „ruhender Pol" bzw. „Drehscheibe" und ist der Auffassung, dass ein lose gekoppeltes System wie z. B. ein virtuelles Untemehmen eine zentrale Koordinationsstelle benOtigt, um dessen Bestand zu sichem.^^^ Zu seinen Aufgaben als Netzwerkmanager gehOrt die Pflege des latenten Netzwerks, die Organisation der vierteljahrlichen Mitgliedertreffen, die Aushandlung von Einkaufsrabatten flir das Netzwerk und seine Partner sowie die Pflege der Webseiten. Neben diesen administrativen Aufgaben unterstUtzt er die Projektkoordination und Ubemimmt bei mdglicher-
Das Leistungsspektrum der Virtual Company umfasst z. B. Kunden- und BenutzersupportSysteme, VertriebsinformationssystemefilrMarketing und Verkauf, Internet-Security, Kommunikationsanwendungen fUr Untemehmen, Beratungsdienstleistungen sowie IT-Planungen und ITSchulungen, Datenbanken und Workflowsysteme, Softwareentsvicklung, Hard- und Softwarepflege, Data-Warehouse-Systeme, Software-Qualitatssicherung, Netzwerktechnologie, Systeml5sungen fiir medienUbergreifendes Publizieren. Siehe http://www.virtualcompanv.ch/main/ Show$Id=108.html (letzter Abruf: 07.05.2004). ^ Siehe auch HOlsch (2000), S. 53. ^ Siehe hierzu auch den Grundlagenkatalog der Virtual Company, S. 7 im Anhang H. ^ Vgl.[Nr.5: 111-134]. ' Vgl. [Nr.5: 359-374]. ^ Siehe hierzu auch den Grundlagenkatalog der Virtual Company, S. 4 im Anhang H. ' Vgl. [Nr.5: 1-11, 283-287, 299-306].
192
Darstellung der Ergebnisse
weise auftretenden Problemen zwischen den Kooperationspartnem auch die Rolle des Moderators bzw. Schnittstellenmanagers. Akquiriert ein Partner des latenten Netzwerks ein grOBeres Projekt,^^"* welches er aus Kapazitatsgrtinden oder fehlendem Know-how nicht allein abwickeln kann, wahh er aus dem latenten Netzwerk die zur Projektabwicklung notwendigen Kooperationspartner aus, die sich daraufhin zu einem virtuellen Untemehmen zusammenschlieBen. Die Koordination eines Projekts erfolgt dagegen i. d. R. nicht durch den Netzwerkmanager, sondem durch den Partner, der einen Auftrag akquiriert hat und mit dem Kunden den Vertrag abgeschlossen hat. Dieser Partner Ubemimmt damit die Rolle des Projektmanagers und steht dem Kunden wahrend des gesamten Projekts als zentraler Ansprechpartner zur VerfUgung.^^^ Da die meisten Partner ehemalige Arbeitskollegen sind oder sich bereits aus friiheren Projekten kennen und Vertrauensbeziehungen bestehen, wird bei der Projektdurchftlhrung i. d. R. auf VertrSge zwischen den Partnem verzichtet.^^^ Vertrauen unter den Kooperationspartnem wird vom Interviewpartner als sehr wichtig bzw. als eine zentrale Voraussetzung fiir eine erfolgreiche Projektbewaltigung betrachtet.^^^ Das Vertrauen zu neuen Kooperationspartnem, aber auch zu bestehenden Partnem wird neben den Partnertreffen insbesondere wahrend eines Projekts aufgebaut bzw. weiterentwickelt.^^^ Hierbei hat es sich als vorteilhaft erwiesen, dass alle Kooperationspartner aus derselben Wirtschaftsregion, namlich der deutschsprachigen Schweiz, kommen. Durch die geographische Nahe der Netzwerkpartner ist die MOglichkeit haufiger direkter Kommunikation und informeller Abstimmungen in Projektbesprechungen gegeben.^^^ Bedingt durch die geographische Nahe der Netzwerkpartner entstehen zudem nur geringe Kosten durch die An- und Abreise der Partner. Die Leistungen der Kooperationspartner werden auf der Basis von festen Verrechnungspreisen, d. h. tiber einen festen Stundenlohn, Tagessatz oder aber eine Kostenpauschale, abgerechnet. Zudem erhalt derjenige Partner, der den Auftrag erhalten hat
^^^ Die Projektdauer ist je nach Art und Umfang des Kundenwunsches unterschiedlich und kann einen Zeitraum von wenigen Wochen bis zu zwei Jahren einnehmen. Vgl. [Nr.5 : 81-85]. ^^^ Siehe hierzu auch Mertens/Faisst (1997), S. 105 und H5lsch (2000), S. 52. Vgl. [Nr.5: 199-206]. *^^ Vgl. [Nr.5: 376-383,436-437]; siehe auch HGlsch (2000), S. 53. ^^^ Vgl. [Nr.5: 60-62,463-469]. ^^^ Vgl. [Nr.5: 259-264]; siehe auch HOlsch (2000), S. 53. ^^ Vgl. [Nr.5: 184-198,276-282].
Entwicklung einer Typo logic virtue Her Untemehmen
193
bzw. vermitteln konnte, zusStzlich 10 % Provision.^°° Dabei ist es mOglich, dass die Kooperationspartner in mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten. Der Interviewpartner spricht in diesem Zusammenhang von einer ,,mehrdimensionalen Virtualitat.^^ Wahrend des Projektablaufs nehmen modeme Informations- und Kommunikationstechnologien einen hohen Stellenwert bei der Koordination und Kommunikation ein. Nach Ansicht des Interviewpartners erfolgt die Kommunikation zu 70 % tiber E-Mail, 20 % Ober Telefon und 10 % liber persOnliche Gesprache,^^^ wobei eine durchgehende Erreichbarkeit des Koordinators iiber E-Mail und Mobiltelefon gewahrleistet ist.^^^ Auf eine Groupware oder elektronische Projektdatenbanken wird in der Virtual Company weitgehend verzichtet, da die Pflege solcher Systeme zu kosten- und zeitintensiv ware und dabei nur ein minimaler Nutzen entstehen wtirde. Dem jeweiligen Projektteam bliebe die Entscheidung jedoch selbst Uberlassen, ob zusatzliche Projektmanagementtools eingesetzt werden.^^'* Im Laufe der erfolgreich abgeschlossenen Projekte hat sich bei der Virtual Company eine Untemehmenskultur unter den Partnem des latenten Netzwerks entwickelt.^^^ Diese wird z. B. in dem siebenseitigen Grundlagenkatalog deutlich, der im Wesentlichen das Leitbild des Kompetenzverbundes, die Ziele des Verbundes, einen Verhaltenskodex, die Regelung der Aufnahme neuer Partner bzw. Co-Partner in das latente Netzwerk sowie die Regelung administrativer Belange wie z. B. die Leistung eines Jahresobolus umfasst.^^^ Im Vordergrund steht hierbei die FOrderung eines ZusammengehOrigkeitsgefUhls und eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses. Im Rahmen von gemeinsamen Seminaren, Messeausstellungen^^^ und der vierteljahrlichen Partnertreffen, die neben der Besprechung geschaftlicher Aspekte immer auch einen gesell-
Vgl. [Nr.5: 110, 384-397, 414-434]. Die Gewahrung einer Provision ist auch im Grundlagenkatalog der Virtual Company, S. 4 geregelt. 901
Vgl. [Nr.5: 86-110, Zitat: 99].
902
Vgl. [Nr.5: 314-317].
903
Vgl. [Nr.5: 293-295, 310-313].
904
Vgl. [Nr.5: 334-347,454-459].
905
Vgl. [Nr.5: 72-73].
906
Siehe hierzu den Grundlagenkatalog in Anhang H dieser Arbeit, femer auch Faisst (1998), S. 16 f. undHOlsch(2000),S. 53. Vgl. [Nr.5: 245-249].
194
Darstellung der Ergebnisse
schaftlichen Teil batten, kOnnen die sozialen Beziebungen unter den Netzwerkpartnem weiter ausgebaut und intensiviert werden.^^^ Im oben bereits erwabnten Verbaltenskodex sind grundlegende Werte und Normen formuliert worden, an denen sich das Handeln und Verhalten der Partner orientieren soil. Hierbei stehen v. a. grundlegende gescbaftsethische Aspekte im Vordergrund wie z. B. ein respektvoller Umgang und Loyalitat der Partner untereinander und die Zuverlassigkeit der Partner bzw. das Einbalten von Vereinbarungen sowie die Erbringung qualitativ bochwertiger Leistungen. Urn Konflikte zu vermeiden, erfolgt bei entstehenden Konkurrenzsituationen eine Abspracbe unter den Partnem. Das gemeinsame Geschaftsverstandnis beinhaltet ein mOglichst ausgewogenes Verbaltnis zwischen Geben und Nehmen. Aber auch konkrete Aspekte sind im Verbaltenskodex festgehalten wie z. B. die Entricbtung einer Vermittlungsprovision in HObe von 10 % des Auftragsvolumens, die gegenseitige Vermittlung gleicbwertiger Auftrage unter den Kooperationspartnem sowie die Regelung der Aufnabme weiterer Partner in das latente Netzwerk.^^^ Auf der Grundlage einer auf Vertrauen und sozialen Beziebungen basierenden Unternebmenskultur k5nnen der Koordinationsaufwand bei der Projektumsetzung mOglicbst gering gebalten und Selbstorganisationsprozesse gefSrdert werden.^^° 5.2.3
Vergleich der identifizierten Typen virtueller Unternehmen
Vergleicbend kann festgebalten werden, dass sicb die bier dargestellten vier Typen virtueller Untemebmen binsicbtlicb der Kooperationsricbtung, dem Leistungsspektrum der Kooperationspartner und ibres Formalisierungsgrades unterscbeiden lassen. Die Untemebmensbeispiele, die eine borizontale Kooperationsricbtung und nur einen geringen Formalisierungsgrad aufweisen (Typ II und IV), kommen dem Idealtyp eines virtuellen Untemebmen am nacbsten. Der bObere Formalisierungsgrad der virtuellen Untemebmen des Typs III ist v. a. auf die vergleicbsweise bobe Anzabl an Partnem im latenten Netzwerk zuruckzufiibren. Hinsicbtlicb des Koordinationsaufwandes ist anzunebmen, dass dieser bei den virtuellen Untemebmen am bScbsten ist, die eine borizontale Kooperationsricbtung und ein eber beterogenes Leistungsspektrum auf-
^^* Vgl.[Nr.5: 316-333]. ^°^ Vgl. hierzu: Grundlagenkatalog der Virtual Company, S. 5 f. Siehe auch HOlsch (2000), S. 53. ^'° Vgl. [Nr.5: 250-259]. Siehe auch HOlsch (2000), S. 55.
Entwicklung einer Typologie virtueller Untemehmen
195
weisen (Typ III und IV).^^^ Dies ist damit zu begrUnden, dass bei horizontalen Kooperationen h^ufig reziproke Interdependenzen zwischen den Kooperationspartnem bestehen und anzunehmen ist, dass die Koordination der Leistungserstellung komplexer ist, wenn die Kooperationspartner sich mit unterschiedlichen Kompetenzen beteiligen. Der im Vergleich zu den virtuellen Untemehmen des Typs II und IV tendenziell hCherer Formalisierungsgrad der virtuellen Untemehmen des Typs III steht nicht im Widerspruch zum Konzept des lose gekoppelten Systems nach Weick. In ahnlicher Weise wie eine zu enge Kopplung kann auch eine zu lose Kopplung dysfunktionale Wirkungen in Bezug auf die strategische Flexibilitat hervorbringen. Wahrend bei einer zu engen Kopplung der Netzwerkpartner die Flexibilitat z. B. durch detaillierte und starre Vertrage eingeschrankt wird, ist eine Flexibilitatseinschrankung bei einer zu losen Kopplung auf eine zu geringe strukturelle und kulturelle Organisiertheit der Netzwerkpartner zuruckzufiihren. Eine Unterschreitung eines gewissen Mindestorganisationsgrades fiihrt haufig dazu, dass die interorganisationale Kommunikation und die netzwerkweite Durchsetzbarkeit von Entscheidungen sowie von Produkt- und Prozessinnovationen erheblich beeintrachtig werden. So weist auch Weick darauf hin: „total flexibility makes it impossible for the organization to retain a sense of identity and continuity".^'^ In Abhangigkeit der jeweiligen netzwerkspezifischen Faktoren (z. B. Anzahl der Netzwerkpartner, Haufigkeit der Interaktionen, der Interdependenzen und der Austauschbeziehungen zwischen den Netzwerkpartnem) und unter Flexibilitatsgesichtspunkten muss ein „optimaler" Organisationsgrad bzw. eine „optimale" Kopplungsintensitat zwischen einer zu losen und einer zu engen Kopplung gefunden und realisiert werden.^^^ Der im Vergleich zu den virtuellen Untemehmen des Typs II und IV tendenziell hOhere Formalisiemngsgrad der virtuellen Untemehmen des Typs III tragt damit u. a. den Bedingungen eines deutlich grOBeren latenten Netzwerks Rechnung und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der Handlungsfthigkeit. Bei der Betrachtung der vier identifizierten Typen virtueller Untemehmen lassen sich femer Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der verfolgten Strategic feststellen. Alle virtuellen Untemehmen, die den o. g. vier Typen zugeordnet werden
^^' Siehe hierzu auch Albers et al. (2003), S. 21 und S. 54. ^'^ Vgl. Weick (1982), S. 386. ^'^ Vgl. Sydow (1992a), S. 117.
196
Darstellung der Ergebnisse
kOnnen, verfolgen tendenziell eine Nischenstrategie. Durch die lose Kopplung der Kooperationspartner und die vorrangige Beteiligung an der Leistungserstellung mit ihren Kemkompetenzen sind sie in der Lage, kundenspezifische, qualitativ hochwertige Produkte und/oder Dienstleistungen zu einem konkurrenzMigen Preis auf dem Markt anzubieten. Bei der Erreichung ihrer Ziele lassen sich jedoch in strategischer Hinsicht tendenzielle Unterschiede feststellen. Bei den virtuellen Untemehmen des Typs I („Virtueller Generaluntemehmer") besteht die Strategie eines Kemuntemehmens darin, freie Kapazitaten von Zulieferem bzw. Marktpartnem kosteneffizient und gewinnbringend zu nutzen. Dagegen steht bei den virtuellen Untemehmen des Typs II („Virtuelles Verteilungsnetzwerk") die Kapazitatsauslastung der beteiligten rechtlich selbstandigen Untemehmen und die gemeinsame BewSltigung grOBerer Projekte im Vordergrund. Bei den virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik") und des Typs IV („Virtuelles UnterstUtzungsnetzwerk") besteht die Strategie dartiber hinaus in der qualitativen ErgSnzung der Leistungsspektmms durch die Beteiligung von Kooperationspartnem mit eher heterogenen Kemkompetenzen.
5.3 Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsmstrumente Die Stmktur der nachfolgenden Ergebnisdarstellung basiert auf der in Punkt 2.2.2 dargestellten Typologie von Koordinationsinstmmenten. Da die Koordination grundlegend durch Personen durchgeflihrt wird, werden zunSchst die personenorientierten Koordinationsinstrumente analysiert. Anschliefiend werden die stmkturellen, die technokratischen und die informationstechnologischen Koordinationsinstmmente einer ausfiihrlichen Betrachtung unterzogen. In die Analyse einbezogen wurden dabei die Koordinationsinstmmente, die im Interviewleitfaden berucksichtigt wurden.^*"* Die Offenheit der Interviewfiihmng gestattete dartiber hinaus auch m6gliche weitere, von den Interviewpartnem genannte Koordinationsinstmmente zu berticksichtigen.^^^ Um die gmndlegenden Funktionsweisen und Wirkungen der einzelnen Koordinationsinstmmente zu beschreiben und zu erklaren, werden bei den jeweiligen Ausfiihmngen zunachst die Auffassungen der aktuellen Organisations- und Managementforschung
^^^ Zur Auswahl der im Interviewleitfaden berUcksichtigten Koordinationsinstrumente siehe die Ausftihrungen in Abschnitt 4.2.2.2. ^'^ Hierbei wurde jedoch auf keine grundlegend neuen Koordinationsinstrumente aufinerksam gemacht, was ftir die Qualitat des Interviewleitfadens spricht. In einzelnen Interviews wurden lediglich Erganzungen oder Spezifizierungen zu einzelnen Koordinationsinstmmenten angefUhrt.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
197
dargestellt.^'^ Soweit Anhaltspunkte zur Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen in der einschlagigen Literatur zum Konzept des virtuellen Untemehmens gefunden werden konnten, werden diese aufgegriffen und skizziert. Diese Vorgeiiensweise gewahrleistet den Anschluss an den aktuellen Stand der Forschung und ermCglicht es, die anschlieBend dargestellten empirischen Befunde aus den Fallstudien zu analysieren, zu diskutieren und kritisch zu hinterfragen. Da die Auffassungen aus der Literatur zu der hier betrachteten Kooperationsform jedoch keine gesicherten Erkenntnisse darstellen, sondem vielfach die subjektiven Ansichten der jeweiligen Autoren widerspiegeln, kSnnen sie keineswegs als „Kontrollinstanz" verstanden werden. Urn einen Uberblick Uber die Verwendung des jeweils betrachteten Koordinationsinstruments in den 19 untersuchten virtuellen Untemehmen zu bekommen, wird eine tabellarische Ubersicht angefiihrt, in welcher der Stellenwert des jeweiligen Koordinationsinstruments in den virtuellen Untemehmen graphisch dargestellt wird. Die Kodierung, d. h. die Zuordnung der Kreisdiagramme zu den jeweiligen Untemehmensbeispielen, erfolgte auf der Grundlage der Interpretation der qualitativen Daten, die im Rahmen der Interviews gewonnen wurden. Neben der besseren Ubersichtlichkeit wird damit der Zweck verfolgt, Tendenzen hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstrumenten in den identifizierten Typen virtueller Untemehmen feststellen zu kOnnen. Soweit sich die empirischen Befunde verdichten lassen und ZusammenhSnge zwischen der Verwendung einzelner Koordinationsinstrumente und den Typen virtueller Unternehmen erkennbar werden oder berechtigte Annahmen dafUr bestehen, dass Zusammenhange zwischen der Verwendung einzelner Koordinationsinstmmente und unabhangigen Variablen (z. B. Kontextfaktoren) bestehen, erfolgt direkt im Anschluss an die jeweiligen Ausfuhrungen eine Hypothesenableitung. Kurze Zusammenfassungen der wesentlichen Befunde erfolgen jeweils am Ende der Ausftihmngen zu den vier Typen von Koordinationsinstrumenten.
^*^ Diese Vorgehensweise bei der Analyse von Koordinationsinstrumenten wird auch von Wollnik/Kubicek (1976), S. 502 f und Wiesenthal (1999), S. 17 vorgeschlagen.
198
Darstellung der Ergebnisse
5.2.1 Personenorientierte Koordinationsinstrumente in virtuellen Unternehmen Wie in den Ausfiihrungen in Abschnitt 2.2.2 dargestellt wurde, konnen zu den personenorientierten Koordinationsinstrumenten die Selbstabstimmung, soziale RoUen, Vertrauen und Vertrauenskultur sowie ein Mitarbeiteraustausch gezShlt werden. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass das Koordinationsinstrument der pers^nlichen Weisung im Widerspruch zum Konzept des virtuellen Untemehmens steht und weitestgehend ausgeschlossen werden muss. Dies wird auch von den Interviewpartnem bestatigt, die darauf hinweisen, dass aufgrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Selbstandigkeit der Kooperationspartner kein Kooperationspartner weisungsbefugt ist.^^^ DarUber hinaus konnte anhand der untersuchten virtuellen Unternehmen festgestellt werden, dass kein Mitarbeiteraustausch zwischen den im latenten Netzwerk befmdlichen Unternehmen erfolgt. Auf einen Mitarbeiteraustausch wird vor dem Hintergrund des Kemkompetenzschutzes und der Gefahr eines unkontrollierten Wissensabflusses bzw. des Abwerbens von Fachkraften abgesehen.^^^ Im Folgenden werden daher die Koordinationsinstrumente Selbstabstimmung, soziale Rollen sowie Vertrauen und Vertrauenskultur naher betrachtet. 5.3.1.1 Selbstabstimmung Die Selbstabstimmung oder direkte wechselseitige Abstimmung von Organisationsmitgliedem ist das historisch alteste und einfachste Instrument zur Koordination arbeitsteiliger Aktivitaten zwischen kooperierenden Akteuren.^*^ Da sich die Organisationsmitglieder untereinander selbst abstimmen, wird auch von einer Selbstkoordination gesprochen.^^^ Eine Selbstabstimmung oder Selbstkoordination besteht immer dann, wenn jeder Beteiligte im eigenen Ermessen uber seine Tatigkeiten entscheidet und eine gegenseitige Abstimmung der Organisationseinheiten vorwiegend horizontal und informell, d. h. ohne die Beteiligung eines Vorgesetzten erfolgt.^^' Eine grundle-
917
Vgl. z. B. [Nr.8: 191-192,416]. Vgl. [Nr.l: 231-238]; [Nr.7: 437-457]. Vgl. Mintzberg (1979), S. 3 ff. Die Bezeichnung der Selbstabstimmung als Koordinationsinstrument ist in der Organisationsforschung nicht unUblich. Siehe z. B. Kubicek/Welter (1985), S. 798; KieserAValgenbach (2003), S. 108; Staehle (1999), S. 558; Rehfeldt (1998), S. 34; Schreydgg (2003), S. 174; Vahs (2005), S. 116 f.; ReiB (2003), S. 7. Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 111. Vgl. Laux/Liermann (1997), S. 100. Zur gegenseitigen Abstimmung von Organisationsmitgliedem siehe auch Thompson (1967), S. 56 und Grant (1996a), S. 115.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
199
gende Voraussetzung, damit von einer Selbstabstimmung gesprochen werden kann, besteht jedoch darin, dass die herbeigefiihrten Entscheidungen verbindlich sind.^^^ In der Fachliteratur werden hinsichtlich der Potenziale einer Selbstabstimmung in virtuellen Untemehmen z. T, sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten. Manche Autoren gehen von der sehr optimistischen Annahme aus, dass sich die Einheiten eines virtuellen Untemehmens quasi mit einer „unsichtbaren Hand" von selbst steuem, sich die Systemgrenzen fliefiend an die jeweiligen Bedingungen anpassen und sich zwischen dem Bedtirfnis nach Stabilitat und gleichzeitiger Flexibilitat ein stabiles Gleichgewicht entwickeln wiirde.^^^ Dagegen wird eine ausschlieBlich auf spontane Selbstabstimmungs- bzw. Selbstorganisationsprozesse basierende Koordination virtueller Untemehmen von der Mehrheit der Autoren bezweifelt.^^"* Wie im Theorieteil dieser Arbeit bei den Ausfiihrungen zum Selbstorganisationsansatz verdeutlicht wurde, kann in virtuellen Untemehmen aus theoretischer Sicht nur eingeschrSnkt von einer Selbstorganisation oder Selbstabstimmung gesprochen werden. Vielmehr muss - in Anlehnung an den MUnchner Ansatz - von einem Wechselverhaltnis zwischen Fremd- und Selbstorganisation ausgegangen werden, das als institutionalisierte Selbstorganisation bezeichnet wurde.^" Die Notwendigkeit planerischer Prozesse iSsst sich auch vor dem Hintergrund des Transaktionskostenansatzes verdeutlichen. Einerseits kann argumentiert werden, dass sich Selbstabstimmungsprozesse bei komplexen Projekten anbieten, da auf der Gmndlage gemeinsamer Abstimmungen qualitativ hQherwertige Entscheidungen getroffen werden kSnnen und dadurch geringere Autonomiekosten entstehen. Dem stehen mit zunehmender Anzahl an abstimmungsberechtigten Akteuren jedoch vergleichsweise hohe Abstimmungskosten gegentiber, die v. a. durch den Zeitaufwand gegenseitiger Abstimmungen hervorgemfen werden. Wahrend eine Selbstabstimmung unter einer uberschaubaren Anzahl von Akteuren noch effizient erscheint, fiihrt die gegenseitige Abstimmung bei einer grOBeren Anzahl von Akteuren rasch zu einem hohen Kommu-
922
Vgl. KubicekAVelter (1985), S. 798; KieserAValgenbach (2003), S. 112.
923
Siehe z. B. Chrobok (1996), S. 252.
924
Siehe z. B. Gerpott/BChm (2000), S. 30; Mertens / Faisst (1996), S. 9 und die dort angegebene Literatur.
925
Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zum Selbstorganisationsansatz in Abschnitt 3.2 dieser Arbeit. Vgl. auch Hoffmann (1980), S. 322.
200
Darstellung der Ergebnisse
nikationsaufwand bzw. zu hohen Abstimmungskosten und die Selbstabstimmung damit in die Ineffizienz.^^^ Um den Kommunikationsaufwand bzw. die Abstimmungskosten bei einer Selbstabstimmung zu reduzieren, erscheint eine institutionalisierte Selbstabstimmung in virtuellen Unternehmen sinnvoll.^^^ Einen besonderen Stellenwert wird in diesem Zusammenhang der RoUe eines zentralen Akteurs oder Koordinators mit Entscheidungskompetenzen zugeschrieben.^^^ Dieser ist immer dann sinnvoll, wenn im Rahmen des Selbstorganisationsprozesses keine Einigkeit unter den Partnem in Bezug auf notwendige Entscheidungen erzielt werden kann. Hierbei besteht die Gefahr, dass die Abstimmungsprozesse einen erheblichen Zeitraum in Anspruch nehmen und dabei mOglicherweise Konflikte hervorgerufen werden. Der Koordinator kann in diesem Fall den Entscheidungsfmdungsprozess durch die Festlegung auf einen Entschluss bzw. Handlungsaltemative beschleunigen und dadurch hohe Abstimmungskosten vermeiden. Wird auf einen zentralen Koordinator verzichtet, sind relativ hohe Koordinationskosten anzunehmen.^^^ In Anlehnung an den MUnchner Ansatz ist zu vermuten, dass die Effektivitat und Effizienz der Koordination durch einen Koordinator erhCht werden kann, wenn er die Rahmenbedingungen der Kooperation festlegt. Seine Aufgaben beschrSnken sich dabei v. a. auf Mafinahmen, die ftir eine weitgehende Selbstorganisation der Kooperationspartner erforderlich sind. Zu ihnen k5nnen z. B. die Festlegung des Organisationsbzw. Projektziels, die Vorgabe von Kooperationsregeln, die Einrichtung von Kommunikationskanalen sowie die Bildung von Arbeitsgruppen und die Organisation von Projekttreffen geh5ren.^^° Mit der Vorgabe von Rahmenbedingungen werden den Kooperationspartnem grobe Leitlinien vorgegeben, mit denen ihre Handlungen und Leistungen effizienter aufeinander abgestimmt werden konnen.
926
Vgl. Laux/Liermann (1997), S. 100 ; KieserAValgenbach (2003), S. 111. Vgl. Specht/Kahmann (2000), S. 61; Fischer (2001), S. 185; ReiB (1996a), S. 199; SchrSder (1996), S. 91; Hoffmann (1980), S. 322; Schanz (1994), S. 71 ff spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „formalisierten Selbstorganisation". Vgl. Kubicek/Welter (1985), S. 798; KieserAValgenbach (2003), S. 113; SchreyOgg (2003), S. 177. Drumm (1998), S. 197 f sieht bei einer Anzahl von ca. sieben und mehr Partnern eine Untersttltzung durch eine tendenziell hierarchische Koordination unter Einbindung eines Moderators oder einer Koordinationsinstanz sowie die Festlegung von Abstimmungsregeln geboten.
929
Vgl. Kaluza(2001),S.6. Vgl. SchreyGgg (2003), S. 177; Gerpott/B5hm (2000), S. 23. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zu sozialen Rollen in virtuellen Unternehmen in Abschnitt 5.3.1.2.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
201
Das in den theoretischen Ausfiihrungen dargestellte Konzept der institutionalisierten Selbstabstimmung bzw. -organisation kann auf der Basis der empirischen Befunde unterstUtzt werden. So wird darauf hingewiesen, dass eine Selbstorganisation oder Selbstabstimmungsprozesse in virtuellen Untemehmen sich nicht ausschlieBlich selbstandig und zufUllig im Laufe der Zeit herausentwickeln, sondem aktiver gestalterischer MaBnahmen z. B. durch einen Koordinator bedilrfen:^^' ,,Jedes Netzwerk lebt von einem solchen Promotor. Ohm eine zentrale Person, die alles im Blick behdlt, wurde das nicht laufen. "^^^ Auch der GeschSftsfilhrer der ConVerve verdeutlicht: ,,Es muss in gewisser Weise einen Hduptling gegeben, der seinen Indianern auch mal sagen kann, wie es weitergehen soil" und „... der darauf achtet, dass die Regeln und Rollen sowie die Termine auch eingehalten werden.'''^^^ Durch die Schaffung von Rahmenbedingungen, wie z. B. die Spezifizierung des Projektziels, die Festlegung eines Ablaufplans und die Definition der Aufgaben seien die Projektpartner in der Lage, ihren Teil der Leistungserstellung weitgehend selbstandig zu koordinieren.^^"* Die dadurch entstehende Motivation und die Schaffung von gegenseitigen Vorteilen ermOgliche es, den Koordinationsaufwand des Projekts zu reduzieren und Selbstabstimmungsprozesse zu unterstUtzen. Der interviewte Koordinator der Creaprodi weist darauf hin: „Das ist eine Kombination, bei der alle Beteiligten gewinnen, und dann muss ich nicht standig alles koordinieren, well es dann eben auch von selber lauft. "^^^ Auch der Interviewpartner der Virtual Fab weist auf die Schaffung von Rahmenbedingungen zur Effektivitats- und Effizienzsteigerung der Koordination hin: „M3!« muss in ein Projekt schon gewisse Vorleistungen und Voruberlegungen mit einfliefien lassen, um einen gewissen Rahmen setzen zu kdnnen, was dem Optimum schon recht nahe kommen wurde, well es letztlich ja darum geht, den Auftrag effizient abwickeln zu kdnnen.''^^^ In diesem Zusammenhang spricht die interviewte Netzwerkmanagerin der Webworker Group auch von einer „eingeschrankten Selbstorganisation".^^^
932 933 934 935 936 937
Vgl. [Nr.4: 332-353, 665]; [Nr.5: 250-259]; [Nr.8: 352-354]; [Nr.lO: 381-384]; [Nr.l4: 283-284]; [Nr.l6: 305-336]; [Nr.l8: 335-357, 358-382,383-403]. Vgl. [Nr.8: 735-736]. Vgl. [Nr. 19: 357-359, 362-363]. Vgl. [Nr.3: 415-426]; [Nr.4: 318-331]; [Nr.6: 331-333, 584-590]. Vgl. [Nr.8: 409-481, Zitat: 430-431]. Vgl. [Nr. 1:258-261]. Vgl. [Nr.l8: 358-382].
202
Darstellung der Ergebnisse
Am deutlichsten wird die Notwendigkeit der Schaffung von Rahmenbedingungen als Grundlage fUr Selbstabstimmungsprozesse bei den Fallbeispielen der Virtual Fab und des Softwarezentrums Boblingen-Sindelfingen. Beide Fallbeispiele weisen gewisse Ahnlichkeiten auf: Neben dem Aspekt der horizontalen Kooperationsrichtung verfUgen sie uber ein vergleichsweise groBes latentes Netzwerk. Zudem steht in beiden Untemehmen die Herausbildung von Selbstorganisationsprozessen im Vordergrund, um den Koordinationsaufwand so gering wie mGglich zu halten und damit den gesamten organisatorischen Uberbau dieses vergleichsweise groBen latenten Netzwerks so effizient wie mQglich zu gestalten.^^^ Um Selbstabstimmungsprozesse bei den Projekten der Virtual Fab und des Softwarezentrums Boblingen-Sindelflngen zu ermOglichen, sei es insbesondere zu Beginn notwendig, das Projekt aktiv zu betreuen und die Koordinationsaufgaben zunSchst einmal zu tibemehmen. Diese Aufgaben werden durch einen Netzwerkmanager bzw. im Fall der Virtual Fab durch eine zentrale Untersttitzungseinheit^^^ wahrgenommen. K6nne festgestellt werden, dass ein Projekt durch die unterstUtzenden Leistungen erfolgreich angelaufen ist, ziehe sich der Netzwerkmanager bzw. die zentrale Unterstiltzungseinheit nach und nach aus der Projektkoordination zurUck.^'^^ Die gesamte Projektkoordination werde dann auf die beteiligten Projektpartner iibertragen, die sich im weiteren Projektverlauf gegenseitig abstimmen und gemeinsame Entscheidungen treffen. Durch den RUckzug der Fremdorganisation wird das Ziel verfolgt, die Potenziale eines Selbstorganisationsprozesses unter den Kooperationspartnem, die insbesondere in der Flexibilitat und der Kosteneffizienz betrachtet werden, zu nutzen. Die theoretischen Ausfiihrungen und empirischen Befunde deuten darauf hin, dass eine Selbstabstimmung bzw. Selbstorganisation in virtuellen Untemehmen v. a. dann effektiv und effizient ist, wenn die Anfangs- und Rahmenbedingungen eines Projekts durch eine Koordinationseinheit, wie z. B. einen Koordinator, fremdorganisiert werden. Sind die Rahmenbedingungen und wesentliche Fragen in Bezug auf die Projektumsetzung gekl^rt, kann auf eine Fremdorganisation zugunsten einer Selbstorganisation weitgehend verzichtet werden. Hiemach kann folgende Hypothese aufgestellt werden: ^^^ Vgl. [Nr.l: 261-269]; [Nr.7: 1-5, 589-599]. ^^^ Bei der Virtual Fab wird die zentrale Untersttitzungseinheit durch ein sog. „Kernteam" gebildet, das aus den beiden GrUndem der Virtual Fab sowie einzelnen Mitarbeitem besteht. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.3.2.2. ^"^^ Vgl. [Nr.l: 261-269]; [Nr.7: 116-121,135-149,171-174,362-368,515-519].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente Hi:
203
Die Effektivitat und Effizienz einer Selbstabstimmung der Kooperationspartner in einem virtuellen Untemehmen korrelieren positiv mit einer fremdorganisierten Festlegung von projektbezogenen Anfangs- und Rahmenbedingungen.
Die Ubertragung der Projektverantwortung und der Koordinationsaufgaben im Laufe des Projekts auf die jeweiligen Projektpartner geschehe beim Softwarezentrum BdblingenSindelfingen nicht nur aufgrund der Annahme, dass eine Fremdorganisation bei der Koordination komplexer Leistungsbeziehungen eher zu suboptimalen Ergebnissen fUhren wtirde. Durch die Ubertragung der Projektverantwortung wUrde auch der Bestand des latenten Netzwerks nicht gefUhrdet werden, da im Haftungsfall nicht das gesamte latente Netzwerk, sondem nur die an einem virtuellen Untemehmen beteiligten Projektpartner gegenliber dem Kunden haften wUrden.^"*' Damit wird deutlich, dass die Selbstabstimmung bzw. Selbstorganisation nicht nur die Effektivitat und Effizienz von Koordinationsprozessen erhohen, sondem auch einen wichtigen Beitrag zum Erhalt eines lose gekoppelten Systems leisten kOnnen. Wie der folgenden Tabelle zu entnehmen ist, stellt die (institutionalisierte) Selbstabstimmung in den untersuchten virtuellen Untemehmen insgesamt ein wichtiges Koordinationsinstrument dar:
^"^^ Vgl. [Nr.7: 589-599].
204
Darstellung der Ergebnisse
Tabdle 7: Stellenwert der Selbstabstimmung im Untersuchungssample
Nr.
=
-
VU-Typ
CM
eg
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Fallbeispiel
1
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• 3 3 3 « 3 3 • 9 3
Legende: Bedeutung des betrachteten KoordinatJonsinstruments •
sehr hoch
^ hoch
3 mittel
O gering
O sehr gering
Quelle: Eigene Darstellung. Bei der Betrachtung der Tabelle 7 k5nnen tendenzielle Unterschiede festgestellt werden, die anscheinend auf die Kooperationsrichtung und die damit verbundenen Interdependenzen zwischen den Kooperationspartnem zurtickzufiihren sind. Wahrend bei den virtuellen Untemehmen, die eine horizontale Kooperationsrichtung aufweisen (virtuelle Untemehmen des Typ II, III und IV), dem Koordinationsinstrument der Selbstabstimmung insgesamt ein recht hoher Stellenwert beigemessen wird, kann bei den virtuellen Untemehmen, die durch eine vertikale Kooperationsrichtung gekennzeichnet sind, ein nur geringer Stellenwert dieses Koordinationsinstruments festgestellt werden. Wie in den Ausfiihrungen zum Selbstorganisationsansatz hingewiesen wurde, kann eine Selbstabstimmung als Erganzung oder Altemative in Betracht gezogen werden, wenn die Komplexitat eines Projekts im Rahmen eines virtuellen Untemehmens das KoordinationsvermOgen einer steuemden Einheit Ubersteigt.^'*^ Vor dem Hintergrund der oben festgestellten Unterschiede liegt die Annahme nahe, dass die Komplexitat der Projekte in virtuellen Untemehmen dann hoch ist, wenn eine horizontale Kooperationsrichtung zwischen den Kooperationspartnem besteht. Da der Leistungsaustausch
Siehe hierzu auch die Ausfuhrungen zum Selbstorganisationsansatz in Abschnitt 3.2.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
205
wechselseitig erfolgt und hSufig unterschiedliche Kooperationspartner an einem virtuellen Untemehmen beteiligt werden, sind die Herausforderungen an die Koordination bei virtuellen Untemehmen mit horizontaler Kooperationsrichtung h5her als bei virtuellen Untemehmen mit vertikaler Kooperationsrichtung.^'*^ Dies kann durch die Betrachtung der Interdependenzen, die zwischen den Kooperationspartnem bei der Leistungserstellung bestehen, verdeutlicht werden. Zu Illustrationszwecken werden hierbei die in Abschnitt 5.2.2.1 und 5.2.2.2 dargestellten Fallbeispiele der Virtuellen Fabrik Steko und der Freien Holzwerkstatt Koncraft herangezogen: Bei der Virtuellen Fabrik Steko, die eine vertikale Kooperationsrichtung aufweist und dem Typ I („Virtueller Generaluntemehmer") zugeordnet werden konnte, stehen die Zulieferer und der Generaluntemehmer in einem sequenziellen InterdependenzverhSltnis^"*"* bzw. in Anlehnung an die Koordinationstheorie in einer ProduzentenKonsumenten-Abhangigkeit CFlow").^"*^ Der Generaluntemehmer ist fUr die gesamte Koordination des Leistungserstellungsprozesses zustSndig und gibt den Zulieferem recht detaillierte Vorgaben bei der Leistungserstellung. Die von den Zulieferem erstellten passgenauen Teilleistungen werden vom Generaluntemehmer zu der vom Kunden gewtinschten Gesamtleistung bzw. dem Endprodukt zusammengesetzt. Eine Geteilte-Ressourcen-Abhangigkeit („Sharing") oder eine Gemeinsame-ObjektAbhangigkeit („Fit") besteht dagegen zwischen den Zulieferem nicht, da sie ihre Ressourcen unabhSngig voneinander beschaffen und verwerten bzw. auch die Leistungserstellungsprozesse unabhangig voneinander durchgeftihrt werden. Durch das sequenzielle Interdependenzverhaltnis zwischen den Zulieferem und dem Generaluntemehmer bzw. die Produzenten-Konsumenten-Abhangigkeit sind die zu koordinierenden Leistungserstellungsprozesse und der damit hervorgemfene Koordinationsbedarf uberschaubar. Die Notwendigkeit einer gegenseitigen Abstimmung unter den Zulieferem besteht bei der Leistungserstellung daher nicht. Selbstorganisations- oder Selbstabstimmungsprozesse beschranken sich dabei ausschliefilich auf die Leistungserstellung innerhalb der Zuliefemntemehmen. Bei der Freien Holzwerkstatt Koncraft, die eine horizontale Kooperationsrichtung aufweist und dem Typ II („Virtuelles Verteilungsnetzwerk") zugeordnet werden
^^^ Vgl.Albersetal.(2003),S. 19. ^^ Vgl. Thompson (1967), S. 54 f und die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.2.1 der vorliegenden Arbeit. ^^^ Zur Produzenten-Konsumenten Abhangigkeit siehe auch die Ausfuhrungen zur Koordinationstheorie in Abschnitt 3.3.
206
Darstellung der Ergebnisse
konnte, bestehen zwischen den Kooperationspartnem unmittelbar wechselseitige Input-Outputbeziehungen, d. h. v. a. reziproke Interdependenzen.^"^^ Im Rahmen der wechselseitigen Input-Outputbeziehungen milssen die Teilleistungen der Kooperationspartner so aufeinander abgestimmt werden, dass der Kundenauftrag erfiillt wird. In Anlehnung an die Koordinationstheorie besteht dabei eine „Gemeinsame-ObjektAbhangigkeit" („Fit").^'^^ Zwar ist der Kooperationspartner, der den Kundenauftrag erhalten hat, filr die Koordination der Leistungserstellung zustSndig, jedoch k6nnen aufgrund der Komplexitat, die durch die reziproken Interdependenzen hervorgerufen werden,^"*^ nicht alle Prozesse durch einen Koordinator geplant und gesteuert werden. Dies macht eine gegenseitige Abstimmung oder (institutionalisierte) Selbstabstimmung zwischen den Kooperationspartnem im Hinblick auf die gemeinsam zu bewaitigenden Aufgaben und das zu erreichende Ziel notwendig. Die beiden hier herangezogenen Fallbeispiele zeigen stellvertretend ftlr die virtuellen Untemehmen mit vertikaler bzw. horizontaler Kooperationsrichtung, dass eine (institutionalisierte) Seibstabstimmung besonders dann zur Untersttitzung der Koordination in virtuellen Untemehmen in Betracht gezogen wird, wenn reziproke Leistungsbeziehungen zwischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens bestehen. Reziproke Leistungsbeziehungen sind zwar auch bei den virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik") feststellbar,^"^^ jedoch nimmt hierbei die Seibstabstimmung aufgmnd des hCheren Formalisiemngsgrades einen im Vergleich zu den virtuellen Untemehmen des Typs II und IV etwas geringeren Stellenwert ein. Dennoch stellen Selbstabstimmungsprozesse wesentliche Voraussetzungen filr eine effiziente Koordination dar.^^° Auf der Gmndlage der theoretischen Ausfiihmngen und der empirischen Beftinde iSsst sich folgende Hypothese aufstellen: Hi:
Wenn zwischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens reziproke Leistungsbeziehungen bestehen, dann erfolgt die Koordination
^^^ Vgl. hierzu die Ausfiihnmgen in Abschnitt 2.2.1 und 5.2.2.2. ^^'^ Zur „gemeinsames-Objekt AbhSngigkeit" siehe auch die Ausfiihrungen zur Koordinationstheorie in Abschnitt 3.3. ^^^ Vgl. Reger(1997),S. 87. ^^^ Siehe hierzu die Fallstudien der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland, der Virtuellen Fabrik Baden-Wiirttemberg und der VirtuellBau im Anhang dieser Arbeit. ^^° Vgl. z.B.[Nr. 16: 487-488].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
207
der Leistungserstellung durch die UnterstUtzung einer (institutionalisierten) Selbstabstimmung. Dartiber hinaus ist anzunehmen, dass der Stellenwert einer (institutionalisierten) Selbstabstimmung bei der Koordination der Leistungserstellung von der Haufigkeit des Vorliegens reziproker Leistungsbeziehungen abhangt. Daher soil hier folgende Hypothese aufgestellt werden: H3:
Je haufiger reziproke Leistungsbeziehungen zwischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens bestehen, desto eher wird die (institutionalisierte) Selbstabstimmung als Koordinationsinstrument verwendet.
Um eine Selbstabstimmung zwischen mehreren Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens herbeizufiihren, werden haufig Projektbesprechungen durchgefUhrt, an denen die beteiligten Projektpartner teilnehmen.^^' Diese kOnnen regelmSfiig oder je nach Bedarf erfolgen und kOnnen auf die Behandlung komplexer klarungsbediirftiger Aufgaben z. B. im Hinblick auf die Projektplanung und -umsetzung, aber auch auf die gemeinsame L5sung projektspezifischer Probleme ausgerichtet sein.'" Projektbesprechungen werden von der Mehrheit der Interviewpartner als unverzichtbar betrachtet. Hierbei werden im Rahmen von Selbstabstimmungsprozessen verbindliche Entscheidungen durch einstimmige Beschltisse oder Mehrheitsbeschltisse getroffen. Diese erfolgen nach dem Prinzip der direkten horizontalen Abstimmung.^" Die Beteiligung der Kooperationspartner an ProblemiSsungs- und Entscheidungsprozessen hat einerseits den Vorteil, dass bestehende Kooperationserfahrungen genutzt werden kSnnen, die zur ErhOhung der Qualitat der Entscheidungen und ProblemlQsungen beitragen. Andererseits ist anzunehmen, dass die M5glichkeit der aktiven Mitgestaltung dazu beitragt, Kontroll- und Motivationsprobleme zu reduzieren und die Arbeitsproduktivitat zu steigem.^^"* In nahezu alien Fallbeispielen erfolgt zu Projektbeginn eine als sehr wichtig erachtete Projektbesprechung, an der sowohl die Kooperationspartner und haufig auch der Kunde teilnehmen.^^^ Nach Auftragsvergabe erfolge z. B. bei der Creaprodi, der
951
Siehe hierzu auch Albers et al. (2003), S. 49.
952
Vgl. Behrens (2000), S. 173. Vgl. [Nr.6: 281-292, 383-391,438-468,491-502].
953
Vgl. SchreyOgg (2003), S. 177.
954
In einer Studie von Bass/Leavitt (1963) kann nachgewiesen werden, dass die Beteiligung von Akteuren an Planungsprozessen mil der Arbeitsproduktivitat positiv korreliert.
955
Vgl. z. B. [Nr.lO: 301]; [Nr.l7: 247-288].
208
Darstellung der Ergebnisse
ConVerve, der The Virtual Company und der The Webworker Group zunSchst ein sog. ,,Projektbriefin^' bzw. ..Brainstorming' oder ..Kick-off-Meeting'' unter den beteiligten Kooperationspartnem. Das Ziel bestehe zunSchst einmal darin, dass die Projektpartner mit dem Kunden in direkten Kontakt treten und dieser seine Wunsche und Vorstellungen hinsichtlich der vom virtuellen Untemehmen zu erstellenden Leistung verdeutlicht. Im Rahmen dieses GesprSches kOnnen die Kooperationspartner mit dem Kunden bereits erste UmsetzungsvorschlSge erSrtem.^^^ In der darauf folgenden Projektbesprechung der Kooperationspartner bestehe eine wesentliche Aufgabe zunachst einmal darin, dass der Koordinator die Kooperationspartner auf das gemeinsame Kooperationsziel bin - die vom Kunden gewUnschte Leistung - ausrichte und die gemeinsame Projektstrategie festgelegt wird.^^^ Nachdem die Rahmenvorgaben ftir das Projekt durch den Koordinator festgelegt wurden, erfolge anschlieBend eine Aufgabenverteilung und die Erstellung eines gemeinsamen Ablaufplans, in dem der Lieferzeitpunkt der Teilleistungen und der Fertigstellungstermin der vom Kunden gewUnschten Leistung festgelegt und die Fragen der Finanzierung und Budgetierung sowie der Gewinnverteilung geklart werden.^^^ Nun kOnnte angenommen werden, dass auf traditionelle Projektbesprechungen insbesondere in virtuellen Untemehmen aufgrund der im Durchschnitt hohen Affmitat zu modemen Informations- und Kommunikationstechnologien weitgehend verzichtet werden k5nnte und stattdessen z. B. Telefonkonferenzen oder sog. „Online-Briefmgs" durchgeftihrt werden kOnnten. Dies wird jedoch von den Interviewpartnem eher skeptisch eingeschatzt. Erfolge die gemeinsame Abstimmung ausschliefilich uber modeme Medien, wurde aufgrund der eingeschrankten Informationsbandbreite der medienvermittelten Kommunikation^^^ ein wesentlich hOherer Kommunikations- und Koordinations- sowie Zeitaufwand entstehen als wahrend eines Projekttreffens, an dem alle beteiligten Partner teilnehmen.^^^ Aus diesen GrUnden sei daher eine direkte Kommunikation angemessener und wesentlich effizienter, um komplexe Fragestellungen und Probleme unter den Kooperationspartnem zu erOrtem bzw. zu I5sen. Der
^^^ Vgl. [Nr.l9: 315-326, 330-347]; [Nr.8: 52-56, 571-579, 657-658]; [Nr.l8: 125-137]. ^" Vgl. [Nr.6: 584-590]; [Nr.l7: 367-370,383-385, 387-394]; [Nr.l9: 283-314]. ^^^ Vgl. [Nr.6: 281-292, 383-391, 438-468, 491-502]; [Nr.8: 52-56, 571-579, 657-658]; [Nr.l5: 280304]; [Nr.l7: 406-416]; [Nr.l8: 125-137]. ^^^ Auf die Unterschiede zwischen einer medienvermittelten und einer direkten Kommunikation wird in Abschnitt 5.3.4 genauer eingegangen. '^^ Vgl. [Nr.6: 363-379, 585-586]; [Nr.ll: 515-534].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
209
Geschaftsfiihrer der ConVerve hat festgestellt, dass die Zusammenarbeit unter den Projektpartnem nach einem anfangs durchgefiihrten Projektbriefing bzw. einer ersten Projektbesprechung wesentlich effizienter erfolgen wurde und durch die persOnlichen Kontakte und Gesprache weniger Probleme im Laufe des Projekts auftraten.^^' Ein weiterer Vorteil bestehe darin, dass bei intemationalen Projekten mSglicherweise wahmehmbare kulturelle Unterschiede der Partner wesentlich besser berticksichtigt werden k5nnen als bei einer ausschiieBlichen Kommunikation unter Einsatz modemer Informations- und Kommunikationstechnologien. Dadurch kOnne der Gefahr des Auftretens von MissverstSndnissen unter den Projektpartnem vorgebeugt werden.^^^ Vor diesem Hintergrund vertritt auch der Interviewpartner der Virtual Company die Auffassung, dass die direkte Kommunikation unter den Kooperationspartnem im Rahmen von Projekttreffen nicht durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ersetzt, sondem lediglich erganzt werden kann.^^^ Die empirischen Befunde deuten darauf hin, dass die Selbstabstimmung im Rahmen eines Projekttreffens immer dann effizienter ist als eine Selbstabstimmung auf der Grundlage modemer Informations- und Kommunikationstechnologien, wenn ein hoher Kommunikationsbedarf besteht, d. h. komplexe Fragestellungen und Probleme erOrtert und gemeinsame Entscheidungen unter mehreren Kooperationspartnem getroffen werden mtissen. Dies ist v. a. damit zu erklSren, dass den Kooperationspartnem bei der direkten Kommunikation wesentlich mehr Kommunikationsmedien zur Verfiigung stehen, wie z. B. Sprache, Text, Bilder, und sie in der Lage sind, auch die Gestik und Mimik des Gesprachspartners im Kommunikationsprozess zu beriicksichtigen. Im Gegensatz dazu weist eine medienvermittelte Kommunikation eine geringere „mediale Reichhaltigkeit" auf. ^^^ So ist z. B. eine Telefonkonferenz auf das Kommunikationsmedium Sprache oder die Verwendung von E-Mail auf die Kommunikationsmedien Text und Bilder beschrankt.
961
Vgl.[Nr.l9: 135-139].
962
Vgl.[Nr.l9: 315-326, 330-347].
963
Vgl. [Nr.6: 503-543]. Dieser Eindruck konnte auch im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung bei einer Projektbesprechung der I23plus gewonnen werden. Siehe hierzu auch das Beobachtungsprotokoll in Anhang G, das sich im Extraband der Anlagen befindet. Vgl. Daft/Lengel (1984), Daft/Lengel (1986). Auf die unterschiedliche mediate Reichhaltigkeit von Informations- und Kommuinikationsmedien wird in Abschnitt 5.3.4 noch einmal genauer eingegangen.
210
Darstellung der Ergebnisse
Aufbauend auf den empirischen Befunden und der vorausgegangenen Argumentation kann folgende Hypothese abgeleitet werden: H4:
Je heher der Kommunikationsbedarf unter den Kooperationspartnern eines virtuellen Untemehmens ist, desto effizienter ist eine Selbstabstimmung im Rahmen einer Projektbesprechung im Vergleich zu einer Selbstabstimmung auf der Grundlage modemer Informations- und Kommunikationstechnologien.
Eine Selbstabstimmung der Kooperationspartner auf der Grundlage modemer Informations- und Kommunikationstechnologien erscheint dagegen dann effizient, wenn gemeinsame Abstimmungen zu klarungsbedurftigen Fragestellungen oder projektspezifischen Problemen notwendig sind, die nur einen geringen Komplexitatsgrad aufweisen, d. h. nur einen vergleichsweise geringen Kommunikationsbedarf hervorrufen. Daher wird folgende Hypothese aufgestellt: H5:
Je geringer der Kommunikationsbedarf unter den Kooperationspartnern eines virtuellen Untemehmens ist, desto effizienter ist eine Selbstabstimmung auf der Grundlage modemer Informations- und Kommunikationstechnologien im Vergleich zu einer Selbstabstimmung im Rahmen einer Proj ektbesprechung.
In mehreren untersuchten virtuellen Untemehmen versammeln sich die Kooperationspartner jedoch nicht nur wahrend eines Projekts, sondem auch nach dem erfolgreichen Abschluss eines Projekts. Bei der Virtual Company, der Creaprodi und der Webworker Group wird z. B. im Rahmen von Projektabschlusstreffen noch einmal retrospektiv auf die wichtigsten erfolgreich durchgefUhrten Aufgaben aber auch auf die im Projekt aufgetretenen Probleme und deren LGsungswege eingegangen.^^^ Die kritische Reflexion zu Projektabschluss biete sich v. a. dadurch an, dass die im Projekt gesammelten Erfahmngen Lemprozesse innerhalb des Netzwerks unterstUtzen, die in nachfolgenden Projekten berticksichtigt werden k5nnen.^^^ Dartiber hinaus eignen sich Projektabschlusstreffen und informelle Projektabschlussfeiem auch dazu, die Vertrauensbeziehungen unter den Kooperationspartnem zu intensivieren, auf die bei zukUnftigen Projekten aufgebaut werden kann^^^: ,,Es ist im Nachhinein ganz wichtig, dass man ein
^^^ Vgl.[Nr.5: 316-333]. '^^ Vgl. [Nr.8: 603; [Nr.l8: 190-213]. ^^^ Vgl. [Nr.5: 316-333]; [Nr.l4: 441-488]; [Nr.l6: 357-362]; [Nr.l8: 190-213].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
211
Feed-back gibt und dass sich die Partner nach Abschluss eines Projekts auch noch einmal persdnlich treffen''^^^ Hinsichtlich der Anzahl der Projektbesprechungen kOnnen tendenzielle Unterschiede bei den untersuchten Untemehmensbeispielen festgestellt werden. Wahrend in virtuellen Untemehmen des Typs I aufgrund der vertikalen Kooperationsrichtung und der meist recht genau spezifizierbaren Teilleistungen der Projektpartner nur selten, wenn Uberhaupt, Projekttreffen organisiert werden,^^^ finden Projekttreffen in virtuellen Untemehmen des Typs II, III und IV, in denen eine horizontale Kooperationsrichtung festgestellt werden kann, in regelmSfiigen AbstSnden oder je nach Bedarf statt.^^° Die hOhere Anzahl an Projektbesprechungen bei den virtuellen Untemehmen, die eine horizontale Kooperationsrichtung aufweisen, kann auf die eingangs erwahnten reziproken Leistungsbeziehungen zurUckgefUhrt werden, die h5here Anfordemngen an die Koordination stellen und gegenseitige Abstimmungen erfordem. Besonders in der Anfangsphase seien Treffen in kUrzeren Abstanden von 3 bis 4 Wochen wichtig, um das Projekt in die Realitat umzusetzen.^^' Die Anzahl der Projekttreffen richte sich dabei auch nach der GrSBe und Komplexitat des Projekts. So erfolgen z. B. bei der Virtual Company wahrend eines grGBeren, mehrjahrigen Projekts vier bis sechs Mai im Jahr Projekttreffen.^^^ Dariiber hinaus liegt die Vermutung nahe, dass die Anzahl der Projekttreffen sich nicht nur nach der Gr56e und Komplexitat des Projekts richtet, sondem dass dabei auch die geographische Distanz zwischen den Kooperationspartnern zu berucksichtigen ist. Insbesondere bei Projekten, an denen Kooperationspartner beteiligt sind, zwischen denen vergleichsweise groBe Distanzen bestehen, wUrden zahlreiche Projekttreffen betrachtliche Reisekosten vemrsachen, die die Vorteile einer arbeitsteiligen Leistungserstellung recht schnell relativieren kOnnten. Eine regionale Ausrichtung des latenten Netzwerks eines virtuellen Untemehmens scheint daher vorteilhaft.^^^ Wie in den vorausgegangenen Ausfilhmngen darauf hingewiesen wurde, kann das hier betrachtete Koordinationsinstmment der Selbstabstimmung in virtuellen Untemehmen 968 969 970 971 972 973
Vgl.[Nr. 1:385-3 86]. Vgl.[Nr.l2: 247-261, 305-306]. Vgl. [Nr.4: 144-151, 170-173]; [Nr.ll: 197-207,409]. Vgl. [Nr.lO:301]. Vgl. [Nr.6: 281-292, 383-391, 438-468,491-502]. Vgl. [Nr.6: 503-543].
212
Darstellung der Ergebnisse
effektiv und effizient eingesetzt werden und einen wesentlichen Beitrag zur Koordination leisten. Unter genauerer Betrachtung ist jedoch eine Reihe von Voraussetzungen zu erfiillen, damit eine Selbstabstimmung unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens effektiv und effizient ist. Neben der bereits oben erwahnten Festlegung von projektbezogenen Anfangs- und Rahmenbedingungen durch einen Koordinator stellt das Vertrauen unter den Kooperationspartnem eine Grundvoraussetzung dar.^^"^ Nur wenn die Partner darauf vertrauen k5nnen, dass ihre Leistungen wahrend der Kooperation nicht ausgenutzt werden, kann eine Selbstabstimmung zur Erreichung der Organisations- bzw. Projektziele beitragen. Neben dem Vertrauen wird die Motivation der Kooperationspartner als eine weitere Grundlage der Selbstabstimmung betrachtet.^^^ Die Kooperationspartner sollten engagiert und kooperationsbereit sein.^^^ Die Motivation wird idealerweise dadurch hervorgerufen, dass die Teilnahme an der Kooperation fiir jeden beteiligten Partner vorteilhafl ist und gegenseitige Vorteile entstehen. Zudem werden Entscheidungen getroffen, die den Kooperationspartnem nicht aufgezwungen, sondem die zuvor gemeinsam besprochen und verhandelt wurden.^''^ Eine weitere wesentliche Voraussetzung ist, dass die Kooperationspartner tiber ein fundiertes Fachwissen verfUgen, die Aufgaben unter den Kooperationspartnem klar verteilt sind und die (Teil-)Ziele festgelegt werden.^^^ Sind die Aufgaben und (Teil-)Ziele unklar, besteht die Gefahr, dass die Motivation der Partner aufgrund fehlender Sinnzusammenhange sinkt und ihre Teilleistungen nur sehr schwer und zeitaufwandig integriert werden kOnnen. Femer erfordere eine eigenstandige Arbeit innerhalb eines virtuellen Untemehmens ein hohes MaB an sozialen Kompetenzen wie z. B. TeamfUhigkeit, Eigeninitiative und KompromissMigkeit der Kooperationspartner^^^ sowie das VermOgen, die eigene Teilleistung im Wirkungszusammenhang mit den Teilleistungen der anderen Partner bzw. dem gesamten Projekt betrach-
Vgl. Fischer (2001), S. 185. Siehe zum Vertrauen als Koordinationsinstrument auch die Ausftihrungen in Abschnitt 5.3.1.3 der vorliegenden Arbeit. 975 976
Vgl. Wagner (1999), S. 147. Vgl. [Nr.l: 148-161,408-411]; [Nr.ll: 424-433, 553-555]; [Nr.l7: 57-62]. Vgl. Fleisch (2001), S. 77; KUhl (2002), S. 32. Vgl. Pribilla (2000), S. 5. Siehe auch [Nr.l: 148-161, 408-411]; [Nr.ll: 424-433, 553-555]; [Nr.l7: 57-62]. Vgl. Drumm (1998), S. 199.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
213
ten zu k5nnen. Erflillen die Kooperationspartner diese Voraussetzungen nicht ausreichend, erh5he sich der Abstimmungs- bzw. Koordinationsaufwand erheblich.^^^ Urn die Selbstabstimmung zu unterstutzen, ist darUber hinaus eine effiziente Kommunikation notwendig, die einen Informationsaustausch unter den Organisationseinheiten ermOglicht.^^^ Im Vordergrund steht hierbei eine unmittelbare, d. h. persOnliche, vorwiegend horizontale Kommunikation,^^^ aber auch den modemen Informationsund Kommunikationstechnologien wird hierbei ein hoher Stellenwert beigemessen.^^^ In diesem Zusammenhang scheint auch die geographische Nahe der Netzwerkpartner einen positiven Einfluss auf die Selbstabstimmung zu haben. Die geographische Nahe unterstiitzt die Herausbildung von Selbstabstimmungsprozessen dadurch, dass die Partner untereinander recht haufig in direkten Kontakt treten und dabei die Vertrauensbeziehungen erweitert werden kOnnen. So kann z. B. festgesteilt werden, dass Selbstabstimmungsprozesse in denjenigen virtuellen Untemehmen einen hohen Stellenwert haben, in denen das latente Netzwerk eher regional ausgerichtet ist.^^"* Bisher gesammelte Kooperationserfahrungen aus vorausgegangenen Geschaftsbeziehungen mit den Projektpartnem tragen dazu bei, dass einzelne, in jedem Projekt durchzufiihrende Aufgaben zunehmend zu organisationalen Routinen^^^ werden und nur auBergew5hnliche Koordinationsaufgaben fremdorganisiert werden miissen. In Abbildung 8 sind die hier bisher genannten auf die Selbstabstimmung bzw. Selbstkoordination wirkenden Einflussfaktoren und die Wirkungen des hier betrachteten Koordinationsinstruments noch einmal zusammengefasst dargestellt.
980
Vgl. [Nr.4: 354-380]. Vgl. Hoffmann (1980), S. 336. Vgl. KubicekAVelter(1985), S. 798.
983
Vgl. Wagner (1999), S. 145 und die dort angegebene Literatur. Siehe z. B. die Virtual Fab, das Softwarezentrum Bdblingen'Smdelfmgen oder die Koncraft. Organisationale Routinen kCnnen betrachtet werden als „relatively complex pattern of behavior [...] triggered by a relatively small number of initiating signals or choices and functioning as recognizable unit in a relatively automatic fashion." Vgl. Winter (1986), S. 165. Siehe weiterftihrend z. B. Pentland/Rueter (1994) und Grant (1996a), S. 115.
Darstellung der Ergebnisse
214
Abbildung 8: Einflussfaktoren auf die Selbstabstimmung bzw. Selbstkoordination in virtuellen Untemehmen (1) Festlegung von konkreten Rahmenbedingungen (Aufgabenverteilung, Regeln, Ablaufplan, Qualitdtsstandards, Zielsetzung etc.) durch einen Koordinator (2) Kontinuierlicher Informationsaustausch (vorwiegend horizontale und laterale Kommunikation)
Sclbstabstimmimg / Selbstkoordination
(3) Motivation der Projektpartner / Schaffung von Win-Win-Situationen
Effizienz und Effektivitat der Koordination (Verringerung des Koordinationsaufwandes und der Koordinationskosten, Verbesserung der Flexibilitat der Koordination)
(4) Fach- und Sozialkompetenz der Projektpartner (TeamMigkeit) (5) Vertrauensbeziehungen zwischen den Projektpartnem
Quelle: Eigene Darstellung, In Bezug auf die hier dargestellten Einflussfaktoren kann folgende Hypothese abgeleitet werden: H6:
Die Effektivitat und Effizienz einer Selbstabstimmung der Kooperationspartner in einem virtuellen Untemehmen korrelieren positiv a. mit der Festlegung von projektrelevanten Anfangs- und Rahmenbedingungen durch einen Koordinator, b. mit einem kontinuierlichen, vorwiegend horizontalen Informationsaustausch unter den Kooperationspartnem, c. mit der Motivation der Kooperationspartner, d. mit der Fach- und Sozialkompetenz der Kooperationspartner, e. und mit dem Vertrauen unter den Kooperationspartnem.
5.3.1.2 Soziale Rollen Wie in den vorausgegangenen Ausflihmngen zum Koordinationsinstrument der Selbstabstimmung dargestellt wurde, ist eine effektive und effiziente Selbstabstimmung in virtuellen Untemehmen notwendigerweise auf Tr^ger eines strategischen Managements angewiesen. Da aus konzeptioneller Sicht auf eine Institutionalisiemng
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
215
von Managementfunktionen und die Ausbildung eines organisatorischen Uberbaus weitgehend verzichtet werden soll,^^^ besteht als Alternative die Moglichkeit, dass die strategischen Management- und Koordinationsaufgaben im Rahmen von sozialen Roilen wahrgenommen werden.^^^ In der einschlSgigen Literatur werden sozialen Roilen bzw. Rollenstrukturen im Zusammenhang mit der Koordination von Organisationen allgemein und interorganisationalen Netzwerken im Speziellen groBe Aufmerksamkeit geschenkt.^^* Bevor jedoch auf die empirischen Befunde in Bezug auf dieses Koordinationsinstrument und die BeitrSge in der Literatur eingegangen wird, erscheint aufgrund der Komplexitat des soziologischen Rollenkonzepts ein knapper theoretischer Uberblick als Einstieg in die Analyse dieses Koordinationsinstruments sinnvoll. Das soziologische RoUenkonzept hat sich in der Betriebswirtschaftslehre als hilfreicher Ansatz zur Analyse der Schnittstelle zwischen Individuum und Organisation bewahrt.^^^ In Anlehnung an Dahrendorf (1965) kann unter einer sozialen Rolle ein Komplex von Verhaltenserwartungen verstanden werden, der an den Inhaber einer bestimmten Position gerichtet wird.^^° Das soziologische RoUenkonzept konzentriert sich dabei auf das Verhaltnis einer zentralen Person zu ihren Bezugsgruppen. In der Literatur lassen sich unterschiedliche InterpretationsansStze des soziologischen Rollenbegriffs unterscheiden, die jeweils unterschiedliche Perspektiven einnehmen.^^' Hierbei wird im Wesentlichen zwischen der funktionalistischen und der interaktionistischen Perspektive differenziert.^^^ Die funktionalistische Perspektive geht davon aus, dass Roilen festgelegte, vordefmierte Verhaltensschemata sind, die von den Organisationsmitgliedem nur noch ausgeUbt werden miissen. Mit dieser Perspektive wird das Individuum mit seinen pers5nlichen Eigenschaften und Motiven ausgeblendet. Im Gegensatz zu dieser reduktionistischen Sichtweise geht die interaktionistische Per-
987
Vgl. die AusfUhrungen zu den konstitutiven Merkmalen virtueller Untemehmen in Abschnitt 2.1.2. Vgl. Schuhetal.(1998),S.92.
988
Siehe z. B. Miles/Snow (1984); Snow et al. (1992); Brockhoff/Hauschildt (1993); Endruweit (2004), S. 151; KieserAValgenbach (2003), S. 135 f; Sydow (1995b), S. 164; ReiB (2000), S. 222 ff.;Reger(1997),S.60.
989
Vgl. Staehle (1999), S. 271; Kieser/Walgenbach (2003), S. 136.
990
Vgl. Dahrendorf (1965), S. 26.
991
Vgl. Fischer(1992),Sp. 2224.
992
Siehe hierzu z. B. Fischer (1992), Sp. 2224; Wiswede (2004), Sp. 1290 f
216
Darstellung der Ergebnisse
spektive davon aus, dass sich Rollen in Interaktionen herausbilden. Die Rollen werden „im Laufe ihrer Genese eingespielt, angeeignet, ausgehandelt, gestaltet und im Interaktionsprozess standig verandert."^^^ Dadurch lassen sich die Rollen untereinander haufig nur schwer abgrenzen. Die Unterscheidung zwischen der funktionalistischen und der interaktionistischen Perspektive wird in der Organisationssoziologie auch mit der Unterscheidung zwischen formalen und informalen Rollen verdeutlicht.^^"^ Formale Rollen sind klar strukturiert und werden zumeist durch Stellenbeschreibungen geprSgt.^^^ Im Gegensatz zu diesen weitgehend festgelegten Rollen werden informale Rollen gerade nicht durch offizielle Regelungen bestimmt.^^^ In der einschlagigen Literatur lassen sich mehrere Ansatze finden, in denen auf Rollen in virtuellen Untemehmen Bezug genommen wird.^^^ AuffUUig ist hierbei jedoch, dass auf der Grundlage theoretischer Uberlegungen in nahezu alien Ansatzen nur von einer zentralen Rolle in einem virtuellen Untemehmen ausgegangen wird. Dagegen bleiben mOglicherweise weitere in virtuellen Untemehmen feststellbare Rollen unberucksichtigt. So fmdet man in der Literatur zum Konzept des virtuellen Untemehmens eine Vielzahl von Bezeichnungen dieser zentralen Rolle wie z. B. „professionelle Kerne",^^^ „Integratoren",^^^ „harte Keme"^°°^ oder „Koordinatoren".^°^^ Auch die Differenziemng dieser zentralen Rolle nach unterschiedlichen Merkmalen leistet hier nur einen geringen Beitrag. In Anlehnung an Miles/Snow (1984) wird hierbei z. B. zwischen virtuellen Untemehmen unterschieden, die von einem Broker oder einem Leader koordiniert werden.'^^^ Gerpott/B5hm (2000) entwickeln sogar eine Typologie von Integratoren. In Abhangigkeit von der Kompetenzbasis von Integratoren und der von ihnen bei einer Netzwerkkonfiguration in Betracht gezogenen Kooperationspartner
Vgl. Wiswede (2004), Sp. 129L Vgl. Mayntz (1980), Sp. 2049. Vgl. Endruweit (2004), S. 153. 996
Vgl. Mayntz (1980), Sp. 2049.
^^"^ Siehe z. B. Gerpott^Ohm (2000), S. 26 ff.; Fischer (2001), S. 192 f; ReiB (2000). ^^^ Vgl. Picotetal. (2003), S. 431. ^^^ Vgl. BrOtsch/Frigo-Mosca (1996), S. 33. ^^^ Vgl. Mertens/Faisst (1995), S. 162. ^^^ Vgl. Szyperski/Klein (1993), S. 194. ^°°^ Vgl. Mertens/Faisst (1995), S. 12 ff; Fischer (2001), S. 192 f Wahrend ein Broker die Rolle eines Koordinators in horizontalen Kooperationen abemimmt und dabei umfassende Funktionen bzw. Aufgaben wahmimmt besitzt ein Leader mehr Macht und Ressourcen im Untemehmensnetzwerk, sodass die Kooperation eher hierarchischen Charakter besitzt.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
217
und Marktchancen unterscheiden sie drei Integratoren: den „Untemehmer", den „Geschaftsvermittler" und den „Opportunist".*^°^ Jedoch bleibt auch damit die Betrachtung mOglicher Rollenstrukturen auf eine zentrale Rolle begrenzt. Durch die Fokussierung auf iediglich eine zentrale Rolle innerhalb eines virtuellen Untemehmens bleibt zudem die im Konzept des virtuellen Untemehmens wesentliche Unterscheidung zwischen der Netzwerkebene und der Projektebene unbertlcksichtigt. Bei den in den weiteren Ausfiihrungen zu betrachtenden Fallbeispiele kann jedoch festgestellt werden, dass auch auf der Ebene des latenten Netzwerks Rollen bestehen, die in Verbindung mit der Koordination eines virtuellen Untemehmens stehen. Die bekannteste und derzeit auch umfangreichste Rollentypologie fiir virtuelle Unternehmen wurde von Schuh et al. vorgelegt/^^"^ Mit dieser Typologie werden sechs fest definierte Rollen unterschieden: der Netzwerkcoach, der Broker, der Auftragsmanager, der Auditor, der Leistungsmanager und die Leiter In-/Outsourcing.'^^^ Obwohl sich wie noch zu zeigen sein wird - die Rollen auf den beiden Ebenen eines virtuellen Untemehmens verorten lassen, erscheint diese Typologie als Basis fur die Analyse sozialer Rollen in virtuellen Untemehmen eher weniger geeignet. So ist z. B. nicht davon auszugehen, dass auch in virtuellen Untemehmen, die uber ein kleines latentes Netzwerk von nur wenigen Netzwerkpartnem verfiigen, sich alle sechs Rollen fmden lassen. Zudem weisen die Rollen dadurch, dass sie konzeptuell festgelegt sind, einen eher formalen Charakter auf. Dies steht jedoch tendenziell im Widerspmch zu dem im Konzept des virtuellen Untemehmens geforderten weitgehenden Institutionalisiemngsverzicht. Aufgmnd des Fehlens einer geeigneten Rollentypologie, werden hier - gem^B der in explorativen Arbeiten geforderten induktiven Vorgehensweise - zunSchst die empirischen Befunde dargestellt und die auf dieser Gmndlage identifizierten unterschiedlichen Rollen anschlieBend den Ansatzen der Netzwerkliteratur gegeniibergestellt. Bei der Betrachtung der empirischen Befunde kann zunSchst einmal festgehalten werden, dass die Mehrheit der Interviewpartner aus den untersuchten virtuellen Unternehmen der Uberzeugung ist, dass die wesentlichen Koordinationsaufgaben sowohl
^^^^ Vgl. Gerpott/BOhm (2000), S. 26 ff. ^^"^ Vgl. Schuh et al. (1997a), S. 11; Schuh et al. (1998); Schuh et al. (2000). Zu dieser Rollentypologie siehe z. B. auch Briitsch (1999), S. 86 ff. Eine genauere Betrachtung dieser Rollen erfolgt weiter unten bei der Darstellung der Fallbeispiele der Virtuellen Fabriken Nordwestschweiz-Mittelland nnd Baden-Wurttemberg.
218
Darstellung der Ergebnisse
auf der Netzwerkebene als auch der Projektebene zentral wahrgenommen werden miissen.*^^^ Wie im vorausgegangenen Abschnitt zur Selbstabstimmung bereits ausgefiihrt wurde, ist eine zentrale Koordination auf der Projektebene durch einen Kooperationspartner notwendig, urn Rahmenbedingungen fUr eine effiziente Selbstabstimmung unter den beteiligten Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens zu schaffen. Da eine Selbstabstimmung, wie in den Ausfiihrungen zum Selbstorganisationsansatz verdeutlicht wurde, jedoch nur eingeschrankt mOglich ist, bedarf es aktiver Mafinahmen, durch die ein virtuelles Untemehmen koordiniert werden kann. Nach Ansicht der Interviewpartner bietet sich auf der Projektebene die Koordination durch einen zentralen Akteur an. So weist z. B. der Interviewpartner der Koncraft darauf hin: „[...] das Ganze braucht eine Koordinationsstelle, ansonsten wurde dieser Verbund keinen Bestand haben. "'^^ Auch der Interviewpartner der Virtuellen Fabrik BadenWurttemberg verdeutlicht es mit folgender Metapher: „Ich denke, so ein virtuelles Untemehmen braucht einen Fixpunkt, um den die Satelliten kreisen. "^^^ Die Notwendigkeit einer zentralen Koordination auf der Projektebene bestehe darin, dass die wichtigsten projektrelevanten Informationen von einem Akteur tiberblickt werden miissen, der auf dieser Grundlage den Informationsaustausch unter den Projektpartnem fCrdert, gegentiber dem Kunden als fester Ansprechpartner fungiert^^^ und die gemeinsam getroffenen strategischen Projektentscheidungen umsetzen kann/°'° Auch in Bezug auf die Netzwerkebene eines virtuellen Untemehmens wird eine zentrale Steuerung postuliert. Ein virtuelles Untemehmen benotige im ubertragenen Sinne „einen Motor. [...] In einem solchen Verbund braucht man jemanden, bei dem alle Informationen zusammenfliefien und der dieses Netzwerk steuert. "'°'* Der Interviewpartner der Creaprodi ist der Auffassung: „Jedes Netzwerk lebt von einem solchen Promotor. Ohne eine zentrale Person, die alles im Blick behdlt, wurde das nicht laufen. "'^^^ Der Verzicht auf einen zentralen Akteur auf der Ebene des latenten Netz-
^^^^ Siehe z. B. [Nr.l: 222-230]; [Nr.ll: 451-471,476-477]; [Nr.l7: 245-246,294-315]. *^^ Vgl. [Nr.5: 8-9]. *^^ Vgl. [Nr.4: 332-353; 665]. Kortzfleisch/Al-Laham (1999), S. 97 sprechen hier auch von der RoUe des "knowledge brokers" bzw. Kaluza (2001), S. 17 vom „zentralen Informationsdienstleister" Vgl.Kaluza(2001),S. 17. ^^^ Vgl. [Nr.6: 63-69]; [Nr.l8: 283-289]. ^°'%gl.[Nr.l8: 276-292]. '^'Wgl. [Nr.6: 44-46]. ^^^^ Vgl. [Nr.8: 735-736].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
219
werks wUrde dazu fUhren, dass die Partner in einer Art „Empfangserwartung" verharren und lediglich darauf warten, AuftrSge aus dem Netzwerk zu erhalten.^^^^ Diese Befunde deuten darauf hin, dass in einem virtuellen Untemehmen grundlegend zwei wesentliche Roilen bestehen: der Netzwerkmanager auf der Ebene des latenten Netzwerks und der Projektmanager auf der Ebene des Projekts. Der Netzwerkmanager hat die Aufgabe, den Bestand des Untemehmensnetzwerks, d. h. in Bezug auf virtuelle Untemehmen des latenten Netzwerks, zu sichem und fLlr seine kontinuierliche Weiterentwicklung (z. B. durch die Unterstutzung von Lemprozessen innerhalb des Netzwerks) zum Zwecke der Erhaitung der WettbewerbsMigkeit zu sorgen.'^'"* Damit die Aktivitaten innerhalb des Netzwerks mOglichst reibungslos und effizient gestaltet werden kOnnen, gehSrt es zu den zentralen Aufgaben des Netzwerkmanagers, die Kooperationsbeziehungen unter den Netzwerkpartnem zu intensivieren, sodass sich unter ihnen Vertrauen aufbauen kann. Zudem hat er u. a. dafiir Sorge zu tragen, dass Dysfunktionalitaten innerhalb des Untemehmensnetzwerks, die z. B. durch nonkonformes oder opportunistisches Verhalten einzelner Netzwerkpartner hervorgemfen werden kOnnen, vermieden werden. *^'^ Die Aufgabe des Projektmanagers ist es, die KundenauftrSge abzuwickeln, indem er aus dem Untemehmensnetzwerk diejenigen Partner auswahlt und zu einem Projektnetzwerk zusammenschliefit, die Uber die zur Erstellung der gewUnschten Leistungen erforderlichen Kompetenzen verfQgen. Ihm obliegt die Koordination des arbeitsteiligen Leistungserstellungsprozesses. Projektmanager ist haufig der Netzwerkpartner, der entweder die Projektverantwortung trSgt oder der sich aufgmnd seiner ManagementfUhigkeiten besonders fiir diese Rolle eignet.'^*^ Auf der Gmndlage der bisher dargestellten empirischen Befunde kann festgehalten werden, dass eine klare Tendenz zur Zentralisiemng hinsichtlich der BewSltigung der Koordinationsaufgaben sowohl auf der Netzwerkebene als auch der Projektebene eines virtuellen Untemehmens erkennbar ist. Diese ist v. a. auf die Notwendigkeit einer zentralen Informationsverarbeitung als Grundlage einer effizienten Koordination
*^'^ Vgl. [Nr.6: 36-54]. '°^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 46. Siehe hierzu auch die Ausfuhrungen zum Koordinationsbedarf und den Koordinationsaufgaben in virtuellen Untemehmen in Abschnitt 2.2.3. '^•^Vgl. Schuhetal.(1998),S.95. *°*^ Vgl. [Nr.9: 227-241,273-274, 319-323]; [Nr.l7: 289-293, 316-330].
220
Darstellung der Ergebnisse
zuruckftihrbar. Auf der Grundlage der empirischen Befunde kann hiemach folgende Hypothese abgeleitet werden: H7:
Die wesentlichen Koordinationsaufgaben in virtuellen Untemehmen werden sowohl auf der Netzwerkebene als auch auf der Projektebene zentral durch einen Netzwerkmanager bzw. einen Projektmanager wahrgenommen.
In der Netzwerkliteratur ist die Differenzierung von Rollen auf der Netzwerk- und Projektebene nicht unOblich. Auch Snow et al. (1992) nehmen darauf Bezug und bieten eine ahnliche Rollendifferenzierung an. Die Autoren unterscheiden drei erfolgswirksame Rollen in Untemehmensnetzwerken:'^'^ den „architect" (im Weiteren als „Netzwerkarchitekt" bezeichnet), den „lead operator" (Fuhrungsoperator, im Weiteren als „Projektmanager" bezeichnet) und den „caretaker" (Verwalter, im Weiteren als „Netzwerkmanager" bezeichnet*^'^). Ubereinstimmung besteht im Hinblick auf die Netzwerkebene, auf der die Rolle des Netzwerkmanagers verortet ist. Der Unterschied besteht darin, dass die Autoren auf der Projektebene zwei Rollen spezifizieren, die des Projektmanagers und des Netzwerkarchitekten. Wahrend der Netzwerk- und der Projektmanager die oben beschriebenen Aufgaben wahmehmen, besteht nach Snow et al. (1992) die Aufgabe des Netzwerkarchitekten im Aufbau des Untemehmensnetzwerks, d. h. auf das Konzept des virtuellen Untemehmens bezogen, der Aufbau des aktivierten Netzwerks. Der Netzwerkarchitekt muss in der Lage sein, Marktchancen zu erkennen, geeignete Kooperationspartner zu fmden und ihre Kompetenzen so miteinander koppeln, dass sie effizient miteinander kooperieren k(3nnen.^°'^ In den untersuchten virtuellen Untemehmen werden jedoch haufig die Aufgaben, die Snow et al. (1992) der Rolle des Netzwerkarchitekten zuweisen, durch den Projektmanager wahrgenommen, sodass es nicht explizit zur AusprSgung der Rolle eines Netzwerkarchitekten kommt. Die grundlegende Rollendifferenzierung in Netzwerk- und Projektmanager erscheint in Bezug auf das Konzept des virtuellen Untemehmens geeignet: Einerseits ist damit eine Aufgabenverteilung sowohl auf der Netzwerkebene als auch der Projektebene mCglich. Andererseits bietet sich eine Rollendifferenziemng mit Bezug auf die beiden
'^''^ Vgl. Snow et al. (1992), S. 15 fif. *^** Windeler (2001), S. 265 spricht hier auch von dem Netzwerkkoordinator als einem strategisch platzierten Akteur. '^'^' Vgl. Snow et al. (1992), S. 15. Damit erfullt der Netzwerkarchitekt die bei Sydow (1992a), S. 308 etal.(l< dargestellte Rolle des „boundary spanners"
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
221
in virtuellen Untemehmen feststellbaren Ebenen an, da die MOglichkeit besteht, weitere Rollen in diese grundlegende Systematik einordnen zu k5nnen. Mit der Unterscheidung zwischen der Rolle des Netzwerkmanagers und des Projektmanagers ist jedoch noch keine Aussage getroffen worden, ob die beiden Rollen mOglicherweise durch einen einzelnen Akteur wahrgenommen werden oder ob zwei unterschiedliche Akteure diese Rollen wahmehmen. Dariiber hinaus ist es mCglich, dass die Rollenubemahme dauerhaft, d. h. projektiibergreifend, festgelegt ist oder die Rollen mOglicherweise von Projekt zu Projekt neu verteilt werden. Zudem k5nnen die Rollen formal festgelegt sein oder eher informalen Charakter aufweisen. Hinsichtlich dieser Merkmale lassen sich Unterschiede in den untersuchten virtuellen Untemehmen feststellen, die insgesamt zu sechs unterschiedlichen Rollenprofilen fiihren: -
[Profil 1] virtuelle Untemehmen, in denen ein Netzwerkpartner die Rolle des Netzwerkmanagers und des Projektmanagers in Personalunion wahmimmt,
-
[Profil 2] virtuelle Untemehmen, in denen die Rolle des Netzwerkmanagers auf einen Netzwerkpartner festgelegt ist und die Rolle des Projektmanagers je nach Projekt unter den Netzwerkpartnem wechselt,
-
[Profil 3] virtuelle Untemehmen, in denen die Rolle des Netzwerkmanagers und des Projektmanagers jeweils auf einen Netzwerkpartner festgelegt ist,
-
[Profil 4] virtuelle Untemehmen, bei denen die Rolle des Projektmanagers unter den Netzwerkpartnem wechselt, jedoch auf die Rolle eines Netzwerkmanagers verzichtet wird,
-
[Profil 5] virtuelle Untemehmen, bei denen eine weitere Rollendifferenziemng sowohl auf der Netzwerkebene als auch der Projektebene festgestelh werden kann, und
-
[Profil 6] virtuelle Untemehmen, bei denen die Rolle des Projektmanagers im Organisationsaufbau festgelegt ist.
222
Darstellung der Ergebnisse
Tabelle 8 gibt einen Uberblick Uber die festgestellten RoUenkonstellationen: Tabelle 8:
RoUenkonstellationen im Untersuchungssample Profil 1
Profil 2
Profil 3
ProfiU
informale Rollen
Nctzwerkebene Netzwerkmanager ist gleichzeitig der Projektmanager Projektebene
virtuelle Untcrnehmen
- Tronsoft -VFSteko - Gigaperls -VFfiir Offentlichkeitsarbeit - FunKey -TWG
festgelegter Netzwerkmanager
festgelegter Netzwerkmanager
wechselnder Projektmanager
festgelegter Projektmanager
- Creaprodi - ConVerve - Koncraft - Virtual Company -TVC - Ing.-Buro Zengerle - Virtual Fab -SBS
Profil 5
Profil 6
formale Rollen Netzwerkcoach Broker Auditor Leiter In-/ Outsourcing
wechselnder Projektmanager
- 123plus - Redesign Deutschland
Leistungsmanager Auftragsmanger
Delegierter des Verwaltungsrats
-VF Nordwest- - Virtuell schweizBau Mittelland - VF BadenWtirttemberg
Quelle: Eigene Darstellung. Bei der Betrachtung der sechs auf der Grundlage der Empirie abgeleiteten Rollenprofile lassen sich Unterschiede im Hinblick auf den Formalisierungsgrad der Rollen feststellen. Sie erlauben eine grobe Zweiteilung in RoUenprofile, die aus informalen Rollen und solche, die aus formalen Rollen bestehen. Die RoUenprofile 1 bis 4 basieren vorwiegend auf informalen Rollen, d. h. die Rollen des Netzwerkmanagers oder des Projektmanagers sind nicht offiziell vorgegeben, sondem haben sich im Laufe der Entwicklung eines virtuellen Untemehmens herausgebildet. Hierbei wird also auf die o. g. interaktionistische Perspektive des Rollenbegriffs abgestellt: Die Netzwerkpartner positionieren sich in Abhangigkeit von ihren Fachkompetenzen und ihren psycho-sozialen Fahigkeiten innerhalb des virtuellen Untemehmens und nehmen dabei Aufgaben zur Koordination und zur Bestandserhal-
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
223
tung des virtuellen Untemehmens bzw. des latenten Netzwerks wahr.'^^° Die Entwicklung informaler Rollen betont dabei das Selbstorganisationspotenzial virtueller Unternehmen und steht damit im Einklang mit dem im Konzept des virtuellen Untemehmens postulierten weitgehenden Verzicht auf die Institutionalisierung zentraler Managementfunktionen/^^' Insbesondere die virtuellen Untemehmen des Typs I („Virtueller Generaluntemehmer"), des Typs II („Virtuelles Verteilungsnetzwerk") und Typs IV („Virtuelles Vertrauensnetzwerk") weisen Rollenprofile auf, die auf informalen Rollen basieren. Die Rollenprofile 5 und 6 basieren dagegen auf formalen, durch offizielle Regelungen festgelegte Rollen, die auf eine im Vergleich zu den Ubrigen Untemehmensbeispielen starker formalisierte Organisationsstruktur hinweisen. Hierbei steht die institutionalistische Perspektive des Rollenbegriffs im Vordergrund. Formalisierte Rollen lassen sich v. a. in den virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik") feststellen. Im Folgenden werden die sechs Profile naher dargestellt. ZuProfill: Das in Tabelle 8 dargestellte Profil 1 weisen 6 der 19 untersuchten virtuellen Unternehmen auf. Hierbei Ubemimmt ein Netzwerkakteur dauerhaft die RoUe des Netzwerkmanagers und des Projektmanagers in Personalunion. Hiemnter befmden sich u. a. die virtuellen Untemehmen des Typs I („Virtueller Generaluntemehmer"): die Virtuelle Fabrik Steko und die Tronsoft, aber auch einzelne Fallbeispiele des Typs IV („Virtuelles UnterstUtzungsnetzwerk"): die Gigaperls, die Virtuelle Fabrik fur Offentlichkeitsarbeit, die FunKey und die Webworker Group}^^^ Bei den virtuellen Unternehmen des Typs I Ubemimmt der Generaluntemehmer aufgmnd der vertikalen Kooperationsrichtung beide Rollen. Dadurch, dass die Kooperationspartner lediglich Zuliefererfunktionen ubemehmen und keinen direkten Einfluss auf den Koordinationsprozess haben, kann hierbei von einer Entscheidungszentralisation gesprochen werden. Eine weitere Rollendifferenziemng scheint zudem aufgrund des eher homogenen Leistungsspektrums der Kooperationspartner und der dadurch begUnstigten Nachvollziehbarkeit des Leistungserstellungsprozesses durch den Generaluntemehmer nicht notwendig zu sein. Daher ist anzunehmen, dass in virtuellen Untemehmen, die dem Typ I zugeordnet werden kCnnen, die Rolle des Netzwerkmanagers und des
'°^%gl. Beck (1998), S. 102. '^^' Siehe hierzu auch die Ausfuhrungen in Abschnitt 2.1.2. '^^^ Vgl. z. B. [Nr.3: 415-426]; [Nr.6: 36-54]; [Nr.8: 175-185, 348-357, 515-518, 731-736].
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Darstellung der Ergebnisse
Projektmanagers in Personalunion durch den Generaluntemehmer wahrgenommen wird. Bei der Gigaperls, der Virtuellen Fabrikfur Offentlichkeitsarbeit, der FunKey und der The Webworker Group, die dem Virtuellen Untemehmen des Typs IV („Virtuelles Verteilungsnetzwerk") zugeordnet werden k5nnen, wtirde sich aufgrund der horizontalen Kooperation und des eher heterogenen Leistungsspektrums der Kooperationspartner die Aufteilung der Rolle des Netzwerkmanagers und des Projektmanagers auf zwei Akteure anbieten. Hierbei kann argumentiert werden, dass die Wahmehmung beider Rollen einen einzelnen Netzwerkpartner zeitlich und auch inhaltlich Uberfordem kOnnte, da die Koordination eines Leistungserstellungsprozesses, an dem sich mehrere Kooperationspartner mit unterschiedlichen Leistungsspektren beteiligen, anspruchsvoller ist ais z. B. die in virtuellen Untemehmen des Typs \}^^^ Dennoch erfolgt bei den 0. g. virtuellen Untemehmen des Typs IV keine Rollenaufteilung, Der wesentliche Gmnd hierfiir scheint in der vergleichsweise geringen Anzahl von Partnem im latenten Netzwerk zu liegen*^^"*, sodass die Wahmehmung der Rolle des Netzwerkmanagers durch einen einzelnen Netzwerkpartner nicht notwendig erscheint. Werden zudem nur kleinere Projekte im Rahmen eines virtuellen Untemehmens durchgefiihrt, an denen nur wenige Kooperationspartner beteiligt sind, bleibt der Koordinationsaufwand vergleichsweise uberschaubar. Hiemach iSsst sich folgende Hypothese ableiten: Hg:
Je geringer die Anzahl der Partner im latenten Netzwerk eines virtuellen Untemehmens mit horizontaler Kooperationsrichtung, desto eher werden die Rollen des Netzwerkmanagers und des Projektmanagers durch einen einzelnen Akteur in Personalunion (ibemommen.
Zu Profil 2: Im Untersuchungssample befmden sich vergleichsweise viele virtuelle Untemehmen, in denen ein fester Netzwerkmanager und ein je nach Projekt wechselnder Projektmanager existieren.*^^^ Zu diesen Beispielen gehSren v. a. die virtuellen Untemehmen, die dem Typ II („Virtuelles Verteilungsnetzwerk") und dem Typ IV („Virtuelles Unter-
•°^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 19. ^^^^ Bei der Virtuellen Fabrikfur Offentlichkeitsarbeit waren es 4, bei der FunKey und der Webworker Group sind es 5, lediglich bei der Gigaperls sind es 15, jedoch befinden sich unter ihnen einzelne Partner, die recht hSufig miteinander kooperieren. Siehe hierzu auch die dazugehOrige Fallstudie im Anhang. '^^^ Zu ihnen gehdren die Koncrqft, das Ingenieurbiiro Zengerle & Partner, die Creaprodi, die Virtual Company, die TVC, die Virtual Fab und das Softwarezentrum Bdblingen-Sindelfmgen.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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stUtzungsnetzwerk") zugeordnet werden kSnnen. Die RoUe des Netzwerkmanagers Obemimmt dabei hSufig der Partner, der Initiator des Untemehmensnetzwerks ist, d. h. die Idee einer Kooperation nach dem Konzept des virtuellen Untemehmens hatte.^^^^ Insbesondere bei virtuellen Untemehmen mit einem gr5Beren latenten Netzwerk^^^^ scheint die Rolle eines Netzwerkmanagers unentbehrlich fiir dessen Erhaltung und Weiterentwicklung zu sein.^^^^ Sehr ahnliche Auffassungen werden hierzu von den beiden Interviewpartnem des Softwarezentrums Boblingen-Sindelfingen und der Virtual Fab vertreten. Beide Fallbeispiele weisen mit 65 bzw. 60 Netzwerkpartnem ein sehr groBes latentes Netzwerk auf. Der interviewte Netzwerkmanager des Softwarezentrums BoblingenSmdelfingen vergleicht seine Rolle mit einer ,,Klammer, die alles zusammenhdlt',^^^^ Eine Hauptaufgabe bestehe u. a. darin, den Netzwerkpartnem bei auftretenden Problemen als unabhangiger Ansprechpartner zur Seite zu stehen.'^^^ Auf die Untersttitzung eines Projekts durch den Netzwerkmanager macht auch der Interviewpartner der Virtual Fab aufmerksam. Fiir einen reibungslosen Ablauf sei es notwendig, dass ein Netzwerkmanager als UnabhSngiger die Prozesse im Rahmen eines Projekts begleitet und die Kooperationspartner bei auftretenden fachlichen Problemen beratend zu Seite steht:'^^' ,,Diese Funktionen mussen in einem solchen System vorhanden sein. Netzwerkmanager braucht man aufjeden Fall!''^^^^ Plausibel erscheint, dass mit zunehmender Anzahl von Netzwerkpartnem sich die Gefahr erh5ht, dass Konflikte entstehen, die den Bestand des latenten Netzwerks gefUhrden k5nnen. Die Rolle eines Netzwerkmanagers sei unverzichtbar, um ein effizientes Konfliktmanagement gewahrleisten zu kOnnen. Treten Konflikte unter den Netzwerkpartnem auf, sei es die Aufgabe des Netzwerkmanagers, zwischen den Konfliktparteien zu moderieren und eine gemeinsame KonfliktlOsung herbeizufilh-
^^^^ Siehe z. B. [Nr.5: 1-11, 283-287]. ^^^^ Als „groB" kOnnen solche latenten Netzwerke bezeichnet werden, die mehr als 10 Partner aufweisen. Zu den Fallbeispielen, die ein grCBeres latentes Netzwerk haben und einen festgelegten Netzwerkmanager und einen je nach Projekt wechselnden Projektmanager aufweisen gehdren z. B. die Virtual Company, die The Virtual Company, die Virtual Fab und das Softwarezentrum Boblingen-Sindelfingen. ^^^^ Siehe z. B. [Nr.l: 225-226, 400-403]. '^^^ Vgl. [Nr.7: 492]. *°^%gl.[Nr.7: 492, 601-617]. *^^Wgl. [Nr.l: 400-403]. '^^^ Vgl. [Nr.l: 225-226].
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Darstellung der Ergebnisse
ren.'°^^ Hierbei sei es wichtig, dass der Netzwerkmanager uber soziale Kompetenzen wie diplomatisches Geschick, Team- und KommunikationsMigkeit sowie Uber KonfliktlSsungsstrategien verfiigt-^^^"* Die GrOBe des latenten Netzwerks eines virtuellen Untemehmens hat anscheinend einen groBen Einfluss auf die AusprSgung der Rolle eines Netzwerkmanagers, die durch einen Netzwerkakteur dauerhaft wahrgenommen wird. Daher wird folgende Hypothese abgeleitet: H9:
Je grOBer das latente Netzwerk eines virtuellen Untemehmens, desto wichtiger ist die dauerhafte Ubemahme der Rolle eines Netzwerkmanagers durch einen Netzwerkpartner fur die Regelung von Konflikten und die Erhaltung des virtuellen Untemehmens.
Wie in den Ausftihrungen zur Selbstabstimmung in Abschnitt 5.3.1.1 bereits hingewiesen wurde, weisen die Netzwerkmanager des Softwarezentrums BoblingenSindelfingen und der Virtual Fab die Besonderheit auf, dass sie nicht nur Funktionen auf der Ebene des latenten Netzwerks haben, sondem auch bei Projektbeginn den Kooperationspartnem mit fachkundigem Rat zur Seite stehen. Sie untersttitzen die Kooperationspartner soweit, bis das Projekt erfolgreich angelaufen ist und Ziehen sich dann nach und nach aus dem Projekt heraus, um Selbstabstimmungsprozesse unter den Projektpartnem zu ermOglichen.^^^^ Mit dieser Funktion nehmen die Netzwerkmanager gleichzeitig quasi die Rolle eines Beziehungspromotors^^^^ ein, dessen wesentlicher Beitrag in der Uberwindung von Barrieren bzw. der Optimiemng von Schnittstellen bei zwischenbetrieblichen Geschaftsbeziehungen besteht.*°^^ Die dem Profil 2 zugeordneten Fallbeispiele weisen neben einem festgelegten Netzwerkmanager einen je nach Projekt wechselnden Projektmanager auf. Projektmanager ist hSufig der Netzwerkpartner, der das Projekt akquiriert hat. Akquiriert ein Netzwerkpartner jedoch einen Auftrag, der nur zu einem geringen Teil in seinen Kompetenzbereich fUllt, werde die Rolle des Projektmanagers z. B. bei der The Virtual Com-
•^" Siehe z. B. [Nr.l: 393-428]; [Nr.7: 492,601-617]; [Nr.l8: 242-275]. '^^'^Vgl. [Nr.l: 393-428]; [Nr.7: 601-617]; [Nr.ll: 275-304, 535-550, 554-556, 569-570]; [Nr.l7: 330-349]; [Nr.l8: 242-275]; [Nr.l9: 217-237]. ^°^^ Vgl. [Nr.7: 116-121, 135-149, 171-176, 362-410, 515-519]. Siehe hierzu auch [Nr.5: 1-11, 283287,299-306] und Mertens/Faisst (1997), S. 105. '^^^ Siehe hierzu GemUndenAValter (1995); GemUndenAValter (1999). '^^^ Vgl. GemandenAValter (1995), S. 974.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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party an den Partner tibertragen, der in Bezug auf das anstehende Projekt die gr56te Fachkompetenz aufweist oder der diesbeztiglich bisher die meisten Erfahrungen gesammelt hat.*°^^ Durch die kompetenzbezogene Ubemahme der Rolle des Projektmanagers und damit der Projektverantwortung wird einerseits gewShrleistet, dass die Projektkoordination durch den geeignetsten Kooperationspartner erfoigt.*^^^ Andererseits wird damit die Schnittstelle zum Kunden definiert und die Haftungsfrage im Rahmen der Kooperation gekiart.'^"*^ Dies sind nach Ansicht des interviewten Netzwerkmanagers des Softwarezentrum Boblingeri'Sindelflngen die wesentlichen GrUnde dafUr, dass die Projektkoordination zentral erfolgen sollte und ein Partner die Projektfiihrung Ubemehmen mlisse/^"** Dadurch, dass der Projektmanager je nach Projekt wechselt, werden der dynamische Charakter und die hohe AnpassungsfUhigkeit eines virtueilen Untemehmens auch in Bezug auf das Projektmanagement verdeutlicht. Es ist anzunehmen, dass das hier betrachtete Rollenprofil sich v. a. in einem virtueilen Untemehmen anbietet, das durch die unterschiedlichen Kemkompetenzen der Kooperationspartner ein eher heterogenes Leistungsspektrum aufweist. Eine effektive und effiziente Koordination setzt dabei das Kemkompetenzwissen desjenigen Partners voraus, dessen Kemkompetenz den gr5Bten Beitrag im Hinblick auf die Leistungserstellung leistet. Daher kann folgende Hypothese abgeleitet werden: Hio:
Wenn sich an einem virtueilen Untemehmen mehrere Kooperationspartner mit unterschiedlichen Kemkompetenzen beteiligen, dann tibemimmt i. d. R. derjenige die Rolle des Projektmanagers, dessen Kemkompetenz den grOBten Beitrag im Hinblick auf die Leistungserstellung hat.
ZuProfil3: Neben dem hier dargestellten Profil 2 k5nnen im Untersuchungssample weitere, jedoch recht ahnliche Rollenprofile festgestellt werden. So weist z. B. die ConVerve ebenfalls die Rollen des Netzwerkmanagers und des Projektmanagers auf, die jeweils durch einen Netzwerkpartner wahrgenommen werden. Der Unterschied des Profils 3 im Vergleich zu Profil 2 besteht jedoch darin, dass nicht nur die Rolle des Netzwerkmanagers dauerhaft durch einen Netzwerkpartner wahrgenommen wird, sondem auch '^^^ Vgl. [Nr.6: 264-273]. ^°^^ Vgl. [Nr.lO: 7-18]. Ahnlich auch [Nr.l6: 305-336]. ^^^ Vgl. [Nr.7: 306-309]. ^^^ Vgl. [Nr.7: 484-489, 515-537, 585-588].
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Darstellung der Ergebnisse
die Rolle des Projektmanagers nachhaltig festgelegt ist. Dariiber hinaus ist der Projektmanager, entgegen den bisherigen Befunden, nicht direkt an der Leistungserstellung der von ihm koordinierten Projekte beteiligt/^"*^ Die Projektkoordination durch einen fiir alle Projekte festgelegten und an der Leistungserstellung unbeteiligten Projektmanager hat den Vorteil, dass dieser seine ganze Aufmerksamkeit auf die Steuerung des jeweiligen Projekts richten kann und durch keine eigenen Projekte oder Beteiligungen an Projekten zeitlichen EinschrSnkungen unteriiegt. Dariiber hinaus sammelt der Projektmanager in den sich wiederholenden Koordinationsablaufen im Laufe mehrerer Projekte fundierte Erfahrungen, sodass dadurch die Effektivitat und die Effizienz der Koordination gesteigert werden kOnnen. Diesen Vorteilen steht jedoch der wesentliche Nachteil gegenUber, dass ein Ausfall des Projektmanagers das laufende Projekt emsthaft gefUhrden wUrde, da diese Rolle aufgrund fehlender Erfahrungen bei der Koordination eines virtuellen Untemehmens nicht friktionslos von einem anderen Netzwerkpartner iibemommen werden k5nnte. Abgesehen von dieser potenziellen Gefahr, scheint ein solches Rollenprofil eher bei der Durchfiihrung recht ahnlicher Projekte sinnvoll, in denen gewisse Koordinationsprozesse standardisierbar sind. Auf der Grundlage eines einzelnen Fallbeispiels soil hier jedoch auf die Ableitung einer Hypothese verzichtet werden. Zu Profil 4: Die Untemehmensbeispiele 123plus und Redesign Deutschland weisen dahingehend Ahnlichkeiten auf, dass sie einen je nach Projekt wechselnden Projektmanager haben, auf einen Netzwerkmanager jedoch anscheinend verzichten.^^"*^ Dies k5nnte z. B. bei der I23plus auf die vergleichsweise geringe Anzahl von Netzwerkpartnem im latenten Netzwerk zurtickfiihrbar sein. Hierbei darf jedoch nicht Ubersehen werden, dass die beiden hier betrachteten Untemehmensbeispiele zum Zeitpunkt der Datenerhebung erst seit wenigen Monaten existierten. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass die Rolle des Netzwerkmanagers erst nach einer Konsolidierungsphase, in der die ersten gemeinsamen Projekte erfolgreich abgewickelt werden konnten, durch einen Netzwerkpartner wahrgenommen wird. Bei einem langerfristigen Verzicht auf einen Netzwerkmanager konnen mehrere Gefahren entstehen. So ist z. B. anzunehmen, dass wichtige Entscheidungen beztiglich ^^^^Vgl. [Nr.l9: 166-179]. '^^^ Siehe hierzu auch [Nr.9: 227-241,273-274,319-323]; [Nr.l7: 289-293,316-330].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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der Entwicklung des latenten Netzwerks (z. B. die strategische Ausrichtung des Netzwerks) zu spat getroffen werden oder mOglicherweise auftretende Konflikte unter den Netzwerkpartnem aufgrund des Fehlens eines moderierenden Partners nur eingeschrankt geregelt werden kOnnen. Zudem ist zu befiirchten, dass durch das Fehlen eines Netzwerkmanagers die Regelung grundlegender projektbezogener Aufgaben vemachiassigt wird.*^"^ Dies hatte die Konsequenz, dass bei der Bildung eines virtuellen Untemehmens wertvolle Zeit zunachst fiir die Abstimmung dieser Aufgaben verloren ginge und damit Effizienzvorteiie ungenutzt blieben. Vor diesem Hintergrund erscheint die Rolie des Netzwerkmanagers in einem virtuellen Untemehmen filr dessen langerfristigen Bestand unverzichtbar. ZuProfil5: Die mit Abstand grOBte Rollendifferenzierung weisen im Untersuchungssample die Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland und die Virtuelle Fabrik BadenWurttemberg auf, die auf dem Konzept von Schuh et al. (1998) basieren. Im Gegensatz zu den bisher dargestellten Rollenprofilen sind die sechs Rollen jedoch keine informalen, sondem - wie bereits oben ausgefiihrt - eher formaie Rollen. Diese lassen sich wie in Tabelle 8 in Bezug auf das Profil 5 dargestellt, sowohl auf der Netzwerkebene als auch auf der Projektebene verorten. Auf der Netzwerkebene bestehen die Rollen des Netzwerkcoachs, des Brokers, der Leiter In-/Outsourcing und des Auditors: Der Netzwerkcoach ist fiir die Strukturprozesse Aufbau, Pflege und Weiterentwicklung des stabilen bzw. latenten Netzwerks sowie dessen Infrastruktur zustandig. Hierzu gehSren u. a. die Vorbereitung und Begleitung von Entscheidungen und Umsetzungsprozessen sowie der Aufbau von Vertrauen innerhalb des Netzwerks. ^^"^^ Der Broker ist fUr die Akquisition der Auftrage zustandig und stellt die Schnittstelle zwischen Netz und Kunden beim ersten Kontakt dar. Seine Aufgabe ist es, die Kundenanfragen auf der intemetbasierten Kooperationsplattform zu platzieren, auf die alle Netzwerkteilnehmer zugreifen k5nnen. Haben sich zur Ausfuhrung des Auftrags die notwendigen Netzwerkpartner Uber die intemetbasierte Kooperationsplattform fiir das Projekt gefunden bzw. wurden geeignete Partner vom Broker auf das anstehende
^^^ Zu den Aufgaben auf der Ebene des latenten Netzwerks siehe die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.2.3. 1045
Vgl. [Nr.l6: 1-14,105-107]; Schuh et al. (1998), S. 95 ff
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Darstellung der Ergebnisse
Prqjekt aufmerksam gemacht, bildet sich meist sehr schnell das eigentliche virtuelle Untemehmen heraus.*^"^^ Jedes beteiligte Netzwerkuntemehmen stellt einen Letter Iri'/Outsourcing. Er ist der zustandige Ansprechpartner ftir die Kooperation im Netzwerk und ist fiir die Koordination, Kommunikation, Planung und Leistungserbringung seines Untemehmens im Netzwerk verantwortlich und vertritt die Interessen seines Untemehmens gegenUber den anderen Partnem. Durch die jeweiligen Leiter In-/Outsourcing werden kurze Reaktionszeiten im Netzwerk ermOglicht und damit die Flexibilitat erhCht. Die Leiter In-/Outsourcing stehen in direkter Kommunikation mit den Brokem bzw. dem Leistungsmanager. Dabei werden Fragen der Vermarktung, des Anbietens und Nachfragens von Kompetenzen, der LeistungserkiSrung und Verhandlung von Zielterminen und -preisen behandelt. Direkte Kontakte zum Auftragsmanager ermOglichen das Management der intemen Auftragsabwicklung sowie die Kommunikation uber den Stand des Auftrags.^^^'' Der Auditor ist der Justiziar, Controller und WirtschaftsprUfer des Netzwerks. Er hat dafUr Sorge zu tragen, dass die jeweiligen AuftrSge gemafi der Vertragsvereinbarungen ablaufen. Dartlber hinaus obliegt ihm die Aufsicht Uber die Einhaltung der Zahlungsfristen sowie der Qualitatssicherung innerhalb des Netzwerks. Auf der Projektebene kSnnen zwei Rollen identifiziert werden, die Rolle des Auftragsmanagers und des Leistungsmanagers: Der Auftragsmanager ist innerhalb des virtuellen Untemehmens fiir das (iberbetriebliche Projektmanagement, die Auftragsabwicklung und das Risikomanagement zust^ndig und haftet fiir die Leistungserstellung gegenUber dem Kunden. Die Rolle des Auftragsmanagers entspricht damit im Wesentlichen der bisher bezeichneten Rolle des Projektmanagers. Dartlber hinaus ist der Auftragsmanager sowohl in zeitlicher als auch in qualitativer Hinsicht dafiir verantwortlich, dass der Auftrag korrekt ausgefiihrt wird. Hat der Kunde AndemngswUnsche oder Fragen zum Projektablauf, kann er sich an den Auftragsmanager richten, der sein direkter Ansprechpartner fiir das Projekt ist. ^^^ Der Leistungsmanager stellt die Auftragskonfiguration, die Stmktur und den Zeitplan des temporSren Netzwerks zusammen. Er defmiert das fiir den Auftrag notwendige
^^^ Vgl. [Nr.l3: 457-472]; [Nr.l6: 224-257]; Schuh et al. (1998), S. 97 ff. ^^'^ Vgl. Schuh et al. (1998), S. 109 f. ^^* Vgl. Schuh et al. (1998), S. 104 ff.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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Leistungssystem (Bauteile und Baugruppen, Dienstleistungen, Auftragsmanagement, Vertragsgestaltung, Engineering, Inbetriebnahme, etc.) und bringt die Projektpartner sowie den Auftragsmanager zusammen. Sein besonderes organisatorisches bzw. soziales Know-how liegt darin, dass er alle Netzwerkpartner gut kennt und dadurch abschatzen kann, weiche Untemehmen zusammen welche Leistungen erbringen kOnnen.'^' Auch wenn im Konzept der Virtuellen Fabrik sowohl auf der Netzwerk- als auch auf der Projektebene mehrere Rollen festgestellt werden kOnnen, steht dies nicht im Widerspruch zu der oben aufgestellten Hypothese 7, dass die wesentlichen Koordinationsaufgaben auf beiden Ebenen zentral wahrgenommen werden. Bei der Betrachtung der Aufgaben, die mit der Rolle des Netzwerkcoachs und der Rolle des Auftragsmanagers verbunden sind, kann eine weitgehende Ubereinstimmung festgestellt werden. Zudem wird die Rolle des Netzwerkcoachs ebenso wie die des Netzwerkmanagers in den bisher betrachteten virtuellen Untemehmen dauerhaft durch einen Netzwerkpartner tibemommen. Mit den Rollen des Brokers, des Auditors und der Leiter In/Outsourcing sowie des Leistungsmanagers werden die Rollen des Netzwerkcoachs (i. w. S. des Netzwerkmanagers) und des Auftragsmanagers (i. w. S. des Projektmanagers) im Hinblick auf die zu erflillenden Aufgaben entlastet. In diesem Zusammenhang kann in Anlehnung an Endruweit (2004) von einer funktionalen Rollendifferenzierung gesprochen werden, die im Zusammenhang mit einer qualitativen Reihung unterschiedlicher, sich ergSnzender Rollen steht.'°^° Dabei steigt der Grad der Rollendifferenzierung, der als rollentheoretisches Aquivalent zur Arbeitsteilung betrachtet werden kann, mit der Zahl der unterschiedlichen Aufgaben und Handlungen innerhalb einer Organisation.'°^^ Das grOBere RoUenspektrum virtueller Fabriken im Vergleich zu den zuvor beschriebenen Untemehmensbeispielen ist im Wesentlichen auf die Gr5Be des latenten Netzwerks zuriickzufUhren, das aus deutlich mehr als 20 Netzwerkpartnem besteht. Jedoch fiihrt die zunehmende Anzahl an Netzwerkpartnem nicht zwangslSufig zu einer weiteren Ausdifferenzierung sozialer Rollen auf der Netzwerk- und der Projektebene. Dies kann z. B. anhand der Fallbeispiele der Virtual Fab oder des Softwarezentrums BoblingenSindelfingen gezeigt werden, die 60 bzw. 65 Netzwerkpartner im latenten ^^^ Vgl. Schuh et al. (1998), S. 101 ff ^^^° Vgl. Endruweit (2004), S. 153 f '^^' Vgl. Wiswede (2004), Sp. 1292.
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Darstellung der Ergebnisse
Netzwerk aufweisen. In diesen Unternehmensbeispielen haben sich trotz der Gr(3l3e des latenten Netzwerks neben den Rollen des Netzwerk- und des Projektmanagers keine weiteren Rollen zur BewSltigung von Koordinationsaufgaben entwickelt. Vielmehr verfolgen die untersuchten virtuellen Untemehmen unterschiedliche Strategien zur Bewaitigung des Koordinationsaufwandes. Wahrend z. B. bei der Virtual Fab und des Softwarezentrums die Effizienz der Koordination eher durch Selbstorganisationsprozesse erreicht werden soil und auf eine starker strukturierte Aufbauorganisation v. a. aus Flexibilitatsgrtinden verzichtet wird, wird bei den hier betrachteten virtuellen Fabriken die Strategie verfolgt, durch eine starker strukturierte Aufbauorganisation und ein Spektrum vordefmierter Rollen eine gewisse Gleichfbrmigkeit der netzwerk- und projektintemen Abiaufe zu gewShrleisten. Die formalen Rollen tragen dazu bei, den Aufbau und die Planung eines aktivierten Netzwerks, d. h. der virtuellen Fabrik, zu erleichtem und auch zu beschleunigen, da auf bereits vordefinierte Rollen zurUckgegriffen werden kann. Durch die situative und aufgabenspezifische Obemahme der einzelnen Rollen ist die Grundlage fiir eine effektive Projektkoordination gegeben, da die wesentlichen Zustandigkeiten der Projektpartner einer virtuellen Fabrik geklSrt sind. Damit sind die Projektpartner in der Lage, sich umgehend auf die Erstellung ihrer Teilleistung zu konzentrieren. Der gleiche Organisationsaufbau der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland und Baden-Wurttemberg, der darauf zurUckzufiihren ist, dass sie nach dem Prinzip eines Franchise-Systems aufgebaut sind, bietet zudem den Vorteil einer netzwerktibergreifenden Kooperation. Da dieselben Rollen in beiden Untemehmen existieren, sei es z. B. ohne grOBeren Aufwand mOglich, eine virtuelle Fabrik aus einzelnen Netzwerkpartnem beider latenten Netzwerke zu bilden/^^^ Reifi (2000) weist jedoch darauf hin, dass die Verwendung formaler Rollen zur Koordination des Leistungserstellungsprozesses tendenziell zentralistisch-stemf5rmige Strukturen impliziert und die Kooperationsform dadurch eine „fremdorganisatorischbUrokratische Einf^bung", einen „Netzwerk-Overhead", erhalt.^^" Damit entfemen sich die hier betrachteten virtuellen Fabriken vom Idealbild eines virtuellen Untemehmens. Sie zeigen aber gleichzeitig auf, wie unterschiedlich das Konzept des virtuellen Untemehmens realisiert werden kann.
'°^^ Vgl. [Nr.l3: 45-100, 236-243]. '^" Vgl. ReiB (2000), S. 225.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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Profil 6: Bei der VirtuellBau handelt es sich ebenfalls urn ein virtuelles Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik"). Ahnlichkeiten im Vergleich zu den Virtuellen Fabriken Nordwestschweiz-Mittelland und Baden-WOrttemberg bestehen im Hinblick auf die horizontale Kooperationsrichtung, das eher heterogene Leistungsspektrum der Kooperationspartner und in der vergleichsweise groBen Anzahl an Netzwerkpartnem im latenten Netzwerk. Wie die Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland und die Virtuelle Fabrik Baden-Wurttemberg ist auch die VirtuellBau als Franchise-Netzwerk aufgebaut. So existieren mehrere regionaie Netzwerke, die die gleiche Struktur aufweisen. Dadurch ist es der VirtuellBau ebenfalls mQglich, Kooperationspartner aus mehreren regionalen Netzwerken zu einem Projekt zusammenzuschlieBen. Anders als bei den beiden Virtuellen Fabriken wird bei der VirtuellBau auf eine vergleichsweise aufwandige Rollendifferenzierung jedoch verzichtet. Das latente Netzwerk wird nicht durch einen Netzwerkmanager, sondem durch ein Gremium, den Verwaltungsrat, koordiniert. Auf der Projektebene tibemimmt der sog. „Delegierte des Verwaltungsrats" die Koordinationsaufgaben und nimmt damit die Rolle des Projektmanagers ein. Er (iberblickt die einzelnen Prozesse bei der Leistungserstellung und steuert die Zusammenarbeit der LeistungstrSger. Da die Rolle des „Delegierten des Verwaltungsrats*' fest in die Organisationsstruktur der VirtuellBau integriert ist und die mit dieser Rolle verbundenen Aufgaben deflniert sind, stellt sie eine formale Rolle dar. Der Interviewpartner, der die Rolle des „Delegierten des Verwaltungsrats" wahrnimmt, ist davon uberzeugt, dass jede Organisation einer Fuhrung bedarf.*^^'^ Die Notwendigkeit einer zentralen Koordinationseinheit sei v. a. auf die terminliche Auslastung der Kooperationspartner zuriickzufUhren. Da sie als rechtlich selbstandige Untemehmen neben den Gemeinschaftsprojekten im Rahmen virtueller Untemehmen auch eigene AuftrSge abzuwickeln hatten, bliebe ihnen kaum die Zeit, die in virtuellen Untemehmen entstehenden Koordinationsaufgaben angemessen wahrzunehmen. Daher sei die Rolle des „Delegierten des Verwaltungsrats" fur eine erfolgreiche Projektabwicklung im Rahmen eines virtuellen Untemehmens unverzichtbar.*^^^ Der Vergleich der Fallbeispiele der VirtuellBau mit der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland und der Virtuellen Fabrik Baden-Wurttemberg zeigt, dass trotz
'°^^Vgl.[Nr. 14: 283-284]. *^^^Vgl.[Nr.l4: 281-300].
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Darstellung der Ergebnisse
ahnlicher Organisationsstrukturen und ahnlicher Kontextfaktoren unterschiedliche Rollenprofile bestehen. Dies scheint v. a. auf strategische Entscheidungen zuruckflQhrbar zu sein, sodass hier, auch in Anbetracht der wenigen Failbeispiele, von einer Hypothesenableitung abgesehen wird. Wahrend bei der VirtuellBau ahnlich wie bei Profil 1 eine Entscheidungszentralisierung festgestellt werden kann, wird durch die funktionale Rollendifferenzierung
bei der Virtuellen Fabrik
Nordwestschweiz-
Mittelland und der Virtuellen Fabrik Baden-Wurttemberg eine deutlichere Dezentralisierung in Bezug auf die Entscheidungsfindung hervorgerufen. Der wesentliche Unterschied der beiden letzten hier dargestellten Profile im Vergleich zu den tlbrigen besteht in der Standardisierung bzw. Formalisierung der Rollen. Kieser/Walgenbach (2003) sind der Ansicht, dass durch die Zunahme standardisierter und institutionalisierter Roilen in Organisationen die Anzahl der verwendeten Koordinationsinstrumente abnimmt.^^^^ Die entsprechenden drei Fallstudien unterstutzen jedoch die Auffassung der beiden Autoren nicht. Inwieweit diese Auffassung in Bezug auf virtueile Untemehmen generell zu verwerfen ist, lasst sich hier nicht abschlieBend beurteilen. Sie impliziert jedoch die Annahme, dass soziale Rollen in einem substitutiven Verhaltnis zu anderen Koordinationsinstrumenten stehen. Aufgrund der Komplexitat von Koordinationsprozessen, insbesondere in horizontalen Kooperationen mit reziproken Interdependenzen, ist jedoch eher anzunehmen, dass die einzelnen Koordinationsinstrumente i. d. R. in einem additiven Verhaitnis zueinander stehen. In weiterfiihrenden Untersuchungen ware es vielmehr interessant, die Verwendung formaler und informaler Rollen in virtuellen Untemehmen hinsichtlich ihrer Effektivitat und Effizienz in Bezug auf die Koordination zu untersuchen. Hierbei liegt die Annahme nahe, dass formale Rollen v. a. in virtuellen Untemehmen effektiv und effizient sind, die Uber ein groBes latentes Netzwerk von mehr als 20 Netzwerkpartnem verfUgen und die Projekte eine vergleichsweise hohe Gleichartigkeit hinsichtlich des Projektablaufs aufweisen. Je ahnlicher die Aufgaben und Prozesse in den jeweiligen Projekten sind, desto eher ist zu erwarten, dass formale oder standardisierte Rollen effektiver und effizienter als informale Rollen sind. Da mit den jeweiligen Rollen wie bei den Virtuellen Fabriken Nordwestschweiz-Mittelland und Baden-Wurttemberg ein spezifisches Aufgabenspektmm verbunden ist, sind mit der Rollenubemahme bereits die wesentlichen Aufgaben verteilt und die Zustandigkeiten geklart. Die formalen Rollen verleihen dem virtuellen Untemehmen eine gewisse Struktur und beschleuni-
'^^^ Vgl. Kieser/Walgenbach (2003), S. 136.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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gen die Anbahnungs- und Vereinbarungsphase.'^^^ Daher soil hier folgende Hypothese abgeleltet werden: Hu:
Wenn ein virtuelles Untemehmen Uber ein latentes Netzwerk von mehr als 20 Netzwerkpartnem verfiigt und die Projekte eine vergleichsweise hohe Gleichartigkeit hinsichtlich des Projektablaufs aufweisen, dann sind formale Rollen zur Untersttitzung der Koordination effektiver und effizienter als informale Rollen.
Demgegenilber ist anzunehmen, dass in virtuellen Untemehmen, deren latente Netzwerke vergleichsweise nur wenige Netzwerkpartner aufweisen und bei denen sich die Aufgaben und Prozesse in den Projekten im Vergleich deutlich voneinander unterscheiden, informale Rollen effektiver und effizienter sind. Dies ist damit zu begrUnden, dass mit informalen Rollen flexibler auf die unterschiedlichen Aufgaben und Prozesse eingegangen werden kann. Hiemach lasst sich folgende Hypothese ableiten: H12:
Wenn ein virtuelles Untemehmen uber ein latentes Netzwerk von deutlich weniger als 20 Netzwerkpartnem verfugt und die Projekte nur geringe Ahnlichkeiten hinsichtlich des Projektablaufs aufweisen, dann sind informale Rollen zur Untersttitzung der Koordination effektiver und effizienter als formale Rollen.
Neben den Rollen, die im direkten Zusammenhang mit der Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung in einem virtuellen Untemehmen stehen, haben sich in einzelnen Untemehmensbeispielen weitere informelle Rollen herausgebildet, die im Zusammenhang mit der Verwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien stehen. Bei den Virtuellen Fabriken Nordwestschweiz-Mittelland und Baden-WUrttemberg werden z. B. sehr umfangreiche intemetbasierte Kooperationsplattformen verwendet, die zur Untersttitzung der Projektanbahnung und -abwicklung speziell entwickelt wurden.*^^^ Die Aufgabe der Pflege, d. h. v. a. der fortlaufenden Aktualisiemng der Daten sowie die Verteilung und Verwaltung von Zugriffsrechten der Projektpartner auf die Projektdaten, wird in den hier betrachteten Virtuellen Fabriken von dem jeweiligen Netzwerkcoach wahrgenommen.
^^^^ Zum Phasenverlauf in virtuellen Untemehmen siehe Abschnitt 2.1.5. *°^* Vgl. [Nr.l6: 363-390]. In Abschnitt 5.3.4 erfolgt eine gezielte Betrachtung der Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien in den untersuchten virtuellen Untemehmen. Der Fokus der folgenden AusfUhrungen richtet sich hierbei auf die Herausbildung von Rollen, die auf die Verwendung dieser Technologien zurilckzufUhren sind.
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Darstellung der Ergebnisse
Die Netzwerkpartner haben die Pflicht, die aktuellen Kundenanfragen oder Projektausschreibungen, die der Netzwerkcoach in das IT-System ubertragen hat, zu Beginn eines Arbeitstages abzurufen. Uber die Kooperationsplattform hat der Netzwerkcoach die M6glichkeit nachzuvollziehen, welche Partner auf diese Anfragen oder Ausschreibungen reagiert haben. Bleibt eine Kundenanfrage linger als 48 Stunden unbearbeitet, wird der sog. „Aufputzer" aktiv. Seine Aufgabe ist es, den noch nicht bearbeiteten Kundenanfragen nachzugehen und die Netzwerkpartner gegebenenfalls noch einmal darauf aufmerksam zu machen. Mit dieser Rolle, die wSchentlich unter den Netzwerkpartnem wechselt, wird gleichzeitig die Verantwortung flir die Kundenanfragen abertragen. Der interviewte Netzwerkcoach der Virtuellen Fabrik NordwestschweizMittelland weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es wichtig ist, die ITNutzung mit dieser RoIIe zu kombinieren. Zwar kOnne dieser Prozess auch automatisiert werden, jedoch ist er der Uberzeugung, dass der Einsatz eines „Aufputzers" wesentlich nachhaltiger ist und sicherstellt, dass alle Anfragen auch tatsSchhch bearbeitet werden: ,,Das muss schon alles seine Bahnen laufen, damit wir hier keine Probleme bekommen.''^^^^ Auch bei der Tronsoft hat sich im Zusammenhang mit der Verwendung aufwandiger Informations- und Kommunikationstechnologien mit der Rolle des sog. „Accountmanagers" eine spezielle Rolle herausgebildet, die von einem Projektpartner Ubemommen wird. Die Gefahr bestehe jedoch darin, dass im Falle eines Ausfalls des Accountmanagers das gesamte Projekt gef^hrdet wird. Daher muss nach Auffassung des GeschaftsfUhrers der Tronsoft darauf geachtet werden, dass die Rolle des Accountmanagers auch von anderen Projektpartnem Ubemommen werden kann.^^^° Die vorangegangen AusfUhrungen zeigen, dass zur Bewaltigung der Administrationsaufgaben, die bei der Verwendung intemetbasierter Kooperationsplattformen entstehen, sich in einzelnen Untemehmensbeispielen neue Rollen wie der „Aufputzer" und der „Accountmanager" herausgebildet haben. Damit kann die Annahme von Sydow bestatigt werden, dass die Koordination bzw. das Management interorganisationaler Netzwerke u. a. durch den Einsatz interorganisationaler Informationssysteme andere und/oder z. T. erganzende Rollen erfordem.'°^' In einer weitergehenden empirischen Untersuchung ware es interessant zu untersuchen, ob die Verwendung umfangreicher '^'^ Vgl. [Nr.l3: 393-426,438-443, Zitat: 424-425]. '^^^Vgl.[Nr.2: 231-255]. '^^^ Vgl. Sydow (1995b), S. 164; Sydow (1993), S. 391.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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intemetbasierter Kooperationsplattformen oder Projektmanagementsysteme zwangslaufig neue Rollen hervorruft oder ob sich die Systeme so gestalten lassen, dass auf einen IT-Manager i. w. S. verzichtet werden kann. Daher wird folgende Hypothese aufgestellt: H13:
Wenn in virtuellen Untemehmen zur Netzwerk- bzw. Projektkoordination aufwandige, v. a. internetbasierte Kooperationsplattformen oder Projektmanagementsysteme verwendet werden, dann erfordert die effiziente Administration dieser Systeme die Wahmehmung spezieller Rollen durch einzelne Netzwerk- bzw. Projektpartner.
Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass sozialen Rollen in den untersuchten virtuellen Untemehmen insgesamt ein hoher Stellenwert bei der Koordination zukommt. Tabelle 9 gibt einen Uberblick Uber den Stellenwert des hier betrachteten Koordinationsinstruments. Tabelle 9: Stellenwert von sozialen Rollen im Untersuchungssample -
VU-Typ
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• 9 9 • • • 9 9 ^ •
Legende: Bedeutung des betrachteten Koordinationsinstruments •
sehr hocii 9 hoch 3 mittel
(3 gering O sehr gering
Quelle: Eigene Darstellung. Die Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung sozialer Rollen fUr die Koordination sind zwischen den vier Typen virtueller Untemehmen nur gering. Tendenzielle Unterschiede lassen sich dabei bei den Profilen 2, 3 und v. a. 5 feststellen, die mehrere Rollen aufweisen.
238
Darstellung der Ergebnisse
5.3.1.3 Vertrauen und Vertrauenskultur Bevor Vertrauen und Vertrauenskultur als Koordinationsinstrumente diskutiert werden^°^^ und auf deren Koordinationsfunktionen Bezug genommen werden kann, erscheint es aufgrund der hohen Komplexitat dieser Koordinationsinstrumente notwendig, zunSchst mit einem systematischen Uberblick des sozialen PhSnomens Vertrauen zu beginnen. Im Anschluss an die Arbeitsdefmition wird zwischen interpersonalem Vertrauen und Systemvertrauen unterschieden sowie kurz skizziert, warum Vertrauen in virtuellen Untemehmen m5glich ist und wie es entsteht. Im Anschluss werden die Koordinationsfunktionen von interpersonalem Vertrauen unter Berticksichtigung der Literatur und der empirischen Ergebnisse aus den Experteninterviews naher dargestellt. Da Vertrauen in virtuellen Untemehmen in Form von Normen und Wertvorstellungen kulturell verankert ist, wird anschlieBend auf die mit diesem Konzept verbundene und oft hervorgehobene Vertrauenskultur im Sinne eines Systemvertrauens eingegangen. Vertrauen wird in zahlreichen VerOffentlichungen als ein elementares Organisationskonzept zwischenmenschlicher Austauschbeziehungen und als Grundlage gesellschaftlichen Zusammenlebens betrachtet, mit dem die Bewaitigung komplexer Probleme ermOglicht werden kann.^°^^ Auch in der aktuellen Managementdiskussion hat Vertrauen einen hohen Stellenwert eingenommen.'^^"* Vertrauen ist nicht nur eine unerlSssliche Grundlage fur ein flexibles untemehmerisches Handeln, sondem auch ein konstitutives Merkmal virtueller Untemehmen. ^^^^ Dennoch existiert in der Literatur keine eindeutige und allgemein anerkannte Definition von Vertrauen. ^^^^ Die Griinde filr die uneinheitliche Begriffsbestimmung sind u. a. in der noch zu erlautemden Vielseitigkeit der Vertrauensbeziehungen zwischen Menschen und Organisationen und in der unter-
^^^^ Auch komplexe Phanomene wie Vertrauen werden in der Literatur als Koordinationsinstrument bezeichnet. Siehe z. B. Picot/Reichwald (1999), S. 141; Zimmermann (2003), S. 7L *^^ Siehe z. B. Luhmann (2000), S. 1; Laucken (2001). •^^ Siehe z. B. Sydow/Loose (1994), S. 160 ff.; Bachmann (2000), S. 107 ff.; Gilbert (2003); Seifert (2001). Zum Vertrauensmanagement in elektronischen Gemeinschaften siehe z. B. Carbo et al. (2003). ^^^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 123 und den dort angegebenen Literaturhinweisen. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zu den konstitutiven Merkmalen in Abschnitt 2.1.2. ^^^ Einen Uberblick uber die unterschiedlichen Vertrauensdefinitionen und die Merkmale von Vertrauen bietet z. B. Hosmer (1995).
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
239
schiedlichen Verwendung des Vertrauensbegriffs der mit der Vertrauensforschung befassten Fachdisziplinen zu betrachten.'^^^ Eine der elaboriertesten und analytisch klarsten Vertrauensdefinitionen
liefert
Zimmermann (2003): „Vertrauen ist eine freiwillig erbrachte Vorleistung im Rahmen einer sozialen Grunddisposition gegentiber Menschen oder Institutionen mit individuell, situativ und relational unterschiedlicher AusprSgung, verbunden mit der Erwartungshaltung, dass sich der Vertrauensnehmer im Sinne der Grunddisposition verj^^l^ uio68 j)|gsg Definition weist auf die charakteristischen Merkmale der Vertrauensvergabe bin. So setzt Vertrauen u. a, die Freiwilligkeit des Handelns voraus. Der Vertrauensgeber trSgt durch die Erbringung einer riskanten Vorleistung'^^^ freiwillig ein Risiko, in dem Glauben, dass der VertrauensempfUnger diese Vorleistung nicht fUr sich ausnutzt. Dabei verfolgt der Vertrauensgeber ein angebbares Ziel, was seine Erwartungshaltung zum Ausdruck bringt und mit der Grunddisposition korrespondiert.*°^° Die Einschatzung der Vertrauenswiirdigkeit des Vertrauensnehmers hangt dabei von persOnlichen, situativen und relationalen Faktoren ab.^°^' Vertrauen kann nicht nur zwischen Akteuren bestehen, sondem wie in der o. g. Definition angedeutet, auch zwischen Akteuren und Organisationen. In der einschlagigen Literatur wird hierbei zwischen interpersonalem Vertrauen und Systemvertrauen unterschieden.'^^^ Interpersonales Vertrauen kann dabei verstanden werden als die Erwartung einer Person, dass sich ein Interaktionspartner bzw. Vertrauensnehmer zuverlassig und wohlwollend verhalten wird.^^^^ Es ist durch vier zentrale Merkmale
*^^^ Einen guten Uberblick uber die Verwendung des Vertrauensbegriffs in der Psychologie, der Soziologie, der Sozialpsychologie und der Philosophie bietet Zimmemiann (2003), S. 10 ff. •^8 Vgl. Zimmermann (2003), S. 33. Mit „Grunddisposition" ist eine entwicklungspsychologisch begrtindbare vertrauensvolle Grundeinstellung gemeint, die es nicht nur erleichtert, Vertrauen aufzubauen, sondem ggf. auch einen Vertrauensvorschuss zu gewahren. Die hier zitierte Definition basiert auf der Begriffsdefinition geht auf Winand/Pohl (1998), S. 5 zurUck, die sich inhaltlich auf Luhmann (1989,4. Aufl. 2000) beziehen. Ahnlich auch Giddens (1990), S. 34. •°^^ Vgl. Luhmann (2000), S. 27. ^^^^ Beruht eine Handlungsentscheidung dagegen nicht auf einer Erwartung, liegt nicht Vertrauen, sondem lediglich Hofihung vor. Siehe hierzu auch Luhmann (2000), S. 28. *^^* Vgl. Zimmermann (2003), S. 33 f Eine ahnliche Operationalisierung fmdet sich auch bei Koller (1992), S. 100. '^^^ Die Differenzierung zwischen (inter-)personalem Vertrauen und Systemvertrauen geht u. a. auf Luhmann (2000, 1. Aufl. 1968) und Giddens (1990) zuriick und fmdet auch in Bezug auf Unternehmensnetzwerke Verwendung. Siehe z. B. Sydow (1995a), S. 188 ff '^^^ Vgl. Koller (1997), S. 13. Individuelles Vertrauen entspricht dem bei Luhmann (2000) defmierten pers6nlichen Vertrauen, der damnter „... die generalisierte Erwartung, daB der andere seine Frei-
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Darstellung der Ergebnisse
gekennzeichnet:'^^"* (1) Vertrauen ist mit einer Ungewissheit fur den Vertrauensgeber verbunden, (2) der Vertrauensgeber setzt sich einem potenziellen Risiko aus, (3) es besteht eine mangelnde Beeinflussbarkeit des eigenen Schicksals und (4) Vertrauen ist zukunftsorientiert und setzt somit eine relative Beziehungsdauer voraus. Aufbauend auf einer empirischen Untersuchung identifizieren Currali/Judge (1995) vier Dimensionen filr Vertrauen: communication dimension, informal agreement, surveillance und task coordination dimension, die Neubauer (1997) aufgreift und wie folgt ubersetzt:^^^^ -
Offene und ehrliche Kommunikation mit dem Partner: Die Informationen werden tatsachengerecht und ungefiltert ausgetauscht.
- Informelle Vereinbarungen mit dem Partner: Die Vereinbarungen unter den Partnem werden miindlich getroffen, d. h. auf ein geschriebenes Dokument bzw. einen schriftlichen Vertrag, mit dem die Vereinbarungen rechtskrSftig wSren und das Risiko einer m5glichen Nicht-Einhaltung verringert werden kOnnte, wirdverzichtetJ^^^ -
Verzicht auf eine Uberwachung des Partners: Wahrend bei geringem Vertrauen unter den Partnem versucht wird, das Verhalten der Gegenseite m5glichst genau zu liberwachen und zu kontrollieren, kann ein Verzicht als Indikator ftir das Vertrauen betrachtet werden.
- Koordination der Aufgaben mit dem Partner: Aufgrund der unterschiedlichen EinflussmOglichkeiten und ZugSnge zu Informationen ist eine umfassendere bzw. effektivere Koordination mOglich. Vertrauen druckt sich dadurch aus, dass die Partner bei einer gegenseitigen Abstimmung der Tatigkeiten und der auszufiihrenden Aufgaben Einblicke in die jeweiligen Prozesse erlauben. Neben dem interpersonalen Vertrauen wird dem Systemvertrauen in Organisationen Aufmerksamkeit geschenkt. In Anlehnung an Luhmann (1973) und Giddens (1990) ist darunter das Vertrauen in soziale und technische Systeme zu verstehen.^^^^ Systemver-
heit, das unheimiiche Potential seiner HandlungsmOglichkeiten, im Sinne seiner Persdnlichkeit handhaben wird..." versteht. Vgl. Luhmann (2000), S. 48. ^^'^^ Siehe hierzu z. B. auch Petermann (1996), S. 14. '^"^^ Vgl. Neubauer (1997), S. 114. ^^^^ Hierbei ist jedoch zu berticksichtigen, dass auch mundliche Abmachungen oder Vertrage rechtskraftig sind, wenn die Schriftform nicht vorgeschrieben ist. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.3.3.5. '^^^ Vgl. Luhmann (2000), S. 64 ff (1. Aufl. 1973).
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
241
trauen kann definiert werden als „the reliability of a [...] system, regarding a given set of outcomes or events, where that confidence expresses a faith in [...] the correctness of abstract principles (technical knowledge)."'^^^ Es setzt zwar personale Interaktionen voraus, basiert jedoch wesentlich auf positiven Erfahrungen mit organisationalen Vereinbarungen, Normen und Ablaufen, die als „faceless commitments"^^^^ bezeichnet werden kOnnen. Vertrauen in abstrakte Systeme wird maligeblich durch die Systemstruktur ermCglicht.*^^^ In virtuellen Untemehmen zahlen zu der Systemstruktur v. a. Koordinationsorgane wie z. B. Kemuntemehmen,'^^' zentrale Unterstutzungseinheiten,'°*^ Steuerkreise,^^^^ aber auch (Kooperations-)Regeln'°^'^ und die informations- und kommunikationstechnologische Infrastruktur.'^^^ Besondere Aufmerksamkeit wird in diesem Zusammenhang den sozialen Rollen beim Aufbau von Systemvertrauen geschenkt.^^^^ Sie sind einerseits strukturelle Bestandteile des Systems, andererseits sind sie notwendigerweise an RoUentrager gebunden, was verdeutlicht, dass die Systemstruktur auf „facework commitments" angewiesen ist.'°^^ Die RoUentr^ger fungieren dabei als Vertrauensintermediare^^^^ oder Beziehungspromotoren,*^^^ die die Aufgabe haben, den Vertrauensaufbau bzw. die Vertrauensentwicklung unter den Partnem zu untersttitzen und effiziente Schnittstellen unter ihnen zu schaffen.^^^^ Damit wird die von Handy (1995) in Bezug auf virtuelle Untemehmen hervorgehobene Voraussetzung „trust requires leaders" verdeutlicht.^°^^
'^^^Vgl.Giddens(1990),S.34. '^"^^ Vgl. Giddens(1990),S. 83. ^°^^ Vgl. Luhmann (1973), S. 93. '^^^ SiehehierzuAbschnitt 5.3.2.1. •^^^ Siehe hierzu Abschnitt 5.3.2.2. *°^^ Siehe hierzu Abschnitt 5.3.2.3. ^^^^ Siehe hierzu auch Sydow (1995a), S. 189 und die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.3.3.4. '^^^ Siehe hierzu die Ausfuhrungen zu Abschnitt 5.3.4. '^^^ Siehe z. B. Sydow (1995a), S. 190; Strasser/Voswinkel (1997), S. 225. '^^^Vgl.Giddens(1990),S. 80. '^^^ Vgl. Sydow (1995a), S. 189. '°^^ Vgl. GemUndenAValter(1995). '^^° Siehe hierzu auch die AusfUhrungen in Abschnitt 5.3.1.3. *^^Wgl. Handy (1995), S. 47.
242
Darstellung der Ergebnisse
In der Literatur zum virtuellen Untemehmen nimmt die Diskussion urn das notwendige MaB und die MOglichkeit des Aufbaus von Vertrauen einen breiten Raum ein.'^^^ Vertrauen wird im Schrifttum'^^^ und von den Interviewpartnem/^^'* mit Ausnahme der Fallbeispiele des Typ I („Virtueller Generaluntemehmer"), als wichtigste Kooperationsgrundlage bzw. wichtigstes Koordinationsinstrument in virtuellen Untemehmen betrachtet. Dies wird in der Ubersicht der Fallbeispiele deutlich: Tabelle 10: Der Stellenwert von Vertrauen im Untersuchungssample -
VU-Typ Nr.
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Legende: Bedeutung des betrachteten Koordinationsinstruments • sehr hoch ^ hoch 3 mittel
O gering O sehr gering
Quelle: Eigene Darstellung. Bereits in den frtihen BeitrSgen zu Vertrauen in der hier betrachteten Kooperationsform weist Handy (1995) darauf hin: „Virtuality requires trust to make it work: Tech*"^^ Siehe z. B. Gallivan (2001); Handy (1995); Holland (1998); Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2001); Sydow (1996). In Diplomarbeiten z. B. HOlsch (2000) und v. a. in Dissertationen z. B. K6szegi (2001); Zimmermann (2003); Garrecht (2002), S. 109 ff. wird das Vertrauen in virtuellen Unternehmen sehr detailliert untersucht. Nahezu uniiberschaubar ist mittlerweile die Anzahl der Publikationen zu Vertrauen in Untemehmensnetzwerken. Aus GrUnden der Fokussierung auf das Vertrauen als Koordinationsinstrument in virtuellen Untemehmen kann hier lediglich ein Verweis auf die weiterfiihrende Netzwerkliteratur gegeben werden. Siehe z. B. Liebhart (2002), S. 208 ff.; Sydow (1995a); Das/Teng (1998); Das/Teng (2001) sowie die dort angegebene Literatur. ^^^ Siehe z. B. K^szegi (2001), S. 43; JSrisch et al. (2001), S. 110; Zimmermann (2003), S. 149; Handy (1995), S. 44; Picot/Reichwald (1999), S. 141; Picot et al. (2003), S. 438; Ripperger (1998); Grabowski/Roberts (1999), S. 713. ^^^^ Siehe z. B. [Nr.l9: 160-165]; [Nr.ll: 136-137]; [Nr.l7: 219-228]; [Nr.5: 60-62; 463-469]; [Nr.l4: 146; 489-490],
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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nology on its own is not enough."^^^^ Dabei war insbesondere in der auf das Konzept des virtuelien Untemehmens bezogenen Phase der Em(ichterung^°^^ die Frage noch ungeklart, wie sich Vertrauen angesichts der in der Konzeption verankerten zeitlich begrenzten Reoperation, der wechselnden Kooperationspartner und der vorrangigen Kommunikation mittels Informations- und Kommunikationstechnologien bilden kann.'^^^ Wie in den Ausflihrungen zu den Charakteristika virtueller Untemehmen dargestellt/^^^ ist das Vertrauen unter den Kooperationspartnem auf die Existenz des latenten Netzwerks zurUckzufiihren.'^^^ Auf der Ebene des latenten Netzwerks bleiben die Partner in einem losen Kontakt und kSnnen sich - wenngleich auch mit unterschiedlichen Partnerkonstellationen - bei einem emeuten Projekt wieder zu einem virtuelien Untemehmen zusammenschlieBen. Durch die zuvor erfolgreich durchgefiihrten Projekte wird eine Vertrauensgrundlage unter den Netzwerkpartnem geschaffen, auf die in zukiinftigen Projekten aufgebaut werden kann.^^^° Der komplexe Prozess des Vertrauensaufbaus setzt jedoch langer anhaltende direkte Interaktion und Kommunikation von Angesicht zu Angesicht voraus und kann nicht allein durch den Einsatz modemer Informations- und Kommunikationstechnologien erfolgen.^'^' Das Vertrauen unter den Kooperationspartnem virtueller Untemehmen geht daher Uber das in der Vertrauensforschung bezeichnete Konzept des „swift tmst", das auf unmittelbare stereotypische Wahrnehmungen basiert, deutlich hinaus.^^^^
'°^^Vgl. Handy (1995), S. 44. ^^^ Zu den unterschiedlichen Phasen, die hinsichtlich des Konzepts des virtuelien Untemehmens diflferenziert werden k5nnen, siehe Abschnitt 2.1. *^^^ Siehe z. B. ReiB (1996a), S. 203; Weibler/Deeg (1998), S. 116. ^^^ Siehe hierzu Abschnitt 2.1.2. '^^^ Obwohl diese Erkenntnis schon in den Publikationen z. B. von Mertens/Faisst (1997), S. I l l , Schuh et al. (1998), S. 32 und Sieber (1998a), S. 150 ff. in die wissenschaftliche Diskussion Eingang fand, finden sich vereinzelt immer noch Arbeiten, in denen davon ausgegangen wird, dass sich die Partner nach der Beendigung eines Projekts im Rahmen eines virtuelien Untemehmens ganzlich trennen. Siehe z. B. Reiss (2002). "°^ Vgl. Rail (2002), S. 766. ''^' Vgl. Drumm (1998), S. 198; Amold et al. (2003), S. 15; Handy (1995), S. 46; Jarisch et al. (2001), S. 110 f; Grabowski/Roberts (1999), S. 713. Zum Vertrauensaufbau in virtuelien Unternehmen siehe weiterfUhrend z. B. Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2001). Eine ausfiihrliche Darstellung der phasenspezifischen Genese von Vertrauen in virtuelien Untemehmen bietet z. B. Zimmermann (2003), S. 59 ff und 151 ff ^^^^Vgl. Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2001), S. 237. Siehe zum Konzept des „swift tmst" z. B. Jarvenpaa/Leidner(1999), S. 794.
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Darstellung der Ergebnisse
Eine Vertrauensbeziehung bleibt nur dann dauerhaft stabil, wenn die Partner sich kooperativ verhalten und langfristig eine Reziprozitat hergestellt werden kann, d. h. je haufiger ein Vertrauensvorschuss der einen Seite durch einen Vertrauensvorschuss der anderen Seite erwidert wird und so der Eindruck von Gerechtigkeit und Fairness entsteht.*^^^ Vertrauen kann damit als ein sich selbst bzw. spiralfOrmig verstSrkender Mechanismus betrachtet werden, der sich dann stabilisiert, wenn die Erwartungen des Vertrauenden eher erfiillt als enttauscht werden.''^"* Nachdem nun eine Begriffsbestimmung von „Vertrauen" vorgenommen, die wesentlichen Vertrauensmerkmale und -indikatoren dargestellt sowie eine Antwort auf die Frage gegeben wurde, wie Vertrauen unter den Partnem eines virtuellen Untemehmens mOglich ist, wird in den folgenden Ausftihrungen auf die Koordinationsfunktionen von interpersonalem Vertrauen naher eingegangen. Zunachst einmal lasst sich feststellen, dass Vertrauen im Vergleich zu anderen Koordinationsinstrumenten, wie z. B. Regeln, Plane und Verrechnungspreise, mit denen eine direkte Koordination bzw. Steuerung von Handlungen m5glich ist, den Leistungserstellungsprozess in einem umfassenden Sinne steuert.'^^^ Mit Vertrauen sind v. a. indirekte Koordinationsfunktionen verbunden, was z. B. damit zum Ausdruck kommt, dass Vertrauen auch als „Treibstoff virtueller Organisationen"^*^^ oder als „important lubricant of a social system"* ^°^ bezeichnet wird. In der Vertrauensforschung wurde der komplexen Fragestellung, welche Funktionen Vertrauen im Hinblick auf die Koordination Okonomischer Transaktionen hat, bisher nur beilaufig Aufmerksamkeit geschenkt. Entsprechend amorph sind deshalb auch die einzelnen Beitrage. Auf der Grundlage der einschlagigen Literatur lassen sich jedoch wesentliche Funktionen herausarbeiten, die einen Beitrag zur Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellungsprozesse in virtuellen Untemehmen leisten. Eine zentrale Funktion von Vertrauen besteht darin, die Komplexitat von Handlungssituationen innerhalb eines virtuellen Untemehmens zu reduzieren."^^ Vertrauen redu-
*'^^ Vgl.Ktihl(2002),S.34. •*"'* Vgl. Kuhl (2002), S. 34; Zimmermann (2003), S. 63. Golembiewski/McConkie (1975), S. 152. "°^ Siehe z. B. auch [Nr.lO: 176-190; 366-369]. •'°^ Vgl. Jarisch et al. (2001), S. 110. **^^ Vgl. Arrow (1974), S. 23. **°^ Zur Funktion von Vertrauen als Instrument der Reduktion von Komplexitat siehe z. B. Luhmann (2000), S. 27 ff; Bachmann (2000), S. 112.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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ziert Komplexitat, die sich z. B. durch Ungewissheit beschreiben lasst, dadurch, dass der Vertrauensgeber vor dem Hintergrund seiner bisherigen Erfahrungen mit dem Vertrauensnehmer Annahmen uber das zuktinftige Verhalten des Vertrauensnehmers trifft. Ohne eine Garantie zu besitzen, geht der Vertrauensgeber davon aus, dass sich der Vertrauensnehmer als vertrauenswiirdig erweist und das ihm entgegengebrachte Wohlwollen nicht opportunistisch ausgenutzt wird. Die Komplexitat der jeweiligen Handlungssituation wird dadurch absorbiert, dass der Vertrauensgeber nicht mehr aile MQglichkeiten des zukiinftigen Handelns des Vertrauensnehmers ins KalkUl ziehen muss. Er antizipiert eine bestimmte oder wahrscheinliche Handlungsm5giichkeit und nimmt diese quasi als gegeben an. Der Vertrauensnehmer kann an das Handeln des Vertrauensgebers anschlieBen, indem er das ihm entgegengebrachte Vertrauen erwidert (Reziprozitatsprinzip) und ebenfalls bestimmte HandlungsmOglichkeiten seines Interaktionspartners antizipiert.' ^^^ Durch die wechselseitige Gewahrung freiwilliger Vorleistungen kOnnen soziale Strukturen bzw. auf Vertrauen basierende und durch ein gemeinsames Geschaftsverstandnis gekennzeichnete soziale Beziehungsnetzwerke'^'^ entstehen, die die Grundlage fur weiteres sinnhaftes und aufeinander bezogenes Handeln bilden.'^'* Die Wichtigkeit eines auf Vertrauen basierenden sozialen Beziehungsnetzwerks wird von den Interviewpartnem betont: Jch denke, das Koncraftnetzwerk steht und fdllt uber personliche Kontakte und auch uber Vertrauen,[...]''}^^^ So ist auch der interviewte Netzwerkcoach der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland der Auffassung, dass soziale Beziehungen und Vertrauen unter den Kooperationspartnem einer virtuellen Fabrik eine wesentliche Basis ftlr eine effektive und effiziente Kooperation darstellen: ,Jfa, das ist fur uns sehr wichtig, dass wir eine Gemeinschaft darstellen und uns gut kennen. Auf dieser Grundlage konnen wir viel unkomplizierter unsere Projekte durchfuhren und jeder mochte, dass er auch unter den Partnern ein gescMtztes Mitglied ist. [...] Also, soziale Netzwerke sind in einer virtuellen Fabrik zentral''^^^^
'*^^Vgl.Kahl(2002),S.34. '^'^Nach Weber (1972), S. 13 kann der Begriff „soziale Beziehung" wie folgt definiert werden: „Soziale „Beziehung" soil ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig e i n g e s t e l l t e s und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer heiBen. Die soziale Beziehung be steht also durchaus und ganz ausschlieBlich: in der Chance, daft in einer (sinnhaft) angebbaren Art sozial gehandelt wird, einerlei zun^chst: worauf diese Chance beruht." (Hervorhebungen im Original). •''' Vgl. Bachmann (2000), S. 111 f '•'^ Vgl. [Nr.l5: 177-178]. Siehe auch [Nr.l5: 454-466]. '^'^ Vgl. [Nr.13: 333-336, 352].
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Darstellung der Ergebnisse
Dadurch, dass unter den Kooperationspartnem Vertrauen bestehe und sich nahezu freundschaftliche Beziehungen entwickelt batten, kOnne der Koordinationsaufwand bei der Durchfiihrung von Projekten auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau gehalten werden.***"* Dies kann v. a. darauf zurUckgefiihrt werden, dass Vertrauen - wie oben ausgefiihrt - dazu beitragt, Handlungsmfiglichkeiten des Interaktionspartners auszuschliefien und damit Komplexitat zu reduzieren. Die empirischen Befunde und die hier entwickelten Argumentationen lassen sich in foigender Hypothese verdichten: H14:
Wenn sich unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens auf Vertrauen basierende soziale Beziehungsnetzwerke herausgebildet haben, dann ftihrt dies zur Reduktion des Koordinationsaufwandes und damit zur Steigerung der Effizienz bei der arbeitsteiligen Leistungserstellung.
Die Bereitschaft, riskante Vorleistungen zu erbringen, d. h. seinen Kooperationspartnem zu vertrauen, kann als eine wesentliche Voraussetzung fur die besondere Flexibilitat von Untemehmensnetzwerken betrachtet werden. Auf der Gmndlage von Vertrauen ist es den Netzwerkpartnem m5glich, auf inteme und exteme Gegebenheiten und VerSnderungen flexibel und umgehend reagieren zu kOnnen. Durch die Erleichtemng der notwendigen Abstimmungsprozesse fSrdert Vertrauen zudem die Selbstabstimmung unter den Kooperationspartnem.^^'^ Den Partnem des latenten Netzwerks eines virtuellen Unternehmens ist es damit mOglich, auch kurzfristig Geschaftsbeziehungen untereinander einzugehen. Ein interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang stellt die Virtuelle FabrikfUr Offentlichkeitsarbeit dar. Die interviewte Netzwerkmanagerin weist z. B. darauf hin, dass manche z. T. recht komplexe Projekte sehr kurzfristig zustande gekommen seien und in nur wenigen Tagen abgewickelt werden mussten. Eine Vertragsgestaltung ware unter diesen Bedingungen rein aus zeitlichen Griinden nicht m5glich gewesen."'^ Dieses Beispiel verdeutlicht, dass schriftliche Vertrage unter sehr engen zeitlichen Vorgaben kein effizientes Koordinationsinstrument sind. Eine kurzfristige Projektumsetzung ist daher nur auf der Gmndlage von Vertrauen mOglich. So stellt Vertrauen auch nach R661 (1996) „...nicht nur eine kosteneffiziente Form der Handhabung von Austauschbeziehungen dar, sondem ist fQr komplexe Transaktionen, die nicht durch „hard contracting" gesteuert werden
^^^"^ Vgl. [Nr.3: 17-18,297-299,237-250]. "'^ Vgl. Fischer (2001), S. 185.; Wagner (1999), S. 147. Siehe hierzu auch die Ausftihrungen zum Selbstorganisationsansatz in Abschnitt 3.2.2 und zur Selbstabstimmung in Abschnitt 5.3.1.1. '•'^ Vgl. [Nr.3: 495-504].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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k5nnen, auch die einzig m5gliche Koordinationsform.""*^ Dabei ist es unerheblich, ob das virtuelle Untemehmen eine polyzentrische Struktur aufweist oder fokal gesteuert wird.'*^^ Die Bereitschaft der Netzwerkpartner, sich auch ohne sofortige Gegenleistung kooperativ zu verhalten und gegenseitig zu helfen und das Vertrauen darauf, dass dieses Verhalten iangfristig zum Nutzen aller Netzwerkpartner fiihrt, sind konstitutive Merkmale von Untemehmensnetzwerken.^^^^ Vertrauen fungiert nach KasperFuehrer/Ashkanasy (2001) damit als Puffer, der das Einvemehmen der Partner und die Durchfuhrung von Transaktionen fSrdert.''^^ Auf der Grundlage der empirischen Beobachtungen und der Auffassungen der Literatur kOnnen folgende Hypothesen abgeleitet werden: His:
Je kurzfristiger Auftr^ge in Rahmen eines virtuellen Untemehmens durchzufiihren sind, desto eher versagen herk5mmliche Koordinationsinstrumente (wie z. B. VertrSge) und desto erforderlicher ist eine Koordination auf der Grundlange von Vertrauen.
Hi6:
Je komplexer die Kooperationsprozesse im Rahmen eines virtuellen Unternehmens sind, desto eher versagen herkOmmliche Koordinationsinstrumente (wie z. B. Vertrage) und desto erforderlicher ist eine Koordination auf der Grundlage von Vertrauen.
Die beiden Hypothesen weisen darauf hin, dass die Verwendung herkOmmlicher, v. a. technokratischer Koordinationsinstrumente bei kurzfristigen und/oder komplexen Kooperationsprozessen nur eingeschrankt sinnvoll ist und durch Vertrauen ergSnzt werden muss. In der Literatur lassen sich dartiber hinaus Hinweise fmden, dass Vertrauen die unterschiedlichen Koordinationsinstrumente nicht nur funktional ergSnzen kann,'^^* sondem dass Vertrauen auch in einem substitutiven Verhaltnis zu einzelnen Koordinationsinstrumenten stehen kann.''^^ Besondere Aufmerksamkeit wird hierbei dem Verhaltnis zwischen Vertrauen und Vertragen geschenkt, auf das in den AusfUh-
^^'^ Vgl. Km (1996), S. 326 (Hervorh. im Original). Auf die MGglichkeit der Verwendung flexibler relationaler Vertrage bzw. eines sog. „soft contracting" wird in Abschnitt 5.3.3.5 hingewiesen. '"^ Eine polyzentrische Struktur weisen die virtuellen Untemehmen des Typs II, III und IV auf, wahrend die virtuellen Untemehmen des Typs I durch ein fokales Untemehmen bzw. einen Generaluntemehmer gesteuert werden. '•'^ Vgl. Bachmann (2000), S. 112. '•^° Vgl. Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2001), S. 239. *'^^ Vgl. Wildemann (1997), S. 434. ''^^ Vgl. Loose/Sydow (1997), S. 187.
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Darstellung der Ergebnisse
rungen zu Vertragen als Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen naher eingegangen wird.^'^^ Vertrauen wird in der Literatur zum Konzept des virtuellen Untemehmens nicht nur im Hinblick auf die Koordination arbeitsteiliger Prozesse diskutiert, sondem auch in Bezug auf die Kontrolle der Leistungserstellung. Da die Begriffe der Koordination und der Kontrolle voneinander zu unterscheiden sind,'^^"^ erfolgt an dieser Stelle lediglich ein knapper, exkursorischer Uberblick: Die mit dem Konzept des virtuellen Untemehmens ublicherweise verfolgten raumlichen und organisatorischen Dezentralisierungsstrategien tragen dazu bei, die HandlungsspielrSume der Kooperationspartner zu vergrQBem und eine hfihere Flexibilitat bei der arbeitsteiligen Leistungserstellung zu ermCglichen. Um die Kooperationspartner aufeinander abzustimmen, ihre Leistungen auf das gemeinsame Projektziel auszurichten und opportunistisches Verhalten zu verhindem, ist jedoch eine Eingrenzung ihrer HandlungsspielrSume notwendig. Dies ist wiederum infolge der raumlichen und organisatorischen Dezentralisierung und der komplexen Kooperationsbeziehungen durch herk5mmliche Steuerungs- und Kontrollsysteme oftmals unmQglich oder mit erheblichen Kosten verbunden, welche die Kostenvorteile der Dezentralisierung rasch wieder aufheben wurden.*'^^ In diesem Zusammenhang wird Vertrauen auch als Kontrollsubstitut betrachtet/^^^ Die Vertrauensbeziehungen unter den Kooperationspartnem, die gemeinsame Zielsetzung und die Schaffung von „Win-Win-Situationen" erm5glichen, Absicherungs- und Kontrollbedtirfnisse der beteiligten Kooperationspartner zu minimieren oder sogar ganz auf eine gesonderte Kontrolle der Aufgabenerfiillung zu verzichten.^^^^ Nachdem die wesentlichen Koordinationsfunktionen von interpersonalem Vertrauen naher dargestellt wurden, soil nun der Fokus auf das Systemvertrauen in virtuellen
'^^^ Siehe hierzu Abschnitt 5.3.3.5. ^^^^ Der Unterschied zwischen Koordination und Kontrolle besteht u. a. darin, dass Koordination im Vergleich zu Kontrolle einen unmittelbaren Gestaltungsaspekt hat und Kontrolle einer Aktion immer nachgelagert ist. Kontrolle hat ausschliefilich die Aufgabe zutiberprUfen,ob die Ergebnisse der Planrealisierung mit den zuvor festgelegten Zielen der Planung Ubereinstimmen. Siehe hierzu z. B. auch MacharzinaAVolf (2005), S. 432 f und Reger (1997), S. 38, der darauf hinweist, dass Kontrolle als ein Teilaspekt der Koordination aufeufassen ist. "^^Vgl.Picotetal.(2003),S. 124. ^^^^ Siehe z. B. Garrecht (2002), S. 125 ff.; Picot et al. (2003), S. 560. ^^^'' Vgl. Specht/Kahmann (2000), S. 61; Scholz (2000a), S. 339; KCszegi (2001), S. 37. Siehe auch [Nr.4: 428-433].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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Untemehmen gelenkt werden. Hierbei wird verdeutlicht, dass die in der Literatur zum Konzept des virtuellen Untemehmens Mufig in Verbindung mit Vertrauen genannte Vertrauenskultur im Sinne eines Systemvertrauens betrachtet werden kann. Vertrauen in virtuellen Untemehmen wird hSufig auch im Zusammenhang mit einer Vertrauenskultur diskutiert.'*^^ Dadurch, dass im Rahmen eines virtuellen Untemehmens rechtlich selbstSndige Untemehmen miteinander kooperieren und aus Flexibilitatsgrtinden untereinander nur in einer losen Kopplung stehen, erscheint es unangemessen, von einer gemeinsamen Untemehmenskultur zu sprechen. Nach Scholz (2000a) ist es keine notwendige Voraussetzung, dass die Partner virtueller Untemehmen eine mOglichst gleiche Untemehmenskultur aufweisen,''^^ Vielmehr sei es wichtig, dass die Partner eine gemeinsame „Andock-Kultur" besitzen, mit der die Bereitschaft ausgedrtlckt wird, vertrauensbasierte Kopplungen mit den Kooperationspartnern einzugehen: „Das erste Kulturmerkmal fur die virtuelle Organisation ist damit die Vertrauenskultur: Danach bestimmen Ehrlichkeit, Offenheit, Toleranz und Anerkennung das Denken und Handeln aller Organisationsmitglieder."^'^^ Der Begriff „Vertrauenskultur" und die mit diesem Begriff verbundenen Merkmale deuten darauf hin, dass Vertrauen in Form von Werten und Normen kulturell verankert ist. Vertrauen und Kultur beziehen sich dabei jedoch auf unterschiedliche Abstraktionsebenen. Wahrend Vertrauen ein Interaktionsmechanismus und Konstmkt der Handlungsebene ist, bildet Kultur auf der Systemebene das Medium fur Vertrauen.^'^^ Die Vertrauenskultur in virtuellen Untemehmen wird z. B. dadurch zum Ausdmck gebracht, dass im Laufe der Kooperationen unter den Partnem eines latenten Netzwerks (implizite und explizite) Kooperationsregeln entwickelt wurden, die den Kooperationspartnem Rahmenbedingungen ftlr ihr Handeln geben.*^^^ Die Nichteinhaltung der Kooperationsregeln ist dabei lediglich sozial sanktionierbar. Mit der Anerkennung und Einhaltung der Kooperationsregeln aller Partner wird vom interpersonalen Vertrauen und von personenge-
^*^^ Vgl. WUthrich/Philipp (1998), S. 204; Scholz (2000a), S. 382; Scholz (2000b), S. 214; Schuh et al. (1998), S. 80 ff.; Zimmermann (2003), S. 133; Jarisch et al. (2001), S. Ill; Pribilla (2000), S. 8 f; Schewe (1997), S. 17 ff; Albers et al. (2003), S. 48; Jurk (2003), S. 193; Wall (2000a), S. 123. ''^^ Eine ahnliche Meinung vertritt auch Heck (1999), S. 185. "^° Vgl. Scholz (2000a), S. 382 (Hervorhebung im Original). Siehe hierzu auch Scholz (1994), S. 46
f 1131
Vgl. Zimmermann (2003), S. 71. Ausflihrung zu Abschnitt 5.3.3.4 und die dort angegebenen Beispiele von '^^^ Siehe hierzu auch die Ausflihrungen Kooperationsregeln der untersuchten virtuellen Untemehmen.
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Darstellung der Ergebnisse
bundenen Merkmalen abstrahiert und den Steuerungsfunktionen „institutionalisierter" Regeln Vertrauen im Sinne von Systemvertrauen geschenkt. Sie verleihen den „wechselseitigen Erwartungen der Akteure im Hinblick auf ihr zukiinftiges Verhalten erh(5hte Treffsicherheit und Stabilitat, und ermSglichen so ein hohes MaB an Vertrauen in den netzwerkintemen Beziehungen."*^^^ Auf die Steuerungsfunktion einer Vertrauenskultur zielt auch Sydow (1995a) ab, indem er darauf aufmerksam macht, dass bei der hSufig festzustellenden Entwicklung von Freundschaftsbeziehungen unter den Netzwerkpartnem ein das Untemehmensnetzwerk (iberlagemdes personales Netzwerk entsteht. Je mehr Werte bzw. Normen wie z. B. Zuverlassigkeit, Ehrlichkeit, Offenheit, Toleranz und Anerkennung bei den Partnem tibereinstimmen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie handlungsleitend sind, die Vertrauensbeziehungen stabilisieren und zur organisationalen Koharenz beitragenJ'^"^ Durch die Verinnerlichung und Einhaltung der Werte und Normen einer Vertrauenskultur fbrdert diese im Zeitverlauf die Herausbildung von flexiblen und effizienten Handlungsstrukturen^^^^ und untersttitzt somit die Effektivitat und Effizienz weiterer Koordinationsinstrumente.**^^ So weisen Grabowski/Roberts (1999) am Beispiel von Lockheed Martin darauf bin, dass „trust provided the initial attraction that tied members together, as well as the background music that allowed the members [...] to dance together effectively."^^^^ Mit diesem Beispiel wird deutlich, dass die Vertrauenskultur und das dam it verbundene interpersonal Vertrauen als eine wichtige Voraussetzung filr die Erm5glichung von Selbstorganisationsprozessen in virtuellen Untemehmen betrachtet werden kann.^'^^ Dies wird auch von den Interviewpartnem hervorgehoben. Hierbei wird den informellen Treffen, z. B. im Rahmen gemeinsamer Freizeitaktivitaten, aber auch informeller Besprechungen unter den Kooperationspartnem, eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Bei den informellen Treffen werde
''" Vgl. Bachmann (2000), S. 115. 1134
Vgl. Sydow (1995a), S. 190 f; Wildemann (1997), S. 433.
^^^^ Siehe hierzu auch Bleicher (1995), S. 213 ff ''^^ Siehe z. B. Schafifer et al. (2003), die im Rahmen einer empirischen Erhebung bestatigen, dass das Vorhandensein einer Vertrauenskultur eine signifikant positive Wirkung auf die Effizienz und Effektivitat einer Planung hat. Die Untemehmenskultur wird daher auch als unverzichtbarer „Dampfer" fur Transaktionskosten betrachtet. Vgl. Reifi (1996a), S. 202. ''^^ Vgl. Grabowski/Roberts (1999), S. 714. ^^^^ Vgl. Zimmermann (2003), S. 132; Fischer (2001), S. 185; Behrens (2000), S. 164.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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bereits ein GroBteil der projektrelevanten Aspekte besprochen, sodass kaum noch zeitaufwandige Partnertreffen organisiert werden mUssten.^*^^ Die Vertrauenskultur eines virtuellen Untemehmens, die im engen Zusammenhang mit dem interpersonalen Vertrauen steht, scheint in Anbetracht des hohen organisationalen Differenzierungsgrades fiir die Erreichung der Projektziele daher in hohem Mafie geeignet bzw. erfolgswirksam zu sein. Daher soil folgende Hypothese abgeleitet werden: H17:
Die Vertrauenskultur und das damit verbundene interpersonale Vertrauen haben einen positiven Einfluss auf die Effizienz der Koordination der Leistungserstellung in virtuellen Untemehmen.
Interpersonales Vertrauen wie auch Systemvertrauen wirken sich auf vielfUltige Weise positiv auf die Koordination in virtuellen Untemehmen aus. Sie ermOglichen z. B. eine gr5Bere Offenheit hinsichtlich der Kommunikation bzw. des Informationsaustausches unter den Kooperationspartnem, durch die eine groBere Klarheit uber die Ziele und Probleme bei der Kooperation erreicht werden kann, eine intensivere Suche nach Altemativen in Verhandlungssituationen mSglich ist und durch die der Austausch konstruktiver und kreativer Vorschlage und Ideen unter den Kooperationspartnem gefbrdert wird.^*'^^ Diese Effekte tragen dazu bei, unter den Kooperationspartnem eine hehere Motivation zur Durchsetzung und Realisation der Entscheidungen hervorzurufen, was letztlich in einer grOBeren Zufriedenheit resultiert.^*"*^ Hierbei muss jedoch berticksichtigt werden, dass mit dem Vertrauensaufbau ein erheblicher Zeit- und Kostenfaktor verbunden ist. „Ein groBer Teil der Kosten fUllt schon vor Beginn der Vertrauensbeziehung (ex ante) an, aber auch in deren Verlauf (ex post) erfolgt seitens des Vertrauensgebers eine kontinuierliche Uberpriifung, seitens des Vertrauensnehmers eine regelmSBige Signalisiemng der Vertrauenswurdigkeit."''"^^ AusgeprSgte Vertrauensbeziehungen unter den Kooperationspartnem bzw. eine starke Vertrauenskultur k6nnen jedoch nicht nur positive, sondem auch negative Auswirkun-
^^^^ Vgl. [Nr.8: 273-295, 515-517]. Da im Abschnitt 5.3.1.3 der Einfluss von Vertrauen auf Selbstorganisationsprozesse thematisiert wurde, soil in diesem Zusammenhang auf eine Hypothesenbildung verzichtet werden. ^^^^ Siehe z. B. [Nr.l9: 219-237, 273-281, 295-314, 315-326, 330-347]; [Nr.l7: 367-370, 383-385, 387-394]. *^^^ Vgl. Golembiewski/McConkie (1975), S. 166; Grabowski/Roberts (1999), S. 713. ^^^^ Vgl. Zimmermann (2003), S. 77.
252
Darstellung der Ergebnisse
gen auf eine Kooperation haben.""^^ So macht z. B. Granovetter (1985) darauf aufmerksam: „The more complete the trust, the greater the potential gain from malfeasance."^^'*'* Dass Vertrauen letztlich immer eine „riskante Vorleistung"'*'*^ bleibt und die Gefahr opportunistischen Verhaltens auch in einem vertrauensbasierten Kooperationsnetzwerk nicht ausgeschlossen werden kann, wird mit einem bei der Gigaperls bisher einmaligen Fall deutlich. So berichten die Interviewpartner, dass ein Kooperationspartner aufgrund seines opportunistischen Verhaltens wShrend eines Projekts ausgeschlossen werden musste. Der Ausfall eines Partners kSnne das gesamte Projekt gefUhrden und zu hohen Ausfallkosten fuhren, wenn nicht umgehend ein Ersatz ftir die Erbringung der entsprechenden Teilleistung gefunden werden kann.''"*^ Vertrauen kann die FlexibilitSt in einer Kooperation nicht nur erh5hen, sondem auch einschranken. So stellt das entgegengebrachte Vertrauen in gewisser Hinsicht auch eine Verpflichtung fiir den Vertrauensnehmer dar, die erhaltene freiwillige Vorleistung gleichwertig zu honorieren/^'*^ M5glich ist aber auch, dass Vertrauen einem Akteur u. U. ohne dessen Wunsch entgegengebracht wird. Dieser wird, obwohl er vielleicht die mit dem Vertrauen verbundene Verpflichtung nicht eingehen mOchte, dennoch das Vertrauen in diesem spezifischen Fall honorieren, da der Vertrauensgeber ein wichtiger strategischer Partner ist, mit dem er zukiinftige Projekte abzuwickeln beabsichtigt. Femer ist z. B. anzunehmen, dass der preisliche Effizienzdruck, der unter Marktbedingungen herrscht, in virtuellen Untemehmen erschwert wird, da ein beliebiger Wechsel aufgrund der Vertrauensbeziehungen der Kooperationspartner eingeschrSnkt ist. So ist z. B. die Situation denkbar, dass ein Netzwerkpartner zwar eine bestimmte Leistung flir die Durchfiihrung eines Projekts erbringen kann, dass die gleiche Leistung jedoch gUnstiger auf dem Markt zu beziehen ist. Dennoch wird der Auftrag zu einem h5heren Preis an den Netzwerkpartner vergeben, da unter diesen Voraussetzungen eine Vertragsvergabe an einen Marktteilnehmer den Netzwerkpartnertibervorteilenwiirde und der Netzwerkpartner dadurch moglicherweise das Interesse verliert, auch zukunftig Partner des latenten Netzwerks zu sein. Es ist anzunehmen, dass der damit verbundene ' ^^^ Siehe zum Vertrauen als Kooperationshemmnis auch Semlinger (2003a). Prominentester Vertreter der strikten Negation der Bedeutung von Vertrauen fUr wirtschaftliche Organisationsbeziehungen ist dabei Williamson (1993). '•^'^ Vgl. Granovetter (1985), S. 491. ^^^^ Vgl. Luhmann (2000), S. 27; Bachmann (2000), S. 117. ^^"^^ Vgl. [Nr.4: 434-449]. ' ^^'' Vgl. z. B. Luhmann (2000), S. 79 ff.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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mangelnde Effizienzdruck sich nachteilig auf die Effizienz von Transaktionen auswirkt, d. h. zu hSheren Transaktionskosten fUhren kann. Welcher der beiden Transaktionskosteneffekte, der mangelnde Effizienzdruck durch die Berucksichtigung der Netzwerkpartner bei der Auftragsvergabe oder der Wegfall von Sicherungskosten auf der Grundlage von Vertrauen, den stSrkeren Einfluss besitzt, lasst sich a priori jedoch nicht entscheiden. Im Anschluss an diese kritische Betrachtung und den Ausfiihrungen zu den Potenzialen von Vertrauen im Hinblick auf die Koordination in virtuellen Untemehmen kann jedoch festgehalten werden, dass die Vorteile interpersonalen Vertrauens bzw. einer Vertrauenskultur in virtuellen Untemehmen klar Uberwiegen. Insgesamt lasst sich eine Reihe von allgemeinen Faktoren bzw. Kontextbedingungen darstellen, unter denen Vertrauen als Koordinationsinstrument von okonomischen Transaktionen geeignet erscheint.'^"*^ Aufgrund der Plausibilitat der Annahmen und der nicht mehr originaren Zuordnung zum Konzept des virtuellen Untemehmens soil hier jedoch auf eine gesonderte Ableitung von Hypothesen zugunsten einer zusammenfassenden Darstellung verzichtet werden. Vertrauen eignet sich als Koordinationsinstrument insbesondere dann, wenn: -
die Transaktion in einer durch Unsicherheit charakterisierbaren Umwelt stattfmdet, und/oder
-
die Aufgabenstellung sehr komplex und/oder neuartig ist, und/oder
-
die Leistungen der Kooperationspartner nicht messbar und nur schwer bewertet werden kOnnen, und/oder
-
das Verhalten der Partner nicht beobachtbar ist, und/oder
-
hohe Interdependenz zwischen den Kooperationspartnem herrscht, und/oder
-
wenn die Steuerung durch andere Koordinationsinstrumente zu zeit- und kostenaufwandig ist.
Da diese Faktoren und Kontextbedingungen insbesondere auf virtuelle Untemehmen zutreffen, kann Vertrauen als eine unverzichtbare Kooperationsgrundlage in virtuellen Untemehmen betrachtet werden, mit der die mit dem Konzept des virtuellen Unternehmens angestrebten Kosten- und Flexibilitatsvorteile erreicht werden kOnnen.
'*^^ Siehe z. B. KOszegi (2001), S. 43 f.; Ripperger(1998), S. 16; Ktihl (2002), S. 34.
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Darstellung der Ergebnisse
Trotz der anzunehmenden positiven Effekte, die das interpersonale Vertrauen und das Systemvertrauen auf die Effizienz der Koordination in virtuellen Untemehmen hat, muss jedoch letztlich darauf hingewiesen werden, dass allein auf der Grundlage dieser Vertrauensformen die Austauschbeziehungen in virtuellen Untemehmen nicht koordiniert werden konnen. Eine ErgSnzung durch weitere Koordinationsinstrumente erscheint daher notwendig: „Vertrauen mag somit zwar dabei helfen, sich auf das Wagnis eines ex ante nicht genau spezifizierten Leistungsaustausches im Rahmen einer Kooperationsbeziehung einzulassen, aber es ist defizitar, wenn es darum geht, die Leistungsversprechen in einer effektiv und effizient aufeinander abgestimmten Weise einzulSsen."^^^^ 5.3.1.4 Zwischenergebnis zur Verwendung personenorientierter Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen Die vorausgegangenen Ausfilhrungen haben gezeigt, dass personenorientierte Koordinationsinstrumente im Durchschnitt einen hohen Stellenwert bei der Koordination in den untersuchten virtuellen Untemehmen haben. Personenorientierte Koordinationsinstrumente wie z. B. Vertrauen, eine Vertrauenskultur, soziale Rollen und die Selbstabstimmung eignen sich v. a. in virtuellen Untemehmen, die eine horizontale Kooperationsrichtung aufweisen und die v. a. in dynamischen Umwelten komplexe, nur eingeschrSnkt planbare Projekte durchfQhren. Eine Selbstabstimmung unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens ist in Anlehnung an den Munchner Ansatz im Wesentlichen auf die Koordination der Prozesse innerhalb eines vorgegebenen Rahmens beschrSnkt. Dariiber hinaus sind planerische Prozesse erforderlich, mit denen die arbeitsteilige Leistungserstellung unterstutzt wird und die Bestands- und Erfolgssichemng der Kooperationspartner eines virtuellen Untemehmens gewShrleistet werden kann. Die Effektivitat und Effizienz einer Selbstabstimmung ist jedoch an mehrere Voraussetzungen wie z. B. Vertrauen, Motivation, klare Rahmenbedingungen, Each- und Sozialkompetenz sowie einen kontinuierlichen, v. a. horizontalen Informationsaustausch gebunden. Je nach Kommunikationsbedarf erfolgen Selbstabstimmungsprozesse im Rahmen von Projektbesprechungen oder unter Verwendung modemer, v. a. intemetbasierter Informationsund Kommunikationstechnologien.
*'^^ Vgl. Semlinger (2003a), S. 77.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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Soziale Rollen kOnnen in alien untersuchten virtuellen Untemehmen festgestellt werden. Ihnen wird bei der Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung ein hoher Stellenwert beigemessen, da die Rolleninhaber letztlich die TrSger von Koordinationsentscheidungen sind. Im Vordergrund stehen dabei die Rollen des Netzwerkmanagers und des Projektmanagers, die jeweils die zentralen Koordinationsaufgaben auf der Netzwerkebene bzw. der Projektebene wahmehmen. Wahrend die Rolle des Projektmanagers unverzichtbar fiir die effektive und effiziente Koordination eines Projekts ist, erscheint die Rolle des Netzwerkmanagers als eine wesentliche Voraussetzung fiir die Erhaltung und die Weiterentwicklung des latenten Netzwerks. In den untersuchten virtuellen Untemehmen konnten unterschiedliche Rollenprofile in Abhangigkeit von mehreren Faktoren festgestellt werden. Hierzu k5nnen z. B. die GrQlJe des latenten Netzwerks bzw. die Anzahl der Kooperationspartner in einem virtuellen Untemehmen, die Komplexitat der Projekte, die Kooperationsrichtung, aber auch die in den virtuellen Untemehmen verfolgten Strategien gezahlt werden. Wahrend bei der Oberwiegenden Mehrheit der Untemehmensbeispiele informale Rollen vorliegen, bestehen bei den virtuellen Untemehmen des Typ III („Virtuelle Fabrik") strategiebedingt formale Rollen. Vertrauen wird in den untersuchten virtuellen Untemehmen als wichtigste Kooperationsgmndlage bzw. wichtigstes Koordinationsinstmment betrachtet, da es das Verhalten der Kooperationspartner und die Leistungserstellungsprozesse in einem umfassenden Sinne steuert. Sowohl das interpersonale Vertrauen als auch das Systemvertrauen, das sich z. B. in einer Vertrauenskultur manifestiert, tragt wesentlich zur Komplexitatsreduktion bei und fbrdert den Aufbau sozialer Beziehungsnetzwerke und eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses unter den Kooperationspartnem. Auf dieser Gmndlage kOnnen der Koordinationsaufwand bei der Projektdurchfuhmng, z. B. durch den weitgehenden Verzicht auf umfangreiche Vertrage, auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau gehalten, Transaktionskosten gesenkt und die Flexibilitat bei der Leistungserstellung erhOht werden. Eine ausschlieBlich auf Vertrauen basierende Koordination erhOht jedoch das Risiko opportunistischen Verhaltens und bedarf daher weiterer Koordinationsinstmmente. 5.3.2 Strukturelle Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen Wurde in den ersten Jahren der Diskussion um das Konzept des virtuellen Untemehmens noch eine voUstandige Objektlosigkeit gefordert, wird eine teilweise Institutiona-
256
Darstellung der Ergebnisse
lisierung nach herrschender Meinung flir erforderlich gehalten.''^^ Letzteres kann auf der Grundlage der untersuchten virtuellen Untemehmen bestatigt werden. In einzelnen Untemehmensbeispielen existieren z. B. Kernuntemehmen, zentrale Unterstiitzungseinheiten, Steuerkreise und/oder interne Markte, die der Kategorie der strukturellen Koordinationsinstrumente zugeordnet werden konnen.'*^' 5.3.2.1 Kernuntemehmen Oftmals bilden Kernuntemehmen, die auch als fokale Untemehmen, „hub firms"^^" Oder „professioneIle Keme"*'^^ bezeichnet werden, gmndlegende Elemente von Untemehmensnetzwerken.*^^"* Mehrere Untemehmen und/oder einzelne Akteure gmppieren sich um ein Kemuntemehmen, das den Schwerpunkt durch die Btindelung von Entscheidungsrechten bei der gemeinsamen Projektdurchfiihrung bildet. Auch in Bezug auf das Konzept des virtuellen Untemehmens ist die Auffassung weit verbreitet, dass die Koordination durch ein Kemuntemehmen oder eine zentrale Koordinationseinheit erfolgt.*'" Zuweilen wird die Zentralisierung von Steuemngsfunktionen auf ein Kemuntemehmen auch ftir notwendig erachtet,''^^ Ein Kemuntemehmen kann als wesentlicher Tr^ger der Koordinations- und Managementaufgaben betrachtet werden und hat u. a. die Aufgabe, die Auswahl der fUr ein Projekt notwendigen Kooperationspartner zu treffen, die Verteilung von AuftrSgen vorzunehmen und Konkurrenzsituationen unter den Kooperationspartnem zu regeln und Standards z. B. in Form von Regeln zu setzten.''^^ Das Kemuntemehmen begleitet oder forciert ggf gemeinsame Abstimmungsprozesse, um die Handlungsf^higkeit des virtuellen Untemehmens zu gewahrleisten. Durch die exponierte Position eines Kemuntemehmens innerhalb eines Projekts und seiner Entscheidungsbefugnisse im Hinblick auf die Projektkoordination
^^^^ Siehe hierzu z. B. auch die Diskussion bei Weibler/Deeg (1998), S. 113 f ^^^^ Siehe hierzu auch Albers et al. (2003), S. 38 ff, die eine ahnliche Einteilung vomehmen. ^^" Vgl. Pieles (2004), S. 152 f; Wagner (1999), S. 88, der das fokale Untemehmen auch als „Fixpunkt des virtuellen Systems" bezeichnet. '•^^ Vgl. Picotetal. (2003), S. 421. ' '^^ Vgl. Thorelli (1986), S. 38; Miles/Snow (1986), S. 64 f; Otterpohl (2002), S. 115. '^^^ Siehe z. B. Kocian (1999), S. 109; Gerpott/B5hm (2000), S. 21 f; Scherm/SuB (2000), S. 461; Albers et al. (2003), S. 38; Pieles (2004), S. 190; Schewe (1997), S. 16; Picot et al. (2003), S. 421. ^'^^ Vgl. Drumm (1998), S. 198. Pieles (2004), S. 152 spricht in diesem Zusammenhang auch von der Dominanz des fokalen Untemehmens. ''^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 38.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
257
entstUnden in Bezug auf die Zulieferuntemehmen bzw. Kooperationspartner hierarchieahnliche Oberordnungs- und Unterstellungsverhaitnisse.''^^ In der Literatur besteht hinsichtlich der AusprSgung hierarchieahnlicher Merkmale in virtuellen Untemehmen eine kontroverse Diskussion: Eine Minderheit geht davon aus, dass virtuelle Untemehmen frei von hierarchischen Strukturen seien und ganz auf hierarchische Strukturen verzichtet werden kOnne.'^^^ Dagegen wird von der Mehrheit der Autoren die Auffassung vertreten, dass auch im Konzept des virtuellen Untemehmens, das sich auf dem Kontinuum zwischen Markt und Hierarchic verorten lasst,''^^ tendenziell hierarchieahnliche Strukturen existieren.^*^' Zwar findet sich in einem virtuellen Untemehmen defmitionsgemafi kaum eine Institutionalisiemng zentraler Managementfunktionen, um v. a. Flexibilitatsvorteile zu erzielen.**^^ Dies bedeutet jedoch nicht, dass auf hierarchische Elemente ganz verzichtet werden muss oder kann. So sind einfache Formen der Institutionalisierung oder eine flache Hierarchic nicht nur denkbar, sondem werden fUr das Management eines komplexen virtuellen Untemehmens auch fiXr erforderlich gehalten:*^^^ „Even in the most boundaryless company, some people lead and others follow, some provide direction while others have responsibility for execution."^^^"^ Im Gegensatz zu traditionell hierarchischen Organisationsformen, wie z, B. der Btirokratie, ist ein Kemuntemehmen aufgmnd der rechtlichen und wirtschaftlichen SelbstSndigkeit der Kooperationspartner bzw. Zulieferer jedoch nicht weisungsbefugt.'^^^ Die Griinde ftir die Herausbildung einfacher Formen der Institutionalisiemng bzw. hierarchieahnlicher Strukturen in virtuellen Untemehmen konnen vielfMltig sein. Dies
'^^^ Drumm (1998), S. 198 ist z. B. der Ansicht, dass die Kooperationspartner in einer virtuellen Organisation einen Vorgesetzten haben, durch den eine hierarchische Struktur hervorgerufen wird. ^*^^ Siehe z. B. Byrne/Brandt (1993), S. 37; Scherm/SuB (2000), S. 458; Engelhard (1999), S. 328. '*^^Vgl. Wildemann (1997), S. 420; Picot/Reichwald (1994), S. 560; Appel/Behr (1996), S. 7; Gebauer (1996), S. 98; Bullinger et al. (1995); Reiss (2002); Sydow (1992a), S. 103; Fischer (2001), S. 124 fif. Zur grundlegenden Differenzierung zwischen marktlicher und hierarchischer Koordination siehe z. B. Sydow (1992a), S. 98 ff. ^^^* Vgl. Picot et al. (2003), S. 237; Reiss (2002), S. 40; Behrens (2000); Drumm (1998), S. 197; Kortzfleisch/Al-Laham (1999), S. 97. *^^^ Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.1.2 dieser Arbeit. ^*" Vgl.Wolteretal.(1998).S.7. '^^^ Vgl. Hirschhorn/Gilmore (1992), S. 107. * ^^^ Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.2.2.
258
Darstellung der Ergebnisse
kann z. B. durch eine Ungleichverteilung von Informationen und Kompetenzen hervorgerufen werden,'^^ wodurch sich hierarchieahnliche Strukturen gleichsam naturgesetzlich herausbilden/*^^ Als eine wesentliche Ursache hierfUr kann auch das sog. Dezentralisationsdilemma angefvihrt werden/'^^ auf das bereits Thompson (1967) hingewiesen hat.^^^^ Mit dem Dezentralisationsdilemma wird der Widerspruch zum Ausdruck gebracht, der zwischen der Differenzierung und Autonomie der Organisationseinheiten und ihrer Koordination und Integration besteht. Mit einer Dezentralisation kOnnen zwar einerseits Schnittstellenprobleme gelOst und Flexibilitatspotenziale gefbrdert werden, andererseits ist mit der zunehmenden Differenzierung in selbstorganisierende, teilautonome Einheiten das Problem verbunden, dass ihre Integration in ein Gesamtuntemehmen und ihre Koordination immer komplizierter, gleichzeitig aber auch immer notwendiger wird.'^^° Neben der bereits diskutierten Selbstabstimmung und der Wahmehmung der Koordinationsaufgaben durch soziale Rollen, kann den Koordinationserfordemissen auch durch ein Kemuntemehmen nachgekommen werden. Tabelle 11 gibt einen Uberblick darUber, inwieweit in den untersuchten virtuellen Untemehmen ein Kemuntemehmen existiert und wenn ja, welche Bedeutung das Kemuntemehmen in dem jeweiligen virtuellen Untemehmen hat.
•'^^ Vgl. Sydow (1992a), S. 103; Scherm/StiB (2000), S. 458; Staber (2000), S. 60. ' '^^ Vgl. Beckmann (1978); Leavitt (2003), S. 101. Siehe hierzu auch BrockhofOTauschildt (1993), S. 403, die die der Ansicht sind, dass eine v5llig hierarchiefreie Koordination in Netzwerken nicht mdglich ist. •*^* Vgl. Frese (1993), S. 1006 ff.; Reichwald/KoIIer(1996), S. 130 f '^^^ Vgl. Thompson (1967), S. 78. ''"^^gl. KUhl(2002),S.27f
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
259
Tabelle 11: Die Existenz eines Kemuntemehmens im Untersuchungssample -
VU-Typ
Nr.
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Legencie: Bedeutung des betrachteten Koordinationsinstruments •
sehr hoch • hoch 3 mittel
O gering O sehr gering
Quelle: Eigene Darstellung. Die tabellarische Darstellung zeigt, dass Kemuntemehmen in zahlreichen Untemehmensbeispielen festgestellt werden konnten. Bei der Bedeutung der Kemuntemehmen in Bezug auf die Koordination des jeweiligen virtuellen Untemehmens lassen sich jedoch z. T. deutliche Unterschiede feststellen. Hierbei erscheint es geeignet, diese Unterschiede vor dem Hintergmnd der identifizierten Typen virtueller Untemehmen zu betrachten. Virtuelle Untemehmen des Typ I („Virtueller Generaluntemehmer") besitzen aufgmnd der haufig stabilen Kunden-Lieferanten-Beziehungen, der damit verbundenen vertikalen Kooperationsrichtung und der Unabhangigkeit der Lieferanten untereinander defmitionsgemaB ein Kemuntemehmen. ^*^^ Dieses ist i. d. R. das Untemehmen, von dem die Idee der Initialisiemng des virtuellen Untemehmens ausging. Die sehr hohe Bedeutung eines Kemuntemehmens bei den Fallbeispielen der Virtuellen Fabrik Steko und der Tronsoft ist darauf zurtickzufiihren, dass das Kemuntemehmen vollstandig fiir die Koordination der Leistungserstellung verantwortlich ist und gegeniiber dem
Vgl. Albers et al. (2003), S. 38; Teichmann et al. (2004), S. 91.
260
Darstellung der Ergebnisse
Kunden allein haftet/'^^ Es strukturiert den Kundenauftrag in einzelne Arbeits- bzw. Produktionsschritte, beauftragt die filr die Leistungserstellung notwendigen Zulieferuntemehmen und teilt ihnen die jeweiligen Aufgaben zu. Zudem besitzt das Kemuntemehmen der Virtuellen Fabrik Steko ein Informationsmonopol hinsichtlich des Kundenauftrags.'^^^ Es leitet nur die zur Erstellung einer Teilleistung notwendigen Informationen an seine Zulieferer weiter, ohne den Zulieferem Aufschluss iiber den Kundenauftrag zu geben.''^"* Durch die vertikale Kooperationsrichtung und die zentrale Steuerung des Leistungserstellungsprozesses, die die virtuellen Untemehmen des Typs I aufweisen, ist eine tendenziell hierarchische Kooperationsstruktur feststellbar. Bei der Tronsoft wird diese tendenziell hierarchische Struktur nur dann abgebaut, wenn das Auftragsvolumen von € 100.000 uberschritten wird und die wirtschaftliche Existenz der Tronsoft im Haftungsfall gefUhrdet sein wtirde. Hierbei wUrde die Projektverantwortung an die beteiligten Kooperationspartner verteilt werden/'^^ oder es wUrde zusatzlich ein Freiberufler engagiert werden, der die Rolle eines Projektmanagers UbemimmtJ^^^ Auf der Grundlage der empirischen Befunde und der Auffassung der Literatur kann festgehalten werden, dass in virtuellen Untemehmen, in denen eine vertikale Kooperationsrichtung bei der arbeitsteiligen Leistungserstellung feststellbar ist, Kemuntemehmen eine sehr hohe Bedeutung bei der Koordination haben. Aufgrund der vertikalen Kooperationsrichtung und der damit verbundenen hSufig sequenziellen Interdependenzen zwischen den Kooperationspartnem erscheint ein Kemuntemehmen eine notwendige Voraussetzung, um den Leistungserstellungsprozess zu planen und die einzelnen Prozesse effizient aufeinander abzustimmen. Daher wird hier folgende Hypothese abgeleitet: Hig:
Wenn in einem virtuellen Untemehmen eine vertikale Kooperationsrichtung bei der arbeitsteiligen Leistungserstellung feststellbar ist, dann erfolgt die Koordination durch ein Kemuntemehmen.
''^^ Dies ist z. B. bei kleineren Projekten bei der Tronsoft zu beobachten, bei denen bis zu 10 Kooperationspartner zusammenarbeiten. Vgl. [Nr.2: 160-173,266-267], ^'^^Vgl.[Nr.l2: 36-41]. *'^^ Vgl. [Nr.l2: 44-64, 274-293]. '^^^ Vgl. [Nr.2: 160-173]. ''^^ Vgl. [Nr.2: 269-272]. Zur Rolle des Projektmanagers siehe auch die Ausflihrungen in Abschnitt 5.3.1.2.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
261
Kemuntemehmen lassen sich jedoch nicht nur in virtuellen Untemehmen feststellen, die eine vertikale Kooperationsrichtung aufweisen, sondem auch bei solchen, bei denen eine horizontale Kooperationsrichtung vorliegt. Nach Albers et al. (2003) ist ein Kemuntemehmen in einem virtuellen Untemehmen v. a. dann notwendig, wenn die Kooperationspartner eher homogene Leistungsspektren aufweisen. **^^ Die Notwendigkeit eines Kemuntemehmens wird damit begriindet, dass die Kooperationspartner aufgmnd ihrer eher homogenen Leistungsspektren - wie bei den virtuellen Untemehmen des Typs II („Virtuelles Verteilungsnetzwerk") - in gewisser Konkurrenz zueinander stehen. Bei der Auftragsverteilung kOnnte es hierbei zu Konflikten kommen. Die Funktion eines Kemuntemehmens besteht darin, eine gerechte Auftragsverteilung zu gewahrleisten, indem es Standards, z. B. in Form von Kooperationsregeln, setzt und ihre Einhaltung uberwacht. Dagegen k(5nnte bei virtuellen Untemehmen, bei denen die Kooperationspartner eher heterogene Leistungsspektren aufweisen, auf ein Kemunternehmen verzichtet werden, da die Kooperationspartner nicht in direkter Konkurrenz im Hinblick auf die Auftragsvergabe stehen.''^^ Dies wiirde auf die virtuellen Unternehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik") und Typs IV {„Virtuelles Untersttitzungsnetzwerk") zutreffen. Betrachtet man die vorliegenden Fallstudien vor diesem Hintergmnd, dann muss festgestellt werden, dass die o. g. Argumentationskette zwar eine mOgliche, jedoch noch keine hinreichende ErklSmngsgrnndlage fUr die Existenz bzw. das Fehlen eines Kemuntemehmens bietet. Wie der Tabelle 11 entnommen werden kann, existiert unter den virtuellen Untemehmen des Typs II kein Untemehmensbeispiel, in dem ein Kemuntemehmen festgestellt werden konnte. Dagegen lasst sich eine Reihe von Untemehmensbeispielen anfUhren, die trotz heterogener Leistungsspektren der Kooperationspartner (die eine, wenn tiberhaupt, nur geringe Konkurrenz unter den Kooperationspartnem vermuten lasst) jeweils Kemuntemehmen aufweisen. Zur ErklSmng dieser Unterschiede kOnnen im Wesentlichen drei Grtinde in Betracht gezogen werden: die GrOBe des latenten Netzwerks, die verfolgte Strategic in den virtuellen Untemehmen und der entwicklungsgeschichtliche Hintergmnd eines virtuellen Untemehmens. Die untersuchten virtuellen Untemehmen, die Uber ein vergleichsweise groBes latentes Netzwerk verfugen, wie z. B. das Softwarezentrum Boblingen'Sindelfingen die Virtual Fab und die dem Typ III zugeordneten Fallbeispiele VirtuellBau sowie die Virtuellen
'^''^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 38. ^'^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 38 f; Teichmann et al. (2004), S. 93.
262
Darstellung der Ergebnisse
Fabriken Nordwestschweiz-Mittellandund Baden-Wiirttemberg, weisen keine Kemuntemehmen auf. Stattdessen werden die Koordinationsaufgaben auf der Projektebene wie in Abschnitt 5.3.1.2 dargestellt - durch einen Projektmanager wahrgenommen (personenorientiertes Koordinationsinstrument), der durch eine zentrale Unterstiitzungseinheit^^^^ (strukturelles Koordinationsinstrument) bei der BewSltigung der Koordinationsaufgaben unterstiitzt wird. Es ist anzunehmen, dass aufgrund der Gr5Be des latenten Netzwerks und der MOglichkeit der gleichzeitigen Existenz mehrerer virtueller Untemehmen ein einzelnes Kemuntemehmen mit der Wahmehmung der projektbezogenen Koordinationsaufgaben sowohl in fachlicher als auch zeitlicher Hinsicht Uberfordert w^e. Der Verzicht auf ein Kemuntemehmen bzw. die Wahmehmung einzelner Koordinationsaufgaben durch eine zentrale UnterstUtzungseinheit scheint deshalb angebracht.^^^° Es liegt die Vermutung nahe, dass mehrere virtuelle Untemehmen, z. B. die 123plus, das Ingenieurburo Zengerle, die Koncraft, die Virtuelle Fabrikfur Offentlichkeitsarbelt und die Virtual Company und die Redesign Deutschland auf die Institutionalisiemng eines Kemuntemehmens aus Flexibilitats- und KostengrUnden verzichten. Die Projekte im Rahmen der virtuellen Untemehmen werden auch hier durch einen Projektmanager wahrgenommen. Anstelle eines Kemuntemehmens tritt ein Steuerkreis, der aus den GeschaftsfUhrem oder Inhabem der Partneruntemehmen besteht und je nach Bedarf zusammenkommt.^*** Hingegen existieren Kemuntemehmen bei der Gigaperls, der Virtual Company, der Creaprodi, der FunKey, der Webworker Group und der ConVerve. Dies scheint einen entwicklungsgeschichtlichen Hintergrund zu haben: So ist z. B. aus der Historic der Untemehmensbeispiele zu entnehmen, dass die Griindungsidee des virtuellen Untemehmens jeweils vom Kemuntemehmen ausging, das das latente Netzwerk aufbaute.'^^^ Der Vorteil eines Kemuntemehmens besteht
*'^^ Eine zentrale Unterstiitzungseinheit ist ein einzelner Akteur oder eine Gruppe von Akteuren, der bzw. die beim Ablauf und der Koordination eines Projekts den Kooperationspartnem mit fachkundigem Rat unterstUtzend zur Seite steht, jedoch selbst nicht an der Leistungserstellung beteiligt ist. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.3.2.2. '^^^Eine Hypothesenableitung, mit welcher der Zusammenhang zwischen der Grdlie des latenten Netzwerks und des Bestehens einer zentralen Unterstiitzungseinheit verdeutlicht wird, erfolgt in Abschnitt 5.3.2.2, in dem zentrale Unterstiitzungseinheiten als strukturelle Koordinationsinstrumente betrachtet werden. ^'^^ Zum Koordinationsinstrument des Steuerkreises siehe Abschnitt 5.3.2.3. *'^^Vgl. [Nr.6: 59, 112-120, 156-163]; [Nr.ll: 305-313]; [Nr.l8: 1-17]. Siehe hierzu auch die Homepage der The Webworker Group unter www.twg-consulting.de (letzter Abruf 19.05.2005)
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
263
neben der Gew^hrleistung eines einheitlichen Marktauftritts des virtuellen Untemehmens in der einheitlichen ProjektfUhrung. Wahrend in den virtuellen Untemehmen, die eine vertikale Kooperationsrichtung aufweisen, eine tendenziell hierarchische Kooperationsstruktur festgestellt werden kann, zeigen die virtuellen Untemehmen mit horizontaler Kooperationsrichtung nur eine geringe Auspragung hierarchieahnlicher Strukturen.'^^^ Zwar werden die virtuellen Untemehmen meist durch ein konventionelles Untemehmen initiiert, gesteuert werden sie im Gegensatz zu virtuellen Untemehmen mit vertikaler Kooperationsrichtung jedoch nicht durch dieses (Kem-)Untemehmen allein.*'^"* Der Interviewpartner des Ingenieurburos Zengerle & Partner weist darauf hin, dass lediglich graduelle Unterschiede zwischen dem Kemuntemehmen und den Kooperationspartnem bestehen. Zwar werden die wesentlichen Entscheidungen auf der Gmndlage gemeinsamer Abstimmungen getroffen,"^^ jedoch wtirden dem Kemuntemehmen durch die Ubernahme der Koordinationsaufgaben und der Projektverantwortung gewisse Entscheidungsbefugnisse zugesprochen.^^^^ Kommt z. B. bei gemeinsamen Abstimmungen unter den Projektpartnem keine Einigung zustande, ist es mOglich, dass das Kemuntemehmen eine Entscheidung herbeifiihrt. Dies erscheint unter transaktionskostentheoretischen Gesichtspunkten sinnvoll, um Verz5gerungen bei der Entschlussfmdung zu vermeiden und die HandlungsfUhigkeit des virtuellen Untemehmens zu gewahrleisten. 5.3.2.2 Zentrale UnterstUtzungseinheit Eine zentrale UnterstUtzungseinheit kann ein einzelner Akteur oder eine Gmppe von Akteuren sein, der bzw. die beim Ablauf und der Koordination eines Projekts den Kooperationspartnem mit fachkundigem Rat unterstUtzend zur Seite steht, jedoch selbst nicht an der Leistungserstellung beteiligt ist.^^^^ Durch die Ubemahme von Koordinationsaufgaben kann die zentrale UnterstUtzungseinheit die Kooperationspartner insbesondere bei koordinationsintensiven Projekten entlasten, sodass sich die und Hofmann (2003), S. 13 ff. Siehe hierzu auch die Intemetprasenz der ConVerve unter www.converve.de (letzter Abruf 19.05.2005) und Teichmann/Borchardt (2003), S. 65 fif. *'^^Vgl.[Nr. 10: 52-64]. *'^Wgl.Schrader(1996),S.83. ^*^Wgl.[Nr. 10: 299-320]. '•^^ Vgl. [Nr.ll: 118-137,471-474; Nr.l9: 238-272, 348-388]; [Nr.l8: 335-357, 358-382, 383-403]; [Nr.l7: 30-31]; [Nr. 1:250-256]. '*^^ Vgl. Schrader (1996), S. 100 f. 2Zum Koordinationsinstrument der zentralen UnterstUtzungseinheit siehe auch Albers et al. (2003), S. 39.
264
Darstellung der Ergebnisse
Kooperationspartner auf die Erstellung ihrer jeweiligen Leistungen konzentrieren k5nnen. Die Institutionalisierung einer dauerhaften Untersttitzungseinheit wird jedoch vor dem Hintergrund der mit einem virtueilen Untemehmen beabsichtigten Fiexibilitat und der Kosteneffizienz ftir nicht zweckmaBig gehalten.'^^^ Vielmehr erscheint es ausreichend, wenn eine zentrale Untersttitzungseinheit temporEr und bedarfsabhangig zur Untersttitzung der Koordination eingesetzt wird. In den vorausgegangenen AusfUhrungen zum Kemuntemehmen wurde darauf hingewiesen, dass die Existenz struktureller Koordinationsinstrumente wie z. B. Kemunternehmen oder zentrale Untersttitzungseinheiten u. a. in Abhangigkeit von der Gr56e des latenten Netzwerks steht. Verfiigen virtuelle Untemehmen tiber ein vergleichsweise kleines latentes Netzwerk, in dem die Anzahl mit bis zu 10 Partneruntemehmen noch recht tiberschaubar ist, erscheint ein Kemuntemehmen ftir die Bewaitigung der Koordinationsaufgaben auf der Netzwerk- und der Projektebene ausreichend. Besteht jedoch ein relativ groBes latentes Netzwerk, aus dem gleichzeitig mehrere aktivierte Netzwerke hervorgehen k5nnen, erscheint anstelle eines Kemuntemehmens eine temporare und bedarfsabhangige zentrale Untersttitzungseinheit sinnvoll, mit der die Koordination der Leistungserstellung untersttitzt werden kann.^^^^ Die Tabelle 12 gibt einen Uberblick, inwieweit in den untersuchten virtueilen Unternehmen eine zentrale Untersttitzungseinheit zur Koordination eingesetzt wird und welchen Stellenwert sie bei der Koordination hat.
•^^^ Vgl.Pieles (2004), S. 153. •^^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 39; Pieles (2004), S. 154.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente Tabelle 12:
265
Verwendung von zentralen Untersttitzungseinheiten im Untersuchungssample -
VU-Typ Nr.
eg
= CNJ
0)
h-
CJ>
Fallbeispiel
0) "C (U C3)
E
c 0) N
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c
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0) N
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c o O
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Legende: Bedeutung des betrachteten Koordinationsinstruments •
sehr hoch ^ hoch 3 mittel
O gering O sehr gering
Quelle: Eigene Darstellung. Die tabellarische Ubersicht zeigt, dass nur in den Untemehmensbeispielen eine zentrale UnterstUtzungseinheit festgesteilt werden kann, die Uber vergleichsweise groBe latente Netzwerke von deutlich mehr als 20 Partnem verfUgen.'^^^ Zu ihnen zahlen neben dem Softwarezentrum Boblingen-Sindelfingen und der Virtual Fab insbesondere die virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik"). Bei den Virtuellen Fabriken Nordwestschweiz-Mittelland
und Baden-Wurttemberg fungiert jeweiis der
Netzwerkcoach als zentrale UnterstUtzungseinheit.'^^^ Neben seinen Aufgaben auf der Netzwerkebene'^^^ steht er den Kooperationspartnem als zentraler Ansprechpartner bei jeglicher Art von Problemen, die wahrend eines Projekts auftreten kOnnen, zur Verfiigung. Dadurch, dass er sich nicht an der Leistungserstellung beteiligt, kann er als ein neutraler Berater betrachtet werden und ggf. bei auftretenden Konflikten unter den Kooperationspartner moderieren. Aufgrund seines reichen Erfahrungshintergrundes steht er den Kooperationspartnem fachlich zur Seite. Dariiber hinaus untersttitzt er
1190
Die Anzahl der Netzwerkpartner im latenten Netzwerk kann der Tabelle 6 in Abschnitt 5.1 entnommen werden, Vgl. [Nr.l3: 1-9]; [Nr.l6: 1-14, 105-107]. Siehe hierzu die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.3.1.2.
266
Darstellung der Ergebnisse
durch die Pflege der aufwandigen Informations- und Kommunikationstechnologien die informationstechnologische Basis der Kooperationen.'^^^ Bei den Fallbeispielen Softwarezentrum Boblingen-Sindelfingen und Virtual Fab wird die zentrale UnterstOtzungseinheit durch einen Netzwerkmanager und eine Sekretarin und beim zweitgenannten Fallbeispiel durch das sog. „Kemteam", das sich aus den beiden Grtindem der Virtual Fab und drei Btiroangestellten zusammensetzt, gebildet. Die Aufgabe dieser Untersttltzungseinheiten besteht v. a. darin, die jeweiligen Projekte in ihrer Startphase beratend zu begleiten, Leitlinien bzw. Rahmenbedingungen ftir eine Selbstorganisation vorzugeben und die Kooperationspartner bei der Projektkoordination zu untersttitzen.''^'* Treten ggf. Probleme in einem Projekt auf, kann die zentrale UnterstUtzungseinheit flexibel eingebunden werden.''^^ Eine permanente zentrale UnterstUtzungseinheit sei nicht notwendig. Zudem wurde sie die Koordinationskosten eines Projekts erhOhen."^^ Auch beim Fallbeispiel der VirtuellBau kann im Bedarfsfall, z. B. wenn groBe und/oder komplexe Projekte durch die Kooperationspartner durchgefiihrt werden, eine zentrale UnterstUtzungseinheit beauftragt werden, die sich aus Spezialisten wie z. B. Fachanwalten, Controllem, Steuerexperten etc. zusammensetzt.'^^^ Nach Ansicht des Interviewpartners hat sich ein solches Expertenteam, das sog. „Cockpit", bei komplexeren Projekten als sehr hilfreich erwiesen, da es Uber wichtige Kompetenzen verfiigt, die unter den Kooperationspartnem nicht existieren. Die Flexibilitat und Effizienz dieser UnterstUtzungseinheit werde dadurch erreicht, dass die Experten nur dann Uber Vertrage an die VirtuellBau angeschlossen werden, wenn ihre Hilfe benQtigt wird. Nach der Beendigung eines Projekts wird das Expertenteam wieder aufgelOst, sodass keine weiteren Fixkosten anfallen.''^^
'*^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 39. ''^Wgl. [Nr.l: 257-269]; [Nr.7: 116-121, 135-149, 171-174, 362-368, 515-519, 601-617]. Siehe hierzu auch die Ausftihrungen zur Selbstabstimmung in Abschnitt 5.3.1.1 und zu den sozialen Rollen in Abschnitt 5.3.1.2, in denen auf die F6rderung von Selbstabstimmungsprozessen in den Fallbeispielen Virtual Fab und Softwarezentrum BOblingeri'Sindelfingen Bezug genommen wird. "^^ Vgl. [Nr.l: 80-84,292-294]. ''^Wgl.z.B. [Nr.l: 238-241]. '*^^ Vgl. [Nr.l4: 409-413]. Siehe hierzu auch den Auszug aus der Powerpoint-Firmenprasentation der VirtuellBau (Abbildung 10) im Anhang dieser Arbeit. ^'^^ Vgl. [Nr. 14: 428-430].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
267
Zentrale UnterstUtzungseinheiten kOnnen als Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen sinnvoll eingesetzt werden."^^ Vor dem Hintergrund der untersuchten Fallbeispieie kann jedoch festgestellt werden, dass sie v. a. in virtuellen Untemehmen gebildet und verwendet werden, die ein vergleichsweise groBes latentes Netzwerk von mehr als 20 Partnem aufweisen. Hiemach lasst sich folgende Hypothese ableiten: H19:
Je gr5Ber das latente Netzwerk eines virtuellen Untemehmens ist, desto eher werden zentrale UnterstUtzungseinheiten zur Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung verwendet.
Die Verwendung zentraler UnterstUtzungseinheiten steht dabei nicht im Widerspruch mit den im Konzept des virtuellen Unternehmens postulierten Flexibilitatsanforderungen bzw. dem weitgehenden Verzicht auf die Institutionalisierung zentraler Managementfunktionen. Dies ist damit zu begrUnden, dass sie nur temporSr und bedarfsabhSngig in ein virtuelles Untemehmen integriert werden und sich nach dem erfolgreichen Projektstart wieder aus dem operativen Geschaft zurUckziehen. Da mit diesem bedarfsorientierten Koordinationsinstmment Koordinationsprobleme gezielt gelOst werden kOnnen und nur verhaltnismSBig geringe Koordinationskosten vemrsacht werden,'^'^^ ist anzunehmen, dass zentrale UnterstUtzungseinheiten insbesondere in virtuellen Untemehmen mit einem groBen latenten Netzwerk einen positiven Einfluss auf die Effektivitat und die Effizienz der Koordination haben. Auf der Gmndlage dieser Annahme lasst sich folgende Hypothese ableiten: H20:
Wenn in einem virtuellen Untemehmen mit einem vergleichsweise groBen latenten Netzwerk eine zentrale UnterstUtzungseinheit verwendet wird, dann hat dies einen positiven Einfluss auf die Effektivitat und Effizienz der Koordination.
DarUber hinaus bieten insbesondere die Fallbeispieie Softwarezentrum BoblingenSindelfingen und Virtual Fab AnknUpfungspunkte an den in Abschnitt 3.2 dargestellten Selbstorganisationsansatz. Sie unterstUtzen die im MUnchner Ansatz getroffene Annnahme, dass Fremd- und Selbstorganisation in einem komplementaren Verhaitnis zueinander stehen und Selbstorganisationsprozesse v. a. dann ermOglicht werden, wenn Anfangs- und Randbedingungen fremdorganisiert werden.*^^^ Die zentrale
'•^^ Vgl. Schrfider (1996), S. 100 f '^^°Vgl.[Nr. 14: 425-435]. '^°' Siehe hierzu die Ausftihrungen in Abschnitt 3.2.
268
Darstellung der Ergebnisse
Unterstiitzungseinheit steht den Kooperationspartnem v. a. zu Projektbeginn zur Seite, unterstiitzt sie bei der Projektplanung und in der Startphase des Projekts, zieht sich dann aber aus dem Projekt zuriick, damit die Kooperationspartner die Leistungserstellung eigenstSndig fortfiihren kOnnen. Hiemach lasst sich folgende Hypothese ableiten: H21:
Wenn in einem virtuellen Untemehmen mit einem vergleichsweise groBen latenten Netzwerk eine zentrale Unterstiitzungseinheit zur UnterstUtzung der Projektplanung und der Startphase eines Projekts verwendet wird, dann hat dies einen positiven Einfluss auf die Selbstorganisationsprozesse unter den Kooperationspartnem.
5.3.2.3 Steuerkreis Wahrend eine zentrale Unterstiitzungseinheit auf der Projektebene eines virtuellen Untemehmens agiert, ist ein Steuerkreis insbesondere auf der Ebene des latenten Netzwerks tatig. Bei einem Steuerkreis handelt es sich urn ein Gremium, das flir die Umsetzung langerfristiger Entwicklungsstrategien und die strategische Positionierung des latenten Netzwerks im Markt verantwortlich ist.^^°^ Seine Aufgaben bestehen dariiber hinaus in der Auswahl und Aufnahme neuer Mitglieder in das latente Netzwerk sowie die Entscheidung darUber, welche finanziellen Mittel fiir den Aufbau und die Pflege des latenten Netzwerks erforderlich sind und wie die Budgetierung erfolgen soll.^^^^ Die Zusammensetzung des Steuerkreises hSngt von der Struktur des virtuellen Unternehmens ab.'^^'* Hierbei ist zu unterscheiden, ob ein Dachuntemehmen besteht, an dem die Partneruntemehmen des latenten Netzwerks gesellschaftsrechtlich beteiligt sind, Oder ob das virtuelle Untemehmen auf ein Dachuntemehmen verzichtet. Besteht ein Dachuntemehmen z. B. in Form einer GbR/^°^ GmbH'^^^ oder AG/^^^ ist der Steuerkreis mit der Gesellschafterversammlung einer GmbH oder GbR bzw. der Hauptversammlung einer AG gleichzusetzen. Besteht kein Dachuntemehmen, sondem lediglich
'^^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 39 f '^^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 40. '^^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 39. '^^^ Siehe die Fallbeispiele Gigaperls und I23plus. '^^^ Siehe die Fallbeispiele Virtual Fab, TronsofU The Virtual Company, Creaprodi, FunKey, VirtuellBau, Koncraft, Redesign Deutschland, The Webworker Group und ConVerve. *^^^ Siehe das Fallbeispiel der Virtuellen FabrikSteko,
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
269
ein eingetragener Verein^^^^ oder wird ganz auf eine gemeinschaftliche Rechtsform verzichtet/^^^ setzt sich der Steuerkreis aus der Mitgliederversammlung bzw. den fUr das latente Netzwerk zustandigen GeschSftsfuhrem oder Managem der beteiligten Partneruntemehmen zusammen.^^^^ In alien untersuchten virtuellen Untemehmen kann ein Steuerkreis festgestellt werden. Dies ist damit zu begrUnden, dass der Aufbau, die strategische Planung und Ausrichtung eines latenten Netzwerks eine grundlegende Voraussetzung fiir ein virtuelles Untemehmen sind. Tabelle 13 gibt einen Uberblick Uber den Stellenwert eines Steuerkreises in den untersuchten virtuellen Untemehmen. Tabelle 13: Verwendung eines Steuerkreises im Untersuchungssample -
VU-Typ Nr.
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0 3 O 9 3 3 9 3 ^
Legende: Bedeutung des betrachteten Koordinationsinstruments •
sehr hoch
^ hoch
3 mittel
(5 gering
O sehr gering
Quelle: Eigene Darstellung. Von den untersuchten virtuellen Untemehmen fallen im Hinblick auf das hier betrachtete Koordinationsinstrument insbesondere jene auf, die den virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik") zugeordnet werden konnten. Hierbei lassen sich
Siehe die Fallbeispiele Softwarezentrum Bdblingen-Sindelfmgen, Virtue lie Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland und Virtuelle Fabrik Baden-Wurttemberg. ' °^ Siehe die Fallbeispiele Virtuelle Fabrik fur Offentlichkeitsarbeit, Virtual Company und Ingenieurburo Zengerle & Partner. '^'° Vgl. Wall (2000a), S. 135; Teichmann et al. (2004), S. 92.
270
Darstellung der Ergebnisse
Besonderheiten im Aufbau ihrer Steuerkreise feststellen, die auf den deutlich hOheren Formalisierungsgrad und die GroBe der latenten Netzwerke zurOckzufiihren sind. Bei der VirtuellBau, die erhebliche Ahnlichkeit mit dem Konzept der Virtuellen Fabrik nach Schuh aufweist'^^', besteht der Steuerkreis in dem sog. „Verwaltungsrat", der zusammen mit dem sog. „Delegierten des Verwaltungsrats" in der Generalversammlung der Aktiengesellschaft gewahlt wird. Wahrend dem Verwaltungsrat die Oberleitung und die strategische Ausrichtung des Untemehmensnetzwerks obliegen, ist der Delegierte des Verwaltungsrates beauftragt, die Tagesgeschafte operativ zu organisieren, zu ftihren und zu kontrollieren. '^'^ Bei der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland und Baden-Wurttemberg beteiligt sich jedes Mitgliedsuntemehmen des latenten Netzwerks mit einen sog. „Leiter In-Outsourcing" am Steuerkreis.*^*^ Er ist der zustandige Ansprechpartner ftir die Kooperation im Netzwerk und ist ftir die Koordination, Kommunikation, Planung und Leistungserbringung seines Untemehmens im Netzwerk verantwortlich und vertritt die Interessen seines Untemehmens gegenUber den anderen Partnem. Die Mitglieder des Steuerkreises sollten sich in regelmSBigen AbstSnden zusammenfmden, um Probleme innerhalb des latenten Netzwerks frUhzeitig zu erkennen und strategische Entscheidungen vorzubereiten und letztlich umsetzen zu kCnnen.'^'"* Bei der VirtuellBau werden z. B. monatliche Partnertreffen organisiert, an denen themenspezifische VortrSge gehalten, Problemstellungen und die gemeinsame Entwicklung des Netzwerks besprochen werden.*^*^ Alle zwei Monate werden bei der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland Tagungen organisiert, mit denen das gemeinsame Geschaftsverstandnis gestarkt wird.*^*^ Aufgrund der Tatsache, dass Steuerkreise in alien untersuchten virtuellen Untemehmen festgestellt werden konnen und mit ihnen keine direkte Koordination des Leistungserstellungsprozesses erfolgt, wird auf die Ableitung von Hypothesen an dieser Stelle verzichtet.
•^** Vgl. Schuh et al. (1998), S. 63 ff. Siehe ausftihrlich die Fallstudie der VirtuellBau, die sich im Anhang dieser Arbeit befmdet. '^*^ Vgl. Teichmann/Borchardt (2003), S. 86. '^*'* Vgl. Albers et al. (2003), S. 40 f. *^*^ Vgl. [Nr. 14: 441-488]. *^*^ Vgl. [Nr.l3: 585-605; 616-618].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
271
5.3.2.4 Interne Markte Markte kCnnen grundsStzlich als Koordinationsinstrumente betrachtet werden, mit denen Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden, ohne dass Anbieter und Nachfrager die gleichen oder ahnlichen Ziele verfolgen miissen. Der Vorteil der Koordination durch einen Markt besteht im Vergleich zu einer hierarchischen Koordination u. a. darin, dass aufwSndige organisationsinteme Abstimmungs- und Koordinationsprozesse entfallen. Zudem bietet der Preismechanismus einen starken Anreiz, die gehandelten Ressourcen effizient einzusetzen, da der Nutzen der Effizienzsteigerung dem jeweiligen Transaktionspartner direkt zukommt.'^'^ Markte lassen sich grundlegend zwischen extemen und intemen Markten differenzieren. Von extemen MSrkten, d. h. von MSrkten, die auBerhalb der Grenzen einer Organisation liegen, unterscheiden sich interne Markte im Wesentlichen dadurch, dass die Transaktionspartner intemer Markte durch bestehende Arbeits- und Gesellschaftsvertrage in ihrer Entscheidungs- und Handlungsautonomie eingeschrankt sind. DarOber hinaus ist die Wahl der Transaktionspartner auf den Kreis der Organisationsmitglieder begrenzt und der Leistungsaustausch haufig an organisationsinteme Modalitaten gebunden.'^'^ Im Vergleich zu extemen Markten, bei denen eine eindeutige Zuordnung von Verfiigungsrechten zu den handelnden Transaktionspartnem vorgenommen werden kann, stellt sich die Situation bei organisationsintemen Markten anders dar. Bei den Transaktionen innerhalb eines organisationsintemen Marktes kSnnen die Transaktionspartner nicht ausschlieBlich ihr Handeln an den eigenen Zielen ausrichten, sondem mtissen stets die Interessen der anderen Marktteilnehmer und die Ziele der Organisation berticksichtigen. Damit sind untemehmens- und auch organisationsintem weitaus komplexere Koordinations- und Motivationsprobleme verbunden als auf extemen Markten.'^'^ Wahrend die Koordination im Rahmen extemer Markte eher auf Selbstorganisationsprozessen bemht, ist die Selbstabstimmung in intemen Markten durch die o. g. Modalitaten haufig erheblich eingeschrankt. Das Ziel organisationsintemer Markte besteht darin, die Koordinationseffekte und/oder Anreizwirkungen, die mit diesem Koordinationsinstrument verbunden sind, innerhalb einer Organisation zu
'^'^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 122. •^'^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 123. ReiB (1996a), S. 199 macht in diesem Zusammenhang auf das Subsidiaritatsverhaltnis zwischen Selbstorganisation und Fremdorganisation aufmerksam. ^^'^ Vgl. Frese (2000), S. 202. Zur ausfiihrlichen Darstellung der Untemehmenssteuerung durch interne Markte siehe z. B. Lehmann (2002).
272
Darstellung der Ergebnisse
nutzen, urn die Effizienz der Organisation insgesamt zu steigem.^^^^ Dadurch, dass interne MSrkte i. d. R. Bestandteile der Organisationsstruktur sind, mit denen ein Leistungsaustausch innerhalb einer Organisation gesteuert werden kann, k5nnen sie als strukturelle Koordinationsinstrumente bezeichnet werden.'^^* Grundsatzlich lassen sich reale und fiktive interne Markte unterscheiden.^^^^ Im Gegensatz zu den fiktiven intemen Markten besitzen die Transaktionspartner eines realen intemen Marktes Entscheidungsspielraume hinsichtlich der Wahl des organisationsintemen Transaktionspartners und im Hinblick auf den Einsatz von Ressourcen. Urn den Ressourceneinsatz in einer Organisation zu steuem, kGnnen interne Markte als Alternative zur Planung betrachtet werden: „Die Steuerung des Ressourceneinsatzes liber interne Markte stellt immer dann eine realistische Gestaltungsaltemative zur Planung dar, wenn das Transaktionsspektrum hinsichtlich wesentlicher Parameter, z. B. hinsichtlich des Umfangs des Leistungsaustausches, offen ist und seine Festlegung von den Entscheidungen eines Transaktionspartners (in der Regel des Nachfragers) abhangt."'^^^ Reale interne Markte bieten sich daher immer dann als organisatorische GestaltungsmOglichkeit an, wenn in Bezug auf den Bedarf einer Leistung ein Ermessensspielraum besteht,*^^"^ z. B. ob und in welchem Umfang eine Leistung, etwa eine Beratungsdienstleistung, in Anspruch genommen werden soil. Mit der Verwendung realer intemer Markte stehen v. a. 5konomische Aspekte im Vordergrund: Dadurch, dass der Nachfrager die Inanspruchnahme einer Leistung vor dem Hintergrund des Kosten-Nutzen-KalkUls abwagt, soil ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen sichergestellt werden. *^^^ Da die Kooperationspartner eines virtuellen Untemehmens untereinander nur in einer losen Kopplung stehen und sie rechtlich und wirtschaftlich selbstandig sind, haben sie hinsichtlich der Wahl des Transaktionspartners und des Ressourceneinsatzes prinzipiell Entscheidungsspielraume. In virtuellen Untemehmen besteht daher die M5glichkeit der Institutionalisierung realer intemer Markte. Inwieweit reale interne Markte als Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen sinnvoll verwendet werden
'^^^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 123. *^^* Vgl. ReiB (2004), Sp.694. 1222
Vgl. Frese (2000), S. 232 ff.; Kieser/Walgenbach (2003), S. 123.
*^^^ Vgl. Frese (2000), S. 235. ^^^^ Frese (2000), S. 235 spricht hier auch von einer "plastischen" Nachfragesituation. •^^^ Vgl. Frese (2000), S. 235.
273
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
kOnnen, wurde in der Literatur bisher weitgehend vemachlassigt.'^^^ Dies mag u. a. darauf zurtickzuflihren sein, dass in den meisten bisher im Schrifttum erwahnten Beispielen virtueller Untemehmen die Preise v. a. auf der Basis von Verhandlungen und Absprachen unter den Kooperationspartnem festgelegt wurden.*^^^ Tabelle 14 gibt einen Uberblick uber die Verwendung von intemen MSrkten in den untersuchten virtueilen Untemehmen: Tabelle 14: Verwendung intemer MSrkte im Untersuchungssample VU-Typ Nr.
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Fallbeispiel
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(5 gering O sehr gering
Quelle: Eigene Darstellung. Die Uberblicksdarstellung in Tabelle 14 zeigt, dass interne MSrkte nur in den Virtueilen Fabriken Nordwestschweiz-Mittelland und Baden-Wurttemberg zur Untersttitzung der Koordination verwendet werden/^^^ In den latenten Netzwerken dieser beiden Untemehmensbeispiele bestehen im Hinblick auf einzelne Kompetenzen Redundanzen, die es ermOglichen, auch Projekte mit einem gr5l3eren Auftragsvolumen abzuwickeln. Im Bereich der Blechverarbeitung, aber auch im Technologiebereich gibt es z. B. mehrere Netzwerkpartner, die sich hinsichtlich ihres Leistungsangebots Uberschnei'^^^ Vgl. Specht/Kahmann (2000), S. 61. '^^' Siehe z. B. die Fallbeispiele bei Sieber (1998a), S. 92 ff. '^^^ Diese Ubereinstimmung ist insofem nicht Uberraschend, als dass beide Untemehmensbeispiele auf dem Konzept der Virtueilen Fabrik von Schuh et al. (1998) basieren und daher weitgehende strukturelle Obereinstimmungen aufweisen.
274
Darstellung der Ergebnisse
den.'^^^ Der netzwerkinteme Markt werde einerseits dazu verwendet, Monopolstellungen einzelner Netzwerkpartner und damit „Preistreibereien" entgegenzuwirken und andererseits die Netzwerkpartner durch die tendenzielle netzwerkinteme Konkurrenz zur Herstellung qualitativ hochwertiger und in preislicher Hinsicht konkurrenzf^iger Leistungen zu motivieren.'^^^ Der interviewte Netzwerkcoach der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland fiihrt hierzu aus: ,,Wir wollen damit verhindern, dass ein Partner, der als einziger im Netzwerk uber eine Kernkompetenz verfugt, automatisch denkt, alles, was mit Elektronik zu tun hat, kommt automatisch zu mir, und ich brauche mir nicht mehr urn Auftrdge Sorgen machen. Das wollen wir hier verhindern. [...] Wenn einer allein in einem Bereich die Preise diktieren kann, dann leidenja auch alle anderen Partner darunter. Und so kOnnen sie ihn in seiner Preisgestaltung korrigieren - hier braucht es also immer mehrere Anbieter''^^^^ Der netzwerkinteme Markt hat also einerseits Motivationsfunktionen, andererseits trSgt er dazu bei, opportunistischem Verhalten entgegenzuwirken und leistet somit einen Beitrag zur Bestandserhaltung des latenten Netzwerks. Wird z. B. fiir die Abwicklung eines Projekts eine bestimmte Teilleistung benStigt, die zwei oder mehrere Netzwerkpartner liefem kCnnten, dann entscheidet unter Berticksichtigung der Qualitat und des Lieferzeitpunkts letztlich der Preis darilber, welcher Netzwerkpartner den Zuschlag erhait. Ein netzwerkintemer Markt mft damit einen Wettbewerb unter den Netzwerkpartnem hervor, mit dem ihre LeistungsfUhigkeit gesteigert werden kann. Dadurch kann ein intemer Markt auch als ein dynamisierendes Element in Organisationen betrachtet werden.^^^^ Eine wesentliche Voraussetzung fiir einen weitgehend reibungslosen Leistungsaustausch Uber einen netzwerkintemen Markt wird in der Festlegung von Regeln betrachtet. ^^^^ Diese geben Handlungssicherheit und tragen als systembildende Elemente dazu bei, sich gegentiber dem extemen Markt abzugrenzen. Die beiden o. g. Fallbeispiele deuten darauf hin, dass inteme MSrkte erst ab einer grCBeren Anzahl von Netzwerkpartnem und der Existenz von Redundanzen im Hin-
'^^^ Vgl. [Nr.l3: 176-182]; [Nr.l6: 35-44]. *^^%gl. [Nr. 16: 35-38, 302-305]. '^^^ Vgl. [Nr.l3: 194-202]. *^^^ Vgl. KUhl (2002), S. 30. *^^^ Vgl. Specht/Kahmann (2000), S. 61. Zu Regeln als Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen siehe die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.3.3.4 dieser Arbeit.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
275
blick auf das Leistungsangebot der Netzwerkpartner sinnvoll zur UnterstUtzung der Koordination verwendet werden konnen. Dennoch wird in anderen Untemehmensbeispielen, die auch ein vergieichsweise grofies latentes Netzwerk aufweisen, auf interne MSrkte bewusst verzichtet. Als Grund, weswegen z. B. beim Softwarezentrum Boblingen'Sindelfingen auf interne MSrkte verzichtet wird, gibt der interviewte Netzwerkmanager an, dass mit einem intemen Markt nicht nur Vorteile verbunden sind, wie sie bereits oben genannt wurden, sondern auch ein Konkurrenzkampf unter den Netzwerkpartnem ausgel5st werden k5nnte. Dieser wtirde sich negativ auf die Kooperationsbeziehungen unter den Netzwerkpartnem auswirken und zu Konflikten ftihren.'^^"^ Daher bestehe eine ungeschriebene Regel, die besagt, dass auf einen netzwerkintemen Markt verzichtet werden soil und die Preise fUr die Leistungsverrechnung unter den Kooperationspartnem des Softwarezentrums Boblingen-Sindelfingen ausgehandelt und ggf. „Freundschaftspreise" festgelegt werden sollen.'^^^ Der Grund, weswegen in den meisten untersuchten virtuellen Untemehmen auf interne Markte verzichtet wird, kann darin gesehen werden, dass die Anzahl der Partner in den latenten Netzwerken hSufig vergieichsweise gering ist. Zudem bestehen bei einem eher heterogenen Leistungsspektrum der Netzwerkpartner nur geringe Uberschneidungen, sodass die Partner nicht in einem Konkurrenzverhaltnis stehen. Da die Bildung eines netzwerkintemen Marktes daher nicht moglich ist, erfolgt die Preisfmdung unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens hSufig im Rahmen von Preisverhandlungen vor Projektbeginn.*^^^ Auf der Gmndlage der drei o. g. Fallbeispiele k5nnen gegensatzliche Positionen hinsichtlich einer Institutionalisiemng intemer MSrkte festgestellt werden. Die Konkurrenz, die durch einen intemen Markt unter den Netzwerkpartner hervorgemfen wird, kann einerseits positive Effekte haben, indem die Motivation und Leistungsf^higkeit der Netzwerkpartner gesteigert und opportunistischem Verhalten entgegengewirkt werden kann. Andererseits kOnnen mit einem intemen Markt negative Effekte hervorgemfen werden, indem es zu Konkurrenzkampfen und Konflikten unter den Netzwerkpartnem kommen kann. Zudem ist zu konstatieren, dass interne Markte eine vertrauensbasierte gegenseitige Abstimmung unter den Netzwerkpartnem eines virtuellen Untemehmens eher verhindem und damit im tendenziellen Widerspmch zum
'^^"^ Vgl. [Nr.7: 491-494]. '^^^ Vgl. [Nr.7: 495-497]. '^^^ Siehe hierzu die Ausfiihrungen zu Verrechnungspreisen in Abschnitt 5.3.3.3.
276
Darstellung der Ergebnisse
konstitutiven Merkmal Vertrauen stehen.'^^^ Aufgrund der wenigen Fallbeispiele, in denen interne MSrkte existieren, und der widerspriichlichen Auffassungen der Interviewpartner wird hierzu auf die Ableitung einer Hypothese verzichtet. In einer weiterfiihrenden Untersuchung ware es jedoch interessant zu untersuchen, ob und inwieweit sich ein intemer Markt negativ auf die Vertrauensbeziehungen unter den Netzwerkpartnem auswirkt und inwieweit die o. g. Vorteile dieses Koordinationsinstruments dessen Nachteile Uberwiegen. 5.3.2.5 Zwischenergebnis zur Verwendung struktureller Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen Die Ausflihrungen zu den strukturellen Koordinationsinstrumenten haben gezeigt, dass einfache Formen der Institutionalisierung und Hierarchiebildung auch in virtuellen Untemehmen nicht nur sinnvoll, sondem zur Bewaltigung komplexer Koordinationsaufgaben auch erforderlich sind. Den strukturellen Koordinationsinstrumenten Kemuntemehmen, zentrale Untersttitzungseinheiten, Steuerkreise und interne MSrkte kommt in den untersuchten virtuellen Untemehmen ein unterschiedlicher Stellenwert zu. Hierbei konnte festgestellt werden, dass die Bedeutung stmktureller Koordinationsinstmmente in virtuellen Untemehmen mit der Gr5i3e der latenten Netzwerke tendenziell zunimmt. In alien untersuchten virtuellen Untemehmen erfolgt die strategische Ausrichtung des latenten Netzwerks durch einen Steuerkreis. Je nach Rechtsform des latenten Netzwerks besteht der Steuerkreis aus einer Gesellschafterversammlung, Hauptversammlung, Mitgliederversammlung oder wird durch die Geschaftsfilhrer oder Manager der Partnemntemehmen gebildet. Die Steuerkreise der virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik") weisen einen hOheren Formalisiemngsgrad auf, was in erster Linie auf die GrfiBe des latenten Netzwerks zuruckzufiihren ist. Mit der Koordination der Leistungserstellung durch ein Kemuntemehmen ist der Vorteil einer Zentralisiemng der Steuemngsfunktionen verbunden, wodurch eine einheitliche Projektfuhmng und ein einheitlicher Marktauftritt gewahrleistet werden k(5nnen. In den untersuchten virtuellen Untemehmen nehmen Kemuntemehmen insbesondere bei den virtuellen Untemehmen, die durch eine vertikale Kooperationsrichtung gekennzeichnet sind (Typ I: „Virtueller Generaluntemehmer") einen hohen Stellenwert ein. Aber auch bei mehreren virtuellen Untemehmen des Typs IV („Virtu-
' Siehe hierzu die Ausflihrungen zum Vertrauen und zur Vertrauenskultur in Abschnitt 5.3.1.3.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
277
elles Verteilungsnetzwerk"), die eine horizontale Kooperationsrichtung aufweisen und von einem Untemehmen initialisiert wurden, existieren Kemuntemehmen. Zwar sind die Kemuntemehmen aufgmnd der rechtiichen Selbst^ndiglceit der Netzwerkpartner nicht weisungsbefugt, jedoch kSnnen durch die exponierte Position eines Kemunternehmens und seinen hohen Einfluss bei der Entscheidungsfindung auch in virtuellen Untemehmen hierarchieShnliche Uberordnungs- und Unterstellungsverhaltnisse hervorgerufen werden. Wird in virtuellen Untemehmen aus Flexibilitatsgriinden auf ein Kemuntemehmen verzichtet, kOnnen die Koordinationsaufgaben auch durch den Steuerkreis wahrgenommen werden. Bei den Untemehmensbeispielen, die ein groBes latentes Netzwerk von deutlich mehr als 20 Netzwerkpartnem aufweisen und die Moglichkeit besteht, dass gleichzeitig mehrere virtuelle Untemehmen auf dieser Basis gebildet werden oder existieren, erscheint ein einzelnes Kemuntemehmen in Bezug auf die Wahmehmung der Koordinationsaufgaben sowohl fachlich als v. a. auch zeitlich tiberfordert. Daher werden zentrale Untersttitzungseinheiten temporSr und bedarfsabhangig zur Untersttitzung der Koordination miteinbezogen, welche die Kooperationspartner insbesondere bei koordinationsintensiven Projekten entlasten. Zwar besteht insbesondere bei virtuellen Untemehmen mit einem vergleichsweise groBen latenten Netzwerk die M5glichkeit der Institutionalisierung realer intemer Markte, jedoch wird dieses Koordinationsinstmment lediglich bei zwei virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik") verwendet. Hiermit wird die Absicht verfolgt, Monopolstellungen und „Preistreibereien" unter den Netzwerkpartnem durch marktliche Konkurrenzbeziehungen zu vermeiden und die Motivation wie die LeistungsfUhigkeit der Netzwerkpartner zu steigem. Dagegen werden bei den tibrigen Untemehmensbeispielen, die ebenfalls ein groBes latentes Netzwerk aufweisen, auf inteme Markte strikt verzichtet, um einen Konkurrenzkampf und das Auftreten von Konflikten unter den Netzwerkpartnem zu vermeiden. Netzwerkinteme Verrechnungspreise werden stattdessen im Rahmen von Preisverhandlungen ermittelt.
278
Darstellung der Ergebnisse
5.3.3 Technokratische Koordinationsinstrumente in virtue Hen Unternehmen Zu den technokratischen Koordinationsinstrumenten kSnnen Programme, Plane, Ziele, Budgets, Verrechnungspreise, Regeln und VertrSge gezShlt werden.^^^^ Gemeinsames Merkmal der technokratischen Koordinationsinstrumente ist, dass mit ihnen eine Vorauskoordination mSglich ist. Die Notwendigkeit einer Vorauskoordination besteht darin, dass die steigenden Koordinationsbediirfnisse in Organisationen infolge der komplexer werdenden Umweitbedingungen nicht allein durch eine Feedbackkoordination bewaltigt werden k5nnen.'^^^ Die Frage, welche Koordinationsfunktionen die technokratischen Koordinationsinstrumente haben und inwieweit sie in virtuellen Unternehmen verwendet werden, wird im Folgenden naher betrachtet. 5.3.3.1 Programme Programme sind entweder das Ergebnis von Lemprozessen oder werden verbindHch vorgegeben und beinhalten zumeist schriftlich fixierte Regeln, Handlungsablaufe und Verfahrensrichtlinien, durch die bestimmte steuerungsbediirftige Handlungen vorausschauend festgelegt werden. ^^"^^ Damit geben Programme als Instrumente der Vorauskoordination Handlungssicherheit und reduzieren durch die Verringerung des Kommunikationsbedarfs unter den beteiligten Akteuren Komplexitat.'^"*' Diese Wirkungen sind haufig auf ihre funktionale Zweiteilung zurtickzufiihren.'^'*^ Einerseits besitzen Programme ein Klassifikations- oder Kategorienschema, mit dem die auftretenden Probleme definiert und zu Problemklassen zusammengefasst werden. Andererseits bieten sie ein Verfahren zur LOsung der einzelnen Problemklassen an. Je nach Anzahl der Klassifikationsschemata oder Richtlinien eines Programms kQnnen z. T. erhebliche Unterschiede hinsichtlich ihres Detaillierungsgrades festgestellt werden. Enthalten sie z. B. nur einige globale Richtlinien und ist die Anzahl der Klassifikationsschemata eines Programms gering, wird die Organisationsumwelt sehr undifferenziert wahrgenommen. Dagegen kann sie durch die Existenz zahlreicher Klassifikationsschemata differenzierter wahrgenommen werden.
1238
Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zu Abschnitt 2.2.2 der vorliegenden Arbeit.
^^^^ Vgl. Hoffmann (1980), S. 347. •^'^^gl. Welge/HoltbrUgge (2001), S. 168; Kubicek/Welter (1985), S. 798; Kieser/Walgenbach (2003), S. 115. ^^'^^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 116; Drumm (2000), S. 61; Jost (2000), S. 403. •^"^^ Vgl. Kieser/Walgenbach (2003), S. 116.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
279
Unterschiede sind aber auch in Bezug auf die Flexibilitat von Programmen festzustellen. Geben starre Programme meist nur eine bestimmte Handlungsabfolge an, enthalten flexiblere Programme konditionale Verzweigungen, d. h. die Verfahrensfortsetzung hangt von bestimmten Bedingungen ab.'^"*^ Je nach Flexibilitatsgrad ist mit der Verwendung von Programmen eine feste bis flexiblere Kopplung der Organisationseinheiten mOglich.'^'^'* Durch die verbindliche Vorgabe von Anweisungen und Verfahren fuhrt die Verwendung von Programmen zu einer Standardisierung bzw. Formalisierung der Aufgabenerfilllung,'^'^^ wodurch Programme auch als technokratisch-formalisierende Koordinationsinstrumente bezeichnet werden.^^"^^ Eine ausschliefilich auf Programme aufbauende Koordination ist jedoch nur bei einer v5llig statischen Umwelt mCglich.'^"*^ Da man in der Untemehmenspraxis haufig nicht von solchen Umweltbedingungen ausgehen kann, werden Programme nur in Verbindung mit weiteren Koordinationsinstrumenten eingesetzt. In eher hierarchisch strukturierten Organisationen ergSnzen und unterstutzen Programme v. a. persOnliche Weisungen, da sie den Bedarf an Anweisungen durch EntscheidungstrSger verringem oder ersetzen kOnnen.*^"^^ Beispielsweise kann ein EntscheidungstrSger in der Offentlichen Verwaltung auf eine bestimmte Programmeinheit verweisen, nach der verfahren werden soil, oder ein Programm wird bereitgehalten, das beim Auftreten eines bestimmten Ereignisses ohne das Mitwirken eines Entscheidungstragers ausgeflihrt wird. Somit kOnnen Programme den von einem Entscheidungstrager zu bewaitigenden Koordinationsaufwand reduzieren und als Erganzung einer hierarchischen Koordination fungieren. Im Wesentlichen deuten zwei Aspekte darauf hin, dass in virtuellen Untemehmen nicht die Voraussetzungen fUr eine sinnvoUe und effiziente Verwendung von Programmen gegeben sind. So kann in virtuellen Untemehmen weder von einem hierarchischen Aufbau im Sinne eines traditionellen Untemehmens noch von eher statischen
* ^ Zu den verschiedenen Arten von Programmen siehe auch Hill et al. (1989), S. 270 ff Zu den Funktionen von Programmen in Organisationen siehe ausfUhrlich March/Simon (1958), S. 137 ff ^^^^ Vgl. Specht/Kahmann (2000), S. 65. *^^^ Vgl. Pugh et al. (1968); KieserAValgenbach (2003), S. 120. Die standardisierende Wirkung von Programmen wird besonders deutlich in der Oflfentlichen Verwaltung, kann aber auch in Unternehmungen z. B. bei der Investitionsrechnung festgestellt werden. *^^^ Vgl. z. B. Welge/HoltbrUgge (2001), S. 168. '^"^^ Vgl. KieserAValgenbach (2003),S. 118; Hoffmann (1980), S. 353. ^'^^^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 116.
280
Darstellung der Ergebnisse
Umweltbedingungen ausgegangen werden. Zwar konnen in virtuellen Untemehmen tendenziell hierarchische Strukturen existieren/^"^^ jedoch sind diese im Vergleich zu traditionell hierarchischen Organisationen nur sehr gering ausgepr^gt, sodass nur flache Hierarchien angenommen werden kOnnen.'^^^ Dariiber hinaus weisen virtuelle Untemehmen hohe Flexibilitatspotenziale auf und benOtigen flexibel einsetzbare und anpassungsMiige Koordinationsinstrumente, urn gerade in dynamischen Organisationsumwelten bestehen zu kSnnen.'^^^ Aufgrund der hohen Flexibilitat und Dynamik in virtuellen Untemehmen k5nnen jedoch nur sehr wenige Verfahrensweisen a priori festgelegt werden. Starre oder wenig differenzierte Programme entsprechen den Flexibilitatsanfordemngen nicht. Eine Verwendung flexiblerer Programme mit umfangreichen Kategorienschemata ware in virtuellen Untemehmen dagegen zwar denkbar,'^" jedoch musste dazu zunSchst einmal eine Vielzahl von Kategorien und konditionalen Verzweigungen, d. h. spezielle Programme fur eine Vielzahl von Situationen bzw. Problemen im Voraus entwickelt und schriftlich fixiert werden. Dies ware zunSchst mit einem hohen Arbeits- und Kostenaufwand verbunden, der wiederum im Widerspruch zum Postulat der „schlanken Organisation" bzw. der Vermeidung eines strukturellen Uberbaus stehen wiirde. Zudem ist anzunehmen, dass - wenn uberhaupt - nur sehr wenige speziellere Programme zur L5sung eines konkreten Koordinationsproblems angewandt werden kOnnen und somit die Effizienz dieses Koordinationsinstmments in virtuellen Untemehmen in Frage gestellt werden k5nnte. Aus theoretischer Sicht erscheinen daher Programme als Koordinationsinstmmente in virtuellen Untemehmen kaum geeignet. Diese Annahme wird durch den empirischen Nichtbefund unterstiitzt: In den untersuchten 19 virtuellen Untemehmen konnten keine Anhaltspunkte flir die Verwendung von Programmen als Koordinationsinstmmente gefunden werden. Auch bei den Fallbeispielen, die dem Typ I („Virtueller Generaluntemehmer") zugeordnet werden konnten und bei denen aufgmnd des tendenziell hierarchischen Charakters bei der Kooperation*^" noch am ehesten Programme als Koordinationsinstmmente hatten
^^^'^ Siehe hierzu die Ausfuhrungen in Abschnitt 5.3.2.1. ^^^° Vgl. Becker (2001), S. 3; Fukuyama/Shulsky (1997), S. 17; Picot et al. (2003), S. 458; Sieber (1998a), S. 41 f. '^^' Vgl. Picot et al. (2003), S. 425; Kemmner/Gillessen (2000), S. 57; Schrader (1996), S. 128. '^" Siehe auch Specht/Kahmann (2000), S. 61. '^^^ Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zu Abschnitt 5.3.1.1 dieser Arbeit.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
281
vermutet werden k5nnen, werden keine Programme zur Steuerung der Leistungserstellungverwendet.^^^"* Wird auf die Verwendung von Programmer! verzichtet, so stellt sich die Frage, ob andere technokratische Koordinationsinstrumente die Notwendigkeit einer flexiblen Vorauskoordination in virtuellen Untemehmen ermOglichen. Eine MSglichkeit einer flexiblen Vorauskoordination besteht z. B. in der Verwendung von PlSnen, die im Folgenden nSher betrachtet werden. 5.3.3.2 Plane/Planung Programme und Plane weisen hinsichtlich der engen Verbindung zur Formalisierung, die auf die Anwendung festgelegter Verfahren zurtickzufiihren ist, gewisse Ahnlichkeiten auf. So stellen Programme wie auch Plane Instrumente einer Vorauskoordination dar. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Programme den Ablauf von Aktivitaten dauerhaft festlegen, Plane hingegen flexibel an die sich andemden Umweltbedingungen und untemehmensintemen Gegebenheiten angepasst werden kSnnen und nur fiir einen bestimmten Zeitraum Gultigkeit beanspruchen.^^^^ Die Koordinationsfunktion von Planen bzw. der Planung besteht allgemein darin, zu den angestrebten Handlungszielen Strategien und Gmndsatze flir die gemeinsamen Aktivitaten anzugeben, mit denen die interdependenten Einzelentscheidungen und einzelnen MaBnahmen organisatorischer Einheiten aufeinander abgestimmt und auf das ubergeordnete Organisationsziel hin ausgerichtet werden.^^^^ Plane lassen sich grundsatzlich in einem weiteren und einem engeren Sinne unterscheiden.'^^^ Im weiteren Sinne kann man alle in die Zukunft reichenden Koordinationsentscheidungen als Planung bezeichnen. Dies deutet bereits auf die Schwierigkeit hin, Planung als Koordinationsinstrument von anderen Koordinationsinstrumenten abzugrenzen.*^^* Beispielsweise kOnnen Handlungsanweisungen und Aufgabenvertei-
^^^^ Siehe hierzu die Fallstudien der Virtuellen Fabrik Steko in Abschnitt 5.2.2.1 und der Tronsoft im Anhang dieser Arbeit. '^^^ Vgl. Kubicek/Welter (1985), S. 798; KieserAValgenbach (2003), S. 120; Specht/Kahmann (2000), S.65. '^^^ Vgl. Hoffmann (1980), S. 101 u. 347; Kieser/Walgenbach (2003), S. 120. ^^" Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 119 f; Wall (2000a), S. 122 ff. ^^^^ Siehe hierzu auch KieserAValgenbach (2003), S. 119; Wolf (1994), S. 119. Eine mOgliche Definition bietet Hofftnann (1980), S. 346. „Planung in Untemehmungen bedeutet systematisches, bewusstes, rationales und prospektives Denkhandeln zur Festlegung und Spezifizierung von HandlungsspielrSumen organisatorischer Bereiche sowie zur Strukturierung ktlnftiger Ent-
282
Darstellung der Ergebnisse
lungen im weitesten Sinne auch als Planung bezeichnet werden, da sie wie Plane verbindliche, in die Zukunft reichende Festlegungen darstellen. Eine Abgrenzung ist auch deshalb so schwierig, da Planung grundsatzlich eine oder mehrere Organisationseinheiten, z. B. Gremien oder Koordinatoren, mit mOglicherweise divergierenden Interessen einschliefit, die die Planungsentscheidungen treffen. Im engeren Sinn werden Plane erst dann als Koordinationsinstrumente betrachtet, wenn sie das Resultat eines institutionalisierten Planungsprozesses sind, d. h. sie nach festgelegten Regeln und Verfahren zumeist periodisch erstellt werden.'^^^ Da die Koordinationsinstrumente Ziele und Budgets haufig Bestandteile oder Hilfsmittel von Pianen sind/^^^ werden sie in den folgenden Ausfiihrungen im Zusammenhang mit Pianen bzw. Planungsprozessen berucksichtigt. Es ist unbestritten, dass auch in virtuellen Untemehmen planerische MaBnahmen notwendig sind.'^^^ Eine rein institutionalisierte Planung steht jedoch nicht nur im Widerspruch mit dem im Konzept des virtuellen Untemehmens postulierten weitgehenden Institutionalisierungsverzichts/^" sondem wUrde auch die geforderte Flexibilitat eines virtuellen Untemehmens einschranken.*^" Eine institutionalisierte und umfassende Planung wiirde daher ein zu „trages" Koordinationsinstrument sein^^^^ und nur ein geringes MaB an Feedback-Koordination ermSglichen.^^^^ Fiir virtuelle Untemehmen erscheint daher eine Planung geeignet, die nur gering institutionalisiert ist und z. B. in gemeinsamen Abstimmungen unter den Kooperationspartnem erfolgt. Da in der vorliegenden Arbeit die Absicht verfolgt wird, die Verwendung konkreter Koordinationsinstmmente in virtuellen Untemehmen zu beschreiben und zu analysieren, liegt der Schwerpunkt der folgenden Ausftihmngen auf der Betrachtung von Pianen im engeren Sinne.
scheidungssituationen durch Formulierung anzustrebender Ziele und der zur Zielerreichung notwendigen Mafinahmen." '^^^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 119 f. '^^° Vgl. Hoffmann (1980), S. 347; Reger (1997), S. 63; Wall (2000a), S. 126. ^^^* Vgl. Wall (2000a), S. 137; Kemmner/Gillessen (2000), S. 57. '^" Vgl. die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.1.2. *^^^ Vgl. Wall (2000a), S. 124. •^^^ Vgl. Weibler/Deeg (1998), S. 113 f. •^^^ Vgl. Reger (1997), S. 63.
283
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
In virtuellen Untemehmen lassen sich Plane und die mit ihnen verfolgten Ziele auf drei Ebenen identifizieren: Plane auf der Ebene des latenten Netzwerks, auf der Projektebene (Ebene des aktivierten Netzwerks) und auf der Ebene der Partneruntemehmen/^^^ Da jedoch die Plane und Ziele eines virtuellen Untemehmens auf der Ebene des latenten Netzwerks in Form von Gestaltungszielen, d. h. vor allem der Erreichung von Kosten- und Flexibilitatsvorteilen weitestgehend klar sind^^^^ und eine Analyse der Plane und Ziele der Mitgliedsuntemehmen fUr die in dieser Arbeit verfolgten Fragestellung unzweckmaBig ist/^^^ stehen Plane und Ziele auf der Projektebene eines virtuellen Untemehmens im Vordergrund der Betrachtung.^^^^ Tabelle 15 gibt einen Uberblick, inwieweit Plane bzw. Planungen in den untersuchten virtuellen Untemehmen zur Koordination der Leistungserstellung verwendet werden und welchen Stellenwert ihnen beigemessen wird. Tabelle 15: Verwendung von Planen im Untersuchungssample -
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Legende: Bedeutung des betrachteten Koordinationsinstruments •
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Quelle: Eigene Darstellung.
' Zur Differenzierung dieser Ebenen siehe auch Bleicher (1989b), Sp. 1121; Kosiol (1978), S. 56 ff ' Vgl. Picot et al. (2003), S. 424 f Siehe hierzu die AusfUhrungen in Abschnitt 5.3.2.1 und 5.3.2.3 und auch [Nr.2: 124-125] und [Nr.8: 51-68]. 1268
Siehe hierzu auch Scherm/SUB (2000), S. 460 f.
1269
Vgl. Jarvenpaa/Shaw (1998), S. 47; Picot et al. (2003), S. 423.
284
Darstellung der Ergebnisse
Die tabellarische Ubersicht zeigt, dass Plane bzw. Planungen in den untersuchten virtuellen Untemehmen wesentliche und unverzichtbare Koordinationsinstrumente darstellen. Es ist anzunehmen, dass Art und Umfang der PlanungsmaBnahmen von mehreren Faktoren wie z. B. der Komplexitat der einzelnen Projekte, der Projektdauer, der Anzahl der beteiligten Kooperationspartner und damit dem Grad der Arbeitsteilung und der generellen Planbarkeit einzelner Prozesse abhangen. Da sich die Projekte im Rahmen virtueller Untemehmen hinsichtlich dieser Merkmale z. T. erheblich voneinander unterscheiden,*^^^ kSnnen hierzu keine generalisierenden Angaben gemacht werden. Grundlegende Unterschiede hinsichtlich der Erstellung von PlSnen kOnnen jedoch in Abhangigkeit von der Kooperationsrichtung festgestellt werden. Bei den virtuellen Untemehmen des Typs I, die eine vertikale Kooperationsrichtung aufweisen, Ubernimmt ein federfUhrendes Kemuntemehmen bzw. ein Generaluntemehmer die gesamte Projektplanung.^^^' Zudem stehen die Zulieferer entweder nicht in direktem Kontakt bzw. wissen nicht, dass sie in ein Projekt eingebunden sind, oder stehen im Wettbewerb zueinander.'^^^ Die Zulieferer sind daher von der Projektplanung weitestgehend ausgeschlossen, sodass folgende Hypothese aufgestellt werden kann: H22:
Wenn in einem virtuellen Untemehmen zwischen den Partnem eine vertikale Kooperationsrichtung festgestellt werden kann (virtuelles Untemehmen des Typs I), dann erfolgt die gesamte Projektplanung zentral durch ein Kemuntemehmen bzw. einen Generaluntemehmer.
Dagegen sind bei den virtuellen Untemehmen, die sich durch eine horizontale Kooperationsrichtung auszeichnen, die Kooperationspartner an der Planung wesentlich starker beteiligt. Hierdurch werden an die Planung erhOhte Anfordemngen gestellt. Daher steht die Analyse der planerischen MaBnahmen in den virtuellen Untemehmen, die eine horizontale Kooperationsrichtung aufweisen (Typ II, III und IV), im Mittelpunkt der folgenden Ausftihmngen. Ahnlich wie in Einzeluntemehmen lassen sich auch auf der Projektebene eines virtuellen Untemehmens unterschiedliche Formen von Planungen feststellen,*^^^ Nach Wall
'^^^ Siehe hierzu auch die Angaben in Abschnitt 5.1. '^^*Vgl.[Nr. 12: 26-28,65-66]. ^^^^Vgl.[Nr.2: 279-281]. ^^^^ Vgl. Wall (2000a), S. 133. So wird grundlegend z. B. zwischen Ziel-, MaBnahmen- und Ressourcenplanung unterschieden. Vgl. Kenter (1985), S. 88 ff; Welge (1985), S. 163 ff Cyert/March
285
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
(2000a) sind in virtuellen Untemehmen im Wesentlichen vier Planungsformen relevant: die generelle Zielplanung, die strategische Planung i. e. S., die operative Planung i. e. S. und die Ergebnis- und Finanzplanung. In Abbildung 9 werden die vier Planungsformen im Uberblick dargestellt.'^^"* Der Planungsprozess in virtuellen Unternehmen wird anhand dieses Grundschemas der Teilplanungen verdeutlicht. Im Anschluss hieran bietet es sich an, die Koordinationstheorie mit ihrer prozessorientierten Sichtweise zur Analyse des Planungsprozesses hinzuzuziehen. Abbildung 9: Planungen in virtuellen Untemehmen Generelle Zielplanung • Sachzielebene: "> Festlegung des gemeinsamen Geschaftsfeldes -^ Ermittlung und Festlegung der gewUnschten Sollzustande
Strategische Planung (i. e. S.) -> Untergliederung des Projektziels in Teilziele -> Verteilung von Aufgaben und Teilzielen an die Kooperationspartner • Potcnzialplanimg: -^ Ressourcen und Kapazitaten der Kooperationspartner -^ ggf. Leistungen von extemen Untemehmen beziehen -> Festlegung der luK-Infrastruktur
> Operative Planung (I e. S.) —>
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• Aktionsplaniing: •^ Entwurf von Zeit- und Ablaufplanen -> Implementierung von Online-Terminprogrammen und/oder datenbankbasierten Planungsinstrumenten -> Planung von Projektbesprechungen
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t s 2.
Ergebnis- und Finanzplanung fllr das virtuelle Untemehmen -> Regelung der Aufteilung von Koordinationskosten und UmsatzerlOsen -> ggf. Planung von Budgets
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hahn (1974), S. 53 ff. und Wall (2000a), S. 133. Bevor auf die generelle Zielplanung in virtuellen Untemehmen eingegangen wird, erscheint es zunSchst einmal sinnvoll, auf Ziele als Koordinationsinstrumente Bezug zu nehmen und die mit ihnen verbundenen Funktionen im Uberblick darzustellen.
(1963), S. I l l differenzieren Plfine auf einem hGheren Abstraktionsniveau, indem sie Plane in vier unterschiedliche Kategorien unterteilen: Plane als Ziele, als Zeitplan, als Theorie und als Prazedenzfall. Eine noch detailliertere Ubersicht Ober Planungsarten bietet MacharzinaAVolf (2005), S. 409. ^ Die Darstellung von Wall (2000a) baut auf dem von Hahn (1974), S. 53 ff entworfenen Grundschema der Teilplanungen in Untemehmen auf Siehe hierzu auch Hoffmann (1980), S. 350 f
286
Darstellung der Ergebnisse
Unter den technokratischen Koordinationsinstrumenten stellt die Vorgabe von Zielen das restriktionsfreieste Koordinationsinstrument bei der gesamtzielorientierten Abstimmung in Organisationen dar.'^^^ AUgemein kSnnen Ziele wie folgt definiert werden: „Ziele sind Aussagen Uber angestrebte Zustande (Soll-Zustande), die durch die Auswahl und die Umsetzung geeigneter Handlungsaltemativen erreicht werden sollen."*^^^ In der Organisationssoziologie werden Ziele nach Endruweit (2004) auch definiert als ,,unabhangige Organisationsvariablen, die angeben, welches Ergebnis letztlich durch die Ausubung der Organisationsfunktionen (OrganisationshandeIn) erreicht werden soW'}^^^ Zielen wird eine Reihe von Funktionen zugeschrieben, die die AktivitSten bei der Leistungserstellung in vielfKltiger Weise untersttitzen:^^^^ Sie bieten Kriterien, mit denen eine Bewertung von Handlungsaltemativen vorgenommen werden kann. Dies kann z. B. mit einem Entscheidungsmodell zum Ausdruck gebracht werden, in dem auf der Grundlage von Zielgewichtungen eine Zielreihenfolge gebildet wird (Entscheidungsfunktion). Ziele informieren sowohl die Organisationsmitglieder als auch die Organisationsumwelt uber zukunftige Aktivitaten (Informationsfunktion) und erlauben es, die einzelnen Aktivitaten zu integrieren und im Hinblick auf das angestrebte Gesamtziel auszurichten (Koordinationsfunktion). Auf der Grundlage von Zielen ist ein Soll-Ist-Vergleich mOglich, mit dem eine Kontrolle der Aktivitaten vorgenommen werden kann. Bei einer Zielabweichung kOnnen geeignete MaUnahmen ergriffen werden, um das angestrebte Ziel zu erreichen (Kontrollfunktion). DarUber hinaus bieten Ziele Handlungssicherheit, indem sie Vorgaben fiir die Aufgabenumsetzung beinhalten und - im Falle realistischer Zielsetzungen - Anreize zur Zielerreichung bieten und die Organisationsmitglieder motivieren (Motivationsfunktion). Zudem legitimieren Ziele die Entscheidungen von Entscheidungstragem gegenuber untemehmensintemen und -extemen Akteuren und tragen damit zur KonfliktlOsung bei (Legitimations- und Konfliktl5sungsfunktion).^^^^
'^^^ Vgl. Hoffmann (1980), S. 347. ^^^^ Vgl. Vahs (2005), S. 10 (Hervorh. im Original). '^^^ Vgl. Endruweit (2004), S. 102 (Hervorh. im Original). '^^^ Siehe hierzu ausfiihrlich z. B. Kupsch (1979), S. 1 ff., femer auch Bea (2004), S. 1677. ^^^^ Vgl. Macharzina/Wolf (2005), S. 209. In der Organisationsforschung wird iiber die Analyse der Zielfunktionen hinaus auf die Zieldimensionen Zielinhalt, Zeitbezug, sachlicher Geltungsbereich und ZielausmaB aufmerksam gemacht, die jedoch fiir die in dieser Arbeit verfolgten Fragestellungen nur einen unwesentlichen Beitrag leisten und auf die hier nicht weiter eingegangen werden soil. Siehe weiterfiihrend z. B. Bea (2004), S. 1674.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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Generelle Zielplanung Die Zielbestimmung und -formulierung ist eine zentrale und unverzichtbare Aufgabe der Untemehmensfllhrung, der in der Praxis jedoch haufig zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.^^^° Nur wenn eine klare Zielbestimmung vorgenommen wird, kOnnen Akteure und Ressourcen koordiniert und effizient zur Problem- bzw. Aufgabenbewaltigung eingesetzt werden.*^^' Bei der Zielbestimmung bzw. der generellen Zielplanung werden auf der Sachzielebene die gewUnschten SollzustSnde ermittelt und festgelegt, die letztlich als Ausgangspunkt fiir die gemeinsame Geschaftstatigkeit gelten und auf die in den weiteren Planungsschritten aufgebaut wird.^^^^ Die gewUnschten Sollzustande werden vom Kunden vorgegeben, der die gewUnschte Leistung in Art und Umfang defmiert.^^^^ Sie bilden die Grundlage fUr das Projekt- oder Sachziel des virtuellen Untemehmens. Die Notwendigkeit der generellen Zielplanung besteht immer dann, wenn das vom Kunden angegebene Sachziel nur abstrakt und/oder komplex ist und einer weiteren Konkretisierung bedarf. Dartiber hinaus ist davon auszugehen, dass aufgrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Selbstandigkeit und der anzunehmenden unterschiedlichen Interessenlage der Kooperationspartner zu Projektbeginn unterschiedliche und mOglicherweise konfliktare Zielsetzungen bestehen.*^^"* In den untersuchten virtuellen Untemehmen erfolgt die generelle Zielplanung zwar wesentlich durch den Partner, der den Vertrag mit dem Kunden abschliefit und als Projektmanager die Verantwortung flir das Projekt tragt/^^^ An der Zielplanung beteiligen sich i. d. R. jedoch auch die Projektpartner/^^^ denn nur sie kOnnen vor dem Hintergrund ihres Kemkompetenzwissens einschatzen, ob der Kundenwunsch wie angegeben realisiert werden kann oder ob z. B. produktionstechnische Einschrankungen bei der Leistungserstellung berticksichtigt werden miissen.'^^^ Zudem ist es aus
*^^° Vgl.Bea (2004), S. 1675 f. •^^* Vgl. Endruweit(2004), S. 108. ^^^^ Vgl. Wall (2000a), S. 127. *^^^ Vgl. Wall (2000a), S. 127. '^^Wgl.Sieber (1998a), S. 95. *^^^ Vgl. [Nr.4: 336-338]; [Nr.8: 64-67, 225-233, 333-338]; [Nr.ll: 559-584]; [Nr.l3: 365-366, 580584]; [Nr. 17: 289-293]. •286 Ygi pvjr 15. 397-398]. Die Beteiligung der Kooperationspartner an der Zielplanung hebt auch Pieles(2004),S. 183 hervor. •^^"^ Siehe hierzu auch KieserAValgenbach (2003), S. 121.
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Darstellung der Ergebnisse
motivationaler Sicht unverzichtbar, das Projektziel und die in weiteren Planungsschritten abzuleitenden Teilziele unter den Netzwerkpartnem gemeinsam festzulegen.^^^^ Wahrend Plane auf der Sachzielebene eine wesentliche Voraussetzung^fiir eine erfolgreiche Kooperation darstellen, wird in den untersuchten virtuellen Untemehmen auf eine Formalzielplanung verzichtet.'^^^ Wall (2000a) ist der Ansicht, dass eine Formalzielplanung (insbesondere im Hinblick auf ein gesamthaftes Ergebnisziel) auf praktische Schwierigkeiten stoBen wtirde. So musste vorausgesetzt werden, dass sich die Kooperationspartner auf ein gemeinsames Zielkriterium, z. B. die Kapitalrentabilitat einigen, fiir das dann eine Plangr5l3e ermittelt wird.^^^^ Die Praktikabilitatsprobleme bestUnden einerseits darin, dass die zur Festlegung der Zielgr56e erforderlichen Informationen zum Kapitaleinsatz der Kooperationspartner aufgrund ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Selbstandigkeit erheblich schwieriger zu gewinnen seien als in einem traditionellen Untemehmen. Andererseits kSnne die Richtigkeit dieser Angaben nicht Uberpriift werden, sodass die Gefahr eines opportunistischen Verhaltens bestehe. Geben die Kooperationspartner z. B. einen hGheren Kapitaleinsatz an, als tatsachlich erfolgen wird, hatte dies zur Folge, dass die (Gesamt-)Kapitalrentabilitat sinken wtirde und das gemeinsame Vorhaben aufgrund der vermeintlich geringen Rentabilitat unvorteilhaft erscheint.'^^^ Dartiber hinaus stehen gesonderte Rechenwerke wie z. B. Bilanzen im Widerspruch zu dem im Konzept des virtuellen Untemehmens postulierten Verzicht auf einen administrativen Uberbau.^^^^ Strategische Planung Ist das Projektziel operabel und inhaltlich prazise, ist es fiir eine erfolgreiche Kooperation unverzichtbar, dass eine zentrale Koordinationseinheit, i. d. R. der Projektmanager, die Kooperationspartner auf das gemeinsame projektspezifische Ziel ausrichtet.^^^^ Dies sei deshalb notwendig, um Handlungs- und Planungssicherheit bei der Projektumsetzung zu gewahrleisten und sicherzustellen, dass alle Projektpartner dasselbe Ziel verfolgen.'^^"* In der strategischen Planung werden die grundlegenden Strategien und
'^^^Vgl.[Nr. 16: 393-397]. *^^^ Vgl.Pieles (2004), S. 190. ^^^%gl. Wall (2000a), S. 128. ^^^* Vgl. Wall (2000a), S. 129. '^^^ Siehe hierzu auch die Ausftihrungen in Abschnitt 2.1.2. •^^^ Vgl. [Nr.l7: 384-387]; Siehe auch Muller (1990), S. 371 und Sieber (1998a), S. 95. '^^^ Vgl. [Nr.4: 213-215]; [Nr.l8: 297-324].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
289
die erforderlichen MaBnahmen im virtuellen Untemehmen sowie in den Netzwerkuntemehmen festgelegt/^^^ Hierbei wird u. a. das komplexe Projektziel in Uberschaubare Teilziele bzw. die entsprechenden Teilaufgaben untergliedert und auf die beteiligten Kooperationspartner verteilt. Urn den Koordinationsaufwand m5glichst gering zu halten und Konflikte bei der Aufgabenverteilung zu vermeiden, erfolgt die Wahmehmung dieser Koordinationsaufgabe im Wesentlichen durch den Projektmanager.^^^^ Nach Ansicht des interviewten Netzwerkmanagers der Virtuellen Fabrik BadenWilrttemberg sei es hierbei wichtig, dass klare und v. a. realistische Zielsetzungen vorgenommen werden.^^^^ Klare Zielsetzungen werden vom Interviewpartner der Creaprodi als Voraussetzung fiir eine effiziente Koordination betrachtet: Jch wurde mal so sagen, dass der Koordinationsaufwand wesentlich geringer ist, wenn zu Beginn der Leistungsbereich und die Leistungserbringung klar definiert ist.''^^^^ Ist den Projektpartnem das Projektziel nicht klar und wird keine prazise Aufgabenverteilung vorgenommen, kann dies leicht zu MissverstSndnissen, Motivationsverlusten, Problemen bei der Ablauforganisation und sogar zu Projekt gefUhrdenden Konflikten unter den Kooperationspartnem fiihren.^^^^ Um hinreichende Klarheit Uber die Projektziele zu erreichen und daraufhin eine prSzise Aufgabenverteilung vomehmen zu kOnnen, ist es nach Ansicht des Geschaftsftihrers der ConVerve notwendig, das vom Kunden durch seinen Wunsch meist nur grob und abstrakt vorgegebene Projektziel im Rahmen eines KundenberatungsgesprSchs nSher zu konkretisieren.'^^^ Die Zielbestimmung bzw. -konkretisierung ist jedoch keine einmalige Aufgabe, die bereits zu Projektbeginn abgeschlossen werden kann. Vielmehr muss die Zielbestimmung in Organisationen und damit auch in virtuellen Untemehmen als Prozess verstanden werden.'^°^ Infolge auftretender Umsetzungsprobleme, aber auch aufgrund von Einflussfaktoren, die zu
•^^^ Vgl. V^elge (1985), S. 163 ff.; Pieles (2004), S. 81 fif. '^^^ Vgl. [Nr.4: 332-353, 665]; [Nr.5: 250-259]; [Nr.8: 352-354]; [Nr.lO: 381-384]; [Nr.l4: 283-284]; [Nr.l6: 305-336]; [Nr.l8: 335-357, 358-382, 383-403]; [Nr.l9: 357-359, 362-363]. Siehe hierzu auch SchneeweiB (1995), S. 97, der darauf hinweist, dass zur Reduzierung des Koordinationsaufwandes bei der Zerlegung des Projektziels in Teilziele haufig hierarchieahnliche Strukturen verwendet werden. Ahnlich auBern sich auch Weibler/Deeg (1998), S. 115 und BrUtsch/Frigo-Mosca (1996), S. 35, die der Auffassung sind, dass durch die Koordination eines einzelnen Akteurs Konflikte unter weitgehend gleichberechtigten Partnem vermieden werden kOnnen. '^^^ Vgl. [Nr.l6: 391-400]. *^^^ Vgl. [Nr.8: 225-227]. '^^^ Vgl. [Nr.4: 524-536]. '^°%gl. [Nr.l9: 117-122]. '^°' Vgl. Staehle (1999), S. 442; Liebhart (2002), S. 48.
290
Darstellung der Ergebnisse
Projektbeginn nicht oder nur unzureichend berOcksichtigt werden konnten, mtissen die Ziele in regeimafiigen AbstSnden von ca. ein bis drei Monaten reflektiert, d. h. im Rahmen einer Feedback-Koordination erweitert oder konkretisiert werden J^°^ Haufig werden das Projektziel und die daraus abgeleiteten Teilziele in VertrSgen oder Absichtserklarungen schriftlich niedergelegt oder den Projektpartnern in einer Kooperationsdatenbank zugSnglich gemacht.'^^^ Dies ermOglicht im weiteren Projektverlauf einerseits die Kontrolle dariiber, inwieweit die vereinbarten Teilziele erreicht wurden und welche Aufgaben zur Erreichung des Gesamtziels noch bewaltigt werden mtissen. Andererseits kann mit dem Anstreben und dem Erreichen von realistischen Teilzielen die Motivation der Kooperationspartner weiter gefSrdert werden.'^^'^ Die vorausgegangenen Ausfiihrungen geben Grund fiir die Annahme, dass klare und realistische Ziele einen signifikant positiven Einfluss auf die Effizienz der Koordination haben und dazu beitragen, den Koordinationsaufwand bei der Leistungserstellung zu senken. Daher wird folgende Hypothese abgeleitet: H23:
Wenn das Projektziel und die daraus abgeleiteten Teilziele klar formuliert und realistisch sind, dann hat dies einen signifikant positiven Einfluss auf die Effizienz der Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung in einem virtuellen Untemehmen.
Wie in traditionellen Projekten, mtissen auch in virtuellen Untemehmen im Rahmen einer Potenzialplanung oder auch Ressourcenplanung*^^^ die fur den Leistungserstellungsprozess erforderlichen Ressourcen und Kapazitaten ermittelt und bereitgestellt werden. Die Potenzialplanung erfolgt in den untersuchten virtuellen Untemehmen im Rahmen von Projektbesprechungen, an denen alle Kooperationspartner beteiligt sind.'^^^ Dies hat den Vorteil, die Kreativitat der Kooperationspartner bei der Potenzi-
'^°^Vgl.[Nr.l9: 117-122]. ^^^^ Siehe hierzu auch Wall (2000a), S. 123 und die Ausfiihrungen zu den Koordinationsinstrumenten Vertrage in Abschnitt 5.3.3.5 sowie zu den informationstechnischen Koordinationsinstrumenten in Abschnitt 5.3.4. '^°^ Siehe hierzu auch [Nr.l5: 446-450]; [Nr.l6: 454-457]. *^^^ Vgl.Welge (1985), S. 163 ff. '^^^ Vgl. [Nr.l9: 315-326, 330-347]; [Nr.8: 52-56, 571-579, 657-658]; [Nr.l8: 125-137]. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zur Durchfiihrung von Projektbesprechungen in Abschnitt 5.3.1.1.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
291
alplanung einbeziehen zu kOnnen und ihr Engagement bei der Durchfiihrung der gemeinsam geplanten Aktionen zu erhQhen.'^^^ Da die Kooperationspartner haufig unabhSngig voneinander die erforderlichen Ressourcen beschaffen, die sie zur Erstellung ihrer Teilleistung ben5tigen, geht es bei der Potenzialplanung im Wesentlichen urn die Klarung der Frage, ob die beteiligten Kooperationspartner die erforderlichen (Kem-)Kompetenzen und KapazitSten ftir das geplante Projekt aufweisen. Fehlen einzelne (Kem-)Kompetenzen oder reichen die Kapazitaten der Kooperationspartner nicht aus, kSnnen diese kurzfristig tlber exteme Untemehmen auf der Grundlage von Zuliefervertragen integriert werden.'^^* Im Rahmen der Potenzialplanung erfolgt auch die Festlegung der informations- und kommunikationstechnischen Infrastruktur, die zur Unterstutzung der Kommunikation wahrend der Kooperation verwendet werden soll.'^^^ Hierzu werden gemeinsame Kommunikationsstandards gewahlt und damit die informationstechnologischen Kommunikationsschnittstellen defmiert.^^*^ Die MaBnahmen der Potenzialplanung sind wiederum in der Aktionsplanung und der Ergebnis- und Finanzplanung zu berticksichtigen.'^^' Operative Planung Die operative Planung richtet sich auf die Erstellung der Teilleistungen in den beteiligten Netzwerkuntemehmen (Aktionsplanung) im Sinne der generellen Zielplanung und der strategischen Planung. In den untersuchten virtuellen Untemehmen liegt der Schwerpunkt der operativen Planung v. a. auf der gemeinsamen Entwicklung von Zeitund Ablaufplanen, um einen mOglichst reibungslosen Leistungserstellungsprozess zu gewahrleisten. In den Zeit- und Ablaufplanen werden meist in groben ZUgen die Aufgaben der Projektpartner und die vereinbarten Fertigstellungstermine schriftlich
'^^^ Vgl. V^all (2000a), S. 136. Lorange (1988), S. 378 spricht hinsichtlich der Kreativitatspotenziale der Kooperationspartner oder Filhrungskrafte auch von einem „group think tank". ^^^^ Vgl. [Nr.6: 87-92,204-209]; [Nr.l3: 580-583]. '^^^ Vgl. Wall (2000a), S. 129 f '^'° Dies kOnnen z. B. Projektmanagementapplikationen wie Microsoft Project sein, eine webbasierte Kommunikationsplattform oder auch Standard E-Mail-Programme wie Microsoft Outlook sein. Die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien in virtuellen Untemehmen werden in Abschnitt 5.3.4 ausfiihrlich diskutiert. '^" Vgl. Wall (2000a), S. 133.
292
Darstellung der Ergebnisse
festgelegt.'^^^ Als sehr hilfreich bei der terminlichen Koordination unter raumlich verteilten Kooperationspartnem habe sich die Einrichtung von Online-Terminprogrammen sowie datenbankbasierten Planungsinstrumenten erwiesen/^'^ Die gemeinsam entworfene und schriftlich niedergelegte Projektplanung kann aber auch mittels einer E-Mail alien Projektpartnem zugeschickt werden.'^'"^ Da zu Projektbeginn aufgrund der Komplexitat der Projekte und/oder des Auftretens von Problemen bei der Projektumsetzung i. d. R. nicht alle Aufgaben und Prozesse geplant werden kSnnen, erfolgen in regelmSBigen Abstanden von etwa zwei bis drei Monaten Projektbesprechungen, in denen die Kooperationspartner die aufgetretenen Probleme besprechen, gemeinsame Entscheidungen treffen und weitere MaBnahmen planen.^'^^ Ergebnis- und Finanzplanung Die 0. g. von Wall (2000a) vorgetragenen Zweifel, ob in einem virtuellen Untemehmen eine Planung der Ergebnisziele, z. B. der Kapitalrentabilitat, zweckmSBig und praktikabel ist, kSnnen im Ubertragenen Sinn auch gegen eine gesamtuntemehmensbezogene Ergebnis- und Finanzplanung angefuhrt werden. Aufgrund der rechtlichen und wirtschaftlichen SelbstSndigkeit der Partneruntemehmen kOnnen keine ergebnisbezogenen Ziele verbindlich vorgegeben werden, sodass durch eine Ergebnisplanung, die das gesamte virtuelle Untemehmen betrifft, keine institutionale Koordinationsfunktion erwartet werden kann.^^^^ Vielmehr kann die Ergebnis- und Finanzplanung als Entscheidungsgrundlage fiir die Partneruntemehmen des latenten Netzwerks dienen, ob die Teilnahme an einem Projekt im Rahmen eines virtuellen Untemehmens fiir sie vorteilhaft ist oder nicht. Durch die Kalkulation der Kosten, die mit der Erstellung der Teilleistungen bei den Partneruntemehmen verbunden sind, kann der jeweilige Finanzbedarf in den Partnemntemehmen ermittelt werden. Die Finanzplanung liefert
^^^^ Vgl. [Nr.6: 281-292, 383-391, 438-468, 491-502]; [Nr.8: 64-67, 225-233, 333-338]; [Nr. 9: 140187]; [Nr.l3: 365-366, 580-584]; [Nr.l7: 258-288, 394-405]; [Nr.l8: 276-279, 332-334]; [Nr.l9: 112-116]. '^'^ Vgl. [Nr.lO: 95-117]; [Nr.ll: 494-498]. Siehe hierzu die Ausfuhrungen unter Abschnitt 5.3.4 dieser Arbeit. *^^^ Vgl. [Nr.l8: 231-234]. ^^^^ Vgl. [Nr.6: 281-292, 383-391, 438-468, 491-502]; [Nr.l3: 590-591]; [Nr.l3: 590-591]; [Nr.lO: 301-309]; [Nr.4: 178-182, 314-338]; [Nr.l7: 391-405]. In Abbildung 7 ist dies durch die Ruckkopplungsschleife gekennzeichnet. ^^'^ Vgl. Wall (2000a), S. 131.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
293
somit Informationen zur Sicherung der LiquiditSt der einzelnen Partneruntemehmen/^'^ Auf der Grundlage der Summe der ermittelten Kosten, die zur Herstellung der Teilleistungen anfallen, kann der projektverantwortliche Partner mit dem Kunden einen Gesamtpreis bzw. Verrechnungspreise fiir die gewtinschte Leistung aushandeln.^^'^ Mit der Ergebnis- und Finanzplanung ist auch die Regelung der Aufteilung der Koordinationskosten und der UmsatzerlSse oder Gewinne verbunden. Hierzu werden vor Projektbeginn gemeinsame Kostenplane unter den beteiligten Kooperationspartnem entwickelt, in denen die Fragen der Finanzierung oder Budgetierung der Leistungen gekiart werden.'^'^ In Abhangigkeit von der Kooperationsrichtung und von dem Vertrauensverhaltnis unter den Partnerunternehmen konnen die UmsatzerlOse im Wesentlichen auf zweierlei Art und Weise verteilt werden: Entweder werden sie bereits bei den Lieferungen der Teilleistungen auf der Grundlage von Verrechnungspreisen zwischen den Partnerunternehmen verteilt/^^° oder der Umsatzerl6s wird erst beim Absatz der gemeinsam erbrachten Leistung an den Kunden an die Partnerunternehmen aufgeteilt.'^^^ Letzteres erfolgt bei den untersuchten Fallbeispielen jedoch recht selten. Um Konflikte bei der Aufteilung des UmsatzerlOses zu vermeiden, kann die Gewinnverteilung nach einem zuvor festgelegten Verteilungsschlussel erfolgen. So weist z. B. der Interviewpartner der Redesign Deutschland darauf hin: „Nachdem wir den Pitch gewonnen haben, haben wir uns noch einmal intern zusammengesetzt und uns gefragt, wie wir den Gewinn aufteilen wollen. Und da sind wir in diesem konkreten Beispiel zu dem Entschluss gekommen, dass die vier Leute, die in diesem Projekt beteiligt waren, alle den gleichen Anteil bekommen sollen. So gibt es hinterher keinen Streit und alle sindgleichermafien motiviert''^^^^ Weitere PlangroBen, die im Rahmen der Ergebnis- und Finanzplanung berticksichtigt werden konnen, stellen Budgets dar. Ein Budget kann als eine in Geldeinheiten bewertete Plangr5Be defmiert werden.^^^^ Diese Plangr5Ben, die z. B. Umsatz-, Ausgaben-
'^•''Vgl. Wall (2000a), a.a.O. '^'^ Vgl. [Nr.6: 45M53]; [Nr.7: 492-506]. Siehe hierzu auch Abschnitt 5.3.3.3. ^^'^ Vgl. [Nr.6; 281-292,491-502]; [Nr.8: 64-67,225-233]. Siehe auch Wall (2000a), S. 136 f '^^^ Siehe hierzu die Ausfiihrungen zu Verrechnungspreisen in Abschnitt 5.3.3.3 dieser Arbeit. •^^'Vgl. Wall (2000a), S. 131. '^^^ Vgl. [Nr.17: 412-417]. '^^^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 546.
294
Darstellung der Ergebnisse
Oder Kostenbudgets darstellen, werden einer Organisationseinheit fur einen festgelegten Zeitraum verbindlich vorgegeben. Mit der Zuweisung eines Budgets wird dem an einem Projekt beteiligten Partner die Handlungsfreiheit eingeraumt, innerhalb dieses finanziellen Rahmens im Hinblick auf die von ihm zu erstellende Leistung frei entscheiden zu konnen. Hierbei trSgt der Partner lediglich die Kostenverantwortung. Die Ergebnisverantwortung obliegt dagegen dem Projektmanager bzw. dem Kooperationspartner eines virtuellen Untemehmens, der den Vertrag mit dem Kunden geschlossen hat und dadurch die rechtliche Verantwortung flir das Projekt tragt.'""^ Die Vorteile von Budgets liegen einerseits in der Entlastung der Projektleitung, da die Partner durch die Aufgabenzuweisung und die Ubemahme der Kostenverantwortung selbst fiir ihre Leistungserstellungsprozesse verantwortlich sind. Andererseits k5nnen durch die Planung und Abstimmung der einzeinen Budgets sowohl deren Zusammenwirken gesteuert als auch die Ergebnisse der Budget-PlangrOBen kontrolliert werden.^^2^ Wie der Tabelle 16 zu entnehmen ist, werden Budgets nur in einem der neunzehn untersuchten virtuellen Untemehmen als Koordinationsinstrumente im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses verwendet:
'^^"^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 546. '"^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 547.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
295
Tabelle 16: Verwendung von Budgets im Untersuchungssample -
VU-Typ
Nr.
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Fallbeispiel
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^
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3
Budgets
Legende: Bedeutung des betrachteten Koordinationsinstruments •
sehr hoch ^ hoch 3 mittel
(5 gering O sehr gering
Quelle: Eigene Darstellung. Bei der Gigaperls wird das Projektbudget in den meisten Projekten von den beiden interviewten Geschaftsfiihrem verwaltet. In einzelnen Projekten kann nach Absprache mit den Kooperationspartnem das Projektbudget auch in Teilbudgets aufgeteilt und den Kooperationspartnem zugewiesen werden. Sie haben dann die MOglichkeit, das ihnen zugeteilte Budget eigenverantwortlich zu verwenden und die Leistung ggf. durch Zulieferer erstellen zu lassen, wenn diese die Leistungen preiswerter erstellen k()nnen: ,,Wenn das Endergebnis stimmt, ist alles moglich,''^^^^ Die Kooperationspartner haben dadurch einen vergleichsweise groBen Entscheidungsspielraum. In grSBeren Projekten erfolgt die Budgetierung dagegen nicht nur einmal bei Projektbeginn, sondem im Rahmen von Projektbesprechungen z. B. monatlich.^^^^ Die M5glichkeit der eigenverantwortlichen Ausgliederung der Leistungserstellung durch die Kooperationspartner verdeutlicht die Flexibilitat und die tendenzielle Selbstorganisation, die durch die Budgetierung gefbrdert wird. Dennoch wird in den ubrigen Untemehmensbeispielen auf Budgets zur Koordination der Leistungserstellung verzichtet. Dies kann im Wesentlichen auf einen strukturellen und einen eher pragmati-
' Vgl. [Nr.4: 473]. ^ Vgl. [Nr.4: 465-489].
296
Darstellung der Ergebnisse
schen Grund zuriickgefuhrt werden: Aus struktureller Sicht muss berUcksichtigt werden, dass Budget!erungssysteme einen gewissen hierarchischen Charakter aufweisen.'^^^ Obwohl Budgets den BudgetempfUngem eine relativ groBe Handlungsautonomie einraumen, erfolgt die Entscheidung Uber die H5he und Verteilung von Budgets i. d. R. nicht durch eine wechselseitige, gleichrangige Abstimmung, sondem durch eine ubergeordnete Instanz, Da virtuelle Untemehmen idealtypisch jedoch auf die Institutionalisierung zentraler Managementfunktionen weitgehend verzichten, erscheinen Budgets daher weniger geeignet. Der pragmatische Grund besteht darin, dass der Entwurf eines Budgets strukturierbare und standardisierbare Aufgabenstellungen mit relativ eindeutigen Input-Output-Beziehungen voraussetzt.^^^^ Gerade dies kann aufgrund des haufig hohen Komplexitatsgrades der Projekte in virtueilen Untemehmen, ihrer meist nur sehr schwer strukturierbaren und wenig standardisierbaren Leistungserstellungsprozesse sowie der haufig unklaren Input-Output-Beziehungen nicht vorausgesetzt werden, sodass Budgetierungen unter diesen Voraussetzungen kaum mOglich sind.*^^° Die Verwendung von Budgets bei der Gigaperls ist m5glicherweise darauf zuruckzufiihren, dass die Projekte vergleichsweise groBe Ahniichkeiten untereinander aufweisen^"' und auf der Grundlage von Erfahrungswerten eher Budgets fiir die Erstellung von Einzelleistungen aufgestellt werden k5nnen. Nachdem nun das Grundschema der Teilplanungen in virtueilen Untemehmen in Verbindung mit den empirischen Befunden dargestellt wurde, werden diese Ausftihrungen im Folgenden durch eine koordinationstheoretische Betrachtung des Planungsprozesses erganzt. Die Koordinationstheorie erlaubt eine prozessorientierte Sicht der Koordination und eignet sich daher zur systematischen Analyse des Planungsprozesses in virtueilen Untemehmen. ^"^ Dartiber hinaus k(5nnen auf der Basis zentraler Konzepte der Koordinationstheorie Aussagen im Hinblick auf die Verwendung weiterer, in Verbindung mit Planen stehender Koordinationsinstrumente getroffen werden. Die Grundlage der folgenden Ausfiihmngen bildet hierbei das in Tabelle 4 dargestellte
'^^^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 547. ^^^^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 547. '^^^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 547. ^"' Vgl. [Nr.4: 178-185]. ^^^^ Vgl. hierzu die Ausfiihrungen zur Koordinationstheorie in Abschnitt 3.3. Siehe auch Pieles (2004), S. 132 ff.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
297
Konzept der Prozessebenen der Koordination, da sich die ubrigen Konzepte der Koordinationstheorie auf dieser Basis als Spezifizierungen integrieren lassen.^^^^ Den Ausgangspunkt der Analyse von Koordinations- bzw. Pianungsprozessen stellt die Prozessebene der Wahmehmung gemeinsamer Objekte dar. Im Rahmen der generellen Zielplanung werden den Kooperationspartnem die Projektinformationen zugangiich gemacht, um eine gemeinsame Informationsbasis zu gewShrleisten. Dies kann z. B. im Rahmen eines Projekttreffens oder mittels einer gemeinsamen Projektdatenbank erfoigen, in der die projektreievanten Daten gespeichert sind.^""* Auf dieser Grundlage ist es m5glich, dass die Kooperationspartner einen ersten Eindruck beztiglich des gemeinsam zu bewaltigenden Kundenauftrags gewinnen.'"^ Um eine effiziente Kommunikation bei der Koordination zu ermOglichen, mussen auf der Prozessebene der Kommunikation gemeinsame Kommunikationsmedien und -standards festgelegt werden.^^^^ Hierzu eignen sich unter anderem z. B. E-Mail und/oder eine spezielle Software zur Untersttitzung des Projektmanagements.^^^^ Die Zielplanung erfolgt unter Beteiligung aller Kooperationspartner auf der Prozessebene der Gruppenentscheidungen. Im Rahmen von Projektbesprechungen k5nnen ProblemlSsungsvorschlSge und Altemativen besprochen werden. Letztlich erfolgt eine Auswahl eines ProblemlOsungsvorschlags entweder auf der Grundlage einer Gruppenentscheidung'"^ oder durch einen zentralen Akteur.*"^ Mit der Initiierung dieser drei Prozessebenen ist die Basis fur die Prozessebene der Koordination gegeben, die sich inhaltlich im Wesentlichen auf die strategische und operative Planung bezieht. Nach der Koordinationstheorie bilden Ziele, Aktivitaten, Akteure und Interdependenzen die zentralen Analyseeinheiten auf der Prozessebene der Koordination. ^^"^^ Die Ziele des virtuellen Untemehmens werden im Rahmen der generellen Zielplanung auf der Grundlage des Kundenwunsches und der darauf folgenden Zielkonkretisierung z.
*^^^ Die Tabelle 4 befindet sich in den Ausfiihrungen zur Koordinationstheorie in Abschnitt 3.3.1. ^^^^ Siehe hierzu auch das Beobachtungsprotokoll in Anhang G. *"^ Vgl. Pieles (2004), S. 169. ^^^^ Vgl. Specht/Kahmann (2000), S. 52; Picot et al. (2003), S. 536; Mertens/Faisst (1995a), S. 66. '^^^ Siehe hierzu die Ausfiihrungen zu Abschnitt 5.3.4. '"^ Vgl. Balint/Kourouklis (1998), S. 166 I '"^ Vgl. Hedberg et al. (1997), S. 204. ^^^^ Siehe Tabelle 4 in Abschnitt 3.3.1.
298
Darstellung der Ergebnisse
B. in einem ersten Projekttreffen festgelegt. ^^^' ^ Zu den Aktivitaten im Rahmen des Planungsprozesses bzw. der strategischen Planung gehOren die Untergliederung des Projektziels in operable Teilziele'^"*^ und die Verteilung von Aufgaben und Teilzielen an die Kooperationspartner in Abhangigkeit von ihren jeweiligen (Kem-)Kompetenzen. Zwar ist dies nach Malone/Crowston sowohl auf der Grundlage gemeinsamer Abstimmungen unter den Kooperationspartnem als auch durch einen zentralen Akteur mOglich,'^"*^ jedoch konnte in den Ausfiihrungen zur strategischen Planung als auch zu den sozialen Rollen'^'*'^ gezeigt werden, dass in virtuellen Untemehmen ein zentraler Akteur, d. h. ein Projektmanager diese Aufgaben wahmehmen sollte. Den Akteuren wird nach koordinationstheoretischem Verstandnis die Ausfiihrung von Aktivitaten zugeordnet, die auf ein Ziel hin ausgerichtet sindJ^"*^ Im Rahmen der operativen Planung sowie der Ergebnis- und Finanzplanung mlissen die Interdependenzen zwischen den Kooperationspartnem berticksichtigt werden. Die in der Koordinationstheorie entwickelte Klassifikation von Interdependenzen'^'*^ lasst sich auf virtuelle Untemehmen (ibertragen und hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstmmenten analysieren. Bei einer „Geteilte-Ressource-Abhangigkeit" (^Sharing") greifen zwei Aufgaben auf dieselbe Ressource zu. Ressourcen lassen sich nicht nur - wie die Koordinationstheorie vorschlagt - in teilbar und unteilbar bzw. wiederverwendbar und nicht wiederverwendbar unterscheiden, sondem auch hinsichtlich ihrer Beschaffenheit in tangibel (z. B. Rohstoffe, Werkzeuge, Produktionsanlagen) und intangibel (z. B. Informationen) differenzieren.'^"^^ Im Gegensatz zu einer Genossenschaft beschaffen die rechtlich selbstandigen Kooperationspartner die tangiblen Ressourcen, die zur Leistungserstellung in einem virtuellen Untemehmen ben5tigt werden, i. d. R. selbst.'^"*^ Eine direkte Konkurrenz bei der Beschaffung tangibler Ressourcen ist daher nicht anzunehmen.'^"*^ Auch ist eine gemeinsame Nutzung von Produktionsanlagen der Kooperationspartner, die eine „Geteilte-Ressource-
'^^' Siehe auch Sieber (1998b), S. 115. '^^^ Malone/Crowston (1991), S. 13 sprechen hier von „Top-down goal decomposition" ^^^^ Vgl. Malone/Crowston (1991), S. 13; Malone/Crowston (1990), S. 360. '^'*'* Siehe Abschnitt 5.3.1.2. ^^"^^ Vgl. Malone/Crowston (1990), S. 360. ^^^^ Siehe Abbildung 6 in Abschnitt 3.3.1. '^^^ Vgl. Amit/Schoemaker (1993), S. 35; Hall (1993), S. 608. 1348
Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zu Abschnitt 2.1.4.
'^^^Vgl. Pieles (2004), S. 177.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
299
Abhangigkeit" hervorrufen wUrde, im Konzept des virtuellen Untemehmens nicht vorgesehen, zumal sie den Flexibilitatsanforderungen sowie dem in virtuellen Unternehmen verfolgten Konzept der losen Kopplung widersprechen wtirden. Eine Ressourcenabhangigkeit ist dagegen in der hier betrachteten Kooperationsform eher im Hinblick auf intangible Ressourcen wie z. B. Informationen und Wissen anzunehmen.^^^^ Informationen und Wissen sind i. d. R. teilbar und wiederverwendbar. Hierbei eignet sich insbesondere der Einsatz modemer Informations- und Kommunikationstechnologien wie z. B. Telefon, Fax und E-Mail zur UnterstUtzung der Kommunikation rSumlich getrennter Kooperationspartner.*^^^ Auf der Basis einer intemetbasierten Kooperationsplattform kOnnen projektrelevante Daten zentralisiert und fvir die Kooperationspartner gleichzeitig zuganglich gemacht werden. Eine reibungslose AufgabendurchfQhrung der Partner, die gleichzeitig auf eine gemeinsame Datenbank zugreifen, setzt jedoch voraus, dass die Daten bei der Verwendung nicht ohne RUckmeldung verandert werden. Als LOsung bietet sich einerseits die Zuteilung von Zugriffsrechten an die Kooperationspartner durch einen System-Administrator oder Accountmanager an.^^^^ Andererseits k5nnen Regeln zur Verwendung und hinsichtlich der VerSnderung projektrelevanter Informationen aufgestellt werden/^^^ mit denen z.B. die Pflicht verbunden ist, die vorgenommenen Veranderungen in der Datenbank zu protokoUieren. Bei einer „Produzenten-Konsumenten-Abhangigkeit" („Flow") sind unterschiedliche Beschrankungen („constraints") zu berUcksichtigen,*^^"^ die den sequenziellen Leistungserstellungsprozess beeintrachtigen k5nnen.'^^^ Um Stockungen, die aus den Beschrankungen resultieren kSnnen, zu vermeiden, bieten sich z. B. Kooperationsbzw. Zuliefervertrage unter den Kooperationspartnem an. In ihnen kQnnen u. a. die zu erbringenden Teilleistungen festgehalten und hinsichtlich der Quantitat, Qualitat und der zeitlichen Verfilgbarkeit bestimmt werden. Um den Ablauf inhaltlich und zeitlich
'^^^ Vgl. Scherm/Sufi (2000), S. 459 f; Wall (2000a), S. 129 f ^^^' Siehe hierzu die Ausflihrungen zu den informationstechnischen Koordinationsinstrumenten in Abschnitt 5.3.4. '^^^ Siehe hierzu auch die AufUhrungen zu sozialen Rollen in Abschnitt 5.3.1.2. '^^^ Siehe hierzu die Aufuhrungen zu Regeln in Abschnitt 5.3.3.4. ^^^^ Die Voraussetzung fUr eine effiziente Produzenten-Konsumenten-Abhangigkeit wurde in Abschnitt 3.3.1 in der Bereitstellung der richtigen Ressource („usability constraints") zum richtigen Zeitpunkt („prerequisite constraints") am richtigen Ort („accessibility constraints") betrachtet. '
Die „Produzenten-Konsumenten-Abhangigkeit" weist erhebliche Obereinstimmungen mit der von Thompson (1967), S. 54 f. dargestellten sequenziellen Interdependenz auf
300
Darstellung der Ergebnisse
zu koordinieren, kOnnen Kooperationsregeln verwendet'^^^ bzw. eine Reihenfolgeplanung von Leistungen vorgenommen werden, die durch Terminplane spezifiziert wird.'^^^ Beim Leistungstransfer zwischen den Kooperationspartnem bietet sich eine preisliche Koordination auf der Grundiage von Verrechnungspreisen an.^^^^ Bei einer „Gemeinsames-Objekt-Abhangigkeit" („Fit") generieren zwei Aufgaben entweder dieselbe Ressource oder unterschiedliche Bestandteile einer Ressource. Wenn zwei Kooperationspartner aufgrund der Spezialisierung auf ahnliche Kemkompetenzen dieselbe Ressource, d. h. dieselbe Dienstleistung oder dasselbe Produkt generieren, erscheint ein gleichzeitiger Ablauf der Leistungserstellungsprozesse bei den Kooperationspartnem sinnvoll. Dies setzt voraus, dass die Kooperationspartner das gleiche Ziel verfolgen. Als Grundiage kann hierbei z. B. ein Kooperationsvertrag genutzt werden, in dem die zu erbringenden Leistungen festgehalten sind. Urn eine gleichmaBige Qualitat der zu erbringenden Leistung zu gewahrleisten, eignen sich gegenseitige Abstimmungen z. B. im Rahmen von Projektbesprechungen.*^^^ Hierbei kann u. a. der Qualitatsstandard unter Beriicksichtigung der Kundenvorgaben und ein Zeitpunkt fiir die Fertigstellung festgelegt werden. Wahrend die Koordination des Leistungserstellungsprozesses, bei dem zwei Kooperationspartner dieselbe Ressource generieren, noch vergleichsweise einfach erscheint, gestaltet sich die Koordination komplexer, wenn zwei Kooperationspartner unterschiedliche Bestandteile einer Ressource, d. h. eines Produkts oder einer Dienstleistung generieren. Ahnlich wie bei der zuvor beschriebenen Konstellation sind gegenseitige Abstimmungen im Hinblick auf das gemeinsam zu erreichende Ziel notwendig. Bei der ZusammenfUgung der Teilleistungen kann es jedoch zu Konflikten in terminlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die Qualitat der einzelnen Teilleistungen kommen. Um das Auftreten dieser Konflikte zu vermeiden, ist eine Termin- und/oder eine Reihenfolgeplanung bzw. die Festlegung von Qualitatsstandards notwendig. Da eine detaillierte Vorauskoordination durch planerische MaBnahmen in komplexen Projekten kaum m5glich ist und Anpassungen des Leistungserstellungsprozesses durch unberiicksichtigt gebliebene Einflussfaktoren hSufig notwendig sind, erscheint eine
'^^^ Siehe hierzu die AusfUhrungen zu Regeln in Abschnitt 5.3.3.4. ^^^^ Siehe hierzu die AusfUhrungen zu VertrSgen in Abschnitt 5.3.3.5. ^^^^ Siehe hierzu die Ausfiihrungen zu Verrechnungspreisen in Abschnitt 5.3.3.3. '^^^ Siehe hierzu die AusfUhrungen zur Selbstabstimmung in Abschnitt 5.3.LI.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
301
Feedbackkoordination durch einen zentralen Koordinator oder ein Kemuntemehmen erforderlich.'^^^ 5.3.3.3 Verrechnungspreise Damit sich ein virtuelles Untemehmen auf der Basis eines latenten Netzwerks zur Nutzung einer Marktchance mSglichst schnell bilden kann und nach Projektabschluss Unklarheiten bei der Gewinnverwendung vermieden werden, sollte ein System zur eindeutigen Bewertung der zwischen den Kooperationspartnem ausgetauschten Leistungen etabliert werden.^^^' Um den Leistungsaustausch in virtuellen Untemehmen auch ohne eine ubergeordnete Instanz mit Weisungsbefugnis bewerten und im Sinne einer pretialen Lenkung^^" untereinander verrechnen zu kSnnen, bieten sich Verrechnungspreise an.'^^^ Verrechnungs- oder Lenkpreise kOnnen defmiert werden als „Preise, die von einem Untemehmen ftir den intemen Austausch von Leistungen festgelegt werden."^^^ Sie werden haufig als eines der zentralen Koordinationsinstmmente des Controllings betrachtet^^^^ und gehoren neben Zielen und Budgets zu den Koordinationsinstmmenten, die eine dezentrale Entscheidungsfmdung ermOglichen.'^^^ Verrechnungspreisen wird in virtuellen Untemehmen eine groBe Bedeutung zugeschrieben.*^^^ Auf der Grundlage von Verrechnungspreisen ist es den Kooperationspartnem bei der Projektanbahnung mOglich, die fmanziellen Aspekte des Leistungsaustauschs zu klaren. Haben sich die Kooperationspartner hinsichtlich des Leistungsaustauschs auf die jeweiligen Verrechnungspreise geeinigt, kann dem Kunden ein Gesamtangebot erstellt und das virtuelle Untemehmen gebildet werden. Die besondere Problematik besteht jedoch darin, die „richtigen" Verrechnungspreise zu ermitteln/^^^ um das Gewinnoptimum des virtuellen Untemehmens zu erreichen.*^^^
'^^^ Vgl. Pieles (2004), S. 186; Mertens et ai. (1998), S. 12. •^^^ Vgi. Albers et al. (2003), S. 45; Braun (1997), S. 240. '^ ^ Dieser Begriff geht auf Schmalenbach (1948) zuriick, der sich u. a. mit der Verrechnungspreisproblematik befasste. *^^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 45 f; siehe hierzu auch Frese (2000), S. 200. '^^"^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 552. '^ Vgl. Klipper (2001), S. 378 f Zu Verrechnungspreisen als Koordinationsinstrument im Controlling siehe auch Muller (2002), S. 84 ff. '^^^Vgl. Kreuter (1996), S. 563. '^^^ Vgl. Tantzen (2003), S. 149. '^^^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 127.
302
Darstellung der Ergebnisse
Im Wesentlichen bestehen hierbei drei MQglichkeiten, Verrechungspreise zu ermitteln: Verrechnungspreise kSnnen marktorientiert, kostenorientiert oder durch freies Aushandeln der Preise bestimmt werden.^^^^ Bei einer marktorientierten Bestimmung der Verrechnungspreise richtet sich die Preisgestaltung fiir eine interne Leistung nach extemen Marktpreisen. Dies setzt jedoch voraus, dass die jeweilige Leistung auf dem extemen Markt existiert und gehandeit wird, Aufgrund der haufig hochspezifischen Leistungen, die in virtuellen Untemehmen erstellt werden, diirfte jedoch ein Marktaquivalent wenntiberhauptnur sehr sehen zu finden sein/^^^ Verrechnungspreise kSnnen aber auch kostenorientiert hergeleitet werden. Kostenorientierte Verrechnungspreise unterscheiden sich hinsichtHch ihres Zeithorizonts, des Kostenvolumens und danach, ob ein Gewinnaufschiag addiert wird oder nicht.^^^^ Vor dem Hintergrund des Zeithorizontes lassen sich 1st- und Piankosten unterscheiden. Istkosten sind jedoch - wie haufig in anderen Kooperationsformen auch - in virtuellen Untemehmen aus zwei Grtinden nicht sinnvoll: einerseits kann die H(5he der Kosten erst nach Fertigstellung der einzelnen Leistungen der Kooperationspartner ermittelt werden. Andererseits ist mit dieser Kostenart der Nachteil verbunden, dass kein Anreiz zur Kosteneinsparung gegeben wird, da die Istkosten der einzelnen Partner uber die koordinierende Stelle, meist der Partner, der mit dem Kunden den Vertrag geschlossen hat, an den Kunden weitergegeben werden. Die Erzielung eines marktfUhigen Endpreises ware damit ausgeschlossen. Diesem Problem kann durch die Verwendung von Piankosten, die vor der Leistungserstellung festgelegt werden, umgangen werden, wodurch die Opportunismusgefahr reduziert wird.^^^^ BezUglich des Kostenvolumens kSnnen vollkostenorientierte und grenzkostenorientierte Verrechnungspreise differenziert werden. ^^^"^ Ein grenzkostenorientierter Verrechnungspreis liegt vor, wenn die in einer Organisation ausgetauschten GUter nur mit den zusatzlich entstehenden Kosten belastet werden. Die grundlegende Voraussetzung hierfiir besteht jedoch in einer genauen Kenntnis der Kostenstruktur. Diese mag zwar
'^^^ Vgl. Tantzen (2003), S. 150 u. 155. '^^° Vgl. Picot et al. (2003), S. 552. Eine ahnliche Darstellung findet sich bei Neus (1997), S. 43 f; Kiipper (2001), S. 378 ff. '^^' Vgl. Neus (1997), S. 44. '^^^ Vgl. Buscher(1997), S. 35 ff. *^^^ Vgl. Buscher(1997),S. 36. '^'^'*Vgl.KUpper(2001),S. 384.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
303
idealiter innerhalb der jeweiligen an einem virtuellen Untemehmen beteiligten Partneruntemehmen bestehen, jedoch sind die Partner nicht in der Lage, die jeweiligen Kostenstrukturen untereinander nachzuvollziehen, insbesondere dann nicht, wenn sie aus unterschiediichen Branchen stammen. Die Gefahr besteht darin, dass der erhebliche Ermessens- bzw. Manipulationsspielraum bzw. der Mangel an NachvoUziehbarkeit der bei den jeweiligen Partnem entstehenden Kosten zu opportunistischem Verhalten ftihren kann. Es k5nnte versucht werden, mOglichst hohe Verrechnungspreise zu erzielen, indem die eigene Kostenstruktur eher ungUnstiger dargestellt wird, um den eigenen Gewinn zu vergrSBem.^^^^ Um der Opportunismusgefahr entgegenzuwirken, erscheint es sinnvoll, die Verrechnungspreise durch ein Obergeordnetes Gremium festzulegen.^^^^ In virtuellen Untemehmen kOnnte die Festlegung von Verrechnungspreisen z. B. durch einen Steuerkreis bzw. eine Gesellschafterversammlung erfolgen.^^^^ Im Unterschied zu grenzkostenorientierten Verrechnungspreisen werden mit vollkostenorientierten Verrechnungspreisen zumindest die durchschnittlichen Gesamtkosten des jeweiligen Gutes oder der Leistung vergUtet.^^^^ Verrechnungspreise, die auf der Grundlage von Vollkosten gebildet werden, sind jedoch in virtuellen Untemehmen deshalb abzulehnen, well die Kooperationspartner keinen Gewinn ausweisen kOnnen, sondem dam it lediglich ihre Kosten decken wUrden. Aus diesem Gmnd wird von jedem Kooperationspartner auf die Vollkosten hSufig ein Gewinnaufschlag addiert, von dem wiedemm ein entsprechender Teil dazu verwendet wird, die im Netzwerk entstandenen Koordinationskosten zu decken.'^^^ Mit dieser Methode der Verrechnungspreisfmdung unter Einbezug von Gewinnanteilen wird eine wichtige Frage geklSrt, namlich die der Gewinnverteilung unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens nach einem erfolgreich abgeschlossenen Projekt. Ohne die Nutzung variabler Gewinnaufschlage ware eine objektive Aufteilung der aus den Verbundvorteilen resultierenden Gewinne kaum mOglich.^^^^
'^^^ Vgl. Reichertz (1999), S. 98. In der Agenturtheorie wird in diesem Zusammenhang von „Hidden Information" gesprochen. Siehe z. B. Wolf (2005), S. 277. '^^^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 553. '^^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 45. '^^^ Vgl. KUpper (2001), S. 389. '^^^ Vgl. Tantzen (2003), S. 154. *^^° Vgl. Hess (2001), S. 96; siehe hierzu auch Interview [Nr.3: 373-382]. Dagegen erfolgt die Verteilung der Gewinne nach Projektabschluss bei der Koncraft im Rahmen einer Verhandlung.
304
Darstellung der Ergebnisse
Verrechnungspreise auf der Grundlage von Vollkosten zuztiglich eines Gewinnaufschlags sind in virtuellen Untemehmen sowohl in fester als auch in variabler Form m6glich.'^^^ Feste Verrechnungspreise bestehen, wenn die Verrechnungspreise fiir bestimmte Leistungen unter den Partnem des latenten Netzwerks z. B. fiir einen bestimmten Zeitraum festgelegt werden. Sie bieten einerseits den Vorteil einer Preistransparenz bei der Erstellung eines Kundenangebots, andererseits verhindem sie das gegenseitige Unterbieten unter den Netzwerkpartnem bei der Auftragsgewinnung, welches dazu fUhren kann, dass Leistungen letztlich unterhalb der Kostendeckung angeboten werden mUssen.'^^^ Variable Verrechnungspreise werden dagegen auftragsspezifisch zwischen den beteiligten Kooperationspartnem ausgehandelt/^^^ Sie ermCglichen die Flexibilitat, dem Kunden ein individuelles Angebot in dem von ihm vorgegebenen Zeit- und Finanzrahmen sowie der gewunschten Qualitat zu erstellen. Das Verhandeln der Preise unter gleichberechtigten Partnem, das haufig mit der Verwendung variabler Verrechnungspreise verbunden ist, stellt neben der marktorientierten und kostenorientierten Herleitung der Verrechnungspreise eine dritte Alternative dar. Verhandlungspreise kOnnen in virtuellen Untemehmen durch zentrale sowie dezentrale PlanungsansStze zustande kommen.'^^"* Das sog. Matching-Verfahren stellt einen zentralen Planungsansatz dar, der v. a. in kleinen latenten Netzwerken verfolgt wird:'^^^ Bei einer Kundenanfrage kontaktiert der Partner, der vom Kunden angesprochen wurde, diejenigen Partner des latenten Netzwerks, welche die Kompetenzen zur Auftragsbewaltigung besitzen. Diese handeln daraufhin untereinander die Verrechnungspreise aus. Dagegen werden in einem dezentralen Planungsansatz die zur Auftragsbewaltigung benOtigten Teilleistungen innerhalb des latenten Netzwerks ausgeschrieben. Dies eignet sich aufgmnd der geringeren Uberschaubarkeit der im Netzwerk befmdlichen Kompetenzen insbesondere in grCBeren latenten Netzwerken. Elektronische Ausschreibungen tiber eine intemetbasierte Kooperationsplattform bieten sich, wie z. B. das Fallbeispiel der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-
Bei der Redesign Deutschland werden die Gewinne zu gleichen Teilen unter den beteiligten Partnem aufgeteilt. Vgl. [Nr.l5: 196-216, 244-246,256-267, 378-402]; [Nr.l7: 406-416]. '^^' Vgl. Albers et al. (2003), S. 45. '^^^ Vgl. Tantzen (2003), S. 154 f ^^" Vgl. Albers et al. (2003), S. 45. '^^^ Vgl. Tantzen (2003), S. 155 f '^^^ Vgl. Tantzen (2003), S. 155.
305
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
Mittelland zeigt, hierbei besonders an.^^^^ Dadurch, dass mehrere Netzwerkpartner uber die Kooperationsplattform fiir eine bestimmte Teilleistung eine Offerte abgeben konnen und der preiswerteste Partner den Zuschlag erhalt, erfolgt organisationsintem eine marktliche Preisfmdung.*^^^ Bei der Betrachtung der untersuchten Fallbeispiele kann zun^chst einmal festgehalten werden, dass Verrechnungspreise ein nicht nur sehr wichtiges, sondem auch unverzichtbares Koordinationsinstrument zur Konfiguration des aktivierten Netzwerks, zur Bewertung und Verrechnung der Leistungen innerhaib des virtuellen Untemehmens und zur Erstellung eines Kundenangebots darstellen. Sie orientieren sich in erster Linie nicht an extemen Marktpreisen, sondem werden kostenorientiert hergeleitet. Die Verrechnungspreise stellen dabei Vollkosten mit Gewinnaufschlag dar. Tabelie 17 gibt einen Uberblick tiber die empirischen Befunde: Tabelie 17: Verwendung von Verrechnungspreisen im Untersuchungssample -
VU-Typ Nr.
CNJ
Fallbeispiel
Verrechnungspreise
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Quelle: Eigene Darstellung.
* Siehe hierzu auch die Ausflihrungen in Abschnitt 5.3.4. ' Siehe hierzu auch die Ausflihrungen Uber interne Markte in Abschnitt 5.3.2.4.
• •
306
Darstellung der Ergebnisse
Die tabellarische Ubersicht zeigt, dass bei der Mehrheit der Unternehmensbeispiele variable Verrechnungspreise verwendet werden^^^^ und in lediglich 6 der 19 Unternehmensbeispiele die Leistungsverrechnung nach festen Verrechnungspreisen erfolgtJ^^^ Eine Erklarung fiir die Verwendung von festen oder variablen Verrechnungspreisen allein auf der Grundlage der in dieser Arbeit identifizierten vier Typen virtueller Untemehmen zu finden, erscheint angesichts der indifferenten Befunde eher weniger geeignet. Lediglich bei den virtuellen Untemehmen des Typs II („Virtuelles Verteilungsnetzwerk") werden durchgehend variable Verrechnungspreise verwendet. Dies ist mOglicherweise auf das eher homogene Leistungsspektrum der Kooperationspartner zurtickzufiihren. Aufgrund der sich stark oder vollstSndig uberlappenden Leistungsangebote der Kooperationspartner ist anzunehmen, dass die Kooperationspartner die Leistungen sowie den mit der Leistungserstellung verbundenen fmanziellen und Arbeitsaufwand untereinander recht genau bewerten kSnnen. Dies ist z. B. bei der Freien Holzwerkstatt Koncraft mOglich, da alle Kooperationspartner selbstandige Schreinermeister sind.^^^ Die Gefahr, dass sich ein Kooperationspartner opportunistisch verhalt, indem er versucht, hohe Verrechnungspreise zu erzielen und die eigene Kostenstruktur eher ungUnstiger dargestellt, um den eigenen Gewinn zu vergrOBem, scheint dam it eher gering zu sein. Eine Notwendigkeit fur feste Verrechnungspreise besteht daher nicht. Hiemach lasst sich folgende Hypothese ableiten: H24:
Wenn virtuelle Untemehmen dem Typ II („Virtuelles Verteilungsnetzwerk") zugeordnet werden kOnnen, dann wird die Koordination des Leistungsaustauschs durch variable Verrechnungspreise auf der Gmndlage von Vollkosten zuztiglich eines Gewinnaufschlags durchgefuhrt.
Andererseits besteht aufgmnd der sich stark oder vollstandig Uberlappenden Leistungsangebote der Kooperationspartner die M5glichkeit der AuslOsung eines Preiskampfes unter den Kooperationspartnem, der die Existenz des latenten Netzwerks erheblich gefShrden kSnnte.^^^' Um dies zu vermeiden, k5nnen z. B. Regeln bei der
'^^* Siehe z. B. [Nr.3: 373-382]; [Nr.7:491-497]; [Nr.8: 367-370]; [Nr.9: 14-28]; [Nr.lO: 410-412]; [Nr.ll: 499-504]; [Nr.l2: 324-343]; [Nr.l3: 518-522]; [Nr.l5: 196-216, 244-246, 256-267, 378402]; [Nr.l6: 84-87]; [Nr.l8: 50-56]. *^^^ Vgl. [Nr.2: 202-203]; [Nr.4: 465-469]; [Nr.5: 110, 384-397, 414-434]; [Nr. 6: 443-453]; [Nr.l4: 42-57]; [Nr. 17: 406-416]. *"^^° Siehe hierzu die Fallstudie zur Freien Holzwerkstatt Koncraft in Abschnitt 5.2.2.2. '^^' Vgl. [Nr.7: 491-494].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
307
Preisfestlegung oder der Vergabe von Teilleistungen unter den Kooperationspartnem definiert werden. Da die Verwendung von festen oder variablen Verrechnungspreisen auf der Grundlage der Typen virtueller Untemehmen nur eine geringe ErklSrungsgrundlage bietet, miissen andere Faktoren in Betracht gezogen werden. Hierbei bietet es sich an, die Standardisierbarkeit der von den Kooperationspartnem zu erbringenden Teilleistungen zu beriicksichtigenJ^^^ So erscheint es plausibel, dass Teilleistungen mit einer vergleichsweise hohen Standardisierbarkeit sich ex ante besser bewerten lassen als Teilleistungen mit einer geringen Standardisierbarkeit.'^^^ Auf die Auswahl fester bzw. variabler Verrechnungspreise Ubertragen ist daher zu vermuten, dass sich unter den Bedingungen einer hOheren Standardisierbarkeit der Teilleistungen, z. B. wenn die Partner hauptsachlich dem gtiterproduzierenden Sektor angehOren, eher feste Verrechnungspreise anbieten. Hingegen eignen sich bei geringerer Standardisierbarkeit der Teilleistungen, z, B. wenn die Kooperationspartner dem Dienstleistungssektor angehSren, eher variable Verrechnungspreise. Um zu untersuchen, ob diese Annahmen empirisch gesttltzt werden kOnnen, werden in Tabelle 18 die beiden o. g. AusprSgungsformen von Verrechnungspreisen mit der hier dichotom betrachteten Variable „Standardisierbarkeit der von den Kooperationspartnem zu erbringenden Teilleistungen" gegentlbergestellt. Dieser Tabelle lassen sich die untersuchten Fallbeispiele zuordnen.'^^'^
'^^^ Auf diesen Aspekt machen auch Albers et al. (2003), S. 45 aufmerksam. '^^^ Vgl. Tantzen (2003), S. 155. ' ^ Die Informationsgrundlage fUr die Zuordnung stellen neben den Intemetprasenzen der untersuchten virtuellen Unternehmen v. a. die Experteninterviews dar.
Darstellung der Ergebnisse
308
Tabelle 18: Die Verwendung variabler und fester Verrechnungspreise in Abhangigkeit von der Standardisierbarkeit der Teilleistungen variable Verrechnungspreise
feste
1
Verrechnungspreise
SBS, 123plus, FunKey, TWG, VirtualFab, Creaprodi, Con Verve, Tronsoft, Gigaperls, Virtual vergleichsweise geringe VF Nordwestschweiz-Mittelland, Company, Redesign Deutschland, Standardisierbarkeit VF Baden-Wurttemberg, VF ftir TVC der Teilleistungen Offentlichkeitsarbeit, Ing.-BUro Zengerle
vergleichsweise hohe Standardisierbarkeit der Teilleistungen
VF Steko, Koncraft
VirtuellBau
Flexibilitiit
Preistransparenz
Quelle: Eigene Darstellung. Im 1. Sektor befinden sich die Untemehmensbeispiele, die eine geringe Standardisierbarkeit der Teilleistungen der Kooperationspartner aufweisen und zur Verrechnung der Leistungen untereinander variable Verrechnungspreise verwenden. Als Beispiel sei die Virtuelle Fabrik fur Offentlichkeitsarbeit herangezogen.^^^^ Von einer eher geringen Standardisierbarkeit der Teilleistungen kann hier ausgegangen werden, da die Kooperationspartner kundenindividuelle Dienstleistungen im Bereich der Offentlichkeitsarbeit erbringen, die in ihrer Art, Umfang und der Qualitat haufig sehr unterschiedlich sind. Zu den Partnem geh5ren ein Journalist, ein Fotograf, zwei Intemetdienstleister und eine Redakteurin. Da die Projekte, in denen es z. B. um die Organisation von Kongressen, die Herstellung von Imagebroschtlren fiir kleine und mittelstandische Untemehmen und um qualitativ hochwertige Pressearbeit geht, sich sehr deutlich voneinander unterscheiden, kann auf vorgefertigte oder standardisierte Leistungen nicht zurtickgegriffen werden. Dies erfordert vor Projektbeginn die Verhandlung tiber die jeweiligen Preise nach dem o. g. Matching-Verfahren.
' Siehe hierzu die Fallstudie Nr. 3 im Anhang.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
309
Unter den Fallbeispielen, die dem 1. Sektor zugeordnet wurden, befinden sich jedoch nicht nur virtuelle Untemehmen aus dem Dienstleistungssektor, sondem auch mehrere Beispiele aus dem guterproduzierenden Sektor. ^^^^ Variable Verrechnungspreise werden auch in diesen virtueilen Untemehmen bei der Angebotszusammenstellung zu Grunde gelegt, da auch hier die Teilleistungen der Kooperationspartner haufig eine nur geringe Standardisierbarkeit aufweisen, wie im Falle der Virtueilen Fabriken NordwestschweiZ'Mittelland und Baden-Wurttemberg, in denen ein netzwerkintemer Markt als Instrument der Preisfmdung existiert.^^^^ Da hierbei die Ausschreibungen jeweiis liber die intemetbasierte Kooperationsplattform erfolgen, liegt ein dezentraler Planungsansatz vor. Dem 4. Sektor konnte die VirtuellBau AG zugeordnet werden. Alle Kooperationspartner des latenten Netzwerks sind Spezialisten innerhalb der Baubranche. Da sich ihre Handwerksleistungen recht genau spezifizieren und ex ante durch die Angabe von Stunden- bzw. TagessStzen bewerten iassen, werden feste Verrechnungspreise verwendet. Mit den Fallbeispielen, die den hervorgehobenen Sektoren 1 und 4 zugeordnet werden konnten, kOnnen die oben vermuteten Zusammenhange bestatigt werden. Daher k6nnen folgende Hypothesen abgeleitet werden: H25:
Je h5her die Standardisierbarkeit der Teilleistungen der Kooperationspartner ist, desto eher werden feste Verrechnungspreise verwendet.
H26:
Je geringer die Standardisierbarkeit der Teilleistungen der Kooperationspartner ist, desto eher werden variable Verrechnungspreise verwendet.
Die Fallbeispiele, die den Sektoren 2 und 3 zugeordnet werden konnten, unterstutzen dagegen die 0. g. Vermutung nicht. Obwohl die Untemehmensbeispiele des 2. Sektors virtuelle Untemehmen in der Dienstleistungsbranche sind und in Bezug auf die Teilleistungen der Kooperationspartner eher eine geringe Standardisierbarkeit aufweisen,'^^^ erfolgt die Leistungsberechnung auf der Grundlage fester Verrechnungspreise,
Hier sind folgende Untemehmensbeispiele zu nennen: die Virtuelle Fabrik NordwestschweizMittelland, die Virtuelle Fabrik Baden-Wurttemberg, die Virtual Fab und das Ingenieurbiiro Zengerle & Partner. *^^^ Siehe hierzu die Ausfuhrungen zu intemen Markten in Abschnitt 5.3.2.4. ^^ Dies kann beim Fallbeispiel der Virtual Company verdeutlicht werden, die eine Vielzahl kundenspezifischer IT-Dienstleistungen anbietet. Siehe hierzu die in Abschnitt 5.2.2.4 dargesteUte Fallstudie.
310
Darstellung der Ergebnisse
d. h. Pauschalpreise bzw. festgelegter Stunden- und Tagessatze.'^^^ Dies kann v. a. auf strategische Entscheidungen zuriickgefiihrt werden, da feste Verrechnungspreise eine Preistransparenz innerhalb des latenten Netzwerks ermSglichen''*^^ und es erlauben, dem Kunden umgehend ein Angebot ftir seine gewUnschten Leistungen zu offerieren.'"*^' Dagegen werden bei den Fallbeispielen, die dem 3. Sektor zugeordnet werden konnten, variable Verrechnungspreise verwendet, obwohl sich aufgrund der vergleichsweise hohen Standardisierbarkeit der Teilleistungen''^^^ eher feste Verrechnungspreise anbieten wiirden. Es ist anzunehmen, dass hierbei nicht die Preistransparenz im Vordergrund steht, sondem die Flexibilitat, dem Kunden ein individuelles Angebot in dem von ihm vorgegebenen Zeit- und Finanzrahmen sowie auf dem gewUnschten Qualitatsniveau zu erstellen. Aufbauend auf den theoretischen Ausfuhrungen und den empirischen Befunden in Bezug auf die Sektoren 2 und 3 der Tabelle 18 kSnnen folgende Hypothesen abgeleitet werden: H27:
Wenn in virtuellen Untemehmen trotz geringer Standardisierbarkeit der Teilleistungen der Kooperationspartner feste Verrechnungspreise verwendet werden, dann erfolgt dies aus Grtinden der Preistransparenz und der schnelleren Angebotserstellung.
H28:
Wenn in virtuellen Untemehmen trotz einer vergleichsweise hohen Standardisierbarkeit der Teilleistungen der Kooperationspartner variable Verrechnungspreise verwendet werden, dann erfolgt dies aus Flexibilitatsgrtinden im Hinblick auf die Angebotserstellung.
Die Koordination durch Verrechnungspreise scheint in dezentralen Organisationen einerseits geeignet, da die Mitglieder weitgehend autonom bleiben und gleichzeitig dazu motiviert werden, untemehmerisch zu denken und ihre Leistungen attraktiv zu gestalten/'*^^ Andererseits setzt eine optimale FunktionsMigkeit von Verrechnungspreisen jedoch einen voUkommenen Markt voraus, den es allerdings innerhalb einer
'^^^Siehez.B.[Nr. 17: 406-416]. ^^^^ Bei der Tronsoft werden die Preise der Netzwerkpartner z. B. in der gemeinsamen Kooperationsdatenbank niedergelegt. Vgl. [Nr.2: 198-203]. '^^' Siehe hierzu z. B. [Nr.6: 443-453]. '^^^ Die Virtue lie Fabrik Steko und Koncraft sind virtuelle Untemehmen im produzierenden Gewerbe, wobei die Kemkompetenzen der Kooperationspartner eher homogen sind und sich das Produktspektrum (Produkte der Metallverarbeitung bzw. Systemkiichen) recht genau spezifizieren lasst. '^^^ Vgl. Reichwald/Koller(1996), S. 118.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
311
Organisation bzw. eines virtuellen Untemehmens aufgrund der oftmals iSngerfristigen Beziehungen unter den Kooperationspartnem nicht geben kannJ'^^'* Die Ausflihrungen zu Verrechnungspreisen machen deutlich, dass feste und/oder variable Verrechnungspreise zwar geeignete und auch notwendige Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen darstellen, die effektive und effiziente Koordination einer dezentralen Organisation jedoch weiterer Koordinationsinstrumente bedarf,''^^ 5.3.3.4 Regeln In der Literatur zur Koordination von Untemehmensnetzwerken wird der Verwendung von Regeln groBe Aufmerksamkeit geschenkt.^'*^^ Auch in Bezug auf virtuelle Unternehmen wird sowohl aus theoretischer als auch praxisorientierter Sicht auf die Notwendigkeit der Verwendung klarer Kooperationsregeln hingewiesen.^"^^^ Jedoch wurde auf die Steuerungs- bzw. Koordinationsfunktionen von Regeln in Untemehmensnetzwerken im AUgemeinen und virtuellen Untemehmen im Speziellen bisher nur selten Bezug genommen.''*^^ Dies mag u. a. daran liegen, dass die Verwendung des Regelbegriffs in der wissenschaftlichen Literatur an den Alltagssprachgebrauch angelehnt ist und nur selten eine PrSzisierung erfUhrt. Regeln kOnnen nach Burr (1999) wie folgt defmiert werden: Unter Regeln werden „allgemein gultige und dauerhafte Restriktionen individuellen und kollektiven Tuns verstanden, welche die Zielsetzung haben, individuelles und koUektives Handeln vorzustrukturieren und dadurch effektives und effizientes Handeln in wiederkehrenden Entscheidungssituationen zu ermoglichen."*'*^^ Regeln gehSren damit zu den Koordinationsinstmmenten, mit denen eine Vorauskoordination der Handlungen und Aktivitaten in Organisationen mSglich ist.
*^^^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 554. *'*^^Vgl.Neus(1997),S.44. ^"^^^ So z. B. bei Picot et ai. (1996), S. 12 und Rail (2002), S. 766, die die Bedeutung von Regeln als Koordinationsinstrumente fiir Untemehmensnetzwerke betonen. '^^"^ Vgl. Kemmner/Gillessen (2000), S. 61; Heck (1999), S. 202; Brutsch (1999), S. 90; Wuthrich et al. (1997), S. 154. '"^^^ Vgl. z. B. Powell (1990), S. 300; Hellgren/Stjemberg (1987), S. 89 f, die diese Auffassung vertreten. So ist Heck (1999), S. 202 der Auffassung, dass es bei virtuellen Kooperationen klare Spielregeln der Zusammenarbeit geben muss, jedoch fiihrt er dies nicht weiter aus. ^"^^^ Vgl. Burr (1999), S. 1162.
312
Darstellung der Ergebnisse
Bevor auf die Koordinationsfunktionen von Regeln Bezug genommen wird, erscheint es jedoch zunSchst einmal sinnvoll aufzuzeigen, wie Regeln in Untemehmensnetzwericen entstehen und welche Voraussetzungen erfiillt sein mussen, damit Regeln effektiv und effizient verwendet werden kOnnen. Regeln k5nnen sich theoretisch auf zweierlei Weise in Untemehmensnetzwerken herausbilden: einerseits durch Vorgabe von Regeln durch eine ubergeordnete Instanz und andererseits durch Evolutionsprozesse.'"^'^ In strategischen Netzwerken werden z. B. Regeln zumeist durch ein Kemuntemehmen vorgegeben und schriftlich niedergelegt. Dieses kann als regelsetzende Instanz^"*'* Regeln erlassen und Sanktionen durchfuhren.'"^^^ Regeln nehmen hierbei einen eher formalen Charakter an. Dagegen bilden sich Regeln in eher selbstorganisierenden Netzwerken (wie z. B. virtuellen Untemehmen) haufig im Laufe der Kooperation evolutionSr heraus/"*'^ Im Verlauf von organisationalen Prozessen und Umweltveranderungen werden immer wieder neue Verhaltensweisen und Probleml5sungsm5glichkeiten ausprobiert (Variation). Bewahren sich diese Verhaltensweisen im Interaktionsprozess mit mehreren Akteuren, etablieren sie sich zu neuen oder erganzenden Regeln (Selektion) und kOnnen von der gesamten Organisation angenommen werden (Retention). Die sich so herausbildenden Regeln sind Ergebnis eines kollektiven Abstimmungs- bzw. Lemprozesses.*'*^'* Wahrend Regeln, die durch eine Ubergeordnete Instanz definiert wurden, haufig in schriftlicher Form vorliegen, sind Regeln, die sich im Laufe der Kooperation evolutionar herausgebildet haben, vielfach im kollektiven Wissen der Kooperationspartner verankert und nicht schriftlich fixiert. Auf der Grundlage von jjUngeschriebenen"^"*^^ bzw. informalen Regeln ist es m5glich, Flexibilitats- und Anpassungsvorteile zu nutzen: Bislang noch nicht schriftlich geregelte Sachverhahe kfinnen erstmalig gesteuert werden, bestehende Regeln konnen prazisiert oder sogar durch ungeschriebene
•^*%gl. Burr (1999), a.a.O. '"**• Vgl. Lorenzoni/Baden-Fuller(1995), S. 147. ^^^^ Nach Ansicht von KieserAValgenbach (2003), S. 18 durfen formale Regeln deshalb nicht nur unter dem Aspekt der Leistungssicherung oder Effizienz betrachtet werden, sondem k5nnen auch zur Herrschaftssicherung beitragen. Jedoch besitzen Regeln die Eigenschaft, die Sichtbarkeit von Machtbeziehungen zu reduzieren und damit die geforderte geringe Hierarchisierung von Netzwerken zu untersttitzen. Siehe auch: March/Simon (1958), S. 44 ff. *^'^ Vgl. Burr (1999), S. 1162. ^^^^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 18. Siehe auch Hayek (1994) und auch die darauf aufbauenden Ausflihrungen von Vanberg (1981); Vanberg (1994), S. 104; Burr (1999), S. 1165. '^^^ Vgl. Burr(1999),S. 1169.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
313
Regeln ersetzt werden/^'^ Dies deutet bereits darauf hin, dass in einer Kooperation neben schriftlichen Regeln auch ungeschriebene Regeln bestehen kOnnen.^"*'^ Existieren keine schriftlichen Regeln, liegt die Annahme nahe, dass sich im Laufe der Kooperationen unter den Kooperationspartnem ungeschriebene Regeln herausbilden. Im Gegensatz zu schriftlich fixierten Regeln wirken ungeschriebene, informale Regeln'"*'^ haufig im Verborgenen und konnen bei den meisten Mafinahmen daher nicht bewusst wahrgenommen werden.'"^'^ Regeln wirken sich jedoch nicht per se effektivitats- und effizienzsteigemd auf die Koordination in Netzwerken aus, sondem setzen bestimmte Rahmenbedingungen voraus, auf die bereits in der o. g. Regeldefmition hingewiesen wurde. Eine Steigerung der Effektivitat und der Effizienz der Koordination ist v. a. dann zu erwarten, wenn das Netzwerk einerseits mittel- oder langfristig angelegt ist und andererseits innerhalb des Netzwerks bzw. der Kooperationen wiederholende Aufgabenstellungen bestehen/"*^^ Dagegen erscheint bei kurzfristig angelegten Untemehmensnetzwerken mit einmaligen Aufgabenstellungen eine Koordination uber Marktpreise und/oder Einzelentscheidungen effektiver und effizienter zu sein, da es sich dabei vielfach um nichtroutinisierte Aufgabenstellungen handelt/"^^' Virtuelle Untemehmen erfiillen beide Voraussetzungen: Eine mittel- bis langfristige Ausrichtung des Netzwerks ist durch das Konzept des latenten Netzwerks, aus dem sich projektorientiert Netzwerkpartner zu einem virtuellen Untemehmen zusammenschlieBen, gegeben. Auch kann auf der Grundlage der Koordinationstheorie argumentiert werden, dass sich die Aufgabenstellungen bei der Koordination von Projekten in ahnlicher Weise wiederholen und dadurch von allgemeine Strukturen ausgegangen werden kann,^"^^^ die auch im Pha-
'"^^^ Vgl. Burr (1999), a.a.O.; Bachmann (2000), S. 113. Ein sehr interessantes Beispiel, das den Einfluss von ungeschriebenen Regeln auf ein soziales System deutlich macht, ist das britische House of Commons, das als eine Bastion von ungeschriebenen Regeln bezeichnet wird. Siehe hierzuWillets(1996). '"^^^ KieserAValgenbach (2003), S. 109 betrachten es fiir die Unterscheidung verschiedener Koordinationsinstrumente nicht maBgeblich, dass einige schriftlich fixiert sind und andere nicht. Schriftliche Fixierungen sind Ausdruck des Formalisierungsgrades einer Organisation. '^^^ In der Organisationsforschung wird haufig zwischen „formalen" und „informalen" Regeln unterschieden. Siehe z. B. SchreyOggAVerder (2004), S. 971 f ^^^^ Siehe weiterfiihrend zu ungeschriebenen Regeln z. B. Baker et al. (1997); Scott-Morgan (1994). '^^° Vgl. Hoffmann (1980), S. 353; Burr (1999), S. 1161. '^^' Vgl. Burr (1999), S. 1162. Siehe hierzu die Ausfuhrungen zur Koordinationstheorie in Abschnitt 3.3.1.
314
Darstellung der Ergebnisse
senmodell virtueller Untemehmen zum Ausdruck gebracht werden.*'*^^ Somit besteht die MOglichkeit, dass formale (schriftlich fixierte) als auch informale (ungeschriebene) Regeln in Bezug auf die Koordination in virtuellen Untemehmen eine effektivitatsund effizienzsteigemde Wirkung haben. Formale und informale Regeln sind mit mehreren Funktionen verbunden, die die Koordination arbeitsteiliger Prozesse unterstiitzen kOnnen.^"^^"* Regeln sind z. B. dazu geeignet, die Handlungs- und Verfiigungsrechte von Akteuren zu definieren und somit Tatigkeitsfelder und HandlungsspielrSume abzustecken. Regeln k5nnen damit auch als Handlungsrestriktionen aufgefasst werden,"*^^ mit denen bestimmte Handlungsaltemativen ausgeschlossen und andere wiederum nahegelegt werden. Durch das regelgeleitete Handeln ist eine tendenzielle Verhaltensstandardisierung meglich.'"*^^ Die an einem Leistungserstellungsprozess beteiligten Kooperationspartner kOnnen das Handeln ihrer Partner somit besser einschStzen und antizipieren.*"*^^ Regeln leisten einen wichtigen Beitrag zur Begriindung und Erhaltung lose gekoppelter Systeme, indem sie einerseits Strukturen schaffen und andererseits durch ihre erwartungsstabilisierende und unsicherheitsreduzierende Wirkung^"^^^ Komplexitat reduzieren und sich als Bezugspunkte des Handelns stabilisierend auf die Netzwerkorganisation auswirken.'"^^^ Ist die Einhaltung der Regeln zudem Uberpriifbar, iSsst sich das Verhalten der Kooperationspartner innerhalb des Untemehmensnetzwerks kontrollieren. Mit der Verwendung von Regeln profitieren die Kooperationspartner bewusst oder unbewusst von dem in den Regeln manifestierten expliziten und impliziten Wissen.''*^^ In den Regeln sind Wissen und Informationen gebunden, die dazu beitragen, den Kommunikationsaufwand bzw. den Kommunikationsbedarf zu reduzieren.'"^^^ Dies ist insbesondere unter transaktionskostentheoretischen Gesichtspunkten von Bedeutung,
''^^^SieheAbschnitt2.1.5. '^^Wgl.Burr(1999),S. 1163f '^^^Vgl.Wegener(1995),S.62. •"^^^ Vgl. TrOndle (1987), S. 103; Grant (1996a), S. 114. Regeln sind mit dem Zweck der Verhaltensstandardisierung eng verbunden mit sozialen Normen, die ftir das gesellschaftliche Zusammenleben grundlegend sind. Siehe Lamnek (2002), S. 386 ff. '"^^^ Vgl. Cyert/March (1963), S. 104. '^^^ Vgl. Brennan/Buchanan (1993), S. 10. '"^^^ Vgl. Cyert/March (1963), S. 103. '^^^^ Vgl. Burr(1999),S. 1163. ^^^^ Vgl. KieserAValgenbach (2003), S. 18; Galbraith (1973); Burr (1999), S. 1165.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
315
da durch die Reduktion der HSufigkeit von Kommunikationsprozessen sowohl Geschwindigkeits- als auch Kostenvorteile entstehen kOnnen.^'*^^ Dartiber hinaus bietet eine regelgeleitete Entscheidung bei ahnlichen Entscheidungssituationen qualitativ hOherwertige Entscheidungen als im Verglich zu einer nicht-regelgeleiteten, fallweisen Entscheidung. Dies kann damit begrtlndet werden, dass bei interdependenten, zeitlich parallelen oder aufeinanderfolgenden Entscheidungen eher eine Widerspruchsfreiheit und eine Entscheidungskonsistenz im Zeitablauf erreicht werden kann/"*" Vor dem Hintergrund dieser Ausfiihrungen erscheinen formaie als auch informale Regeln geeignet, die Koordinationsprozesse in virtuellen Untemehmen zu unterstUtzen. So ist z. B. anzunehmen, dass v. a. in Untemehmensbeispielen, die eine horizontale Kooperationsrichtung und polyzentrische Strukturen aufweisen, Regeln geeignet sind, da mit ihnen eine dezentrale Koordination mOglich ist. Dadurch, dass Regeln einen Orientierungsrahmen fUr die Kooperationspartner eines virtuellen Untemehmens bieten, indem sie ihre Tatigkeitsfelder und Handlungsspielraume definieren und ihr Verhalten leiten, bieten sie zudem eine Grundlage flir Selbstorganisationsprozesse.*'*^'* Die Verwendung von Regeln kann aber auch mit Nachteilen verbunden sein, die z. B. in der Gefahr einer Fehlinterpretation von Regeln durch die Organisationsmitglieder zu sehen sind.*'*^^ Dysfunktionalitaten von Regeln k5nnen auch darin bestehen, dass sie - im Falle formaler Regeln - zur Inflexibilitat organisatorischer Strukturen und Prozesse beitragen, durch einen hohen Formalisierungsgrad organisatorisches Lernen behindem und durch die Begrenzung der Eigeninitiative der Organisationsmitglieder demotivierend wirken kOnnen.^"*^^ Dies hangt jedoch entscheidend von der Regelgestaltung, d. h. von dem Formalisierungs- bzw. Detaillierungsgrad formaler Regeln ab. Wahrend allgemeine, eher informale, ungeschriebene Regeln sich z. B. auf grundle-
^^^'^ Vgl. Demsetz(1991), S. 172. ^"^^^ Vgl. Vanberg (1994), S. 112. Siehe auch Cyert/March (1963), S. 104; Burr (1999), S. 1163. ^^^^ Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zum Mtinchner Ansatz in Abschnitt 3.2.1. Regeln kOnnen demnach die Bildung von „Arenen der Selbstorganisation" untersttitzen. ^"^^^ Vgl. Hoffmann (1980), S. 352. ^^^Wgl.Burr(1999),S. 1164.
316
Darstellung der Ergebnisse
gende Verhaltensweisen bei der Kooperation beziehenj'^^^ eignen sich formale Regeln z. B. in Bezug auf die Handhabung von Informationen.''*^^ Da ungeschriebene Regeln (wie beschrieben) schwer zu erfassen sind, beschrankt sich die Uberblicksdarstellung in Tabelle 19 auf die Verwendung und den Stellenwert von schriftlich fixierten Regeln in den untersuchten Untemehmensbeispielen. Tabelle 19: Verwendung von schriftlichen Regeln im Untersuchungssample VU-Typ Nr.
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Fallbeispiel
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Legende: Bedeutung des betrachteten Koordinationsinstruments •
sehr hoch
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Quelle: Eigene Darstellung. Die Fallbeispiele der vorliegenden empirischen Untersuchung weisen in Bezug auf die Art und den Umfang sowie die Verwendung von Regeln z. T. deutliche Unterschiede auf Existieren in einzelnen virtuellen Untemehmen umfangreiche Regelwerke, so wird in anderen auf die Ausgestaltung von schriftlich niedergelegten Regeln verzichtet. Die uberblicksartige Darstellung der empirischen Befunde in Tabelle 19 zeigt, dass schriftliche Regeln nur in vergleichsweise wenigen Untemehmensbeispielen existieCyert/March (1963), S. 105 nennen sie „rules of good business practice" und verstehen darunter „standard industry practice", „ethical business practice" oder „good business practice". ^^^^ Regeln der Informationsweitergabe kdnnen dabei im Hinblick auf die Informationsrichtung weiter differenziert werden, z. B. auf den Informationsfluss von der Organisationsumwelt in die jeweilige Netzwerkorganisation, die Weitergabe von extemen Informationen innerhalb der Netzwerkorganisation, die Weiterleitung intern generierten Informationen innerhalb der Netzwerkorganisation bzw. die Weiterleitung von intern generierter Informationen an die Organisationsumwelt. Vgl. Cyert/March (1963), S. 107.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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ren. Regeln werden insbesondere in den Untemehmensbeispielen verwendet, die ein groBes latentes Netzwerk aufweisen, in dem sich hSufig mehr als 10 Partner befinden. Hierunter befinden sich v. a. die Untemehmensbeispiele, die dem virtuellen Unternehmen des Typs III^"^^^ zugehSrig sind und einzelne weitere Untemehmensbeispiele, die ein vergleichsweise groBes latentes Netzwerk aufweisen. ^"^"^^ Das mit Abstand umfangreichste Regelwerk unter den untersuchten Untemehmensbeispielen besitzt die VirtuellBau, Das Regelwerk, das stetig uberarbeitet und ergSnzt wird, umfasst mehr als 100 Seiten und wird vom Interviewpartner auch als „unsere Bibel" bezeichnet/'^'^* Ein Schwerpunkt richtet sich auf die Regelung fmanzieller Aspekte bei der Projektdurchfuhrung. So ist z. B. der Verkauf von Leistungen an den Kunden klar geregelt: Dem Kunden wird vor Projektbeginn ein Festpreis genannt, der im Laufe des Projekts nicht Uberschritten werden darf. Eine Preisuberschreitung ist durch die GewShmng einer Preisgarantie nicht zulSssig, um Probleme oder Konflikte sowohl mit dem Kunden als auch unter den Kooperationspartnem zu vermeiden. SoUte der Fall eintreten, dass ein Kooperationspartner bei der Angebotserstellung bzw. der Preiskalkulation eine Leistung nicht berechnet hat, dann besage eine Regel, dass dem Kunden die unberilcksichtigt gebliebene Leistung nicht nachtrSglich berechnet werden darf. In diesem Fall mussten die Kosten vom jeweiligen Kooperationspartner selbst getragen oder durch die beteiligten Kooperationspartner gedeckt werden. ^"^"^^ Bei den beiden auf demselben Konzept aufbauenden Virtuellen Fabriken Nordwestschweiz-Mitte I land und Baden-Wiirttemberg existiert ein umfangreiches Regelwerk, in denen die „Spielregeln" schriftlich niedergelegt sind.^"^"*^ Die Regeln, auf welche die Netzwerkpartner Uber das netzwerkinteme IT-System zugreifen k5nnen, beziehen sich im Wesentlichen auf die zu erzielende Qualitat der Leistungen und das Verhalten der
^^^^ Siehe die Fallstudien: Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland \Nr. 13]; VirtuellBau [Nr. 14] und Virtuelle Fabrik Baden-Wiirttemberg \NT. 16]. ^"^^ Siehe die Fallstudien Virtual Fab [Nr. 1] und Virtual Company [Nr. 5]. *^^Wgl. [Nr.l4:4041]. '^^^^Vgl.pMr. 14: 33-75]. ^^'^^Vgl. [Nr.l6: 336-347]; [Nr.l3: 390-396, 488-517]. Spielregeln werden als entscheidendes Koordinationsinstrument im Konzept der Virtuellen Fabrik betrachtet. Vgl. Wuthrich et al. (1997), S. 154. Einen Uberblick Uber die Regeln, die bei der Virtuellen Fabrik Euregio Bodensee, des ersten Netzwerkmodells, das auf dem Konzept der Virtuellen Fabrik nach Schuh entwickelt wurde (siehe z. B. Schuh et al. (1998)) und nach dessen Prinzip die hier betrachteten Virtuellen Fabriken Nordwestschweiz-Mittelland und Baden-Wiirttemberg gebildet wurden, fmdet sich bei Schuh etal. (1998), S. lllff.
318
Darstellung der Ergebnisse
Kooperationspartner bei der Projektdurchfiihrung. Beispielsweise existieren zehn Regeln, mit denen die Weitergabe von Projektinformationen unter den Kooperationspartnem geordnet wird.^'*'*'* In Anlehnung an die Koordinationstheorie liegt hierbei eine Geteilte-Ressource-Abhangigkeit („Sharing") vor. Regeln kSnnen dazu verwendet werden, den Zugriff der Kooperationspartner auf die projektrelevanten Informationen, die z. B. in einer elektronischen Projektdatenbank gespeichert sind, zu steuem und damit eine funktionsbezogene Verteilung von Projektinformationen zu gewahrleisten. Urn die Netzwerkpartner mit den Regeln vertraut zu machen, werden Schulungen durchgeflihrt, in denen die Regeln und deren Hintergrund erklSrt wird.''*'^^ Eine gesonderte Kontrolle der Einhaltung der aufgestellten Regeln sei nicht notwendig, da die Netzwerkpartner untereinander darauf achten wiirden, dass die Regeln eingehalten werden. ^"^"^^ Neben den Untemehmensbeispielen des Typs III („Virtuelle Fabrik") stellen Kooperationsregeln auch in der VirtualFab und der Virtual Company wichtige Koordinationsinstrumente dar. In der VirtualFab existieren sog. „Spielregeln", die v. a. den Zweck erfiillen sollen, die Erhaltung des latenten Netzwerks durch eine tendenzielle Verhaltensstandardisierung zu sichem und Konflikte unter den Projektpartnem durch die Vorgabe klarer Regeln zu vermeiden."*"*^ Der Interviewpartner macht darUber hinaus deutlich, dass die Spielregeln eine wesentliche Grundlage der Vertrauenskultur der VirtualFab bilden.^'^'*^ Im Regelwerk der Virtual Company, welches aus zehn Kooperationsregeln besteht, stehen v. a. Werte und Normen der Geschaftsethik im Vordergrund: hierzu gehOren u. a. Respekt und Akzeptanz der Partner untereinander, gemeinsame Projektabstimmung und feste Vereinbarungen, LoyalitEt, Fachkompetenz, Qualitat und Zuverlassigkeit, gemeinsames Geschaftsverstandnis, Absprache bei entstehenden Konkurrenzsituationen.^'*'^^ Neben der Aufnahme neuer Netzwerkpartner ist im Regelwerk auch die Auftragsvermittlung unter den Partnem in folgender Regel festgehalten:*'*^^ „Bei einer Auftragsvermittlung werden zwischen den beteiligten
^^^^ Vgl. [Nr.l3: 353-396,441-447,488-517,606-612], [Nr.l3: 491-495]. ^^^^Vgl, [Nr. 16: 341-347]. ^^^^Vgl, [Nr. 1:330-343]. [Nr. 1:330-348]. ^^^^Vgl [Nr.5: 384-397,414-434]. den Grundlagenkatalog der Virtual Company, S. 5 f im Anhang dieser Arbeit.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
319
Partnem im Vorfeld individuelle Vereinbarungen getroffen, welche durch alle am Projekt beteiligten Partner strikte einzuhalten sind. Eine Vermittlung kann entweder durch Bezahlung einer Vermittlungsprovision (10%) oder durch umgekehrte Vermittlung eines ahnlichen Auftragsumfangs an den anderen Partner geregelt werden. Auch sind individuelle andere Vereinbarungen zulassig, wo gewiinscht und sinnvolL"*'^^' Dieses Regelbeispiel weist auf den mit Regeln hSufig verbundenen Optionscharakter'"*" hin. Einerseits bieten sie den Kooperationspartnem Leitlinien, an denen sich das Handeln orientieren soil, andererseits geben sie den Partnem durch die Wahl von Handlungsaltemativen einen Entscheidungsfreiraum. Dieser erscheint in Anbetracht der Komplexitat der Projektarbeit und der Notwendigkeit einer flexiblen Leistungserstellung aufgrund der sich rasch andemden Bedingungen der Organisationsumwelt eines virtuellen Untemehmens angebracht. Starre Regeln, die keine Handlungsaltemativen beinhalten, erscheinen in virtuellen Untemehmen deshalb nicht geeignet und wUrden u. a. kreative Losungsvorschiage der Kooperationspartner verhindem. Die empirischen Befunde geben Anlass zur Vermutung, dass schriftlich fixierte Regeln v. a. in virtuellen Untemehmen mit einem vergleichsweise groBen latenten Netzwerk existieren. Hierbei scheinen v. a. die mit den Regeln verbundenen Funktionen der Unsicherheitsreduktion und Erwartungsstabilisiemng sowie der Informationsfunktion im Vordergrund zu stehen. In den hier betrachteten Untemehmen werden Regeln v. a. zur Verhaltenssteuemng der Kooperationspartner bei der Projektdurchfuhrung und zur Regelung fmanzieller Aspekte eingesetzt. Damit wird deutlich, dass der Zweck der Kooperationsregeln insbesondere in der Vermeidung von Konflikten zu betrachten ist. Regeln tragen damit wesentlich zum Aufbau einer Vertrauenskultur unter den Partnem des latenten Netzwerks bei, indem sie einen Gmndkonsens schaffen und zur Stabilisiemng organisatorischer Stmkturen und Prozesse beitragen. Hierdurch ist es mOglich, dass auch virtuelle Untemehmen, die auf der Gmndlage eines groBen latenten Netzwerks gebildet werden, rasch mit dem operativen Geschaft beginnen kOnnen. Auf der Grundlage der theoretischen Uberlegungen und empirischen Befunde kOnnen folgende Hypothesen aufgestellt werden:
''*^' Siehe "Grundlagen *The Virtual Company*", Stand: Januar 2002/Rev.l2, S. 4. ''*" Vgl. Burr (1999), S. 1164.
320
Darstellung der Ergebnisse
H29:
Je grOBer die Anzahl der Partner in einem latenten Netzwerk ist, desto wichtiger sind schriftlich niedergelegte Regeln fiir die Koordination und den Bestand eines virtuellen Untemehmens.
H30:
Wenn ein virtuelles Untemehmen, das auf der Basis eines grofien latenten Netzwerks gebildet wird, auf schriftlich fixierte Kooperationsregeln zurtickgreifen kann, dann hat dies einen positiven Einfluss auf die Effizienz desLeistungserstellungsprozesses.
Abgesehen von den 0. g. Untemehmen, die ein groBes latentes Netzwerk aufweisen, werden schriftlich fixierte Regeln nur noch bei der Tronsoft, der Webworker Group und der Koncraft verwendet. In beiden erstgenannten virtuellen Untemehmen sind dies Kommunikationsregeln, mit denen festgelegt wird, welche Kommunikationsmedien wShrend des Leistungserstellungsprozesses verwendet werden sollen. Zudem wird darin festgelegt, dass der Koordinator von den Kooperationspartnem Uber alle projektrelevanten Daten und Ablaufe informiert werden muss.''*" Bei der Koncraft existiert ein sog. Verhaltenskodex, in dem die Aufnahme neuer Untemehmen in das latente Netzwerk sowie der Austritt eines Partners geregelt sind.*'*^'* Die schriftlichen Kooperations- und Kommunikationsregeln sind den Netzwerk- bzw. Kooperationspartnem in unterschiedlicher Weise zugSnglich. Wahrend in den Virtuellen Fabriken Nordwestschweiz-Mittelland und Baden-Wurttemberg die Regelwerke Uber das netzwerkinterne IT-System zug^nglich gemacht werden,'"^^^ liegen sie bei der VirtuellBau, der Koncraft und der Virtual Company in gesonderten Dokumenten vor.*"*^^ Dagegen werden die Kooperationsregeln bei der Virtual Fab, der Webworker Group, der Tronsoft und der ConVerve in den Projektvertragen festgehalten.'"*" Regeln kSnnen hierbei als ErgSnzungen der ProjektvertrSge betrachtet werden.'"^^^ Vereinzelt wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass Regeln in selbstorganisierenden Netzwerken, zu denen i. w. S. auch virtuelle Untemehmen gezahlt werden kSnnen, schriftliche VertrSge nicht nur ergSnzen, sondem sogar ersetzen kSnnen, d. h. an Stelle der formalen VertrSge gemeinsam akzeptierte Regeln treten.*'*^^ Dies scheint
'"*" Vgl. [Nr.2: 76-78]; [Nr.l8: 75-124]. '^^^ Vgl. [Nr.5: 3:48-375; 383-392]. '"^^^ Siehe z. B. [Nr.l3: 353-392,441-447,488-517,606-612]. '^^^ Vgl. [Nr.5: 3:48-375, 383-392]; [Nr.l5: 227-235]. '^" Vgl. [Nr.l: 330-348]; [Nr.2: 285-291]; [Nr.l8: 75-124]; [Nr.l9: 123-129]. ^"^^^ Vgl. Schuh et al. (1998), S. 111. ^"^^^ Vgl. Rail (2002), S. 771; Blecker (1999), S. 328.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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zunSchst auch bei den Fallbeispielen der Virtual Company und der Freien Holzwerkstatt Koncraft zuzutreffen. Wie Tabelle 19 zeigt, wird der Verwendung von Regeln in beiden Beispieien ein groBer Stellenwert beigemessen, Gleichzeitig wird auf schriftliche Vertrage - abgesehen von wenigen Ausnahmen - ganz verzichtet.^'^^^ Die Auffassung, dass allein auf der Grundlage schriftlicher Regeln auf VertrSge verzichtet werden kann, muss jedoch bezweifelt werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die wesentliche Grundlage, um auf Vertrage verzichten zu kSnnen, Vertrauen unter den Kooperationspartnern darstellt.'"^^' So wurde das Vertrauen von beiden Interviewpartnem der hier betrachteten Untemehmensbeispiele als wichtig bzw. sehr wichtig betrachtetJ"^^^ Zudem ist auch umgekehrt mSglich, dass Vertrage schriftliche Regeln ersetzen kOnnen. Unter den Kooperationspartnern der Gigaperls besteht z. B. ein Rahmenkooperationsvertrag, in dem u. a. geregelt wird, dass bei sich anbahnenden Projekten Stillschweigen gewahrt werden soil. Femer werden darin finanzielle Aspekte bei der Projektdurchfiihrung wie auch der Umgang mit den Urheberrechten geregelt.'^^^ Bei einem GroBteil der Untemehmensbeispiele wird jedoch auf schriftlich fixierte Regeln verzichtet/'^^'* Hierunter befmden sich v. a. solche Untemehmensbeispiele, die eine vergleichsweise tiberschaubare Anzahl von haufig weniger als 10 Netzwerkpartnem im latenten Netzwerk aufweisen. Der Verzicht auf die schriftliche Niederlegung von Regeln schlieBt jedoch nicht aus, dass ungeschriebene oder implizite Regeln das Handeln der Kooperationspartner steuem. An die Stelle schriftlich fixierter Regeln Oder parallel dazu - kOnnen stillschweigende Vereinbamngen bzw. ungeschriebene Regeln treten, die sich unter den Partnemntemehmen im Laufe mehrerer Projekte und gegenseitiger Abstimmungen quasi evolutionar herausbilden und sich nur sehr langsam verandem.^"^^^ Ungeschriebene Regeln haben haufig den Charakter von „Gentlemen's Agreements". So wird von den Partnem des Ingenieurburo Zengerle erwartet, dass sie sich an die
^^^^ Siehe hierzu Tabelle 21 in den Ausfiihrungen zu Vertragen im folgenden Abschnitt dieser Arbeit. ^^^^ Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zu den Koordinationsinstrumenten Vertrauen in Abschnitt 5.3.1.3 und Vertragen in Abschnitt 5.3.3.5. '"*" Vgl. [Nr.5: 60-62, 463-469]; [Nr.l5: 454-466]. Zur Funktion von Vertrauen in virtuellen Unternehmen siehe ausfuhrlich Abschnitt 5.3.1.3. '^" Vgl. [Nr.4: 107-123,450-454,459-469]. ^^^"^ Siehe z. B. [Nr.3: 403-404]; [Nr.8: 539-541]. '"^^^ Siehe z. B. [Nr.3: 403-406]; [Nr.4: 423-427]; [Nr.7: 438-462, 492-506]; [Nr.ll: 552-563].
322
Darstellung der Ergebnisse
einmal ausgehandelten Preise halten.*"*^^ Ahnlichkeiten kOnnen diesbezUglich auch bei der Virtuellen FabrikfUr Offentlichkeitsarbeit gefunden warden, in der vorausgesetzt wird, dass die Partner ihre Rechnungen pUnktlich bezahlen, Termine einhalten und den gesetzten Qualitatsstandard im Hinblick auf die Leistungserstellung einhalten/"^^^ Auf der Grundlage von Werten wie ZuverlSssigkeit, Disziplin, Engagement, Weltoffenheit und Eigenverantwortlichkeit existiere bei den Partnem der FunKey ein „stillschweigender Standard", sodass eine expiizite Formulierung von Kooperationsregeln nicht notwendig erscheint:''*^* ,,Da gibt es einen stillschweigenden Standard- der ist aber nirgendwo aufgeschrieben.''^^^^ Der Verzicht auf schriftlich fixierte Regeln und die Funktionalitat ungeschriebener Regeln setzen jedoch voraus, dass Rahmenbedingungen und Ziele klar sind, unter den Kooperationspartnem weit reichende Vertrauensbeziehungen bestehen und sich ein gemeinsames GeschaftsverstSndnis entwickelt hat.^"^^^ Im Hinblick auf die Frage, weswegen v. a. in Untemehmensbeispielen, die ein vergleichsweise kleines latentes Netzwerk aufweisen, auf die schriftliche Fixierung von Kooperationsregeln verzichtet wird, liegt einerseits die Annahme nahe, dass aufgrund der tiberschaubaren GrOBe des latenten Netzwerks und der sich darauf bildenden virtuellen Untemehmen nicht die Notwendigkeit einer formalisierten Koordination besteht. Andererseits ist anzunehmen, dass die Partner des latenten Netzwerks bereits auf Kooperationserfahrungen zurUckblicken kOnnen oder sich bereits vor der GrUndung des virtuellen Untemehmens gekannt haben und unter ihnen ein Vertrauensverhaltnis besteht. Auf dieser Grundlage erscheint es mSglich, auf die schriftliche Fixierung von Regeln zu verzichten. Damit kommen diese Fallbeispiele dem im Konzept des virtuellen Untemehmens geforderten weitgehenden Verzicht auf administrative Strukturen nach. Auf der Grundlage der vorausgegangenen Ausfiihrungen iSsst sich somit folgende Hypothese aufstellen: H31:
Wenn das latente Netzwerk eines virtuellen Untemehmens nur vergleichsweise wenige Partner (<10) aufweist, dann wird auf die Fixiemng schriftli-
''*^^Vgl.[Nr.lO: 410-412]. ^^"^ Vgl. [Nr.3: 387-426,448-473]. ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 227-242, 554-556, 569-570]. '"^^^ Vgl. [Nr.l 1:556-557]. •^^^ Vgl. [Nr.8: 409-481, 540-546,644-648,666-672].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
323
cher Regeln weitestgehend verzichtet. An die Stelle schriftlicher Regeln treten ungeschriebene, auf Vertrauen basierende Regeln. 5.3.3.5 Vertrage Vertrage kOnnen in Anlehnung an Brox (2004) als das Ergebnis von inhaltlich Ubereinstimmenden, mit wechselseitigem Bezug abgegebenen Willenserkiarungen mindestens zweier Akteure betrachtet werden.'"*^^ Mit einem Vertragsabschluss wird im Vergleich zu schriftlichen Regeln die Absicht verfolgt, Sicherheit Uber das Verhalten des Vertragspartners zu erhalten und den Vertragsinhalt im Streitfall auch rechtlich durchsetzen zu kSnnen. RechtsgUltig sind jedoch nicht nur schriftlich fixierte Vertrage, sondem auch mtlndlich abgeschlossene, sofem die Schriftform nicht vorgeschrieben ist.''*^^ Wahrend Regeln eher handlungsorientiert sind und mit ihnen im Wesentlichen eine Vorauskoordination ermOglicht wird,'"*^^ sind Vertrage durch die Vorgabe von gewtinschten (meist konkreten) Sollzustanden eher zielorientiert. Daruber hinaus ist mit Vertragen neben einer Vorauskoordination auch eine Feedbackkoordination, z. B. im Falle einer Nichteinhaltung vertraglicher Vereinbarungen, leichter mOglich. Die folgenden Ausfiihrungen beziehen sich in erster Linie auf schriftliche Vertrage, die inhaltlich haufig praziser und umfangreicher als mtindliche Vertrage sind und eine NachvoUziehbarkeit ermSglichen. Vertrage kOnnen hinsichtlich ihres Detaillierungsgrades grob unterschieden werden in vollstandige und relationale Vertrage. *'*^'* In voUstandigen Vertragen sind nach dem klassischen Vertragsrecht die Ex-ante-Leistungen und Gegenleistungen der Vertragspartner klar spezifizierbar und ex post auch von Dritten verifizierbar.''*^^ Da dies jedoch nur im Idealfall mCglich ist und insbesondere bei langerfristigen Vertragen eine Antizipation aller Eventualitaten nicht nur sehr kosten- und zeitaufwandig ist, sondem auch die Flexibilitat der Vertragspartner einschrankt, bleiben Vertrage haufig unvollstandig.'"*^^ Neben den vertraglich eindeutig festgelegten Rechtsgrundlagen werden in relationalen oder unvollstandigen Vertragen aus Kosten- und Flexibilitatsgriinden
^^^Wgl. Brox (2004), S. 51. '"^^^Vgl. Brox (2004), S. 52. ^"^^^ Siehe hierzu die Ausfiihrungen zu Abschnitt 5.3.3.4. '^^^ Siehe hierzu auch MacNeil (1978), S. 854 ff. *^^^ Vgl. Picot et al. (2005), S. 16 f. '^^^Vgl.Picotetal.(2005),S. 17.
324
Darstellung der Ergebnisse
wissentlich Freiraume gelassen/"^^^ in denen implizite Vereinbarungen bzw. „weiche Ubereinkiinfte" im Vordergrund stehen.''*^^ Die unter den Vertragspartnem getroffenen Vereinbarungen sind meist nur informal und damit nicht mehr expliziter Bestandteil des schriftlichen Vertrages. Dies hat zur Folge, dass solche Vereinbarungen in KonfliktfUllen rechtlich nur sehr schwer nachzuweisen sind und nur dann sinnvoll erscheinen, wenn zwischen den Vertragspartnem ein gewisses Mafi an Vertrauen, d. h. hinreichende Sicherheit tiber ihre VerlSsslichkeit besteht. Im Konzept des virtuellen Untemehmens werden das Vertrauen und das gemeinsame Geschaftsverstandnis unter den Kooperationspartnem als eines der zentralen Charakteristika betrachtet.'"^^^ Sie biiden die Voraussetzung daflir, dass umfangreiche Vertragswerke durch relationale VertrSge mit „weichen UbereinkUnften" ersetzt werden In der Literatur besteht jedoch hinsichtlich der Verwendung bzw. der Art und Gestaltung von VertrSgen unter den Kooperationspartnem virtueller Untemehmen noch weitgehend Unklarheit. Dies sei u. a. darauf zuruckzufiihren, dass bisher noch keine geeigneten VertrSge fUr virtuelle Untemehmen entwickelt wurden und in jedem virtuellen Untemehmen unterschiedliche Vertragsformen gewahlt werden.''^^^ Unter transaktionskostentheoretischer Betrachtung wird angenommen, dass aufgmnd der hohen Vertragskosten sowie der Unabsehbarkeit zukiinftiger Anfordemngen die in virtuellen Untemehmen abgeschlossenen VertrSge in der Kegel wesentlich flexibler bzw. unvollstandiger gestaltet sind als marktliche Vertrage.'"*^^ Damit der gegenUber marktliblichen VertrSgen entsprechend grSBere Interpretationsspielraum von einzelnen Vertragspartnem nicht opportunistisch ausgenutzt wird, wUrden soziale Mechanismen wie z. B. Vertrauen und lose VertrSge in Form von mtindlichen Abmachungen, die den Charakter eines „Gentlemen's Agreement" haben, diesem Risiko entgegenwirken.^"^^^
1477
Vgl. MacharzinaAVolf (2005), S. 60; Macaulay (1963), S. 55; Schoppe (1995), S. 155.
'"^^^ Siehe auch Wolf (2005), S. 266. Picot (1982), S. 278 spricht in diesem Zusammenhang auch vom „soft contracting". ^"^^^ Siehe hierzu Kap. 2.1.2 und die Ausftlhrungen zu Punkt 5.3.1.3. ^^^^ Siehe z. B. TrOndle (1987), S. 125. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.3.3.3. ^'*^' Vgl. Camarinha-Matos/Pantoja-Lima(2001), S. 136. *^*^ Vgl. Fleisch (2001), S. 71; Szyperski/Klein (1993), S. 199. '^^^ Vgl. Szyperski/Klein (1993), S. 199; Kemmner/Gillessen (2000), S. 18.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
325
VertrSge kOnnen in virtuellen Untemehmen auf drei Ebenen unterschieden werden: auf der Ebene des latenten Netzwerks, auf der Ebene des aktivierten Netzwerks bzw. des Projekts im Rahmen eines virtuellen Untemehmens und zwischen dem virtuellen Untemehmen und dem Kunden.*"^^"^ Zwischen letzteren werden i. d. R. die zu erbringenden Leistungen in einem branchenUblichen Vertrag festgehalten. Der Vertragspartner des Kunden ist dabei hSufig der Partner des latenten Netzwerks, der das Projekt akquiriert bzw. der den grSBten Anteil bei der Leistungserstellung hat.*"*^^ In der vorliegenden Arbeit richtet sich das Interesse jedoch weniger auf die VertrSge zwischen dem virtuellen Untemehmen und dem Kunden, sondem auf die, die unter den Netzwerk- bzw. Projektpartnern geschlossen werden und damit zur Koordination des Leistungserstellungsprozesses beitragen, Um die Verwendung und die unterschiedlichen Vertragsformen in den untersuchten Fallbeispielen zu analysieren, ist daher eine spezifischere Betrachtung auf der Basis der beiden Ebenen virtueller Untemehmen, der Netzwerk- und der Projektebene zweckmaBig.^"^^^ Hierbei kann gmndlegend zwischen Rahmenkooperationsvertragen auf der Netzwerkebene und Projektvertragen auf der Projektebene unterschieden werden. Stehen die Partner eines virtuellen Untemehmens auf der Netzwerkebene in einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung, z. B. durch eine GbR,^"*^^ eine GmbH,'"*^^ eine AG Oder einen eingetragenen Verein (e.V.),^"^^^ dann existiert bereits ein Gesellschaftervertrag bzw. eine Vereinssatzung, in denen die gmndlegenden Fragen der Zusammenarbeit geregelt sind.^'^^^ Im Untersuchungssample befmden sich jedoch auch Beispiele virtueller Untemehmen, die auf eine Rechtsform des latenten Netzwerks verzichten und dadurch auf der Netzwerkebene untereinander nur lose miteinander gekoppeltsind.'"^^'
'"^^^ Vgl. Schuh et al. (1997a), S. 11. *^^^Vgl.[Nr.l7: 289-293]. *^^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 42. ^^^^ So z. B. bei der Gigaperls, 12Spins und der Redesign Deutschland. ^^^^ So z. B. bei der The Virtual Company, Creaprodi, FunKey und KoncrafU The Webworker Group und ConVerve. ^^ Siehe z. B. Softwarezentrum Bdblingen-Sindelfmgen, Virtue lie Fabrik NordwestschweizMittelland, VirtuellBau, Virtuelle Fabrik Baden-Wiirttemberg. ^^ Auf die nahere Beriicksichtigung von Gesellschaftervertragen oder Vereinssatzungen wurde hier verzichtet, da sie nur i.w.S. als Koordinationsinstrumente betrachtet werden kOnnen. '^^^ Siehe hierzu die Fallbeispiele der Virtuellen Fabrikfur Offentlichkeitsarbeit, der Virtual Company und dem Ingenieurburo Zengerle & Partner. Siehe z. B. auch [Nr.lO: 142-148,280-281].
326
Darstellung der Ergebnisse
Eine ahnliche Funktion wie ein Gesellschaftervertrag oder eine Vereinssatzung nehmen Rahmenkooperationsvertrage ein, die als Grundlage fur die Projekte (d. h. die virtuellen Untemehmen) genutzt und ggf. durch spezifischere Projektvertrage ergSnzt werden kSnnen.*'*^^ Der Schwerpunkt von Rahmenkooperationsvertragen liegt v. a. auf der Festlegung grundlegender, sich wiederholender Austauschprozesse unter den Vertragspartnem. Entscheidend ist hierbei, dass die getroffenen Vereinbarungen so viel Flexibilitat zulassen, dass die Kooperation nicht durch VerMnderungen der Kontextbedingungen gef^rdet wird und potenzielle Risiken angemessen auf die Kooperationspartner verteilt werden.'"^^^ Auf der Projektebene erfolgt der Leistungsaustausch unter den Kooperationspartnem. Dabei Ubemimmt haufig derjenige Partner die Projektverantwortung, der den Vertrag mit dem Kunden abschlieBt.^'*^'^ Die wichtigsten projektspezifischen Vereinbarungen kOnnen dabei in flexiblen Projektvertragen niedergelegt werden.'"^^^ Inwieweit schriftliche Vertrage, d. h. Rahmenkooperationsvertrage und/oder Projektvertrage, in den untersuchten virtuellen Untemehmen verwendet werden, wird im Folgenden naher betrachtet. Tabelle 20 gibt hierzu einen Uberblick:
^^^^ Siehe hierzu auch Schrader (1996), S. 79. ^"^^^ Vgl.Lange(1998),S. 1167. ^^^"^ Vgl. [Nr.l3: 365-372]; [Nr.l7: 289-293]; Picot et al. (2003), S. 546. '^^^ Vgl. Szyperski/Kldn (1993), S. 199.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
327
TabeUe 20: Verwendung von VertrSgen im Untersuchungssample -
VU-Typ Nr.
CM
= CM
N
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CO
Fallbeispiel
C
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Vertrttge
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o
• •
Legende: Bedeutung des betrachteten Koordlnationsinstruments •
sehr hoch
9 hoch
3 mittel
O gering
O sehrgering
Quelle: Eigene Darstellung. Die tabellarische Ubersicht zeigt, dass Rahmenkooperations- bzw. Projektvertrage nicht in alien untersuchten virtuellen Untemehmen verwendet werden, einzeln oder in Kombination zum Einsatz kommen und ihnen ein recht unterschiedlicher Stellenwert beigemessen wird. Die hier festgestellten Unterschiede bei Verwendung von bzw. Verzicht auf schriftliche Vertr^ge unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens kOnnen auf eine Vielzahl potenzieller Einflussfaktoren zurUckgefiihrt werden, z. B. die Kooperationsrichtung, die Interdependenzen zwischen den Kooperationspartnem, die GrOBe bzw. der Formalisierungsgrad des latenten Netzwerks, die regionale Verteilung der Kooperationspartner, die ProjektgrCBe hinsichtlich der Anzahl der Projektpartner sowie das Auftragsvolumen und der zeitliche Vorlauf vor Projektbeginn, Dartiber hinaus k(3nnen aber auch individuelle Erfahrungen der Kooperationspartner hinsichtlich der Verwendung bzw. des Verzichts auf schriftliche Vereinbarungen mCgliche Ursachen fiir die Unterschiede sein. Als Ausgangspunkt der Erkiarung der Unterschiede bei der Verwendung schriftlicher VertrSge wird die in dieser Arbeit entwickelte Typologie virtueller Untemehmen gewahlt.
328
Darstellung der Ergebnisse
Wie in Tabelle 20 dargestellt ist, werden schriftlichen Vertragen in den beiden Unternehmensbeispielen, die dem Typ I („Virtueller Generaluntemehmer") zugeordnet wurden, groBe Bedeutung beigemessen. Die Kooperation zwischen dem Generalunternehmer und seinen Zulieferem kann in Anlehnung an die Koordinationstheorie als Produzenten-Konsumenten-Abhangigkeit („Flow") bezeichnet werden.'"^^^ Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass i. d. R. nur der Generaluntemehmer mit dem Kunden in Verbindung steht und die einzelnen Teilleistungen von seinen Zulieferem bezieht, die haufig keinen Einblick in den Kundenauftrag haben und nicht wissen, dass sie bei der Leistungserstellung Teil eines Untemehmensnetzwerks sind.^"*^^ Die Projektplanung und Projektkoordination erfolgen dabei ausschliel31ich durch den Generaluntemehmer, der gegentiber dem Kunden allein haftet. Um eine mSglichst effiziente Steuemng des haufig gepoolten und/oder sequenziellen Leistungserstellungsprozesses zu erreichen, mussen die benOtigten Teilleistungen der Zulieferer zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Generaluntemehmer vorliegen. Zu diesem Zweck schlieBt der Generaluntemehmer mit den jeweiligen Netzwerkpartnem schriftliche Zuliefervertrage ab, in denen die zu erbringenden Leistungen und die Liefertermine oftmals recht genau spezifiziert sind.^"*^^ Vertragliche Beziehungen bestehen jedoch nicht unter den Zulieferem, sondem i. d. R. nur zwischen dem Generaluntemehmer und den Zulieferem. Da das Entwerfen detaillierter Vertrage aus transaktionskostentheoretischer Sicht kostenintensiv ist und die Flexibilitat des Generaluntemehmers bei der Nutzung von Marktchancen durch den damit verbundenen Zeitaufwand beeintrachtigt wird, werden bei der Tronsoft allgemeine Rahmenkooperationsvertrage zwischen den einzelnen Zulieferem und dem Generaluntemehmer geschlossen, in denen die wichtigsten Kooperationsvereinbamngen festgehalten sind. Aufbauend auf dem Rahmenkooperationsvertrag, der als Standardvertrag alien Projekten zugmnde gelegt wird, werden in einem Zuliefer- bzw. Teilleistungsvertrag projektspezifische Vereinbamngen schriftlich niedergelegt. Diese Zweiteilung erlaube es, den Zeitaufwand bei der vertraglichen Absichemng der Leistungserstellung zu reduzieren, da bei der Auftragsvergabe nur die auftragsspezifischen Vereinbamngen zu treffen und schriftlich zu fixieren seien.'"*^^ Lediglich bei grSBeren Projekten wurden zusatzlich in Pflichtenheften die Zustandig-
^^^^ Siehe hierzu die Ausftihrungen zur Koordinationstheorie in Abschnitt 3.3.1. ^^^^Vgl.z.B.[Nr. 12: 34-38]. '^^^ Vgl. [Nr.2: 286-290]; [Nr.l2: 230-240]. ^'^^^ Vgl. [Nr.2: 67-69, 180-181, 276-277, 286-290]. Siehe hierzu auch Schrader (1996), S. 79.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
329
keiten der einzelnen Zulieferer sowie die von ihnen zu erbringenden Leistungen genau definiert.'^^' Die von den Interviewpartnem schriftlichen VertrSgen in Form von Projekt- und/oder Rahmenkooperationsvertragen zugeschriebene hohe Bedeutung scheint auf die vertikale Kooperationsrichtung, die eine tendenziell hierarchische Kooperationsstruktur hervorruft, zurUckzufiihren sein.*^^^ Auf der Grundlage von schriftlich niedergelegten VertrSgen, in denen die zu erbringenden Einzelleistungen recht genau spezifiziert werden, ist es dem Generaluntemehmer mOglich, Planungssicherheit bei der Projektumsetzung zu bekommen. Die Zulieferer haben durch die ProjektvertrSge klare Anweisungen, welche Quaiitat die zu erstellenden Leistungen aufweisen und wann sie dem Generaluntemehmer geliefert werden soUen. Dadurch beschrankt sich der Koordinationsaufwand des Generaluntemehmers im Weiteren v. a. auf die Zusammensetzung der zugelieferten Teilleistungen zu dem vom Kunden gewtinschten Produkt bzw. der vom Kunden gewtinschten Dienstleistung. Durch das SchlieBen von Projektvertragen wird zudem das Risiko des Generaluntemehmers verringert, dass die erforderlichen Teilleistungen nicht zum vereinbarten Zeitpunkt und in der vereinbarten Qualitat vorliegen und er den Liefertermin gegenUber dem Kunden nicht einhalten kann. Die hohe Bedeutung von schriftlichen Vertragen kann andererseits auch damit begrUndet werden, dass das Vertrauen zwischen dem Generaluntemehmer und seinen Zulieferem nur vergleichsweise gering ausgepragt ist und die Kooperation nicht auf einer Vertrauenskultur grUndet. *^°^ Zur Koordination der bei einer vertikalen Kooperationsrichtung haufig entstehenden gepoolten und/oder sequenziellen Leistungsbeziehungen scheinen sich in virtuellen Untemehmen schriftliche Vertrage anzubieten. Aufbauend auf den vorausgegangenen Ausfiihmngen lasst sich folgende Hypothese aufstellen: H32:
Wenn in virtuellen Untemehmen eine vertikale Kooperationsrichtung mit gepoolten und/oder sequenziellen Leistungsbeziehungen besteht, dann werden schriftliche Vertrage (Rahmenkooperations- und/oder Projektvertrage) zur Koordination der Leistungserstellung verwendet.
'^^^ Vgl. [Nr.2: 296-297]. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zur Beschreibung des Typ I in Abschnitt 5.2.2.1 sowie die Diskussion in Bezug auf die Existenz von tendenziell hierarchischer Merkmale virtueller Unternehmen in Abschnitt 5.3.2.1 dieser Arbeit. *^^^ Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen zu Vertrauen resp. einer Vertrauenskultur in den untersuchten virtuellen Untemehmen in Abschnitt 5.3.1.3.
330
Darstellung der Ergebnisse
Im Gegensatz zu den virtuellen Untemehmen des Typs I, die sich durch eine vertikale Kooperationsrichtung mit hSufig gepoolten und/oder sequenziellen Leistungsbeziehungen auszeichnen, weisen die virtuellen Untemehmen des Typs II, III und IV eine horizontale Kooperationsrichtung mit haufig reziproken Leistungsbeziehungen auf.^^°^ Die reziproken Interdependenzen rufen einen hOheren Koordinationsaufwand hervor und erfordem, dass sich die Kooperationspartner bei der Leistungserstellung gegenseitig abstimmen mUssen.'^^ Detaillierte schriftliche VertrSge eignen sich zur Koordination des Leistungserstellungsprozesses unter diesen Voraussetzungen nur bedingt, da die zu regelnden Sachverhalte a priori haufig nicht oder nur teilweise bekannt sind'^°^ und daher eine vertragliche Festlegung mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Deshalb haben die Partneruntemehmen der Gigaperls, unter denen sich mehrere Grafik-Biiros befmden, untereinander einen Rahmenkooperationsvertrag geschlossen, in dem die wichtigsten Regelungen festgehalten werden, wie z. B. das Stillschweigen bei sich anbahnenden Projekten, der Umgang mit Urheberrechten im Rahmen der Kooperation sowie die Regelung fmanzieller Aspekte.^^^^ Der Rahmenkooperationsvertrag bietet ein Mindestmafi an vertraglicher Sicherheit, sodass auf spezifische Projektvertrage verzichtet werden kann. Aufgrund der eingeschrankten Eignung von VertrSgen kommt dem Vertrauen unter den Kooperationspartnem eine koordinierende Funktion zu.'^°^ Unter den weitgehend gleichberechtigten Netzwerkpartnem der virtuellen Untemehmen des Typs II, III und IV bestehen haufig langjahrige Vertrauensbeziehungen. Das Vertrauen, das sich im Laufe mehrjahriger Geschaftsbeziehungen entwickelt hat,'^^^ wird als eine der wichtigsten Kooperationsgrundlagen betrachtet/^^^ Auf dieser Gmndlage sei es mOglich, Projektvertrage kurzfristig und ohne groBen Zeit- oder Kostenaufwand zu schlieBen, da nur noch die wichtigsten Vereinbamngen (wie z. B. die Zustandigkeiten der einzelnen Projektpartner und ihrer zu erbringenden Teilleistungen) schriftlich niedergelegt
'^^^Vgl.Abschnitt 5.2.1. ^^^"^ Vgl. Thompson (1967), S. 54 f. ^^^^ Vgl. [Nr.3: 499-504]; [Nr.8: 436-466]. '^^^ Vgl. [Nr.4: 107-123,450-454]. '^^^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 47 f. Zum Koordinationsinstrument Vertrauen und den Koordinationsfunktionen von Vertrauen siehe Abschnitt 5.3.1.3. '^^^ Vgl. z. B. [Nr.5: 376-383, 436-437]. ^^^^ Siehe hierzu auch Tabelle 9 in Abschnitt 5.3.1.3.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
331
werden mUssten.*^^° Vertrauen hat hierbei die Funktion, den Aufwand bei der Vertragsgestaltung im Sinne eines „soft-contracting"^^*^ zu reduzieren.^^^^ So werden in mehreren Untemehmensbeispielen, wie z. B. beim Ingenieurburo Zengerle & Partner, der ConVerve und der FunKey, nur zwei- bis maximal vierseitige Projektvertrage unter den Kooperationspartnem geschlossen.*^^^ Durch die Reduzierung des Aufwandes bei der Vertragsgestaltung leistet Vertrauen einen wichtigen Beitrag zur Erzielung von Zeit- und v. a. auch Kostenvorteilen (Reduzierung von Anbahnungskosten, Verhandlungs- und Kontrollkosten).^^*"* Daher ist anzunehmen, dass mit der Starke des Vertrauens unter den Kooperationspartnem der Detail!ierungsgrad der unter ihnen geschlossenen VertrSge tendenziell abnimmt. Hiemach lasst sich folgende Hypothese ableiten: H33:
Die Starke des Vertrauens unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens korreliert negativ mit dem Detailliemngsgrad von VertrSgen.
Im Hinblick auf die Frage, ob und inwieweit Vertrauen sogar als Vertragssubstitut in der hier untersuchten Kooperationsform bezeichnet werden kann, wird in der Literatur dagegen kontrovers diskutiert: So ist z. B. Sieber (1998a) der Auffassung, dass Vertrauen keine schriftlichen, juristisch abgesicherten Vertrage kompensiert.^^*^ Auch Martin (1997) ist der Uberzeugung, dass ein MindestmaB an vertraglicher Absichemng in virtuellen Untemehmen unbedingt notwendig ist.'^'^ Scholz (2000b) kommt in seiner empirischen Untersuchung zum Ergebnis, dass Vertrauen rechtliche Vereinbamngen in virtuellen Untemehmen teilweise ersetzen kann.'^*^ Die Ergebnisse der schriftlichen Befragung von Tjaden (2003) zeigen jedoch, dass 50 % der von ihm befragten Teilnehmer virtueller Untemehmen (n=30) der Auffassung waren, dass ein Vertragsverzicht einen negativen Einfluss auf den Erfolg eines virtuellen Untemehmens hat. Lediglich 20 % gaben an, dass der Verzicht auf schriftliche Vertrage einen
^^^°Vgl.[Nr.l6: 305-308]. '^*^ Vgl. TrCndle (1987), S. 125. *^'^ Vgl.Garrecht (2002), S. 199. '^^^ Vgl. [Nr.lO: 263-264]; [Nr.ll: 434-438]; [Nr.l9: 82-126, 153-159]. ^^'^ Vgl. z. B. Weisenfeld et al. (2001), S. 323; Krystek (1997), S. 546. ^^'^ Vgl. Sieber (1998a), S. 231. ^^^^ Vgl. Martin (1997), S. 171. *^*^ Vgl. Scholz (2000b), S. 214.
332
Darstellung der Ergebnisse
positiven Einfluss auf den Erfolg hat.'^^^ Koszegi (2001) schlieBt dagegen die Substituierbarkeit von Vertragen durch Vertrauen nicht kategorisch aus. Vielmehr seien der Substituierbarkeit Grenzen gesetzt, insbesondere wenn der Output nicht messbar und/oder wenn das Verhalten der Partner nicht beobachtbar ist.'^'^ Auf der Basis der Fallbeispiele lassen sich Beispiele fiir beide ArgumentationsstrSnge finden. Die Interviewpartnerin der Webworker Group ist z. B. der Auffassung, dass Vertrauen als alleinige Kooperationsgrundlage fUr eine erfolgreiche Projektdurchflihrung nicht ausreichend ist.'^^° Schriftliche Vereinbarungen in Form von Vertragen seien immer dann unverzichtbar, wenn bisher unbekannte Partner miteinander kooperieren und/oder unter den Partnem eines virtuellen Untemehmens die Ziele und internen AblSufe der Kooperation unklar sind. Durch eine mangelnde Ausrichtung der Kooperationspartner auf das gemeinsame Projektziel besteht die Gefahr, dass die Leistungserstellung ineffizient erfolgt und zu suboptimalen Ergebnissen fiihrt. VertrSge durften in diesem Zusammenhang jedoch nicht zwangsiaufig als Indikator fiir mangelndes oder gar fehlendes Vertrauen betrachtet werden, sondem k5nnten im Gegenteil auch als expliziter Ausdruck des Wiliens zur Kooperation als Grundlage fur gegenseitiges Vertrauen dienen/"^ Vertrauen unter den Kooperationspartnem schliefit demnach das AbschlieBen von VertrSgen nicht aus. Diese beiden Koordinationsinstrumente sind daher nicht unabhangig voneinander zu betrachten, sondem bedingen sich gegenseitig: Vertrauen kann dazu beitragen, dass der Detaillierungsgrad von Vertragen reduziert wird, d. h., dass z. B. anstelle schriftlich fixierter Vereinbarungen mllndliche Vereinbarungen treten. Andererseits kSnnen Vertrage einen positiven Einfiuss auf das Vertrauen haben, da die Vertragspartner durch schriftlich fixierte Vereinbarungen ihre Handlungsabsicht bekraftigen und dadurch Unsicherheit reduziert werden kann. Neben den Fallbeispielen, in denen Vertrauen dazu beitragt, den Aufwand bei der Vertragsgestaltung zu reduzieren, befinden sich im Untersuchungssample jedoch auch Untemehmensbeispiele, wie z. B. die Virtual Fab, die Virtuelle Fabrikfur Offentlichkeitsarbeit, das Softwarezentrum BOblingeri'Sindelfingen, die Creaprodi, die 123plus,
'^'^Vgl.Tjaden(2003),S. 192. '^'%gl.Kteegi(2001),S.43f '"%gl.[Nr.l8: 81-85]. '^^'Vgl.Benz (2003b), S. 66.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
333
und die Koncraft, in denen das Vertrauen Vertrage volistandig substituiert.'"^ Hierbei bilden die mit dem Vertrauen verbundenen Erwartungen und impiiziten Handiungsvorstellungen eine quasi-vertragliche Basis und stecken einen intendierten Handlungsrahmen ab. Der Verzicht auf schriftliche Vertrage auf der Grundlage von Vertrauen habe den Vorteil, dass auch sehr kurzfristig umzusetzende Prqjekte realisiert werden kSnnten.^"^ Aufgrund der fehlenden direkten, v. a. rechtlichen SanktionsmOglichkeiten sind die Kooperationspartner in ihrer Entscheidung, inwieweit sie sich konform verhalten wollen, nicht eingeschrankt. Die Motivation fiir ein konformes bzw. erwartungsgemafies Verhalten grilndet sich in langerfristigen Beziehungen jedoch darauf, dass die Partner untereinander durch konformes bzw. erwartungsgemafies Verhalten ihren gegenseitigen Nutzen erhShen kOnnen.^""* Die M5glichkeit der Kooperationspartner, sog. „Win-Win-Situationen" zu erzielen, aus denen sie langerfristig Vorteile realisieren k5nnen/"^ ist eine wesentliche Grundlage fur die Substitutionsm5glichkeit von Vertragen durch Vertrauen in virtuellen Untemehmen.'^^^ Empfinden die Kooperationspartner zudem die moralische Verpflichtung, das ihnen gewahrte Vertrauen nicht zu enttauschen, wird dadurch die Gefahr opportunistischen Handelns verringert und die gegenseitige Abstimmung unter den Partnem erleichtert.'^^^ Der Verzicht auf schriftliche Vertrage bei der DurchfUhrung von Projekten im Rahmen eines virtuellen Untemehmens wird auch damit begrtindet, dass im Falle eines nonkonformen Verhaltens*^^^ eines Partners soziale Sanktionsmechanismen greifen.^^^^ Aufgrund der engen Kooperationsbeziehungen und der lateralen Kommunikation wurden sich z. B. die Informationen Uber negative Kooperationserfahrungen mit einem Partner sehr schnell unter den Netzwerkpartnem verbreiten und ftir diesen Partner ein negatives Image hervorrufen. Deshalb betrachtet der interviewte Netzwerkmanager
*^^^ Siehe z. B. auch [Nr.5: 376-383; 436-437]. Siehe hierzu auch die entsprechenden Fallstudien der genannten Unternehmensbeispiele im Anhang. '"^ Vgl. [Nr.3: 496-505]; [Nr.l7: 220-224]. '^^"^ Vgl. Zimmermann (2003), S. 74. '"^ Vgl. [Nr.6: 423-426]. ^"Wgl.[Nr. 15: 227-235]. '"^ Vgl. Grabowski/Roberts (1999), S. 713; Zimmermann (2003), S. 133. Zur Selbstverpflichtung als alternative Koordinationsform von komplexen Austauschbeziehungen siehe z. B. auch R661 (1996). Siehe auch [Nr.l: 218-221]. Nonkonformes Verhalten kann sich hier z. B. in Unzuverlassigkeit oder einer Nichteinhaltung mUndlicher Abmachungen auBem. '"^ Vgl. [Nr.l6: 341-347].
334
Darstellung der Ergebnisse
des Softwarezentrums Boblingen-Sindelfingen die Gefahr, dass sich die Kooperationspartner nicht an mtindliche Absprachen halten, als recht gering. Zudem weist er darauf bin: ,,Es gibt hier eine psychologische Abhdngigkeit: man will sich hier Ja nicht blamieren,''^^^^ Verhielte sich ein Partner opportunistisch, wlirde dies zu einem Ausschluss aus dem iatenten Netzwerk fiihren/"' Bei mUndlichen Abstimmungen ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass Missverstandnisse hinsichtlich der Inhalte der Vereinbarungen entstehen. Deshalb werden bei den Untemehmen Creaprodi und Redesign Deutschland die wichtigsten Aspekte der Vereinbarungen in einer intemetbasierten Projektdatenbank dokumentiert. Damit kOnne gewShrleistet werden, dass auch ohne schriftiiche VertrSge eine gemeinsame Informationsgrundlage unter den Kooperationspartnem besteht. ^"^ Diese Ausfiihrungen deuten darauf hin, dass Vertrauen nicht per se als Vertragssubstitut betrachtet werden kann. Vielmehr mtissen mehrere Bedingungen gleichzeitig erflillt sein, damit auf der Grundlage von Vertrauen Vertrage substituiert werden kSnnen. Aufbauend auf der vorausgegangenen Argumentationskette lassen sich folgende viergliedrige Hypothesen aufsteilen: H34:
Unter den Partnem eines virtuellen Untemehmens werden Vertrage durch Vertrauen substituiert, wenn a.
Klarheit unter den Kooperationspartnem Uber die Ziele und die projektbezogenen Ablaufe besteht,
b. die Kooperationspartner sich moralisch verpflichtet fiihlen, das ihnen gewahrte Vertrauen nicht zu missbrauchen, c.
die Kooperationspartner motiviert sind, durch kooperatives Verhalten mittel- Oder langfristig Vorteile nutzen zu wollen, und
d. die sozialen Sanktionsmechanismen innerhalb des Iatenten Netzwerks eines virtuellen Untemehmens ein wirksames Instmmentarium gegen das Auftreten opportunistischen Verhaltens sind. In virtuellen Untemehmen mit horizontaler Kooperationsrichtung (Typ II, III und IV) scheint die Substitution von Vertragen durch Vertrauen auch dadurch begiinstigt zu werden, dass das latente Netzwerk eines virtuellen Untemehmens regional ausgerichtet '^^%gl.[Nr.7: 350-351]. ^"' Vgl. [Nr.7: 314-360, 552-547, 527]. •"^ Vgl. [Nr.8: 644-648]; [Nr.l7: 219-228].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
335
ist, d. h., dass zwischen den Kooperationspartnem nur geringe geographische Distanzen von nur wenigen Kilometem bestehen. So ist z. B. aufftUig, dass mehrere Unternehmensbeispiele, in denen auf schriftliche Vertrage unter den Kooperationspartnem verzichtet wird, ein regional ausgerichtetes iatentes Netzwerk aufweisen.*^" Die geographische NShe der Kooperationspartner ist v. a. mit den Vorteilen der hSufigeren direkten Kommunikation verbunden, ohne dass dabei ein nennenswerter Kosten- oder Zeitaufwand z. B. durch die An- und Abreise entsteht. DarUber hinaus ist eine bessere Nachvollziehbarkeit des Verhaltens der jeweiligen Interaktionspartner gewahrleistet, was wiederum einen positiven Einfluss auf das Vertrauen unter den Kooperationspartnem habe.'""* Anstelle von schriftlichen VertrSgen wUrden unter diesen Bedingungen sehr haufig mtlndliche Abstimmungen oder Vereinbarungen treten.'"^ Interessant ware es in diesem Zusammenhang zu untersuchen, welchen Einfluss die geographischen Distanzen zwischen den Kooperationspartnem auf die Substitutionsm5glichkeit von Vertragen durch Vertrauen und mtindliche Abstimmungen hat. Zur Untersuchung dieses angenommenen Zusammenhangs sollte dabei zunachst folgende Hypothese getestet werden: H35:
Je geringer die geographischen Distanzen zwischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens mit horizontaler Kooperationsrichtung sind, desto starker ist das Vertrauen unter den Kooperationspartnem ausgepragt.
Kann hierbei im Rahmen einer quantitativen Untersuchung ein positiver Zusammenhang festgestellt werden, sollte in einem zweiten Schritt die folgende, hier im Zentmm stehende Hypothese gestestet werden: H36*
J^ geringer die geographischen Distanzen zwischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens mit horizontaler Kooperationsrichtung sind, desto eher werden schriftliche Vertrage durch Vertrauen und mtindliche Abstimmungen substituiert.
Bei den Fallbeispielen, die dem Typ III („Virtuelle Fabrik") zugeordnet werden konnten, werden dagegen Projektvertrage geschlossen, obwohl die latenten Netzwerke
*^^^ Siehe z. B. die Fallbeispiele Virtual Fat, Virtuelle Fabrik fur OffentUchkeitsarbeit\ VirtuelIBau AG; Virtual Company,Softwarezentrum Boblingen-Sindelfingen. '""^ Vgl. [Nr.l: 207-222, 247-249]; [Nr.5: 259-282]; [Nr.l6: 105-130]. Vgl. auch KOszegi (2001), S. 43 f *"^ Vgl. z. B. [Nr.5: 184-198]; [Nr.7: 332-333].
336
Darstellung der Ergebnisse
V. a. regional ausgerichtet sind. Die Verwendung von Projektvertragen bei den beiden Virtuellen Fabriken Nordwestschweiz-Mittelland und Baden-Wurttemberg, die auf dem Konzept der Virtuellen Fabrik von Schuh et al. (1998) beruhen, ist auf die Erfahrungen zurlickzuflihren, die 1995 in der Pilotphase dieses Konzepts bei der Virtuellen Fabrik Euregio Bodensee gesammelt wurden.'^^^ Hierbei habe man festgestellt, dass das Vertrauen unter den Kooperationspartnem zwar eine wichtige Basis der Zusammenarbeit darstelle, jedoch auf eine vertragliche Absicherung nicht verzichtet werden kOnne.'^^^ Damit der Vertragsabschluss unter den Projektpartnem mOglichst rasch erfolgen kann und vor Projektbeginn keine zeitaufwandigen juristischen Sachverhalte geklart werden miissen, existieren (ahnlich wie in den Fallbeispielen der Tronsoft, The Webworker Group und ConVerye) StandardvertrSge, in denen die grundlegenden Kooperationsvereinbarungen festgehalten sind.'"^ Diese stellen die Basis fiir die Projekt- bzw. ZuliefervertrSge dar, in denen die Einzelleistungen der Partner genau definiert so wie die Verantwortlichkeiten klar geregelt seien.^^^^ Der vergleichsweise hohe Stellenwert, der den ProjektvertrSgen bei den virtuellen Untemehmen des Typs III beigemessen wird, scheint hier u. a. im Zusammenhang mit der Gr66e des latenten Netzwerks und der im Vergleich zu den Fallbeispielen der Typen I, II und IV deutlich komplexeren Aufbauorganisation zu stehen. Wurden unter den Projektpartnem keine VertrSge geschlossen werden, kCnnten Fehler oder Vertragsverletzungen, die durch einzelne Kooperationspartner verursacht bzw. hervorgerufen wurden, nicht eindeutig nachgewiesen werden. Kommt es zu einem Haftungsfall gegentiber dem Kunden, bliebe der Konflikt nicht auf die beteiligten Kooperationspartnem beschrSnkt, sondem kOnnte auch den Bestand des latenten Netzwerks gef^hrden. Vertrage k5nnen hierbei als Schutzmechanismen betrachtet werden, um das Ausmafi mOglicherweise auftretender Konflikte zu begrenzen. Die Wichtigkeit der Konfliktvermeidung kann z. B. auch darin festgestellt werden, dass ein Projektpartner die Rolle des sog. Auditors einnimmt, der dafiir Sorge zu tragen hat, dass bei der
'^^^ Siehe hierzu z. B. Schuh et al. (1998), S. 63 ff '"^ Vgl. Schuh et al. (1997a), S. 11. ^^^^ Vgl. z. B. auch Schuh et al. (1997a), S. 11; Briitsch (1999), S. 83 f Siehe auch [Nr.l8: 75-124] und [Nr.l9: 82-126, 153-159]. *"%gl.[Nr.l3: 580-583].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
337
Leistungserstellung die Vertragsvereinbarungen eingehalten werden.^^'*^ Die hier getroffene Annahme soil in folgender Hypothese verdichtet werden: H37:
Je grSBer die Anzahl der Partner im latenten Netzwerk und je komplexer die Aufbauorganisation des latenten Netzwerks ist, desto eher werden Projektvertrage unter den Prqjektpartnem eines virtuellen Untemehmens geschlossen.
Einzelne Fallbeispiele virtueller Untemehmen des Typs IV („Virtuelles Verteilungsnetzwerk") deuten darauf bin, dass die Entscheidung Uber die Verwendung von Vertragen von weiteren Einflussfaktoren abhSngig ist. Vertrage seien z. B. dann sinnvoll, wenn das Auftragsvolumen verhaltnismSBig groB ist/^"*^ das Vertrauen zu den Partnem, die neu in das latente Netzwerk aufgenommenen wurden, noch gering ausgeprSgt ist, bzw. wenn Teilleistungen von unbekannten Marktteilnehmern eingekauft werden mtissen.'^'*^ Mit der Verwendung von Projektvertragen kOnne der Gefahr opportunistischen Verhaltens gezielt entgegengewirkt werden. ^^"^^ Bei den untersuchten Untemehmensbeispielen, bei denen Kooperationspartner aus unterschiedlichen Landem an der Leistungserstellung beteiligt sind/^"*"^ scheinen dagegen Projektvertrage unverzichtbar zu sein. Die Ursache hierfur bestehe nicht darin, dass das Vertrauen unter ihnen geringer ausgepragt ist, sondem vielmehr darin, dass u, a. aus steuerrechtlichen Griinden Vertrage geschlossen werden mussen.^^"*^ So seien bei der Gigaperls im Rahmen eines Projekts mit einem Kooperationspartner aus Ungam erhebliche Probleme aufgetreten, die auf die unterschiedlichen und z. T. unbekannten steuerlichen Bedingungen zurtickzufiihren gewesen seien. Dabei sei die Bewaltigung dieser Probleme aufwandiger gewesen, als die Zusammenarbeit mit dem Partner selbst.'^"^^ Auf der Grundlage der empirischen Befunde lasst sich hiemach folgende Hypothese aufstellen:
^^^^ Vgl. GOransson/Schuh (1997), S. 73; Teichmann/Borchardt (2003), S. 86. Zur Beschreibung der unterschiedlichen Rollen in virtuellen Untemehmen siehe Abschnitt 5.3.1.2. '^''Wgl.z.B.[Nr.l6: 305-336]. ^^"^^ Vgl. [Nr.9: 90-101, 188-205]; [Nr.l8: 75-124]; [Nr.6: 87-92,204-209]. ^^^^ Vgl. [Nr.6: 210-227]. Verhielte sich ein Partner nachweislich opportunistisch, wtirde er unweigerlich aus dem Kooperationsnetzwerk der The Virtual Company ausgeschlossen werden. Vgl. [Nr.6: 416-437]. ^^^^ Siehe z. B. die Fallbeispiele Gigaperls, FunKey, TWG, ConVerve sowie Tronsqft und die Virtue lie Fabrik Steko. '^^Wgl. [Nr.U: 190-197]. '^^^ Vgl. [Nr.4: 236-259].
338 Hag:
Darstellung der Ergebnisse Wenn im Rahmen eines virtuellen Untemehmens mit horizontaler Kooperationsrichtung intemationale Partner kooperieren, dann werden aus steuerrechtlichen Grtinden untereinander Projektvertrage geschlossen.
Die Verwendung von VertrSgen hSngt auch von den individuellen Erfahrungen ab, welche die Kooperationspartner bisher im Rahmen virtueller Untemehmen gesammelt haben. So wurden z. B. bei der Creaprodi zunSchst ProjektvertrSge unter den Kooperationspartnern geschlossen. Im Laufe der Zeit habe man jedoch festgesteUt, dass bei der Vertragsgestaltung unter den Projektpartnem immer wieder Meinungsverschiedenheiten auftraten, die den Projektstart verzGgerten. Infolgedessen wurde auf die Verwendung von VertrSgen weitestgehend verzichtet, da mit dem Entwurf von Vertragen ein erheblicher Aufwand verbunden ist und sie Ausdruck von Unsicherheit und mangelndem Vertrauen seien.^^"*^ Im Untersuchungssample befmden sich jedoch auch virtuelle Untemehmen, in denen zunSchst keine ProjektvertrSge verwendet worden sind. Im Laufe mehrerer Jahre habe man jedoch die Erfahrung gemacht, dass Vertrauen allein nicht ausreiche und durch Vertrage erganzt werden mUsse:*^"^^ „Am Anfang habe ich erst auch gedacht, dass sich alles Uber Vertrauen regeln lassen kann und alles aufeiner Vertrauensbasis stattfindet und man dann uberhaupt nichts vertraglich regeln muss, well man sich unter den Partnern einig ist. Aber mittlerweile bin ich ein Verfechter von Vertragen geworden.''^^^^ Auch bei der Virtual Company, bei der die Kooperationspartner lediglich Uber Rahmenkooperationsvertrage miteinander verbunden sind, wird beabsichtigt, durch grundlegende Managementvertrage, in denen die wichtigsten Aspekte des Projekts festgehalten werden, eine rechtliche Grundlage fiir die Projektarbeit zu schaffen und ihr dadurch einen starkeren inhaltlichen und strukturellen Bezugsrahmen zu verleihen: ,,Das Einzige, was vertraglich gesichert sein sollte, ist die bestimmte Form der Zusammenarbeit. "'^^^ Die beiden Untemehmensbeispiele bestatigen die o. g. Auffassung, dass Vertrage nicht zwangsiaufig als Ausdruck mangelnden Vertrauens unter den Partnern horizontaler Kooperationen aufgefasst werden dUrfen. Sie k5nnen auch als Grundlage fUr gegenseitiges Vertrauen verstanden werden, indem sie Ziele und Kooperationsregeln klarstellen
'^^^ Vgl. [Nr.8: 468-481, 540-546,644-648,666-672]. '^"^Wgl.INr. 18: 75-92]. •^^^Vgl.[Nr. 18: 81-85]. •"° Vgl. [Nr.6: 214-215].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
339
und dadurch Handlungssicherheit geben.^^^^ So werden schriftliche Vertrage z. B. bei der Webworker Group in erster Linie nicht als Grundlage ftir mQgliche rechtliche Sanktionen betrachtet, sondem als Bestatigung der milndlichen Vereinbarungen bzw. als Absichtserklarung der Kooperationspartner, die ausgehandelten Abmachungen auch einhalten zu wollen.*^^^ Diese Auffassung wird auch von den Interviewpartnem der Virtual Company und der FunKey vertreten, die Vertrage nicht als starre Reglements betrachten, sondem eher als Mittel zur Zielerreichung:^^^^ ,,Diese Vertrage bekrdftigen eher die Absicht und den Willen, die entsprechenden Leistungen zu erbrin-
Die in den nur wenige Seiten umfassenden Rahmenkooperations- bzw. ProjektvertrSgen festgehaltenen Vereinbarungen und Leistungsbeschreibungen wtirden es erm5glichen, den Koordinationsaufwand wShrend des Projekts zu reduzieren, da die Projektpartner darauf aufbauend ihre Teilleistungen mit einem verhSltnismafiig groBen Entscheidungsspielraum eigenverantwortlich und ohne weitere Abstimmungen erstellen k5nnten.^^^^ Damit haben VertrSge auch einen positiven Einfluss auf Selbstorganisationsprozesse, indem sie Handlungsfelder und Zielsetzungen definieren und so einen Rahmen filr Selbstorganisationsprozesse vorgeben/^^^ Vertrage dtirfen nach Ansicht des Interviewpartners der FunKey als Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen jedoch nicht tiberbewertet werden. So sei es flir eine erfolgreiche Projektkoordination viel wichtiger, miindliche Abstimmungen (i. w. S. miindliche Vertrage), insbesondere zu Projektbeginn und bei auftretenden projektspezifischen Problemen durchzufUhren und Projektpiane bzw. Projektbeschreibungen zu entwerfen, in denen die Problemstellung genau defmiert ist sowie die fmanziellen und terminlichen Rahmenbedingungen enthalten sind.^^" Die Ausfilhrungen zeigen, dass die Verwendung von Vertragen von mehreren Kontextfaktoren abhangen kann und mit ihrer Verwendung unterschiedliche Koordina-
'^^' Siehe auch Arnold et al. (2003), S. 65. '^^^ So werden die Abmachungen unter den Projektpartnem der The Webworker Group zunSchst auch in einem „Letter of Intent" festgehalten. Vgl. [Nr.l8: 75-124]. '^"Vgl.[Nr.l 1:190-197]. '^^''Vgl. [Nr.l 1:422-423]. '^^^ Vgl. [Nr.4: 107-123, 450-454]; [Nr.6: 87-88]; [Nr.lO: 64-66, 176-190, 273-274, 366-369]; [Nr.ll: 434-438]; [Nr.l9: 82-126, 153-159]. ^^^^ Siehe hierzu auch die Ausfuhrungen zum Selbstorganisationsansatz in Abschnitt 3.2. '^" Vgl. [Nr.ll: 441-450, 510-514].
340
Darstellung der Ergebnisse
tionsfunktionen erfiillt werden kOnnen. Sie zeigen aber auch, dass eine effiziente Koordination allein liber Vertrage nicht erreicht werden kann, sondem nur in Verbindung mit weiteren Koordinationsinstrumenten m5glich ist.^^^^ 5.3.3.6 Zwischenergebnis zur Verwendung technokratischer Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen Die Ausfiihrungen zu den technokratischen Koordinationsinstrumenten, zu denen z. B. Programme, Plane, Ziele, Budgets, Verrechnungspreise, Regeln und Vertrage gezahlt werden k6nnen, verdeutiichen die Notwendigkeit einer Vorauskoordination in virtuellen Untemehmen. Ihre Verwendung unterscheidet sich jedoch im Vergleich zu traditionellen, hierarchisch organisierten Untemehmen z. T. erheblich. So hat die empirische Untersuchung ergeben, dass Programme in den untersuchten virtuellen Unternehmen nicht verwendet werden. Dies kann insbesondere darauf zuriickgefuhrt werden, dass Programme eher in hierarchisch strukturierten Organisationen und in Organisationen, die mit eher statischen Umweltbedingungen konfrontiert sind, zur Unterstiitzung der Koordination effizient eingesetzt werden kOnnen. Da virtuelle Untemehmen auf eine ausgepragte Hierarchic verzichten und sie v. a. unter dynamischen Umweltbedingungen gebildet werden, sind Programme kaum geeignet. Einen hohen Stellenwert nehmen dagegen Plane bzw. Planungen in den untersuchten virtuellen Untemehmen ein. Wahrend bei den virtuellen Untemehmen, die eine vertikale Kooperationsrichtung aufweisen (Typ I), die gesamte Planung durch ein Kemuntemehmen oder einen Generaluntemehmer erfolgt, sind die Kooperationspartner bei den virtuellen Untemehmen, die eine horizontale Kooperationsrichtung gekennzeichnet sind (Typ II, III und IV), an der Potenzialplanung, der operativen Planung und der Ergebnis- und Finanzplanung beteiligt. Hingegen erfolgt die strategische Planung i. d. R. durch den federfiihrenden Kooperationspartner, der die Rolle des Projektmanagers ubemimmt und die Kooperationspartner auf das gemeinsame Projektziel ausrichtet. Der Leistungsaustausch unter den Kooperationspartnem erfolgt Uber feste oder variable Verrechnungspreise, die Vollkosten inklusive eines variablen Gewinnaufschlags sind. Ihnen wird groBe Bedeutung hinsichtlich der Klamng fmanzieller Aspekte der Kooperation beigemessen. Die Fallstudien zeigen, dass die Standardisierbarkeit der Leistungen der Kooperationspartner einen wesentlichen Einfluss auf die Wahl zwischen festen und variablen Verrechnungspreisen hat. So werden feste Verrechnungs*^^Wgl. Schrader (1996), S. 79.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
341
preise v. a. dann verwendet, wenn die Leistungen eine vergleichsweise hohe Standardisierbarkeit aufweisen. Sind die Leistungen - wie in den meisten untersuchten virtuellen Untemehmen - jedoch sehr unterschiedlich und lassen sie sich nur wenig standardisieren, werden v. a. variable Verrechnungspreise unter den Kooperationspartnem ausgehandelt. Budgets werden dagegen nur in einem der 19 Fallbeispiele verwendet. Die geringe Bedeutung dieses Koordinationsinstruments ist im Wesentlichen darauf zurUckzufiihren, dass eine effiziente Verwendung dieses Instruments strukturierbare und standardisierbare Aufgabenstellungen mit eindeutigen Input-Output-Beziehungen voraussetzt, die aufgrund der Erbringung kundenspezifischer Leistungen jedoch nur sehr selten vorliegen. Zudem weist die Verwendung von Budgets einen eher hierarchischen Charakter auf, da die Budgetierung i. d. R. durch ein Untemehmen und nicht durch gegenseitige Abstimmung erfolgt. In den untersuchten virtueilen Untemehmen wird Kooperationsregeln ein hoher Stellenwert eingerSumt. Sie defmieren Handlungs- und Verfiigungsrechte, verleihen einem virtueilen Untemehmen Stmktur und tragen zu einer tendenziellen Verhaltensstandardisierung bei. Durch die erwartungsstabilisierende und unsicherheitsreduzierende Wirkung leisten Regeln einen wichtigen Beitrag zur Begrtindung und Erhaltung lose gekoppelter Systeme. Die Effizienz von Leistungserstellungsprozessen kann durch Regeln erh5ht werden, da angenommen werden kann, dass eine regelgeleitete Entscheidung im Gegensatz zu einer nicht-regelgeleiteten, fallweisen Entscheidung bei ahnlichen Entscheidungssituationen zu qualitativ hOherwertigen LOsungen fUhrt. Dartiber hinaus kann durch die kontinuierliche Verwendung von Regeln eine Entscheidungskonsistenz im Zeitablauf erreicht werden. Die empirischen Befunde zeigen, dass schriftlich niedergelegte Regeln v. a. in virtueilen Untemehmen existieren, die ein groBes latentes Netzwerk von mehr als 10 Partnem aufweisen. Sie dienen v. a. dazu, fmanzielle Aspekte der Kooperation zu regeln, Konflikte unter den Kooperationspartnem durch eine tendenzielle Verhaltenssteuerung zu vermeiden und den Aufbau einer Vertrauenskultur zu untersttitzen. Bei einem GroBteil der Fallbeispiele, die ein latentes Netzwerk von weniger als 10 Partnem aufweisen, wird jedoch auf die schriftliche Fixiemng von Kooperationsregeln verzichtet. Stattdessen existieren ungeschriebene, auf Vertrauen basierende Regeln in Form von stillschweigenden Vereinbamngen oder „Gentlemen's Agreements". Die Fallstudien zeigen, dass auch in virtueilen Untemehmen nicht prinzipiell auf schriftliche VertrSge zwischen den Kooperationspartnem verzichtet werden kann. Vertrage sind immer dann unverzichtbar, wenn bisher unbekannte Partner miteinander
342
Darstellung der Ergebnisse
kooperieren, Internationale Partner am Leistungserstellungsprozess teilhaben und/oder Projekte mit einem groBen Auftragsvolumen gemeinsam abgewickelt werden. Die Ausgestaltung und der Detaillierungsgrad der VertrSge hSngen von mehreren Einflussfaktoren ab, wie z. B. die Kooperationsrichtung und die Interdependenzen zwischen den Kooperationspartnem. Bei den virtuellen Untemehmen, die eine vertikale Kooperationsrichtung aufweisen und in denen gepoolte und v. a. sequenzielle Interdependenzen zwischen den Kooperationspartnem bestehen, werden vergleichsweise detaillierte Projektvertrage zwischen dem Kemuntemehmen bzw. dem Generaluntemehmer und den Zulieferem geschlossen. Dagegen eignen sich detaillierte ProjektvertrSge bei den virtuellen Untemehmen, die eine horizontale Kooperationsrichtung aufweisen und bei denen v. a. komplexe und schwer stmkturierbare reziproke Interdependenzen zwischen den Kooperationspartnem bestehen, nur bedingt. Um ein MindestmaB an vertraglicher Sicherheit zu gewahrleisten, existieren in einzelnen Untemehmensbeispielen Rahmenkooperationsvertrage, in denen grundlegende Kooperationsaspekte unter den Netzwerkpartnem festgelegt werden. Unter der Bedingung einer horizontalen Kooperationsrichtung und reziproker Interdependenzen kommt dem Vertrauen unter den Kooperationspartnem eine koordinierende Funktion zu. Vertrauen bildet die Voraussetzung daftlr, dass detaillierte Vertrage durch knappe Vertrage mit „weichen Ubereinkunften" ersetzt werden kSnnen, wodurch Kosten- und Flexibilitatsvorteile realisiert werden kOnnen. In 7 der 17 untersuchten Fallbeispiele virtueller Untemehmen mit horizontaler Kooperationsrichtung wird auf der Gmndlage von Vertrauen sogar ganz auf schriftliche Vertrage bei der Projektabwicklung verzichtet, Mehrere Faktoren k5nnen enumeriert werden, die eine Substitution von Vertragen durch Vertrauen fSrdem, wie z. B. (1) die Klarheit uber die Ziele und die projektbezogenen Abiaufe, (2) die Motivation der Kooperationspartner, durch kooperatives Verhalten mittel- oder langfristig Vorteile nutzen zu wollen, (3) die moralische Verpflichtung besteht, das gewahrte Vertrauen nicht zu missbrauchen, (4) soziale Sanktionsmechanismen opportunistisches Verhalten verhindem und/oder (5) die direkte Kommunikation und die Nachvollziehbarkeit des Verhaltens der Partner durch die regionale Nahe begunstigt wird. Wie gezeigt werden konnte, stehen Vertrage und Vertrauen jedoch nicht zwangslaufig in einem substitutiven Verhaltnis zueinander. So scheinen Vertrage z. B. mit zunehmender Gr56e des latenten Netzwerks und der Auspragung einer Aufbauorganisation fiir dessen Erhaltung notwendig zu sein. Auch k5nnen Vertrage nicht unbedingt als Indikator flir mangelndes Vertrauen unter den
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
343
Kooperationspartnem betrachtet werden, da Vertrage auch die Grundlage fiir Vertrauen sein kOnnen. 5.3.4 Informationstechnologische Koordinationsinstrumente in virtuellen Unternehmen Die intensive Verwendung modemer, insbesondere intemetbasierter Informations- und Kommunikationstechnologien im Leistungsersteilungsprozess wurde, wie in den Ausfiihrungen zum Konzept des virtuellen Untemehmens dargestellt/^^^ als ein konstitutives Merkmal virtueller Unternehmen betrachtet, mit dem es sich von anderen Kooperationsformen unterscheiden lasst.'^^^ In der Literatur wird diesen Technologien, zu denen z. B. Telefon und Fax sowie v. a. E-Mail und computergesttitzte Informationssysteme gezShlt werden k5nnen, aufgrund ihrer Potenziale hinsichtlich der Kommunikation und Koordination geographisch verteilter Kooperationspartner groBe Aufmerksamkeit geschenkt.^^^' Die aufgabenorientierte Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien wird als Voraussetzung flir die Effizienz modularer Organisationsformen betrachtet/^^^ Der Technologieeinsatz kann durch die Reduktion des Koordinationsaufwandes zur Senkung von Transaktionskosten beitragen, eine schnellere Kommunikation Uber Zeit- und Raumbarrieren hinweg ermOglichen, Dialoge zwischen interdependenten Einheiten strukturieren und auch in relativ kleinen und dezentralen Netzwerken Economics of Scale realisieren.^^^^ Picot et al. (2003) weisen jedoch kritisch darauf hin, dass durch den Einsatz neuer Technologien zwar die Produktivitat gesteigert werden kann, dass dies in virtuellen Unternehmen jedoch zumeist zu Lasten der Flexibilitat geht.*^^ Daher hat sich die Auswahl von Informations- und Kommunikationstechnologien an den spezifischen Gegebenheiten und Anforderungen eines virtuellen Untemehmens zu orientieren.^^^^
'^^^ Siehe hierzu Abschnitt 2.1.2. •^^° Vgl. z. B. Garrecht (1998), S. 113; Sydow/Winand (1998), S. 17 ff; Fischer (2001), S. 164. *^^' Siehe z. B. Davidow/Malone (1992); Kraut et al. (1999); Wagner (1999). ^^^^ Siehe hierzu z. B. Picot et al. (2003), S. 279 ff. '^" Vgl. Sydow (1992a), S. 149; DeSanctis/Jackson (1994), S. 91; Malone (1988), S. 13; Picot et al. (1996), S. 68 ff; Wagner (1999), S. 275 f; Sieber (1998a), S. 216. Siehe auch [Nr.l4: 305-329]. ^^^^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 425. •^^^Vgl.Rei6(2003),S.7.
344
Darstellung der Ergebnisse
Aufgrund der komplexen Interdependenzen zwischen den kooperierenden Akteuren besteht in einem virtuellen Untemehmen ein erhohter Kommunikationsbedarf/^^^ Es muss z. B. sichergestellt werden, dass alle Kooperationspartner bei der arbeitsteiligen Leistungserstellung uber den gleichen Informations- und Wissensstand verfugen, um Doppelarbeit und Fehler aufgrund von ungenauen oder Fehlinformationen zu vermeiden. Dies erhSht den Bedarf an Kommunikation und Datenaustausch, der durch die Nutzung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien sinnvoll untersttitzt werden kann.'^^^ Die Kommunikation und die Koordination stehen in einem direkten Zusammenhang, da der Prozess der Koordination, d. h. der aktiven Abstimmung der AktivitSten interdependenter organisatorischer Einheiten auf das untemehmerische Gesamtziel, grundlegend auf der Vermittlung von Wissen und Informationen basiert.'^^^ Einerseits ist Kommunikation die Voraussetzung von Arbeitsteilung und Koordination, da sie den Austausch von Informationen zwischen abhSngigen Aktivitaten und Prozessen unterstutzt/^^^ Kommunikation kann damit auch als bindendes Element der Koordination bezeichnet werden. *^^° Andererseits bestimmt Koordination das Zusammenspiel unterschiedlicher Teilaufgaben in einer WertschCpfungskette und ermSglicht so eine effektive Gestaltung der Kommunikation zwischen den beteiligten Organisationseinheiten bzw. Kooperationspartnem.'^^' Die Informations- und Kommunikationstechnologien k5nnen bei der Kooperation die Gestaltung und die Durchfiihrung effektiver und effizienter Kommunikations- und Koordinationsprozesse bei der Leistungserstellung gewShrleisten und untersttitzen.*^^^ Dies wird dadurch erreicht, dass sie „[...] Informationen zur rechten Zeit am rechten Ort und in der notwendigen und nachgefragten Quantitat und Qualitat zur VerfUgung
•^^^ Vgl. die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.2.3. '^^^ Vgl. Venkatraman/Henderson (1998b), S. 45. '^^^ Vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 26; Picot et al. (2003), S. 433. *^^^ Vgl. Camarinha-Matos/Lima (1999), S. 57; Fischer (2001), S. 183; DeSanctis/Jackson (1994), S. 88; Picot etal. (2003), S. 433. '^^^ Vgl. Wagner (1999), S. 126 ff. '^^' Koordination wird daher auch als „organisatorische Integration" (Vgl. SchreyGgg (2003), S. 155 ff.) Oder auch recht anschaulich als „Leini" bezeichnet, der die Organisation zusammenhalt (Vgl. Mintzberg (1979), S. 3. Siehe auch Carriero/Gelemter (1992), S. 2). '^^^ Siehe auch Muller (2003), S. 108, der von „K3-Prozessen" spricht: die Kommunikations-, Koordinations- und Kooperationsprozesse, die durch Informations- und Kommunikationstechnologien sinnvoll unterstiitzt werden kSnnen.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
345
[...] stellen."'^^^ In diesem Zusammenhang werden die Informations- und Kommunikationstechnologien auch als ^Coordination technology'' bezeichnet.'^^"* Die Koordination mit Hilfe modemer Informations- und Kommunikationstechnologien setzt eine sorgfHltige Abgrenzung der Zustandigkeitsbereiche und klare Kommunikationswege der Kooperationspartner voraus. Dabei ist darauf zu achten, dass eine Balance zwischen der gezielten Verteilung von projektrelevanten Informationen und der Vermeidung einer Informationsuberflutung gefunden wird. Erfolgt dies nicht, ist der Zeitvorteil, den ein virtuelles Untemehmen durch schlanke und flexible Unternehmensstrukturen erreichen will, durch Stockungen in der Arbeitsteilung in Gefahr.'^^^ Da die modemen Informations- und Kommunikationstechnologien den Koordinationsprozess durch die Erweiterung der Kommunikationsmoglichkeiten lediglich untersttitzen'"^ und sie per se keine direkte Koordination im Sinne eines Abstimmungsprozesses bewerkstelligen, bilden sie als informationstechnologische Koordinationsinstrumente eine eigene Instrumentenkategorie.*^^^ Zu ihnen gehoren eine Bandbreite von Technologien, angefangen mit den Standardtechnologien wie (Mobil-) Telefon, Fax und E-Mail, tiber Telefon-, Video- bzw. Onlinekonferenzen, intemetbasierten Groupware-Applikationen, zu denen z. B. Intemet-Kooperationsplattformen Oder Online-Term inkalender gehOren, bis hin zu aufw^ndigen WorkflowManagement-Systemen.'^^^ Tabelle 21 gibt eine Ubersicht uber die Verwendung Informations- und Kommunikationstechnologien in den untersuchten virtuellen Unternehmen:
^^^^ Vgl. Staehle (1999), S. 577. Systemtheoretisch betrachtet kommt der Kommunikation auf der Organisationsebene eine systembildende und im Zusammenhang mit der aufgabenbedingten Koordination eine systemsteuemde Funktion zu. Vgl. hierzu Luhmann (1970), S. 113 ff. *""* Vgl. Malone (1988), S. 15 ff.; Wagner (1999), S. 92 spricht hier von "coordinating technology". Dieser Begriff umschlieBt jeglichen Gebrauch von Technologic, insbesondere der Computer- und Kommunikationstechnologie, die Akteuren helfen, ihre Aktivitaten zu unterstiitzen. '^^^ Vgl. Behrens (2000), S. 164; Vgl. [Nr.U: 118-137;471.474]. '^^^ Siehe hierzu auch die AusfUhrungen zur Selbstabstimmung in Abschnitt 5.3.3.2. ^"^ Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.2.2. '^^^ Einen guten Uberblick iiber die Informations- und Kommunikationstechnologien, die in virtuellen Untemehmen eingesetzt werden kCnnen, bieten Muller (2003) und Amold/Hartling (1995b).
346
Darstellung der Ergebnisse
TabeUe21: Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Untersuchungssample VU-Typ Nr.
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Worlcflow-IManagementSysteme Legende: Bedeutung des betrachteten Koordinationsinstruments • sehr hoch ^ hoch 3 mittel
C5 gering O sehr gering
Quelle: Eigene Darstellung. Die Tabelle 21 zeigt, dass Standardtechnologien wie Telefon, eingeschrankt auch Fax und V. a. E-Mail einen hohen Stellenwert bei der Kommunikation und Koordination in den untersuchten virtuellen Untemehmen haben. Dagegen werden aufw^ndigere Informations- und Kommunikationstechnologien wie z. B. Telefon-A^ideo- oder Onlinekonferenzen oder Groupware-Applikationen nur in vergleichsweise wenigen Untemehmen verwendet. Auf komplexe Workflow-Management-Systeme'^^^ wird in den hier betrachteten Untemehmen sogar ganz verzichtet.
' Unter Workflow-Management-Systeme werden Softwaresysteme verstanden, die die Koordination und Kooperation zwischen Mitgliedem einer Organisation unterstiitzen und ihnen dabei helfen,
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
347
Der Ubersicht kann femer entnommen werden, dass sich die in dieser Arbeit entwickelten Typologie virtueller Untemehmen zur Erklarung der Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnoiogien wenig eignet, da keine eindeutigen Tendenzen erkennbar sind. Auch scheint die Gr66e eines virtuellen Untemehmens nur einen geringen Erklarungswert zu haben. So kOnnte angenommen werden, dass v. a. in virtuellen Untemehmen, die ein groBes latentes Netzwerk aufweisen, aufgrund des anzunehmenden hOheren Kommunikations- und Koordinationsbedarfs komplexere Informations- und Kommunikationstechnoiogien wie z. B. Telefon-A^ideo- oder Onlinekonferenzen und Groupware-Applikationen eingesetzt werden. Dies scheint zwar bei der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland oder der VirtuellBau zuzutreffen, jedoch stehen dieser Argumentation z. B. die Fallbeispiele des Softwarezentrums Bdblingen'Sindelfingen oder auch der VirtuellFab entgegen, die trotz der Gr56e ihrer latenten Netzwerke auf komplexere Informations- und Kommunikationstechnoiogien verzichten. Dagegen weisen einzelne Untemehmensbeispiele wie die Freie Holzwerkstatt Koncraft oder die ConVerve einen vergleichsweise hohen Technisierungsgrad auf, obwohl sich in ihren latenten Netzwerken nur vergleichsweise wenige Partner befmden. Dartiber hinaus kann gezeigt werden, dass auch die BranchenzugehOrigkeit ein schwacher Indikator ist. So k5nnte angenommen werden, dass V. a. die virtuellen Untemehmen der IT-Branche eine hohere Affmitat zur Verwendung komplexerer Informations- und Kommunikationstechnoiogien aufweisen. Die Fallbeispiele der Freien Holzwerkstatt Koncraft (Handwerksbranche) und der FunKey (ITBranche) stehen jedoch im Widerspmch zu diesem Argument. Die hier skizzierten AuffUlligkeiten deuten darauf hin, dass die Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnoiogien in den untersuchten virtuellen Untemehmen auf einem komplexen Zusammenwirken zahlreicher Faktoren mit individuellen Gewichtungen basiert. Eine Kategorisiemng erscheint auf dieser Gmndlage a priori nicht mSglich. Bevor auf die koordinationsunterstutzenden Funktionen der einzelnen in Tabelle 21 dargestellten Technologien und ihre Relevanz in den untersuchten Untemehmen naher eingegangen wird, sollen zunachst die besonderen Anfordemngen verdeutlicht werden, die an die Informations- und Kommunikationstechnoiogien in virtuellen Untemehmen gestellt werden. Auf dieser Gmndlage iSsst sich anschlieBend beurteilen, inwieweit die
komplexe Geschaftsprozesse durchzufUhren. Vgl. Georgakopoulos et al. (1995), S. 119. Siehe hierzu weiterftihrend die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.3.4.4.
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Darstellung der Ergebnisse
einzelnen Technologien in virtuellen Untemehmen zur UnterstUtzung der Koordination sinnvoll eingesetzt werden k5nnen. An die Informations- und Kommunikationstechnologien in virtuellen Untemehmen werden hohe Anforderungen gestellt.^^^^ Dies ist v. a. auf die flexible Struktur virtueller Untemehmen zuruckzufiihren, was insbesondere in der zeitlich befristeten Zusammenarbeit rechtlich selbstSndiger Kooperationspartner, der immer wieder neuen Zusammensetzung von Kooperationspartnem bei der BewSltigung von Projekten und der geographischen Verteilung der Kooperationspartner begrtindet liegt. Upton/McAfee (1996) weisen in diesem Zusammenhang auf drei wesentliche Voraussetzungen hin, die im Hinblick auf eine effiziente Verwendbarkeit von Informationsund Kommunikationstechnologien erftillt sein mtlssen: (1) die M5glichkeit der Integration von Partnem mit unterschiedlichen Kopplungsintensitaten (von loser bis fester Kopplung), (2) die M5glichkeit der Integration von Partnem mit unterschiedlichen IT-Erfahmngen bzw. -FShigkeiten (unerfahren bis erfahren) und IT-Systemen, und (3) die Bereitstellung aller flir das virtuelle Untemehmen notwendigen Funktionen. Zu diesen Funktionen gehSren neben der gmndlegenden Ubertragung von Daten v. a. auch die untemehmensubergreifende Vemetzung und die UnterstUtzung der Kooperation von geographisch verteilten Kooperationspartnem/^** Vor dem Hintergmnd dieser Anforderungen erscheint es plausibel, dass in virtuellen Untemehmen vor allem flexible Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden sollten, die eine hohe AnpassungsMiigkeit an die jeweiligen Projektanfordemngen besitzen und kompatibel zu den in den rechtlich selbstandigen Untemehmen verwendeten, hSufig unterschiedlichen Softwaresystemen sind. Hierzu bieten sich v. a. Softwareapplikationen an, die technisch offen und modular aufgebaut sind und einheitliche ProtokoUe zum Datenaustausch verwenden.'^*^ Aufgmnd der Vielzahl m5glicher Informations- und Kommunikationstechnologien und der nur in Teilbereichen festgelegten bzw.tiblichenStandards wie z. B. EDIFACT
'^*° Vgl. Camarinha-Matos/Pantoja-Lima (2001), S. 135. *^** Vgl. Upton/McAfee (1996), S. 124 f. Siehe hierzu auch Drumm (1998), S. 197. ''*^ Vgl. Muller (2003), S. 96. In den vergangenen Jahren wurde intensiv an der Entwicklung spezieller Informations- und Kommunikationssysteme fiir virtuelle Untemehmen gearbeitet. So z. B. der Prototype „VICOPLAN". Siehe hierzu Hess (2002).
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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Oder STEP,'^^^ mtissen die Partner vor Beginn der Kooperation Vereinbarungen uber die zu verwendenden Informations- und Kommunikationstechnologien, die Kommunikationsstandards bzw. die Verwendung einer bestimmten Software treffen.'^^"* Erst wenn die Kommunikationsstandards definiert und die Kommunikationsschnittstellen zwischen den Kooperationspartnem festgelegt wurden, sind die Voraussetzungen ftir einen reibungslosen Austausch projektrelevanter Informationen bzw. Daten erfiillt.'^^^ So sind z. B, Mertens/Faisst (1995) der Auffassung: „Eine zumindest lose Kopplung von informationstechnischen Hilfsmitteln und Anwendungssystemen dUrfte in vielen VU zum kritischen Erfolgsfaktor (umgekehrt die mangelnde Kompatibilitat zum kritischen Misserfolgsfaktor) werden."^^^^ Letztlich k5nnen in Bezug auf die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien in virtuellen Untemehmen jedoch keine generellen Aussagen getroffen werden, da sich ihre Auswahl an der Konstitution, den Gegebenheiten und den Informations- und Kommunikationserfordemissen des jeweiligen virtuellen Unternehmens orientieren muss.'^^^ Als Minimalanforderungen konnen dabei (Mobil-) Telefon, Fax, E-Mail sowie eine intemetbasierte Computerinfrastruktur betrachtet werden.'^^^ Eine Erweiterung bzw. Optimierung der Informations- und Kommunikationstechnologien, z. B. durch aufwandigere Workflow-Management-Systeme, ist jedoch auch in einem virtuellen Unternehmen nicht uneingeschrankt mSglich. Vielmehr mtissen bei der Planung solcher MaBnahmen die Potenziale der „schwachsten" Partner, z. B. in Bezug auf die Fahigkeiten und die fmanziellen M5glichkeiten, berucksichtigt werden. ^^^^ Eine rein technologiefokussierte Betrachtung der Kommunikation, wie sie v. a. in der auf das Konzept des virtuellen Untemehmens bezogenen Phase der (ibertriebenen
'^^^ Siehe hierzu z. B. Camarinha-Matos/Lima (1999); Camarinha-Matos/Pantoja-Lima (2001). Fur den Austausch insbesondere qualitativer Daten oder Berichte wurden jedoch noch keine Standards entwickeh, die einen weitgehend reibungslosen Austausch von Daten erlauben. '^^"^Vgl. Malone/Crowston (1991), S. 17; Camarinha-Matos/Lima (1999), S. 58; CamarinhaMatos/Pantoja-Lima (2001), S. 135. •^^^ Vgl.Behrens (2000), S. 172. '^^^ Vgl. Mertens/Faisst (1995), S. 12. '^^^ Siehe hierzu auch MuUer (2003), S. 129. '^^^Vgl. Drumm (1998), S. 197. *^^^ Vgl. Mertens et al. (1998), S. 125.
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Darstellung der Ergebnisse
Euphoric vorherrschte,'^^^ wUrde den Stellenwert modemer Informations- und Kommunikationstechnologien jedoch nicht nur verzerrt, sondem schlichtweg falsch wiedergeben. Dies ist v. a. auf die eingeschrankte „Informationsbandbreite" bzw. geringe „mediale Reichhaltigkeit"'^^' medienvermittelter Kommunikation zuriickzufUhren: „Die Nutzung von Medien zur ausschlieBlichen Kommunikation reduziert die M5glichkeiten der n-dimensionalen Kommunikation durch KOrperhaltung, Verhalten und Sprache auf letztere. Dadurch werden GlaubwUrdigkeitskontrollen des gesprochenen Oder geschriebenen Worts erschwert, wenn nicht sogar verhindert."^^^^ Dies iSsst sich verdeutlichen, wenn man die Kommunikation im Allgemeinen und die Informationsund Kommunikationstechnologien im Speziellen in Anlehnung an Malone (1988) systematisch auf der Basis der Dimensionen Zeit (synchron oder asynchron), Raum (selber Ort oder unterschiedlicher Ort) und Kommunikationsmedium (Video, Sprache, Text) analysiert.'^^^ In Tabelle 22 wird diese Differenzierung im Uberblick dargestellt: TabeUe 22: Synchrone/asynchrone und verteilte/nicht verteilte Kommunikation Charakteristikum
selber Ort - Projektbesprechung
synchron
- Informaie Zusammenkunfte (Kommunikation von Angesicht zu Angesicht) Kommunikationsmedium: Sprache, Text, Video ' Intemet-Foren
asynchron
- Projektmanagement-Sofhvare (Groupware) - Online-Terminkalender Kommunikationsmedium: V. a. Text
unterschiedlicher Ort - (Mobil-)Telefon - Telefon-A'^ideo-/ Onlinekonferenz
Kommunikationsmedium: V. a. Sprache (Text, Video) ' E-Mail - Fax - Dokumentenmanagementsystem Kommunikationsmedium: V. a. Text
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Malone (1988), S. 16.
' Siehe z. B. Davidow/Malone (1992). Zu den unterschiedlichen Entwicklungsphasen des Konzepts des virtuellen Untemehmens siehe die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.1. Vgl. DaM^engel (1984), DaM^engel (1986). • Vgl.Drumm (1998), S. 198. ' Vgl. Malone (1988), S. 16.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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Die tabellarische Ubersicht zeigt, dass bei einer direkten Kommunikation, d. h. einer synchronen und am selben Ort erfolgenden Kommunikation, sowohl Sprache und Text als auch Video als Kommunikationsmedien zur Verfilgung stehen. Bei einer synchronen Kommunikation unter rSumlich verteilten Kommunikationspartnem steht die Sprache als Kommunikationsmedium im Vordergrund, wobei Text und Video nur mit einem erheblichen technischen Aufwand als Kommunikationsmedium verwendet werden kSnnen. Das Internet ermoglicht eine asynchrone Kommunikation am selben Ort, wobei der Ort der Kommunikation z. B. ein Internet-Server ist, auf dem eine Projektmanagement-Software oder ein Online-Terminkalender installiert ist. Uber das Internet kGnnen die Kooperationspartner auf diese Softwaresysteme zugreifen. Der Text stellt hierbei das Kommunikationsmedium dar. Bei einer asynchronen Kommunikation zwischen r^umlich verteilten Kommunikationspartnem konnen zwar unterschiedliche Informations- und Kommunikationstechnologien verwendet werden, jedoch steht hierbei ebenfalls nur der Text als Kommunikationsmedium zur Verfugung. Der Reihenfolge der Darstellung folgend ist die „mediale Reichhahigkeit" bzw. Informationsbandbreite bei der direkten synchronen Kommunikation am groBten, bei der medienvermittelten synchronen Kommunikation dagegen auf einem mittleren und bei der medienvermittelten asynchronen Kommunikation auf einem vergleichsweise geringen Niveau. Diese hier identifizierten Unterschiede scheinen einen direkten Einfluss auf die Verwendung der in Tabelle 22 eingeordneten Informations- und Kommunikationstechnologien zur UnterstUtzung der Kommunikations- und Koordinationsprozesse in virtuellen Untemehmen zu haben: Bei der Betrachtung der Fallbeispiele kann festgestellt werden, dass modeme Informations- und Kommunikationstechnologien nicht in alien Phasen eines virtuellen Untemehmens'^^"* gleich haufig verwendet werden.*^^^ Insbesondere in virtuellen Untemehmen, die Uber ein groBes latentes Netzwerk verfligen, erfolgt in der Projektanbahnungsphase die Suche nach geeigneten Kooperationspartnem haufig Uber Online-Datenbanken, in denen die Profile der Netzwerkpartner und ihr Leistungsspektmm abgespeichert sind.*^^^ Wurden die geeigneten Kooperationspartner gefunden und haben sie ihr Interesse an einer Kooperation bekundet, erfolgt die Kommunikation in der Vereinbamngsphase nicht technologievermittelt, sondem v.
^^^^ Zum Phasenverlauf in virtuellen Untemehmen siehe Abschnitt 2.1.5. '^^^ Hierauf macht auch Faisst (1998), S. 64 ff. aufmerksam. '^^^ Vgl. [Nr.2: 90-99]; [Nr.7: 92-105]; [Nr.l3: 353-389]; [Nr.l4: 356-375]; [Nr.l6: 288-290].
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Darstellung der Ergebnisse
a. pers5nlichJ^^^ Der Projektablauf in virtuellen Untemehmen scheint sich in dieser Phase nicht wesentlich von denen traditioneller Projekte zu unterscheiden. Die Kommunikation in der Vereinbarungsphase erfolge zunachst im Rahmen eines Projekttreffens, das als unverzichtbare Voraussetzung fiir eine erfolgreiche Projektabwicklung betrachtet wird. Hierbei werden grundlegende Aspekte, wie z. B. der Projektauftrag, die Beteiligung von extemen Lieferanten sowie die zeitlichen und fmanziellen Rahmenbedingungen des Projekts besprochen.*^^^ Die Vermeidung einer medienvermittelten Kommunikation in der Vereinbarungsphase ist damit zu begrUnden, dass in einer direkten Kommunikation wShrend eines Projekttreffens ein wesentlich reichhaltigerer Informationsaustausch zwischen dem Kunden und den Projektpartnem bzw. unter den Projektpartnem erfolgen kann. Wahrend eines solchen Treffens kann der Kunde z. B. genauere Angaben liber die Ziele bzw. die zu erbringenden Leistungen machen und auch von Seiten der Kooperationspartner k5nnen Fragen bezUglich des Kundenwunsches gesteUt und Probleme bei der Projektumsetzung erSrtert werden. Erst wenn in der Vereinbarungsphase die grundlegenden Fragen geklM, die nSchsten Schritte der Projektumsetzung besprochen und festgelegt und die Aufgaben auf die einzelnen Kooperationspartner verteilt wurden, werden in der anschlieBenden Durchfiihrungsphase verstarkt modeme Informations- und Kommunikationstechnologien wie z. B. Telefon/Fax und vor aliem E-Mail, aber auch Projektmanagement-Software (Groupware) verwendet.'^^^ Die Interviewpartnerin der Gigaperls ist der Auffassung, dass die Kommunikationsbeziehungen im Laufe der Projektarbeit durch modeme Informationsund Kommunikationsmedien weiter intensiviert werden. Sie kOnnten jedoch nicht als Ersatz ftir die pers5nlichen Gesprache betrachtet werden.'^^° In der Projektabschlussund AuflOsungsphase uberwiegt wieder die persOnliche Kommunikation. Im Rahmen eines Projektabschlusstreffens werden die im Projekt aufgetretenen Probleme noch einmal besprochen, um Lemprozesse unter den Partnem zu fbrdem.'^^^ Die Erfahrungen k5nnen dabei in einer Know-how-Datenbank oder in einem Dokumentenablage-
^^^^ Siehe z. B. [Nr.l: 207-222; 247-249]; [Nr.4: 113-114]; [Nr.l5: 280-304]. •^^^ Vgl. z. B. [Nr.lO: 250-270,286-288]; [Nr.l7: 367-370, 383-385, 387-394]. '^^^ Vgl. [Nr.l: 163-172; 200-206]; [Nr.3: 305-311, 322-338, 474-494, 507-517]; [Nr.7: 122-140]; [Nr.8: 385-408]; [Nr.l2: 168-181]; [Nr.l5: 280-304]. •^^%gl. [Nr.4: 502-517]. '^°' Vgl. [Nr.4: 518-523]. Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 5.3.1.1.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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system gespeichert werden, auf welche die Projektpartner bei zukiinftigen Projekten zurlickgreifen k(3nnen.'^^^ Der Geschaftsfiihrer der Tronsoft macht hinsichtlich der Kommunikation darauf aufmerksam: „Z)/e Kommunikation muss sowohl face-to-face als auch iiber moderne Kommunikationswege
erfolgen. [...] Virtuell heifit also nicht, dass alles offshore
funktioniert." ^^^^ Dies bestatigen sowohl Mertens/Faisst (1997), Sieber (1998a) als auch Kraut et al. (1999) mit ihren empirischen Untersuchungen virtueller Untemehmen/^^"* Erstere stellten fest, dass elektronische Formen der Kommunikation lediglich zur Feinabstimmung eingesetzt werden. Dagegen erfolgt die Grobkoordination aufgrund der Vorteile der „medialen Reichhaltigkeit" eher von Angesicht zu Angesicht.'^^^ Wird auf gemeinsame Abstimmungen im Rahmen von Projektbesprechungen in der Vereinbarungsphase verzichtet, fiihrt dies haufig zu gravierenden Problemen unter den Kooperationspartner wahrend der Durchfiihrungsphase.'^^^ Die Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien Mngt somit in erster Linie von den Kommunikationsanforderungen der jeweiligen Situation ab. MUssen komplexe, interdependente Abstimmungen unter den Projektpartnem vorgenommen werden, ist eine effektive und effiziente Kommunikation und Koordination haufig nur durch direkte Kommunikation im Rahmen von Projektbesprechungen m5glich.''°' Die gemeinsamen Abstimmungen in der Vereinbarungsphase eines virtuellen Unternehmens und spater auch wahrend der operativen Phase dienen jedoch nicht nur der Grobkoordination. Mit der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht wird auch der Aufbau bzw. die Bestatigung der Vertrauensbeziehungen maBgeblich unterstutzt. Wie
'^^^Vgl.[Nr.l9: 82-92]. '^^^ Vgl. [Nr.2: 145, 156]. '^^^ Vgl. Mertens/Faisst (1997), S. 131; Sieber (1998a), S. 266; Kraut et al. (1999), S. 725. '^^^ Vgl. Mertens/Faisst (1997), S. 131. '^°^ Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 625. '^^^ Siehe auch Sieber (1998a), S. 266. Hinsichtlich der Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien lieBen sich unter Bezug auf die Komplexitat der Kommunikationsanforderungen (gering/hoch) zwei Zusammenhangsaussagen treffen. Auf eine Hypothesenableitung wird hier jedoch abgesehen, da nicht nur in virtuellen, sondem auch in nicht-virtuellen Unternehmen moderne Informations- und Kommunikationstechnologien bei geringer Komplexitat und Interdependenz der Abstimmungsprozesse sinnvoll eingesetzt werden kSnnen bzw. sich eine direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht bei komplexen und inderdependenten Abstimmungsprozessen unabhangig von der Organisationsform eignet.
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Darstellung der Ergebnisse
bereits in den AusfUhrungen zum Vertrauen als Koordinationsinstrument verdeutlicht wurde,^^^* stellen Vertrauen und persOnliche Beziehungen eine wesentliche Grundlage flir eine effektive und effiziente Verwendung modemer v. a. intemetbasierter Informations- und Kommunikationstechnologien dar.'^°^ So vermuten auch Kraut et al. (1999): „It may be that the very act of putting in and working with electronic networks causes a greater need for personal coordination. Alternatively, preexisting personal relationships used for organizational coordination may also help firms to coordinate electronically."'''' Auf den Vertrauensaspekt bei der Kommunikation und Koordination mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien weisen mehrere Interviewpartner hin: So macht z. B. der Koordinator der VirtuellBau darauf aufmerksam, dass die Kommunikation unter den Kooperationspartnem zu einem GroBteil iiber modeme Informations- und Kommunikationsmedien erfolge, allem voran E-Mail. Was sich jedoch nicht verSndert habe, sei die Grundlage der Kommunikation auf der Basis von Vertrauen und gegenseitiger Wertschatzung: ,J)as haben wir heute wieder kultiviert. Wir haben also nichts Neues erfunden.''^^^^ Um diese Technologien effektiv und effizient nutzen zu k5nnen, mUsse zuvor eine Vertrauensgrundlage unter den Kooperationspartnem durch direkte Kommunikationsbeziehungen geschaffen worden sein.*^'^ Der befragte Netzwerkcoach der Virtue Hen Fabrik Baden-Wurttemberg fasst die modemen Informations- und Kommunikationstechnologien daher eher als „n(itzlichen Zusatz" auf, dessen Nutzen nicht Uberbewertet werden darf,'^^^ zumal die Gefahr der Fehlinterpretation aufgrund der eingeschrankten Informationsbandbreite besteht. So kSnne nicht sichergestellt werden, ob die Informationen Uber die modeme Informations- und Kommunikationstechnologien, z. B. durch E-Mails, beim Empf^ger auch tatsachlich so verstanden werden, wie es vom Sender gemeint war.^^'"^ Auch der Netzwerkmanager der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland hebt den Stellenwert von Vertrauensbeziehungen im Vergleich zum Einsatz modemer
^^^^SieheAbschnitt 5.3.1.3. ^^^ Zur Wechselwirkung zwischen Vertrauen und Informations- und Kommunikationstechnologien siehe Kasper-Fuehrer/Ashkanasy (2001), S. 249. •^'° Vgl. Kraut et al. (1999), S. 736. '^"Vgl.[Nr. 14: 323-324]. '^'^ Vgl. [Nr.2: 76-78]; [Nr.l6: 63-104]. '^^^ Vgl. [Nr. 16: 52-53], '^'"^ Vgl. [Nr. 14: 264-273].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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Informations- und Kommunikationstechnologien hervor: „Die Vernetzung uber die Kopfe ist meines Erachtens nach viel wichtiger als die Vernetzung mit der /r."'^^^ Damit macht er deutlich, dass die modemen Medien erst auf der Grundlage von Vertrauen effizient verwendet werden kOnnen. Auch in der Literatur zum virtuellen Untemehmen wird, wenngleich aus einem systemtheoretisch-kybemetischen Ansatz abgeleitet, auf diesen Aspekt aufmerksam gemacht: „Die Nutzung einer Informationsund Kommunikationstechnologie-Plattform fiihrt erst in Verbindung mit einem starken Vertrauensverhaltnis zu hOherer Dynamik, besserer Kooperations- und InnovationsfUhigkeit und gr()6erer Flexibilitat."^^*^ Vor dem Hintergrund dieser Ausflihrungen gewinnt auch die in den untersuchten virtuellen Untemehmen h^ufig festzustellende regionale Ausrichtung der latenten Netzwerke'^*^ an Plausibilitat. Die regionale Nahe der Netzwerkpartner erleichtert unter ihnen die direkte Kommunikation und den Aufbau von Vertrauen, wodurch ein positiver Einfluss auf die Effektivitat und Effizienz der Verwendung von modemen Informations- und Kommunikationstechnologien anzunehmen ist. So ist der interviewte Netzwerkmanager des Softwarzentrums Boblingen-Sindelfingen der Uberzeugung, dass die Effektivitat und Effizienz eines virtuellen Untemehmens steigen, je geringer die geographischen Distanzen zwischen den Netzwerk- bzw. Kooperationspartnem sind.'^*^ Auf dieses Paradoxon, das darin zu sehen ist, dass die modemen Informations- und Kommunikationstechnologien einerseits Potenziale fiir eine sehr preiswerte und schnelle Informationstibertragung Uber raumliche und zeitliche Barrieren hinweg bereithalten, andererseits jedoch zunachst einmal persOnliche Kommunikation voraussetzen, hat auch bereits Handy (1995) aufmerksam gemacht: „Paradoxically, the more virtual an organization becomes, the more its people need to meet in person."'^'^ Die hier dargestellten Ausfiihmngen lassen eine Hypothesenableitung in Bezug auf die Effektivitat und die Effizienz der Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien zu: H39:
Die Effektivitat und die Effizienz von Informations- und Kommunikationstechnologien im Hinblick auf die Kommunikation und Koordination in vir-
^^'^ Vgl. [Nr.l3: 315-352,696-701, Zitat: 347-348]. '^'^Vgl. Fischer (2001), S. 165. ^^'^ Siehe hierzu Tabelle 6 in Abschnitt 5.1. '^*^ Vgl. [Nr.7 : 62-70]. '^•^ Vgl. Handy (1995), S. 46.
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Darstellung der Ergebnisse tuellen Unternehmen korreliert positiv mit dem AusmaB direkter Kommunikationsbeziehungen und der damit verbundenen Chance des Vertrauensaufbaus unter den Kooperationspartnem.
Der Begriff der Virtualitat kann dazu verleiten, dass die Vielfalt und die potenzielle Leistungsf^higkeit modemer Informations- und Kommunikationstechnologien zu stark in den Vordergrund gertickt werden. Die Gefahr bestehe dabei, dass dem Aspekt zu wenig Rechnung getragen wird, dass die Kooperation wie in traditionellen Kooperationen auch durch menschliche Akteure erfolgt'^^^: „Was ich nie geglaubt habe, ist dieser menschliche Aspekt, der bei einer solchen Kooperation eine sehr grofie Rolle spielt. Man denkt am Anfang, dass man mit der Technik alles losen kann, aber es sind doch immer Menschen, die an den Aufgaben sitzen und die zusammenarbeiten mussen. [...J Die Technologien sindja nicht Mittel zum Zweck Man mussja auch gewdhrieisten konnen, dass die technisch vermittelte Kommunikation letztlich auch funktioniert.''^^^^ Im Vergleich zu der direkten Kommunikation ist die Bedeutung der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien derjenigen der sozialen Beziehungen in einem virtueilen Unternehmen nachgeordnet:'^^^ „Ma« muss das viel mehr von der sozialen Perspektive aus betrachten. [...] Fur mich gehort die Technik in den Hintergrund, weil sie viel mehr Moglichkeiten bereithdlt, als man uberhaupt braucht. Das virtuelle Unternehmen wird vielfach falsch verstanden.''^^^^ Die Potenziale der Informations- und Kommunikationstechnologien dUrfen daher nicht zu optimistisch betrachtet oder uberbewertet werden.^"'* Durch eine technologiefokussierte Betrachtung der Kommunikation wtirde zudem der Kooperationsaspekt und die vertrauensbasierte Abstimmung in den Hintergrund gedr^ngt werden/^^^ Das Vorhandensein modemer Informations- und Kommunikationstechnologien in einem Netzwerk allein bringt noch keine entscheidenden Vorteile. Vielmehr mussen die Akteure willens und in der Lage sein, die technologischen M5glichkeiten auch anzuwenden.'"^ Durch die Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien wird die
'^^° Vgl. [Nr.l8: 231-239]; [Nr.l9: 144-146; 283-285, 273-281,295-308]. •^^' Vgl. [Nr.l9: 219-222]. '^^^ Vgl. [Nr.8: 210-218]. '^^^ Vgl. [Nr.8: 723-728]. '^^^ Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 625; Arnold et al. (2003), S. 15; Fleisch (2001), S. 121 f; Borchardt(2005),S.20f '"Wgl. Fischer (2001), S. 164. '^^^ Vgl. Handy (1995), S. 44; Arnold et al. (2003), S. 15. Siehe auch [Nr.l4: 264-273].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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Kommunikation von Angesicht zu Angesicht lediglich unterstUtzt, jedoch nicht vollstandigersetzt.'^^^ Nachdem in den bisherigen Ausfiihrungen auf die besonderen Anforderungen an die Informations- und Kommunikationstechnologien in virtuellen Untemehmen und auf die wesentliciien Voraussetzungen fiir eine effiziente Verwendung dieser Technologien Bezug genommen und die Besonderheiten der Kommunikation in einer Zeit-OrtMatrix dargestelit wurden, werden im Folgenden die empirischen Befunde zu den in Tabelle 21 aufgezeigten Informations- und Kommunikationstechnologien naher erlSutert und im Zusammenhang mit den Auffassungen der Literatur diskutiert. 5.3.4.1 Telefon/Fax/E-Mail Wie in Tabelle 22 und in den bisherigen Ausfiihrungen bereits dargestelit, wird den Standardtechnologien wie (Mobil-)Telefon und v. a. E-Mail, die das Fax weitestgehend abgelOst haben, in den untersuchten virtuellen Untemehmen ein sehr hoher Stellenwert beigemessen. E-Mails werden in den meisten untersuchten virtuellen Untemehmen als wichtigste Informations- und Kommunikationstechnologie betrachtet.'"^ Die Interviewpartner betonten, dass sie sich insbesondere durch die vielseitige Nutzbarkeit'^^^ und durch ihre sehr geringen Kosten zur Kommunikation und Untersttitzung der Koordination anbietet.'^^° Durch die Verwendung von E-Mail ist nach Auffassung des Interviewpartners der Redesign Deutschland ein Projektmanagementsystem oder ein zentraler Server ,,komplett ersetzbar''}^^^ So erfolgt z. B. die Kommunikation und Koordination nach Angaben des Netzwerkmanagers der Virtual Company zu 70 % per E-Mail, 20 % per Telefon und 10 % uber personliche GesprSche.^"^ Eine durchgehende Erreichbarkeit des Koordinators sei dabei uber E-Mail und Mobiltelefon gewahrleistet.'"^
'""^ Vgl. ReiB (2003), S. 7; Kutschker/Schmid (2002), S. 625; Drumm (1998), S. 200; Garrecht (1998), S. 232. Siehe auch [Nr.l9: 273-281]. *^^^Siehez.B.[Nr.5: 314-317]. ^^^^ Per E-Mail erfolgt nicht nur die Kommunikation unter den Kooperationspartnem, sondem auch mit dem Kunden. Hierbei werden z. B. Vertrage oder auch digitale Fotos, die den Stand des Projekts dokumentieren, im Anhang der E-Mail verschickt. Vgl. [Nr.7: 193-217]; [Nr. 9: 90-101, 106-142, 188-205]; [Nr.l2: 168-181]. '^^° Vgl. [Nr.4: 381-427]. '^^' Vgl. [Nr.l7: 350-355, 365-379, Fundstelle: 373] '^^^ Vgl. [Nr.5: 314-317]. '^" Vgl. [Nr.5: 293-295, 310-313].
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Darstellung der Ergebnisse
5.3.4.2 Telefon-ZVideo- und Onlinekonferenzen Um eine synchrone Kommunikation zwischen mehreren Akteuren, die sich an unterschiedlichen Orten befinden, zu erm5glichen, kSnnen z. B. Konferenzschaltungen per Telefon oder Internet genutzt werden. Telefon-, Video- oder Onlinekonferenzen ermOglichen die interaktive Zusammenarbeit mehrerer Akteure.^^^"* Durch die gleichzeitige Ubertragung von Sprache und Bildinformationen bei Video- oder Onlinekonferenzen (sog. Desktop Video Conferencing) ist eine Kommunikation quasi von Angesicht zu Angesicht mCglich. Die Nutzung von Konferenzschaltungen setzt jedoch voraus, dass alle Teilnehmer zur selben Zeit an der Kommunikation teilnehmen. Crowston (1994) spricht hier von einer „simultaneity dependence".'"^ Wie der Tabelle 21 zu entnehmen ist, haben Telefon-, Video- oder Onlinekonferenzen in den untersuchten virtuellen Untemehmen insgesamt eine geringe Bedeutung. Lediglich bei drei Fallbeispielen, der Koncraft, der ConVerve und der VirtuellBau werden diese Technologien neben weiteren Informations- und Kommunikationstechnologien verwendet. Wahrend Telefonkonferenzen bei der Koncraft gelegentlich zur gemeinsamen Abstimmung unter den Kooperationspartnem genutzt werden, werden Onlinekonferenzen Uber eine intemetbasierte Software u. a. zu Fortbildungszwecken verwendet. Bei der ConVerve wird der Yahoo-Messenger zur Unterstutzung der Kommunikation unter den Partnem genutzt. Ein Informationsaustausch ist somit auch z. B. zu dem geographisch weit entfemten Partner in Indien schnell und preiswert m5glich. Zu diesem Zweck werden taglich um 10:00 Uhr Online-Konferenzen, genauer Online-Chats in Englisch abgehalten, in denen die aktuellen Projektangelegenheiten besprochen werden kOnnen. Durch die unterschiedlichen Zeitzonen, in denen sich die Projektpartner befinden, kOnnen zudem Zeitvorteile genutzt werden: Jn Indien entwickeln sie sozusagen nachts weiter, wo wir am Abend festgestellt haben, dass hier eine Verdnderung vorgenommen werden muss, Und morgens konnen wir dann schon die Umsetzung dieser Verdnderung in unsere weitere Arbeit aufnehmen''^^^^ Der Interviewpartner der ConVerve weist aber auch darauf hin, dass auf direkte Kommunikation bei der Projektabwicklung nicht verzichtet werden kann: ,,Ganz zu Anfang des Projekts gab es aber auch ein oder zwei Face-to-Face-Treffen, in denen man grundle-
'"^ Siehe z. B. Herczeg et al. (2000). '"^Vgl. Crowston (1994), S. 17. '"^ Vgl. [Nr.l9: 194-198, Zitat: 185-187].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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gend uber das Projekt gesprochen hat.''^^^'' Auf Videokonferenzen zur Unterstutzung der Projektkoordination werde jedoch bei den beiden hier betrachteten virtuellen Untemehmen aufgrund des damit verbundenen Kosten- und Zeitaufwands verzich-
Eine sehr interessante Kombination unterschiedlicher Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstutzung der Projektkoordination weist die VirtuellBau auf. Mit Hilfe einer Webcam, der sog. „VirtueIlBau Coordination Cam"'^^^, wird in einer Video-Live-Ubertragung (einem sog. video-stream, ca. 10 Bilder pro Sekunde) Uber die Intemetseite der VirtuellBau der Stand eines Bauprojekts ubertragen. Hierzu ist lediglich ein Projektpartner auf der Baustelle zugegen, der die Webcam positioniert und die Videobilder mit Hilfe eines Notebooks Ubers Internet auf den Webserver der VirtuellBau Obertragt. Die Projektpartner sind zu einem zuvor vereinbarten Zeitraum online, greifen auf die Bilder der Webcam zu und kOnnen unter Verwendung der Kommunikationsplattform
Microsoft
NetMeeting
sowie
Telefon-Konferenz-
schaltungen gemeinsame Baubesprechungen abhalten, ohne dazu an der Baustelle persOnlich anwesend zu sein.'^*^ Abbildung 10 zeigt einen Screenshot der „Coordination Cam":
*^^^Vgl.[Nr.l9: 196-198]. '^^Wgl.[Nr.l5: 280-304]. '^^^ Siehe hierzu auch http://www.virtuellbau.ch (letzter Zugriff: 08.03.2005). *^%gl.[Nr. 14: 355-388].
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Darstellung der Ergebnisse
Abbildung 10: Screenshot der „VirtuellBau Coordination Cam"
Quelle: www.virtuellbau.ch. letzter Abnif 17.05.2005. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass auch die Verwendung von Telefon-/ Video- und/oder Onlinekonferenzen in den hier betrachteten beiden Untemehmensbeispielen eine direkte Kommunikation unter den Partnem nicht ersetzen kann. Vielmehr konnen diese Technologien dazu verwendet werden, eine synchrone Kommunikation auch unter mehreren Kooperationspartnem gleichzeitig zu ermoglichen, wobei die geographischen Distanzen zwischen den Partnem unerheblich sind, Im Untersuchungssample haben jedoch Telefon-, Video- und Onlinekonferenzen insgesamt einen geringe Bedeutung bei der Unterstutzung von Koordinationsprozessen. 5.3.4.3 Groupware Als Groupware, in anglo-amerikanischen Publikationen auch als „collaborative information technologies" ^^^^ bzw. als „computer supported cooperative work" (CSCW) bezeichnet^^'*^ versteht man Hardware und Software zur Unterstutzung von Kooperationen uber zeitliche und raumliche Distanzen hinweg.^^"*^ Im engeren Sinne stellt Groupware v. a. intemetbasierte Software-Applikationen dar, die den Kooperationspartnem einen gleichzeitigen Zugriff auf einen gemeinsamen Datenbestand ermoglicht. Die Groupware basiert in der Regel auf sog. Client-Server-Applikationen, d. h.
^^^^ Siehe z. B. Lewis et al. (2004). ^^^^ Siehe z. B. Grudin/Palen (1995). ^^^'^ Vgl. Nunamaker et al. (1991), S. 40.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
361
Anwendungen, die voraussetzen, dass ein spezielles Programm auf den Arbeitsrechnem der Kooperationspartner installiert ist. Unter der Vielzahl von GroupwareProgrammen zahlen zu den bekanntesten z. B. Lotus Notes von IBM,'^"^"^ Microsoft Project, das haufig mit den E-Mail-Programmen Microsoft Outlook oder Microsoft Exchange^^"*^ in Verbindung steht, Groupwise von Novell^^'*^ und FastTrack Schedule von ComputerWorks.'^"*^ Der Umfang dieser Programme ist unterschiedlich. Bei den meisten sind Projektmanagement-, E-Mail-, Kalender- und Notizbuchftinktionen enthalten. Dariiber hinaus kOnnen aber auch weitaus weniger komplexe und umfangreiche Systeme, wie z. B. Projektwebs, Intemet-Foren oder auch Web-Server, i. w. S. als Groupware-Applikationen betrachtet werden. Mit der Verwendung von Groupware-Applikationen in virtuellen Untemehmen wird die Zielsetzung verfolgt, die Flexibilitat der Kooperationspartner zu erhohen. Im Vordergrund der Verwendung von Groupware-Applikationen steht die Bereitstellung von Informationen und die Gewahrleistung des Informationsflusses. Die Kooperationspartner entscheiden eigenverantwortlich, haufig auch geleitet von Kooperationsregeln, wie und wann sie Daten abrufen oder in die Groupware-Applikationen einspeisen und ihren Kooperationspartnern zuganglich machen.*^"^^ In den untersuchten virtuellen Untemehmen kOnnen hinsichtlich der Verwendung von Groupware-Applikationen z. T. groBe Unterschiede festgestellt werden. Wahrend sie in einzelnen Untemehmensbeispielen einen wesentlichen Bestandteil bei der Projektdurchftihrung darstellen, wird in 7 von 19 Fallbeispielen auf Groupware-Applikationen verzichtet.'^"*^ Insgesamt kann hier festgehalten werden, dass ihnen z. B. im Vergleich zur Verwendung von E-Mail ein vergleichsweise geringer Stellenwert zukommt. In einer genaueren Betrachtung der Fallbeispiele kOnnen diesbezuglich n^here Informationen gewonnen werden. Zu den Untemehmensbeispielen, bei denen eine Groupware-Applikation in der Projektabwicklung verwendet und sehr erfolgreich eingesetzt wird, gehort die Virtue He
'^'*'* Nahere Informationen unter http://www-306.ibm.coni/software/de/lotus/produkte/p-notesclient.html (letzter Zugriff 10.03.2005). '^^ Nahere Informationen unter http://www.microsoft.com/products (letzter Zugriff 10.03.2005). ^^^^ Nahere Informationen unter http://www.novell.de/ (letzter Zugriff 10.03.2005). ^^^^ Nahere Informationen unter http://www.computerworks.de/ (letzter Zugriff: 04.03.2005). '^^^ Vgl. Muller(2003),S. 118f
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Darstellung der Ergebnisse
Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland. In diesem Untemehmensbeispiel wlrd eine umfassende und speziell entwickelte Groupware verwendet. Die autorisierten Kooperationspartner k5nnen Ober das Internet auf einen Server zugreifen, auf dem sich fiir die jeweiligen Projekte Projektdatenbanken befinden, die Projektbeschreibungen, Skizzen sowie Fotos zur Dokumentation beinhalten.'^^^ Dem interviewten Netzwerkcoach ist es uber dieses IT-System mSglich, in die laufenden Projekte Einblick zu gewinnen und Informationen Uber die einzelnen Netzwerkpartner, ihre Kemkompetenzen und eingesetzten Technologien, Leistungen und UmsStze abzurufen.'^^^ Der Vorteil dieser zentralen Datenverwaltung liegt einerseits darin, dass alle Partner auf denselben Informationsstand zurtickgreifen k5nnen und der Koordinationsaufwand bei der Informationsweitergabe somit reduziert wird. Anderseits kann jeder Partner feststellen, welche Partner bereits an einem Projekt arbeiten bzw. welche Projekte abgeschlossen wurden oder welche ProjektauftrSge nicht an die Virtuelle Fabrik vergeben wurden, wodurch die Transparenz der Projekte verbessert wird.^^^^ Dadurch, dass die Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland Teil eines FranchiseNetzwerkes ist, in dem die hier betrachtete Groupware einheitlich verwendet wird, besteht die M6glichkeit, ilber diese gemeinsame Schnittstelle auch netzwerkUbergreifend zu kooperieren. Fehlt z. B. zur Umsetzung eines Projekts eine Kemkompetenz Oder sind die Kapazitaten einer virtuellen Fabrik temporSr ausgelastet, kann der Broker mit Hilfe der Groupware auf die Kapazitaten eines Partnemetzwerks, z. B. der Virtuellen Fabrik Baden-Wurttemberg, zugreifen oder Kundenanfragen weiterleiten. Durch die gleichen Netzwerkstrukturen der Virtuellen Fabriken und die einheitliche Groupware ist es mCglich, dass an einem Projekt Netzwerkpartner aus unterschiedlichen Virtuellen Fabriken zusammenarbeiten/^" Im Vergleich zum Schweizer Pendant ist der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Virtuellen Fabrik Baden-WUrttemberg von ,,nicht allzu grofier Bedeutung'\^^^^ da sich das latente Netzwerk noch in der Aufbauphase befmdet, Zwar werde auch hier die in der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland bewahrte Groupware-Applikation implemen-
'^^° Vgl. [Nr.l3: 294-303, 306-308]. '^^* Vgl. [Nr.l3: 224-233, 308-314]. '^^^ Vgl. [Nr.l3: 427-437]. Zur Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Konzept der Virtuellen Fabrik siehe auch Schuh et al. (1998), S. 131 ff. '^" Vgl. [Nr.l3: 447-487, 431-432]. Siehe auch [Nr.l6: 301-304] sowie weiterfuhrend auch Hafliger (2000), S. 212. '^^"^ Vgl. [Nr. 16: 57-58].
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tiert, jedoch werde es noch nicht zur UnterstUtzung der Projektkoordination eingesetzt. Vielmehr erfolge die Kommunikation und Koordination v. a. unter Einsatz von EMail. Dieser Vergleich zeigt einerseits, dass die Verwendung von komplexeren Informations- und Kommunikationstechnologien in Relation zur Entwicklung des latenten Netzwerks eines virtuellen Untemehmens betrachtet werden muss. Elektronische Kommunikationsmedien sind zwar zur UnterstUtzung der Kommunikation und Koordination wahrend der Leistungserstellung wichtig, jedoch sind insbesondere in der Phase des Aufbaus des latenten Netzwerks das gegenseitige Kennenlemen der Kooperationspartner und der Vertrauensaufbau von zentraler Bedeutung.*^^^ Andererseits weist der Vergleich dieser beiden virtuellen Untemehmen, die beide auf dem Konzept der Virtuellen Fabrik nach Schuh aufbauen/^^^ darauf hin, dass die Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien mit fortschreitender Entwicklung des latenten Netzwerks und dem Aufbau von Vertrauensbeziehungen zwischen den Netzwerkpartnem an Bedeutung gewinnt.^^^^ Daher kann folgende Hypothese abgeleitet werden: H40:
Die Bedeutung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien korreliert positiv mit fortschreitender Entwicklung des latenten Netzwerks und dem Aufbau von Vertrauensbeziehungen zwischen den Netzwerkpartnem.
Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass die direkte Kommunikation mit zunehmender Entwicklung bzw. Reife des latenten Netzwerks durch eine technologisch vermittelte Kommunikation vollstandig substituiert wird. Dies ist v. a. auf die eingeschrankte mediale Reichhaltigkeit gegenwartiger technologievermittelter Kommunikation zurUckzufiihren. Vielmehr kann die technologisch vermittelte Kommunikation als ErgSnzung der direkten Kommunikation betrachtet werden, welche die Intensitat und Haufigkeit der Kommunikationsbeziehungen unter den Kooperationspartner erh5hen kann.'^^^ Wahrend bei der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland aufgmnd der GrOBe und des weit entwickelten latenten Netzwerks eine eigens entwickelte GroupwareApplikation verwendet wird, erfolgt die Projektplanung bzw. -koordination der Tron-
'^^^Vgl.[Nr.l6: 50-130]. '^^^ Siehe z. B. Schuh et al. (1998). '^^^Vgl.[Nr. 16: 63-104]. ^^^^Vgl.[Nr.4: 502-517].
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Darstellung der Ergebnisse
soft unter Verwendung des handelsublichen Microsoft Project. Dieses softwaregestutzte Planungstooi erm5glicht einen Uberblick uber die Kapazitatsauslastung der Kooperationspartner, unterstUtzt die Finanzplanung sowie die TerminverwaltungJ^^^ Ein wesentlicher Vorteil dieser Software bestehe in der Kompatibilitat zu anderen Microsoftprodukten. So kOnnen z. B. die in Microsoft Project erstellten Dokumente ohne Probleme von anderen MS-Office Programmen geOffnet werden, wodurch keine Notwendigkeit besteht, dass jeder Kooperationspartner uber eine Lizenz dieser Software verftigen muss und Schnittstellenprobleme vermieden werden.'^^^ Die Kompatibilitat von Group ware-Applikationen wird auch von der Interviewpartnerin der TWG hervorgehoben. In diesem Untemehmensbeispiel wird das Dokumentenmanagementsystem Ebel verwendet, das mit Microsoft Office kompatibel ist. Damit sei es mSglich, die einzelnen Dokumente wie auch die E-Mail-Korrespondenz eines Projekts zu verwalten, sodass die einzelnen Prozessschritte nachvollzogen werden kSnnen. Daneben werde ein Leistungserfassungstool verwendet, was bereits bei der Angebotserstellung Anwendung fand und als Grundlage der Vertragsgestaltung genutzt werden kann. Dieses Leistungserfassungstool gSbe uber die Teilleistungen der Kooperationspartner Aufschluss und k5nne somit auch ftir das Controlling hilfreich sein.^^^' Die Verwendung von komplexeren Groupware-Applikationen bei den hier betrachteten Untemehmensbeispielen {Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland, Tronsoft und TWG) bietet sich v. a. deshalb an, da die unterschiedlichen Projekte (in Ubereinstimmung mit der Annahme der Koordinationstheorie) erhebliche Ahnlichkeiten hinsichtlich der Prozessablaufe aufweisen, die eine gewisse Standardisierung zulassen. Aufgrund der nur geringen AnpassungsfUhigkeit von handelsUblichen GroupwareApplikationen an die Projektanforderungen der ConVerve wurde in diesem Untemehmen mit dem „ProTracking" eine spezielle Groupware entwickelt.*^^^ Wahrend in der Grundungsphase der ConVerve noch hohe Erwartungen an die Funktionalitat dieser Groupware gestellt wurden,'^^^ habe sich jedoch im Laufe der Jahre gezeigt, dass auch
'^^^Vgl.[Nr.2: 306-313]. *^^%gl.[Nr.2: 314-324]. *^^^ Vgl. [Nr.l8: 178-190,221-231]. *^^^ Siehe hierzu auch unter http://www.converve.de/products/protracking/protr-e.html Zugriff: 01.02.2002).
(letzter
^^^ Im Rahmen eines Wirtschaftsforschungsprojekts in Schleswig-Holstein wurde die ConVerve bereits 2002 als Beispiel eines virtuellen Untemehmens untersucht. Siehe hierzu Teichmann/Borchardt (2002), S. 6 ff und Teichmann/Borchardt (2003), S. 65 ff.
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eine speziell entwickelte Groupware bei der Projektabwicklung mit einem erheblichen Zeitaufwand bei der Administration, d. h. der Aktualisierung und Pflege der projektrelevanten Daten verbunden ist und die Potenziale erst dann genutzt werden k6nnen, wenn Routinen bei der Durchfuhrung unterschiedlicher Projekte entstehen bzw. genutzt werden kOnnen.'^^'* Auf diese Aspekte macht auch der Interviewpartner der Virtual Company aufmerksam. Komplexere Groupware-Applikationen seien zwar fiir standardisierte Prozesse sinnvoll, nicht aber fiir sehr dynamische Prozesse, in denen schon allein eine neue Partner-Konstellation neue Kontextfaktoren schafft: ,,Das kostet alles Zeit und Geld, Dafolge ich eher dem Pareto-Prinzip: 20 % Aufwand und 80 % Erfolg. Den Rest machen wir ad hoc. Das geht viel schneller.''^^^^ Bei der ConVerve sei die Groupware „ProTracking" aufgrund der geringen Standardisierbarkeit der Projekte in den vergangenen Jahren nur eingeschrankt verwendet worden. Zudem sei es den Anspriichen an eine schnelle, preiswerte und leistungsstarke Kommunikation nicht gerecht geworden. Deshalb habe man sich fiir den YahooMessenger^^^^ entschieden: ,,Es muss vielmehr eine
One-to-One-Kommunikation
moglich sein. Wenn es z. B. zu einem kleinen Problem kommt, dann kann man direkt den jeweiligen Projektmitarbeiter anmailen, der dann sofort daraufper Mail antworten kann.''^^^'^ Die Hinweise aus den Interviews mit den Koordinatoren der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland, der Tronsoft, der TWG, der ConVerve und der Virtual Company geben Anlass zur Vermutung, dass komplexere Groupware-Applikationen nur dann in virtuellen Untemehmen zur Unterstutzung der Koordination effektiv und effizient verwendet werden kOnnen, wenn die unterschiedlichen Projekte zumindest teilstandardisierbare Prozesse aufweisen oder sich Routinen bei der Projektabwicklung herausgebildet haben. Auf der Grundlage dieser Befunde wird daher folgende Hypothesen abgeleitet:
'^^"^Vgl.p^Jr. 19: 82-92, 126-128]. '^^^ Vgl. [Nr.6: 363-379, 585-586, Zitat: 363-364]. Der Yahoo! Messenger ist eine kostenlose Software, mit der mehrere Anwender des Yahoo! Messengers kostenlos miteinander in Echtzeit kommunizieren kSnnen. Siehe hierzu auch unter http://de.messenger.vahoo.com (letzter Zugriff 15.03.2005). ^^'^ Vgl. [Nr.l9: 62-82, 180-181, Fundstelle: 74-76].
366 H41:
Darstellung der Ergebnisse Die Effektivitat und Effizienz komplexer Groupware-Applikationen korreliert positiv mit dem Standardisierungsgrad bei der Projektabwicklung in virtuellen Untemehmen.
Von der Uberwiegenden Mehrheit der Befragten wurde darauf hingewiesen, dass auf umfangreiche Groupware-Applikation, wie z. B. Microsoft Project oder Lotus Notes, aus unterschiedlichen Grunden bei der Projektdurchfiihrung verzichtet wird. Dabei wurden im Wesentlichen folgende genannt: (a) Die Funktionen der Groupware-Applikationen seien zu umfangreich und damit auch zu komplex in der Handhabung:'^^ „[...] wir sind hier ja wirklich alles sehr kleine Untemehmen, und diese Tools, die wir so kennen, sind eigentlich alle vie! zu uberdimensioniert,''^^^^ ,,Das ist so, als wenn man mit Kanonen aufSpatzen schiefien wurde.'''''''' (b) Die Einarbeitung in diese Anwendungen sei zu zeitaufwandig:^^^^ Die Kooperationspartner mtissten zunSchst Schulungen durchfiihren, die wiederum das kurzfristige Einbinden neuer Projektpartner einschranken wUrden.'^^^ Beispielsweise habe die Einarbeitung in die Groupware der Koncraft ein halbes Jahr in Anspruch genommen.^^^^ (c) Die Flexibilitat bei der Projektbewaltigung wurde z. T. erheblich eingeschrankt werden:*^^"^ Hierzu fiihrt der interviewte Projektmanager der Virtual Company aus: „[...] ich bin ein Gegner von starren und mechanisierten Strukturen. Strukturen sind zwar dufierst wichtig - ohne Strukturen geht nichts - aber sie diirfen die Handlungen nicht zu sehr einschranken. Zum anderen ist bei komplexen Strukturen der Anderungsaufwand derart hoch, dass schwer erarbeitete Vorteile sehr schnell wieder zunichte gemacht werden.''^^'^
'^^*Vgl.[Nr.4: 381-427]. *^^%gl.[Nr.l8: 217-219]. '^^^ Vgl. [Nr.6: 354-355]. *^^^ Vgl. [Nr.3: 496-505]. *^'^^ Vgl. [Nr.9: 140-187]. '^^^ Vgl. [Nr.l5: 346-377, 19-21]. '^^"^ Vgl. [Nr.lO: 88-118]; [Nr.4: 381-427]. Siehe auch Picot et al. (2003), S. 425. '^^^ Vgl. [Nr.6: 392-415, Zitat: 385-389].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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(d) Die Anschaffung der Lizenzen sei insbesondere fiir kleine Untemehmen zu teu(e) Die Administration sei zu kosten- und zeitintensiv wobei mit der Verwendung aufWandiger Groupware-Applikationen nur ein minimaler Nutzen entstehen wtirde.'^^^ Nun kQnnte man annehmen, dass die Verwendung von aufwandigeren GroupwareApplikationen auch davon abhSngt, inwieweit die Kooperationspartner bereits eine Affmitat zu komplexeren Software-Systemen haben. Hierbei ist zu vermuten, dass die virtuellen Untemehmen der IT-Branche den hOchsten Technisierungsgrad aufweisen. Bei der Betrachtung der entsprechenden Fallstudien muss jedoch festgestellt werden, dass z. B. die FunKey und die Virtual Company auf aufwSndigere GroupwareApplikationen verzichten und die Interviewpartner sie sogar als „ungeeignet" bzw. „UberflUssig" bezeichnen.*^^^ Nach Ansicht des Netzwerkmanagers des Softwarezentrums Boblingen'Sindelfingen sei ein aufwSndigeres Managementsystem aus Kostengesichtspunkten nur in einem GroBuntemehmen moglich/^^^ Die modemen Informations- und Kommunikationstechnologien werden von den Interviewpartnem zwar als sehr nlitzlich betrachtet, jedoch dtirften sie nicht uberschatzt werden.^^^^ In der einschlSgigen Literatur lassen sich im Hinblick auf die Verwendung und die Potenziale von Groupware-Applikationen in virtuellen Untemehmen sehr unterschiedliche Auffassungen fmden: Einerseits werden Groupware-Applikationen als effiziente Systeme betrachtet und sogar als „Enabler der Virtualisiemng" bezeichnet, die die BewSltigung des anfallenden Koordinationsaufwands mafigeblich unterstUtzen bzw. die Koordination in einem virtuellen Untemehmen erst ermOglichen.^^^^ Engelhard (1999) tiberschatzt die Potenziale von Groupware-Applikationen bei gleichzeitiger Vemachlassigung sozialer Aspekte (wie z. B. Vertrauen und soziale Beziehungen), indem er die extreme Kurzzeitigkeit virtueller Untemehmen auf die „enorme LeistungsfUhigkeit der luK-Technologie" zuriickfiihrt.^^^^ Dagegen weisen andererseits Hilmer/Dennis (2001) darauf hin: „Recent meta-analyses suggest that while groupware
'^^^Vgl.[Nr.lO: 88-118]. *^^^ Vgl. [Nr.5: 334-347,454-459]. ^^'^^ Vgl. [Nr.ll: 478-498]; [Nr.6: 363-379]. ^^^^ Vgl. [Nr.7: 62-70; 323-325]. •^^^ Vgl. z. B. [Nr.lO: 211-212,245-247]. '^^' Vgl. Wagner (1999), S. 17 und S. 90; Sieber (1998a), S. 246. '^^^ Vgl. Engelhard (1999), S. 329.
368
Darstellung der Ergebnisse
can improve decision-making in some environments, it provides only modest benefits and may even impair performance in some circumstances."^^^^ Auch Kraut et al. (1999) stellten in ihrer Fallstudienuntersuchung fest, dass Groupware-Applikationen selbst in Virtuaiisierungstendenzen aufweisenden GroBuntemehmen in Bezug auf die Koordination quasi bedeutungslos sind:'^^"* „Telephones, fax machines, and express mail were much more prevalent than computer networks, and where networks were used, electronic mail connecting people was far more common than electronic document interchange connecting machines."'^^^ Anhand der Fallstudien Virtue lien Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland und auch der Tromoft kann gezeigt werden, dass komplexere Groupware-Applikationen sinnvoU und durchaus effizient zur Untersttitzung der Kommunikation und Koordination verwendet werden k5nnen. Von den Interviewpartnem wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die Informations- und Kommunikationstechnologien bzw. GroupwareApplikationen mOglichst einfach in der Handhabung, flexibel, kompatibel und kostengUnstig sein sollten.'^^^ Eine preiswerte Alternative zu einer komplexen und kostenaufw^ndigen GroupwareApplikation wie Microsoft Project oder Lotus Notes stellen gemeinsame intemetbasierte Projektdatenbanken,^^^^ Intemet-Diskussionsforen^^^^ („elektronisches Schwarzes Brett"^^*^) oder Online-Terminkalender dar. Diese Technologien beruhen auf Intemetdiensten und setzen lediglich einen kompatiblen Webbrowser und einen Intemetzugang voraus.*^^° Gegeniiber einem Austausch von Projektinformationen allein auf der Grundlage von E-Mail besteht der Vorteil z. B. von intemetbasierten Projektdatenbanken darin, dass der Aufwand bei der Verteilung von Projektinformationen minimiert wird. Mit dem Fallbeispiel der Virtual Company kann dies illustriert
'^^^ Vgl. Hilmer/Dennis (2001), S. 94. Bestatigt wird dies auch durch die Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Fraunhoferinstituts in Stuttgart, in dem der Einsatz und der Nutzen modemer, insbesondere computerunterstiitzter Kommunikationstechnologien im virtuellen Untemehmen Creaprodi untersucht wurden. Siehe hierzu auch Arnold et al. (2003), S. 114 ff. '^^^ Siehe hierzu auch die Ausfiihrungen in Abschnitt 2.3. '^*^ Vgl. Kraut et al. (1999), S. 723. '^^^ Vgl. z. B. [Nr.lO: 88-118]; [Nr.l8: 214-220]. '^^^ Vgl. [Nr.l5: 19-21, 126-135, 346-377]; [Nr.2: 231-234, 362-369]. '^^^ Vgl. [Nr.9: 143-187]. '^*^ Vgl. [Nr.6: 293-299]. '^^%gl. MUller(2003),S. 119.
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werden: Der Interviewpartner der Virtual Company wies darauf hin, dass in den Jahren zuvor vor allem E-Mail zur Verteilung von Projektinformationen unter den Kooperationspartnem genutzt wurde. Dabei habe man festgestellt, dass dies mit einem recht hohen Aufwand verbunden war, weil darauf geachtet werden musste, dass jeder zur gleichen Zeit auf dem aktuellen Informationsstand gehalten wird, urn effizienzmindemde Informationsasymmetrien zu vermeiden. Deshalb habe man sich dazu entschlossen, fiir jedes Projekt intemetbasierte Projektdatenbank bzw. ein Internet-Forum einzurichten. Um das Problem der Hoi- und Bringschuld bei der Nutzung von IntemetForen zu lOsen, wurde die Regel vereinbart, dass sich jeder Partner taglich tlber den aktuellen Stand des Projekts informiert. Auf eine Kontrolle der Einhaltung dieser Regel k5nne verzichtet werden, da es im Interesse der an dem jeweiligen Projekt beteiligten Partner sei, sich aktiv am Informationsaustausch zu beteiligen, um ihren Nutzen bei der Kooperation zu maximieren: ,,Dies ist also ein relativ einfacher, aber wirklich effizienter Weg, die Partner zur gemeinsamen Leistungserstellung zu motiviere«."^^^* Auch der Interviewpartner der J23plus ist vor dem Hintergrund seiner bisher gesammelten Erfahrungen der Ansicht, „dass es wesentlich effizienter ist, sich auf Standardtechnologien zu einigen, die Jeder hat und auf die jeder zugreifen kann, als irgendwelche riesigen Programmtools voraussetzen zu mussen.''^^^^ Die terminliche Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung nimmt in virtuellen Untemehmen einen zentralen Stellenwert ein. Sie ist insofem unabdingbar, um die sequenziellen Interdependenzen bzw. Produzenten-Konsumenten-Abhangigkeiten („Flow") zwischen den Kooperationspartnem in zeitlicher Hinsicht sinnvoU und effizient gestalten zu kSnnen.'^^^ Die Terminkoordination wird jedoch mit zunehmender Anzahl an Partnem schwieriger und erfordert einen Terminplan bzw. einen von den Projektpartnem gemeinsam genutzten Terminkalender.'^^"* In virtuellen Unternehmen bieten sich Online-Terminkalender besonders an, da i. d. R. alle Kooperationspartner uber einen Intemetzugang verfQgen und dieses Koordinationsinstrument mit einem vergleichsweise geringen zeitlichen und fmanziellen Aufwand installiert ^^^^ Vgl. [Nr.6: 300-331, Zitat: 316-317]. '^^^ Vgl. [Nr.9: 153-155]. '^^^ Siehe hierzu auch die Ausflihrungen zu Planen in Abschnitt 5.3.3.2. '^^^ Gruppenterminkalender wurden schon recht friih als relevante Technologic zur Telekooperation vorgesteUt. Siehe z. B. Sarin/Greif (1985); Beard et al. (1990). Sie stellen zwar eher ein Randgebiet der Forschung dar, gelten aber schon langer als eine weit verbreitete CSCW-Werkzeugklasse, die Gegenstand empirischer Untersuchungen geworden sind. Siehe z. B. Grudin (1988), Grudin/Palen(1995).
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Darstellung der Ergebnisse
und genutzt werden kann. Voraussetzung fiir eine sinnvoUe Verwendung eines gemeinsamen intemetbasierten Terminkalenders ist jedoch, dass alle Partner ihre Termine offen legen und sie fortwahrend aktualisieren. Jeder autorisierte Partner kann iiber einen beliebigen Rechner, der an das Internet angeschlossen ist, mittels eines Zugangscodes einen Einblick in den Online-Terminkalender nehmen. Der Abstimmungsaufwand, d. h. die Suche nach einem ftir alle Partner optimalen Termin oder zeitlichen Ablauf, kann dadurch reduziert werden, dass die Partner die M6glichkeit haben, sich unabhangig von einander tiber die bestehenden TerminvorschlSge zu informieren, nach freien Terminen zu suchen, feste Termine zu definieren oder auch TerminvorschlSge machen zu kOnnen.^^^^ Ein Projekttreffen, in der die terminliche Koordination eines Projekts besprochen werden muss, ist durch die Verwendung eines OnlineTerm inkalenders nicht mehr zwingend notwendig. Schwierigkeiten kdnnen sich jedoch ergeben, wenn gleichrangige Partner - und das sind in einem idealtypischen virtuellen Untemehmen alle - Termine vereinbaren und dadurch ein Termin nicht autoritar durch Priorisierung anderer Aktivitaten durchgesetzt werden kann. Eine MCglichkeit, Terminkonflikte zu I5sen, besteht darin, das der Online-Terminkalender die Option einer Einteilung der Termine je nach Wichtigkeit bietet oder auf Grundlage der Termine einzelner Projektpartner Ausweichtermine vorschiagt. Auf eine Leitung der terminlichen Koordination eines Projekts, z. B. durch den Projektmanager, sollte jedoch nicht verzichtet werden. So mUssen z. B. die Zustandigkeiten fiir die Administration des Online-Terminkalenders geregelt sein, um mOglicherweise auftretende Probleme beheben oder einen Abgleich mit anderen Kalendersystemen vomehmen zu kOnnen.^^^^ Gemeinsame Online-Terminkalender werden jedoch nur von 5 der insgesamt 19 untersuchten virtuellen Untemehmen zur Unterstiitzung der terminlichen Koordination bei der Projektabwicklung verwendet.^^^^ Bei der I23plus wird z. B. mit einem gemeinsamen Online-Terminkalender von Puretec^^^* gearbeitet. Mit einem monatlichen Kostenaufwand von lediglich 5 Euro wird diese technische L6sung als sehr preiswert und effizient betrachtet. Mit Hilfe von Microsoft Outlook Web-Access kQnnen dann die Kooperationspartner die Termine von der Termindatenbank auf ihren Rechner
^^^^ Siehe auch Malone/Crowston (1991), S. 28. *^^^Vgl.MUller(2003),S. 110. '^^^ Siehe hierzu auch Tabelle 20. '^^^ Siehe auch unter www.puretech.de [letzter Zugriff 08.03.2005].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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tibertragen und in die Terminplanungen ihrer Partner Einblick nehmen.^^^^ Uber Microsoft Outlook werden auch die Termine der Kooperationspartner bei der Creaprodi und der Virtuellen Fabrik Steko koordiniert.'^°° Auch die Kooperationspartner der Koncraft nutzen einen gemeinsamen Online-Terminkalender, der im Umfang einer auf einem Server in den USA installierten Standardsoftware enthalten ist. Mittels dieser recht preiswerten Software k5nnen Projektinformationen ausgetauscht und Termine koordiniert werden. ^^°* Die Terminabsprache unter den Kooperationspartnem der VirtuellBau erfolgt Uber ein intemetbasiertes Terminvereinbarungsprogramm, Dieses Programm umfasst eine gemeinsame Datenbank, auf die jeder Kooperationspartner mittels einer Zugangsberechtigung zugreifen kann und in der alle projektspezifischen Informationen und Daten Uber die Netzwerkuntemehmen sowie deren Ansprechpartner enthalten sind. Der interviewte Koordinator kann dann aus dem Datenbestand die flir die Umsetzung des Projekts benStigten Kooperationspartner auswahlen und per E-Mail auf die Planung eines gemeinsamen Ortstermins beim Kunden hinweisen.^^^^ Die kontaktierten Partner rufen dann das Online-Terminvereinbarungsprogramm auf und kOnnen die dort angegebenen unterschiedlichen Terminvorschlage durch Anklicken der jeweiligen Optionen ,ja" oder „nein" dem System mitteilen, welche Terminvorschlage flir sie in Frage kommen.
Nach
meist
nur wenigen
Stunden
k5nne
der Koordinator dem
Terminvereinbarungsprogramm entnehmen, welcher Term in fur alle am geeignetsten ist. So sei es z. B. mOglich, dass sich 15 Fachleute schon in den darauf folgenden drei bis fiinf Tagen zu einem Ortstermin zusammenfmden kOnnen.'^^^ Die vorangegangenen Ausflihrungen deuten darauf hin, dass virtuelle Untemehmen, deren Projekte aufgrund der Erfiillung kundenspezifischer LSsungen eine geringe Standardisierbarkeit und eine hohe Komplexitat aufweisen, v. a. flexible, kostengUnstige und einfach zu benutzende Software-Systeme (z. B. intemetbasierte Projektdatenbanken, Intemet-Diskussionsforen oder Online-Terminkalender) als Groupware verwenden. Daher kann hier folgende Hypothese abgeleitet werden:
'^^Wgl. [Nr.9: 140-187]. '"'^^ Vgl. [Nr.l2: 182-186]; [Nr.8: 210-225,631-636,650-655]. *^°Wgl.[Nr.l5: 280-304]. '^^^ Damit die Informationen der E-Mails die Kooperationspartner mOglichst schnell erreichen, kOnnen zusatzlich SMS auf die Mobiltelefone geschickt werden, mit denen auf den Eingang einer neuen E-Mail hingewiesen wird. '^^^ Vgl. [Nr. 14: 355-388].
372 H42:
Darstellung der Ergebnisse Je geringer die Standardisierbarkeit der Prozesse bei der Leistungserstellung in virtuellen Untemehmen ist und je hOher die Komplexitat bei der Projektumsetzung, desto eher werden flexible, kostengUnstige und einfach zu benutzende Software-Systeme zur Unterstutzung der Koordination verwendet.
5.3.4.4 Workflow-Management-Systeme Unter dem Begriff "workflow" ist die Automatisierung von Geschaftsprozessen zu verstehen, die mittels eines Informationssystems kontrolliert wird. Die Workflow Management Coalition (WfMC), ein 1993 gegrtlndeter, nicht kommerzieller, intemationaler Verbund, der sich u. a. um die Standardisierung von Workflow-ManagementSystemen bemUht, defmiert "workflow" als "the automation of business procedures [...] during which documents, information or tasks are passed from one participant to another in a way that is governed by rules or procedures".^^^"^ Workflow-ManagementSysteme sind Softwaresysteme, die die Koordination und Kooperation zwischen Mitgliedem einer Organisation unterstUtzen und ihnen dabei helfen, komplexe Geschaftsprozesse durchzuflihren,'^^^ Diese Softwaresysteme bilden Geschaftsprozesse durch elementare Aktivitaten und Verknilpflingen zwischen den Aktivitaten ab. Dabei stellen die Aktivitaten entweder vollautomatische Aufgaben dar, die durch einen Computer ausgefUhrt werden, oder die Aufgaben werden an menschliche Akteure verteilt, die sie unter Einsatz von Computem bewaitigen.^^^^ Workflow-Management-Systeme stellen die Werkzeuge bereit, um Daten-, Funktions-, Organisations- und Prozessstrukturen zu erfassen, graphisch darzustellen und miteinander funktional zu verknUpfen.*^^^ Maurer/Schramke (1997) schreiben der Verwendung von Workflow-Management-Systemen in virtuellen Untemehmen fiinf grundsatzliche Nutzenpotenziale zu:^^°^ (1) die Unterstutzung des Prozesscontrollings z. B. durch die Generierung von Prozesskennzahlen, (2) eine hehere Kontrollierbarkeit der Vorgangsbearbeitung z. B. durch Statusabfragen, (3) Vorteile durch die Automatisie-
^''^^ Vgl. http://www.wfmc.org/about.htm (letzter Zugriff 10.03.2005). '^°^ Vgl. Georgakopoulos et al. (1995), S. 119. Dass dieser Begriff aber auch sehr lax bzw. tautologisch defmiert werden kann, zeigen Kumar/Zhao (1999), S. 253, die zu folgender Begriffsdefmition kommen: „Information systems that support workflow management are called Workflow Management Systems (WMS)." '^°^ Vgl. Casati et al. (1999), S. 406. '^°'^Vgl.Muller(2003),S. 114. '^^^ Vgl. Maurer/Schramke (1997), S. 23.
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
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rung von KoordinationstStigkeiten und der dadurch ermOglichten VerkUrzung der Durchlaufzeiten und der Realisierung von Kostenvorteilen, (4) eine durch die automatische Kontrolle erh5hte Ergebnisqualitat und (5) eine hShere Nachvoilziehbarkeit der Prozessabiaufe. Inwieweit diese Nutzenpotenziale auch realisiert werden kSnnen, ist jedoch abhangig von dem jeweiligen Geschaftszweck eines virtuellen Untemehmens und der Formalisierbarkeit der ProzessablSufe bei der Leistungserstellung und der Standardisierbarkeit der Produkte und/oder Dienstleistungen. So ist z. B. anzunehmen, dass Workflow-Management-Systeme insbesondere dann effektiv und effizient sind, wenn eine ausreichende Strukturierbarkeit der Leistungserstellungsprozesse gegeben ist, d. h., wenn sich die zu bewaltigende Aufgabe in zumindest teilformalisierbare Prozesse untergliedem lasst. Femer ist anzunehmen, dass die Effektivitat und Effizienz von Workflow-Management-Systemen auch dadurch positiv beeinflusst wird, wenn eher standardisierbare Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden und der Geschaftszweck des virtuellen Untemehmens zumindest mittelfristig oder langfristig angelegt ist. Ist der Geschaftszweck eines virtuellen Untemehmens jedoch darauf ausgerichtet, unterschiedliche kundenspezifische Produkte oder Dienstleistungen zu erbringen, bei deren Herstellung sich die Prozessablaufe kaum oder gar nicht standardisieren lassen, die Prozessplanung nur bedingt mSglich ist und wahrend des Leistungserstellungsprozesses viele Ad-hoc-Entscheidungen getroffen werden mussen, dann nimmt der Gesamtnutzen von Workflow-Management-Systemen tendenziell ab.'^^^ Wie der Tabelle 21 zu entnehmen ist, werden in den untersuchten virtuellen Unternehmen keine Workflow-Management-Systeme zur Unterstutzung der Projektkoordination verwendet. Hierfiir lassen sich mehrere Griinde anfiihren. Ein wesentlicher Gmnd besteht darin, dass alle untersuchten virtuellen Untemehmen die Strategic verfolgen, kundenspezifische LOsungen anzubieten, d. h. ihre Produkte und Dienstleistungen i. d. R. nur einen sehr geringen Standardisiemngsgrad aufweisen und die Leistungserstellung nur bedingt planbar ist. Aufgmnd der mangelnden Standardisierbarkeit ist anzunehmen, dass Workflow-Management-Systeme einen nur geringen Nutzen batten. Dariiber hinaus scheinen solche Systeme zu komplex und funktional zu umfangreich zu sein.'^'^ Vielfach werden nur verhaitnismaBig kleine Projekte in den
''^^^ Siehe hierzu auch Maurer/Schramke (1997), S. 22; MUller (2003), S. 108; Picot/Rohrbach (1995), S. 33 f; Basu/Kumar (2002), S. 11 f '^^^ Siehe z. B. [Nr.4: 381-427]; [Nr.6: 354-355]; [Nr.l8: 217-219].
374
Darstellung der Ergebnisse
virtuellen Untemehmen durchgefiihrt, sodass die Funktionalitaten von WorkflowManagement-Systemen nur zu einem sehr geringen Umfang genutzt werden k5nnten. Zudem ware die Flexibilitat und Dynamik eines virtuellen Untemehmens eingeschr^nkt, wenn die Kooperationspartner zunSchst einmal zeitintensive Einfiihrungskurse belegen mUssten, urn ein solches System zu beherrschen. Nicht zuletzt dtlrfte auch die Anschaffung von Lizenzen dieser Workflow-Management-Systeme ftlr die tiberwiegend kleinen Untemehmen Okonomisch nicht erschwinglich sein.'^^' Auf der Grundlage der empirischen (Nicht-)Befunde und den hier dargestellten Argumentation kann folgende Hypothese abgeleitet werden: H43:
Wenn die Leistungserstellung in virtuellen Untemehmen wenig strukturierbar und/oder wenig standardisierbar ist, dann wird bei der Koordination der Leistungserstellung auf Workflow-Management-Systeme verzichtet.
Die Verwendung von Workflow-Management-Systemen in virtuellen Untemehmen ist jedoch prinzipiell nicht auszuschlieCen. Denkbar ware ihre Verwendung in virtuellen Untemehmen, die in Bezug auf die Leistungserstellung einen hOheren Strukturiemngsbzw. Standardisiemngsgrad aufweisen und an denen v. a. mittelstSndische Untemehmen beteiligt sind, in denen bereits solche Systeme verwendet werden. Aufgmnd der Vielzahl unterschiedlicher Systeme diirfte es aber schwierig sein, unter den Kooperationspartnem einen gemeinsamen Standard festzulegen. Zudem wtirde eine solche Festlegung den an ein virtuelles Untemehmen gestellten Flexibilitatsanfordemngen tendenziell widersprechen. 5.3.4.5 Zwischenergebnis zur Verwendung informationstechnologischer Koordinationsinstmmente in virtuellen Untemehmen Auf der Gmndlage der Fallstudien iSsst sich festhalten, dass die Erwartungen an die effizienzsteigemde Wirkung von Informations- und Kommunikationstechnologien in virtuellen Untemehmen, insbesondere komplexer Groupware-Applikationen und Workflow-Management-Systemen, in der Literatur haufig zu hoch sind und die Potenziale dieser Technologien z. T. deutlich Uberschatzt wurden. Vielfach werden die Voraussetzungen ftir eine effektive und effiziente Verwendung dieser Technologien zu wenig berUcksichtigt. In den Experteninterviews wurde deutlich, dass modeme, intemetbasierte Informations- und Kommunikationstechnologien aufgrund ihrer
^'^^^ Siehe z. B. [Nr.5: 334-347, 454-459]; [Nr.lO: 88-118].
Gesonderte Betrachtung einzelner Koordinationsinstrumente
375
vergleichsweise geringen „medialen Reichhaltigkeit" erst dann effektiv und effizienzsteigemd verwendet werden kOnnen, wenn sich die Kooperationspartner zuvor pers6nlich getroffen haben, kommunikationsintensive Fragestellungen hinsichtlich der Projektplanung und des -ablaufs im Rahmen von Projektbesprechungen geklart haben und sich in den direkten Kommunikationsbeziehungen Vertrauen unter den Kooperationspartnem aufgebaut hat. Insofem ist der Auffassung von Wolf (2005) zuzustimmen, dass trotz des raschen Fortschritts der Informations- und Kommunikationstechnologien zwischenmenschliche Informationsverarbeitungsprozesse nach wie vor hochrelevante Themen darsteilen. '^^^ Eine Substitution der pers5nlichen Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ist auch durch die modemen Informations- und Kommunikationstechnologien in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Wie in den AusfUhrungen zu den verwendeten unterschiedlichen Informations- und Kommunikationstechnologien an mehreren Stellen deutlich wurde, verwenden die im Untersuchungssample befmdlichen virtuellen Untemehmen v. a. kostengtinstige und flexible Technologien (neben Telefon und Fax v. a. E-Mail und einfachere Groupware-Applikationen), die eine flexible Anpassung an die unterschiedlichen Projektanforderungen und die Integrierbarkeit unterschiedlicher Kooperationspartner ermOglichen. Die Fallbeispiele deuten darauf hin, dass die Anwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien auf einem Zusammenwirken zahlreicher Faktoren mit individuellen Gewichtungen basiert und sich die Auswahl an der Konstitution, den Gegebenheiten und den Informations- und Kommunikationserfordemissen des jeweiligen virtuellen Untemehmens zu orientieren hat. Insofem haben Kontextfaktoren wie die GrSBe des latenten Netzwerks oder die BranchenzugehOrigkeit nur einen geringen Erklarungswert fiir die Technologieauswahl. Umfangreichere Group ware-Applikationen scheinen in virtuellen Untemehmen erst dann effektiv und effizient einsetzbar zu sein, wenn die Leistungserstellungsprozesse bei der Projektabwicklung zumindest teilweise standardisierbar und Ahnlichkeiten hinsichtlich des Ablaufs der auf der Gmndlage eines latenten Netzwerks gebildeten virtuellen Untemehmen feststellbar sind.
'^^^ Vgl. Wolf (2005), S. 232.
6 Zusammenfassung und Implikationen 6.1 Wesentliche Befunde In Anbetracht der gegenwartigen Wettbewerbsintensivierung, der verstarkten Nachfragedifferenzierung und des steigenden Rationalisierungsdrucks auf nahezu alien M^rkten zahlen v. a. Kundenorientierung, Flexibilitat, Reaktionsschnelligkeit und ein hohes Qualitatsniveau zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren. Untemehmen, die unter diesen dynamischen Marktbedingungen operieren, sehen sich gezwungen, rasch auf die sich andemden Markterfordemisse zu reagieren. Insbesondere kleine und mittelstandische Untemehmen, die sich auf einzelne Kemkompetenzen spezialisiert haben, schlieBen sich dabei unter Verwendung modemer internetbasierter Informations- und Kommunikationstechnologien immer hSufiger zu einem virtuellen Untemehmen zusammen. In dieser netzwerkartigen und projektorientierten Kooperationsform stehen die Kooperationspartner untereinander rechtlich und wirtschaftlich nur in einer losen Kopplung, wodurch sie bei der arbeitsteiligen Leistungserstellung neben Netzwerkeffekten v. a. Flexibilitats- und Kostenvorteile erzielen k5nnen. Dariiber hinaus erlaubt die projektabhangige Beteiligung der Kooperationspartner mit ihren Kemkompetenzen die Herstellung hochwertiger und kundenindividueller Leistungen. Dem Konzept des virtuellen Untemehmens, das in Anlehnung an Weick (1976) als ein lose gekoppeltes System betrachtet werden kann, wird in Wissenschaft und Praxis groBe Bedeutung beigemessen. Anhand der in der vorliegenden Arbeit untersuchten erfolgreichen Fallbeispiele virtueller Untemehmen konnte verdeutlicht werden, dass das Konzept des virtuellen Untemehmens keineswegs nur ein Organisationsmythos Oder eine Modeerscheinung, sondem ein emst zu nehmendes Organisationskonzept ist.'^^^ Obwohl eine effektive und effiziente Koordination als wesentlicher Erfolgsfaktor virtueller Untemehmen betrachtet wird, ist der Frage, wie der betrachtliche Abstimmungs- und Koordinationsaufwand rechtlich selbstSndiger und geographisch verteilter Kooperationspartner effektiv und effizient bewaltigt werden kann und welche Koordinationsinstmmente hierzu eingesetzt werden kfinnen, bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Die vorliegende Arbeit kann mit insgesamt 19 Fallstudien virtueller Untemehmen aus Deutschland, Osterreich und der Schweiz als erste groBere explorative bzw. deskripti^^'^ Vgl. Albers et al. (2003), S. 53.
378
Zusammenfassung und Implikationen
ve Untersuchung betrachtet werden, die sich mit der Frage der Koordination und der Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Unternehmen unter Beriicksichtigung der einschlagigen Literatur detailliert auseinandersetzt. Ziel dieser Arbeit war es, sich diesem komplexen und anspruchsvollen Problemfeld empirisch im Rahmen einer explorativen Untersuchung zu nShem und auf der Grundlage der Befunde Hypothesen zur Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Unternehmen aufzustellen. Dabei standen die folgenden Forschungsfragen im Mittelpunkt: 1.
Wie lasst sich das „virtuelle Unternehmen" konzeptualisieren?
2.
Wie lassen sich die Koordination resp. die unterschiedlichen Koordinationsinstrumente konzeptualisieren?
3.
Welche Koordinationsinstrumente werden in virtuellen Unternehmen verwendet?
4.
Welchen Stellenwert haben die unterschiedlichen Koordinationsinstrumente bei der Koordination der Leistungserstellung in virtuellen Unternehmen?
Um die erste Forschungsfrage zu beantworten, wurden auf der Grundlage einer umfangreichen Analyse der einschlagigen Literatur zum Konzept des virtuellen Unternehmens neun konstitutive Merkmale virtueller Unternehmen herausgearbeitet. Unter Ausschluss zweier Merkmale, die bereits auf die Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung abzielen (Verzicht auf umfangreiche Vertragswerke auf der Grundlage von Vertrauen und weitgehender Verzicht auf die Institutionalisierung zentraler Management-Funktionen) wurden die Ubrigen Merkmale in einer Arbeitsdefinition verdichtet. Ein virtuelles Unternehmen wurde demnach als eine auf einem latenten Netzwerk basierende, projektorientierte Kooperationsform rechtlich selbstandiger Unternehmen, Institutionen und/oder Einzelpersonen betrachtet, die eine Leistung auf der Basis eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses erbringen. Die kooperierenden Einheiten beteiligen sich an der Leistungserstellung unter intensivem Einsatz modemer Informations- und Kommunikationstechnologien vorrangig mit ihren Kemkompetenzen und treten gegenUber dem Kunden wie ein einzelnes Unternehmen auf. Umfassende ein- und wechselseitige Leistungsbeziehungen ermOglichen die Erstellung individualisierter Produkte und Dienstleistungen, mit denen der hohe Stellenwert der Kundenorientierung betont wird. Der innovative Charakter des Konzepts des virtuellen Untemehmens wird im Wesentlichen durch die Existenz eines latenten Netzwerks, das als Basis fUr die Bildung eines virtuellen Untemehmens fungiert, die klare Kemkom-
Wesentliche Befunde
379
petenzfokussierung und den intensiven Einsatz v. a. intemetbasierter Informationsund Kommunikationstechnologien hervorgerufen. Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage wurde die Fachliteratur zur Organisationsforschung herangezogen. Koordination wurde hierbei definiert als die aktive Abstimmung und Ausrichtung der Aktivitaten interdependenter organisatorischer Einheiten auf das Ubergeordnete untemehmerische Gesamtziel. Zur Typologisierung von Koordinationsinstrumenten wurde der auf Leavitt (1964) basierende Ansatz von ReiB (2004) gewahlt, der zwischen personenorientierten, strukturellen, technokratischen und informationstechnologischen Koordinationsinstrumenten differenziert. Diese Typologisierung wurde als Struktur fiir die Einzelbetrachtung der verwendeten Koordinationsinstrumente zu Grunde gelegt. Auf der Basis der einschlagigen Literatur und der vorausgegangenen Fallstudienuntersuchung zu virtuellen Untemehmen von Albers et al. (2003) wurden den o. g. Typen jeweils unterschiedliche Koordinationsinstrumente zugeordnet: Zu den personenorientierten Koordinationsinstrumenten wurden die Selbstabstimmung, soziale Rollen, Vertrauen und die Vertrauenskultur gezahlt, zu den strukturellen Koordinationsinstrumenten wurden Kemuntemehmen, zentrale Unterstutzungseinheiten, Steuerkreise und interne Markte gerechnet und zu den technokratischen Koordinationsinstrumenten wurden Programme, Plane, Ziele, Budgets, Verrechnungspreise, Regeln und VertrSge zugeordnet. Die Gruppe der informationstechnologischen Koordinationsinstrumente, welche die Koordination lediglich durch die Erweiterung der KommunikationsmOglichkeiten untersttitzen, bildeten die modemen Informations- und Kommunikationstechnologien wie Telefon, Fax, E-Mail, Telefon-, Video- oder Onlinekonferenzen sowie Groupware-Applikationen und Workflow-Management-Systeme. Zur systematischen Annaherung an den Untersuchungsgegenstand wurden der Transaktionskostenansatz, der Selbstorganisationsansatz und die Koordinationstheorie herangezogen. Die multitheoretische Betrachtung diente in erster Linie als Heuristik und lieferte ErklarungsbeitrSge zur Beantwortung der in dieser Arbeit verfolgten Fragestellung der Koordination, resp. der Auswahl von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen. Zur Beantwortung der dritten und vierten Forschungsfrage wurden aufbauend auf einem kriteriengeleiteten Auswahlverfahren, das dem Prinzip der theoretischen Sattigung nach Glaser/Strauss (1967) folgte, insgesamt 19 Beispiele virtueller Untemehmen in Deutschland, Osterreich und der Schweiz untersucht. Vor dem Hintergmnd des
380
Zusammenfassung und Implikationen
geringen Kenntnisstandes der Forschung im Hinblick auf die Koordination und die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen wurde ein qualitativ-exploratives Forschungsdesign gewahlt. Aufbauend auf der Methodologie der Grounded Theory nach Strauss/Corbin (1998), wurde der Forschungsansatz der vergleichenden Fallstudie verfolgt. Leitfadengestutzte Experteninterviews mit einem Koordinator, Netzwerk- bzw. Projektmanager der untersuchten virtuellen Untemehmen stellten die zentrale Datenerhebungsmethode dar. Dariiber hinaus konnten erganzende Informationen zum Koordinationsablauf uber eine teilnehmende Beobachtung einer Projektbesprechung und Ober die Inhaltsanalyse untemehmensbezogener Dokumente gewonnen werden. Um eine bessere Ubersichtlichkeit Uber die 19 Beispiele virtueller Untemehmen zu gewahrleisten und eine systematische Ableitung von Hypothesen zur Verwendung von Koordinationsinstrumenten zu ermQglichen, wurde in Anlehnung an die aktuelle Forschung eine Typologie virtueller Untemehmen entwickelt. Auf der Basis der drei Unterscheidungskriterien: Kooperationsrichtung (horizontal/vertikal), Leistungsspektmm der Kooperationspartner (eher homogen/eher heterogen) und Formalisiemngsgrad (eher gering/eher hoch), konnten insgesamt vier Typen virtueller Untemehmen identifiziert werden: der „Virtuelle Generaluntemehmer" (Typ I), das „Virtuelle Verteilungsnetzwerk" (Typ II), die „Virtuelle Fabrik" (Typ III) und das „Virtuelle Untersttitzungsnetzwerk" (Typ IV). Mit den virtuellen Untemehmen aller vier Typen wird tendenziell eine Nischenstrategie verfolgt, indem durch die lose Kopplung der Kooperationspartner und ihre vorrangige Beteiligung mit ihren Kemkompetenzen kundenspezifische, qualitativ hochwertige Produkte und/oder Dienstleistungen zu einem konkurrenzfUhigen Preis auf dem Markt angeboten werden kOnnen. Bei der Erreichung ihrer wirtschaftlichen Ziele konnten jedoch in strategischer Hinsicht tendenzielle Unterschiede festgestellt werden. Bei den virtuellen Untemehmen des Typs I, bei denen eine vertikale Kooperationsrichtung mit i. d. R. einseitigen Leistungsbeziehungen festgestellt werden kann, besteht die Strategie eines Kemuntemehmens darin, freie Kapazitaten von Zulieferem bzw. Marktpartnem kosteneffizient und gewinnbringend zu nutzen. Die tibrigen drei Typen virtueller Untemehmen zeichnen sich durch eine horizontale Kooperationsrichtung mit hSufig wechselseitigen Leistungsbeziehungen aus. Beim „Virtuellen Verteilungsnetzwerk" steht durch das eher homogene Leistungsspektmm der Kooperationspartner v. a. die quantitative ErgSnzung, d. h. die Auslastung ihrer Kapazitaten und die gemeinsame Bewaltigung grSBerer Projekte im Vordergmnd. Bei der „Virtuellen Fabrik" und dem „Virtuellen Unterstutzungsnetz-
Wesentliche Befunde
381
werk", die sich hinsichtlich des Formalisierungsgrades der Kooperation unterscheiden, steht aufgrund des eher heterogenen Leistungsspektrums der Kooperationspartner dagegen die qualitative Erganzung der Leistungsangebote ihrer jeweiligen Kemgeschafte im Vordergrund. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Beteiligung der Kooperationspartner an einem virtuellen Untemehmen ein temporSres Zusatzgeschaft darstellt, mit dem sie ihre Wettbewerbsposition verbessem kOnnen. Gemessen am Gesamtumsatz realisieren die Kooperationspartner 5-20 % Uber die Beteiligung an einem virtuellen Untemehmen, das je nach Projekt zwischen sechs Monaten und zwei Jahren besteht und an dem i. d. R. drei bis fiinf Kooperationspartner beteiligt sind. In den untersuchten virtuellen Untemehmen wird eine Vielzahl unterschiedlicher Koordinationsinstrumente verwendet. Tabelle 23 bildet das Spektrum der verwendeten Koordinationsinstmmente und ihren jeweiligen, auf der Basis der AuBemngen der Interviewpartner abgeleiteten Stellenwert bei der Koordination des arbeitsteiligen Leistungserstellungsprozesses graphisch ab. Die Befunde deuten darauf hin, dass eine effektive und effiziente Koordination der Leistungserstellung in virtuellen Untemehmen eine optimale Kombination aus mehreren unterschiedlichen Koordinationsinstmmenten erfordert,'^'"^ die sich am Koordinationsbedarf und am Kosten-Nutzen-Kalktil orientieren muss.*^*^ Keines der hier betrachteten Koordinationsinstmmente ware ftir sich genommen geeignet, die auftretenden Koordinationsprobleme und -aufgaben zu bewaltigen, Jede einseitige Bevorzugung eines Koordinationsinstmments oder einer Instmmentenkategorie birgt die Gefahr der Ineffizienz und Ineffektivitat in sich. Die unterschiedlichen Koordinationsinstmmente miissen kombiniert bzw. „orchestrated"*^^^ werden, damit das Ziel des virtuellen Untemehmens erreicht werden kann.
'^'"^ Vgl. ReiB (2004), S. 695; ReiB (2000), S. 226; Introna (2001), S. 109; Albers et al. (2003), S. 55; TrOndle (1987), S. 122 f; Wirtz (2000), S. 108. '^'^ Vgl. ReiB (2004), S. 695. '"^'^ Vgl. Camarinha-Matos/Pantoja-Lima(2001), S. 133.
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Feste Verrechnungspreise Variable Verrechnungspreise
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•
Plane / Planung
E-Mail Telefon- / Video- / Onlinekonferenz Groupware Workflow-ManagementSysteme
1
1 r
Wesentliche Befunde
383
Das Zusammenwirken der Koordinationsinstrumente ist aufgrund der hSufig feststellbaren UnschMen hinsichtlich der Abgrenzung insbesondere personenorientierter Koordinationsinstrumente und der funktionalen Vielseitigkeit sehr komplex. Die Wirkungsweisen der einzelnen Koordinationsinstrumente lassen sich daher nur analytisch differenzieren, faktisch muss jedoch von Interdependenzen zwischen den Koordinationsinstrumenten ausgegangen werden. Wie bei der Betrachtung der einzelnen Koordinationsinstrumente verdeutlicht werden konnte, stehen diese eher im komplementaren als substitutiven Verhaltnis zueinander. Die empirischen Befunde aus den 19 Fallstudien haben gezeigt, dass einzelne, jedoch nicht alle Koordinationsinstrumente gleichermaBen in den virtuellen Untemehmen zur Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung geeignet sind. Zu den Koordinationsinstrumenten, auf die nicht verzichtet werden kann und die in alien untersuchten virtuellen Untemehmen geeignet erscheinen, gehOren folgende: Unter den personenorientierten Koordinationsinstrumenten sind es zunSchst einmal einzelne Akteure, die im Wesentlichen die TrSger der Koordination sind. Sie nehmen in einem virtuellen Untemehmen z. B. die zentrale Rolle eines Projekt- und/oder Netzwerkmanagers wahr. Die Auffassung, ein virtuelles Untemehmen kOnne allein durch Selbstorganisationsprozesse oder durch Selbstabstimmung der Kooperationspartner koordiniert werden/^*^ konnte sowohl auf der Gmndlage der empirischen Befunde als auch der Basis des Selbstorganisationsansatzes klar widerlegt werden. Vielmehr ist von einem Wechselverhaltnis zwischen Fremd- und Selbstorganisation bzw. einer eingeschrankten Selbstorganisation auszugehen, die in Anlehnung an Kubicek/Welter (1985) als institutionalisierte Selbstorganisation bezeichnet wurde. Dariiber hinaus steuert das Vertrauen unter den Kooperationspartnem den Leistungserstellungsprozess in einem umfassenden Sinne. Vertrauen hat nicht nur eine stabilisierende Wirkung und trSgt zur organisatorischen KohSrenz bei, sondem leistet durch die Reduktion von Komplexitat zudem einen wesentlichen Beitrag zur Flexibilitat der Kooperation und zur Steigemng der Effizienz und Effektivitat der Koordination eines virtuellen Untemehmens. Die Fallstudien haben gezeigt, dass die Voraussetzung fiir die Entwicklung von Vertrauen unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens durch die Existenz eines latenten Netzwerks gegeben ist, in dem potenzielle Kooperationspartner bereits vor einer Kooperation in einem losen, meist freund-
•'''^ Vgl. Chrobok (1996), S. 252.
384
Zusammenfassung und Implikationen
schaftlichen Kontakt stehen. Damit kann die Frage geklart werden, wie Vertrauen unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens bestehen kann, das ad hoc zur Nutzung einer Marktchance gebildet wird. In der Kategorie der strukturellen Koordinationsinstrumente nehmen Steuerkreise, die sich entweder aus einem Dachuntemehmen oder aus den Geschaftsfiihrem oder Managem der beteiligten Partneruntemehmen zusammensetzen, in alien erforschten virtuellen Untemehmen die wesentliche Funktion der Steuerung und strategischen Weiterentwicklung der latenten Netzwerke wahr. Urn einen mCglichst effizienten Leistungserstellungsprozess zu gew^hrleisten, kann auf technokratische Koordinationsinstrumente wie die Planung bzw. die Erstellung von Planen und die Festlegung der Kooperationspartner auf ein gemeinsames Kooperationsziel nicht verzichtet werden. DarUber hinaus werden finanzielle Fragen der Kooperation auf der Grundlage von festen oder variablen Verrechnungspreisen gekiart, die in den untersuchten virtuellen Untemehmen Vollkosten zuziiglich eines Gewinnaufschlags darstellen. Die Kommunikation, die ein wesentlicher Bestandteil der Koordination ist, wird in den virtuellen Untemehmen durch informationstechnologische Koordinationsinstrumente wie (Mobil-)Telefon, Fax und v. a. E-Mail sowie teilweise durch GroupwareApplikationen untersttitzt. Neben diesen Gemeinsamkeiten konnten in Abhangigkeit von den identifizierten Typen virtueller Untemehmen jedoch auch tendenzielle Unterschiede hinsichtlich der Verwendung und des Stellenwertes von Koordinationsinstmmenten festgestellt werden. Die tendenziellen Unterschiede lassen sich verdeutlichen, indem die untersuchten Koordinationsinstmmente einer typspezifischen Betrachtung unterzogen werden. Auf der Basis einer Mittelwertsberechung der Befunde aus Tabelle 23 konnte folgende Tabelle erstellt werden:
Wesentliche Befunde
385
Tabelle 24: Stellenwert der Koordinationsinstrumente in Bezug auf die Typen virtuelier Untemehmen TypI Virtueller General unternehmer
TypII Virtuelles Verteilungsnetzwerk
Typ III Virtuelle Fabrik
Typ IV Virtuelles Unterstiltzungsnetzwerk
soziale Rollen
0 9
Vertrauen / Vertrauenskultur
0-3
9 • •
3 • •
9 9 •
Kernuntemehmen
•
Koordinationsinstrumente
^^^^-^""^
^^^^^^"""""^^
SB
Typ->
Selbstabstimmung
1
zentrale Untersttltzungseinheit
2 2
Steuerkreis
C3 0
9
3 3
9 9 3
3-3
3
3 3 • •
C5-0 O O
interne Markte
3-C5
Programme Plane/Planung Budgets
1
feste Verrechnungspreise
1o
variable Verrechnungspreise
• •
Regeln
C5-0
• (5
Rahmenkooperationsvertrag Projektvertrag
• •
O
3
Telefon
3-3
Fax
3
E-Mail
3-3
3 3 3 0 0
3 3 3 3
4J
Sib
Telefon-/Video-/OnlineKonferenzen Groupware
3
3-3
3 O 3 •
3 O
3-« O 3
Workflow-Management-Systeme Legende: Bedeutung der betrachteten Koordinationsinstrumente • sehr hoch ^ hoch 3 mittel O gering O sehr gering
Quelle', Eigene Darstellung. Tabelle 24 zeigt, dass in virtuellen Untemehmen des Typs I „Virtueller Generalunternehmer" strukturelle und technokratische Koordinationsinstrumente einen hohen Stellenwert bei der Koordination der Leistungserstellung haben. Das Kemuntemeh-
386
Zusammenfassung und Implikationen
men bzw. der Generaluntemehmer koordiniert die Zulieferer im Wesentlichen Uber die Vergabe von vergleichsweise detaillierten Rahmenkooperations- und/oder Prqjektvertragen. Die Beziehungen zwischen dem Generaluntemehmer und den Zulieferem k5nnen aufgrund der vertraglichen Zusammenarbeit und der i. d. R. einseitigen Leistungsbeziehungen als eher marktlich bezeichnet werden. Personenorientierte Koordinationsinstrumente wie z. B. Vertrauen haben lediglich einen geringen bis mittieren Stellenwert. Eine Selbstabstimmung unter den Zulieferem ist aufgmnd der Dominanz des Generaluntemehmers nur sehr eingeschrankt m5glich oder wird von ihm bewusst verhindert. Bei den virtuellen Untemehmen des Typs II, III und IV nehmen personenorientierte Koordinationsinstrumente, bedingt durch die horizontale Kooperationsrichtung und die haufig reziproken Interdependenzen unter den Kooperationspartnem, einen hohen Stellenwert ein. Das virtuelle Untemehmen wird i. d. R. durch den Kooperationspartner koordiniert, der das Projekt bzw. den Kunden akquiriert hat oder den grCBten Anteil an der Leistungserstellung hat. Die Rolle des Projektmanagers wechselt damit in Abhangigkeit vom jeweiligen Projekt. Aufgmnd der hohen Komplexitat der vorwiegend wechselseitigen Leistungsbeziehungen stellt das Vertrauen resp. eine Vertrauenskultur unter den Partnem eine sehr wichtige Kooperationsgmndlage dar. Das Vertrauen ermOglicht es, bei den virtuellen Untemehmen des Typs II „Virtuelles Verteilungsnetzwerk" und Typs IV „ Virtue lies Untersttitzungsnetzwerk" auf eine Institutionalisiemng zentraler Managementfunktionen weitgehend zu verzichten und dadurch Kosteneinspar- und Flexibilitatspotenziale zu nutzen. Dies hat zur Folge, dass der Stellenwert stmktureller Koordinationsinstrumente im Vergleich zu den virtuellen Untemehmen des Typs I eher gering ist und ein Teil der Koordinationsaufgaben im Rahmen einer Selbstabstimmung der Kooperationspartner bewaltigt werden kann. Dariiber hinaus tragt das Vertrauen dazu bei, dass die Kooperationspartner entweder auf eine aufwandige Vertragsgestaltung verzichten kOnnen oder - wie in mehreren Fallbeispielen festgestellt werden konnte - dass schriftliche Vertrage durch Vertrauen substituiert werden. Aufgmnd der Gr6l3e des latenten Netzwerks, das haufig deutlich Uber 20 Netzwerkpartner aufweist, ihrer wesentlich starker ausgepragten Aufbauorganisation und des damit verbundenen h6heren Formalisiemngsgrades^^^^ nehmen die virtuellen Unter-
*^'^Vgl. Fischer (2001), S. 143.
Wesentliche Befunde
387
nehmen des Typs III „Virtuelle Fabrik" eine Sonderstellung ein. In den Fallbeispielen diesen Typs wird ein breites Spektrum struktureller, technokratischer und insbesondere personenorientierter Koordinationsinstrumente verwendet. Neben dem Steuerkreis existiert jeweils eine zentrale Unterstiltzungseinheit aus Spezialisten, die den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens hinsichtlich des Projektmanagements beratend zur Seite stehen. Netzwerkinteme Markte werden dazu verwendet, Monopolstellungen und „Preistreibereien" unter den Netzwerkpartnem durch marktliche Konkurrenzbeziehungen zu vermeiden und die Motivation wie die Leistungsf^igkeit der Netzwerkpartner zu steigem. Projektvertrage werden trotz des hohen Stellenwerts von Vertrauen geschlossen, um etwaige Konflikte zu vermeiden und die ZustSndigkeiten unter den Kooperationspartnem klar zu verteilen. Damit stehen VertrSge und Vertrauen nicht, wie haufig angenommen wird, im Widerspruch zu einander, sondem k5nnen sich auch funktional erganzen. Schriftlich niedergelegte Kooperationsregeln und klar definierte RoUen tragen zusammen mit Zeit- und AblaufplSnen dazu bei, den Kooperationspartnem Handlungssicherheit und einen Rahmen ftir Selbstorganisationsprozesse zu geben. Den modemen, insbesondere intemetbasierten Informations- und Kommunikationstechnoiogien, die im Rahmen dieser Arbeit als informationstechnoiogische Koordinationsinstrumente gekennzeichnet wurden, wird in der einschiagigen Literatur, insbesondere im Schrifttum der Wirtschaftsinformatik, groBe Aufmerksamkeit geschenkt, Zwar stellt die Verwendung dieser Technologien ein konstitutives Merkmal virtueller Untemehmen dar, mit dem es sich von anderen Kooperationsformen unterscheiden lasst.
Jedoch
werden
aufwandige
Groupware-Applikationen
und
Workflow-
Management-Systeme, die auch als „Enabler der Virtualisierung"^^^^ oder „Coordination technology"'^^^ bezeichnet werden, hinsichtlich ihrer Potenziale bei der BewSltigung von Koordinationsaufgaben in der Literatur hSufig Uberschatzt.^^^^ Die Expertenbefragung in den untersuchten virtuellen Untemehmen hat verdeutlicht, dass soziale Aspekte bei der Kooperation wesentlich wichtiger sind als die technische Infrastmktur. Eine auf die Informations- und Kommunikationstechnologien fokussierte Betrachtung birgt die Gefahr in sich, dass gmndlegende Aspekte einer Kooperation wie z. B.
'^'^ Vgl. Wagner (1999), S. 17; Sieber (1998a), S. 246. '^^^ Vgl. Malone (1988), S. 15 ff.; Wagner (1999), S. 92. '''^' Siehe z. B. Engelhard (1999), S. 329.
388
Zusammenfassung und Implikationen
Vertrauen, eine direkte Kommunikation und soziale Beziehungen unter den Kooperationspartnem in den Hintergrund gedrSngt werden. Die empirischen Befunde haben gezeigt, dass v. a. kostengUnstige und flexible Technologien (neben Telefon und Fax v. a. E-Mail und einfachere intemetbasierte Goupware-Applikationen wie Online-Terminkalender oder Projektplattformen im Internet) verwendet werden, die einfach in der Handhabung sind, eine flexible Anpassung an die unterschiedlichen Projektanforderungen und die Integrierbarkeit unterschiedlicher Kooperationspartner ermOglichen. Workflow-Management-Systeme werden in den untersuchten Fallbeispielen nicht verwendet, da sie ftlr die uberwiegend kleinen Untemehmen zu komplex, funktional zu umfangreich und nicht 6konomisch sind. Groupware-Applikationen haben bei den untersuchten Fallbeispielen, abgesehen von den virtuellen Untemehmen des Typs III, die liber eine deutlicher ausgeprSgte Aufbauorganisation und IT-Infrastruktur verfllgen, nur einen eher geringen Stellenwert bei der Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung. Lotus Notes, Microsoft Project Oder speziell entwickelte Groupware-Applikationen kOnnen anscheinend nur dann effektiv und effizient zur Untersttitzung der Koordination verwendet werden, wenn die unterschiedlichen Projekte, die im Rahmen virtueller Untemehmen durchgefiihrt werden, zumindest teilstandardisierbare Prozesse aufweisen oder sich Routinen bei der Projektabwicklung herausgebildet haben. Die empirischen Befunde weisen femer darauf hin, dass die Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien mit fortschreitender Entwicklung des latenten Netzwerks und dem Aufbau von Vertrauensbeziehungen zwischen den Netzwerkpartnern an Bedeutung gewinnt. Eine vollstandige Substitution der direkten durch eine technisch vermittelte Kommunikation ist jedoch aufgrund der eingeschrankten medialen Reichhaltigkeit gegenwartiger technologievermittelter Kommunikation nicht zu erwarten. Vielmehr k5nnen die Informations- und Kommunikationstechnologien als ErgSnzung der direkten Kommunikation betrachtet werden, welche die Intensitat und Haufigkeit der Kommunikationsbeziehungen unter den Kooperationspartner durch die Uberwindung von Raum- und Zeitbarrieren erhShen kann. Adequate informations- und kommunikationstechnische Infrastmkturen sind daher zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung fUr die erfolgreiche Realisiemng eines virtuellen Untemehmens.'^^^ Zwischenmenschliche Informationsverarbeitungsprozesse stellen
'^^^ Vgl. Picot et al. (2003), S. 439.
Wesentliche Befunde
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trotz (oder gerade aufgrund) des raschen Forschritts der Informations- und Kommunikationstechnologien nach wie vor hoch relevante Themen dar.*^^^ Im Untersuchungssample wurden virtuelle Untemehmen aus unterschiedlichen Wirtschaftssektoren und Branchen betrachtet. Unter ihnen befanden sich u. a. Untemehmensbeispiele aus der Optik-ZFeinwerkbranche, der Bau-/Handwerksbranche sowie der Automobilbranche, die dem gUterproduzierenden Sektor zugeordnet werden konnten, als auch mehrere Unternehmensbeispiele aus der IT-Branche und der Medien-Branche, die sich im Dienstleistungssektor positioniert haben. Hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstrumenten konnten keine nennenswerten Unterschiede festgestellt werden. Auch in Bezug auf den Technisierungsgrad bzw. der Verwendung informationstechnologischer Koordinationsinstrumente sind die Unternehmensbeispiele der Baubranche mit denen der IT-Branche vergleichbar, obwohl die virtuellen Untemehmen aus der IT-Branche i. d. R. eine grOBere Affmitat zu intemetbasierten Informations- und Kommunikationstechnologien aufweisen. Dies fiihrt nicht zwangsiaufig dazu, dass mehr informationstechnologische Koordinationsinstrumente eingesetzt werden oder sie einen hOheren Stellenwert bei der Koordination haben. Die Notwendigkeit persCnlicher Kommunikation wurde auch in den virtuellen Untemehmen der IT-Branche verdeutlicht. Das innovative Merkmal der Koordination in virtuellen Untemehmen besteht im Koordinationsbedarf auf zwei Ebenen: der Ebene des latenten Netzwerks, auf der die Netzwerkpartner wirtschaftlich und rechtlich nur in einer losen Kopplung stehen, und der Ebene des aktivierten Netzwerks oder der Projektebene, des virtuellen Untemehmens, das sich dem Kunden als ein einheitliches Untemehmen prSsentiert. Die Existenz eines latenten Netzwerks kann als besonderes Charakteristikum des hier betrachteten Kooperationskonzepts aufgefasst werden. Es bildet die Gmndlage fur die Flexibilitat und die Schnelligkeit, mit der ein virtuelles Untemehmen gebildet werden kann. Die empirischen Befunde der 19 Fallstudien haben gezeigt, dass das Projektmanagement in virtuellen Untemehmen, d. h. im aktivierten Netzwerk, im Wesentlichen vergleichbar ist mit dem traditionellen Projektmanagement in und zwischen Unternehmen.'^^"* Die Unterschiede, aus denen sich besondere Anfordemngen an eine effiziente Koordination der Aufgabenerfullung sowie an die Vertrauensbildung und
*^^^ Vgl. Wolf (2005), S. 232; Zimmermann (2003), S. 228. '^^^ Siehe z. B. [Nr.6: 264-270]. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Untersuchung von Albers et al. (2003), S. 52.
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Zusammenfassung und Implikationen
die Motivation ergeben, bestehen in der rSumlichen Verteilung sowie der losen Kopplung der Kooperationspartner, die auf den geringen Institutionalisierungs- und Formalisierungsgrad der Kooperation zuriickzufiihren sind, und der intensiven Verwendung von kostengUnstigen und flexiblen Informations- und Kommunikationstechnologien. Die in der Netzwerkforschung aufgeworfene Frage, ob durch die Vemetzung neue Koordinationsinstrumente benOtigt werden, um die Okonomischen Aktivit^ten und Beziehungen im Beziehungsgeflecht zwischen rechtlich selbstSndigen Untemehmungen in Untemehmensnetzwerken gestalten zu kOnnen,'^^^ muss auf der Grundlage der untersuchten Fallbeispiele vemeint werden/^^^ Vielmehr kommt es darauf an, die in der Betriebswirtschaftslehre und der Untemehmenspraxis bekannten Koordinationsinstrumente unter Beriicksichtigung der spezifischen netzwerkintemen und hSufig interdependenten Bedingungen und Koordinationsaufgaben sowie der Kontextfaktoren mit groBer Umsicht zu implementieren.'^^^ Wie anhand der Fallstudien jedoch gezeigt werden konnte, erweist sich die Auswahl der Koordinationsinstrumente durch die zahlreichen und haufig interdependenten netzwerkintemen und extemen Einflussfaktoren als hoch komplex. Neben den in der entwickelten Typologie virtueller Untemehmen berUcksichtigten grundlegenden intemen Bedingungen wie Kooperationsrichtung, Leistungsspektrum der Kooperationspartner und Formalisierungsgrad kSnnen die Auswahl und Verwendung von Koordinationsinstrumenten von einer Reihe projektspezifischer Faktoren abhangen, wie z. B. von der Anzahl der Partner im aktivierten Netzwerk, der geographischen Verteilung sowie der Kooperationserfahrung der Partner, der Art und Dauer sowie vom fmanziellen Volumen der Projekte und/oder von der verfolgten Projektstrategie. Dariiber hinaus konnte festgestellt werden, dass pers5nliche Weisungen aufgrund der rechtlichen SelbstSndigkeit der Kooperationspartner weitestgehend ausgeschlossen sind. Ebenso wird auf Programme, die einen eher hierarchischen Organisationsaufbau und statische Umweltbedingungen voraussetzen, verzichtet, da virtuelle Untemehmen i. d. R. eine hohe Dynamik und ~ wenn uberhaupt - nur sehr geringe hierarchische Strukturen aufweisen. Unter der Betrachtung der in Abschnitt 2.1.5 dargestellten vier Phasen eines virtuellen Untemehmens lassen sich vor dem Hintergrund der empirischen Befunde grobe Tendenzen hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstrumenten erkennen. In
'^"Vgl.Windeler(2001),S. 15. •^^^Siehez.B.[Nr.lO: 381-384]. ™ Vgl. Albers et al. (2003), S. 55.
Wesentliche Befunde
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der Phase der Anbahnung bzw. Partnersuche, in der insgesamt vergleichsweise nur wenige Koordinationsinstrumente verwendet werden, stehen strukturelle Koordinationsinstrumente wie Kemuntemehmen oder interne Markte und personenorientierte Koordinationsinstrumente wie soziale Roilen, d. h. Netzwerkmanager und/oder Projektmanager im Vordergrund. Nach der Akquirierung eines Projekts durch ein Kemuntemehmen, einen Netzwerkmanager oder einen Netzwerkpartner, der die Rolle des Projektmanagers Ubemimmt, werden aus dem iatenten Netzwerk geeignete Kooperationspartner hinsichtlich einer Beteiligung an dem Projekt entweder direkt angesprochen oder uber informationstechnologische Koordinationsinstmmente wie z. B. E-Mail oder netzwerkinteme Online-Datenbanken gesucht. In virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik") kOnnen zur Partnersuche auch inteme Markte genutzt werden. Weisen die Netzwerkpartner nicht die notwendigen Kemkompetenzen oder Kapazitaten zur Bewaltigung des Projekts auf, mUssen exteme Untemehmen als Zulieferer gewonnen werden. In der Vereinbamngsphase geht es darum, den arbeitsteiligen Leistungserstellungsprozess zu stmkturieren und im Voraus zu koordinieren. Hierzu werden v. a. technokratische Koordinationsinstmmente wie z. B. Plane, Ziele, Budgets, Verrechnungspreise, Regeln oder Vertrage eingesetzt. Unterstiltzt wird die Koordination durch personenorientierte Koordinationsinstmmente wie die Selbstabstimmung im Rahmen von Projektbesprechungen und/oder begleitet durch die Fremdabstimmung eines Projektmanagers. Die Kommunikation erfolgt in dieser kommunikationsintensiven Phase kaum technologievermittelt, sondern aufgmnd der Vorteile der medialen Reichhaltigkeit in erster Linie pers5nlich. In der DurchfUhmngsphase stehen neben den technokratischen insbesondere die personenorientierten Koordinationsinstmmente im Vordergmnd. Bei aufiergew5hnlich groBen bzw. komplexen Projekten kOnnen insbesondere bei den virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik") zusatzlich auch stmkturelle Koordinationsinstmmente wie z. B. zentrale Unterstiitzungseinheiten hinzugezogen werden. In dieser Phase ist die intensivste Verwendung informationstechnologischer Koordinationsinstmmente festzustellen. Durch die Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien wie z. B. Telefon/Fax und vor allem E-Mail, aber auch flexibler und kostengUnstiger Groupware-Applikationen, werden die Kommunikationsbeziehungen unter den Kooperationspartnem im Laufe der Projektarbeit erweitert und intensiviert.
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Zusammenfassung und Implikationen
In der Projektabschluss- oder AuflOsungsphase werden ahnlich wie in der Phase der Anbahnung und der Partnersuche nur vergleichsweise wenige, v. a. personenorientierte Koordinationsinstrumente eingesetzt. Die Projektpartner treten in einem Projektabschlusstreffen zusammen, urn die Schwierigkeiten und Probleme, die wahrend des Projekts aufgetreten sind, noch einmal zu erQrtem und Lemprozesse zu fQrdem. In dieser Phase uberwiegt wiederum die pers5nliche Kommunikation. Informationstechnologische Koordinationsinstrumente werden lediglich zur elektronischen Speicherung von Projekterfahrungen in Wissens- bzw. Kooperationsdatenbanken verwendet. Auch wenn mit der phasenspezifischen Betrachtung nur grobe Tendenzen feststellbar sind, so weist sie dennoch auf den hohen Stellenwert personenorientierter Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen hin. Die Koordination wird ergSnzt durch technokratische und informationstechnologische Koordinationsinstrumente. Dagegen nehmen strukturelle Koordinationsinstrumente mit Ausnahme virtueller Untemehmen, die dem Typ I („Virtueller Generaluntemehmer") und dem Typ III („Virtuelle Fabrik") zugeordnet werden kCnnen, eher einen untergeordneten Stellenwert ein. Ein virtuelles Untemehmen wurde im Rahmen dieser Arbeit im Anlehnung an Weick (1976) und Orton/Weick (1990) als ein lose gekoppeltes System betrachtet, da die Kooperationspartner rechtlich und wirtschaftlich selbstSndig sind und sie bei der vertrauensbasierten Kooperation aus Kosten- und Flexibilitatsgrtinden auf umfangreiche Vertragswerke weitgehend oder (wie mehrere Fallstudien gezeigt haben) sogar ganz auf schriftliche Vereinbamngen verzichten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Systemeinheiten untereinander ausschliefilich in einer losen Kopplung stehen. Weick (1982) weist darauf hin, dass neben aller organisationalen Flexibilitat auch ein gewisses MaB an organisationaler Stabilitat vorhanden sein muss, damit die Identitat erhalten bleibt und Kontinuitat einer Organisation gewahrleistet werden kann.'^^^ „To talk about a loosely coupled system is not to talk about stmctural looseness, but about process looseness." ^^^^ Dies deutet darauf hin, dass die Organisationseinheiten gleichzeitig sowohl lose als auch eng aneinander gekoppelt sein k5nnen.*^^° Die Symbiose aus loser und enger Kopplung bzw. Flexibilitat und Stabilitat konnte auch bei den untersuchten virtuellen Untemehmen, hier insbesondere den Untemeh-
'^^^Vgl. Weick (1982), S. 386 f '^^^Vgl. Weick (1982), S. 381. '^^° Vgl. Weick (1982), S. 391; Orton/Weick (1990), S. 205; Beekun/Glick (2001), S. 234 ff; De Vries(1998),S.79.
Wesentliche Befunde
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mensbeispielen mit horizontaler Kooperationsrichtung, festgestellt werden. Zwar stehen die Partner des latenten Netzwerks unter rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur in einer iosen Kopplung. Auf der Grundlage der Vertrauensbeziehungen und der sich im Laufe der Kooperationen im Rahmen virtueller Untemehmen hSufig herausbildenden Vertrauenskultur unter den Partnem entwickeit sich jedoch im Zeitverlauf haufig eine vertrauensbasierte bzw. strategisch motivierte Selbstverpflichtung heraus. Diese Seibstverpflichtung hemmt oder veriiindert es, das entgegengebrachte Vertrauen zu missbrauchen, urn aus der Kooperation auch langerfristig Wettbewerbsvorteile Ziehen zu kOnnen. Ein opportunistisches Verhaiten eines Partners kOnnte zwar kurzfristig seinen Nutzen erhohen, jedoch wUrde es ihn als Kooperationspartner bei den Partnem des latenten Netzwerks diskreditieren oder aus dem Kooperationsverbund ausschlieBen. DarUber hinaus ist nicht auszuschlieBen, dass insbesondere bei regional ausgerichteten latenten Netzwerken dieses abweichende Verhaiten uber die sozialen Beziehungsnetzwerke der Kooperationspartner auch weit tiber das latente Netzwerk hinaus bekannt werden wurde, was einen negativen Einfluss auf das Image und die Geschaftsbeziehungen dieses Partners hatte. Die enge Kopplung bzw. Stabilitat in einem virtuellen Untemehmen ist daher in erster Linie nicht auf schriftliche Vereinbarungen oder mOglicherweise auf die Existenz einer Dachgesellschaft zuriickfiihrbar, sondem sollte vielmehr subtiler in der Kopplung der Netzwerkpartner auf der Basis von Vertrauen bzw. einer Vertrauenskultur verstanden werden. Das Verhaiten der Netzwerk- bzw. Kooperationspartner ist damit in einem Netzwerk aus sozialen Beziehungen eingebettet.'^^V Insofem kann hier in Anlehnung an Hellgren/Stjemberg (1987) auch von einem „richly coupled system" gesprochen werden,'^^^ welches eine wesentliche Grundlage fUr ein „loosely coupled system" darstellt. Je starker das latente Netzwerk ausgepragt ist, das heifit z. B., dass das Vertrauen unter den Netzwerkpartnem, die Vertrauenskultur, das gemeinsame Geschaftsverstandnis sowie Kooperationsregeln an Einfluss gewinnen und damit eine gewisse Stabilitat hervorrufen, desto eher ist es mOglich, dass die Kooperationspartner untereinander nur in einer Iosen Kopplung stehen und auf (aufwandige) Kooperationsvertrage und Aufbaustrukturen verzichten kOnnen. Diese Tendenz scheint jedoch nicht unabhangig von der Gr5Be des latenten Netzwerks und v. a. dem Anteil des temporaren Zusatzgeschaftes zu stehen, den die Partner durch die Teilnahme an einem virtuel-
*^^^ Siehe hierzu z. B. Granovetter (1985), S. 487 ff. ^"^^^ Vgl. Hellgren/Stjemberg (1987), S. 90.
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Zusammenfassung und Implikationen
len Untemehmen erwirtschaften. So legen insbesondere die virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik"), die ein vergleichsweise groBes und starker formalisiertes latentes Netzwerk aufweisen und in denen der Anteil des temporSren Zusatzgeschaftes fiir die Kooperationspartner hSufig deutlich mehr als 5 % ihres Gesamtumsatzes ausmacht, die Vermutung nahe, dass das Konzept des virtuellen Untemehmens auch eine Ubergangsform von einer losen Kooperation zu einer enger gekoppelten strategischen Partnerschaft sein kann.^^" So ist anzunehmen, dass die Netzwerkpartner mit steigendem Anteil des temporSren Zusatzgeschaftes dazu tendieren, Organisationsstrukturen innerhalb des latenten Netzwerks weiter aufzubauen, um die Stabilitat der Kooperation zu erhOhen und die Arbeitsprozesse zu optimieren. Durch wiederholtes Kooperieren in Projektgemeinschaften kOnnen so Wertkettengemeinschaften und Quasi-Holdings entstehen.'^^"* Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, unter Berticksichtigung der intemen und Kontextbedingungen einer Organisation, einen „optimalen" Kopplungsgrad zu finden. Den diesbeztiglichen Entscheidungen sollte eine Abwagung der jeweiligen Vor- und Nachteile einer zu losen oder zu engen bzw. festen Kopplung vorausgehen.*^^^
'^" Siehe hierzu auch Brutsch (1999), S. 127 f.; ReiB/Beck (1995), S. 56 ^''^'^Vgl.Sieber (1998a), S. 241. '^^^Vgl. Sydow (1992a), S. 117.
Ableitungen aus den Befunden fur die Praxis
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6.2 Ableitungen aus den Befunden fftr die Praxis Die Ableitung von Handlungs- oder Gestaltungsempfehlungen auf der Grundlage der gewonnenen Befunde muss sich an den fiir Fallstudienarbeiten geltenden Limitationen orientieren.'^^^ So liegt z. B. aufgrund der im Vergleich zu quantitativen Untersuchungen geringen Fallzahl keine statistische ReprSsentativitat vor. Generalisierungen bzw. statistische InduktionsschlUsse sind insofem unzulassig. Dies muss jedoch nicht zwangsiaufig als Makel aufgefasst werden, da qualitative Arbeiten, wie die vorliegende, i. d. R. keine statistische Generalisierbarkeit anstreben, sondem auf theoretische Propositionen und eine analytische Generalisierbarkeit abzielen.^^^^ Die gewonnenen Daten aus den Praxisbeispielen mtlssen daher vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Typen virtueller Untemehmen, der jeweiligen Bedingungen innerhalb des latenten und des aktivierten Netzwerks als auch den unterschiedlichen Kontextbedingungen des jeweiligen Projekts betrachtet werden, das im Rahmen eines virtuellen Untemehmens durchgefUhrt wird. Insofem ist eine voreilige und unreflektierte Ubertragung der Befunde der vorliegenden Arbeit auf weitere Praxisbeispiele nicht empfehlenswert. Unter Beriicksichtigung dieser Einschrankungen lassen sich auf der Basis der Befunde aus den untersuchten 19 Fallbeispielen mehrere allgemeine Gestaltungs- und Handlungsempfehlungen beztiglich der Koordination bzw. der Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen ableiten, die den Praxisbeitrag der vorliegenden Arbeit verdeutlichen. Dieser liegt zunSchst einmal darin, dass Praktiker durch die 19 Fallbeispiele virtueller Untemehmen, die sich z. T. bereits seit mehreren Jahren am Markt erfolgreich positionieren konnten, Gestaltungsbeispiele erhalten und durch die Betrachtung der einzelnen Koordinationsinstrumente einen Uberblick Uber deren Koordinationsfunktionen und Verwendbarkeit bekommen. Die Fallstudien sensibilisieren Praktiker femer dafUr, dass die lose Kopplung der Kooperationspartner in virtuellen Untemehmen ein anderes Organisationsverstandnis voraussetzt als das traditionelle. Hierbei stehen die Prozesse wesentlich starker im Vordergmnd als die Stmktur, d. h. die Ablauforganisation hat Vorrang vor der Aufbauorganisation.^^^* Die lose Kopplung in virtuellen Untemehmen setzt jedoch nicht nur organisatorische, sondem v. a. auch personelle Anfordemngen wie z. B. eine hohe Qualifikation der
*^^^ Siehe hierzu z. B. Eisenhardt (1989), S. 547; Yin (2003), S. 10 f; Marshall/Rossman (1989), S. 146; Bortz/D6ring (2002), S. 113; Wrona (2005), S. 38 ff ^^^^ Siehe hierzu Abschnitt 4.3 der vorliegenden Arbeit. '^^^ Vgl. Reiss (2002), S. 24; Wagner (1999), S. 148; Fischer (2001), S. 195 ff.
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Zusammenfassung und Implikationen
Mitarbeiter, eine permanente Weiterbildung und eine auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit von autonomen, dezentralen Organisationseinheiten voraus.'^^^ Diese Anforderungen betreffen nicht nur das Selbstverstandnis und die Motivation der Kooperationspartner, sondem stellen auch die Fuhrung eines virtuellen Untemehmens vor neue Herausforderungen. Aufgrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Selbstandigkeit der hSufig gleichberechtigten Kooperationspartner, ihrer freiwilligen Partizipation und der, wenn tiberhaupt, nur geringen hierarchischen Unterschiede insbesondere in virtuellen Untemehmen mit horizontaler Kooperationsrichtung, ist kein Partner direkt weisungsbefugt. Ein virtuelles Untemehmen kann nur dann erfolgreich sein, wenn es Uber eine hohe Dynamik verfugt, d. h. die F^higkeit besitzt, sich unter erheblichem Zeit- und Wettbewerbsdruck in hohem MaBe an MarktSnderungen anzupassen.^^"^^ Die AnpassungsfUhigkeit wird dabei in besonderem MaBe durch die Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung beeinflusst. Eine wesentliche Voraussetzung fiir eine erfolgreiche Koordination bzw. den effizienten Einsatz von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen besteht in der Erkenntnis, dass dieses Kooperationskonzept durch zwei Ebenen gekennzeichnet ist: Ebene des latenten Netzwerks und Projektebene, auf denen jeweils unterschiedliche Koordinationsaufgaben und -erfordemisse bestehen. Urn eine mQglichst effektive und effiziente BewSltigung der auf beiden Ebenen hervorgemfenen unterschiedlichen Koordinationsaufgaben zu gewShrleisten, erscheint ein den jeweiligen Kooperationsbedingungen angepasstes Verhaitnis von Fremd- und Selbstabstimmung sinnvoll. Sowohl auf der Ebene des latenten Netzwerks als auch der Projektebene sollte die Fremdabstimmung durch einen zentralen Akteur erfolgen, der einen genaueren Uberblick liber die relevanten Informationen hat und die wesentlichen Koordinationsaufgaben wahmimmt bzw. Rahmenbedingungen flir eine Selbstabstimmung der Kooperationspartner schafft. In diesem Zusammenhang scheinen grundsStzlich zwei soziale Rollen erfolgswirksam zu sein: die Rolle des Netzwerkmanagers auf der Ebene des latenten Netzwerks und die Rolle des Projektmanagers auf der Projektebene. In Abhangigkeit von der Kooperationsrichtung, der Gr5Be des latenten Netzwerks und des Leistungsspektmms der im Rahmen virtueller Untemehmen zu erbringenden Produkte und/oder Dienstleistungen kOnnen die Rollen entweder durch einen einzelnen Akteur in Personalunion oder durch zwei Akteure wahrgenommen werden.
'^^^Vgl. Staehie (1991), S. 330. '^^%gl. Heck (1999), S. 199.
Ableitungen aus den Befunden fur die Praxis
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Wahrend die Koordinationsaufgaben auf der Projektebene in weiten Teilen denen des traditionellen Projektmanagements gieichen, liegt die Besonderheit der Koordination in virtueilen Untemehmen in der BewSltigung der Koordinationsaufgaben auf der Ebene des latenten Netzwerks. Die Bew^ltigung der auf beiden Ebenen bestehenden Koordinationsaufgaben ist zudem nicht unabhSngig voneinander zu betrachten: Urn den Koordinationsbedarf auf der Projektebene wesentlich zu verringem und die dem Konzept des virtueilen Untemehmens zugeschriebenen Flexibilitats- und Zeitvorteile zu realisieren, empfiehlt es sich, bereits auf der Ebene des latenten Netzwerks grundlegende zu koordinierende Sachverhalte der Kooperation festzulegen bzw. zu regeln.*^"** In Abhangigkeit von der Kooperationsrichtung kann die Festlegung bei einer vertikalen Kooperation entweder durch ein Kemuntemehmen oder einen Generaluntemehmer erfolgen. Liegt eine horizontale Kooperation vor, erscheint die Festlegung aus motivationaler Sicht durch eine gemeinsame Abstimmung aller beteiligten Netzwerkpartner oder durch einen Steuerkreis geeignet. Wie in den Ausfiihrungen zu Abschnitt 2.2.3 genauer dargestellt, gehOren zu den Okonomischen Entscheidungen bzw. den zu koordinierenden Sachverhalten auf der Ebene des latenten Netzwerks z. B. die Festlegung der Geschaftsfelder und/oder Marktbereiche, in denen die auf der Grundlage des latenten Netzwerks gebildeten virtueilen Untemehmen positioniert werden sollen, sowie die Festlegung der Ziele und Strategien des Kooperationsverbundes, die kontinuierlich auf ihre Aktualitat zu priifen und ggf an geanderte Kontextbedingungen anzupassen sind. Dariiber hinaus mtlssen die Aufgaben, Pflichten und Zustandigkeiten der Netzwerkpartner festgelegt sowie eine einheitliche informations- und kommunikationstechnische Infrastruktur aufgebaut werden, um eine effiziente Arbeitsteilung und Kommunikation gewahrleisten zu k(5nnen. Zudem muss geklart werden, wie der einheitliche Marktauftritt erreicht wird und die Akquisition von Kunden sowie die Auftragsvergabe unter den Partnem des latenten Netzwerks erfolgen sollen. In diesem Zusammenhang steht auch die Klarung der Verrechnung von Kosten und Leistungen zwischen den Kooperationspartnem sowie die Klarung von Haftungsfragen und die weitere Nutzung gemeinsam entwickelter Patente und/oder Kemkompetenzen. Mit zunehmender GrQBe des latenten Netzwerks erscheint es sinnvoll, die Ergebnisse dieser Festlegungs- und Abstimmungsprozesse in Form von klar formulierten Kooperationsregeln schriftlich niederzulegen, auf welche die Kooperationspartner jederzeit zurOckgreifen kOnnen. Sie erfUllen
^^^* Vgl. Albers et al. (2003), S. 33.
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Zusammenfassung und Implikationen
die Funktion von Handlungsleitlinien und haben dadurch, dass sie eine Entscheidungskonsistenz im Zeitablauf erm5glichen, einen stabilisierenden Einfluss auf die Netzwerkorganisation. Die Aufgaben des Netzwerkmanagers konzentrieren sich neben der UnterstUtzung der zielgerichteten und effizienten BewSltigung der o. g. grundlegenden Aufgaben des Aufbaus einer Infrastruktur vor allem auf MaBnahmen, welche die Stabilitat und Weiterentwicklung des latenten Netzwerks fSrdem. Im Vordergrund steht hierbei ein gezieltes Personal- und Konfliktmanagement. Hierzu geh5ren die F5rderung des gegenseitigen Kennenlemens, die Motivierung der Netzwerkpartner zur Akquisition von Projekten, urn zu vermeiden, dass sie in einer (passiven) „Empfangserwartung" verharren, und ganz wesentlich der Aufbau von Vertrauensbeziehungen unter den Netzwerkpartnem.^^'*^ Dies kann z. B. aktiv durch die Organisation von Partnertreffen, gegenseitigen Firmenbesuchen, gemeinsamer Besuche von Fachmessen, Tagungen und Konferenzen oder durch die Durchfilhrung gemeinsamer Probe- oder Pilotprojekte gefSrdert werden. Auch durch informelle Zusammenkiinfte, z. B. durch gemeinsame Freizeitaktivitaten, kOnnen die Kontakte sowie das Vertrauen unter den Netzwerkpartnem erweitert und das gemeinsame Geschaftsverstandnis gestSrkt werden. Das Ziel besteht darin, Vertrauen unter den Partnem aufzubauen bzw. zu verstarken und mittelfristig eine Vertrauenskultur mit gemeinsamen Normen und Werten unter den Partnem des latenten Netzwerks zu schaffen, um die Effektivitat und Effizienz virtueller Unternehmen durch die Senkung von Transaktionskosten und eine Erleichterung der Koordinationsprozesse zu erhOhen. Auch in einem virtueilen Untemehmen, in dem die Kooperationspartner untereinander Vertrauensbeziehungen aufgebaut haben, kSnnen Konflikte bei der gemeinsamen Durchfilhrung von Projekten im Rahmen eines virtueilen Untemehmens entstehen, Deshalb ist es notwendig, ein aktives Schnittstellen- und Konfliktmanagement einzubeziehen, bei dem der Netzwerkmanager als Vermittler oder Moderator zwischen den im latenten oder manifesten Konflikt stehenden Partnem fungiert. Da der Erfolg eines virtueilen Untemehmens wesentlich von den fachlichen und sozialen Kompetenzen der Netzwerkpartner abhangt, sollte die Auswahl und Aufnahme neuer Netzwerkpartner in das latente Netzwerk mit groBer Umsicht erfolgen. Von einer Suche iiber Intemet-KooperationsbSrsen ist aufgmnd der Anonymitat und
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Vgl. Grabowski/Roberts (1999), S. 714; Picot/Reichwald (1999), S. 141; Sydow (1995a), S. 195.
Ableitungen aus den Befunden fur die Praxis
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fehlender Qualitatsstandards der von KooperationsbSrsen benutzten Bewertungssystemen eher abzuraten. Vieimehr sollte die Suche Uber die soziaien Netzwerlce bzw. Geschaftsbeziehungen der Kooperationspartner erfolgen. Hierbei besteht auf der Grundlage eines Bekanntheitsgrades bzw. einer Reputation eine grOBere Chance, geeignete Kooperationspartner zu fmden. Sie sollten nicht nur iiber die gesuchten Kemkompetenzen verfligen, sondem auch kooperationsbereit sein, eine hohe Motivation aufweisen, untemehmerisch denken und eigenverantwortiich handein sowie soziale Kompetenzen wie TeamMigkeit, Zuverlassigkeit, Offenheit und Ehrlichkeit besitzen. Der Aufbau, die Pflege und die Weiterentwicklung des latenten Netzwerks ist mit einem erheblichen organisatorischen und technischen Aufwand sowie mit betrachtlichen Kosten (Koordinations- bzw. Abstimmungskosten) verbunden und setzt einen hohen Zeitaufwand voraus. Unter transaktionskostentheoretischen Gesichtspunkten erscheinen diese Investitionen erst dann sinnvoli, wenn das latente Netzwerk langerfristig als Grundlage fiir die spontane Bildung virtuelier Untemehmen genutzt werden kann. Das latente Netzwerk bildet durch die Regelung grundlegender Kooperationsaspekte und die AusprSgung von Vertrauensbezieiiungen die Voraussetzung ftir eine effektive und effiziente Koordination auf der Projektebene bzw. den Einsatz von Koordinationsinstrumenten, die nur geringe Koordinationskosten verursachen. Das virtuelle Untemehmen, das auf der Basis des latenten Netzwerks zur Durchfiihrung eines Kundenauftrages gebildet wird und die Projektebene kennzeichnet, sollte zentral durch einen Projektmanager gesteuert bzw. koordiniert werden. Wahrend bei virtuellen Untemehmen des Typs I der Generaluntemehmer diese Rolle Ubemimmt, richtet sich die Ubemahme dieser Rolle bei den Ubrigen identifizierten Typen virtuelier Untemehmen danach, welcher Partner den Kunden bzw. das Projekt akquiriert hat und die Verantwortung fiir das Projekt sowie die Haftung gegentiber dem Kunden tragt. Hat dieser Partner nur einen geringen Anteil an der arbeitsteiligen Leistungserstellung, kann die Rolle des Projektmanagers auch an den Partner Ubertragen werden, der den Hauptanteil leistet. Eine zentrale Projektkoordination in einem virtuellen Untemehmen hat den Vorteil, dass das gesamte Projekt und die projektrelevanten Informationen von einem Kooperationspartner in der Rolle des Projektmanagers Uberblickt werden kOnnen. Damit kOnnen gemeinsame Entscheidungsprozesse unter den beteiligten Partnem beschleunigt, die Einheitlichkeit der ProjektfUhmng gewahrleistet und eine Entscheidungskonsistenz erreicht werden. Eine wesentliche und erfolgsrelevante Aufgabe des Projektmanagers besteht darin, aus dem Spektrum der
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Zusammenfassung und Implikationen
unterschiedlichen Koordinationsinstrumente diejenigen auszusuchen und in den Leistungserstellungsprozess zu implementieren, mit denen die Koordinationsaufgaben, Prozesse und AbhSngigkeiten im Hinblick auf das Kooperationsziel mOglichst effektiv und effizient koordiniert werden kOnnen. Eine standardisierte Auswahl und Verwendung von Koordinationsinstrumenten erscheint wenig geeignet. Vielmehr sollte sich die Auswahl und Verwendung der Koordinationsinstrumente an den spezifischen Projektanforderungen und Kooperationsbedingungen orientieren. Nachdem in der Phase der Projektanbahnung und Partnersuche ein Kundenauftrag akquiriert und die Auswahl geeigneter Kooperationspartner aus dem latenten Netzwerk bzw. die Suche nach fehlenden Kemkompetenztragem iiber den Markt abgeschlossen wurde, geht es in der Vereinbarungsphase um die Festlegung der Rahmenbedingungen, den Vertragsschluss mit dem Kunden und die Planung des Projekts. Hierbei unterscheidet sich das weitere Vorgehen in den virtuellen Untemehmen in AbhSngigkeit von der Kooperationsrichtung. Bei den virtuellen Untemehmen des Typs I, bei denen eine vertikale Kooperationsrichtung besteht und v. a. gepoolte und sequenzielle Leistungsinterdependenzen festgestellt werden kQnnen, erfolgt die gesamte Projektkoordination durch den Generaluntemehmer. Aufgrund der horizontal en Kooperationsrichtung und der durch die v. a. wechselseitigen (reziproken) Leistungsinterdependenzen hervorgerufenen hSheren Koordinations- und Kommunikationsbedarf bei der Projektumsetzung erscheint dagegen bei den virtuellen Untemehmen des Typs II, III und IV eine Beteiligung der Kooperationspartner an der Projektplanung bzw. -koordination notwendig. Die folgenden Ausflihmngen konzentrieren sich daher V. a. auf die Handlungsempfehlungen ftir virtuelle Untemehmen mit horizontaler Kooperationsrichtung. Damit ein Projekt erfolgreich durchgefUhrt werden kann, ist es sinnvoll, dass die Kooperationspartner zusammen mit dem Kunden ein erstes Projekttreffen durchflihren. Im Rahmen dieses Projekttreffens kann der Kunde die Problemstellung verdeutlichen und die gewUnschte Leistung genauer spezifizieren. Die Kooperationspartner schliefien sich daraufhin zur Beratung und Kalkulation der Einzelleistungen und der Kostenplanung zusammen. Um bereits in der Vereinbamngsphase die Fragen der Gewinnverteilung und der Aufteilung der Koordinationskosten unter den Partnem zu kiaren, bieten sich Verrechnungspreise auf der Gmndlage von VoUkosten zuzUglich eines Gewinnaufschlags an. Hierbei empfiehlt es sich, bei einer hohen Standardisierbarkeit der Teilleistungen feste Verrechnungspreise und bei einer nur geringen Standardisierbarkeit der Teilleistungen variable Verrechnungspreise zu verwenden. Der
Ableitungen aus den Befunden fur die Praxis
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Projektmanager erstellt auf dieser Basis ein Gesamtangebot und offeriert es dem Kunden. Nimmt der Kunde das Angebot an, wird mit ihm ein klassischer Vertrag geschlossen. Mit dem ersten und auch den darauf folgenden, in regelmSBigen AbstSnden durchzufuhrenden Projekttreffen wird neben der Klarung projektbezogener Fragen der Zweck verfoigt, die Kooperationspartner durch die direkte Kommunikation und die gegenseitigen Abstimmungen zu motivieren und unter ihnen ein gemeinsames Geschaftsverstandnis aufzubauen. Die Aufgabe des Projektmanagers besteht zunSchst einmal darin, die Kooperationspartner auf das gemeinsame Projektziel, das sich aus dem Vertrag mit dem Kunden ableitet, auszurichten. Dies ist notwendig, damit das gemeinsame Projektziel unter den Kooperationspartnem eine handlungsleitende Funktion erfUllt und eine Ordnung durch Selbstbindung unterstiltzt wird. Das Projektziel solite z. B. in einer intemetbasierten Kooperationsdatenbank zugSnglich gemacht werden, damit die Kooperationspartner jederzeit die Moglichkeit haben, unabhangig voneinander darauf zurtickzugreifen. Um das Projekt grob zu strukturieren, solite das Projektziel in einer gemeinsamen Abstimmung in realistische Teilziele untergliedert werden, aus denen sich idealerweise konkrete Aufgaben ableiten lassen. Die Beteiligung aller Kooperationspartner an der Projektplanung erscheint einerseits notwendig, um ihr spezifisches Kemkompetenzwissen und ihre Projekterfahrungen miteinbeziehen zu kOnnen, andererseits dient es dazu, ihre Motivation und ihr Engagement bei der Leistungserstellung zu verstarken. Bei der kompetenz- und kapazitatsorientierten Aufgabenzuweisung solite der Projektmanager darauf achten, dass die Aufgaben und Zustandigkeiten klar an die jeweiligen Partner verteilt werden, damit Kompetenzstreitigkeiten vermieden werden. Um einen mOglichst reibungslosen Leistungserstellungsprozess zu gewahrleisten, mtissen gemeinsame Zeit- und Ablaufplane entwickelt werden. Zur Unterstiitzung der terminlichen Koordination von raumlich verteilten Kooperationspartnem kOnnen z. B. internetbasierte Terminvereinbarungsprogramme sinnvoll eingebunden werden. Inwieweit die Kooperation bzw. die Austauschbeziehungen unter den Kooperationspartnem durch schriftliche Projektvertrage rechtlich abgesichert werden sollten, hangt von unterschiedlichen Faktoren ab. Zu den wesentlichen Faktoren k5nnen u. a. die Kooperationsrichtung und die damit verbundenen Interdependenzen beim Leistungsaustausch, die Projektgr56e, d. h. die Anzahl der Projektpartner sowie die Gr56e des Auftragsvolumens und das Vertrauen unter den Projektpartnem, aber auch ihre individuellen Kooperationserfahmngen gezahlt werden. Aufgrund der vertikalen Kooperati-
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Zusammenfassung und Implikationen
onsrichtung und der haufig gepoolten und sequenziellen Interdependenzen bieten sich bei den virtuellen Untemehmen des Typs I („VirtueIler Generaluntemehmer") recht detaillierte schriftliche ZuliefervertrSge an. Dagegen eignen sich detaillierte Projektvertrage bei den Ubrigen drei Typen virtueller Untemehmen, die eine horizontale Kooperationsrichtung aufweisen, aufgrund der haufig komplexen, reziproken Interdependenzen und des dadurch hervorgerufenen hohen Aufwands bei der Vertragsgestaltung nur bedingt, Stattdessen kOnnen auf der Grundlage von Vertrauen relational Vertr^ge geschlossen werden, in denen nur die wichtigsten Vereinbarungen festgehalten und aus Kosten- und Flexibilitatsgriinden wissentHch FreirSume gelassen werden. Die relationalen VertrSge k5nnen durch mtindliche Vertr^ge in Form von mUndlichen Abstimmungen oder „Gentlemen's Agreement" ergSnzt werden. Auf schriftliche Projektvertrage sollte nach eingehender RisikoabwSgung nur dann verzichtet werden, wenn (1) ein hohes MaB an Vertrauen unter den Kooperationspartnem besteht, (2) sie motiviert sind, durch kooperatives Verhalten mittel- oder langfristig Vorteile realisieren zu wollen, (3) soziale Sanktionsmechanismen wirksame Instrumentarien gegen das Auftreten opportunistischen Verhaltens sind und (4) Klarheit Uber die Ziele und die projektbezogenen Ablaufe besteht. Dagegen sollte auf schriftliche ProjektvertrSge prinzipiell nicht verzichtet werden, wenn das Vertrauen unter den Kooperationspartnem noch nicht konsolidiert ist, mehr als vier Partner an der Leistungserstellung beteiligt sind, das Auftragsvolumen verhaitnismSBig groB ist und das gemeinsame Projekt einen iSngeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird oder wenn Internationale Partner miteinander kooperieren und durch den Vertragsverzicht steuerrechtliche Probleme hervorgerufen werden. Eine vertragliche Regelung erscheint unter diesen Bedingungen sinnvoll, um ein MindestmaB an Sicherheit bei der Projektdurchfuhrung zu gewShrleisten. Die Auswahl von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Untersttitzung der Kommunikation und der Koordinationsprozesse sollte sich an den spezifischen Gegebenheiten und Anforderungen des virtuellen Untemehmens orientieren. Das Ziel besteht darin, einen optimalen Fit zwischen den Projektanforderungen und den technischen Voraussetzungen sowie fachlichen Qualifikationen der Kooperationspartner im Umgang mit den Informations- und Kommunikationstechnologien zu erreichen. Hierbei darf jedoch nicht Ubersehen werden, dass das Vertrauen unter den Kooperationspartnem aufgmnd der eingeschrankten medialen Reichhaltigkeit technisch vermittelter Kommunikation eine wesentliche Voraussetzung fUr die effiziente Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien ist.
Ableitungen aus den Befunden fiir die Praxis
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Urn die strategischen Vorteile eines virtuellen Untemehmens zu f5rdem, soUten v. a. flexibel einsetzbare Informations- und Kommunikationstechnologien verwendet werden, die sich an die jeweiligen Projektanforderungen anpassen lassen und kompatibel zu unterschiedlichen Softwaresystemen sind. Hierzu bieten sich v. a. Softwareapplikationen an, die technisch offen und modular aufgebaut sind und einheitliche Protokolie zum Datenaustausch verwenden. Sie sollten zudem mCglichst preiswert in der Anschaffung und Implementierung und einfach in der Handhabung sein. Als MinimallOsungen bieten sich hierbei neben (Mobil-)Teiefon und Fax v. a. E-Mail, Online-Chats wie z. B. der Yahoo-Messenger, einfache intemetbasierte Projektdatenbanken wie z. B. Projekt-Webs und Online-Terminkalender an. Erst ab einer bestimmten Gr5Be des latenten Netzwerks und der Ausbildung organisatorischer Routinen im Laufe der Durchftihrung unterschiedlicher Projekte sollten aufwandigere GroupwareApplikationen wie z. B. Microsoft Project oder Lotus Notes oder eigens entwickelte IT-Kooperationsplattformen implementiert werden. Zu Beginn der Durchftlhrungsphase sollte ein „Kick-off-Meeting" stattfmden, an dem nach M5glichkeit alle Kooperationspartner teilnehmen sollten. Hierbei ist es wichtig, dass der Projektmanager das Projekt aktiv betreut, noch offen gebliebene Fragen hinsichtlich der Projektumsetzung mit den Kooperationspartnem klSrt und sie zu vertrauensvollem Umgang miteinander auffordert, um eine tragfUhige Vertrauensbasis zu initiieren. In regelmSBigen AbstSnden bzw. je nach Bedarf sollten Projekttreffen durchgefUhrt werden, in denen aufgetretene Fragen und Probleme gemeinsam besprochen und geklart werden. Die aus dem Projektziel abgeleiteten Teilziele mOssen daraufhin ggf. konkretisiert oder an die sich geanderten Projektbedingungen angepasst werden. Auf Projekttreffen sollte deshalb nicht verzichtet werden, da eine gemeinsame Abstimmung die Gefahr des Auftretens von Missverstandnissen verringert, die M5glichkeit der aktiven Mitgestaltung, die Motivation und die Produktivitat der Partner erhOht und Selbstorganisationsprozesse erm5glicht. Eine Selbstorganisation oder Selbstkoordination der Kooperationspartner kann immer dann als ErgSnzung oder Alternative fiir eine Fremdorganisation in Betracht gezogen werden, wenn die Komplexitat eines Projekts das Koordinationsverm5gen einer steuemden Einheit ubersteigt. Dies ist haufig in horizontalen Kooperationen mit wechselseitigen Input-Output-Beziehungen festzustellen. Als wesentliche personale Voraussetzungen fiir eine effiziente Selbstorganisation kOnnen neben einer vergleichsweise uberschaubaren Anzahl an Kooperationspartnem v. a. ihre Kooperationserfahrungen sowie ihre Fach- und Sozialkompetenzen und ihre Motivation betrachtet
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Zusammenfassung und Implikationen
werden. Von Vorteil ist es, wenn das latente Netzwerk eher regional ausgerichtet ist, sodass die Kommunikation iiber modeme Informations- und Kommunikationstechnologien ggf. auch durch zusStzliche informelle Treffen ergSnzt werden kann. Eine tendenzielle HomogenitSt in Bezug auf die Untemehmenskulturen erscheint zwar vorteilhaft, jedoch ist es keine notwendige Voraussetzung. Dagegen ist anzunehmen, dass die Effizienz einer Selbstabstimmung mit steigender Anzahl abstimmungsberechtigter Kooperationspartner sinkt, da durch den h5heren Kommunikations- und Zeitaufwand vergleichsweise hohe Abstimmungskosten hervorgerufen werden, Projektmanager kSnnen Selbstorganisationsprozesse in virtuellen Untemehmen dadurch initiieren und untersttitzen, dass sie klare Rahmenbedingungen fiir den Projektablauf schaffen. Hierzu geh5ren neben der Definition eines klaren Projektziels bzw. widerspruchsfreier Teilzieie die Verteilung konkreter und realistischer Aufgaben, die Festlegung von Kooperationsregeln sowie eines Zeit- und Ablaufplans und die Vorgabe klarer Kommunikationswege. Die Grenzen einer Selbstorganisation liegen dort, wo die Kooperationspartner keinen gemeinsamen Konsens finden und die Gefahr besteht, dass das Projektziel in dem vorgegebenen Zeitrahmen nicht erreicht wird. In dieser Situation sollte der Projektmanager eingreifen, um die notwendigen Entscheidungen zu forcieren und die HandlungsfMhigkeit des virtuellen Untemehmens zu gewahrleisten. Ist der Projektmanager insbesondere bei grOBeren koordinationsintensiven Projekten, wie sie hSufiger bei virtuellen Untemehmen des Typs III („Virtuelle Fabrik") durchgefiihrt werden, mit der BewSltigung der Koordinationsaufgaben entweder fachlich oder kapazitatsbedingt Uberfordert, empfiehlt es sich, einzelne Koordinationsaufgaben auf Kooperationspartner zu Ubertragen. Eine weitere Rollendifferenzierung und/oder die Einbeziehung einer zentralen UnterstUtzungseinheit kOnnen unter diesen Voraussetzungen vorteilhaft sein, Bevor sich das virtuelle Untemehmen nach erfolgreicher Projektdurchfiihmng in das latente Netzwerk aufl5st, sollten sich noch einmal alle Kooperationspartner zu einem Projektabschlusstreffen versammeln, um einen Erfahmngsaustausch vorzunehmen und in einem gesellschaftlichen Teil weitere Gmndlagen fiir zukiinftige Projekte zu schaffen.
Implikationen fur die Wissenschaft
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6.3 Implikationen flir die Wissenschaft Wahrend in den meisten der bisher durchgeftihrten Forschungsarbeiten aufgrund der noch recht geringen Zahl virtueller Untemehmen das Problem in der Suche und Auswahl geeigneter Untemehmensbeispiele bestand,'^"*^ konnten im Rahmen dieser Untersuchung auf der Grundlage einer umfangreichen Recherche und konkreter Auswahlkriterien Untemehmen gefunden werden, die dem Ideaitypus eines interorganisationalen virtuellen Untemehmens recht nahe kommen. Hierbei wurden virtuelle Untemehmen untersucht, die v. a. durch kleine und/oder mittelstandische Untemehmen gebildet wurden. Der aufgmnd des geringen Wissensstandes und der geringen Anzahl bislang bekannter Untemehmensbeispiele gewahlte qualitativ-explorative Forschungsansatz, bei dem Experteninterviews als zentrale Erhebungsmethode im Vordergmnd standen, zeichnete sich durch die gewiinschte Nahe zum Forschungsgegenstand aus und erlaubte einen differenzierten Einblick in die Wirtschaftspraxis und das bestehende Kausalgeflecht der untersuchten virtuellen Untemehmen. Ftir eine Fallstudienarbeit kann die Datenbasis der vorliegenden Untersuchung mit 19 Fallstudien als umfangreich und durch die leitfadengestUtzte Befragung von Experten sowie die BerUcksichtigung untemehmensbezogener Dokumente und einer teilnehmenden Beobachtung als detailliert bezeichnet werden. Der konzeptuelle Beitrag dieser Arbeit liegt zunachst einmal darin, das in der Literatur uneinheitlich dargestellte Konzept des virtuellen Untemehmens klarer herausgearbeitet und die Unterschiede zu den bestehenden Kooperationsformen verdeutlicht zu haben. Femer wurde eine Typologie von Koordinationsinstrumenten vorgestellt, mit der sich die unterschiedlichen Koordinationsinstmmente in virtuellen Untemehmen systematisch unterteilen lassen. Diese Typologie sowie die Ausfiihmngen zu den betrachteten Koordinationsinstmmenten unter BerUcksichtigung der einschlagigen Literatur leisten einen Beitrag fUr die noch in der Entwicklung befmdliche Koordinationstheorie. Auf der Gmndlage der 19 Fallbeispiele konnte die von Albers et al. (2003) vorgeschlagene Typologie virtueller Untemehmen erweitert werden. Diese Erweitemng erm5glicht neben der Identifikation der o. g. vier Typen virtueller Untemehmen die Integration des Konzepts der „ Virtuellen Fabrik" nach Schuh et al. (1998), das in der vorliegenden
'^"^^ Siehe z. B. Ringie et ai. (2005), S. 153; Garrecht (1998), S. 151.
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Zusammenfassung und Implikationen
Arbeit als ein eigenstandiger Typ eines virtuellen Untemehmens betrachtet wird. Dariiber hinaus bietet die Typologie zukOnftigen Untersuchungen die MOglichkeit, auf der Grundlage ihres Ordnungsrasters weitere Typen virtueller Untemehmen zu identifizieren. Der originSre Beitrag der vorliegenden empirischen Untersuchung fiir die Wissenschaft liegt neben der Darstellung zahlreicher, in der Literatur bislang eher unbekannter Beispiele virtueller Untemehmen insbesondere in den insgesamt 48 auf der Grundlage der Fallstudien aufgestellten und somit empirisch fundierten Hypothesen zur Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Untemehmen.*^^^ Sie liefem einen theoretischen Beitrag fiir die Forschung, indem sie empirisch begrUndete Hinweise auf mSgliche ZusammenhSnge z. B. zwischen Koordinationsinstmmenten und Kontextfaktoren bzw. Typen virtueller Untemehmen aufzeigen oder auf Interdependenzen zwischen unterschiedlichen Koordinationsinstmmenten hinweisen. Sie bieten damit eine gute Voraussetzung fUr weiterfilhrende quantitative Untersuchungen. Zudem erlauben die im Anhang der Arbeit befmdlichen vollstSndigen Interviewtranskripte nicht nur eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der abgeleiteten Hypothesen und gewonnenen Erkenntnisse, sondem erfiffnen auch die MSglichkeit einer SekundSranalyse. Mit dem hier verfolgten qualitativen Forschungsansatz konnte eine dichte und differenzierte Beschreibung der Verwendung von Koordinationsinstmmenten in virtuellen Untemehmen unter Bertlcksichtigung der Komplexitat des untersuchten PhSnomens vorgenommen werden. Hiermit kann der Gefahr des Ziehens voreiliger, nur schwach fundierter Schlilsse entgegengewirkt werden, da die Befunde aus den unterschiedlichen Fallstudien miteinander verglichen und vor dem Hintergmnd der jeweiligen netzwerkintemen und Kontextbedingungen betrachtet werden konnten. So konnte auf der Gmndlage der untersuchten Fallbeispiele z. B. verdeutlicht werden, dass die modemen, v. a. intemetbasierten Informations- und Kommunikationstechnologien nicht den hohen Stellenwert in virtuellen Untemehmen haben, wie in der Literatur haufig suggeriert wird. In diesem Zusammenhang ist anzunehmen, dass mit einer standardisierten quantitativen Untersuchung auf das interpersonale Vertrauen und die Vertrauenskultur in virtuellen Untemehmen nicht hinreichend eingegangen worden ware. Fraglich ist zudem, ob dabei das Vertrauen als wesentliche Gmndlage fiir die effiziente Verwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien identifiziert worden ware.
'^^^ Ein Uberblick befindet sich im Anhang dieser Arbeit.
Implikationen fUr die Wissenschaft
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Mit der vorliegenden Untersuchung sind wie bei jeder empirischen Untersuchung Einschrankungen verbunden. Mit der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit wurde der Schwerpunkt klar auf die Fragestellung gerichtet, welche Koordinationsinstrumente in virtuellen Untemehmen verwendet werden kOnnen und welcher Stellenwert ihnen bei der Koordination der arbeitsteiligen Leistungsersteilung zukommt. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden Untemehmensbeispiele herangezogen, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung erfolgreich am Markt agierten. Dadurch wurde der Themenkomplex des Kooperations- bzw. Netzwerkversagens weitestgehend nicht behandelt. Informationen und Erfahrungswerte aus erfolgiosen oder gescheiterten virtuellen Untemehmen konnten folglich nicht in die Analyse mit einbezogen werden. Ausgeblendet blieben damit auch mSgliche Exit-Strategien fiir erfolglose virtuelle Unternehmen. Dies k5nnen neben dem Scheitem und der Aufl5sung eines virtuellen Unternehmens resp. des latenten Netzwerks z. B. auch Weiterentwicklungen zu starker formalisierten Kooperationsformen oder die Bildung eines gemeinsamen Untemehmens sein. Auf eine Unterscheidung der in der Literatur haufig synonym verwendeten Begriffe „Koordinationsinstrument" und „Koordinationsmechanismus", wie von Wiesenthal (1999) vorgeschlagen,'^"*^ wurde aufgrund ihrer geringen Trennscharfe verzichtet. Im Mittelpunkt der Betrachtung lagen konkrete Koordinationsinstrumente. Mit dieser explorativen Arbeit kann jedoch nicht der Anspruch erhoben werden, alle theoretisch und praktisch mSglichen Koordinationsinstrumente berUcksichtigt zu haben. Um zu gewahrleisten, dass die wesentlichen Koordinationsinstrumente, die in virtuellen Untemehmen bei der arbeitsteiligen Leistungsersteilung verwendet werden, berUcksichtigt wurden, ist zum einen der empirischen Untersuchung eine umfassende Analyse der einschlagigen Literatur vorausgegangen. Zum anderen erlaubte die bei Experteninterviews postulierte teilstrukturierte Interviewfvihmng den Informanten, (eigeninitiativ oder durch eine Nachfrage aufgefordert) auf bislang unberiicksichtigt gebliebene Koordinationsinstmmentehinzuweisen. Die Expertenbefragung fokussierte nicht auf ein spezielles Projekt, das in den jeweiligen Untemehmensbeispielen durchgefiihrt wurde. Vielmehr sollte und konnte im Rahmen dieser explorativen Untersuchung in einer projektubergreifenden Betrachtung ein genauerer Uberblick uber die Koordination und die Verwendung von Koordina-
^'^^^ Vgl. Wiesenthal (1999), S. 17.
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Zusammenfassung und Implikationen
tionsinstrumenten gewonnen werden. Zwar schrankte die Abstrahierung von konkreten Projekten eine starker prozessorientierte Betrachtung ein, jedoch konnte damit eine breitere Grundlage fiir die Beantwortung der Forschungsfragen und die Ableitung von Hypothesen geschaffen werden. In den untersuchten virtuellen Untemehmen wurde jeweils die Schlusselperson befragt, die in der Lage und bereit war, Informationen zur Beantwortung der Forschungsfragen zu liefem. Dies waren zentrale Personen, die hSufig als Initiatoren des virtuellen Untemehmens die Rolle des Koordinators, Generaluntemehmers oder des Netzwerkmanagers wahrgenommen hatten. Eine Befragung mehrerer Experten in den Untemehmen ware unter methodologischen Gesichtpunkten zwar vorteilhaft gewesen, jedoch bestand die Schwierigkeit darin, weitere Informanten zu finden, die hinsichtlich der Koordination und der Verwendung von Koordinationsinstrumenten in ihren virtuellen Untemehmen Uber ein vergleichbar umfangreiches Wissen verfiigen wie die interviewte zentrale Person. Um die inteme Validitat der gewonnenen Daten zu erh5hen und die Gefahr eines Key-Informant-Bias einzuschranken, wurden wahrend der durchschnittlich 73-minUtigen Interviews Kontrollfragen gestellt, um die Stimmigkeit der Darstellungen zu iiberprtifen. Dariiber hinaus wurden untemehmensbezogene Dokumente berUcksichtigt und die jeweils aus den Interviewtranskripten erstellten Fallstudienreporte einer kommunikativen Validiemng unterzogen. Die Anzahl von 19 Fallbeispielen ist zwar fur Fallstudienarbeiten betrachtlich, jedoch lasst sie keine differenzierteren, beispielsweise branchenspezifischen Analysen zu. Auf eine statistische Analyse der 19 Fallstudien wurde verzichtet, da diese Fallzahl m. E. zu klein ist, um aussagekraftige und valide Ergebnisse liefem zu kSnnen. Ein zusatzliches Testen der in der vorliegenden Arbeit aufgestellten Hypothesen konnte aus forschungsOkonomischen Grtinden in dieser Untersuchung nicht geleistet werden, da dies eine weitere eigenstandige Forschungsarbeit darstellt. Trotz dieser Limitationen leistet die vorliegende explorative Arbeit mit ihren Ergebnissen und den konzeptuellen sowie originaren Beitragen insgesamt einen substantiellen Zugewinn fiir die Forschung. Die Analyse der effizienten Gestaltung von virtuellen Untemehmen bietet aus heutiger Sicht noch ein erhebliches Forschungspotenzial. Auch k5nnen die Befunde der vorliegenden Arbeit unter sich standig verandemden Umweltbedingungen nicht von endgUltigem Wert sein. Vielmehr sind weitere, nicht nur theoretische, sondem v. a. empirische Forschungsbemiihungen in unterschiedlichen Fachrichtungen und Wissenschafts-
Implikationen fur die Wissenschaft
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disziplinen notwendig, um die wissenschaftliche Basis zu erweitem und ggf. anzupassen. Allgemein ist eine weitergehende und v. a. einheitliche Konzeptualisierung des hier betrachteten Kooperationskonzepts wunschenswert, damit die Ergebnisse und der Erkenntnisgewinn zukunftiger Forschungsarbeiten zu diesem Konzept besser verglichen und einander nSher gebracht werden k5nnen. Eine geeignete Grundlage hierfiir bilden u. a. die in der vorliegenden Arbeit herausgearbeiteten konzeptuelien BeitrSge. Hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Unternehmen bietet sich fUr die Organisationsforschung und die managementorientierte Betriebswirtschaftslehre als nSchster Schritt insbesondere eine quantitative Uberprtifung der in dieser Arbeit abgeleiteten Hypothesen an. Dies durfte bereits in den nSchsten Jahren m^giich und notwendig sein, weil damit zu rechnen ist, dass die Anzahl virtueller Untemehmen aufgrund der wirtschaftiichen Potenziale dieses Kooperationskonzepts weiter steigt und eine ausreichend groBe Fallzahl erreicht werden kann. Hierbei besteht zudem die MOglichkeit, den Erhebungsbereich vom deutschspraciiigen Raum z. B. auf das Gebiet der Europaischen Union auszudehnen und starker auf potenzielle branchenspezifische Unterschiede Bezug zu nehmen. Femer ist anzunehmen, dass im Zeitablauf VerSnderungen hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstrumenten festgestellt werden kOnnen. Diese k5nnen z. B. extern durch die sich standig wandelnden Kontextbedingungen sowie durch die immer schneller werdenden Entwickiungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien oder intern durch zunehmende Erfahrungen der Kooperationspartner und Reifeprozesse innerhalb des latenten Netzwerks hervorgerufen werden. Um die Veranderungen hinsichtlich der Verwendung von Koordinationsinstrumenten im Zeitablauf zu untersuchen, bQte sich eine Langsschnittstudie bzw. eine Paneluntersuchung an. In diesem Zusammenhang k5nnte zudem der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Verwendung von Koordinationsinstrumenten einer Pfadabhangigkeit unterliegt. Hierbei bestUnde auch die M5glichkeit, Untemehmensbeispiele im Rahmen einer Fallstudienarbeit zu untersuchen, die weniger oder nicht erfolgreich waren und sich daraufhin komplett aufgel5st haben. Von besonderem Interesse ware hierbei die Fragestellung, inwieweit eine moglicherweise unvorteilhafte Auswahl und Implementierung von Koordinationsinstrumenten zum Scheitem eines virtuellen Untemehmens gefUhrt hat.
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Zusammenfassung und Implikationen
Plausibel ist, dass fUr eine effiziente Koordination eines virtuellen Untemehmens solche Koordinationsinstrumente eingesetzt werden sollten, die m5glichst geringe Kosten verursachen. Letztlich muss also die Kombination mehrerer Koordinationsinstrumente effizient sein bzw. eine hohe Koordinationseffizienz aufweisen.^^"*^ Eine interessante Fragestellung, die in den Bereich des Controllings hineinreicht, richtet sich darauf, welche Kombination von Koordinationsinstrumenten unter bestimmten Bedingungen die hfichste Koordinationseffektivitat und -effizienz aufweist. Hierzu wUrde sich eine empirische Untersuchung u. a. auf transaktionskostentheoretischer Basis anbieten, die im Wesentlichen auf die mit der Verwendung der unterschiedlichen Koordinationsinstrumente hervorgerufenen Autonomie- und Abstimmungskosten abzielt. Eine solche Untersuchung dtirfte jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein, da anzunehmen ist, dass sich die Kostenarten auch mit groBem Aufwand nicht genau quantifizieren lassen. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere die intemetbasierten Informations- und Kommunikationstechnologien weiterentwickelt werden. In zuktinftigen Untersuchungen, die im Bereich der Wirtschaftsinformatik durchgefiihrt werden kCnnten, wSre es sinnvoU zu untersuchen, inwieweit durch die Weiterentwicklung und Verbesserung dieser Technologien die informationstechnologischen Koordinationsinstrumente bei der Koordination in virtuellen Untemehmen an Einfluss gewinnen und ob sich dadurch z. B. Verdrangungsmechanismen oder -effekte auf einzelne Koordinationsinstrumente Oder sogar auf die tibrigen Typen von Koordinationsinstrumenten ergeben. Denkbar ware z. B., dass auf der Grundlage von Vertrauensbeziehungen weiterentwickelte, v. a. einfache und kostengUnstige Standard-Projektmanagementsysteme technokratische Koordinationsinstrumente wie z. B. Plane oder Vertrage teilweise ersetzen k5nnen. In organisationspsychologischen Untersuchungen k5nnte zudem untersucht werden, ob und inwieweit ein Zusammenhang zwischen der Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien und dem Vertrauen unter BerUcksichtigung der geographischen Distanzen zwischen den Kooperationspartnem besteht. Auch in Bezug auf die in dieser Arbeit nur angedeuteten Beziehungen zwischen loser und fester Kopplung scheint noch erhebliches Forschungspotenzial zu liegen. Hierbei bieten sich insbesondere organisationssoziologische Untersuchungen an, mit denen der
^'^'^^ Vgl. Beck (1998), S. 108. Zum Begriff der Koordinationseffizienz siehe auch Frese (2000), S. 260 f
Implikationen fur die Wissenschaft
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Ansatz von Weick (1976) und Orton/Weick (1990) aufgegriffen und erweitert werden kann. Wie anhand der Fallbeispiele gezeigt werden konnte, stellt das Konzept des virtuellen Untemehmens insbesondere filr kleine und mittelstandische Untemehmen, die sich in volatilen Markten positioniert und auf ihre Kemkompetenzen spezialisiert haben, eine geeignete Kooperationsform dar, mit der sich ihre strategischen Wettbewerbspositionen verbessem lassen/^"*^ Vor einer voreiligen und wenig reflektierten Umsetzung dieses Konzepts in die Wirtschaftspraxis muss jedoch gewamt werden, da der Aufbau eines latenten Netzwerks zunSchst einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verursacht und das Management virtueiler Untemehmen bei weitem keine triviale Aufgabe darstellt. Erst wenn die in dieser Arbeit angefilhrten Voraussetzungen erfiillt sowie die Auswahl und Implementierung geeigneter Koordinationsinstrumente bei der Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung mit groBer Umsicht vorgenommen werden, lassen sich die mit dem Konzept des virtuellen Untemehmens in Verbindung gebrachten Vorteile realisieren.
^'^^'^ Siehe auch Ringle (2004), S. 349.
Anhang Anhang A:
Literatuiiibersicht zum Stand der Forschung
Anhang B:
Obersicht fiber den ErflUlungsgrad der Auswahlkriterien bei
Anhang C: Anhang D: D-1 D-2 D-3 D-4 D-5 D-6 D-7 D-8 D-9 D-10 D-11 D-12 D-13 D-14 D-15
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den untersuchten virtueUen Untemehmen
420
Interviewleitfaden
421
Fallstudien Fallstudie Virtual Fab (Fallstudie Nr. 1) 427 Fallstudie rrow^o//(Fallstudie Nr. 2) 431 Fallstudie Virtuelle Fabrikfur Offentlichkeitsarbeit(FdiWsXudiQ^^r, 3) 435 Fallstudie Gigaperls (Fallstudie Nr. 4) 439 Fallstudie Virtual Company (Fallstudie Nr. 6) 447 Fallstudie Softwarezentrum Boblingen/Sindelfingen (Fallstudie Nr. 7) 454 Fallstudie Creaprodi (Fallstudie Nr. 8) 460 Fallstudie 123plus (Fallstudie Nr. 9) 466 Fallstudie Ingenieurburo Zengerle & Partner (Fallstudie Nr. 10) 470 Fallstudie FunKey (Fallstudie Nr. 11) 473 Fallstudie VirtuellBau (Fallstudie Nr. 14) 478 Fallstudie Virtuelle Fabrik Baden- Wurttemberg (Fallstudie Nr. 16) 489 Fallstudie Redesign Deutschland {^d\\si\x(X\Q Nr. 17) 494 Fallstudie The Webworker Group (Fallstudie Nr. 18) 497 Fallstudie ConVerve (Fallstudie Nr. 19) 502
Anhang £: Oberblick fiber die aufgestellten Hypothesen
509
Anhang F: Interviewtransloipte
behn Autor erhflltlich
Anhang G: BeobachtungsprotokolL
beim Autor erhftltlich
Anhang H: Grundlagenkatalog der Virtual Company
beim Autor erhftltlich
Anhang I:
Auszug aus der Powerpoint-Prflsentation der VirtuellBau
Anhang J: Satzung des Softwarezentrums Bdhlingen/ Sindelflngen e. V.
beim Autor erhftltlich beim Autor erhftltlich
414
Anhang A
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420
Anhang B
Anhang B: t)bersicht fiber den ErfttUungsgrad der Auswahlkriterien bei den untersnchten virtuellen Unternehmen Tabelle 26: ErfUllungsgrad der Auswahlkriterien bei den untersuchten virtuellen Unternehmen Auswahlkriterien
Legende • Erftillungsgrad der Auswahlkriterien
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Virtual Fab Tronsoft Virtuelle Fabrik fiir Offentlichkeitsarbeit Gigaperls Virtual Company The Virtual Company (TVC) SoftwarezentrumBOblingen-Sindelfingen Creaprodi 123plus
10 Ingenieurburo Zengerle & Partner 11 FunKey 12 Virtuelle Fabrik Steko
3
13 Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland 14 VirtuellBau
15 Koncraft 16 Virtuelle Fabrik Baden-WUrttemberg 17 Redesign Deutschland 18 The Webworker Group (TWO) 19 Con Verve Quelle: Eigene Darstellung.
3
Interviewleitfaden
421
Anhang C: Interviewleitfaden Fragenkatalog fQr Expertengespriche zum Thema: Die Verwendung von Koordinationsinstrumenten in virtuellen Unternehmen (A) Allgemeine Fragen zum Interviewpartner 1. Position: Welche Position bekleiden Sie in Ihrem Unternehmen / in dem hier betrachteten Untemehmensnetzwerk? Welche Aufgaben haben Sie in diesem Untemehmensnetzwerk? 2. Definition: Was zeichnet Ihrer Meinung nach ein „virtuelies Unternehmen" aus? 3. Bisherige Erfahrungen: Welche Erfahrungen haben Sie bisher in einem virtuellen Unternehmen gemacht? 4. Entscheidungsgriinde: Aus welchen GrUnden haben Sie sich entschlossen, in einem virtuellen Unternehmen zu arbeiten? (B) Fragen zum virtuellen Untemehmensnetzwerk Bl) allgemeine Angaben 5. Grundungsjahr: Seit wann existiert dieses virtuelle Unternehmen? 6. Grundungsanlass: Von wem ging die GrUndungsinitiative aus? Wer gab die strategische Zielsetzung des virtuellen Untemehmens vor? Aus welchen GrUnden wurde das virtuelle Unternehmen gegrUndet? Erfolgte die Grtindung auf einer Ausgliederung aus einem gr(3Beren Unternehmen oder auf der Grundlage eines Zusammenschlusses mehrerer rechtlich unabhSngiger Unternehmen? 7. Rechtsform: Hat das virtuelle Unternehmen eine Rechtsform? Wenn ja, welche? 8. Branche: Zu welcher Branche kann das virtuelle Unternehmen gezahlt werden? 9. Produkte/Dienstleistungen: Welche Produkte/Dienstleistungen werden durch das virtuelle Unternehmen erbracht? \O.Kunden: Auf welche Kundenklientel/Zielgruppe ist das virtuelle Unternehmen ausgerichtet? B2) Fragen zu den Kooperationspartnem W.Anzahl der Kooperationspartner: Wie viele Untemehmen/selbst^ndige Partner sind an einem Projekt im Rahmen des virtuellen Untemehmens beteiligt? Variiert die Anzahl der Partner im Laufe des Projekts? Gibt es „standige Partner", mit denen im Laufe der Zeit mehrere Projekte im Rahmen eines virtuellen Untemehmens durchgeftihrt werden? Wo liegt die „optimale" Anzahl von Kooperationspartnem in einem virtuellen Untemehmen?
422
Anhang C M.Branchenzugehorigkeit der Kooperationspartner. Kommen die Kooperationspartner aus einer Branche oder aus unterschiedlichen Branchen? \3.Kernkompetenzen: Was flir Kemkompetenzen haben die Kooperationspartner? Existieren Redundanzen in Bezug auf die Kemkompetenzen oder weisen alle Kooperationspartner unterschiedliche Kemkompetenzen auf? XA.Raumliche Entfernung der Kooperationspartner: Wie weit sind die Kooperationspartner geographisch voneinander entfemt (in km)? Kommen die Kooperationspartner aus derselben Region? Sind Kooperationspartner aus dem Ausland an einem virtuellen Untemehmen beteiligt? \5.Partnersuche: Wie haben sich die Kooperationspartner des virtuellen Unternehmens kennen gelemt? Haben sie sich z. B. Uber Kooperationsb5rsen im Intemet gefunden? Wie schatzen Sie die MOglichkeit ein, Kooperationspartner Uber das Internet zu finden? a. falls liber das Internet: Wie kann festgestellt werden, dass die potenzielien Kooperationspartner Uber die gesuchten Kemkompetenzen verfUgen? Gibt es festgelegte Kriterien ftir die Auswahl von Kooperationspartnem? Wie wird die VertrauenswUrdigkeit eines potenziellen Kooperationspartners festgestellt? b. falls liber Beziehungsnetzwerke: Baut das virtuelle Untemehmen auf einem bereits bestehenden Pool von Netzvs^erkpartnem auf? 16, Soziale Beziehungen: Welche Rolle spielen soziale Beziehungen oder bereits bestehende Kontakte zu Untemehmen bei der Suche nach den geeigneten Kooperationspartnem? 17. latentes Netzwerk: Existiert ein im Hintergrund liegendes Netzwerk aus Kooperationspartnem, aus dem sich geeignete Kooperationspartner je nach Bedarf zu einem virtuellen Untemehmen zusammensetzen?
B3) Fragen zu der wirtschaftlichen Lage des virtuellen Untemehmens \%,Gesellschafter: Falls das virtuelle Untemehmen als eine GmbH organisiert ist: Wie viele Gesellschafter sind beteiligt? 19. Umsatzentwicklung: Wie haben sich die Umsatze seit der Griindung des virtuellen Untemehmens entwickelt? 20. Anteil am Gesamtumsatz: Wenn Sie vom Gesamtumsatz Ihres Untemehmens im vergangenen Geschaftsjahr ausgehen: Wie hoch ist der Umsatzanteil, den Sie tiber die Beteiligung am virtuellen Untemehmen erwirtschaftet haben?
Interviewleitfaden
423
( Q Fragen zar Koordination in yirtueUen Untemehmensiietzwerkeii und der Verwendimg von Koordinationsinstrumenten ll.Einstiegsfrage: Wie wird die Leistungserstellung in virtuellen Untemehmen koordiniert? 1st eine Koordination in einem virtuellen Untemehmen Uberhaupt notwendig? 22. Koordinationsaufgaben: Welche Koordinationsaufgaben mUssen in Ihrem virtuellen Untemehmen wahrgenommen werden? CD personenorientierte Koordinationsinstmmente 23.Koordinator: Gibt es eine Person, die fiir den Ablauf und die Koordination im virtuellen Untemehmen zustSndig ist? (z. B. einen Koordinator, einen Broker etc.) a. Wenn ja, wie wurde die Person zum Koordinator? b. Welche Rolle spielt dabei der Initiator des virtuellen Untemehmens? Ubemimmt er automatisch die Aufgabe der Steuemng bzw. der Koordination des virtuellen Untemehmens? c. Findet w^hrend des Ablaufs eines virtuellen Untemehmens ein Wechsel des Koordinators statt? d. falls brokergesteuert: Ist der Broker ein eigens fiir die Koordination eingestellter Unabhangiger oder ist er Partner des latenten Netzwerks? Wenn j a, wie wird er ausgewahlt? 24. Fuhrungsstih Wie lasst sich der Fuhmngsstil des Koordinators/Brokers charakterisieren? (hierarchisch-autoritativ oder z. B. partizipativ-kollegial) Ist der Koordinator gegentiber den Kooperationspartnem weisungsbefugt? 25. Zentralisierung: Gibt es Bereiche oder Aufgaben in einem virtuellen Unternehmen, die aus wirtschaftlichen oder strategischen Griinden von einem Partner wahrgenommen werden mUssen? (z. B. Datenverwaltung, IT) Kann auf eine Zentralisierung der Aufgabenwahmehmung verzichtet werden? 26.Aufgabenverteilung: Wie erfolgt die Aufgabenverteilung innerhalb eines virtuellen Untemehmens? 27. Kommunikation: Wie erfolgt die Kommunikation unter den Kooperationspartnem? Werden im Rahmen eines virtuellen Untemehmens Projektbesprechungen durchgefiihrt? Welchen Stellenwert nimmt die direkte Kommunikation (von Angesicht zu Angesicht) ein? In welchem Verhaitnis steht technologisch vermittelte Kommunikation zu direkter, persOnlich vermittelter Kommunikation? 2%.Selbstabstimmung'. Inwieweit kOnnen sich die Kooperationspartner bei der Leistungserstellung untereinander abstimmen? Ist eine gegenseitige Abstimmung erwtinscht? Welchen Stellenwert messen Sie der Selbstabstimmung unter den Kooperationspartnem bei der Koordination bei?
424
Anhang C
29. Rollen: In der Literatur werden zahlreiche Rollen wie z. B. Promotoren, Netzwerkmanager oder Broker in Untemehmensnetzwerken diskutiert. Existieren in Ihrem virtuellen Untemehmen auch Rollen unter den Kooperationspartnem? Eignen sich manche Kooperationspartner bei der Erledigung spezieller Aufgaben besonders und nehmen diese Kooperationspartner dann diese Aufgaben im Laufe unterschiedlicher Projekte wiederholt wahr? 30. Vertrauen: Welchen Stellenwert nimmt Ihrer Auffassung nach das Vertrauen unter den Kooperationspartnem ein? Welchen Stellenwert hat Vertrauen bei der Koordination der Leistungserstellung? Wie kann Uberhaupt Vertrauen zwischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens aufgebaut werden? Bestehen unter den Kooperationspartnem bereits zu Beginn eines virtuellen Untemehmens Vertrauensbeziehungen? ?)\.Unternehmenskultur: Unterscheiden sich die Partneruntemehmen hinsichtlich ihrer Untemehmenskulturen? Wenn ja, haben die unterschiedlichen Untemehmenskulturen einen Einfluss auf die Koordination in einem virtuellen Unternehmen? Wird durch die Angleichung der Untemehmenskulturen die Koordination erleichtert? Gibt es so etwas wie eine gemeinsame Untemehmenskultur innerhalb Ihres virtuellen Untemehmens? Werden z. B. neue Kooperationspartner auf bestehende Umgangsformen oder Regeln hingewiesen? 32. Job Rotation: (Vorausgesetzt es beteiligen sich an dem virtuellen Untemehmen nicht nur Freelancer, sondem auch kleine und mittelstSndische Untemehmen) Erfolgt unter den Kooperationspartnem ein Mitarbeiteraustausch? (z. B. um einen Know-how-Austausch zu fOrdem) C2) stmkturelle Koordinationsinstrumente 33. Hierarchie: Beteiligen sich die Kooperationspartner gleichberechtigt am virtuellen Untemehmen, d. h. haben alle Kooperationspartner den gleichen Einfluss auf die Gestaltung des virtuellen Untemehmens oder gibt es Personen oder Untemehmen, die mehr Entscheidungsbefugnisse im Rahmen des virtuellen Untemehmens haben? 34. Kernunternehmen: Gibt es ein Kemuntemehmen, das fUr zentrale Koordinationsaufgaben zustSndig ist? 35.zentrale Unterstiitzungseinheit: Wird die Koordination der Leistungserstellung im virtuellen Untemehmen durch eine zentrale Unterstiitzungseinheit, die z. B. aus extemen Fachkraften besteht, untersttitzt? 36. Steuerkreis: Werden Gremien zur strategischen Entwicklung des Kooperationsnetzwerks gebildet? Wer entscheidet z. B. Uber die Aufnahme eines potenziellen Kooperationspartners in das virtuelle Untemehmen? C3) technokratische Koordinationsinstmmente 37. Ziele: Wer legt die Ziele des virtuellen Untemehmens fest? Werden die Ziele bereits zu Beginn der Kooperation festgelegt?
Interviewleitfaden
425
3^.Programme: Existieren langerfristige Programme, die als Grundlage fiir die unterschiedlichen, auf der Basis des latenten Netzwerks gebildeten virtueilen Untemehmen dienen? 39. Pldne: Inwieweit werden Plane zur Aufgabenbewaltigung in einem virtueilen Untemehmen eingesetzt? 1st eine Planung der AblSufe bei der Leistungserstellung im Rahmen eines virtueilen Untemehmens Uberhaupt mOglich? (M5glicherweise ist eine Planung aufgrund der hohen Komplexitat der Projekte nur sehr eingeschrankt realisierbar.) 40. Vertrdge: Werden (Projekt-)Vertrage unter den Kooperationspartnem eines virtueilen Unternehmens geschlossen? Wenn ja: Wie umfangreich fallen diese Vertrage aus? Existieren z. B. Rahmenkooperationsvertrage, die die grundlegenden wirtschaftlichen Beziehungen unter den Kooperationspartnem regeln? 4\.Regeln: Existieren Kooperationsregeln in ihrem virtueilen Untemehmen? (z. B. in Hinblick auf den Informationsaustausch, Prioritatsregeln oder in Bezug auf die Abwicklung von Aufgaben, z. B. „first come - first serve") Wenn ja: sind die Regeln schriftlich niedergelegt oder werden sie nur miindlich uberliefert? Welchen Stellenwert haben schriftliche/ungeschriebene Regeln? 42. Preise: Wie erfolgt die fmanzielle Abrechung unter den beteiligten Kooperationspartnem? Werden hierbei feste oder variable Verrechnungspreise verwendet? Existiert eine gemeinsame Kostenrechnung oder erfolgt eine getrennte Kostenrechnung in den jeweiligen Partnemntemehmen? C4) informationstechnologische Koordinationsinstmmente 43.Kommunikation\ Welche Kommunikationsmedien werden im Rahmen Ihres virtueilen Untemehmens verwendet? (Telefon, Fax, E-Mail, Video-ZTelefonKonferenzen, Groupware, Workflow-Management-Systeme, computemntersttitzte Organisationstools etc.) Welchen Stellenwert haben die Informationsund Kommunikationstechnologien im Hinblick auf die Koordination? Kann auf der Gmndlage modemer Informations- und Kommunikationstechnologien auf eine direkte Kommunikation (face-to-face) verzichtet werden? 44. Standards: Existieren Standards in Bezug auf die Kommunikationsmedien (bzw. den Einsatz spezieller Software)? Abschliefiende Fragen 45.Phasenabhangigkeit'. Werden die bisher erwahnten Koordinationsinstmmente durchgehend im Laufe eines Projekts verwendet oder werden einzelne Koordinationsinstmmente phasenspezifisch verwendet? (1. Anbahnungsphase, 2. Vereinbamngsphase, 3. Durchfiihrungsphase, 4. AuflOsungsphase) 46. Chancen und Risiken: Was sind die Hauptchancen eines virtueilen Untemehmens ? Welche Hauptrisiken stehen dem gegenUber? (Was sind die fSrdemden bzw. die hemmenden Faktoren far ein virtuelles Untemehmen?)
426
Anhang C 47. Konflikte: Welche MaBnahmen werden getroffen, um eventuelle Konflikte in Rahmen eines virtuellen Untemehmens zu regeln? (Herausbildung von Rollen) 4S.Aufldsung: Was geschieht, wenn das virtuelle Untemehmen den Kundenwunsch erbracht hat und das Projekt abgeschlossen wird? Wird das virtuelle Untemehmens daraufhin aufgel5st? Verlieren sich die Kooperationspartner nach Abschluss eines Projekts aus den Augen oder bleiben die Kooperationspartner in einem losen Kontakt, sodass sie sich bei einem weiteren Projekt emeut zu einem virtuellen Untemehmen zusammenschlieBen kOnnen?
Fallstudien
427
AnhangD: Failstudien D-1: Fallstudie Virtual Fab (Fallstudie Nr. 1) Die Virtual Fab in Jena lehnt an das von Prof. Schuh entwickelte Model! der virtuellen Fabrik an. Es ist ein Zusammenschiuss rechtlich unabhangiger Untemehmen mit heterogenen Kemkompetenzen zu einem stabilen Netzwerk, aus dem - je nach Projekt - temporare virtuelle Fabriken gebildet werden kOnnen. Innerhalb einer virtuellen Fabrik sind die Kooperationspartner durch das synergetische Vernetzen ihrer Kemkompetenzen in der Lage, zeitlich befristete AuftrSge effizient auszuflihren. Dabei tritt die virtuelle Fabrik gegeniiber dem Kunden wie ein Untemehmen auf und I5st sich nach Beendigung eines Projekts in das stabile Netzwerk der Virtual Fab auf.^^"*^ Der Interviewpartner hat zusammen mit einem Kompagnon die Virtual Fab im September 2001 in Jena als GmbH gegrtindet.*^"^^ Die Virtual Fab stellt ein stabiles - wenn auch noch im Aufbau befmdliches - Netzwerk aus 60 regional ansSssigen Untemehmen dar. Diese stammen insbesondere aus der Optik- und Feinwerkbranche, aber auch Branchen, wie die Informations- und Kommunikationsbranche, Elektro- und Elektrotechnikbranche und Maschinenbau.'^^^ Die guten Bedingungen zur Griindung eines Untemehmensnetzwerks sind vor allem auf den Wirtschaftsstandort der Region Jena zurtickzuftihren, der fiir seine lange Tradition in der optischen Industrie durch die Karl Zeiss-Werke international bekannt ist. So konnten beispielsweise geeignete Kooperationspartner aus den ansSssigen kleinen und mittelstandischen Zulieferbetrieben, aber auch intemationalen GroBuntemehmen wie z. B. Schott oder Jenoptical gefunden werden, zwischen denen schon vor der GrUndung der Virtual Fab wirtschaftliche Beziehungen bestanden.'^^' Das Ziel der Virtual Fab besteht darin, das latente Netzwerk auf eine Gr5Be von bis zu 80 Untemehmen zu erweitem, Dabei soUen nach Angaben des Interviewpartners im Hinblick auf die sehr heterogenen Kemkompetenzen Redundanzen aufgebaut werden,
Vgl. [Nr.l: 5-33]. Anmerkung: Die Angaben in den eckigen Klammem beziehen sich auf die hier nicht abgedruckten Interviewtranskripte. Durch die genaue Angabe der jeweiligen Fundstelle (Interviewtranskript-Nummer und Zeilenangabe) ist eine intersubjektive Nachprtlfbarkeit mOglich. Die Interviewtranskripte sind beim Autor in elektronischer Form erhaltiich. Anfragen kOnnen per E-Mail an [email protected] erfolgen. '^"^^ Vgl. [Nr.l: 1-4,77-79]. *^^%gl. [Nr.l: 115-121]. '^^' Vgl. [Nr.l: 33-46, 84-86,101-102].
428
Anhang D
urn ausreichende KapazitSten fur die Projekte in den virtuellen Fabriken vorhalten zu kOnnen. Urn den Koordinationsaufwand in den einzelnen temporaren virtuellen Fabriken uberschaubar zu halten, beteiligen sich an einem Projekt nicht mehr als 6 bis 10 Kooperationspartner.'^" Zur Zielgruppe der Virtual Fab gehOren vor allem Institutionen oder GroBuntemehmen, die bestimmte Entwicklungs- oder Produktionsleistungen einkaufen.*^" Der Interviewpartner betont die Notwendigkeit der Koordination in den Projekten der virtuellen Fabriken. Die Koordination erfolgt sowohl durch die beiden Grlinder als auch in Teilbereichen durch die Angestellten der Virtual Fab, die als „Kemteam" bezeichnet werden.'^^"^ Steht ein Projekt bevor, werden die dazu benOtigten Kemkompetenztrager aus dem stabilen Netzwerk ausgewahlt, die Aufgabenstellungen in Teilaufgaben untergliedert und auf die jeweiligen Kooperationspartner verteilt. Innerhalb des hier untersuchten virtuellen Untemehmens kann aufgrund dieser Entscheidungsbefugnisse eine - wenn auch nur schwach ausgeprSgte - hierarchische Struktur wahrgenommen werden.'^^^ Unter den Projektpartnem der jeweiligen virtuellen Fabriken werden schriftliche Kooperationsvertrage geschlossen, in denen die Einzelleistungen sowie deren Kosten aufgelistet werden und in denen die Aufteilung der Gewinne aus dem Gemeinschaftsprojekt geregelt ist. Dem Kunden wird auf dieser Grundlage ein Endpreis fiir seinen Projektauftrag genannt. Nach Ansicht des Interviewpartners besteht jedoch in Bezug auf die Frage der Ausgestaltung von KooperationsvertrSgen noch erheblicher juristischer Handlungsbedarf, um z. B. auch Internationale Bestimmungen berucksichtigen zu kSnnen.*^^^ Werden in herkommlichen grSBeren Untemehmen personalpolitische Instrumente wie Job rotation" eingesetzt, wird davon in der Virtual Fab vor dem Hintergrund des Kemkompetenzschutzes und der Gefahr eines unkontrollierten Wissensabflusses abgesehen.^^" Der Interviewpartner macht darauf aufmerksam, dass es insbesondere zu Beginn notwendig sei, das Projekt aktiv zu betreuen, und es hilfreich sei, gewisse Leitlinien
*^^^Vgl. [Nr.l: 100-114]. '^^^Vgl.[Nr. 1:87-94]. '^^"^ Vgl. [Nr.l: 80-84,292-294]. '^^Wgl.[Nr. 1:250-256]. '^^Wgl. [Nr.l: 292-329], '^" Vgl. [Nr.l: 231-238].
Fallstudien
429
bzw. Rahmenbedingungen^^^^ vorzugeben, urn die Projektarbeit unter den beteiligten Kooperationspartnem zu initiieren. 1st ein Projekt durch die unterstutzenden Leistungen des Kemteams der Virtual Fab erfolgreich angelaufen, zieht es sich nach und nach aus der Projektkoordination zurilck. Dies geschieht einerseits, urn den Koordinationsaufwand zu reduzieren bzw. zu delegieren und damit den nur gering ausgeprSgten organisatorischen Uberbau so effizient wie mSglich zu gestalten/^^^ und andererseits, um die Potenziale eines Selbstorganisationsprozesses unter den Kooperationspartnem nutzen zu kSnnen. Hierzu sei es wichtig, dass die Partneruntemehmen (iber ein fundiertes Fachwissen verfiigen, auf ein gemeinsames (Projekt-)Ziel hinarbeiten^^^^ sowie engagiert und kooperationsbereit sind.^^^' Der Interviewpartner ist der Auffassung, dass die wesentiichen Koordinationsaufgaben zentrai gefiihrt werden miissen, damit ein Projekt effizient abgewickelt werden kann.'^" Fur einen reibungsiosen Ablauf sei es jedoch wichtig, dass ein UnabhSngiger das Fortkommen des Projekts begleitet. Diese Rolie wird von einem Netzwerkmanager (ibemommen: ,,Diese Funktionen miissen in einem solchen System vorhanden sein. Netzwerkmanager braucht man aufjeden Fall!"' [225-226].^^^^ Die Rolie des Netzwerkmanagers ist auch deshalb wichtig, um mGglicherweise auftretende Konflikte unter den Kooperationspartnem zu schlichten. Eine weitere personale Koordination durch z. B. Gremien oder Arbeitsgmppen ist dagegen nicht erforderlich.*^^ Aus rechtlichen GrUnden (z. B. der Projekthaftung) tritt jedoch nicht das Kemteam der Virtual Fab ais Ansprechpartner dem Kunden gegeniiber, sondem der Kooperationspartner aus der jeweiligen virtuellen Fabrik, der die Verantwortung tr^gt und letztiich das Produkt dem Kunden Ubergibt.^^^^ Um den Zusammenhalt der Partner zu stabilisieren und neben dem gemeinsamen Geschaftsverstandnis eine weitere Kooperationsgmndlage zu schaffen, wird beabsichtigt, im Laufe der Projekte eine gemeinsame Untemehmens- bzw. Vertrauenskultur
*^^^Vgl. [Nr.l 257-261]. '^^^Vgl. [Nr.l 261-269]. '^^%gl. [Nr.l 408-411]. ^''^^ Vgl. [Nr.l148-161]. ^^"Vgl. [Nr.l 222-230]. *^" Vgl. [Nr.l 400-403]. *'^' Vgl. [Nr.l 238-241]. '^^^ Vgl. [Nr.l 192-199].
430
Anhang D
aufzubauen.'^^^ Eine gute Ausgangslage ist nach Ansicht des Interviewpartners darin zu sehen, dass die Auswahl der Partner auf der Grundlage eines Selektionsprozesses erfolgt, sodass in Bezug auf die Untemehmenskulturen eine ,,relativ homogene Struktur'' [275] besteht. Hingegen wird die Einbindung von GroBuntemehmen aufgrund der diesbeztiglich z. T. deutlichen Unterschiede als schwierig betrachtet.^^^^ Der Aufbau der gemeinsamen Vertrauenskultur wird wesentlich durch ein Wertesystem von Verhaltens- bzw. Kooperationsregeln untersttitzt, das als ErgSnzung der schriftlichen VertrSge betrachtet wird und die Aufgabe hat, Systemkomplexitat zu reduzieren, Streitigkeiten vorzubeugen und zur Systemerhaltung beizutragen.'^^^ Nach Ansicht des Interviewpartners ist es sehr wichtig, die psychologischen Faktoren in einem solchen virtuellen Kooperationsverbund zu berticksichtigen und die Bedingungen fiir ein gemeinsames Geschaftsverstandnis (z. B. den Bekanntheitsgrad unter den Partnem) zu fSrdem:'^^^ ,,Letztendlich sind es Menschen, die dort interagieren, und da kann man nicht einfach nur die sachliche Ebene miteinbeziehen, sondern man muss auch die psychologische Komponente berticksichtigen,'' [341-343]. Zahlreiche Kommunikationsmedien werden bei der Virtual Fab zur Koordination der Projektarbeit verwendet. Insbesondere in der Anbahnungsphase eines Projekts ist es unverzichtbar, persOnliche GesprSche (face-to-face) mit den Kooperationspartnem zu fUhren, was unter den Bedingungen der regionalen Ausrichtung der Virtual Fab keine nennenswerten Kosten verursacht. Pers5nliche Gesprache haben neben dem Kontaktaufbau unter den Kooperationspartnem vor allem das Ziel, gegenseitiges Vertrauen, das nach Auffassung des Interviewpartners eine wesentliche Kooperationsgrundlage darstellt, auf- bzw. weiter auszubauen. Vertrauen ermOgliche, das Risiko des Scheitems eines Netzwerkprojekts zu minimieren und der Gefahr opportunistischen Verhaltens entgegenzuwirken.^^^^ In der Projektumsetzungsphase wird die persOnliche Kommunikation durch modeme Informations- und Kommunikationsmedien wie z. B. eine selbst entwickelte Softwareplattform bzw. Groupware und E-Mail sowie wesentlich durch Telefon und Fax erganzt.^^^^ In der Projektabschluss- und AuflSsungsphase
'^^Wgl. [Nr.l: 177-191]. '^^'^Vgl.[Nr.l: 270-291]. '^^^Vgl.[Nr. 1:393-428]. ^^^^ Vgl. [Nr.l: 163-176, 330-348]. '^^^ Vgl. [Nr.l: 207-222,247-249]. ^^^* Vgl. [Nr.l: 163-172,200-206].
Fallstudien
431
erfolge - ahnlich wie in der Anbahnungsphase - wiederum verstarkt eine persOnliche Kommunikation unter den Projektpartnem, um die Erfahrungen des abgeschlossenen Projekts aufzugreifen: ,,£5 ist im Nachhinein gam wichtig, doss man ein Feed-back gibt und dass sich die Partner nach Abschluss eines Projekts auch noch einmal personlich treffen."" [385-386]. Der Interviewpartner weist damit auf eine phasenspezifische Verwendung von Koordinationsinstrumenten zur Steuerung eines Projekts hin und ist der Auffassung, dass nur eine Kombination aus informationstechnologischen und persOnlichen Koordinationsmechanismen den komplexen ProjektablSufen gerecht werde/''' Die Vorteile eines virtuellen Untemehmens betrachtet der Interviewpartner vor allem in der Erzielung von Netzwerkeffekten. Dadurch sei es selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten m5glich, hochwertige Produkte sehr flexibel und kostengUnstig produzieren zu k5nnen und kurzere Time-to-market-Zeiten zu erreichen, die insbesondere in Branchen mit sehr schnellen Produktlebenszyklen ein Erfolgskriterium darstellen wurden.*^^^ Diesen Vorteilen sttinden jedoch auch die Risiken gegenUber, die sich aus der Angewiesenheit auf die technische Infrastruktur ergeben kOnnen (z. B. im Falle eines Ausfalls von Computersystemen), bei Nichteinhaltung von Lieferterminen oder bei ungeklarten rechtlichen Fragestellungen - insbesondere bei intemationalen Kooperationen.'^^'* D-2: Fallstudie Tronsoft (Fallstudie Nr. 2) Die Tronsoft GmbH wurde 1990 vom Interviewpartner in Greifswald gegrtindet und hat mehrjahrige Erfahrungen als Entwicklungsdienstleister mit der Realisierung von Hardware-, Software- und Intemetprojekten.*^^^ Das Untemehmen besteht aus dem Geschaftsftihrer und einem Mitarbeiter, der Minderheitsgesellschafter ist. Die Geschaftsidee der Tronsoft GmbH besteht darin, als Vermittler von Fachkraften Projekte zu steuem und Arbeitskraft zu verkaufen.'^^^ Tronsoft strukturiert Projektteams, die weltweit online arbeiten kOnnen. Dabei stehen die Telearbeit und die Netzwerktechnologie im Mittelpunkt. Tronsoft ahnelt damit z. B. der FreiberuflerbOrse '^^^Vgl.[Nr. 1:364-392]. '^^^ Vgl. [Nr.l: 66-72, 94-99, 349-363]. '^^'^Vgl.p^r.l: 393-398]. ^^^^ Vgl. www.tronsoft.de/about us.htm (Stand 09.06.02). Vgl. [Nr.2 : 42-45]. 1776
Vgl. [Nr.2: 40-42].
432
Anhang D
Gulp, die derzeit ca. 30.000 Profile von Fachkraften bzw. Freelancem umfasst. Im Gegensatz zu Gulp bietet Tronsoft eine Selbstbewertung an, in der jeder Freelancer seine Fahigkeiten anpreisen kann, die anschlieBend durch Tronsoft zertifiziert werden. In der Freelancer-Datenbank von Tronsoft befinden sich z. B. Telekommunikationsspezialisten aus Indien.'^^^ Tronsoft bietet so z. B. Dienstleistungen ftir Autohauser an, urn die Werbung zu optimieren und Kunden ftlr die Produkte der jeweiligen Firmen zu gewinnen.'^^* DarUber hinaus wurden auch schon grOBere Projekte mit Siemens und einzelnen Kliniken erft)lgreich durchgeftlhrt.*^^^ Potenzielle Kunden werden v. a. durch die umfangreiche Intemetprasenz von Tronsoft aufinerksam und nehmen danntiberdie Homepage z. B. via E-Mail Kontakt auf.'^^^ Unter den ca. zehn Kooperationspartnem, zu denen beispielsweise zwei Partner aus Indien gehSren,'^^' werden bei Beginn eines Projekts schriftliche Vertrage geschlossen.'^^^ Dadurch, dass die Projekte einen sehr ahnlichen Auft)au haben, kann immer wieder auf den Strukturen vorangegangener Projekte aufgebaut und Zeitvorteile erzielt werden. Die Vertragsgestaltung erft)lgt in zwei Schritten: zunachst wird ein Rahmenkooperationsvertrag geschlossen, der als Standardvertrag in alien Projekten innerhalb des hier dargestellten virtuellen Untemehmens mit geringem Aufwand erstellt und geschlossen wird. In einem Projekt- bzw. Teilleistungsvertrag werden dann projektspezifische Vereinbarungen schriftlich niedergelegt.'^^^ Bei gr^Beren Projekten werden zusatzlich Pflichtenhefte erstellt, damit die Zustandigkeiten und die von den Kooperationspartnem zu erbringenden Leistungen genau defmiert sind.^^^"* Zudem werden in jedem Projekt ein Projektmanager und ein Accountmanager gewahlt. Der Projektmanager ist zustandig ftir die Projektplanung und die Projektkoordination. Die Projektplanung erfolgt softwareunterstUtzt mit Microsoft Project, das als Standardsoftware eingesetzt wird. Mit Hilfe dieses Programms lasst sich z. B. die Personalauslastung der Kooperationspartner verwalten, die Kostenplanung erstellen
'^^^ Vgl. [Nr.2: 90-99]. ^^^* Vgl. [Nr.2: 63-65]. '^"^^ Vgl. [Nr.2: 32-34]. •^^° Vgl. [Nr.2: 55-72]. '^^' Vgl. [Nr.2: 15-16]. '^*^ Vgl. [Nr.2: 276-277]. *^*^ Vgl. [Nr.2: 67-69; 180-181; 286-290]. '^^"^ Vgl. [Nr.2: 295-301].
Fallstudien
433
und die Termine verwaltenJ^^^ Da die Dokumente von MS Project ohne Probleme von anderen MS-Office Programmen geOffnet werden kCnnen, besteht nicht die Notwendigkeit, dass jeder Kooperationspartner Uber eine Lizenz von MS Project verfUgen
Zur Koordination der Projekte kommen zusStzlich zu den elektronischen Medien wie Telefon, Fax, (Serien-)E-Mails*^*^ und Projektwebs^^*^ dazu. In diesen Projektwebs, die auf dem Server der Tronsoft GmbH gehostet werden, sind alle wesentlichen Informationen zu dem jeweiligen Projekt enthalten, sodass auf einen abschlieBenden Projektbericht
verzichtet
werden
kann.
Zudem
kann
die
gesamte
E-Mail-
Korrespondenz in MS Outlook nachvollzogen werden.*^^^ Die Pflege des Projektwebs obliegt dem Accountmanager. Dazu gehGrt die Aktualisierung der projektbezogenen Informationen und die Verteilung und Verwaltung von Zugriffsrechten auf dieses Projektweb. Damit im Falle einer Umbesetzung eines Account- bzw. Projektmanagers nicht das gesamte Projekt gefUhrdet wird, muss nach Auffassung des Interviewpartners auf eine Austauschbarkeit dieser Manager geachtet werden. *^^° Wahrend eines Projekts kann es vorkommen, dass einzeine Kooperationspartner zueinander im Wettbewerb stehen und eine preisliche Koordination erfolgt.^^^' Die Abrechnung der Leistungen der Kooperationspartner erfolgt Uber eine feste Preisvorgabe. Dabei werden die Vertrage so gestaltet, dass die Bezahlung der Leistungen umgehend erfolgt.'^^^ Bei kleineren und Uberschaubaren AuftrSgen bis ca. 100.000 Euro wUrde es nach Angaben des Interviewpartners Sinn machen, wenn ein Untemehmen, z. B. die Tronsoft GmbH, die Generaluntemehmerschaft von max. 10 Kooperationspartnem^^^^ Ubemimmt. Dies ist innerhalb der Kooperation jedoch nicht zwingend notwendig. Bei grSBeren Projekten empfiehlt es sich dagegen, die Verantwortung zu verteilen, d. h.
[Nr.2: 306-313]. [Nr.2: 314-324]. '787 Vgl [Nr.2: 132-133]. 1788 ^ g j [Nr.2: 231-234]. '789 v g , [Nr.2: 362-369]. '790 v g i [Nr.2: 231-255]. '791 v g , [Nr.2: 279-281].
[Nr.2: 198-203]. '''' Vgl, [Nr.2: 266-267].
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Anhang D
Hierarchien abzubauen.'^^"* So wSre es z. B. vorstellbar, bei einem Projekt mit mehr als fiinf Kooperationspartnem einen Freiberufler zu engagieren, der die Aufgaben des Projektmanagers oder Accountmanagers tlbemehmen wUrde.'^^^ Der Interviewpartner macht darauf aufmerksam, dass die Kommunikation mit einem Kunden sowohl Uber modeme Kommunikationsmedien erfolgen als auch direkt Uber Face-to-Face-Beziehungen: ,,Virtuell heifit also nicht, dass alles offshore funktionierf' (156). Hinzu kommt, dass insbesondere bei einer zumeist traditionell orientierten Kundenklientel die Bezeichnung „virtuelles Untemehmen" haufig Misstrauen erweckt.'^^^ Ebenso stehen die technischen Aspekte zu Beginn eines Projekts zunSchst im Hintergrund. Eine wichtige Voraussetzung, um die technischen M5glichkeiten effektiv nutzen zu kfinnen, ist die Festlegung von Kooperationsregeln und die Entwicklung eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses.'^^^ Eine Problematik, die sich insbesondere in Intemetprojekten mit neuen bzw. noch unbekannten Kooperationspartnem ergibt, ist die Frage nach der Seriositat und Zuverlassigkeit der Kooperationspartner. Der Aufbau eines persSnlichen Kontakts wird aus Grtinden der raumlichen Trennung (z. B. Deutschland - Indien) bzw. der anfallenden Reisekosten erschwert bzw. verhindert. Kulturelle Barrieren gilt es zu Uberwinden. Um die Potenziale und die Zuveriassigkeit neuer Kooperationspartner zu testen, werden Probeprojekte durchgefiihrt. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen einzelner Probeprojekte ist der Interviewpartner der Auffassung, dass ein Intemetprojekt mit neuen Kooperationspartnem nur dann Erfolg haben kann, wenn zunachst einmal ein Probeprojekt durchgefiihrt wird. Bei der Durchfiihmng von Gemeinschaftsprojekten ist u. a. jedoch zu berticksichtigen, dass allzu optimistische Zeitpiane in den seltensten Fallen eingehalten werden k5nnen.'^^* Dadurch, dass die Kooperationspartner ein Teil ihres Wissens preisgeben mUssen, gilt es der Problematik nachzugehen, wie sich ihr Wissen und damit ihre Kompetenzen vor Imitation sichem lassen. '^^^ Die Tronsoft befmdet sich in einer Phase des Wandels und der Umstmkturiemng. Angestrebt wird die GrUndung eines Joint Venture, in dem die einzelnen Untemehmen
*^^^ Vgl. [Nr.2: 160-173]. '^^^ Vgl. [Nr.2: 269-272]. '^^^ Vgl. [Nr.2: 145-148]. '^^^ Vgl. [Nr.2: 76-78]. '^^^ Vgl. [Nr.2: 328-347]. '^^^ Vgl. [Nr.2: 208-213].
Fallstudien
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lose gekoppelt sind und die Grtindung der Virtual AG, die als Studie vom Interviewpartner auf den Intemetseiten prSsentiert wird, zu der jedoch derzeit noch die finanziellen Mittel fehlen. '^^^ D-3: Fallstudie VirtueUe FabrikJUr Offentttchkdtsarbeit (Fallstudie Nr. 3) Die VirtueUe Fabrikfur Offentlichkeitsarbeit bestand im Zeitraum vom FrUhjahr 1997 bis zum FrUhjahr 2001.^*°' Die Interviewpartnerin, die als Redakteurin fiir eine Fachzeitschrift tStig ist, ist innerhalb dieses Netzwerks die Projektleiterin gewesen. Als Initiatorin dieses Netzwerks/*°^ das nach Angaben der Interviewpartnerin zu den ersten virtuellen Netzwerken Uberhaupt gehOrte, ist sie ftir die Projektkoordination zustandig gewesen.'^°^ Der Aufbau der Virtuellen Fabrik fur Offentlichkeitsarbeit, deren Name eine eingetragene Wort/Bild-Marke ist/^^"* lehnt an das von Prof. Schuh entwickelte Modell an. Die Interviewpartnerin weist darauf hin, dass insbesondere in den ersten Jahren die Bezeichnung des Kooperationsverbunds als „virtuelle Fabrik" bei den Kunden auf eine geringe Akzeptanz stieB. Dieser Name ist gewShlt worden, um sich zum einen von dem eher negativ belasteten Begriff der "Agentur" abzuheben und zum anderen den Innovationsgrad dieses Untemehmens deutlich zu machen.**°^ Dieses Netzwerk bestand aus ftlnf Kooperationspartnem einer Wirtschaftsregion,**®^ die als rechtlich selbststSndige Untemehmen ausschlieBlich ihre Kemkompetenzen in den Verbund gebracht haben. Zu ihnen geh5rten ein Journalist, ein Fotograf, ein Intemetdienstleister, ein Web-Designer und die interviewte Redakteurin. **°^ Dieses Dienstleistungsnetzwerk, das als Gewerbe angemeldet war,*^°* hat sich auf den Bereich der Offentlichkeitsarbeit spezialisiert und darUber hinaus Seminare im PRBereich angeboten. Zu den Dienstleistungen dieses Untemehmensverbunds, die insbesondere von kleinen und mittelstandischen Untemehmen verschiedenster Bran-
•^^^ Vgl. [Nr.2: 5-23]. •«^' Vgl [Nr.3: 5-8]. 1802 vg, [Nr.3: 170-171]. 1803 v g , [Nr.3: 15-20]. >804yg, [Nr.3: 179-181]. •805 Vgl [Nr.3: 65-95, 159-161,571-572]. 1806 ygj [Nr.3: 231-236]. 1807 vg, [Nr.3: 21-38]. 1808 vg, [Nr.3: 174-178].
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Anhang D
chen in Anspruch genommen wurde/^°^ gehOrte z. B. die Organisation von Kongressen, die Herstellung von Imagebroschuren und eine quaiitativ iiochwertige Pressearbeit.'^^° Die Virtuelle Fabrikfur Offentlichkeitsarbeit stellte ein festes Untemehmensnetzwerk bzw. eine Kooperationsplattform dar, Uber die - je nach Projektanforderung - einzelne Partner (im Regelfall waren es zwei oder drei Partner) flexibel eingebunden werden konnten. Nach der Beendigung eines Projekts sind die Kooperationspartner in das stabile Netzwerk zurtickgekehrt.*^^^ Die Gr(5l3e und die Art des Netzwerks sind durch strategische Uberiegungen geprSgt worden: Zum einen ist die Anzahl der Kooperationspartner auf maximal filnf begrenzt gewesen, urn eine Ubersichtlichkeit zu gewShrleisten. Gegentiber dem Kunden prasentierte sich dieses Netzwerk als Einheit. Um nach aufien die Kemkompetenzen dieses Netzwerks als Einheit dokumentieren zu kOnnen, sei es wichtig gewesen, dass alle Netzwerkpartner prSsent waren: ''So virtuell wie das Game organisiert ist - eine gewisse Stabiiitdt bzw. eine Basis muss schon vorhanden sein" [228-229].'^^^ Die Interviewpartnerin ist dabei der Ansicht, dass diese strategischen Uberiegungen sehr stark vom Untemehmensgegenstand abhSngig seien. Wahrend in einem Dienstleistungsnetzwerk eine geringe Anzahl an Kooperationspartnem aus o. g. Grtinden vorteilhaft war, kOnne in produzierenden Untemehmensnetzwerken mOglicherweise eine groBere Anzahl von Kooperationspartnem effizient eingebunden werden, da sich hier die Teilleistungen genauer spezifizieren lassen.'^^^ Dadurch, dass zwischen der Interviewpartnerin und den Kooperationspartnem schon aus vorherigen konventionellen Projekten nahezu freundschaftliche Beziehungen^^^"* bestanden haben, war bereits zum Zeitpunkt der GrUndung der Virtuellen Fabrik eine bilaterale Vertrauensbasis vorhanden. ^*^^ Nachdem auch die Kooperationspartner durch die Interviewpartnerin in der Rolle als Vermittlerin'^*^ untereinander bekannt gemacht worden waren, konnte aus Flexibilitats- und KostengrUnden ganz auf schrift-
^^°^Vgl.[Nr.3: 182-188]. '^'° Vgl. [Nr.3: 104-123]. '^'•Vgl.[Nr.3: 140-151]. '^'^ Vgl. [Nr.3: 215-230]. '^'^ Vgl. [Nr.3: 189-214]. 1814
Dies wird z. B. in den gemeinsamen Freizeitaktivitaten deutlich Vgl. [Nr.3 : 297-299].
'^'^ Vgl. [Nr.3: 237-250]. *^'^ Vgl. [Nr.3: 427-447].
Fallstudien
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liche Vertrage verzichtet werden. Die wesentliche Grundlage fiir den Verzicht auf schriftliche Vereinbarungen sei die Zusammenarbeit auf der Grundlage eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses
und eines ausgeprSgten Vertrauensverhaltnisses
gewesen. Ein Indikator dafiir, dass Vertrauen eine wesentliche Komponente in einem virtuellen Untemehmen darstellt, kann darin gesehen werden, dass die Interviewpartnerin die Aufnahme neuer Kooperationspartner aus Intemet-Kooperationsdatenbanken bzw. Anfragen Uber das Internet regelmSBig abgelehnt habe: ''Man muss sich vorher mindestens einmal ins Auge geschaut haben. [...] Ich Mtte [..,] keinen mir unbekannten Partner ins Netzwerk geholt [260; 264-265].'^'^ Neben dem Verzicht auf schriftliche Vereinbarungen konnten weitere Kosten dadurch gespart worden, dass die Kooperationspartner entweder zu Hause oder beim Auftraggeber arbeiten konnten und somit auf gemeinsame Btiroraume verzichtet werden
Die Interviewpartnerin ist davon Uberzeugt, dass ein virtuelles Untemehmensnetzwerk nur dann effektiv sein kann, wenn ein auf Vertrauen basierendes soziales Beziehungsnetzwerk existiert. MOglicherweise habe man in der anfUnglichen Diskussion urn virtuelle Untemehmensstrukturen das notwendige soziale Beziehungsnetzwerk unterschatzt.'^^^ Vertrauen ist aber nicht nur innerhalb des Netzwerks notwendig, es mtlsse auch zwischen dem Kunden und dem Dienstleister vorhanden sein. Um eine Dienstleistung nach den WUnschen des Kunden erftlllen zu kOnnen, muss der Kunde die oftmals erfolgskritischen Rahmenbedingungen preisgeben, damit die Dienstleistungen in die vorhandenen Strukturen sinnvoU eingegliedert werden k6nnen.*^^° Dadurch, dass sich die Kooperationspartner untereinander gut kannten, konnte der Koordinationsaufwand auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau gehalten werden: „iWb« kann sich aufeinander verlassen'' [17-18]. Die Projektkoordination erfolgte Uber gemeinsame Absprachen und hauptsachlich unter Einsatz von Telefon, Fax und E-Mail.^^^^ Zwar erfolgte die Projektkoordination zentral durch die Interviewpartnerin, jedoch sei den Partnem ein hohes Mali an Eigen-
^^^"^ Vgl. [Nr.3: 251-270,279-288]. '^** Vgl. [Nr.3: 157-169]. '^'^ Vgl. [Nr.3: 271-277]. '^^° Vgl. [Nr.3: 290-293]. '^^^ Vgl. [Nr.3: 305-311, 322-338,474-494, 507-517].
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verantwortlichkeit, Eigenst^ndigkeit bzw. Selbstorganisation geblieben.'^^^ Die Besonderheit der Projekte innerhalb der virtuellen Fabrik fUr Offentlichkeitsarbeit bestanden darin, dass zwischen dem Zeitpunkt der Auftragserteilung und dem Termin der Fertigstellung zum Teil nur wenige Tage lagen. Dies erforderte eine kurzfristige Projektplanung sowie eine rasche Projektumsetzung. Die Entwicklung einer gemeinsamen Datenbank oder die Installation einer Groupware war unter diesen Voraussetzungen unnOtig und v. a. zu zeitintensiv.^*^^ Die finanzielle Verrechung der Einzelleistungen der Kooperationspartner wurde vor Projektbeginn ausgehandelt, sodass variable Verrechnungspreise bestanden. Dem Kunden wurde unter dem Namen der Virtuellen Fabrik eine gemeinsame Rechnung ausgestellt. Der Netzwerkpartner, der den Kunden akquiriert hatte und der letztlich auch die gemeinsame Rechnung ausgestellt hat, trug dabei die Projektverantwor-
Auf einen administrativen Uberbau, wie z. B. die Formulierung einer Satzung oder die Aufstellung von Regeln, wurde aus Kosten- und FlexibilitStsgriinden weitestgehend verzichtet. Handlungsleitend waren eher ungeschriebene Regeln, wie z. B. die ptinktliche Bezahlung von Rechnungen, eine gute Zahlungsmoral, dass Einhalten von Terminen und das Erbringen qualitativ hochwertiger Dienstleistungen, bzw. die durch das gemeinsame Geschaflsverst^dnis fundierte Untemehmenskultur.'*^^ Der Vorteil eines solchen lose gekoppelten Systems bestand u. a. darin, dass im Falle eines opportunistischen oder unerwtlnschten Verhaltens eines Kooperationspartners dieser Uber soziale Sanktionsmechanismen wieder recht schnell aus dem Netzwerk ausgeschlossen werden konnte, zumal unter den Kooperationspartnem keine rechtlich bindenden VertrSge bestanden/*^^
'^^^VgL[Nr.3: 415-426]. **^^ Vgl. [Nr.3: 496-505]. *^^^ Vgl. [Nr.3: 339-386]. '^^^ Vgl. [Nr.3: 387-426,448-473]. '^^^ Vgl. [Nr.3: 518-569].
Fallstudien
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D-4: Fallstudie Gigaperb (Fallstudie Nr. 4) Die Gigaperls in Mtinchen wurde im Herbst 1998 von den beiden Geschaflsfiihrem als Gesellschaft btirgerlichen Rechts (GbR) gegrundet.^^^'^ Die Gesellschaftsform der GbR wurde gewahlt, da sie den flexiblen Anforderungen eines virtuellen Untemehmens und der bisherigen Berufsentwicklung der Interviewpartner als Grafiker bzw. Freiberufler am ehesten entsprach und geniigend Flexibilitat bei der Projektarbeit ermOglichte/^^^ Die Gigaperls hat sich mit ihren Partnem auf die Entwicklung von Kindersoftware spezialisiert,'^^^ wobei jedoch auch Softwareprojekte in anderen Anwendungsbereichen durchgefiihrt werden. Neben der Entwicklung und Produktion von Kindersoftware (interaktive Lemprogramme) werden z. B. Konzepte fiir die graphische Gestaltung von Femsehprogrammen oder Image-CD-ROMs fiir Untemehmen entwickelt. Durch die unterschiedlichen Kompetenzen der Kooperationspartner der Gigaperls besteht die MOglichkeit, den speziellen WUnschen der Kunden, zu denen u. a. z. B. Verlage und mittelstandische Untemehmen gehOren, zu entsprechen.*^^^ Dabei ist es mOglich, dass innerhalb der Gigaperls gleichzeitig an mehreren Projekten gearbeitet wird. Zum Zeitpunkt des Interviews (Juni 2002) bestand z. B. ein grOBeres einjahriges Projekt, in dem eine Kinder-CD-ROM entwickelt und produziert wurde. Gleichzeitig wurde in einem zweiten Projekt ein Drehbuchkonzept fUr eine KinderFemsehproduktion entwickelt.'^^' Das virtuelle Untemehmen Gigaperls tritt gegenilber dem Kunden zunachst wie ein einzelnes Untemehmen auf.**^^ Sind filr einen Kunden im Laufe der Zeit mehrere Projekte durchgefiihrt worden, wird ihm der Aufbau der Gigaperls als virtuelles Untemehmen transparenter gemacht. Der Interviewpartner weist diesbezUglich darauf hin, dass die meisten Kunden, die zum ersten Mai an die Gigaperls herantreten, ein traditionelles Untemehmen erwarten, das sie mit Verlasslichkeit und der konstanten Verfligbarkeit von Ressourcen assoziieren. Es sei nicht immer vorteilhaft, dem Kunden von Beginn an die Gigaperls als ein virtuelles Untemehmen vorzustellen. Durch
'^^^ Vgl. [Nr.4: 1 -7]. '^^* Vgl. [Nr.4: 8-13]. *^^^ Siehe hierzu auch die Homepage der Gigaperls unter www.gigaperls.org (letzter Zugriff: 18.05.2005). '^^° Vgl. [Nr.4: 14-34]. '^^'Vgl. [Nr.4: 35-51]. '^^^ Vgl. [Nr.4: 101-106].
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diese bisher noch selten anzutreffende Kooperationsform kSnnte bei eher konservativen Kunden ein gewisses Misstrauen hervorgerufen werden, das dazu flihren k5nnte, dass der Kunde den Auftrag nicht vergibt. Erst nachdem dem Kunden die Arbeitsweise der Gigaperls erlautert worden ist, werde dem Kunden ihr Flexibilitatsvorteil gegenaber einem starren traditionellen Untemehmen deutlich.'^" Die Flexibilitat wird dadurch ermdglicht, dass der Leistungserstellungsprozess auf mehrere spezialisierte Kooperationspartner verteilt wird, die sich iiauptsachlich mit ihren Kemkompetenzen beteiligen. So kOnnen einzelne Module flexibel von unterschiedlichen Partnem erstellt werden.'^^"^ Die Auswahl der Kooperationspartner aus dem bestehenden Netzwerk und die Zusammenstellung fiir ein Projekt erfolgt auf der Grundlage der benOtigten Kemkompetenzen unter Berucksichtigung der von den Partnem genannten Preise fiir die Teilleistungen. Dabei wird vor allem darauf geachtet, dass die Qualitat der Leistungen dem Kundenanspmch gerecht wird.*^^^ Die an einem Projekt beteiligten Kooperationspartner sind uber einen Rahmenkooperationsvertrag an die Gigaperls gekoppelt. In diesem Vertrag werden grundlegende Regelungen wie z. B. das Stiilschweigen bei sicii anbahnenden Projekten und die Wahmng von Urheberrechten getroffen. Dies sei insofem sehr wichtig, da in den Projekten sehr haufig mit Illustrationen von Grafik-Btiros gearbeitet wird, die mit Urheberrechten versehen sind. Dariiber hinaus sind im Rahmenkooperationsvertrag auch die fmanziellen Aspekte uber das Honorarentgeh geregelt und festgelegt, welche Rechte dam it abgegolten sind.^^^^ In den allgemeinen Geschaftsbedingungen ist dariiber hinaus noch eine Vielzahl gmndlegender Vereinbarungen unter den Partnem festgehalten.^^^^ Mit dem Kunden wird - wie brancheniibiich - zu Projektbeginn ebenfalls ein Vertrag geschlossen, in dem die Ziele des Projekts prazise festgelegt werden und der Endpreis niedergelegt bzw. eine monatliche Bezahlung ftlr die Leistungserstellung festgelegt wird.*^^^
'^" Vgl. [Nr.4: 124-143]. '""* Vgl. [Nr.4: 87-94, 101-106]. **^^ Vgl. [Nr.4: 486-494]. **^^ Vgl. [Nr.4: 107-123, 450-454]. ^^^'^ Vgl. [Nr.4: 459-464]. *^^^ Vgl. [Nr.4: 455-458,479-486].
Faiistudien
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Urn unter den Kooperationspartnem die Teilleistungen integrieren zu kSnnen, seien gemeinsame Absprachen sehr wichtig.'^^^ Zur Unterstiitzung werden hierbei Telefon, Fax und vor allem E-Mail als Kommunikationsmedien verwendet. In regelmaBigen Abstanden oder je nach Bedarf werden in gemeinsamen Projektbesprechungen Probleme und Fragestellungen des Projekts erOrtert und LSsungsvorschlage fiir das weitere Vorgehen erarbeitet.'^"^^ Nach erfolgreichem Abschluss eines Projekts bleiben die Kooperationspartner sehr haufig weiter in Kontakt, um bei einer emeuten M5glichkeit sich wieder zu einem virtuellen Untemehmen zusammenschlieBen zu kSnnen. Der Vorteil bestehe dann darin, dass die Projekteinarbeitungsphase aufgrund des gegenseitigen Kennens und der gemeinsamen Erfahrungen wesentlich schneller erfolgen kann als mit neuen, noch fremden Projektpartnern. Ein weiterer Vorteil besteht nach Angabe des Interviewpartners darin, dass Uber die einzelnen Projekte haufig weitere Projekte zustande kommen.'^"^' Im Vergleich zu anderen Branchen, in denen die Projekte wesentlich kurzfristiger geplant und umgesetzt werden mUssen (siehe z. B. die VF fur Offentlichkeitsarbeit), ktindigen sich die Projekte der Gigaperls haufig relativ lange im Voraus an. Dies sei darauf zurUckzufiihren, dass vor Beginn des jeweiligen Projekts Lizenzverhandlungen erfolgen mussen, die haufig einen Zeitraum bis zu einem halben Jahr in Anspruch nehmen wUrden. In dieser Zeit erfolgt unter den Partnem jedoch bereits ein reger Informations- und Know-how-Austausch.^^"*^ Das Kooperationsnetzwerk der Gigaperls besteht aus 15 Partnem bzw. Untemehmen, die das latente Netzwerk dieses virtuellen Untemehmens bilden. Bahnt sich ein Projekt an, schlieCen sich in der Regel ca. vier bis flinf Partner aus diesem Pool von Kooperationspartnem entsprechend der Projektanfordemngen zu einem aktiven Netzwerk, dem virtuellen Untemehmen, zusammen. Die Interviewpartner weisen darauf hin, dass unterschiedlich starke Beziehungen zu den Kooperationspartnem bestehen. Wahrend mit zwei Untemehmen eine sehr enge Zusammenarbeit besteht, in der auch eine gemeinsame Entwicklungsarbeit erfolgt, werden die Ubrigen Partner nur in das aktive Projekt eingebunden, wenn ihre Kemkompetenzen benOtigt werden.^^'^^
^*^^Vgl.[Nr.4: 113-114]. 1840 ygl [Nr.4: 144-151,170-173].
'''' Vgl, [Nr.4: 152-158,178-187]. '''^ Vgl, [Nr.4: 159-165]. '''' Vgl [Nr.4: 188-198].
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AnhangD
Die optimale Anzahl von Kooperationspartnem im latenten Netzwerk wird von den beiden Geschaftsflihrem uneinheitlich beantwortet. Wahrend der eine GeschaftsfUhrer die Anzahl der Partner nicht beschranken wOrde, weist die interviewte Geschaftsfiihrerin darauf hin, dass ein Netzwerk mit Ober 20 Partnem nur sehr aufwandig koordiniert werden kann. Hierbei kOnnten Probleme mit einer gemeinsamen Informationsgrundlage und bei der gemeinsamen Zielausrichtung entstehen. Die optimale Anzahl der Projektpartner hangt nach Ansicht des GeschaftsfUhrers von der Art des Projekts, seiner Komplexitat und seiner Laufzeit ab: „... dann gibt es da eine kritische Masse, die nicht uberschritten werden sollte'' [203-204]. Sind zu viele Partner an einem Projekt beteiligt, dann bestehe die Gefahr einer ineffizienten gemeinsamen Abstimmung, die einen reibungslosen Projektablauf durch zeitliche Verz5gerungen gefShrden wtirde. Werden hingegen zu wenige Partner an einem Projekt beteiligt, bestehe die Gefahr, dass das Projekt aus Kapazitatsmangel nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen werden kann. Es habe sich im Laufe der Kooperationen gezeigt, dass die optimale Anzahl bei der Gigaperls bei vier bis fUnf Projektpartnem liegt.^^'*'* Die Netzwerkpartner der Gigaperls stammen aus MUnchen, Salzburg und Wien. Dartiber hinaus befinden sich aber auch Kooperationspartner in Irland und China. Zu mehreren Untemehmen bestanden bereits vor der Grundung der Gigaperls wirtschaftliche Beziehungen. Das Beziehungsnetzwerk wurde im Verlauf der Kooperationen weiter ausgebaut. Neue Kooperationspartner aus Frankreich und Ungam konnten dabei auch Uber das Internet gefunden werden. Mit intemationalen Projekten sind bisher gute Erfahrungen gemacht worden. Selbst ein Projekt mit einem franzSsischen Auftraggeber, mit dem kein persSnliches, d. h. kein direktes Vor-Ort-Gesprach gefUhrt wurde, konnte erfolgreich durchgefilhrt werden: ,,Dieses Beispiel hat uns eigentlich alien gezeigt, wie erfolgreich das Konzept des virtuellen Unternehmens ist, wenn man es wirklich /consequent durchfuhrt" [234235].*^"*^ Lediglich bei der DurchfUhrung der Finanztransaktionen habe es mit dem Partner aus dem ehemaligen Ostblockland aufgrund der unterschiedlichen und unbekannten steuerlichen Bedingungen Probleme gegeben. Der GeschaftsfUhrer weist darauf hin, dass die Bewaitigung dieser Probleme meist aufwandiger ist, als die Zusammenarbeit mit dem Partner selbst.'^"^^
'^^^ Vgl. [Nr.4: 199-218,191-192]. **^^Vgl.[Nr.4: 219-235]. '^^^ Vgl. [Nr.4: 236-259].
Fallstudien
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Eine wichtige Grundlage der Zusammenarbeit in einem virtuellen Untemehmen stellt nach Ansicht des Geschaftsfiihrers das Gemeinschaftsgeftlhl der Partner dar, ohne das ein Projekt kaum erfolgreich abgewickelt werden kann. Dabei sei es sehr vorteilhaft, wenn die Projektpartner ein gemeinsames Geschaftsverstandnis aufweisen, was jedoch in einigen Projekten nicht immer vorausgesetzt werden kSnne.^^"*^ Der Aufbau eines Gemeinschaftsgefiihis kann sowohi tiber pers(5nlichen Kontakt ais auch (iber Informations- und Kommunikationsmedien erfolgen. Wahrend der Kontaktaufbau zu den regionalen Kooperationspartner aufgrund der geringen geographischen Entfemungen haufig in pers5nlichen Vor-Ort-GesprSchen erfoigt, ist dies mit den Partnem aus Frankreich, Ungam und China ausschlieBlich uber Informations- und Kommunikationsmedien m5giich gewesen. Nach Ansicht der Interviewpartnerin ist ein persOniicher Kontakt zu den Kooperationspartnem umso wichtiger, „wenn es sich urn ein relativ komplexes undgrofies Projekt handelt. Je mehr Leute an einem Projekt arbeiten, desto wichtiger sindsoziale Beziehungen undpersonlicher Kontakt'* [280-281]. Bei umfangreicheren Projekten fmden daher zu Beginn und auch wahrend des Projekts mehrere Projekttreffen statt, an denen die Partner zusammenkommen und Uber die jeweiligen Probleme und Aufgaben beratschlagen und sich gegenseitig abstimmen. Diese Treffen sind nach Ansicht der Interviewpartner auch deshalb sehr wichtig, weil sie nicht nur das Gemeinschaftsgeftlhl und den Zusammenhalt der Kooperationspartner starken, sondem auch das Projekt mit neuen Impulsen und effektivitatssteigemder Motivation vorantreiben.*^"*^ Die an der Gigaperls beteiligten Untemehmen ftlhren neben den Gemeinschaftsprojekten jedoch auch noch eigene Projekte aus. Der Anteil der Gemeinschaftsprojekte im Vergleich zu den eigenstandig durchgeftihrten Projekten ist bei den beteiligten Unternehmen sehr unterschiedlich und schwankt je nach Gr5Be und Kompetenz des jeweiligen Untemehmens zwischen 15 und 90 Prozent.^^"*^ FUr eine erfolgreiche Projektumsetzung sei es notwendig, dass der Koordinator die beteiligten Kooperationspartner mit Informationen versorgt und darauf achtet, dass der Informationsaustausch unter den Partnern reibungslos erfoigt. Entscheidend sei zu Projektbeginn, dass der Koordinator das Projektziel bzw. den Kundenwunsch den Kooperationspartnem verdeutlicht, klare Vorgaben und Richtlinien defmiert, einen ^^^'' Vgl. [Nr.4: 260-268, 79-86]. ^^^^ Vgl. [Nr.4: 269-297]. '*'*^ Vgl. [Nr.4: 298-313].
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Anhang D
Zeitplan erstellt und prSzise Aufgaben an die Projektpartner verteilt. Wird dies vernachlassigt, kann es leicht zu Missverstandnissen, Problemen beim Projektablaufplan und sogar zu projektgeMirdenden Konflikten unter den Kooperationspartnem kommen. WUrden Konflikte unter den Kooperationspartnem auftreten, sei es die Aufgabe des Koordinators bzw. der interviewten Geschaftsfiihrer, mit den Beteiligten persOnliche GesprSche zu ftihren und LGsungswege zu finden. Bisher seien jedoch nur sehr wenige Konflikte oder gr6Bere Probleme bei den Projekten der Gigaperls entstanden/«^^ Die Interviewpartner sind davon Uberzeugt, dass in ihrem virtuellen Untemehmen zur Projektsteuerung eine zentrale Koordination notwendig ist. Dies sei allein durch die Notwendigkeit einer zentralen Informationssteuerung bzw. Informationsverarbeitung unabdingbar: Jch denke, so ein virtuelles Unternehmen braucht einen Fixpunkt, um den die Satelliten kreisen. "'^^' Die Geschaftsfiihrer der Gigaperls Ubemehmen dabei die Rolle der Koordinatoren bzw. Schnittstellenmanager. Abgesehen von der Wahrnehmung der grundlegenden Koordinationsaufgaben haben die Kooperationspartner jedoch die M5glichkeit, innerhalb ihres Leistungsbereichs selbstorganisierend und selbststeuemd zu arbeiten und z. B. bei speziellen Fragesteliungen sich direkt an den Kunden zu wenden. Diese Arbeitsweise erfordere jedoch bei den Kooperationspartnem ein hohes Ma6 an TeamfUhigkeit und das Verm5gen, seine eigene Teilleistung im Wirkungszusammenhang mit den Teilleistungen der anderen Partner bzw. dem gesamten Projekt zu sehen. Erflillen die Kooperationspartner diese Voraussetzungen nicht ausreichend, erhOhe sich der Koordinationsaufwand erheblich.*^" In den meisten Projekten wird das Projektbudget von den beiden interviewten Geschaftsfiihrem verwaltet. In einzelnen Projekten kann das Gesamtbudget auch nach Absprache in Teilbudgets der Kooperationspartner aufgeteilt werden, die dieses dann eigenverantwortlich verwalten kOnnen. Damit hatten die Kooperationspartner auch die M5glichkeit, einen Teil ihres Leistungserstellungsprozesses auf Zuliefemntemehmen auszulagem. Dieses Outsourcing-Prinzip, das als Freiraum der Partner bei der Erbringung ihrer Teilleistung gesehen werden kann, ist bei der Gigaperls dadurch mOglich, dass letztlich das Endergebnis entscheidend ist, das von dem einzelnen Partner im
'^^° Vgl. [Nr.4: 524-562]. '^^* Vgl. [Nr.4: 332-353,665]. ^^" Vgl. [Nr.4: 354-380].
Fallstudien
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virtuellen Untemehmen erbracht wird. Die Leistungsabrechung unter den Kooperationspartnem erfolgt bei der Gigaperls auf der Grundlage fester Verrechnungspreise.^^^^ Auf eine gesonderte Kontrolle der Kooperationspartner wird auf der Grundlage von Vertrauen verzichtet. Zudem seien die Kooperationspartner daran interessiert, die vereinbarten Leistungen gewissenhaft zu erbringen, urn auch zukUnftig an den Projekten der Gigaperls beteiligt zu werden.^^^"^ Die Gefahr, dass sich ein Projektpartner opportunistisch verhalten kOnnte und dieses Verhalten unentdeckt bleibt, schatzen die befragten Geschaftsfilhrer als eher gering ein. Ein nichtkonformes Verhalten eines Partners wurde innerhaib des Beziehungsnetzwerks der Gigaperls sehr schnell offensichtlich werden. Seit Bestehen der Gigaperls ist jedoch nur ein einziger Fail aufgetreten, der den Ausschluss des Partners wahrend eines Projekts zur Folge hatte. Der Verlust eines Partners wahrend eines Projekts gefUhrde das gesamte Projekt, da m5glichst schnell ein Ersatz gefunden werden muss, urn die entsprechenden Teilleistungen erbringen zu kOnnen.'^^^ Ein Projektmanagementsystem zur UnterstUtzung der Koordination wird bei der Gigaperls nicht verwendet. Die Geschaftsftihrer stehen der EinfUhrung eines solchen Systems zwar sehr offen gegentiber, jedoch ist bisher noch keine EDV-L(5sung gefunden worden, die den komplexen und haufig unterschiedlichen Projektanforderungen Rechnung tragen kOnnte. Nicht selten ist mit der Einftlhrung eines Projektmanagementsystems eine nicht unbetrachtliche Einarbeitungszeit und ein groBer fmanzieller Aufwand fUr die Partner verbunden. Bestehende Systeme wie z. B. MXN seien wiederum zu umfangreich und damit zu schwierig in der Handhabung. Sehr gut bewahrt hat sich die Verwendung von E-Mail zur asynchronen Kommunikation und zur Verteilung von Projektlisten an die beteiligten Partner. Die Kommunikation erfolgt neben den persSnlichen Gesprachen in den Projekttreffen vor allem tiber E-Mail, Telefon und Fax. Die Projektpartner erhalten von den interviewten GeschaftsfUhrem jede Woche per E-Mail Informationen tlber das jeweils laufende Projekt und die noch anstehenden Aufgaben.^'^' Nach Angaben der Interviewpartner werden einzelne Koordinationsinstrumente in Abhangigkeit von den unterschiedlichen Projektphasen unterschiedlich haufig ver'^" Vgl. [Nr.4: 465-478]. '^^^ Vgl. [Nr.4: 428-433]. '^^^ Vgl. [Nr.4: 434-449]. '^^^ Vgl. [Nr.4: 381-427].
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wendet. In der kommunikationsintensiven Phase zu Projektbeginn werden im Vergleich zu den darauf folgenden Phasen fast ausschlieBlich pers5nliche Vor-OrtGesprache gefUhrt. In der Projektumsetzungsphase sei dann die Verwendung von EMail wesentlich komfortabler und effizienter als zu Projektbeginn. Die Interviewpartnerin ist der Auffassung, dass die Kommunikationsbeziehungen im Laufe der Projektarbeit durch modeme Informations- und Kommunikationsmedien weiter intensiviert werden, die jedoch einzelne pers5nliche Vor-Ort-Gesprache nicht ersetzen kSnnten.^^^^ Zum Projektabschluss erfolgt eine Abschlussbesprechung, in der die Probleme, die wahrend eines Projekts aufgetreten sind, noch einmal diskutiert werden. Der Lemprozess und die gewonnenen Erkenntnisse, die aus der Diskussion mit den Partnem resultieren, kOnnen als Erfahrungswissen fUr die folgenden Projekte verwendet werden.'«^« Die Chancen eines virtuellen Untemehmens werden von den Interviewpartnem in erster Linie in der Flexibilitat des Netzwerks und bei der Leistungserstellung gesehen. Es sei mSglich, schneller als ein groBes Untemehmen Marktchancen zu nutzen und ein Projekt nach den Wiinschen des Kunden umzusetzen. DarUber hinaus kOnnten Netzwerkeffekte genutzt werden, die das wirtschaftliche Risiko eines virtuellen Untemehmens reduzieren. Aufgrund des nur losen Zusammenschlusses der rechtlich selbstandigen Netzwerk- bzw. der Kooperationspartner kdnnten Kosten bei der Durchfilhrung von Projekten minimiert werden. FUr die Partner biete sich dartiber hinaus die MQglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln oder auch den Wohnort flexibel wahlen zu kOnnen.'^^^ Als nicht unproblematisch fiir die Projektpartner habe sich jedoch die eigenstandige Arbeitsweise im Rahmen der Telearbeit erwiesen. Das Risiko bestehe im Motivationsverlust der Kooperationspartner, die haufig wochenlang an der Erstellung ihrer Teilleistung arbeiten, ohne mit den Kooperationspartnem persfinlich in Kontaktzutreten.'*^^ Als sehr zeitintensiv hat sich die Entwicklungs- und Aufbauphase der Gigaperls erwiesen, in der nach geeigneten Netzwerkpartnem gesucht wurde. Der GeschaftsfUhrer betont, dass ein zentraler Faktor eines virtuellen Untemehmens die Kooperationspartner sind. Um in einem solchen Kooperationsnetzwerk arbeiten zu kSnnen und das
^*"Vgl.[Nr.4: 502-517]. ^*^*Vgl.[Nr.4: 518-523]. **^^ Vgl. [Nr.4: 563-584,666-676]. ^^^^ Vgl. [Nr.4: 628-635].
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Netzwerk weiterentwickeln zu k5nnen, bedarf es zuverlSssiger Partner oder Partneruntemehmen, die untemehmerisch handeln, autonom und verantwortungsbewusst arbeiten und uber ausgeprSgte Teamfahigkeiten verfUgen. Im Fall der Gigaperls sind in der Aufbauphase recht viele frtihere Partner wieder aus dem Netzwerk ausgeschieden. Im Laufe der Jahre hat sich aber bei der Zusammensetzung der Partner ein leistungsfahiges latentes Netzwerk herausgebildet.'^^' D-5: Fallstudie The Virtual Company (Fallstudie Nr. 6) Die TVC - The Virtual Company - mit Sitz in Salzburg ist ein virtuelles Untemehmen der Internet bzw. IT-Branche, das sich auf die Bereiche E-Consulting, E-Marketing und E-Business spezialisiert hat. Der Interviewpartner, der geschaftsfuhrender Gesellschafter der TVC ist'^^^ bezeichnet sein Untemehmen als „Intemet Full-Service Agentur". Die TVC, die seit 1995 am Markt agiert und seit 1999 als virtuelles Unternehmen organisiert ist^^^^ bietet im Bereich des E-Consulting Losungen an, die auf das jeweilige kundenspezifische Geschaftsproblem zugeschnittenen sind. Die TVC hat sich insbesondere auf groBere Untemehmen im deutschsprachigen EU-Raum spezialisiert, bei denen es sich um Projekte mit einem Volumen von ca. einer Mio. Euro handelt. Zu ihrem Kundenstamm gehoren derzeit ca. 60 grOBere Untemehmen. ^^^"^ Das Angebot erstreckt sich von der einfachen Online-Recherche zu einem bestimmten Thema bis hin zu kompletten E-Business Solutions zu samtlichen Bereichen des EBusiness. Im zweiten Dienstleistungsbereich der TVC, dem E-Marketing, wird das Angebot auf die spezifischen Kundenbediirfnisse zugeschnitten (E-Customizing), wobei der Kunde im Zentrum aller marketing-strategischen Uberlegungen steht. EMarketing umfasst dabei den gesamten Prozess von der Erhebung der Kundenbediirfnisse bis hin zur Entwicklung und Umsetzung der jeweiligen Strategic. Das Dienstleistungsangebot der TVC wird drittens durch den Bereich des E-Business bzw. der WebApplikationen vervollstandigt. Zu den Dienstleistungen gehOren z. B. B2C-ShoppingApplikationen, B2B-Applikationen (z. B. Database, XML), DotCom - Plattforment-
'^^' Vgl. [Nr.4 : 585-596, 618-658]. '^" Vgl. [Nr.6: 1-5]. '^" Vgl. [Nr.6: 59 , 112-120, 156-163]. '^^Wgl. [Nr.6 : 164-173,31-35].
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wicklung, interaktive Websites (z. B. ein „Virtual Catalog") und Redaktionssysteme mit Onlinewartung (Database, easy2use, Lotus Notes 5).'^^^ Das Kemkompetenzprofil der TVC ist heterogen, da die Kooperationspartner aus unterschiedlichen Branchen stammen. Hierunter befinden sich Werbeagenturen, Untemehmen, die im Bereich des CRM ihre Kemkompetenz haben, Untemehmensberatungen, Marketinguntemehmen und Intemetdienstleister, die sich auf Screen-Design spezialisiert haben.'^^^ Der Umsatz aus der Netzwerkorganisation liegt im Verhaltnis zum Gesamtumsatz des Untemehmens des Interviewpartners zwischen 10 und 20 Prozent. Das Ziel flir die kommenden Jahre besteht darin, den Anteil auf 25 Prozent zu steigem.'^^^ Durch die GrUndung eines virtuellen Untemehmens ist es nach Ansicht des interviewten Geschaftsfiihrers mSglich, dem Kunden ein breites Spektrum an Dienstleistungen aus einer Hand anzubieten.'^^^ Arbeitete die TVC vor der GrUndung des virtuellen Untemehmens nur mit einzelnen Untemehmen zusammen, kann seit 1999 auf ein strategisches Netzwerk aus rechtlich selbstandigen Kemkompetenzpartnem zuriickgegriffen werden. Je nach Kundenauftrag werden aus dem strategischen Netzwerk Partner ausgewahlt, die projektorientiert zusammenarbeiten.^^^^ Der Interviewpartner sei daran interessiert, ein stabiles Netzwerk aus KemkompetenztrSgem und langfristige Paitnerschaften aufzubauen. Kurze Partnerschaften, die lediglich flir ein Projekt geschlossen werden und danach wieder aufgelost werden, wtirden durch den hohen Abstimmungs- und Kommunikationsaufwand nicht sinnvoll sein. Da die TVC ihr Dienstleistungsangebot eher regional ausrichtet, ist es nach Angabe des Interviewpartners strategisch sinnvoll, regionale Partnerschaften aufzubauen.'^^° Ein Zukunftsplan besteht darin, in den nachsten Jahren ein europaweites Kooperationsnetzwerk mit Intemet-Untemehmen aufzubauen, um dann die Dienstleistungen europaweit anbieten zu konnen.^^^' Der Aufbau eines latenten Netzwerks, auf
'^^^ Siehe hierzu auch die Homepage unter www.tvc.at (Abruf vom 15.08.2004). Seit der Namensanderung am 09.03.2005 heiBt die TVC JQtzX AGENTUR.NET siehe unter www.agentur.net (letzter Abmf vom 18.05.2005). ^*^^ Vgl. [Nr.6 : 174-182]. ^*^^ Vgl. [Nr.6 : 557-568]. **^^ Vgl. [Nr.6: 55-62]. '^^^ Vgl. [Nr.6: 11-30 , 156-163 , 112-120]. '^^%gl. [Nr.6: 74-87, 509-531]. •^^^ Vgl. [Nr.6: 183-203].
Fallstudien
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dessen Grundlage ein virtuelles Untemehmen gebildet werden kann, erfordert jedoch eine mehrjahrige Aufbau- und Konsolidierungsphase. Zudem weist der Geschaftsfiihrer, der vor der Griindung der TVC zehn Jahre Berufserfahrung in der Industrie gesammelt und sich auf Kooperationen spezialisiert hat, darauf hin, dass es sehr wichtig ist, dass die Kooperationspartner konflilctfdhig sind, die Fahigkeit zu flexiblen Kooperationen besitzen und auch in der Lage sein miissen, in Netzwerken strategisch zu handeln.'''' Unter den Partnern des latenten Netzwerks der TVC seien Rahmenkooperationsvertrage abgeschlossen worden. Auf dieser Basis kSnnen die Kooperationspartner wahrend ihrer Projektarbeit auf schriftliche ProjektvertrSge verzichten und Flexibilitats- und Zeitvorteile nutzen. Der interviewte Geschaftsflihrer macht deutlich, dass Projektvertrage nicht notwendig sind, wenn sich die Kooperationspartner Uber mehrere Jahre kennen, gemeinsam ein Ziel verfolgen und durch ihren Einsatz ihren Nutzen maximieren kSnnen (Win-Win-Situation). Diese Art der losen Kopplung soil jedoch in den kommenden Jahren durch grundlegende Managementvertrage, in denen die wichtigsten Aspekte des Projekts festgehalten werden, abgesichert werden. Diese sollen nach Auffassung des Geschaftsfuhrers nicht primar als rechtliche Grundlage der Zusammenarbeit betrachtet, sondem vielmehr als Absichtserklarungen genutzt werden, um dem lose gekoppelten System einen starkeren inhaltlichen und strukturellen Bezugsrahmen zu bieten: ,,Das Einzige, was vertraglich gesichert sein sollte, ist die bestimmte Form der Zusammenarbeit" [214-215]. Andererseits soil mit diesen Managementvertragen verhindert werden, dass die Kooperationspartner die Informationen tiber das Projekt opportunistisch nutzen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.'^^^ Wird ein solches opportunistisches Verhalten eines Partners festgestellt, wiirde dies unweigerlich zum Ausschluss aus dem Netzwerk fuhren.^^^"^ Ftir ein Projekt der TVC schlieBen sich durchschnittlich zwei bis drei Kooperationspartner zusammen. Die Vergabe der Projektleitung erfolgt erfahrungs- und kompetenzabhangig. Der Partner, in dessen Kernkompetenzbereich der Projektauftrag am starksten f^llt und der uber ausreichend Erfahrungen in diesem Bereich verfugt, ubemimmt die Projektleitung und ist fur die Koordination des arbeitsteiligen Prozesses zustandig. Somit wird die Projektleitung nicht einem neuen und unerfahrenen Projekt^^'^^ Vgl. [Nr.6: 121-155,469-490]. '^^^ Vgl. [Nr.6: 210-227]. '^^"^ Vgl. [Nr.6: 416-437].
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partner Ubertragen, sondem einem eher festen Kooperationspartner aus dem latenten Netzwerk.^*''^ Bei Projektbeginn werden die Fragen (iber die Finanzierung und Abrechnung der Leistungen gekiart, die einzelnen Aufgaben und Rollen definiert und den Kooperationspartnem zugewiesen. In einem Ablaufplan, der die gemeinsam getroffenen Entscheidungen enthSlt, wird das Projekt in groben ZUgen strukturiert. Die Preise ftir die einzelnen Leistungen werden von den Projektpartnem vorgegeben, sodass auf dieser Grundlage dem Kunden ein Endpreis genannt werden kann. AuBert der Kunde AnderungswUnsche, kOnnen diese im Rahmen des flexiblen Leistungserstellungsprozesses berOcksichtigt werden. Eine wesentliche Steuerungsaufgabe besteht dabei in der terminlichen Koordination.'^^^ Wahrend eines Projekts erfolgen vier bis sechs Mai im Jahr Projekttreffen, in denen auftretende Probleme bei der Projektumsetzung besprochen, gemeinsame LOsungsvorschlage erarbeitet und die weitere Vorgehensweise festgelegt werden. Auf Projekttreffen kann bei der TVC niciit verzichtet werden, da die Vorteile einer direkten Kommunikation nicht durch modeme Informations- und Kommunikationstechnologien ersetzt werden kSnnen. Die Notwendigkeit der Projekttreffen ist ein wesentlicher Grund dafiir gewesen, das latente Netzwerk v. a. regional auszurichten, da die entstehenden Reisekosten bei geographisch weit entfemten Projektpartnem die Vorteile vemetzter Produktionsweisen recht schnell wieder wettmachen wurden.'^^^ Obwohl die TVC in der Intemetbranche tatig ist und somit eine hohe Affmitat zur modemen Informations- und Kommunikationstechnologie aufweist, erfolgt die Projektkoordination nicht mit einem umfassend ausgearbeiteten Projektmanagementsystem. Ein solches System wtirde sich nach Auffassung des Interviewpartners fur die Projektarbeit der TVC nicht eignen, da fUr eine effiziente Nutzung eines solchen Systems die projektrelevanten Informationen standig aktualisiert werden mtissen. Der Aufwand, der dabei entstehen wtirde, sttinde in keinem Verhaltnis zu dem Nutzen eines solchen Systems: ,,Das ist so, als wenn man mit Kanonen aufSpatzen schiefien wurde'' [354-355]. Projektmanagementsysteme sind nach Meinung des Interviewpartners fUr standardisierte Prozesse sinnvoll, nicht aber ftir sehr dynamische Prozesse, in
^^'^^ Vgl. [Nr.6: 264-273]. '^^^ Vgl. [Nr.6: 281-292, 383-391, 438-468, 491-502]. ^' "^^ Vgl. [Nr.6: 503-543].
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denen schon allein eine neue Partner-Konstellation neue Kontextfaktoren schafft: ,,Das kostet alles Zeit und Geld. Dafolge ich eher dem Pareto-Prinzip: 20 % Aufwand und 80 % Erfolg. Den Rest machen wir ad hoc. Das geht viel schneller'' [363-364]. ^^'^^ Die Kommunikation muss nach Angaben des Interviewpartners mQglichst kostengunstig, schnell und effektiv sein. Aufwandige computerunterstUtzte Kommunikationsprogramme seien nicht sinnvoU, da sie fiir jeden Kooperationspartner erst einmal einen Kostenfaktor darstellten. Darliber hinaus miisse neben dem fmanziellen Aufwand auch der zeitliche Aufwand beriicksichtigt werden, den die Partner fiir die Einarbeitung benCtigen. Flexibilitat kann in einem virtuellen Untemehmen nach Auffassung des Geschaftsfiihrers nur dann erreicht werden, wenn die Informations- und Kommunikationstechnologien einfach in der Handhabung und kostengUnstig sind. Ein spezielles Projektmanagementsystem wurde die Flexibilitat erheblich einschr^nken: „...ich bin ein Gegner von starren und mechanisierten Strukturen. Strukturen sind zwar dufierst wichtig ~ ohne Strukturen geht nichts - aber sie durfen die Handlungen nicht zu sehr einschrdnken. Zum anderen ist bei komplexen Strukturen der Anderungsaufwand derart hoch, dass schwer erarbeitete Vorteile sehr schnell wieder zunichte gemacht werden'' [385-389].*''' Wesentliche Hilfsmittel bei der Projektkoordination der TVC stellen Intemet-Foren dar, in denen die Partner ihre Informationen einstellen und Projektinformationen passwortgeschutzt abrufen k5nnten. Der Interviewpartner vergleicht diese MGglichkeit der InformationsbUndelung im Internet mit einem elektronischen Schwarzen Brett.'^'^ Bevor die Intemet-Foren als Koordinationsinstrumente genutzt wurden, erfolgten die Koordination und die Informationsweitergabe bei der TVC grOBtenteils per E-Mail. Man habe aber schnell festgestellt, dass dies zu aufwSndig ist und man immer darauf achten mUsse, dass jeder st^ndig auf dem aktuellen Stand gehalten wird. Hinzu kommt, dass die Ubermittlung von Projektinformationen per E-Mail mit einer zeitaufwSndigen Hoi- und Bringschuld verbunden ist und man nur mit Aufwand sicherstellen konnte, dass alle informiert sind. Deshalb wurde beschlossen, ein Internet-Forum fur jedes Projekt einzurichten. Jeder Kooperationspartner hat dabei die Pflicht, sich taglich Liber den aktuellen Stand des Projekts zu informieren. AuBert sich ein Partner nach vorheriger Aufforderung zur Stellungnahme nicht, bleibt er unberticksichtigt. Eine •^'^ Vgl. [Nr.6: 363-379, 585-586]. ''''Vgl.[Nr.6: 392-415]. '^'^ Vgl. [Nr.6: 293-299].
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Entscheidung kann dann ohne emeute Ruckfrage getroffen werden. Getragen wird diese eigenstSndige Informationsbeschaffung durch das jeweilige Interesse der Partner. Da die Kooperationen nur dann fiir einen Partner vorteilhaft sind, wenn er sich aktiv beteiligt, wird kein gesondertes Kontrollsystem benotigt. Die Kooperationspartner handeln im eigenen Interesse:^^^' ''Dies ist also ein relativ einfacher, aber wirklich effizienter Weg, die Partner zur gemeinsamen Leistungserstellung zu motivierert' [316-317]. Jeder Projektpartner hat einen auf seine Kemkompetenz bezogenen Zustandigkeitsbereich, innerhalb dessen er frei agieren kann.'^^^ Wird bei einem Projekt ein weiterer Kemkompetenztrager benStigt, kann er uber das Internet gesucht und liber VertrSge flexibel in ein Projekt eingebunden werden.^^^^ Die Schwierigkeit besteht nach Auffassung des Interviewpartners aber darin, geeignete Partner fiir die jeweiligen Kooperationen zu finden. Es sei nur sehr eingeschr^nkt mSglich, allein uber Referenzen einzelner Untemehmen oder GesprSche mit den jeweiligen Geschaftsfiihrem festzustellen, ob die Partner in das latente Netzwerk der JVC passen. Eine gute Moglichkeit besteht jedoch darin, einen neuen Kooperationspartner im Rahmen eines Projekts genauer kennen zu lemen und daraufhin zu entscheiden, ob auch zukiinftig mit ihm kooperiert werden kann.^^^"* Der Interviewpartner vertritt die Auffassung, dass ein virtuelles Untemehmen einen „Motor" bzw. einen Koordinator braucht: „/« einem solchen Netzwerk braucht man jemanden, bei dem alle Informationen zusammenfliefien und der dieses Netzwerk steuerf' [44-46]. Ohne einen solchen zentralen Koordinator besteht die Gefahr, dass die Partner in einer Art „Empfangserwartung" verharren und nur darauf warten, Auftrage aus dem Netzwerk zu erhalten. Eine wesentliche Aufgabe des Koordinators beim Management eines virtuellen Untemehmens besteht in der Ausrichtung der Kooperationspartner auf das gemeinsame Ziel und eine gemeinsame Strategic. ^^^^ Ist dies in der Anfangsphase eines Projekts nach Ansicht des interviewten Geschaftsfuhrers noch verhaltnismSBig einfach, gestaltet sich die Abstimmung auf eine gemeinsame Projektstrategie in der darauf folgenden Konkretisierungsphase als auBerst schwie-
'^^* Vg}.[Nr.6: 300-331]. '^^^Vgl.[Nr.6: 331-333]. '^^^VgI.[Nr.6: 87-92, 204-209]. '^^^VgI.[Nr.6: 87-111]. '^^^ Vgl. [Nr,6: 584-590].
Fallstudien
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rig. Die Abstimmung iiber die gemeinsame Projektstrategie erfolgt in gemeinsamen Projekttreffen. Die RoUe eines zentralen Koordinators ist nach Ansicht des Interviewpartners auch deshalb wichtig, da nur die wenigsten Kooperationspartner aktive Networker sind.'^^^ Fallt der Koordinator wahrend eines Projekts aus, fiihre dies zu groBen Komplikationen und zu zeitlichen Verz5gerungen, da sich ein Partner zunachst in die Projektkoordination einarbeiten miisste. Im auBersten Fall kSme es zum Scheitem des Projekts bzw. des virtuellen Untemehmens.^^^^ Eine Problematik, die sich bei der Kooperation mit mehreren rechtlich selbstSndigen Kooperationspartnem ergeben kann, sei darin zu sehen, dass die gemeinsame Entscheidungsfmdung einen betrachtlichen Zeitraum in Anspruch nehmen kann und damit der Flexibilitats- und Zeitvorteil gegeniiber GroBuntemehmen ungenutzt bleibt. Aus diesem Grunde ist der interviewte Geschaftsfiihrer der Uberzeugung, dass zur Steuerung eines virtuellen Untemehmens eine Mischung aus Demokratie und Diktatur am sinnvollsten ist: „... wir haben dazu einen eigenen Ausdruck: das Beste ist einfach die „Demokratur'' [327-328]. Wenn eine Diskussion unter den Projektpartnem sich zu einer langeren Debatte entwickelt und dabei kein Fortschritt zu erkennen ist, greift der Koordinator ein und entscheidet uber das weitere Vorgehen: „Es muss zwar ein gewisser Konsens da sein. Um jedoch voranzukommen, muss man schon mal klare Entscheidungen rre#e«"[334-335].'''' Das Untemehmensbeispiel TVC macht deutlich, dass innerhalb eines virtuellen Unternehmens sowohl zentrale als auch dezentrale Koordinationsinstrumente existieren konnen. Zu den zentralen Koordinationsinstrumenten gehort z. B. der Koordinator, der Entscheidungen trifft, wenn sich keine Entscheidungsfmdung unter den Projektpartnem abzeichnet. Eine dezentrale Koordination ist dagegen in den Entscheidungsfreiraumen der Projektpartner in ihren Kemkompetenzbereichen zu erkennen und in der gegenseitigen Abstimmung der Projektpartner.'^^^ Zur Beschreibung des Wechselspiels von zentralen und dezentralen Steuerungsmechanismen gebraucht der Interviewpartner das Paradoxon des „dezentralen Zentralismus''}^^^
^^^^ Vgl. [Nr.6: 36-54]. '^^^ Vgl. [Nr.6: 543-556]. ^^^^ Vgl. [Nr.6: 334-362]. '^^^ Vgl. [Nr.6: 347-362, 380-382]. '^^^ Vgl. [Nr.6: 347].
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Im Hinblick auf Probleme und Konflikte innerhalb seines virtuellen Untemehmens macht der Interviewpartner darauf aufmerksam, dass es von Vorteil ist, wenn die Partneruntemehmen im Verbund in etwa die gleiche GrOBe haben, damit Projekte ab einer bestimmten GroBe durchgefiihrt werden konnen. So sei es z. B. moglich, dass bei einem groBeren Projekt die Kapazitaten grOBerer Kemkompetenztrager ausgelastet, die Kapazitaten kleinerer Kemkompetenztrager jedoch fur ein solches Projekt nicht ausreichend sind. Aus dieser Situation k5nnten Probleme oder Konflikte entstehen, da die kleineren Projektpartner „mitwachsen" oder weitere Projektpartner gesucht werden mOssten. AbschlieBend weist der Interviewpartner darauf bin, dass es ein allgemeingultiges „Kochbuch" oder „Rezept" fiir ein virtuelles Untemehmen nicht geben wird. Der Grund dafiir besttinde in der Vielzahl der Auspragungen virtueller Untemehmen. Er vermutet, dass es durch branchenspezifische Kontextfaktoren, die GeschaftsgrSBe, den Kundensektor und den Anbietersektor deutliche Unterschiede im Aufbau und in der Koordination virtueller Untemehmen gibt.'^^' D-6: Fallstudie Softwarezentrum Bdblingen/Sinddfingen (Fallstudie Nr. 7) Das Ende 1995 gegrundete und in der GrUndungs- und Aufbauphase staatlich gefSrderte Softwarezentrum Bdblingen/Sindelfingen (SBS) ist ein Kompetenzzentrum, das aus einem Pool von 70 rechtlich selbstandigen Softwareuntemehmen besteht und als eingetragener Verein organisiert ist.^^^^ Der Vereinszweck besteht darin, die Mitgliedsunternehmen zu fordem und ihnen zum wirtschaftlichen Erfolg zu verhelfen.'^^^ Ein GroBteil der Untemehmen ist im Softwarezentrum in B5blingen ansassig. Daruber hinaus haben zirka 10 Untemehmen ihren Standort in Deutschland beziehungsweise im iibrigen Europa sowie ca. 20 % auch im auBereuropaischen Ausland.'^^"* Das SBS zeichnet sich im Ubrigen durch eine enge Verbindung zu IBM und Microsoft aus. Dies ist zum einem auf die fast 30jahrige Berufserfahrung des Interviewpartners bei IBM
'^^* Vgl. [Nr.6: 586-609]. ^^^2 Ygj pvjr.7: 20, 58-59, 225-229], Siehe hierzu auch die Homepage unter www.softwarezentrum.de (letzterAbruf: 18.05.2005). '^^^ Vgl. [Nr.7: 35-39, 479-482, 569-570]. Siehe auch die Praambel der Satzung des Softwarezentrums BOblingen/Sindelfmgen, die sich im Anhang J dieser Arbeit befindet. ^^^^ Vgl. [Nr.7: 187-191].
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fuhren. Zum anderen sind 20 Untemehmen des SBS direkte Untemehmenspartner von IBM, weitere 30 sind Microsoft-Partner.*^^^ Das SBS bietet den angehCrigen Softwareuntemehmen eine breite Palette unterschiedlicher gebUhrenfreier und geblihrenpflichtiger Dienstleistungen und Infrastrukturen an: angefangen mit der Bereitstellung von Btlroflachen, die die Unternehmen je nach Bedarf flexibel erweitem oder reduzieren kOnnen, liber die Beschaffung von Bliromobeln sowie die Bereitstellung von Kopierern, Faxgeraten, Telefonen und IntemetzugSngen, bis bin zu optionalen Sekretariatsdienstleistungen und Post-Diensten.*^^^ Mit einem jahrlichen Vereinsbeitrag von € 1.000,- pro Mitglied wird die grundlegende Infrastruktur finanziert. '^^^ Der strukturelle Uberbau des Softwarezentrums ist bewusst gering gehalten und setzt sich aus dem geschaftsfuhrenden Vorstand, der seit zwei Jahren diese Position einnimmt, und dem Verwaltungsstab, der lediglich aus einer Sekretarin und einem Hausmeister besteht, zusammen.'^^^ Die Mitglieder wahlen auf der Mitgliederversammlung drei Firmen ftir drei Jahre in den Beirat, der die Aufgabe hat, den Vorstand im Rahmen der Vereinsfiihrung zu unterstutzen. Neben der Priifung des Berichts des Abschlussprufers schlieBt der Beirat DienstvertrSge mit den Vorstandsmitgliedem ab und bestellt den Vorstandsvorsitzenden (Geschaftsflihrer).'^^^ Die Gehalter der o. g. Angestellten werden aus den Mitgliedsbeitragen bzw. aus den laufenden Einnahmen des SBS erwirtschaftet.'""' Der Interviewpartner nimmt als Netzwerkmanager bzw. Promotor des SBS zahlreiche Aufgaben war: die Bereitstellung der nStigen Infrastruktur und Dienstleistungen, die kostenfreie Beratung der Mitglieder,'^^* den Aufbau von Beziehungen zu Wirtschaft und Politik, die Offentlichkeitsarbeit, die Pflege der gemeinsamen Web-Seiten des Softwarezentrums und insbesondere die Initiierung von Projekten.'^^^ Infolge seiner langjahrigen Berufserfahrung verfugt der Interviewpartner tiber zahlreiche Kontakte zu
'^^^Vgl.[Nr.7: 369-381]. '^^^ Vgl. [Nr.7: 235-262]. '^^^ Vgl. [Nr.7: 577-580]. •^^^ Vgl. [Nr.7: 1-5]. *^^^ Siehe hierzu auch § 4 ff. der Satzung des Softwarezentrums. '^^^ Siehe auch Beckert (2000), S. 35. '^^' Vgl. [Nr.7: 171-176]. •^°^ Vgl. [Nr.7: 6-25, 83-85, 218-224].
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einflussreichen Wirtschaftsfachleuten sowie zu weiteren Untemehmensnetzwerken wie z. B. HP und IBM, die er mit dem Softwarezentrum zu verbinden versucht, um in erster Linie AuftrSge fUr das SBS zu akquirieren.'^^^ Mit Hilfe einer gemeinsamen Online-Kompetenzubersicht kOnnen sich sowohl die Mitglieder als auch potenzielle Kunden liber die im Software-Zentrum ansSssigen Softwarespezialisten informieren.'^^'* Ziel ist es, dass das Softwarezentrum mit Hilfe des Internet bekannt wird und der Kunde ohne die Hilfe des Interviewpartners an die entsprechenden Softwareuntemehmen herantreten kann.^^^^ Die Kompetenziibersicht ermoglicht es Partneruntemehmen, ohne weitere Unterstutzung durch den Netzwerkmanger Projekte im Rahmen eines virtuellen Untemehmensnetzwerks quasi selbstorganisierend abzuwickeln.'^^^ In Bezug auf das SBS betrachtet sich der Interviewpartner lediglich als „die Klammer, die alles zusammenhdlt [82]. Seine Rolle als Promotor werde z. B. darin deutlich, dass er Projekte initiiert und den Mitgliedsuntemehmen dabei hilft, Auftr^ge zu akquirieren, sich aber sofort aus dem Projekt zuruckzieht, sobald er erkennt, dass das Projekt problemlos und eigenstandig unter der Leitung der beteiligten Untemehmen abgewickelt werden kann.'^^^ Bei auftretenden Problemen tritt der Interviewpartner als .Mediator'' auf und versucht, zwischen den Partnem zu vermitteln bzw. zur Problemlosung beizutragen/^^^ Wenn ein Projekt akquiriert wurde und die geeigneten Partner zur Abwicklung des Projekts gefunden wurden, existiert h^ufig ein Partner, dem als Generaluntemehmer die Projektkoordination obliegt und der die Schnittstelle des Netzwerks zum Kunden bildet/^^^ Der Interviewpartner ist aufgrund seiner Berufserfahrung und aufgrund der Haftungsfrage davon uberzeugt, dass ein Partner die Projektleitung Ubemehmen muss. Dabei sei darauf zu achten, dass die Projektorganisation strikt neutral erfolgt.'^^^
'^°^Vgl.[Nr.7: 369410]. ^'^^ Vgl. [Nr.7: 51-62]. Siehe auch unter http://www.softwarezentrum.de/contagio.php3 (letzter Abruf 18.05.2005). ^^^^ Vgl. [Nr.7: 150-156, 165-169,419-424]. *^°^ Vgl. [Nr.7: 86-107]. ^^°^ Vgl. [Nr.7: 116-121, 135-149, 171-174, 362-368, 515-519]. '^^^ Vgl. [Nr.7: 492,601-617]. '^^^ Vgl. [Nr.7: 306-309]. '^•° Vgl. [Nr.7: 484-489].
Fallstudien
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Unter den Netzwerkpartnem habe sich im Laufe der Kooperationen, im Rahmen von Vereinsversammlungen und sog. „Happy Hours" Vertrauen entwickelt. Das Vertrauen unter den Partnem wird vom Interviewpartner als ein wichtiger erfolgskritischer Faktor herausgestellt, da es eine Voraussetzung filr die Aussch5pfung der Potenziale eines virtuellen Untemehmens darstellt.'^*' Auf dieser Grundlage sei es moglich, dass die Koordination der Leistungserstellung sehr haufig lediglich uber mtindliche Absprachen erfolgt. Der Interviewpartner begriindet den Verzicht auf schriftliche VertrSge zudem auch mit der Wirkung psychischer Mechanismen: ,,Es gibt hier eine psychologische Abhdngigkeit: man will sich hier ja nicht blamieren'"' [351]. SoUte sich z. B. ein Partner nicht erwartungsgemaB verhalten, wiirde sich diese Information sehr rasch unter den Vereinsmitgliedem verbreiten und ein negatives Image des jeweiligen Untemehmens hervorrufen.'^'^ Der Interviewpartner ist davon uberzeugt, dass ein virtuelles Untemehmensnetzwerk umso besser funktioniert, je geringer die geographischen Distanzen zwischen den Partnem sind. Seiner Meinung nach ist eine effiziente Nutzung intemational arbeitender Kooperationspartner nur in einem GroBuntemehmen mOgUch, das ein aufw^ndiges Managementsystem aufrechterhahen kann. In einem virtuellen Verbund, der auf der Basis des Softwarezentmms als eines stabilen Untemehmensnetzwerks aufbaut, sei es notwendig, dass die Partner untereinander bekannt sind und ihre Starken und Schwachen genau kennen.^^*^ Fur eine erfolgreiche Projektarbeit ist es nach Auffassung des Interviewpartners wesentlich, dass neben dem Generaluntemehmer die Anzahl der Kooperationspartner uberschaubar (optimal: drei bis vier Partner) und der beim Projektmanagement entstehende Aufwand mOglichst gering bleibt.'^'"^ Der Interviewpartner bezeichnet das Softwarezentmm selbst als „sehr virtuelles Unternehmen'' [30] bzw. als „virtueller als alle anderen'' [280], obwohl er darauf aufmerksam macht, dass es aus der Sicht der Wissenschaft kein echtes virtuelles Untemehmen darstellt.'^^^ Seiner Auffassung nach erfullt es zahlreiche Kriterien eines virtuellen Untemehmens: raumliche Verteilung der Kooperationspartner, selbstandige Untemehmen beteiligen sich an Kooperationen, gemeinsame Nutzung von Infrastruk-
1911
Vgl. [Nr.7: 552-547, 527].
1912
Vgl. [Nr.7: 314-360].
1913
Vgl. [Nr.7: 62-70, 323-325].
1914
Vgl. [Nr.7: 295-312].
1915
Vgl. [Nr.7: 26-31,76-77].
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Anhang D
tur, Teilung von Risiko, flexibler Zugriff auf Ressourcen, gemeinsamer Zugang zu MSrkten und Kunden, erganzende Kemkompetenzen, Aufl6sung nach Zielerreichung, gemeinsames Auftreten gegenuber dem Kunden sowie die Leistungserstellung unter Verwendung modemer Informations- und Kommunikationsmedien. Dagegen grenzt sich der Interviewpartner seiner Meinung nach zur Auffassung der Literatur in dem Punkt ab, dass die Projektkoordination zentral, d. h. unter seiner Mitwirkung, erfolgen sollte.'^'^ Dies begrtindet der Interviewpartner damit, dass ein zentraler Koordinator aus zeitlichen und KapazitStsgriinden auBer Stande wSre, mehrere virtuelle Untemehmen gleichzeitig zu koordinieren. Zudem wiirde eine zentrale Projektkoordination erhebliche Kosten verursachen und die FlexibilitSt der Projekte beeintrachtigen. Um den Anforderungen einer flexiblen und kostengUnstigen Projektarbeit entsprechen zu konnen, erfolgt daher die Koordination der virtueilen Untemehmen v. a. durch die Projektpartner selbst. Sie stimmen sich bei der Planung und Leistungserstellung im Rahmen eines Selbstorganisationsprozesses gegenseitig ab. Abgesehen von der Annahme, dass eine zentrale Koordinationsstelle aus den o. g. GrOnden zu suboptimalen Ergebnissen ftihren wiirde, bestehe die Gefahr darin, dass im Haftungsfall das gesamte Untemehmensnetzwerk des SBS gefUhrdet werden wUrde. Durch die Selbstorganisation auf der Projektebene bleibt die Verantwortung ausschlieUlich bei den Projektpartnem. Konflikte innerhalb eines Projekts oder HaftungsfHlle wiirden den Bestand des SBS damit nicht gefahrden.'^'^ Die Virtualitat sei im Softwarezentrum vor allem in der flexiblen Zusammenarbeit begriindet. Diese Flexibilitat konne z. B. darin gesehen werden, dass ein Untemehmen je nach Bedarf die GrSBe der angemieteten Biirofiache variieren, sehr rasch preiswerte KonferenzrSume nutzen kann und flexibel mit den ansSssigen Softwareuntemehmen kooperieren kann.^^'^ Diese Flexibilitat und Starke des SBS vergleicht der Interviewpartner mit dem Beispiel eines Heringsschwarms, das deutlich macht, das ein einzelnes Untemehmen nicht das Potenzial hat, grOBere Auftrage abzuwickeln. Ein Verbund von Untemehmen ist dagegen in der Lage, selbst mit mittelstandischen und GroBuntemehmen konkurrieren zu k5nnen.'^'^ Im Gegensatz dazu ware ein groBes Untemeh-
^^^^ Vgl. [Nr.7: 515-537, 585-588]. '^'^ Vgl. [Nr.7: 589-599]. '^'^ Vgl. [Nr.7: 263-284]. '^'^ Vgl. [Nr.7: 41-50, 285-294].
Fallstudien
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men nicht in der Lage, den Kundenwtinschen so schnell und flexibel gerecht werden zuk5nnen.'^^° Die Kommunikation unter den Mitgliedem des SBS erfolge im Wesentlichen „face-toface" und werde ergSnzt durch Telefon, Fax und E-Mail. Darliber hinaus erscheine zwei bis drei Mai im Jahr auch eine kostenlose Firmenzeitung, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, wie z. B. Untemehmenskommunikation, Finanzdienstleistungen und Fertigungsindustrie. Mit Hilfe dieser Firmenzeitung konnen sich die Mitglieder bzw. die Kunden tiber die einzelnen Netzwerkpartner informieren und direkt an den jeweiligen Spezialisten herantreten.'^^' Der Interviewpartner will mit der Firmenzeitung erreichen, dass die Kunden direkt auf die Firmen zugehen konnen und dadurch ein geringerer Verwaltungsaufwand entsteht. Neben der gemeinsamen Firmenzeitung verfligt das SBS auch uber eine netzwerkinteme Job-B(3rse. Sobald sich ein Bewerber beim SBS meldet, leitet der Interviewpartner seine Bewerbung tiber E-Mail-Verteiler an die potenziellen Partneruntemehmen weiter.'^^^ Dariiber hinaus informiert der Interviewpartner die Partneruntemehmen per E-Mail liber Seminare sowie praxisrelevante Veranstaltungen.^^^^ Das Verhalten der Mitgliedsuntemehmen des Softwarezentrums wird durch zwei Regeln gesteuert: Zum einen ist es den Mitgliedsuntemehmen untersagt, untereinander Personal abzuwerben. Diese Regelung wurde Ende der 90er Jahre aufgestellt, in denen ein Mangel an Fachkraften im IT-Bereich herrschte. SoUte sich jedoch ein Netzwerkpartner nicht regelkonform verhalten, wiirde er mit einem Vertrauensverlust zu rechnen haben. In schwerwiegenden Fallen kann er auch aus dem Verein ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund der Gefahr eines Wissensverlustes, die durch das Abwandem von Fachkraften entstehen wtirde, werde auf den Austausch von Mitarbeitem im Sinne einer Job-Rotation verzichtet.^^^'* Die zweiteRegel besagt, dass kein neues Untemehmen in den Verbund aufgenommen werden darf, wenn es in direkter Konkurrenz zu einem Mitgliedsuntemehmen steht. Erst wenn das betreffende Untemehmen seine Einwilligung gibt, kann das neue
'^^° Vgl. [Nr.7: 338-342]. '^^* Vgl. [Nr.7: 122-140]. '^^^ Vgl. [Nr.7: 193-217]. '^^^ Vgl. [Nr.7: 409-418]. '^^"^ Vgl. [Nr.7: 437-457].
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Untemehmen aufgenommen werden/^^^ Daneben existiert die ungeschriebene Regel, dass die Verrechnung von Leistungen innerhalb des Netzwerks nicht uber marktliche Preise, sondem uber Freundschafts- bzw. Sonderpreise erfolgen soil. Der Endpreis einer Projektleistung berechnet sich aus zuvor ausgehandelten Preisen der Kooperationspartner.'^^^ AIs einen zentralen Erfolgsfaktor betrachtet der Interviewpartner die Flexibilitat des Netzwerks. Dadurch, dass zahlreiche in- und auslandische Softwarespezialisten im Verein organisiert sind, besteht die Moglichkeit der flexiblen und auftragsbezogenen Kombination der im Netzwerk vorhandenen Kemkompetenzen, die gemeinsam wiederum neue Kemkompetenzen hervorbringen konnen. Die Unterstutzungsfunktionen des Vereins, die z. B. in der Ubemahme der Verwaltungsaufgaben, der Sicherstellung der Erreichbarkeit aller Untemehmen und der Bereitstellung der technischen und materiellen Infrastmktur bestehen, seien dabei als notwendige bzw. fSrdemde Faktoren eines virtuellen Untemehmens zu betrachten.^^^^
D-7: Fallstudie Creaprodi (Fallstudie Nr. 8) Die Creaprodi^"^^^ GmbH ist ein stabiles, vorwiegend regional stmkturiertes, virtuelles Untemehmensnetzwerk/^^^ das aus neun festen,'^^° d. h. durch einen Gesellschaftervertrag gebundenen,'^^* rechtlich selbstSndigen Kooperationspartnem besteht und sich auf den Bereich der Arbeitsplatzgestaltung spezialisiert hat.^^^^ Das Untemehmen bietet seinen vor allem mittelstSndischen Kunden Beratungsdienstleistungen und deren Umsetzung in den Bereichen Organisationsentwicklung, Personalentwicklung, Marketing, Kommunikation, Intemet- und Datenbanken, Raumgestaltung sowie Shop-inShop-Systemean.^^^^
'^^^ Vgl. [Nr.7: 438-462]. ^^^^ Vgl. [Nr.7: 492-506]. ^^^^ Vgl. [Nr.7: 464-484]. Der Name ,,Creaprodt leitet sich aus dem Leitsatz: „kreative Produkte und Dienstleistungen" ab. Vgl. [Nr.8 14]. '^^^ Vgl. [Nr.8 254-257, 242-243]. ^^^^ Vgl. [Nr.8 239-240]. '''' Vgl. [Nr.8 456-458]. '^^^ Vgl. [Nr.8 83-85, 161-163]. *^" Vgl. [Nr.8: 77-87, 547-548]. Siehe hierzu auch die Homepage der Creaprodi unter www.crea 3rodi.de HetzterAbruf: 18.05.2005).
Fallstudien
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Die Creaprodi verfolgt eine ganzheitliche Betrachtungsweise, indem sie sich nicht als eine klassische Untemehmensberatung versteht, sondem den Kunden vom Strategieentwurf bis hin zur Umsetzung von Umgestaltungsprozessen und Durchfiihrung von WeiterbildungsmaBnahmen begleitet. Dabei wird darauf geachtet, dass die Arbeitsplatzgestaltung im Einklang mit der bestehenden Untemehmenskultur des auftraggebenden Untemehmens steht. Urn diese umfassenden Leistungen flexibel anbieten zu konnen, werden je nach Projekt einzelne oder mehrere Poolpartner mit einbezogen, die sich hinsichtlich ihres Kemkompetenzprofils unterscheiden.'^^"^ Die Untemehmensstrategie baut auf drei SSulen auf: das Unternehmensgebaude, in dem innovative Arbeitsbereiche geschaffen werden, dem Mitarbeiter, der durch die verbesserte Integration in den Arbeitsprozess motiviert wird, und die Produkte bzw. die Prozessorganisation, bei der der Fokus auf der Technisierung und der integrierten Projektentwicklung liegt'^^^ Der Interviewpartner ist geschaftsfiihrender Gesellschafter, Hauptanteilseigner und Griinder der Firma und betrachtet sich als ,,Prozesstreibef' [178] der Creaprodi, der fur die Koordination der Leistungserstellung und die Mitarbeiterentwicklung innerhalb des Netzwerks verantwortlich ist.'^^^ Innerhalb des Netzwerks nimmt der Interviewpartner damit eine zentrale Stellung ein. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Organisationsaufbau durch eine hierarchische Struktur gekennzeichnet ist, da der Koordinator nicht weisungsbefugt ist.^^^^ Vor dem Hintergrund seiner 10-jahrigen Erfahrung als technischer Leiter eines mittelstandischen Untemehmens ist er jedoch der Auffassung, dass ein virtuelles Untemehmen eine zentrale Steuerung haben muss. Da die Poolpartner heterogene Kemkompetenzen aufweisen und aus unterschiedlichen Branchen kommen, sei schon beim Aufbau des virtuellen Untemehmens eine gemeinsame strategische Ausrichtung bzw. die Entwicklung eines gemeinsamen Strategieplans (Ziel) notwendig gewesen. Die Kooperationspartner der Creaprodi k5nnen grob in Poolpartner und Projelctpartner unterschieden werden. Im Gegensatz zu den Poolpartnem, die feste Partner der Creaprodi darstellen, kOnnen im Falle fehlender Kompetenzen zusatzlich Projektpartner lose, d. h. nur projektbezogen und Uber Zulieferver-
*^^^ Vgl. [Nr.8: 55-57, 127-160, 200-209]. ^^^^Vgl.[Nr.8: 6-10, 110-126]. '^^^ Vgl. [Nr.8: 175-185]. '^^^ Vgl. [Nr.8: 191-192,416].
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trSge, eingebunden werden.^^^^ Der Interviewpartner vertritt als Ansprechpartner die Creaprodi GmbH gegenuber dem Kunden.^^^^ Der Aufbau des latenten Netzwerks der Creaprodi wurde 1998 mit der Suche nach festen Kooperationspartnem begonnen. Die Suche erfolgte in erster Linie nicht Ober das Internet, sondern Uber soziale Beziehungsnetzwerke:'^"*^ ,,Das sind Verbindungen, bei denen es auf Vertrauen, Verldsslichkeit und Gemeinsamkeiten ankommt'' [282283]. Die Auswahl verlasslicher und spezialisierter Kooperationspartner stellt eine wesentliche Voraussetzung ftir den Aufbau von Vertrauen innerhalb des Kooperationsnetzwerks dar, das entscheidend dazu beitrSgt, das Risiko eines wirtschaftlichen Scheitems zu reduzieren.'^"** Die Stabilitat eines virtuellen Untemehmens hangt nach Auffassung des Interviewpartners zudem davon ab, ob die Kooperationspartner von kurzfristigen fmanziellen Anreizen motiviert sind und die Creaprodi als eine Auftragsvermittlungsagentur betrachten^^"*^ oder ob sie die eher mittel- bis langfristigen Vorteile und Potenziale eines starken wirtschaftlichen und sozialen Beziehungsnetzwerks erkannt haben.^^"*^ Vertrauen, dass der Interviewpartner als Grundlage der Kooperation betrachtet, wurde unter den Partnem im Laufe der Zeit wShrend der gemeinsamen Projektarbeit, durch Konferenzen oder informelle Treffen wie z. B. bei Freizeitaktivitaten aufgebaut.*^'^'* AusflUge werden dariiber hinaus dazu genutzt, das GemeinschaftsgefQhl unter den Poolpartnem zu starken/^"^^ Durch die informellen Treffen, bei denen ein reger Gedankenaustausch erfolgt, kann auf die zeitaufwandige Organisierung von Partnertreffen weitgehend verzichtet werden.'^"^^ Zudem seien Englisch-Kurse durchgefuhrt worden, damit die Netzwerkpartner auch mit intemationalen Kooperationspartnem und Kunden verhandlungssicher auftreten konnen.'^"*^
'''' Vgl. [Nr.f \: 43-49]. '939 v g i [Nr.J;: 42-43,61-63,65-68,175-179]. •940 v g , [Nr.JJ: 273-284,299-312, 714-719]. 1941 v g , [NrJI: 225-229, 482-497]. Siehe hierzu auch Hofmann (2003), S. 9 '942 v g , \Nr.tJ: 319-325]. '943 Vg, [Nr.JJ: 720-723]. '944 Vg, [Nr.l5:243.246,285-286,358-360]. '945 Vg, \NrAJ: 553-564]. •946 Vg, [Nr.i5:273-295,515-517]. '947 Vgl [Nr.^I: 69-76].
Fallstudien
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Wird ein Auftrag an die Creaprodi vergeben, erfolgt zunachst eine Projektplanung bzw. ein ..Brainstorming^' [54] unter den beteiligten Netzwerkpartnem.'^"^^ Zu Beginn eines Projekts, das im Durchschnitt ein bis zwei Jahre dauert^^"*^, wird ein gemeinsam erstellter Zeit- und Kostenplan entworfen und ein federftihrender Projektpartner gewahlt, der die Leistungen der Partner zusammenfUhrt und an den Interviewpartner weiterleitet.'^^° Der Interviewpartner ist der Uberzeugung, dass ein virtuelles Unternehmensnetzwerk nicht ohne eine zentrale Ftihrung bzw. einen Promotor erfoigreich koordiniert werden kann: ,^edes Netzwerk lebt von einem solchen Promotor. Ohne eine zentrale Person, die alles im Blick behdlt, wurde das nicht laufen'' [735-736]. Die Projektleitung erfolgt aus diesem Grund durch ihn selbst bzw. einen Kompagnon, der in die Projektarbeit eingebunden ist.'^^' Der Kunde erhalt das Angebot und die Rechnung ausschlieBlich von der Creaprodi GmbH.^^" Bei der Erstellung des Angebots werden keine Pauschalpreise offeriert. Eine wesentliche Koordinationsaufgabe besteht darin, zwischen den Vorstellungen und WUnschen des Kunden und den Umsetzungsvorschiagen der Partner zu vermitteln, urn die vom Kunden gewUnschte Leistung erstellen zu k5nnen.*^^^ Der Kunde erhalt eine Kosteniibersicht, bei dem die Einzelleistungen aufgelistet werden und auf mSglicherweise auftretende Probleme bei der Projektumsetzung aufmerksam gemacht wird. Dam it hat der Kunde schon vor Projektbeginn einen genauen Uberblick tiber die veranschlagten und die aus der Erfahrung der Kooperationspartner mOglicherweise zusatzlich auftretenden Kosten.*^^"* Die Abrechnung mit dem Kunden erfolgt monatlich, um Liquiditatsprobleme zu verhindem.'^^^ Die Kommunikation erfolgt zu Projektbeginn bei persOnlichen Vor-Ort-Treffen mit dem Kunden und den beteiligten Kooperationspartnem. Nachdem grundlegende Aspekte hinsichtlich des Projekts abgesprochen wurden, verwenden die Kooperationspartner verstarkt modeme Informations- und Kommunikationsmedien wie E-Mail und
1948' ,;„, Vgl. rxT[Nr.8o. 52.56^ 571-579,657-658]. '''' Vgl. [Nr.8 60-61]. '^^^ Vgl. [Nr.8 64-67,225-233, 333-338]. '''' Vgl. [Nr.8 348-357,515-518,731-736]. '^" Vgl. [Nr.8 65-69]. ''" Vgl. [Nr.8 360-384]. ^'^' Vgl. [Nr.8 581-601]. *^" Vgl. [Nr.8 420-424].
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Telefon.'^^^ Im Rahmen eines Forschungsprojekts des Fraunhofer-Instituts in Stuttgart wurde der Einsatz und Nutzen modemer, insbesondere computeruntersttitzter Kommunikation in der Creaprodi untersucht/^" Im Rahmen eines Projekts wurde ein Multimedia-Briefing mit Hilfe von digitalisierten Videosequenzen erprobt. Bei dem Projekt handelte es sich um die Durchfiihrung eines Strategieworksliops in einer Anwaltskanzlei durch die Creaprodi. Anstelle eines persSnlichen Vor-Ort-Treffens wurden unterschiedliche Videosequenzen aufgenommen, bearbeitet und geschnitten und in digitalisierter Form den Kooperationspartnem (ibermitteltJ^^^ Der Nutzen eines Multimedia-Briefings, der z. B. in der Animation des Zieies besteht*^^^, sei im Verhaltnis zu dem hohen Aufwand, den die Vorbereitung einnimmt, derzeit noch zu gering.*^^^ Zudem wtirde es eine Einarbeitungszeit aller Kooperationspartner erfordem, die zunachst einmal Kosten produzieren wtirde, die nur schwer uber die Projekte finanziert werden kOnnten. Der Interviewpartner ist jedoch der Uberzeugung, dass der Koordinationsaufwand so gering wie m^glich gehalten werden soUte, um die Flexibilitats- und Kostenvorteile eines virtuellen Untemehmens ausschdpfen zu kOnnen. Daher sollten zur Projektuntersttitzung nur gSngige und kostengUnstige ITSysteme (v. a. E-Mail und elektronische Terminkalender (z. B. Uber Outlook)) eingesetzt werden, die herkSmmliche Informationsmedien wie z. B. Projektakten ergSnzen.'^^' Ftir den Interviewpartner ist die Bedeutung der intemetbasierten Informationsund Kommunikationstechnologien der von sozialen Beziehungen in einem virtuellen Untemehmen nachgeordnet:'^^^ „M3f« muss das viel mehr von der sozialen Perspektive aus betrachten. [...] FUr mich gehdrt die Technik in den Hintergrund, weil sie viel mehr Moglichkeiten bereithdlt, als man uberhaupt braucht. Das virtuelle Untemehmen wirdvielfachfalsch
verstanden'' [723-728].
Schrifl;liche VertrSge existieren zwar schon seit der Grtindung der Creaprodi, jedoch seien sie infolge von Meinungsverschiedenheiten beztiglich der Ausgestaltung nicht als Projektgrundlage gewShlt worden. Bei der ProjektdurchfUhrung wird auf der Basis
^^^^ Vgl. [Nr.8: 385-408]. '^" Siehe hierzu auch Benz (2003b), S. 116. ^^^* Vgl. [Nr.8: 388-398]. '^^^ Vgl. [Nr.8: 658-659]. '^^^ Vgl. [Nr.8: 627-642, 655-656]; Benz (2003b), S. 124. '^^^ Vgl. [Nr.8: 210-225,631-636,650-655]. Siehe hierzu auch Hofmann (2003), S. 9. '^" Vgl. [Nr.8: 210-218].
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von Vertrauen unter den Netzwerkpartnem ganz auf schriftliche Vertrage verzichtet, wodurch Flexibilitats- und Kostenvorteile realisiert werden kSnnen. Der Interviewpartner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass an die Stelle der VertrSge und formalistischer Regelungen'^^^ das Vertrauen unter den Pooipartnem und die Aufstellung genau definierter Rahmenbedingungen und Zieie, d. h. v. a. die Einzelleistungen und ein genauer Terminplan, getreten sind. Dadurch, dass die Netzwerkpartner auf der Grundlage eines gemeinsamen und vertrauensbasierten GeschaftsverstSndnisses zusammenarbeiten und die Rahmenbedingungen und Ziele bei der Projektarbeit bekannt sind, kSnne der Koordinationsaufwand reduziert werden und Seibstorganisationsprozesse untersttitzt werden: ,,Das ist eine Kombination, bei der alle Beteiligten gewinnen, und dann muss ich nicht stdndig alles koordinieren, well es dann eben auch von selber lauft [430f.].'^^'* Der Interviewpartner versucht, bei der Koordination so wenig wie m5glich auf formaie Regelungen zurllckgreifen zu mtissen, da sie einerseits Kosten produzieren wiirden und andererseits Ausdruck von Unsicherheit seien.*^^^ Erfordem einzelne Projekte jedoch eine rechtliche Absicherung durch schriftliche VertrSge, k5nnen die bereits vorliegenden Vertragswerke flexibel genutzt werden. Infolgedessen wUrde sich jedoch der Koordinationsaufwand nach Einschatzung des Interviewpartners erhOhen.^^^^ Nach Beendigung eines Projekts erfolgt eine kritische Projektabschlussbesprechung, bei der auf die erfolgreich durchgefiihrten Aufgaben und auf die aufgetretenen Probleme noch einmal eingegangen wird, um Konsequenzen fiir die folgenden Projekte zu Ziehen und Lemeffekte nutzen zu kOnnen.'^^^ Der Interviewpartner ist davon Uberzeugt, dass das Konzept des virtuellen Untemehmens in 10-15 Jahren alle bisherigen Wirtschaftsformen ablSsen wird, da es ein effizientes Modell sei, um den wirtschaftlichen Herausforderungen und Risiken der Zukunft gerecht zu werden.'^^^ Ein wesentliches Problem dieses Konzepts bestehe
1963 x,„, rxT. o. 6 4 4 ^ 4 g ]
Vgl. [Nr.8
^^^^ Vgl. [Nr.8: 409-481]. '^^^ Vgl. [Nr.8 540-546, 644-648,666-672]. ^^^^ Vgl. [Nr.8 468-481]. *^^^ Vgl. [Nr.8 603]. '^^^ Vgl. [Nr.8 685-700].
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jedoch in der anfangs geringen Akzeptanz von Seiten der Kunden als auch von Seiten potenzieller Finanzgeber.'^^^ Der Interviewpartner vermutet, dass der Koordinationsaufwand von den Erwartungen bzw. von der Zielsetzung der Kooperationspartner abhSngt. So ist seiner Meinung nach der Koordinationsaufwand grSfier, wenn die Kooperationspartner durch die Beteiligung an einem virtuellen Untemehmen eine Erweiterung ihres Leistungsspektrums erwarten (Beispiel: VF Euregio). Dagegen sei der Koordinationsaufwand geringer, wenn die Bildung eines virtuellen Untemehmens auf einer pr^zisen Zielsetzung erfolge, z. B. der kemkompetenzorientierten Zusammenarbeit mit der Spezialisierung auf die Arbeitsplatzgestaltung (wie z. B. bei Creaprodi)}^^^
D-8: Fallstudie 123plus (Fallstudie Nr. 9) Das virtuelle Untemehmen J23plus wurde im Friihjahr 2002 in Freiburg als GbR gegriindet und besteht aus drei gleichberechtigten Gesellschaftem, die sich jeweils auf ihre Kemkompetenzen spezialisiert haben und gemeinsam Intemetdienstleistungen anbieten. Zu den zentralen Geschaftsbereichen gehOren Grafik-Design und CorporateDesign sowie Webdesign als auch Intemetmarketing und Intemet-Beratungsdienstleistungen.^^^^ Die 123plus hat sich auf mittelstandische Untemehmen spezialisiert, die ihr Marketing vor allem im Intemet positionieren und einen hohen Anspmch an KommunikationslGsungen und Design haben. Unwesentlich ist dabei, woher die Kunden stammen, da die Beratung zu einem GroBteil Uber Telefon und E-Mail erfolgt. Somit kann ein (iberregionaler als auch intemationaler Kundenkreis angesprochen werden.'^^^ Die Stmktur der Projekte der 123plus lehnt an das Prinzip des Generaluntemehmers an. Bei Gemeinschaftsprojekten tritt ein Generaluntemehmer gegenUber dem Kunden auf Die Projektpartner werden je nach Projektanforderung sowohl aus dem latenten Netzwerk aus Kooperationspartnem ausgewShlt oder, soweit die gesuchte Kemkompetenz nicht im Netzwerk vorhanden ist oder aus Kapazitatsgrtinden nicht zur Verftigung
'^^^ Vgl. [Nr.8: 21-28,90-94,699-711]. ^^^^ Vgl. [Nr.8: 520-535]. ^^'^^ Vgl. [Nr.9: 1-13, 102-106, 315-316]. Siehe hierzu auch die Homepage unter www.123plus.de (letzterAbruf 19.05.2005). *^'^ Vgl. [Nr.9: 106-142].
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steht, auch tiber das Internet gesucht. Die Kooperationspartner werden als Zulieferer in das Projekt mit eingebunden und nach einem zuvor ausgehandelten Preis entlohnt.^^^^ Unter den Partnem aus dem Netzwerk der 123plus werden aus FlexibilitatsgrUnden keine VertrSge geschlossen. Nach Ansicht des Interviewpartners kann auf schriftliche Projektvertr^ge verzichtet werden, da sich die Partner z. T. bereits aus Studienzeiten persOnlich kennen. Im Laufe der Projekte sind die Vertrauensbeziehungen intensiviert worden, die der Interviewpartner als sehr wichtig erachtet. Aus diesem Grunde sei es nicht notwendig, selbst Fragen der Aufteilung der projektbezogenen Kosten und Gewinne in einem Kooperationsvertrag festzuhalten: ,,Entweder arbeitet man zusammen oder man lasst es bleiben''[\OQ'\0\]}^'"^ Vertrage werden nur dann geschlossen, wenn flir ein Projekt ein bisher unbekannter Projektpartner, mit dem bisher noch nicht kooperiert wurde, eingebunden wird oder der Kunde die Einzelleistungen der Projektpartner defmiert und eine genaue Obersicht Uber das gesamte Dienstleistungsangebot bekommen m5chte. Die Vertrage wUrden dann per E-Mail an den Vertragspartner geschickt werden. ^^^^ Der zweite Interviewpartner vertritt die Auffassung, dass es ftir die erfolgreiche Durchftlhrung eines Projekts in einem virtuellen Untemehmen vorteilhaft ist, wenn die Kooperationspartner ein gemeinsames Geschaftsverstandnis und eine ahnliche Geschaftskultur aufweisen sowie problemorientiert arbeiten kOnnen. Dies erleichtere die Zusammenarbeit und ermOgliche es, auf schriftliche Vertrage zu verzichten.^^^^ Die Projektarbeit wird durch ungeschriebene Regeln gesteuert, die auf den Erwartungen der Netzwerkpartner beruhen und sich im Laufe der Projekte entwickelt haben. So wird z. B. die Beziehung zwischen dem Generaluntemehmer und den Zulieferem bzw. Subuntemehmem durch die Kegel geleitet, dass der Subuntemehmer sein Angebot nicht direkt dem Kunden prasentiert, sondem erst mit dem Generaluntemehmer abspricht, sodass interne und exteme Preise vereinbart werden kOnnten. Dabei wird prinzipiell auf Provisionen verzichtet, da sie nach Ansicht des Interviewpartners zu einem unerwtinschten Verhalten fiihren. Finanzielle Aspekte wurden dabei starker
'^^^ Vgl. [Nr.9: 14-28]. *^^^ Vgl. [Nr.9: 80-89,242-258, 316-318], *^^^ Vgl. [Nr.9: 90-101, 188-205]. Siehe hierzu auch das BeobachtungsprotokoH im Anhang G, das sich im Extraband der Anlagen befindet. *^^^ Vgl. [Nr.9: 65-79].
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motivieren als die konkrete kundenorientierte Probleml5sung.*^^^ Eine weitere ungeschriebene Kegel beinhaltet, dass der Kontakt zum Kunden nicht Ober die einzelnen Subuntemehmer erfolgt, sondem ausschlieBlich von einem zentralen Ansprechpartner, dem Generaluntemehmer. Eine direkte Kommunikation zwischen den Kooperationspartnem und dem Kunden erfolgt nur, wenn sich der Kunde Uber die Leistungen der einzelnen Partner genauer erkundigen mOchte.^^^^ Die DurchfUhrung eines Projekts bei der J23plus wird durch den Generaluntemehmer gesteuert. Der Generaluntemehmer ist dabei immer derjenige Partner, der den Projektauftrag akquiriert und den Kontakt zum Kunden hergestellt hat. Dadurch hat der Kunde den Vorteil, dass er einen festen Ansprechpartner im Kooperationsnetzwerk hat.^^^^ Vor dem Hintergmnd mOglicher Akzeptanzprobleme wird dabei je nach Projekt und Kundenprofil die Arbeitsweise der 123plus als virtuelles Untemehmen zu erkennen gegebenJ^^^ Der Generaluntemehmer nimmt dabei die Rolle eines Schnittstellenmanagers ein, dessen Aufgabe es ist, ,,^/e WUnsche des Kunden z. B. in die Sprache eines Informatikers zu iibersetzen, damit das Problem genau erfasst und umgesetzt werden kann'* [237-238]. Um den arbeitsteiligen Leistungserstellungsprozess bei der 123plus zu steuem und einen Kommunikationsinfrastmktur zu schaffen, wird ein Webserver eines Intemetproviders genutzt, um die jeweiligen Projektdaten zentralisiert abzulegen.^^^^ Dies hat gegeniiber einem eigenen Server den Vorteil, dass keine Serverwartungen durchgeftihrt werden mUssen und keine zusatzliche Zeit daftir investiert werden muss. Hinzu kommt ein nicht unwesentlicher Flexibilitatsvorteil bei der Arbeitsgestaltung, da mit dieser LOsung ein Zugriff von jedem Intemetrechner m5glich ist. Jeder Kooperationspartner ist mit entsprechenden Zugriffsrechten autorisiert, auf die jeweiligen Projektdaten zuzugreifen, projektrelevante Informationen einzustellen und Uber das integrierte Intemet-Diskussionsfomm, neben der Verwendung von E-Mail, mit den Partnem zu kommunizieren. Auf die Verwendung spezieller Groupware-Systeme wird aus wirtschaftlichen Grtinden verzichtet, da die Beschaffung von Lizenzen mit einem finanziellen Aufwand fUr die Projektpartner verbunden ist und dariiber hinaus Schulungen
'^^^ Vgl. [Nr.9: 36-64]. ^^"^^ Vgl. [Nr.9: 259-274]. '^^^ Vgl. [Nr.9: 227-241,273-274, 319-323]. '^^^ Vgl. [Nr.9: 29-36]. ^^^' Siehe hierzu auch das Beobachtungsprotokoll im Anhang G.
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durchgeflihrt werden mtissten, die die Flexibilitat der Projektarbeit sowie das kurzfristige Einbinden neuer Projektpartner einschranken wtirden. Der Interviewpartner ist der Auffassung, ,,dass es wesentlich effizienter ist, sich auf Standardtechnologien zu einigen, die jeder hat und auf die jeder zugreifen kann, als irgendwelche riesigen Programmtools voraussetzen zu mussert' [153-155]. Neben diesem Webserver, der uber das Internet erreicht werden kann, wird bei der I23plus zur terminlichen Koordination ein gemeinsamer Terminkalender (von Puretech) verwendet. Auch diese ITInfrastruktur ist an einen Intemetprovider „ge-outsourced" worden und stelle mit ftlnf Euro pro Monat eine sehr preiswerte und effiziente LCsung dar. Mit Hilfe von Outlook-Web-Access kOnnen dann die Kooperationspartner die Termine von der Termindatenbank auf ihren Rechner Ubertragen und sogar in die Terminplanungen ihrer Partner Einblick nehmen.*^^^ Der Interviewpartner ist der Auffassung, dass die Effizienz von Meetings bzw. Projekttreffen im Vergleich zur Kommunikation Uber E-Mail und Intemetdiskussionsforum geringer ist. Dies hinge damit zusammen, dass nicht alle Projektpartner die Fahigkeit zum aktiven ZuhOren bzw. Diskutieren batten. Schwierig werde es auch, wenn mehr als sieben Partner an einem Projekt beteiligt sind, sich auf gemeinsame L5sungen zu einigen. Dagegen sei die Verwendung von E-Mail dadurch effizienter, da die Partner ihr Problem konkretisieren und formulieren mtissten und dabei im Vergleich zu Diskussionen ein Zeitvorteil genutzt werden k5nne.^^*^ Die Vorteile eines virtuellen Untemehmens werden von dem Interviewpartner darin gesehen, dass Kemkompetenzen und Technologien durch das Outsourcing-Prinzip sehr flexibel eingesetzt und je nach Kundenanforderung kombiniert werden k5nnen.^^^"* Durch das flexible Einbinden von rechtlich selbstandigen Partnem entstehen im Vergleich zu traditionellen Untemehmen nur sehr geringe Fixkosten.'^^^ Dartiber hinaus ermCglicht die geringe Anzahl an Projektpartnem und das Prinzip des Generaluntemehmers eine schnelle Entscheidungsfmdung, wodurch der Koordinationsaufwand tiberschaubar gehalten werden kann.^^^^ Den Vorteilen dieses virtuellen Unternehmens stehen Nachteile gegenllber, die auf die Abhangigkeit von der Erreichbarkeit
'^^^ Vgl. [Nr.9: 140-187]. *^^^ Vgl. [Nr.9: 216-226]. ^^^"^ Vgl. [Nr.9: 369-413]. '^^^ Vgl. [Nr.9: 275-307, 335-367]. *^^^ Vgl. [Nr.9: 414-416, 364-365].
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des Webservers zurUckzufiihren sind. Fallt dieser durch einen technischen Defekt aus, wird die Projektarbeit erheblich gestOrt oder sogar unterbrochen.'^^^ D-9: Falbtudie IngenieurbUro Zengerle & Partner (Fallstudie Nr. 10) Der Interviewpartner ist GeschaftsfUhrer des Ingenieurburos Zengerle & Partner und Initiator des 1996 gegrOndeten virtuellen Untemehmensnetzwerks.^^^^ Auf der Netzwerkebene nimmt er die Position eines Organisators ein,*^^^ der sich auf das Marketing speziaiisiert hat und filr die Akquisition neuer ProjektauftrSge zustSndig ist.'^^ Zu den vielfUltigen Produkten des virtuellen Untemehmensnetzwerks gehOren z. B. die Entwicklung und Fertigung von Sondermaschinen zur Fertigung von Autoteilen, die Herstellung von Zahnstangen fUr die Antriebstechnik und die Entwicklung eines hochprazisen Bohrwerks.*^^^ Die Dauer der Projektarbeit schwankt je nach Projektgr56e von wenigen Monaten bis hin zu zwei Jahren.*^^^ Das hier betrachtete virtuelle Untemehmen besteht aus einem losen Zusammenschluss kleiner, rechtlich selbstSndiger Untemehmen, die eine regionale^^^^ Kooperationsplattform bilden. Die lose Kopplung der Kooperationspartner wird vor allem darin deutlich, dass sich das Netzwerk in keiner Gesellschaftsform manifestiert und keine Managementfunktionen institutionalisiert sind.*^^"* Auf eine Rechtsform des virtuellen Untemehmens kOnne verzichtet werden, da das Untemehmen eines jeden Partners eine rechtsgtiltige Gesellschaftsform und allgemeine Geschaftsbedingungen vorweist.'^^^ Der Interviewpartner betont, dass die Auswahl der fiir die Abwicklung eines Projekts notwendigen Partner flexibel erfolgt.'^^^ Die Anzahl der Kooperationspartner schwankt von Projekt zu Projekt. Nach Angaben des Interviewpartners sind durchschnittlich ca. drei bis vier Kooperationspartner an einem Projekt des virtuellen Untemehmens ^^*^ Vgl. [Nr.9: 324-333]. '^^*Vgl.[Nr. 10: 138-141]. '^^^ Vgl. [Nr. 10: 322-331]. ^^^° Vgl. [Nr.lO: 2-7, 36-37]. ^^' Vgl. [Nr.lO: 150-160, 168-173]. Siehe hierzu auch die Homepage unter www.f-zengerle.de (letzterAbruf 19,05.2005). ^^^^ Vgl. [Nr.lO: 161-165, 173-174]. *^^^ Vgl. [Nr.lO: 208-216]. ^'^^ Auf eine gemeinsame Satzung wird z. B. verzichtet. *^^ Vgl. [Nr.lO: 142-148,280-281]. *^^Wgl. [Nr.lO: 19-33].
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beteiligt.'^^^ Dadurch, dass die jeweilige Selbstandigkeit der Kooperationspartner auch in der Projektarbeit erhalten bleibt'^^^ und viele Freiheiten aus Flexibilitatsgrunden gewShrt werden, erfolgt die Kooperation auf horizontaler Ebene bzw. auf der gleichen Hierarchiestufe.^^^^ 1st ein Projektauftrag an einen Partner im Netzwerk vergeben worden, dann Ubemimmt zunachst dieser Partner die Generaiuntemehmerschaft. Steilt sich jedoch heraus, dass er nur einen verliaitnismaBig geringen Anteil an der Projektarbeit hat, wird die Generaiuntemehmerschaft an denjenigen Partner (ibertragen, der den grOBten Beitrag fiir das Projekt leistet. Dieser ubemimmt dann die Verantwortung fiir das gesamte Projekt. Mit dieser leistungsbezogenen Zuteilung der Projektsteuemng wird die Flexibilitat innerhalb des Netzwerks gewShrleistet und sichergestellt, dass derjenige Partner mit der Projektkoordination betraut wird, der Uber die entsprechende Kemkompetenz verftlgt.^^°^ Der Interviewpartner ist der Uberzeugung, dass ein Projekt insbesondere in Bezug auf das Zeitmanagement eine zentrale FUhmng - in diesem Falle durch den Generaluntemehmer - benotigt. Aus seiner bisherigen Erfahrung seien zu dessen Umsetzung jedoch keine speziellen Managementwerkzeuge notwendig.^^^' Der Generaluntemehmer steilt das virtuelle Untemehmen durch die Auswahl der zur Erbringung des Kundenwunsches notwendigen Kooperationspartner zusammen. Er Ubemimmt die Projekt- und Ablaufplanung fiir die Umsetzung des Projekts, jedoch werden die wesentlichen Entscheidungen gemeinsam getroffen.^^^ Zu Projektbeginn werden die Aufgaben verteilt und in Pflichtenheften niedergelegt, die Zustandigkeitsbereiche defmiert^^^^ und die ZahlungsmodalitSten vereinbart.^^^"* Die Resultate der gegenseitigen Abstimmung werden anschlieiiend in einem schriftlichen Kooperationsvertrag festgehalten, sodass die Kooperationspartner darauf aufbauend ihre Teilleistungen nahezu autark und eigenverantwortlich erstellen kOnnen.^^^^ Dadurch, dass sich die Partner bereits aus vorausgegangenen Kooperationen kennen und unter ihnen *^^'^Vgl.[Nr. 10: 42-49]. *^^*Vgl. [Nr.l0:79]. *^^%gl.[Nr. 10: 52-64]. ^^%gl. [Nr.l0:7-18]. ^^^ Vgl.[Nr. 10: 381-384]. ^°^^Vgl.[Nr. 10: 299-320]. ^^^^Vgl.[Nr. 10: 286-288]. ^^Wgl.[Nr. 10: 250-270]. ^^^ Vgl. [Nr.lO: 64-66,273-274].
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Vertrauensbeziehungen bestehen, k5nne der Aufwand bei der Vertragsgestaltung auf einem verhaltnismaBig geringen Mal3 gehalten werden. Im Durchschnitt umfasst der Projektvertrag lediglich 3-4 Seiten, in denen nur die wesentlichen Aspekte des Projekts festgehalten werden.^°°^ Vertrauen steuert den Leistungserstellungsprozess in dem hier betrachteten Fallbeispiel in einem umfassenden Sinne. So existieren z. B. auch keine explizit formulierten Kooperationsregeln, jedoch wird von den Kooperationspartnem erwartet, dass sie sich an die einmal ausgehandelten Preise halten.^^^^ Es kann also angenommen werden, dass in dem hier betrachteten Untemehmensbeispiel ungeschriebene, implizite Regeln der Zusammenarbeit vorliegen. Insbesondere in der Startphase eines Projekts sei es wichtig, in regelmSBigen AbstSnden von ca. 3 bis 4 Wochen Projekttreffen durchzufuhren, in denen Probleme bei der Projektumsetzung erCrtert, LCsungsvorschiage entwickelt und das weitere Vorgehen gemeinsam besprochen wird.^^^^ Um einen reibungslosen Informationsaustausch wahrend der ProjektdurchfUhrung zu gewahrleisten, wird darauf geachtet, dass die Kooperationspartner kompatible Systeme benutzen. Die Kommunikation erfolgt neben den pers5nlichen GesprSchen im Rahmen von Projekttreffen unter Verwendung von Telefon und Fax sowie E-Mail und - je nach Projekt - tiber einen fUr die Kooperationspartner zugSnglichen Server, der die wesentlichen Projektdaten bereitstellt. Auf aufwSndige IT-Systeme zur Koordination der Projektarbeit wird aus Kosten- und Flexibilitatsgrtinden verzichtet.^^^^ Die modemen Informations- und Kommunikationstechnologien werden vom Interviewpartner als sehr niitzlich betrachtet, jedoch diirften sie nicht UberschStzt werden:^°^^ ,,Das Internet ist zwar sehr niitzlich. [...] Aber es ist nicht das Mafi aller Dinge. " Deutlich wird dies z. B. darin, dass die Suche nach neuen Kooperationspartnem nicht Uber Intemet-KooperationsbOrsen erfolgt, sondem im Wesentlichen Uber soziale Netzwerke wie Verbande oder Beziehungsnetzwerke. Die MOglichkeit, dass sich die Kooperationspartner ausschliefilich uber das Internet zu einem virtuellen Untemehmen zusammenschlieBen, schlieBt der Interviewpartner eher aus und spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem Fehler.^^*^
^^^ Vgl. [Nr.lO: 176-190, 366-369]. ^^^Vgl.[Nr.lO: 410-412]. ^^^^ Vgl. [Nr.lO: 301]. ^^^^ Vgl. [Nr.lO: 88-118]. ^^^° Vgl. [Nr.lO: 211-212,245-247]. ^^''Vgl. [Nr.lO: 217-249].
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Je nach Projekt wtirden Kooperationspartner mit vergleichbaren und unterschiedlichen Kemkompetenzen kooperieren. Der Interviewpartner vertritt den Standpunkt, dass eine Beteiligung mehrerer Kooperationspartner mit gleichen Kemkompetenzen eher hinderlich ist: Jch bin aber der Auffassung, dass auch hier zu viele Kdche den Brei verderben. Hier muss also einer quasi das Zepter in der Hand halten und seine Kompetenz so einbringen und auch verkaufen, wie es das Projekt auch erfordert [73-75]. Andererseits kOnnten bei der Beteiligung von Kooperationspartnem mit gleichen oder sehr ahnlichen Kemkompetenzen Wettbewerbssituationen genutzt werden, um innovative Ideen zu fbrdem und wettbewerbsfMiige Preise zu generieren.^^*^ Als Problem sieht der Interviewpartner die mangelnde Akzeptanz der Kunden in Bezug auf ein virtuelles Untemehmen. Seiner Meinung nach stehen jedoch nicht die Untemehmensstrukturen im Vordergmnd, sondem die Erbringung einer Dienstleistung bzw. die Realisiemng des Kundenwunsches unter Kosten- und Flexibilitatskriterien.^^'^ Risiken, die die Kooperation in einem virtuellen Untemehmen gefUhrden kQnnen, sieht der Interviewpartner vor allem in einer nicht termingerechten Leistungserstellung (Folge: mCglicherweise Konventionalstrafen) und einer Uberschatzung der jewelligen fmanziellen Liquiditat eines Kooperationspartners bei der Annahme von Auftragen.^^*^ D-10: Fallstudie FunKey (Fallstudie Nr. 11) Die FunKey Ltd. ist ein virtuelles Untemehmen der IT-Branche, das im Jahre 1992 in Zurich gegrUndet wurde^^*^ und sich auf drei Dienstleistungsbereiche spezialisiert hat: a) Hard- und Softwareverkauf, IT-Sourcing, Installation und Beratung b) Systemprogrammierung bzw. Systementwicklung und c) Web-Design.^^'^ Der Interviewpartner ist seit 2000, dem Jahr des Intemetbooms, in dem die FunKey ein spmnghaftes Wachstum erzielen konnte,^^*^ als Projektleiter bei der FunKey angestellt
^^^^Vgl. [Nr.lO: 191-207]. ^°^^Vgl.[Nr. 10: 80-87]. ^°'^Vgl.[Nr. 10: 392-442]. ^°'Wgl.[Nr.l 1:305-313]. 20^^ Vgl. [Nr.ll: 338-349]. Siehe hierzu auch die Homepage unter www.funkev.ch (letzter Abruf 19.05.2005). ^^^'^Vgl. [Nr.ll: 380-389].
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und tibemimmt die Aufgabenbereiche des Organisators bzw. Koordinators.^^^^ Der gelemte Hotelfachmann zeichnet sich durch seine Vielseitigkeit aus und macht darauf aufmerksam, dass zur BewSltigung der Rolle des Koordinators und Kundenansprechpartners sowie eines Konfliktmanagers neben dem fachlichen Know-how vor allem die sog. „soft skills" vorteilhaft sind: Sozialkompetenz, EinfUhlungsvermOgen, Zuverlassigkeit, Disziplin sowie Team- und KommunikationsfUhigkeit.^^'^ Der Interviewpartner unterscheidet zwischen dem Kemteam der FunKey und dem Netzwerk der Kooperationspartner. Das Kemteam besteht aus dem Geschaftsftlhrer, der gleichzeitig der Untemehmensgrilnder ist, und aus zwei festen Mitarbeitem. Eine Mitarbeiterin ist fiir die Buchhaltung und die Sekretariatsleistungen zustandig, und dem Interviewpartner obliegt als Koordinator die Projektleitung. Zudem haben die Mitarbeiter die MOglichkeit, auch von zu Hause aus auf das Netzwerk der FunKey zuzugreifen (Telearbeit). Die FunKey verftigt iiber ein stabiles Internationales Netzwerk von Kooperationspartnem, die auf der Basis eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses zusammenarbeiten:^^^^ In Russland befmdet sich der gr56te Kooperationspartner, dessen Spezialisierung im Bereich der Programmierung und Kompilationen besteht. In Deutschland befinden sich Kooperationspartner, die sich auf Intemet-Dienstleistungen und Multimedia spezialisiert haben, und in London arbeitet die Web-Designerin. Dartiber hinaus existiert in der Schweiz ein ausgeprEgtes Netzwerk von Kunden, d. h. vor allem kleineren Untemehmen, und Kooperationspartnem.^^^^ Die FunKey verfolgt u. a. das Ziel, in naher Zukunft auch einen Kooperationspartner aus Sttdafrika in das Netzwerk aufzunehmen. Ein beispielsweise ein- bis zweijahriges Projekt liefe bei der FunKey haufig folgendermaBen ab:^°^^ Der Kunde richtet in einem KontaktgesprSch einen Auftragswunsch an die FunKey, GegenUber dem Kunden tritt die FunKey als einheitliches Untemehmen auf ^^^^ Innerhalb des Netzwerks werden die Leistungen der rechtlich selbstandigen Kooperationspartner, die zur ErfUllung des Projekts erforderlich sind, dem Kunden
2018
Vgl. [Nr.l 1: 59-67, 244-246, 279-280].
^^'^ Vgl. [Nr.ll: 275-304, 535-550, 554-556, 569-570]. ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 138-142, 249-259, 621-623]. ^^^^ Vgl. [Nr.l 1:1-48, 314-323]. ^°^^ Vgl. [Nr.ll: 72-103]. ^^^^ Vgl. [Nr.l 1:162].
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nach ca. einer Woche offeriert. Dies geschieht auf der Grundlage von Kostenpauschalen bzw. Tagessatzen.^^^"* Der Vertrag zwischen der FunKey und dem Kunden wird jedoch meist erst ein halbes Jahr spSter geschlossen, nachdem der genaue Projektumfang absehbar ist.^°^^ Zwar hat der Kunde insbesondere bei grOlJeren Auftragen die M5glichkeit, mit den am Projekt beteiligten Untemehmen direkt Kontakt aufzunehmen und selbst die Projektkoordination vorzunehmen, jedoch erfolgt die Koordination in der Mehrzahl der Projekte tiber die FunKey}^^^ Die Koordination der Arbeitsteiiung erfolgt maBgeblich durch klare Vorgaben bzw. durch die Vorgabe eines Ablaufplans durch den Koordinator.^°^^ Die Teilleistungen der Kooperationspartner werden Uber das Internet an die FunKey Ubersandt und auf dem Produktiv-Server in einer Entwicklungsumgebung implementiert.^^^^ Je nach Projektgr^Be arbeiten bis zu vier Kooperationspartner zusammen. Der Interviewpartner ist der Auffassung, dass eine Anzahl von 5 (in AusnahmefUllen bis 10) Partnem pro Projekt die Obergrenze in einem Projekt darstellt. Dartiber hinaus wtlrde die Projektkoordination zu komplex sein, Koordinationsschwierigkeiten auflreten und einen zu hohen Abstimmungs- und Informationsaufwand erfordem. Ist jedoch eine grSBere Anzahl von Projektmitarbeitem erforderlich, wird - wie im Fall des russischen Kooperationspartners - ein Ansprechpartner gewShlt, der die Aufgaben an seine Mitarbeiter verteilt.^^^^ Um das Angebot der FunKey sicherstellen zu kOnnen, ist es nach Ansicht des Interviewpartners sinnvoll, in Bezug auf die im Netzwerk befmdlichen Kemkompetenzen Redundanzen aufzubauen bzw. AusweichmOglichkeiten im Falle einer KapazitStsauslastung bzw. des Konkurses eines Partners sicherzustellen. Eine netzwerkinteme Konkurrenz zur Erzielung marktlicher Preise wird dabei jedoch nicht angestrebt.^^^° Vertrauen wird vom Interviewpartner als die Basis der Zusammenarbeit betrachtet.^^^^ Dies wird bei der FunKey an mehreren Stellen deutlich: So wird z. B. die M6glichkeit
^^^"^ Vgl. [Nr.ll: 104-117,124-126,499-506]. ^^^^Vgl. [Nr.ll:38]. ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 162-177]. ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 559-584]. ^^^* Vgl. [Nr.ll: 18-28,49-58]. ^°2^ Vgl. [Nr.ll: 350-366]. ^°^° Vgl. [Nr.ll: 150-154, 367-379]. ^^^'Vgl. [Nr.ll: 136-137].
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der Aufnahme neuer Kooperationspartner uber Intemet-KooperationsbOrsen als sehr unrealistisch eingeschatzt, da keinerlei Beziehungen zu den potenziellen Kooperationspartnem bestehen.^^^^ Zu alien Kooperationspartnem der FunKey batten schon zuvor langjahrige Beziehungen bestanden, Uber die wiederum neue Partner rekrutiert werden konnten.^^" Dieser Selektionsprozess fUhre dazu, dass in das Kooperationsnetzwerk nur Partner aufgenommen werden, die Konkordanzen mit dem Wertesystem der FunKey aufweisen. Bei dem hier untersuchten virtuellen Untemehmen stehen Werte wie z. B. Zuverlassigkeit, Disziplin, Engagement, Weltoffenheit und Eigenverantwortlichkeit im Vordergrund.^^^"* Auf dieser Basis werde das Verhalten der Kooperationspartner quasi durch ungeschriebene Regeln gelenkt, sodass eine explizite Formulierung von Kooperationsregeln nicht notwendig erscheint: ,,Da gibt es einen stillschweigenden Standard-das ist aber nirgendwo aufgeschrieben'' [556-557]. Wird dagegen erkannt, dass ein Partner sich in mehreren Projekten z. B. als unzuveriassig Oder opportunistisch erweist, wird dieser bei zuktinftigen Projekten nicht mehr angesprochen und somit - auf der Basis der Flexibilitat loser Untemehmenskopplungen aus dem Netzwerk wieder ausgeschlossen, ohne dabei das System in seiner Existenz zu gefUhrden: ,,Hier wdchst undschrumpft das Netzwerk also stdndig'' [225-226]. Das Vertrauen unter den Partnem wird femer dadurch deutlich, dass zwischen einzelnen Partnem entweder keine VertrSge geschlossen werden^^^^ und die Zusammenarbeit z, B. durch Absprachen in Meetings erfolgt^^^^ oder nur relativ knappe ca. zwei bis dreiseitige KooperationsvertrSge^^^^ untereinander geschlossen werden. Zwar stellen die Vertrage eine wesentliche und notwendige Rechtsgrundlage der Kooperation dar, mit denen z. B. steuerrechtlichen Anforderungen Rechnung getragen wird und eine Absicherung gegentiber den Kooperationspartnem eines anderen Kulturkreises m5glich \sx}^^^ Jedoch stellen Vertrage nach Ansicht des Interviewpartners vielmehr schriftliche Absichtserkiamngen dar: ,,Diese Vertrage bekrdftigen eher die Absicht und den Willen, die entsprechenden Leistungen zu erbringen'' [422-423]. In Hinblick auf die erfolgreiche Koordination der Projektarbeit sei es viel wichtiger, mtindliche ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 208-219,260-263]. ^°" Vgl. [Nr.ll: 143-150, 197-207]. ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 227-242, 554-556, 569-570]. ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 439-440]. ^°^^Vgl. [Nr.ll: 197-207,409]. ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 434-438]. ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 190-197].
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Absprachen - insbesondere zu Projektbeginn und bei grOBeren Problemen - durchzufilhren und Projektplane bzw. Projektbeschreibungen zu entwerfen, in denen die Problemstellung genau definiert ist sowie die finanziellen und zeitlichen Rahmenbedingungen enthalten sind.^^^^ Dabei wirkt sich die Kooperationserfahrung der Partner und deren fachliche Kompetenz positiv auf Selbstorganisationsprozesse aus:^^'*^ ,^b einem gewissen Level in der Informatik versteht man sich einfach blind' [428]. Im Idealfall kSnnen aile wesentlichen Aspekte eines Projekts zuvor geplant werden, sodass eine Projektleitung durch einen zentralen Koordinator nicht notwendig ist. Werden dagegen komplexere Prqjekte durchgefUhrt, bei denen keine genaue Projektplanung im Voraus erfolgen k5nne, ist es nach Ansicht des Interviewpartners wichtig, dass es einen zentralen Koordinator gibt, der die Projektarbeit steuert und gegenuber dem Kunden als direkter Ansprechpartner zur Verfiigung steht.^^"^^ Bei der Projektarbeit mit intemationalen Kooperationspartnem k5nnten zwar durch Outsourcing Kostenvorteile erzielt werden, jedoch mUssten dabei auch kulturelle Unterschiede berticksichtigt werden. Der Interviepartner macht diesbezUglich darauf aufmerksam, dass der Vertrauensaufbau beim osteuropaischen Kooperationspartner langer dauert und dass aufgrund der sprachlichen Barriere MissverstSndnisse auftreten kOnnen. Um Missverstandnisse zu vermeiden, erfolgt bei der FunKey die Kommunikation fast ausschlieBlich schriftlich unter Verwendung von E-Mail. Dabei entstehe im Vergleich zu einer direkten Kommunikation jedoch ein hOherer Koordinations- und Zeitaufwand.^^'^ Zwar bestehen bei der FunKey keine Hierarchien i. S. einer klassischen BUrokratie, jedoch kOnnten gewisse graduelle Unterschiede beobachtet werden: So wird z. B. demjenigen, der das Projekt akquiriert hat, auch die Steuerung bzw. Koordination des Projekts Ubertragen. Daneben gabe es bei den grOlieren an einem Projekt beteiligten Untemehmen zentrale Ansprechpartner, sodass damit der Kommunikationsweg klar vorgezeichnet ist.^^"^^ Auf der Basis der Vertrauensbeziehungen unter den Kooperationspartnem k5nnen mit Hilfe der intemetbasierten Informations- und Kommunikationstechnologien Zeit- und ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 441-450, 510-514]. ^^^ Vgl. [Nr.l 1: 424-433, 553-555]. ^^' Vgl. [Nr.ll: 451-471,476-477]. ^^^ Vgl. [Nr.ll: 515-534]. ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 118-137,471-474].
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Raumbarrieren (iberwunden werden. Es ist nach Angabe des interviewten Koordinators daher unerheblich, ob die Partner in Zurich ansEssig sind oder im Ausland arbeiten.^^"*^ Obwohl die FunKey ein virtuelles Untemehmen der IT-Branche ist, wird jedoch weitestgehend auf eine aufwSndige Kommunikationsinfrastruktur verzichtet. Nachdem v. a. bei gr5l3eren Projekten zu Projektbeginn ein persOnliches Treffen der Kooperationspartner notwendig ist, erfolgt die Kommunikation im Laufe des Projekts vor allem Uber E-Mail, Aufgaben- und Testlisten und in seltenen Fallen Ober Telefon.^^^ AufwSndigere Prqjektmanagementsysteme, wie z. B. MS Project, seien zur Projektkoordination bei der FunKey aufgrund des hohen Verwaltungsaufwandes nicht geeignet und nach Ansicht des Interviewpartners Oberflassig.^^'^^ Zu den Vorteilen eines virtuellen Untemehmens zShlt der Interviewpartner die FShigkeit, vor allem aufgrund der sehr geringen Personalkosten, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten am Markt Bestand zu haben.^^"^^ Die Risiken eines virtuellen Untemehmens der IT-Branche seien vor allem im Angewiesensein auf das Internet zu sehen, das die technische Basis des virtuellen Untemehmens darstellt, gleichzeitig jedoch ein neuralgischer Punkt ist.^^"** AusfUlle von Servem oder Intemetverbindungen kOnnten so gut wie gar nicht kompensiert werden. Ebenfalls wtlrden AusfUlle von Kooperationspartnem ein Risikopotenzial ftir das gesamte Netzwerk darstellen, sofem keine Redundanzen im Kemkompetenzprofil des Verbundes vorgehalten werden kannten.2^'' D-11: Fallstudie ViriuellBau (Fallstudie Nr. 14) Die VirtuellBau gehOrt unter den hier betrachteten Untemehmensbeispielen in Bezug auf die Anzahl der Netzwerkpartner und der Organisationsstrukturen zu den grOfiten und aufwandigsten und lehnt an das Konzept der virtuellen Fabrik von Schuh^^^^ an. Es stellt ein virtuelles Untemehmen in der Baubranche dar. Im latenten Netzwerk befmden sich 60 rechtlich selbstandige kleine und mittlere Untemehmen der Baubran-
^^^ Vgl. [Nr.ll: 35-36,197-204]. ^^^Vgl.[Nr.l 1:585-599]. ^°^^ Vgl. [Nr.ll: 478-498]. ^^^^ Vgl. [Nr.ll: 327-337, 390-404]. ^^Wgl. [Nr.ll: 28]. ^^^ Vgl. [Nr.ll: 155-158,600-616]. ^°^° Vgl. Schuhetal.( 1998).
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che.^°^' Die kooperierenden Untemehmen stammen aus der deutschsprachigen Schweiz und haben ihren Schwerpunkt in St. Gallen. Ziel der VirtuellBau ist das Anbieten umfassender und qualitativ hochwertiger, aber gleichzeitig preiswerter Bauleistungen aus einer Hand bzw. unter einem Namen^^^^ und die Erweiterung des Netzwerks in die gesamte Schweiz, Vorariberg und den sOddeutschen Raum.^^^^ Die VirtuellBau weist einen im Vergleich zu den ubrigen Untemehmensbeispielen iSngeren Entwicklungsverlauf mit mehreren organisationalen Entwicklungsstufen auf: Die Idee der VirtuellBau begann 1989 als sich drei Handwerksuntemehmungen entschlossen haben, ein gemeinsames BUro aufzubauen, um die Planung und Vorbereitung von Projekten effizienter zu l5sen. Mangelndes Interesse bei den Mitbewerbem und eine zu geringe Auslastung dieses BUros fUhrten dazu, dass eine neue Geschaftsidee gesucht werden musste. 1992 wurde eine Generaluntemehmung gegrilndet, mit der es mOglich gewesen ist, dem Kunden eine komplette Dienstleistung aus einer Hand anzubieten, Um die Planungskosten dieser netzwerkartigen Zusammenarbeit aus Grtlnden der Konkurrenzf^higkeit so gering wie mCglich zu halten, sind die Beziehungen unter den Handwerksuntemehmungen intensiviert, Schnittstellen vereinfacht und neu defmiert worden. Durch diese Reorganisation sind die Arbeitsabiaufe effizienter geworden, und auch die QualitSt am Bau ist dadurch verbessert worden. 1997 haben sich die beteiligten Handwerksuntemehmen zu einem Verein zusammengeschlossen. Infolge des schnellen Wachstums des Untemehmensnetzwerks erfolgte im Juni 2002 die Grtindung der VirtuellBau Holding AG.^^^"* Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass die Kooperation eine Rechtsform erhait, Versicherungen abschlieBen kann und sich damit als eigenstandiges Rechtsobjekt eindeutig lokalisieren lasst.^^^' Die Holding-Struktur der VirtuellBau dient in erster Linie dazu, den Bestand eines so grolien latenten Netzwerks tiberhaupt sichem zu kSnnen. Im Gegensatz zu anderen Holdings ist die VirtuellBau
eine
Non-Profit-Organisation
bzw.
eine
„Non-Profit-Kooperations-
plattform".^^^^
^^^^ Vgl. [Nr.14: 21-24, 394-397,432-433]. ^°"Vgl.[Nr. 14: 402-404]. ^°^^ Vgl. [Nr.14: 92-120,406-409]. ^^^^ Siehe hierzu auch die Homepage unter www.virtuellbau.ch (letzter Abruf 19.05.2005). ^°" Vgl. [Nr.14 : 24-27,244-254]. ^°^^ Vgl. [Nr.14: 555-557].
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Der Interviewpartner gehSrt zu den GrUndem der VirtuellBau und ist Dachdeckermeister und Fassadenbauer. Zu seinen Haupttatigkeiten innerhalb der VirtuellBau gehCrt die Akquisition von Kunden und die Projektorganisation. Innerhalb des virtuellen Untemehmens nimmt der Interviewpartner die Position des sog. Delegierten des Verwaltungsrats ein und befasst sich dabei insbesondere mit den Aufgaben der Geschaftsleitung.^^^^ Ein wesentlicher Vorteil der VirtuellBau ist in den bestehenden Beziehungen der VirtuellBaU'PartnQr in einem stabilen Netzwerk zu sehen, das im Laufe mehrerer Jahre gewachsen ist.^^^^ Durch eine immer wiederkehrende Abfolge von Aufgaben und Prozessen wShrend der gemeinsamen Projektarbeit sind finanzielle und zeitliche Nutzenpotenziale entstanden, die die KonkurrenzfUhigkeit der VirtuellBau verbessert haben. Die Handwerker mtlssten sich nicht immer wieder neu auf ihre Kollegen einstellen, sondem k5nnten auf den Erfahrungen vergangener Projekte aufbauen.^^^^ „Ein Netzwerk hat nur Sinn, wenn es nicht aufgelost wird [..J. Erst dann hat das Netzwerk einen richtigen Sinn " [275-277]. Der Kern der VirtuellBau GmbH besteht aus der VirtuellBau AG. Zu den AktionSren geh^ren 20 Geschaftsfiihrer von kleinen bzw. mittelstandischen Untemehmen der Baubranche in der Region St. Gallen mit einem Aktienkapital von CHF 100.000. Die VirtuellBau AG unterteilt sich in mehrere Organe: die Generalversammlung, den Verwaltungsrat und das Cockpit. Die Generalversammlung besteht aus den Grtindungsmitgliedem der VirtuellBau AG, deren Aktionarskreis durch einen Aktionarbindungsvertrag geschiitzt ist. Zu den Aufgaben der Generalversammlung gehOrt die Festlegung der strategischen Ausrichtung der VirtuellBau AG, die Wahl bzw. Entlassung des Verwaltungsrates, die Entscheidung (Iber die Aufnahme neuer Mitglieder, die Entscheidung uber die Bildung neuer Regionalgesellschaften und die Abnahme der Rechung und die Bestatigung des Budgets. Der Verwaltungsrat wird durch die Generalversammlung gewahlt. Ihm obliegt die Oberleitung der Untemehmung, die Definition der strategischen Ausrichtung z. Hd. der Generalversammlung und die Organisation des Finanz- und Rechnungswesens.
^^^^Vgl. [Nr.l4:l-14]. ^°^Wgl.[Nr. 14: 305-307]. ^°^^Vgl.[Nr.l4: 129-141].
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Der Verwaltungsrat schlieBt die Franchisevertrage mit den Regionalgesellschaften und wahlt aus seinen Reihen einen Delegierten des Verwaltungsrats. Der Delegierte ist beauftragt, die Tagesgeschafte operativ zu organisieren, zu ftihren und zu kontrollieren. Zudem vertritt er die VirtuellBau Holding AG im Verwaltungsrat und hat den Vorsitz bei den Regionalgesellschaften. Bei Bedarf icann der Verwaltungsrat nebst dem Delegierten des Verwaltungsrates weitere Personen, z. B. Untemehmensberater, Juristen, Finanzspezialisten, Datenbankspezialisten und Webdesigner, mit der Abwicklung der Tagesgeschafte, der Umsetzung der strategischen Vorgaben, dem Management und der Weiterentwicklung der Untemehmung beauftragen.^^^^ Diese optionale Geschaftsleitung im Auftragsverhaltnis steilt das sog. Cockpit der VirtuellBau AG dar. Die Spezialisten aus dem Cockpit haben sich nach Angaben des Interviewpartners als sehr hilfreich erwiesen, da sie liber wichtige Kompetenzen verfilgen, die unter den Kooperationspartnem nicht zu fmden sind. Um auch hier Kosten einsparen zu kOnnen, werden die Spezialisten aus dem Cockpit nur dann Uber VertrSge an die VirtuellBau AG angeschlossen, wenn ihre Hilfe benOtigt wird. Das Untemehmensnetzwerk hat u. a. dadurch, dass es auf feste Angestellte ganzlich verzichten kann, verhaltnismaBig geringe Fixkosten.^^^^ Das Untemehmensnetzwerk besteht neben dem Ursprungsnetzwerk - der Regionalgesellschaft VirtuellBau St. Gallen - noch aus zwei angegliederten Regionalgesellschaften, an denen die VirtuellBau St. Gallen mit mind. 51 % mehrheitsbeteiligt ist: die VirtuellBau Rorschach und die VirtuellBau Weinfelden. Diese Regionalgesellschaften sind in Form einer Holding uber Franchisingvertrage angeschlossen. Die Grtlndung einer Holding ist im Juni 2002 aus zweierlei Griinden erfolgt: einerseits aus wirtschaftlicher Sicht, um sich die tiber Jahre hinweg entwickelten Kooperationsinfi-astrukturen (Regelbuch, Terminvereinbarungsprogramm, Pflege des Servers etc.) von neu hinzutretenden Kooperationspartnem vergtiten zu lassen, andererseits aus personeller Sicht, um potenzielle StOrfaktoren nicht im Kreise der Aktionare Uber einen langeren Zeitraum halten zu mtissen. Uber Franchisevertrage kOnnen nicht kooperative Mitglieder relativ rasch aus dem Netzwerk ausgeschlossen werden, um das sensible Gleichgewicht des Kooperationssystems^^^^ aufi-echterhalten zu kOnnen.^^" Ein weiterer
^^°Vgl.[Nr.l4: 409-413]. ^^^Wgl.[Nr. 14: 419-432]. ^°^^Vgl.[Nr. 14: 527-529]. ^^^ Vgl. [Nr.l4: 525-553].
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Schutzmechanismus vor potenziellen StOrfaktoren sei in der prinzipiellen Mehrheitsbeteiligung von mindestens 51 % in jeder einzelnen Gruppe der VirtuellBau zu sehen. Somit k5nne sichergestellt werden, dass der Einfluss auf die weitere Entwicklung der Kooperationsplattform in den HSnden der Grtlnderuntemehmen bleibt und sich keine separierenden Untergruppen bilden kOnnen, die das gesamte System geMirden kGnnten.^^^ Der Delegierte des Verwaltungsrates und die Geschaftsieitung betreuen und beraten die Regionalgesellschaften. Der Delegierte des Verwaltungsrates vertritt die VirtuellBau AG und im Auftrag des Verwaltungsrates die mind. 51 % des Stammkapitals der jeweiligen Regionalgesellschaften. Die Mitglieder der Regionalgesellschaften vertreten wiederum die VirtuellBau gegentiber dem Kunden und fUhren die BauauftrSge aus. Ein Bauprojekt in der VirtuellBau iSuft i. d. R. wie folgt ab: Tritt z. B. ein Kunde mit einem grOBeren Bauwunsch an ein Mitgliedsuntemehmen der VirtuellBau AG heran, das diesen Auftrag nicht allein abwickeln kann oder bei dem der Auftrag nicht in seinen Kompetenzbereich fUllt, dann kann es diesen Auftrag an ein Partneruntemehmen der VirtuellBau AG weiterleiten und wird daftir mit einem Prozent des Auftragsvolumens vergUtet.^^^^ Der Kunde hat dabei den Vorteil, dass er das von ihm gewahlte Untemehmen als Ansprechpartner bzw. Vertrauensperson behSlt, das fiir ihn die einzige Schnittstelle zum Untemehmensnetzwerk ist und sich um das gesamte Projekt kUmmert.^^^ Um die Akzeptanz des Kunden gegentiber der VirtuellBau zu erreichen, ist es mitunter notwendig, die Funktionsweise des virtuellen Untemehmensnetzwerks darzustellen. Ist dies geschehen und sind die Vorteile dieser Kooperation deutlich geworden, ist das Vertrauen des Kunden schnell gewonnen.^^^^ Ein Bauprojekt kann in drei Phasen untergliedert werden: In der ersten Phase erfolgt eine eingehende Untersuchung der Bausubstanz und eine genaue Auflistung der einzelnen Posten, die zur Restaurierung erft)rderlich sind. Eine Grobkalkulation verschafft dem Kunden einen ersten Oberblick tiber die anfallenden Kosten. Stimmt der Kunde soweit zu, erfolgt in der zweiten Phase eine genaue Preiskalkulation, die in die verbindliche Offerte einflieBt. Im Rahmen einer Baubesprechung, an der der Kunde und alle beteiligten Projektpartner teilnehmen, wird das gesamte Bauvorhaben ^^^Vgl.[Nr. 14: 537-546]. ^°^WgI.[Nr.l4: 600-615]. ^^^Vgl.[Nr. 14: 557-564]. ^^^Vgl.[Nr. 14: 27-32].
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besprochen und geplant. Die dritte Phase besteht in der AusfUhrung des Projekts, an dem sich die Kooperationspartner ausschlieBlich mit ihren Kemkompetenzen beteiligen. Der Kunde schlieBt einen Werkvertrag mit dem von ihm kontaktierten Untemehmen ab, in dem alie zu erbringenden Leistungen festgehalten werden. Werden innerhalb eines Projekts weitere Untemehmen benStigt, die tiber die fehlenden Kemkompetenzen verfUgen, dann werden sie als Subuntemehmen eingebunden und mit den gmndlegenden Kooperationsregeln vertraut gemacht. Der Subuntemehmer stellt dann seine Rechnung an die fiir das Projekt zustSndige GmbH.^^^^ Ftir die Projekte der VirtuellBau werden jedoch nicht nur einzelne Handwerksleistungen zusammengesteiit. Um innovative und optimale LCsungen zu fmden, milssen die Zusammenhange und Ablaufe innerhalb des gesamten Bauprozesses genau erkannt und verstanden werden. Dieses ganzheitiiche Verstandnis des Bauens wird auch in der expiizit formulierten Untemehmensphilosophie der VirtuellBau AG deutlich, welche das Bauen als kommunikative Herausfordemng zwischen alien beteiligten Personen versteht.^'^' Auch in einem virtuellen Untemehmen kann auf eine direkte FUhmng nicht verzichtet werden: „Es gibt keine Organisation, die nicht gefuhrt werden muss. Auch die besten Leute milssen gefuhrt werden!" [283-284]. Die Projekte der VirtuellBau werden durch den interviewten Dachdeckermeister, der als „Delegierter des Aufsichtsrats" die RoUe des Koordinators einnimmt, gefUhrt. Ein zentraler Koordinator ist notwendig, um die einzelnen Prozesse tiberblicken und die Zusammenarbeit der LeistungstrSger steuem zu kOnnen. Die Notwendigkeit einer zentralen Koordinationseinheit kann auch damit begrUndet werden, dass die beteiligten Untemehmen allein durch ihre AuftrSge als rechtlich selbstandige Untemehmen kaum die Zeit haben, die Belange der Kooperationsprojekte angemessen zu berucksichtigen und aufeinander abzustimmen.^°^° Auf umfangreiche Vertragswerke unter den Kooperationspartnem wird bei der Projektabwicklung verzichtet. An ihre Stelle ist ein Verhaltenskodex in Form eines umfassenden Regelwerks getreten, das im Laufe der Jahre entwickelt wurde. Der
^^*Vgl.[Nr. 14: 587-598]. Siehe hierzu die Intemetprasenz der VirtuellBau AG unter www.virtuellbau.ch (Stand: 02.08.2002) Unterpunkt „Portrait". ^^^%gl.[Nr.l4: 281-300].
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Anhang D
Interviewpartner betont, dass es nicht auf schriftliche Vertrage ankommt, sondem viel mehr auf die Beriicksichtigung des zentralen Faktors „Mensch". Deshalb wird bei der Auswahl neuer Netzwerkpartner groBer Wert darauf gelegt, dass die AnwSrter bereits grol3e Ubereinstimmungen mit den gewtinschten, im Verhaltenskodex niedergelegten Verhaltensweisen aufweisen. Hierbei stehen v. a. die „soft skills" im Vordergrund, die eine wichtige Grundlage fiir einen reibungslosen Projektablauf und die Flexibilitat des Netzwerks darstellen:^^^^ „FUr mich ist das das Zentrale: die soft skills stehen fur mich absolut im Mittelpunkt" [229-23OJ. „Es sind diese Soft-Faktoren, die uber ein Netzwerk entscheiden, und nicht die Prozessabldufe selbst" [687-688]. Zu den „soft skills" wtirden z. B. das gemeinsame GeschaftsverstSndnis und die eigens auferlegte Verpflichtung der Kooperationspartner, im Netzwerk aktiv mitzuwirken und im Sinne des Netzwerks zu handeln, gehCren. Die Auswahl neuer Kooperationspartner erfolgt Ober Beziehungsnetzwerke, und zwar durch den Vorschlag eines oder mehrerer Partneruntemehmen. Wird z. B. ein Bewerber zur Aufnahme in die VirtuellBau AG vorgeschlagen, der als zuverlSssig gilt und Ubereinstimmungen mit den o. g. gewtinschten Charaktereigenschaften aufweist, kann er mit dem Einverstandnis der Netzwerkpartner aufgenommen werden. In den Kooperationsregeln ist festgehalten, dass das Netzwerkuntemehmen, das den neuen Kooperationspartner vorgeschlagen hat, als „G6tti"^°^^ die Patenschaft fUr das neue Mitglied tibemehmen muss.^°^^ Wtirde das vorgeschlagene Untemehmen jedoch die gleichen Leistungen wie die eines Mitgliedsuntemehmens innerhalb derselben oder einer umliegenden Gruppe anbieten wollen, kann das letztere die Aufnahme des Untemehmens durch das jedem Netzwerkpartner zugebilligte Vetorecht verhindem.^^^"* Ein neu aufgenommenes Untemehmen beteiligt sich an der Regionalgesellschaft, der es zugetreten ist, mit einem Stammkapital von CHF 1.000,-. Neben einem einmaligen Eintrittsbeitrag von CHF 4.000,- muss das neue Mitglied einen Mitgliederbeitrag von jahrlich CHF 4.000,- entrichten. In den Folgejahren wird von einem Mitgliedsunternehmen ausschliefilich der Mitgliederbeitrag, der von der Generalversammlung angepasst werden kann, entrichtet. Die Haifte des Jahresbeitrags geht an die VirtuellBau
^^^^ Vgl. [Nr.l4: 229-230, 685-688]. ^^^^ Der Schweizerische Begriff „G5tti" bedeutet Pate. ^°^^ Vgl. [Nr.l4:499-513]. ^^^'^ Vgl. [Nr.l4: 515-521].
Fallstudien
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AG. Die andere Halfte bleibt in der Regionalgesellschaft. Urn neuen Netzwerkpartnem die Regelinhalte des Verhaltenskodex naher zu bringen, erfolgen Schulungen.^^^^ Die Koordination der Leistungsersteilung innerhalb des Untemehmensverbundes wird durch die Regeln untersttitzt. Das Regelwerk umfasst ca. 100 bis 120 Schreibmaschinenseiten, die je nach Bedarf verandert oder erganzt werden k5nnen.^°^^ In den Kooperationsregeln ist z. B. erfasst, dass der Kostenvoranschlag fUr die Gesamtleistung den Endpreis nicht tibersteigen darf. Um dem Kunden diese Preisgarantie geben zu kOnnen, ist eine sorgf^ltige Preiskalkulation aller Kooperationspartner notwendig. Die Teilleistungen der beteiligten Kooperationspartner werden Uber feste Verrechnungspreise vergutet. Wird z. B. eine Leistung bei der Preiskalkulation nicht beriicksichtigt, dann sind die Mehrkosten durch die Versaumnisse von der Firma bzw. den dafiir Verantwortlichen selbst zu tragen.^^^^ Die Wichtigkeit dieser Kooperationsregeln macht der Interviewpartner darin deutlich, dass er diesbezUglich von „unserer Bibel" spricht.'^^' Der Interviewpartner macht darauf aufmerksam, dass das virtuelle Untemehmen nicht einseitig aus der Perspektive der Technologien zu betrachten ist. Das Vorhandensein modemer Informations- und Kommunikationsmedien in einem virtuellen Untemehmen allein bringe noch keine entscheidenden Vorteile. Um diese Medien effektiv nutzen zu k5nnen, milsse zuvor eine Vertrauensgrundlage unter den Kooperationspartnem geschaffen worden sein, die durch eine direkte Kommunikation erst einmal aufgebaut werden muss. Der Interviewpartner betrachtet die modemen Informationsund Kommunikationsmedien eher als nUtzlichen Zusatz, deren Nutzen nicht tiberschatzt werden darf, zumal nicht sichergestellt werden kann, ob die Informationen Uber die modemen Informations- und Kommunikationstechnologien, z. B. durch EMails, beim EmpfUnger auch tatsachlich so verstanden werden, wie es vom Sender gemeint war.^^^^ Die Kommunikation unter den Kooperationspartnem erfolgt zu einem GroBteil Uber modeme Informations- und Kommunikationsmedien, vor allem E-Mail. Was sich jedoch nicht verandert habe, ist die Gmndlage der Kommunikation auf der Ebene von
^^^^Vgl.[Nr. 14 646-652]. ^°^Wgl.[Nr. 14: 36-40]. ^^^"^Vgl.tNr. 14: 42-57]. ^°^^Vgl.[Nr. 14: 36-37]. ^°^^Vgl.[Nr. 14: 264-273].
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Anhang D
Vertrauen und gegenseitiger Wertschatzung: ,J)as haben wir heute wieder kultmert. Wir haben also nichts Neues erfunden'' [323-324]. Durch die Einfiihrung der modernen, v. a. intemetbasierten Informations- und Kommunikationstechnologie in die Handwerksbetriebe hat sich der Wertsch5pfungsprozess zugunsten einer deutlichen Produktivitatssteigerung verandert.^^*^ Dazu sind jedoch groBe Anstrengungen in Form von Outlook-Kursen notwendig gewesen, an denen 90 Personen teilnahmen, um sich mit dem neuen Kommunikationsstandard vertraut zu machen.^^^' Neben der Nutzung von Telefon-Konferenzen, Fax und E-Mail bzw. der Kommunikationsplattform MS NetMeeting werde eine sog. „CoordinationCam" eingesetzt, die es erlaubt, Baubesprechungen mit den Kooperationspartnem online abzuhalten.^^^^ Die Terminabsprache innerhalb des Netzwerks erfolgt tiber ein intemetbasiertes Terminvereinbarungsprogramm, Dieses Programm umfasst eine gemeinsame Datenbank, auf die jeder Kooperationspartner mittels einer Zugangsberechtigung zugreifen kann und in der alle projektspezifischen Informationen und Daten Uber die Netzwerkuntemehmen sowie deren Ansprechpartner enthalten sind. Der Koordinator kann dann aus dem Datenbestand die fiir die Umsetzung des Projekts benOtigten Kooperationspartner auswahlen und ihnen mehrere Gesprachstermine per Mail Ubersenden. Damit die Informationen die Kooperationspartner mOglichst schnell erreichen, kOnnen SMS geschickt werden, sodass die MOglichkeit besteht, tiber den nachsten Intemetanschluss die E-Mails zu lesen. Der Koordinator erhalt dann innerhalb weniger Stunden eine Rtickmeldung von den Kooperationspartnem, die dazu lediglich in dem Terminvereinbarungsprogramm die Terminvorschlage mit „Ja" oder „Nein" anklicken mtissen. Der Koordinator kann somit rasch tiberblicken, welcher Termin flir alle am geeignetsten ist. So ist es innerhalb von 24 Stunden mOglich, dass sich 15 Fachleute zum Erstaunen des Bauherm schon in den darauf folgenden drei bis filnf Tagen zu einem Ortstermin zusammenfmden kOnnen.^^^^ Im Zusammenhang mit Portfolioanalysen oder als Entscheidungshilfe bei Immobilienkaufen kann das in einer Gemeinschaftsproduktion von der VirtuellBau AG und einer mit der VirtuellBau kooperierenden Immobiliengesellschaft entwickelte Produkt
^°*%gl.[Nr. 14: 305-329]. ^^^Wgl.[Nr. 14: 334-351]. ^^^^ Siehe hierzu die Intemetprasenz der VirtuellBau AG unter www.virtuellbau.ch (Stand: 02.08.2002). ^^^^Vgl.[Nr. 14: 355-388].
Fallstudien
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„Immo Check Virtuell" zur Beurteilung von Immobilien herangezogen werden. Unter dem Blickwinkel von Kostensenkungen bei baulichen Mafinahmen, dem Uberblick tiber die notwendigen Einzelleistungen und die Werterhaltung einer Immobilie kOnnen Immobilienspezialisten und Handwerker Empfehiungen fiir Optimierungen aussprechen. Vertrauen und ein entsprechender „Kooperationsgeist" stellen nach Angaben des Interviewpartners das Fundament einer Kooperation dar.^^^"^ Das „Denken" mtlsse funktionieren.^^^^ Dieses Vertrauen wird darin deutlich, dass der Interviewpartner in seiner Rolle als Koordinator auf schriftliche Abmachungen und Vertrage verzichten kann, sobald er erkennt, dass das Netzwerkuntemehmen seine Kemkompetenz beherrscht und gewillt ist, diese in die Gemeinschaftsprojekte der VirtuellBau verantwortungsvoll und mit pers5nlichem Einsatz einflieBen zu lassen.^^^^ Der Wille zur Kooperation stellt nach Ansicht des Interviewpartners das Entscheidende innerhalb der virtuellen Kooperation dar.^°*^ Neben dem Kooperationswillen stehen die Charaktereigenschaften der Kooperationspartner im Vordergrund. Eigenschaften wie Geduld, Treue, FleiB, Kritikf^higkeit, Bescheidenheit und Gerechtigkeit seien die wichtigsten Erfolgsfaktoren.^'^' Ein vertrauensvoller Umgang wird auch im Verhaitnis zum Kunden deutlich. Tritt ein Kunde mit einem Bauwunsch an ein Netzwerkuntemehmen heran, das nicht in seinen Kemkompetenzbereich fUllt, dann braucht es den Kunden nicht zuriickweisen, sondem kann ihm das im Netzwerk auf diesen Bauwunsch speziaiisierte Untemehmen vermitteln. Der vom Kunden kontaktierte Kooperationspartner fungiert dann als Vertrauensperson und ist bei den wichtigsten Entscheidungen des Projekts, z. B. bei der KickOff-Sitzung, bei Projektbeginn oder bei der RechnungsUbergabe, anwesend. Die Vertrauensperson ist jederzeit auch telefonisch erreichbar und ist Uber das laufende Projekt informiert. Werden vom Kunden AnderungswUnsche geauBert oder treten
^^^Wgl.[Nr. 14: 146,489-490]. ^°^WgI.[Nr. 14: 83-86]. ^*^^^Vgl. [Nr.l4:295]. ^^^^Vgl.[Nr.l4: 151-163]. ^^ ^ Vgl. [Nr.l4: 158-166]. Siehe hierzu auch den Ausdruck der Powerpoint-Prasentation, in der das sog. „Herzsttick" der VirtuellBau verdeutlicht wird.
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Anhang D
Probleme wahrend des Projekts auf, kann sich der Kunde direkt an die Vertrauensperson wenden.^^^^ Um Vertrauen aufbauen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gewahrleisten zu kOnnen, ist eine offene Kommunikation innerhalb des Untemehmensnetzwerks notwendig. Treten z. B. Probleme auf, die den Verlauf des Projekts beeintrachtigen, so kann die Vertrauensperson zu den Kooperationspartnem treten und mit ihnen uber die Probleme sprechen.^^^^ Nach der erfolgreichen Beendigung eines Projekts erfolgt eine Nachbesprechung mit den beteiligten Kooperationspartnem, um restimierend v. a. auf die Aspekte einzugehen, die Probleme hervorgerufen haben. Durch eine gemeinsame Besprechung kdnnen neue LOsungen und VorschlSge erarbeitet werden, die zukiinftigen Projekten zugute kommen."^^^' Die offene Kommunikation setzt eine Kritikfahigkeit voraus, die es ermOglicht, sich gegenseitig zu kritisieren, ohne einander zu verletzen.^^^^ Zudem werden einmal im Monat Partnertreffen organisiert, an denen themenspezifische Vortrage gehalten, Problemstellungen und die gemeinsame Entwicklung des Netzwerks besprochen werden.^^^^ Wie eingangs erwahnt, ist die VirtuellBau eine Non-Profit-Organisation. Die Gewinne entstehen direkt in den Mitgliedsuntemehmen: Der Kunde wickelt nach der Beendigung des Bauprojekts mit der Regionalgesellschaft, mit der er den Werkvertrag geschlossen hat, die Bezahlung der Gesamtleistungen (100 %) ab. Die Rechnungen der beteiligten Mitgliedsuntemehmen und der mSglicherweise zusatzlich beauftragten Subuntemehmer machen insgesamt 97,5 % des Rechnungsbetrags aus, den der Bauherr an die VirtuellBau zahlt. Die Rechnungen der beteiligten Untemehmen werden von der VirtuellBau aus dem vom Kunden entrichteten Betrag bezahlt. Die restlichen 2,5 % werden wie folgt aufgeteilt: 1 % des Umsatzes geht an die VirtuellBau AG. 1 % erhalt das Untemehmen, das vom Kunden angesprochen wurde und das den Kunden wahrend des gesamten Bauprojekts begleitet hat, als Vermittlerprovision. Die jeweili-
^^^Wgl. [Nr. 14: 168-200]. ^°^%gl. [Nr. 14: 197-229]. ^°^Wgl.[Nr.l4: 215-222]. ^°^^Vgl.[Nr. 14: 224-225]. ^^^^Vgl.[Nr.l4: 441-488].
Fallstudien
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ge Regionalgesellschaft, aus der das vom Kunden kontaktierte Untemehmen stammt, erhalt die ubrigen 0,5 % des Umsatzes.^^^^ Durch das Netzwerk kOnnen Auftrage unterschiedlichster Art und Gr5Be ausgefiihrt werden. Der Prozentsatz der AuftrSge, die Uber die VirtuellBau an die Netzwerkunternehmen vermittelt werden konnte, ist abhangig von der jeweiiigen Aktivitat des Untemehmens innerhalb des Netzwerks. Je starker ein Kooperationspartner sich z. B. in der Kundenakquise und in der Vermittlung von Auftragen innerhalb des Netzwerks engagiert, desto haufiger wtirden Auftrage, die seine Kooperationspartner angenommen haben, an ihn weitervermittelt werden. Diejenigen, die keinen Einsatz innerhalb des Netzwerks zeigen, bekamen von ihren Kooperationspartnem auch keine Auftrage vermittelt. Engagierte Kooperationspartner wie der interviewte Dachdeckermeister, dessen Untemehmen einen Jahresumsatz von ca. 3 Mio. Franken mache, habe z. B. im Jahr 2001 Uber 50 % aller Auftrage Uber die VirtuellBau bezogen. In den weiteren Partneruntemehmen schwankt dieser Anteil zwischen 5 und 20 %}^^^ Der Interviewpartner verdeutlicht abschlieBend, dass er nicht davon ausgeht, dass das Modell des virtuellen Untemehmens nur eine Modeerscheinung unserer Zeit ist.^°^^ Jedoch sei kurzfi-istiges Shareholder-Value-Denken unangebracht, da sich die Potenziale eines solchen Netzwerks erst nach einer mehrjahrigen Entwicklungsphase nutzen lieBen.^^'^ D-12: Failstudie Vlriuelle Fabrik Baden-Warttemberg (FdilstndiQ^r, 16) Die Virtuelle Fabrik Baden-Wilrttemberg ist ein Schwestemetzwerk der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland, das im Marz 2001 gegrtindet wurde und auf demselben Konzept aufl^aut. Das latente Netzwerk besteht aus insgesamt 22 rechtlich selbstandigen und gleichberechtigten kleinen und mittelstandischen Untemehmen der Automobilbranche.^^^^ Der Schwerpunkt der Kemkompetenzen der Netzwerkpartner
^^^ Siehe hierzu auch den Ausdruck der Powerpoint-Prasentation im Anhang dieser Arbeit. ^°^^Vgl.[Nr. 14: 625-637]. ^^^Wgl.[Nr. 14: 308-309]. ^^"^ Vgl. [Nr.l4: 570-574,688-690]. ^^^ Vgl. [Nr.l6: 15-31]. Siehe hierzu auch die Homepage unter www.bw.virtuelle-fabrik.com (letzter Abruf: 19.05.2005).
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Anhang D
liegt im Bereich Engineering und Konstruktion von Maschinen und Sondermaschi2099
nen. Im Hinblick auf die Kemkompetenzen der Kooperationspartner bestehen Uberschneidungen und Redundanzen. Aus zwei GrOnden ist dies jedoch erwUnscht: Einerseits wird durch eine „gewisse Konkurrenz" [37] innerhalb des Netzwerks eine marktliche Koordination tlber Preise aufgebaut, die das Netzwerk insgesamt marktfMhig hait;^^°° andererseits k5nnen dadurch GrOBeneffekte erzielt werden und ein Kapazitatsausgleich unter den Partnem erfolgen, die gleiche oder ahnliche Kemkompetenzen anbieten.^^^* Der Interviewpartner Ubemimmt in der Virtuellen Fabrik Baden-Wurttemberg die Rolle des Netzwerkcoachs. Zu seinen Aufgabenbereichen gehSren die Vorbereitung und Begleitung von Entscheidungen und Umsetzungsprozessen sowie der Vertrauensaufbau innerhalb des Netzwerks. Dadurch, dass er am Aufbau der Beziehungen unter den Netzwerkpartnem mafigeblich beteiligt ist und zwischen den Netzwerkpartnem vermittelt, Ubemimmt er eine Moderatorfunktion.^^^^ Der interviewte Netzwerkcoach betont die Wichtigkeit des Aufstellens gemeinsam ermittelter und vor allem realistischer Zielsetzungen.^'^^ Das Ziel der Virtuellen Fabrik Baden-Wtirttemberg besteht in der Herstellung von individuellen und qualitativ hochwertigen Produkten zu einem wettbewerbsMigen Preis und in der ErschlieBung neuer Markte.^'^"* Die Kooperation von Kemkompetenztragem bietet zudem die MOglichkeit, das Netzwerk als Innovationspool zu nutzen.^*^^ Modeme Medien nehmen im Hinblick auf die Koordination der virtuellen Fabrik einen eher nachrangigen Stellenwert ein. Vor dem Hintergrund seiner bisherigen Erfahmngen ist der interviewte Netzwerkcoach der Auffassung, dass „c3f/^ Verwendung moderner Kommunikationsmedien [...] Uberbewertet
wird [52-53]. Der Gebrauch von
Informationstechnologien mtlsse in Relation zur Entwicklung eines Netzwerks betrachtet werden. Nach Meinung des Interviewpartners ist in der Anfangsphase, in der
^^^ Vgl. [Nr.l6: 42-44,171-176]. ^^°^Vgl.[Nr. 16: 302-305]. ^^°Wgl.[Nr. 16: 32-49]. ^^^^ Vgl. [Nr.l6: 1-14,105-107]. ^'^^ Vgl. [Nr.l6: 391-400]. ^^^'^ Vgl. [Nr.l6: 194-195]. ^'^^ Vgl. [Nr.l6: 176-191].
Fallstudien
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sich auch die Virtue lie Fabrik Baden-Wurttemberg derzeit befindet, der Einsatz modemer Informations- und Kommunikationstechnologien von ,,nicht allzu grofier Bedeutung'' [57-58]. Informationen Uber Angebote und AuftrEge, aber auch Protokolle und Berichte werden Uber E-Mail an die Netzwerkpartner weitergeleitet. Zwar sind die elektronischen Kommunikationsmedien ftir die professionelle Arbeit in einem Netzwerk unerlasslich, jedoch sind insbesondere in der Anfangsphase das gegenseitige Kennenlemen der Kooperationspartner und der Vertrauensaufbau von zentraler Bedeutung. Seit wenigen Monaten ist ein Kommunikations- bzw. Projektmanagementtool installiert worden, das bereits in der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland erfolgreich verwendet wird.^^^^ Mit Hilfe dieses Projektmanagementtools ist es m6glich, sogar netzwerkubergreifend Projekte abzuwickeln und die Kooperationspartner der Partnemetzwerke zu informieren.^^^^ Der Interviewpartner vertritt die These, dass die Verwendung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien mit fortschreitender Entwicklung der virtuellen Fabrik an Einfluss gewinnt. Die direkte Kommunikation („face-to-face") werde mit zunehmender Reife des Netzwerks von einer technologisch vermittelten Kommunikation substituiert. Die damit verbundenen Zeitvorteile sind jedoch nur unter der Voraussetzung eines auf Vertrauen grUndenden Beziehungsnetzwerks der Kooperationspartner mOglich.^'^^ Der Vertrauensaufbau erfolgt in der Anfangsphase primer durch die Projektarbeit der Kooperationspartner. Zudem fmden alle zwei Monate mehrtagige Partnertreffen statt, bei denen sich die Netzwerkpartner nicht nur bei den Diskussionen in den jeweiligen Arbeitskreisen, sondem auch beim gesellschaftlichen Teil, z. B. beim gemeinsamen Abendessen, genauer kennen lemen kOnnen. Das Kennenlemen wird dartiber hinaus z. B. auch in EDV-Schulungen^*^^ oder gegenseitigen Firmenbesuchen gef5rdert.^^'° Die Auswahl neuer Kooperationspartner erfolgt kompetenzorientiert, d. h. es werden nur diejenigen Untemehmen eingebunden, die aus der Sicht der im Netzwerk bestehenden Kemkompetenzen fehlen. Ein wesentliches Auswahlkriterium stellt dabei die KooperationsfUhigkeit neuer Partner dar, die jedoch schwer zu ermitteln ist. Uber die
^^^^ Siehe hierzu auch die Fallstudie der Virtuellen Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland. ^^°^Vgl. [Nr.l6: 301-304]. Siehe hierzu auch die Fallstudie (Nr.l3) Virtuelle Fabrik Nordwestschweiz-Mittelland, die in Abschnitt 5.2.2.3 dargesteUt wird. ^^^Wgl.[Nr. 16: 63-104]. ^'°^Vgl.[Nr. 16: 357-362]. ^**°Vgl.[Nr. 16: 105-130].
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Integration eines neuen Partners wird innerhalb des Netzwerks entschieden:^^'^ ,,Eine stabile Gruppe baut einen gewissen sozialen Druck auf, der dafUr sorgt, dass sich die Person integriert oder aus dem Netzwerk ausgeschlossen wird' [153-155]. Nach Angabe des interviewten Netzwerkcoachs ist die Auftragsabwicklung Uber das Netzwerk jedoch „noch relativ bescheiden" [215]. Er fiihrt dies darauf zurtlck, dass die Netzwerkpartner AuftrSge, die in ihren Kemkompetenzbereich fallen, entweder eigenstandig abwickeln oder dabei auf ihre eigenen Netzwerke zuriickgreifen. Die Preisgabe der eigenen Kemkompetenzen wird unter alien Umstanden verhindert,^''^ Es wird vielmehr nach qualitativen Effekten gesucht, ob sich z. B. die im Netzwerk vorhandenen Kemkompetenzen kombinieren lassen, urn Innovationen zu entwickeln oder Kosteneinsparungen erzielen zu k5nnen (Beispiel: Wasserstrahlschneiden und Laserbearbeitung).^*'^ Ein weiterer Grund fUr die geringe Auftragsabwicklung uber das Netzwerk iSge an dem noch wenig entwickelten Netzwerkverstandnis der Kooperationspartner.^''"^ Die Kundenakquise lauft i. d. R. Uber den im AngestelltenverhSltnis arbeitenden Broker der Virtuellen Fabrik, der auf Checklisten ftir die Auftragsanfragen bzw. Auftragsermittlungen zurUckgreifen kann.^^^^ Steht ein Projekt an, das von der Virtuellen Fabrik durchgefiihrt werden kann, organisiert der Broker ein Projekttreffen. Die Auswahl der zur Erbringung benStigten Kooperationspartner erfolgt in einem Selbstorganisationsprozess, in dem die am Projekttreffen beteiligten Partner feststellen kOnnen, ob sie sich aus fachlicher Sicht beteiligen kOnnen. Hat sich dann ein Projektteam zusammengesetzt, wird das weitere Vorgehen gemeinsam abgesprochen,^*^^ Je nach Komplexitatsgrad und Umfang des Projekts wird eine Vorstudie bzw. ein Pilotprojekt durchgefiihrt, um projektspezifische Erfordemisse mit dem Auftraggeber absprechen zu kSnnen.^^'^ Je nach Umfang des Projekts werden schriftliche VertrSge unter den Kooperationspartnem geschlossen. Wird vom Auftraggeber ein zentraler Ansprechpartner ge-
^^*WgI.[Nr.l6: 131-170]. ^"^Vgl.[Nr.l6: 195-202]. ^''^ Vgl. [Nr.l6: 203-213, 554-559]. ^"^VgI.[Nr. 16: 234-244]. ^"^ Vgl. [Nr.l6: 225-233,401-409]. ^'^^ Vgl. [Nr. 16:487-488]. ^^^^ Vgl. [Nr.l6: 255-273].
Fallstudien
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wunscht, tibemimmt der Partner, der den grSBten Wertsch5pfungsanteil hat, die Projektsteuerung als Generaluntemehmer.^^*^ Durch die Benennung eines Generaluntemehmers und seiner Zulieferer ist eine gewisse Hierarchisierung unvermeidbar. Die Koordination der Projektarbeit erfolgt zum einen durch den Generaluntemehmer, zum anderen durch ein umfangreiches Standardwerk, das die Kooperationsregein der Virtuellen Fabrik Baden-Wurttemberg beinhaitet. Die wichtigsten Regeln beziehen sich auf die Erstellung hochwertiger Produkte, die Kooperationsbereitschaft bzw. auf kooperatives Verhalten und auf Vertrauen, das als Basis der virtuellen Fabrik betrachtet wird. Auf eine administrative Kontrolle innerhalb des Netzwerks wird aus Kostenund Flexibilitatsgriinden verzichtet. Die Einhaltung dieser Regeln wird durch soziale Sanktionsmechanismen selbstregulierend gewahrleistet. Verhalt sich ein Netzwerkpartner erkennbar opportunistisch, dann wird er z. B. durch einen verringerten Informationsaustausch sanktioniert oder von weiteren Projekten ausgeschlossen.^^^^ Die Verteilung von Aufgaben innerhalb des stabilen Netzwerks der Virtuellen Fabrik Baden-Wurttemberg erfolgt anhand von festgelegten Rollenstrukturen. GemaB dem Konzept einer Virtuellen Fabrik nach Schuh sind dies: der Netzwerkcoach, der Broker und der In- und Outsourcingmanager, der Auftragsmanager und der Revisor.^'^^ Den zentralen Unterschied im Vergleich zur Virtuellen Fabrik NordwestschweizMittelland sieht der Interviewpartner - abgesehen von dem ca. dreijShrigen Entwicklungsvorsprung des Schweizer Netzwerks - in der Art der projektorientierten Zusammenarbeit. Am auffKUigsten sei die Kooperationskultur in der Schweiz. So vermutet der Interviewpartner, dass durch das fbderalistische Prinzip der Schweiz ein stSrkeres Gemeinschaftsgeftihl ausgeprSgt ist, das sich positiv auf eine auf Vertrauen basierende Kooperationsform auswirkt.^^^^ Als Risiko fiir ein virtuelles Untemehmen betrachtet der Interviewpartner die Aufstellung unrealistischer Ziele, ein zu geringes Augenmerk auf die Entwicklung gemeinsamer Werte und Normen, die als Vertrauensgrundlage betrachtet werden k5nnen. Bei der Griindung eines virtuellen Untemehmensnetzwerks empfiehlt der interviewte Netzwerkcoach, mit einer in Bezug auf die Kemkompetenzen homogenen Gruppe von
^''Wgl.[Nr.l6: 305-336]. ^^^Wgl.[Nr. 16: 337-348]. ^'^^ Vgl. [Nr.l6: 363-390]. Zu den einzelnen Aufgaben der Rollen siehe auch Schuh et al. (1998). ^'^Wgl.[Nr. 16: 478-544].
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fiinf bis sieben Partnem zu starten und erst spSter Kooperationspartner einzubeziehen, die das Speictrum an Kemkompetenzen erweitem,^^^^ D-13: FalIstudieited^/;/iD^iii:$cA&r/fi/(FallstudieNr. 17) Die Redesign Deutschland GbR, mit Sitz in Ost-Berlin, wurde 2002 vom Interviewpartner und seinem Kompagnon gegrtindet. Zu der Redesign Deutschland haben sich zehn Kooperationspartner (Freelancer und kleinere Firmen) mit dem Ziel zusammengeschlossen, Dienstleistungen im Bereich Web-Design und Web-Music anzubieten. Unter den Kooperationspartnem beflnden sich Architekten, Tontechniker, Designer, Sprachwissenschaftler, Programmierer, Texter, Designer und Strategen, MultimediaProduzenten und Musiker, die sich am Markt unter einer Marke, der Redesign Deutschland, prSsentieren und gleichzeitig wirtschaftlich und rechtlich unabhSngig bleiben.^^^^ Das latente Netzwerk der Redesign Deutschland ist regional ausgerichtet und weist in Bezug auf die im Netzwerk befmdlichen Kemkompetenzen Uberschneidungen auf, die fUr eine reibungslose Verkntipfung der ProjektablSufe und Teilleistungen vorteilhaft sind.^^^"* Zwischen den Partnem der Redesign Deutschland bestanden zuvor bis auf wenige Ausnahmen keine Beziehungen. Die Kontakte zu potenziellen Kooperationspartnem seien vor allem Uber das Intemet zustande gekommen.^*^^ Dadurch, dass dieses Netzwerk aus lose angeschlossenen Kooperationspartnem besteht, sind nach Angabe des Interviewpartners kaum Organisationsstmkturen oder Hierarchien notwendig bzw. mOglich.^'^^ Der Interviewpartner ist auf den Bereich Konzeption, Design, Entertainment und E-Commerce spezialisiert und vertritt die Redesign Deutschland gegenOber dem Kunden, die vor allem aus der Musik-Branche kommen (z. B. Plattenfirmen).^*^^ Die Aufgabenteilung in einem Projekt erfolgt quasi selbstorganisierend unter Bezug auf die jeweiligen Kompetenzen der Kooperationspartner.^^^^ Die Zusammenarbeit der
^^^^Vgl.[Nr.l6:419-477]. ^'^^ Vgl. [Nr.l7: 1-23, 29-30, 79-86]. Siehe hierzu www.redesigndeutschland.de (letzter Zugriff 19.05.2005). 2124
Vgl. [Nr.l7: 34-44,65-71,161-163].
^'^^ Vgl. [Nr.l7: 164-177]. ^'^^ Vgl. [Nr. 17: 30-31]. ^'^"'Vgl. [Nr.l7: 11-12,124-131]. ^'^^ Vgl. [Nr.l7: 57-62],
auch
die
Homepage
unter
Fallstudien
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Partner basiert auf dem gemeinsamen GeschaftsverstSndnis und einer Vertrauensgrundlage, die der Interviewpartner als ,,essenziell'' (220) betrachtet. Dies kommt beim virtuellen Untemehmen Redesign Deutschland besonders dadurch zum Ausdruck, dass auf schriftliche VertrSge unter den Kooperationspartnem verzichtet werden kann. Dieser Verzicht ermSglicht eine kostengUnstigere Projektabwicklung und kommt den Erfordemissen einer raschen Projektumsetzung entgegen. Anstelle von schriftlichen VertrSgen treten miindliche Vereinbarungen, die z. T. durch schriftliche Dokumentationen in einer E-Mail festgehalten werden.^^^^ Die Projektleitung wird in den meisten Fallen von demjenigen Ubemommen, der das Projekt akquiriert hat und mit dem Kunden den Vertrag geschlossen hat.^'^^ Der Projektmanager ist dabei gleichzeitig der Ansprechpartner des Kunden^'^^ und „c//e Person, bei der alle Fdiden zusammenlaufen'' [318]. Die Projektkoordination erfolgt zu Beginn durch pers5nliche Projektgesprache, an denen sich der feste Kern der Netzwerkpartner beteiligt.^^^^ Daraufhin werden die beteiligten Kooperationspartner vom Projektmanager Uber die Projekteinzelheiten und KundenwUnsche informiert. AnschlieBend kSnnen sich Partner gegebenenfalls zu Arbeitsgruppen zusammenschlieBen. Das Aufstellen eines Projektplans, in dem die Ziele und die Abfolge der zu erbringenden Teilleistungen jedes Kooperationspartners in den daftir vorgesehenen ZeitrSumen festgehalten werden, ermOglicht eine ProjektUbersicht und eine genaue Terminplanung.^^" Die Leistungserstellung in den Projekten der Redesign Deutschland ist durch horizontalreziproke Leistungsbeziehungen der Projektpartner gekennzeichnet und wird vom Projektmanager koordiniert.^'^"* Nach Ansicht des Interviewpartners ist es dabei wichtig, dass der Projektmanager neben Sozialkompetenzen auch fachliche Einblicke in die einzelnen Leistungsbereiche hat, um das Zusammenspiel der Kemkompetenzpartner effizient steuem zu kOnnen.^'^^ Die Kommunikation unter den Projektpartnem erfolgt insbesondere zu Projektbeginn, aber auch wahrend des Projekts, Uber persdnliche Gesprache bei den regelmaBigen
^^^^Vgl.[Nr.l7: 219-228]. ^'^%gl.[Nr. 17: 289-293]. ^'^^ Vgl. [Nr.17: 245-246,294-315]. ^'^^Vgl.[Nr. 17: 247-288]. ^^" Vgl. [Nr.17: 394-405]. ^'^^ Vgl. [Nr.17: 316-330]. ^^^Wgl. [Nr.17: 330-349].
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Partnertreffen. Der Interviewpartner hebt die Bedeutung und Notwendigkeit pers5nlicher Gesprache bei der Projektkoordination hervor und ist der Auffassung, dass sie die Effizienz der Koordination erhOhen wUrden.^'^^ Die Abstimmungs- bzw. Koordinationsprozesse werden durch den Einsatz von Telefon und E-Mail unterstutzt. Durch den Einsatz von E-Mail ist nach Auffassung des Interviewpartners eine Groupware oder ein zentraler Server nicht notwendig bzw. ,,komplett ersetzbar" [373].^^^^ Finanzielle Aspekte werden zu Beginn des Projekts geklSrt. Im Vertrag zwischen dem virtuellen Untemehmen und dem Kunden wird der ausgehandelte Preis fiir die Dienstleistungen niedergelegt. Dartiber hinaus werden die Leistungen der Kooperationspartner nach zuvor festgelegten Stunden- und TagessStzen berechnet und die Frage der Gewinnaufteilung geklSrt. In einem grOBeren Projekt mit einer Plattenfirma haben sich die Projektpartner z. B. darauf geeinigt, den Gewinn in gleichen Teilen aufzuteilen, um Streitigkeiten zu vermeiden und die Motivation unter den Partnem aufrecht zu erhalten.^>^« Vertrauen unter den Kooperationspartnem stellt eine notwendige Voraussetzung ftir eine erfolgreiche Projektabwicklung dar. Wird dieses Vertrauen z. B. durch opportunistisches Verhalten eines Kooperationspartners hintergangen, wUrden soziale Sanktionsmechanismen greifen, wie z. B. eine Nichtbeachtung bei zuktinftigen Projekten. Solche Falle seien bisher jedoch noch nicht aufgetreten. Dies begrOndet der Interviewpartner damit, dass durch die Auswahlprozesse bei der Aufnahme von Kemkompetenztragem in das latente Netzwerk der Redesign Deutschland bereits auf ihre Seriositat geachtet werde. Zudem weisen die Netzwerkpartner ein gemeinsames Geschaftsverstandnis auf, das auf die Erzielung gegenseitiger Vorteile ausgerichtet ist.^*^^ Die Redesign Deutschland steht vor der Entscheidung, die virtuellen Untemehmensstrukturen weiter auszubauen oder eine GmbH zu grtinden. Getragen werden diese Veranderungsabsichten zum einen durch den Wunsch, einen Kompromiss zu fmden, um einerseits die rechtlich und wirtschaftlich unabhangige Arbeitsweise der Partner aufrechtzuerhalten, andererseits jedoch einen gewissen Formalisierungsgrad zu errei-
^^^^ Vgl. [Nr.l7: 367-370, 383-385, 387-394]. ^'^^ Vgl. [Nr.l7: 350-355, 365-379]. ^'^Wgl.[Nr.l7:406-416]. ^*^^ Vgl. [Nr.l7: 229-245, 195-202,211-218,453-462].
Fallstudien
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Chen, urn die Arbeitsprozesse zu optimieren und dem Sicherheitsbedtirfnis in einem Untemehmensnetzwerk Rechnung zu tragen.^'"*^ Den Vorteil der Leistungserstellung im Rahmen eines virtuellen Untemehmens sieht der Interviewpartner in der Flexibilitat der Zusammenarbeit, die beispielsweise darin zu sehen ist, dass die Leistungen auch wahrend des Projekts noch variabel sind und Anderungsvorschlage des Kunden berticksichtigt werden kCnnten.^^"^' Zu den Risiken eines virtuellen Untemehmens zahlt der Interviewpartner die mOgiicherweise mangelnde Verfiigbarkeit bzw. Verlasslichkeit der Projektpartner.^^"*^
D-14: FaUstudie The Webworker Group (Fallstudie Nr. 18) The Webworker Group {TWO) mit Sitz in Berlin besteht seit September 1996 als virtuelles Untemehmen. 1998 wurde die damalige Einzeifirma in eine GmbH umgewandelt. Damit zShlt die TWG zu den virtuellen Untemehmen in Deutschland, die am langsten am Markt bestehen.^'"*^ Die TWG besteht aus einem stabilen Netzwerk rechtlich selbstSndiger Untemehmen, deren Leistungserstellung auf der Gmndlage eines gemeinsamen Geschaftsverstandnis basiert und die im Organisationsaufbau einen im Vergleich zu einem traditionalen Untemehmen einen geringen Formalisiemngsgrad aufweist. Je nach Projekt schlieBen sich einzelne Partner zu einem virtuellen Untemehmen zusammen. Bei der gemeinsamen Leistungserstellung beteiligen sich die Kooperationspartner vor allem mit ihren Kemkompetenzen.^^'^'* Die interviewte Geschaftsftihrerin, die die Grtinderin und geschaftsfUhrende Gesellschafterin der TWG ist, stimmt mit der Auffassung Uberein, dass das Konzept des virtuellen Untemehmens einen Idealtypus darstellt, den es in der Untemehmenspraxis nicht gibt. In der Praxis seien vielmehr sehr unterschiedliche Auspragungen virtueller
^^"^^ Vgl. [Nr.l7:44-62,423-446,469-477]. ^'"^^ Vgl. [Nr.l7: 63-78, 382-383,422-423]. ^^^^ Vgl. [Nr. 17: 478-486]. ^^^^ Vgl. [Nr.l8: 1-17]. Siehe hierzu auch die Homepage unter www.twg-consulting.de (letzter Abruf 19.05.2005) und Hoftnann (2003), S. 13 ff. ^'"^"^ Vgl. [Nr.l8: 29-42, 70-74].
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Anhang D
Untemehmen zu sehen, die z. B. je nach Anforderung und Branchenzugeh6rigkeit unterschiedliche konstituierende Merkmale aufweisen kOnnten.^*'^^ Die TWG tritt gegentiber dem Kunden unter einem einheitlichen Namen auf, wobei jedoch dem Kunden deutlich gemacht wird, dass es sich bei der TWG urn ein Netzwerk aus Spezialisten handelt, das sich je nach Projektanfordening zusammensetzt. Dies wird auch darin deutlich, dass die beteiligten Kooperationspartner zwar ein gemeinsames Angebot abgeben, ihre Leistungen jedoch einzeln mit dem Kunden abrechnen. Projekte werden bei der TWG zwar zentral koordiniert,^^"*^ jedoch bleibt das Rechnungswesen den beteiligten Kooperationspartnem Uberlassen. Die Interviewpartnerin weist darauf hin, dass die TWG in den ersten Jahren den Kunden gemeinsame Rechnungen gestellt hat. Dabei seien jedoch schlechte Erfahrungen in Bezug auf den Zahlungsablauf gesammelt worden, sodass man sich daraufhin dazu entschlossen hat, getrennte Abrechnungen dem Kunden zu Obersenden, um den Oberblick ttber die Abrechnung der Einzelleistungen zu wahren und Probleme bei der Endabrechnung eines Gemeinschaftsprojekts zu vermeiden. Ein weiterer Vorteil, der sich aus einer getrennten Rechungserstellung ergabe, sei die Nachvollziehbarkeit der Zustandigkeiten bei Haftungsfragen.^^"*^ Vertrauen unter den Kooperationspartnem wird von der geschaftsfUhrenden Gesellschafterin als ein wesentlicher Aspekt bei einem virtuellen Untemehmen betrachtet. Sie ist jedoch der Auffassung, dass Vertrauen als alleinige Kooperationsgmndlage nicht ausreichend ist, um ein Projekt erfolgreich abschlieBen zu kSnnen: ,^m Anfang habe ich erst auch gedacht, dass sich alles Uber Vertrauen regeln lassen kann und alles auf einer Vertrauensbasis stattfindet und man dann fiberhaupt nichts vertraglich regeln muss, weil man sich unter den Partnern einig ist. Aber mittlerweile bin ich ein Verfechter von Vertrdgen geworden" [Sl-SS].^*"^^ Die wesentlichen GrUnde fiir das SchlieBen von VertrSgen unter den Kooperationspartnem sieht die Interviewpartnerin vor allem bei Kooperationen mit bisher unbekannten Partnem und als Gmndlage bei Haftungsfragen gegentiber dem Kunden. Dartiber hinaus betrachtet die Interviewpartnerin den unter den Kooperationspartnem geschlossenen Projektkooperationsvertrag auch als Bestatigung der mtindlichen Vereinbamngen und als Vertrauensbeweis und
^'"^^Vgl.psJr. 18: 18-28]. ^^^^ Siehe hierzu auch Hofmann (2003), S. 16. ^•^^Vgl.[Nr. 18:43-69]. ^'^* Vgl. hierzu auch Hofmann (2003), S. 16 f.
Fallstudien
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Absichtserklarung der Kooperationspartner, die ausgehandelten Abmachungen auch einhalten zu wollen. Die Abmachungen werden in einem ..Letter of Intent'' schriftlich festgehalten. Jeder Projektkooperationsvertrag ist somit die Grundlage fUr den Koordinationsprozess und das Projektmanagement. In diesem 5- bis lOseitigen SchriftstUck werden die ZustSndigkeiten und Teilleistungen der Projektpartner, der Projektablaufpian, der Umgang mit dem Kunden sowie der Kundenbetreuer, aber auch Kooperationsregeln festgehalten. In den Kooperationsregeln sind z. B. auch die Verhaltensweisen bei der Informationsweitergabe in Kommunikationsregeln niedergeschrieben. Hierbei wird z. B. festgelegt, dass der Koordinator Uber alle projektrelevanten Daten informiert werden muss und welche Kommunikationsmedien fUr den jeweiligen Zweck eingesetzt werden sollen. Der Aufwand bei der Erstellung eines Kooperationsvertrages sei dabei Uberschaubar, da im Laufe der Projekte Erfahrungen gesammelt wurden und sich gemeinsame Standards, z. B. im Hinblick auf die Kommunikationsregeln, entwickelt haben.^^"*^ Der Vertragsabschluss unter den Projektpartnem kann je nach Bekanntheitsgrad entweder Uber modeme Kommunikationsmedien (Telefon, Fax, E-Mail) oder aber auch bei einem „Kick-off-Meeting" erfolgen.^^^^ Dabei sei es jedoch wichtig, dass die Projektpartner auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet werden. Dies geht nicht zuletzt auf die Frage zurtick, aus welchem Grund sich die Kooperationspartner zu einem virtuellen Untemehmen zusammenschlieBen wollen. FUr den Bestand des stabilen Netzwerks eines virtuellen Untemehmens sei es wesentlich, dass sich vor allem Partner in diesem Netzwerk befmden, die nicht ausschlieBlich durch die Annahme motiviert sind, durch die Beteiligung an grOBere Auftr^ge zu gelangen oder eine gesicherte Auftragslage zu haben und dadurch in einer passiven Empfangshaltung zu verharren. Viel wichtiger sei es, dass Partner gefunden werden, die sowohl eigenmotiviert und netzwerkf^ig sind und den Vorteil eines virtuellen Untemehmens vor allem in der projektorientierten Erstellung qualitativ hochwertiger Dienstleistungen oder Produkte sowie der flexiblen Marktdurchdringung sehen.^*^* Der Kontakt zu neuen Kooperationspartnem erfolgt im Regelfall Uber die Medien und das Internet. Aus einem l^ngeren Gesprach kann die geschaftsfuhrende Gesellschafterin meist schon erkennen, ob ein potenzieller Kooperationspartner sowohl die fachli-
^*^^Vgl.[Nr. 18: 75-124]. ^'^%gl. [Nr.l8: 125-137], ^'^^ Vgl.[Nr. 18: 293-334].
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AnhangD
chen als auch die sozialen Kompetenzen ftlr die Kooperation in einem virtuellen Untemehmen aufweist. PersSnliche Kennenlemgesprache sind ihrer Meinung nach nicht immer notwendig.^^^^ An einem Projekt des virtuellen Untemehmens TWG sind durchschnittlich vier bis ftinf Partner beteiligt. In AusnahmefUllen k5nnen dies aber auch mehr Partner sein. Die Anzahl der Partner, die an einem Projekt beteiligt sind, hinge jedoch von ihren technischen Voraussetzungen ab. Jedoch verfiigen die Partner in den seltensten Fallen von Beginn an alle Uber die notwendige Hard- und Software. Sind diese Voraussetzungen geschaffen, kOnnen selbst Projekte mit sieben bis elf Partnem noch erfolgreich durchgefiihrt werden.^^" Zur Koordination der Leistungserstellung in der TWG wird in der Regel ein Dokumentenmanagementsystem eingesetzt, in dem sowohl einzelne Dokumente als auch die EMail-Korrespondenz eines Projekts gesammelt werden k6nnen. Mit Hilfe dieses Dokumentenmanagementsystems ist es mCglich, die einzelnen Projektschritte nachzuvoUziehen und auch dem Kunden bei Bedarf eine detaillierte Ubersicht zu erstellen, Daneben wird ein Leistungserfassungstool verwendet, das bereits bei der Angebotserstellung verwendet wird und als Grundlage der Vertragsgestaltung genutzt werden kann. Dieses Leistungserfassungstool gibt iiber die Teilleistungen der Kooperationspartner Aufschluss und kann somit auch fllr das Controlling hilfreich sein.^^^"* Auf umfangreiche IT-Systeme zur Projektsteuerung und Koordination wird bei der TWG verzichtet. Abgesehen von den hohen Anschaffungskosten dieser Systeme sind die meisten fiir die tSgliche Projektarbeit zu aufwSndig: „[...] wir sindhierja
wirklich
alles sehr kleine Untemehmen, und diese Tools, die wir so kennen, sind eigentlich alle viel zu Uberdimensioniert
[217-219]. Es werden einfache und kostengUnstige IT-
Systeme benQtigt, die sowohl filr einen Einzelarbeitsplatz als auch als Groupware genutzt werden kOnnen.^^^^ Das o. g. Dokumentmanagementsystem „Ebel" kann Uber die Standardsoftware MS Office eingebunden werden. „Lycos", das Leistungserfassungstool sei fiir die Projekte der TWG hervorragend geeignet, da es einfach und
^*"Vgl.[Nr.l8: 138-162]. ^•"Vgl.[Nr. 18: 163-177]. ^^^^Vgl.[Nr. 18: 178-190]. • Vgl. [Nr.l8: 214-220]. Siehe hierzu auch Hofmann (2003), S. 17.
Fallstudien
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verhaltnismaBig kostengUnstig ist. Daneben wird „Eyetask", eine australische Software zum „distributed Management" erprobt.^^^^ Die Interviewpartnerin ist jedoch der Auffassung, dass der Faktor „Mensch" in einem virtuellen Untemehmen nicht in den Hintergrund gedrangt werden darf. Es sei nicht immer notwendig, zur Steuerung eines Projekts eine Softwareuntersttitzung einsetzen zu mtissen, da vieles auch schon Uber Plane und die Nutzung von E-Mails erfoigen kann: ,,Das ist immer noch der Mensch, der das macht, Und wenn der nicht begreift, dass die Abstimmung notwendig ist, dann konnen Sie die gesamte IT in den Mull werfen. Allein damit lauft so ein virtuelles Netzwerk nicht!'' [237-239].^^" Die Projektleitung obliegt bei der TWG einem zentralen Koordinator. Die Rolle des Koordinators wird in der Regel derjenige Partner tibemehmen, der den Projektauftrag akquiriert hat, bzw. derjenige, der durch seine Sozialkompetenz oder seine Fachkompetenz am besten fiir die Koordination geeignet ist.^^^^ Der Koordinator steht mit den Projektpartnem in einem direkten Informationsaustausch, sodass er aber alle wesentlichen Projektinformationen verfiigt. Seine Aufgabe besteht im Wesentlichen aus zwei Bereichen: Einerseits ist er fUr den planmaBigen Ablauf des Projekts und die notwendige Informationsweitergabe an die jeweiligen Projektpartner zustandig. Andererseits steht er in direktem Kontakt zum Kunden, erklart ihm die einzelnen Schritte und bespricht mit ihm auftretende Fragen. Somit bildet er die Kundenschnittstelle der TWG und vertritt das virtuelle Untemehmen nach auBen.^^^^ Wichtig sei jedoch, dass unter den Kooperationspartnem Einigkeit dariiber besteht, wie weit die Entscheidungsfreiheit des Koordinators reicht.^^^^ Durch die zentrale Position des Koordinators, seine Verantwortung bei der Leistungserstellung und dadurch, dass er das Netzwerk gegentiber dem Kunden vertritt, nimmt er eine exponierte Position innerhaib des virtuellen Untemehmens ein. Aus diesem Grunde sei auch ein virtuelles Untemehmen kein hierarchiefreies Organisationskonzept. Da die rechtlich selbstandigen Projektpartner andererseits jedoch keine Befehlsemp&iger sind, kann auch nicht von einer Hierarchic im klassischen Sinne gesprochen werden. Zwar haben die Projektpartner bei der Erstellung ihrer Teilleistung im
2156 ^;„, rxT. 10.221-231]. Vgl. [Nr.l8
^'"Vgl. [Nr.l8 231-239]. ^^^^Vgl. [Nr.l8 244-251]. ^'^^Vgl. [Nr.18 276-292]. ^^^%gl. [Nr.l8 346-394].
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Anhang D
Rahmen der definierten Aufgaben freien Handlungsspielraum und kCnnen sich mit ihren Projektpartnem untereinander abstimmen, sodass hier von einer eingeschr^nkten Selbstorganisation gesprochen werden kann. Die Interviewpartnerin ist jedoch der Auffassung, dass auch ein virtuelles Untemehmen einer zentralen FUhrung bzw. eines zentralen Managements bedarf, um effektiv und effizient arbeiten zu kOnnen.^'^^ Das Coaching der Projektpartner sollte nach MOglichkeit von einem unbeteiligten Netzwerkpartner oder auch einem extemen Partner und nicht durch einen Projektpartner erfolgen. Kommt es zu Spannungen oder Konflikten wahrend eines Projekts, dann schreitet dieser Netzwerkcoach moderierend ein. Die Rolle des Netzwerkcoachs ist insofem wichtig, als mit seiner Hilfe die Projektpartner aufeinander abgestimmt werden und damit ein Beitrag zum Projekterfolg geleistet wird. Sehr hSufig ist diese Rolle durch die Interviewpartnerin Ubemommen worden, da sie tiber umfangreiche Erfahrungen bei Netzwerkkooperationen und Ober eine ausgeprSgte Sozialkompetenz verfUgt.'^" Zum Abschluss eines Projekts erfolgt eine Projektabschlussbesprechung. Hierbei versammeln sich alle Projektpartner, um auf die Schwierigkeiten und Probleme des Projekts noch einmal eingehen zu kOnnen, den effektiven Zeitaufwand mit dem zu Beginn des Projekts aufgestellten Zeitplan zu vergleichen und zu analysieren, in welchen Projektphasen ein Mehraufwand entstanden ist. Aus den Schwierigkeiten und Fehlem kOnnen Schlussfolgerungen fiir zukiinftige Projekte gezogen werden. Das Dokumentenmanagementsystem und das Leistungserfassungstool kOnnen dabei der Diskussion zu Grunde gelegt werden. Ein nicht unwesentlicher Aspekt bei Projektabschlussgesprachen und der Abschlussfeier kommt dem persOnlichen Kennenlemen der Projektpartner zu. Durch diese informellen Treffen kOnnen die sozialen Beziehungen unter den Kooperationspartnem intensiviert werden, was wiederum filr den reibungslosen Ablauf zukUnftiger Projekte vorteilhaft sei.^*" D-15: FallstudieQ?iiFerve(FallstudieNr. 19) Die ConVerve GmbH wurde im Jahr 2000 vom Inhaber und Geschaftsftihrer Mark Kessels in Itzehoe gegrilndet. Das Untemehmensziel besteht darin, auslandischen
^^^^ Vgl. [Nr.l8: 335-357,358-382. 383-403]. Vgl. Hoftnann (2003), S. 16. ^'"Vgl.[Nr.l8: 242-275]. ^'^^ Vgl. [Nr.l8: 190-213].
Fallstudien
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Untemehmen den Marktzutritt in Deutschland zu erleichtem. ConVerve bietet kundenspezifische Marktstudien und E-Business-LOsungen, z. B. mafigeschneiderte multilinguale Web-Auftritte an, ermittelt potenzielle Kooperationspartner in Deutschland und organisiert Besucherprogramme.^^^ Die durch die ConVerve angebotenen Dienstleistungen sind durch eine konsequente Kundenorientierung gekennzeichnet. Dies zeigt sich z. B. in der Verwendung von Ubersetzungstools sowie in der Gestahung von Intemetauftritten, die an die landesspezifischen Besonderheiten angepasst sind sowie durch das Angebot des kundenindividuelien Aufbaus und Gestaltung von Marktforschungsberichten. Das anfUngliche Ziel, eine Beratungskompetenz fUr Kunden aus Deutschland anzubieten, wurde seit Mitte 2002 auf den europSischen Raum erweitert. Das Netzwerk der Kooperationspartner umfasst nicht nur Partner aus den Niederlanden und Schweden und Deutschland, sondem auch einen Softwareentwickler in Indien.^*^^ In einem grCBeren Projekt, das nach Angaben des Interviewpartners als ein Pilotprojekt genutzt wurde, konnten bereits unterschiedliche Erfahrungen im Hinblick auf die Koordination eines virtuellen Untemehmens gesammelt werden. Hierzu gehOrten z. B. Erfahrungen im Bereich der Kommunikation unter den Projektpartnem, der Festlegung von Projekten sowie der Aufgaben- und Rollenverteilung.^^^^ Zu Beginn eines Projekts erfolgt ein Projektbriefing, an dem alle Projektpartner und der Kunde teilnehmen, um sich gegenseitig kennen zu lemen und mit dem anstehenden Projekt vertraut zu werden. Der interviewte Geschaftsflihrer hebt die Vorteile eines solchen Partnertreffens hervor, da er festgestellt habe, dass die Zusammenarbeit unter den Projektpartnem nach einem Projektbriefing wesentlich besser erfolgt und weniger Probleme im Projektablauf entstehen. Hinzu komme, dass man den kulturellen Unterschieden der Projektpartner in pers5nlichen Gesprachen wesentlich besser Rechnung tragen kOnne als Uber modeme Informations- und Kommunikationstechnologien und damit Missverstandnissen entgegenwirken kOnne.^'^^ Haben sich die Partner wahrend dieses ersten Projekttreffens erst einmal genauer kennen gelemt, erste Einschatzungen und Vorschlage unterbreitet und wesentliche
* ^ Siehe hierzu auch die Intemetprasenz unter www.converve.de (letzter Abruf 19.05.2005) und Teichmann/Borchardt (2003), S. 65 ff. ^'^^Vgl. [Nr.l9:l-29]. ^*^^ Vgl. [Nr.l9: 30-34,171-172,206-216,273-275]. ^'^'' Vgl. [Nr.l9: 315-326, 330-347]. Siehe hierzu auch Teichmann/Borchardt (2003), S. 66.
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Aspekte abgesprochen, kOnnen nach Ansicht des Interviewpartners auch die modemen Kommunikationstechnologien wesentlich gezielter und damit effizienter eingesetzt werden: ,,Richtig, das ist ein gam wichtiger Punkt. Die Technologien sind ja nicht Mittel zum Zweck. Man muss ja auch gewahrleisten konnen, dass die technisch vermittelte Kommunikation letztlich auchfunktioniert [144-146].^^^^ Der Interviewpartner betont, dass die Effizienz eines virtuellen Untemehmens wie der ConVerve nicht allein durch die MSglichkeit der Nutzung modemer Medien und leistungsfMhiger Projektmanagement-Tools hervorgebracht wird, sondem wesentlich auf die Berticksichtigung psychologischer Faktoren zurOckzuflihren ist^^^^: ,,Was ich nie geglaubt habe, ist dieser menschliche Aspekt, der bei einer solchen Kooperation eine sehr grofie Rolle spielt. Man denkt am Anfang, dass man mit der Technik alles losen kann, aber es sind dock immer Menschen, die an den Aufgaben sitzen und die zusammenarbeiten musseri"' [219-222]. Deshalb sei es noch vor Projektbeginn sehr wichtig, dass sowohl die Projektpartner als auch der Kunde an einem Tisch zusammenkommen, urn gegenseitig Vertrauen aufbauen zu k5nnen.^^^° Die Virtualitat der Zusammenarbeit sei nur durch eine reale Grundlage mOglich, bei der der Faktor Mensch berticksichtigt werde. Aus diesem Grunde erfolgen bei den Projekten der ConVerve in regelmafiigen AbstSnden Projekttreffen bzw. Besprechungen.^'^' Zwischen der ConVerve und dem Kunden werden schriftliche VertrSge geschlossen. Dabei trSgt der interviewte Geschaftsftihrer, der gleichzeitig direkter Ansprechpartner des Kunden ist, die Verantwortung flir das Projekt. Hilfreich fUr die Geschaftsanbahnung ist nach Auffassung des Interviewpartners der reale Firmensitz, sodass der Kunde einen ersten Eindruck vom Untemehmen bekommt. Die Arbeitsweise eines virtuellen Untemehmens sei dann fiir den Kunden wesentlich einfacher nachzuvollziehen.^^^^ Unter den Kooperationspartnem bestehen schriftliche Standardvertrage, in denen sowohl die wichtigsten Projektdaten als auch Qualitatsstandards, Zeitplane, Kommunikationsregeln und konkrete Verhaltensweisen festgelegt werden, damit es wahrend des Projekts nicht zu Problemen unter den Partnem kommt. In einem Standardvertrag ist z. B. geregelt, welche Sanktionen erfolgen, wenn von den Kooperationspartner die ^'^^ Vgl. [Nr.l9: 128-152,212-214, 327-330]. ^'^^ Siehe z. B. [Nr.l9: 219-237,273-281,295-308], ^'^° Siehe hierzu auch Teichmann/Borchardt (2003), S. 66. ^'^Wgl.[Nr. 19: 283-314]. ^'^^ Vgl. [Nr.l9:43-56].
Fallstudien
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Termine nicht eingehalten werden. Da diese Standardvertrage nur zwei Seiten umfassen, mussen sie je nach Projekt durch spezifischere Angaben ergSnzt werden. Das Abschliefien von grundlegenden Standardvertragen sei sinnvoll, da zu Beginn von IT-Projekten haufig kein konkretes bzw. genau defmierbares Ziel vom Kunden vorgegeben wird.^'^^ Die Ausgangslage eines Projekts stellt haufig nur das Kundenproblem Oder eine nur unscharf umrissene Aufgabenstellung dar. Durch die Verwendung von Standardvertragen kCnnen weitere Kiauseln auch im Laufe des Projekts flexibel erganzt oder den gegebenen Umstanden angepasst werden. Das Ziei dieser Vorgaben in den Vertragen besteht darin, Prozesse zu einem bestimmten Grad zu standardisieren, um eine Kooperationsbasis zu schaffen und den Koordinationsaufwand reduzieren zu konnen.^*^"^ Lediglich unter den Entwicklungspartnem werden keine schriftlichen Vertrage geschlossen. Die Zusammenarbeit erfolgt dabei auf der Grundlage von Vertrauen und eines gemeinsamen Geschaftsverstandnisses.^'^^ Die Koordination des Projekts erfolgt durch einen Projektmanager. Der Projektmanager ist zwar Mitglied im Kooperationsnetzwerk der ConVerve, jedoch nicht direkt an der Leistungserstellung beteiligt, sondem ausschiieBlich fUr die Koordination des Projekts bzw. der Projektpartner zustandig. Zu den Aufgaben des Projektmanagers geh6rt z. B., den fUr die Programmierung zustandigen Partner in Indien zu leiten, den Partnem die neuesten Projektinformationen zu geben und auf die Einhaltung des Zeitplans zu achten. Der interviewte Geschaftsleiter wird durch den Projektmanager tiber die jeweiligen Projektablaufe informiert und wUrde sich je nach Anforderung bzw. bei Fragen oder Problemen mit dem Kunden zusammenschliefien. Somit ist auch der Kunde an der Projektentwicklung direkt beteiligt und bekommt auch wahrend der Umsetzungsphase einen Einblick in das Projekt.^'^^ Bei der Durchfiihrung von Projekten wird das einheitliche und von der ConVerve selbst entwickelte Projektmanagement-Tool „ProTracking" verwendet, mit dem alle projektrelevanten Daten und Dokumente vorgehalten und fur die Projektpartner zuganglich gemacht werden k5nnen. Die Projektpartner sind dazu aufgefordert, tiber dieses Projektmanagement-Tool tagliche und w5chentliche Berichte tiber ihren Stand
^^''^ Siehe hierzu auch Teichmann/Borchardt (2003), S. 67. ^'^"^ Vgl. [Nr.l9: 82-126, 153-159]. ^'"'^ Vgl. [Nr.l9: 160-165]; Teichmannmorchardt (2003), S. 66. ^^^^ Vgl. [Nr.l9: 166-179].
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Anhang D
der Dinge den Projektpartnem mitzuteilen.^'^^ Der Interviewpartner macht jedoch darauf aufmerksam, dass die Verwendung eines Projektmanagement-Tools erst dann effizient erfolgen kann, wenn das virtuelle Untemehmen die Konsolidierungsphase abgeschlossen hat und sich gewisse standardisierte ProjektablSufe, Verfahrensweisen und StandardvertrSge im Kooperationsnetzwerk herausgebildet haben. Erfahrungen kSnnen dabei in einer Datenbank oder in einem Dokumentenablagesystem gespeichert werden, auf welche die Projektpartner bei zukUnftigen Projekten zurUckgreifen k6nnen.^'^« Obwohl es sich bei diesem Projektmanagement-Tool urn eine umfangreiche Groupware handelt, wird dieses System bei den aktuellen Projekten nur eingeschrSnkt verwendet, da es nicht in alien Aspekten den Ansprilchen an die Kommunikation, wie z. B. der Kommunikationsgeschwindigkeit, gerecht werde. Urn eine mOglichst kostengiinstige und vor allem schnelle (asynchrone) Kommunikation unter den Projektpartnem zu erm5glichen, wird der Jahoo-Messenger verwendet: „Es muss vielmehr eine one-toone-Kommunikation mdglich sein. Wenn es z. B. zu einem kleinen Problem kommt, dann kann man direkt den jeweiligen Projektmitarbeiter anmailen, der dann sofort darauf per Mail antworten kann'' [74-76].^'^^ Der Vorteil des Jahoo-Messengers liegt neben der schnellen und preiswerten Informationsweitergabe vor allem auch darin, den Partner in Indien direkt kontaktieren zu kOnnen und damit geographische Distanzen Uberwinden zu kOnnen. Zu diesem Zweck werden taglich um 10:00 Uhr Online-Konferenzen in Englisch abgehalten, in denen die aktuellen Projektangelegenheiten besprochen werden k5nnen. Durch die unterschiedlichen Zeitzonen, in denen sich die Projektpartner befmden, k5nnen zudem Zeitvorteile genutzt werden: Jn Indien entwickeln sie sozusagen nachts weiter, wo wir am Abendfestgestellt haben, dass hier eine Verdnderung vorgenommen werden muss. Und morgens kOnnen wir dann schon die Umsetzung dieser Verdnderung in unsere weitere Arbeit aufnehmen'' [185-187].^'^° Der Interviewpartner geht davon aus, dass in naher Zukunft auf der Grundlage der o. g. Standardisierungen sowohl durch das
2177
Vgl. [Nr.l9: 126-128]. Siehe hierzu auch Teichmann/Borchardt (2003), S. 68.
2^^Wgl.[Nr. 19: 82-92]. ^'^^Vgl.[Nr.l9: 62-82,180-181]. ^^*^ Vgl. [Nr. 19: 180-205].
Fallstudien
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Projektmanagement-Tool als auch durch den Jahoo-Messenger die Effizienz der Projektkoordination weiter gesteigert werden kann.^'^* Der Interviewpartner weist darauf hin, dass zu Projektbeginn eine klare Rollendefinition und Aufgabendefinition unter den Projektpartnem vorgenommen werden sollte. Dies sei jedoch bei manchen Projekten eine schwierige Aufgabe, da nicht nur unter den Projektpartnem des virtuelien Untemehmens soziale Rollen bestehen, sondem auch noch in grdBeren Untemehmen Roilen wahrgenommen werden k5nnen. Dabei sei es unter den Aspekten wie Zeitdruck nicht immer sicherzustellen, dass die Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer uneingeschrankt erfolgen kann.^^^^ Bei der ConVerve kOnnen bei nSherer Betrachtung im Wesentlichen zwei Rolienstrukturen identifiziert werden. Zum einen ist es der Projektmanager, dessen Aufgabe es in erster Linie ist, einen effizienten Projektablauf zu gewahrieisten. Zum anderen nimmt der Grtinder und GeschaftsfUhrer bei der ConVerve die Rolle eines Netzwerkmanagers ein. Mit diplomatischem Geschick ist er in der Lage, z. B. bei Konflikten unter den Projektpartnem zusammen mit dem Projektmanager zu vermitteln und damit sowohl das laufende Projekt als auch das Netzwerk der ConVerve zu sichem bzw. aufrechtzuerhalten.^'^' Bei der ConVerve wird auf hierarchische Strukturen weitestgehend verzichtet.^'^"* Der Interviewpartner weist jedoch darauf hin, dass dies ein schwieriges Steuemngs- und Kontroliproblem hervormfe. WUrden die Rollen mit ihren Pflichten, Rechten und Zustandigkeiten nicht vor Projektbeginn defmiert werden, kOnne es - wie in einem Fall festgestellt werden musste - vorkommen, dass ein Partner Uber seine Kompetenzen hinaus Einfluss auf seine Kooperationspartner austibt, sodass dadurch der Leistungserstellungsprozess und die Arbeitsmotivation einzelner Partner negativ beeinflusst werden k5nnen. Besser sei es, wenn die ConVerve als Auftragnehmer, d. h. der interviewte Geschaftsftihrer als ,,primus inter pares'\ die Fuhmng des virtuelien Untemehmens Ubemimmt, zumal er die gemeinsame Kostenrechnung Ubemehme und die Verantwortung beim Projekt tragen wUrde.^^^^ ,,Es muss in gewisser Weise einen Hduptling gegeben, der seinen Indianern auch mal sagen kann, wie es weitergehen
^^^^ Vgl. [Nr.l9: 86-92]. ^^^^Vgl.[Nr. 19: 35-43]. ^'^^ Vgl. [Nr.l9: 217-237]. ^^^^ Vgl. Teichmann/Borchardt (2003), S. 67. ^'^^ Vgl. [Nr.l9: 238-272, 348-388].
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Anhang D
soil'' und „...der darauf achtet, dass die Regeln und Rollen sowie die Termine auch eingehalten werderf' [357-359, 362-363]. Der Interviewpartner macht abschlieBend noch einmal deutlich, dass die Vorstellung einer hierarchiefreien virtuellen Kooperation, die allein mit Hilfe modemer luKTechnologie auskommt, den idealistischen Vorstellungen von Davidow und Malone entspricht, aber einen sehr geringen RealitStsbezug aufweist. Man habe sich in den ersten Jahren des Konzepts des virtuellen Untemehmens zu viel von den luKTechnologien erhofft und miisse nun feststellen, dass der Mensch wesentlich langsamer diese Technologien sinnvoll in wirtschaftliche Transaktionen umzusetzen weifi: ,,Der Mensch spielt vielleicht in solchen Systemen zukunftig wieder eine grofiere Rolle - das ist vielleicht eine Pendelbewegung: Irgendwann haben wir dann vielleicht einen Weg gefunden, bei dem die Technik und der Mensch in etwa aufder gleichen Hdhe ist' [381-384].
Oberblick tiber die aufgestellten Hypothesen
509
Anhang E: Oberblick tiber die aufgestellten Hypothesen Nr. zu Koordinations-
Hypothese
instrument (Abschnitt)
1 Selbstabstimmung (5.3.1.1)
2 Selbstabstimmung (5.3.1.1)
3 Selbstabstimmung (5.3.1.1)
4 Selbstabstimmung (5.3.1.1)
1 5 Selbstabstimmung (5.3.1.1)
6 Selbstabstimmung (5.3.1.1)
7 Soziale Rollen (5.3.1.2)
8 Soziale Rollen (5.3.1.2)
9 Soziale Rollen (5.3.1.2)
Die Effizienz und Effektivitat einer Selbstabstimmung der Kooperationspartner in einem virtuellen Untemehmen korrelieren positiv mit einer fremdorganisierten Festlegung von projektbezogenen Anfangsund Rahmenbedingungen. Wenn zwischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens reziproke Leistungsbeziehungen bestehen, dann erfolgt die Koordination der Leistungserstellung durch die Untersttitzung einer (institutionalisierten) Selbstabstimmung. Je haufiger reziproke Leistungsbeziehungen zv^ischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens bestehen, desto eher wird die (institutionalisierte) Selbstabstimmung als Koordinationsinstrument verwendet. Je hOher der Kommunikationsbedarf unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens ist, desto effizienter ist eine Selbstabstimmung im Rahmen einer Projektbesprechung im Vergleich zu einer Selbstabstimmung auf der Gmndlage modemer Informations- und Kommunikationstechnologien. Je geringer der Kommunikationsbedarf unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens ist, desto effizienter ist eine Selbstabstimmung auf der Grundlage modemer Informations- und Kommunikationstechnologien im Vergleich zu einer Selbstabstimmung im Rahmen einer Projektbesprechung. Die Effektivitat und Effizienz einer Selbstabstimmung der Kooperationsparmer in einem virtuellen Untemehmen korrelieren positiv (a) mit der Festlegung von projektrelevanten Anfangs- und Rahmenbedingungen durch einen Koordinator, (b) mit einem kontinuierlichen, vorwiegend horizontalen Informationsaustausch unter den Kooperationspartnem, (c) mit der Motivation der Kooperationspartner, (d) mit der Fach- und Sozialkompetenz der Kooperationspartner, (e) und mit dem Vertrauen unter den Kooperationspartnem. Die wesentlichen Koordinationsaufgaben in virtuellen Untemehmen werden sowohl auf der Netzwerkebene als auch auf der Projektebene zentral durch einen Netzwerkmanager bzw. einen Projektmanager wahrgenommen. Je geringer die Anzahl der Partner im latenten Netzwerk eines virtuellen Untemehmens mit horizontaler Kooperationsrichtung, desto eher werden die Rollen des Netzwerkmanagers und des Projektmanagers durch einen einzelnen Akteur in Personalunion iibernommen. Je grOBer das latente Netzwerk eines virtuellen Untemehmens, desto wichtiger ist die dauerhafte Ubemahme der Rolle eines Netzwerkmanagers durch einen Netzwerkpartner fur die Regelung von Konflikten und die Erhaltung des virtuellen Untemehmens.
510
AnhangE
INF. zu Koordinationsinstrument (Abschnitt)
10 Soziale Rollen (5.3.1.2)
11 Soziale Rollen (5.3.1.2)
12 Soziale Rollen (5.3.1.2)
13 Soziale Rollen (5.3.1.2)
14 Vertrauen / Vertrauenskultur (5.3.1.3)
1 15 Vertrauen / Vertrauenskultur (5.3.1.3)
16 Vertrauen / Vertrauenskultur (5.3.1.3)
17 Vertrauen / Vertrauenskultur (5.3.1.3)
18 Kemuntemehmen (5.3.2.1)
19 zentrale Unterstutzungseinheit (5.3.2.2)
Hypothcse
i
Wenn sich an einem virtuellen Untemehmen mehrere Kooperationspartner mit unterschiedlichen Kemkompetenzen beteiligen, danni ubemimmt i. d. R. derjenige die Rolle des Projektmanagers, dessen Kemkompetenz den grCBten Beitrag im Hinblick auf die Leistungserstellung hat. Wenn ein virtuelles Untemehmen Uber ein latentes Netzwerk von mehr als 20 Netzwerkpartnem verfiigt und die Projekte eine vergleichsweise hohe Gleichartigkeit hinsichtlich des Projektablaufs aufWeisen, dann sind formale Rollen zur Unterstiitzung der Koordination effektiver und effizienter als informale Rollen. Wenn ein virtuelles Untemehmen Uber ein latentes Netzwerk von deutlich weniger als 20 Netzwerkpartnem verfiigt und die Projekte nur geringe Ahnlichkeiten hinsichtlich des Projektablaufs aufweisen, dann sind informale Rollen zur Unterstiitzung der Koordination effektiver i und effizienter als formale Rollen. Wenn in virtuellen Untemehmen zur Netzwerk- bzw. Projektkoordination auiwandige, v. a. intemetbasierte Kooperationsplattformen oder Projektmanagementsysteme verwendet werden, dann erfordert die effiziente Administration dieser Systeme die Wahmehmung spezieller Rollen durch einzelne Netzwerk- bzw. Projektpartner. Wenn sich unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemeh- i mens auf Vertrauen basierende soziale Beziehungsnetzwerke herausge-1 bildet haben, dann fiihrt dies zur Reduktion des Koordinationsaufwandes und damit zur Steigemng der Effizienz bei der arbeitsteiligen Leistungserstellung. Je kurzfristiger Kooperationen in Rahmen eines virtuellen Untemehmens abgewickelt werden, desto eher versagen herkdmmliche Koordi-1 nationsinstmmente (wie z. B. Vertrage) und desto erforderlicher ist eine Koordination auf der Gmndlange von Vertrauen. Je komplexer die Kooperationen im Rahmen eines virtuellen Unternehmens sind, desto eher versagen herkOmmliche Koordinationsinstrumente (wie z. B. Vertrage) und desto erforderlicher ist eine Koordination auf der Gmndlage von Vertrauen. Die Vertrauenskultur und das damit verbundene interpersonale Vertrauen haben einen positiven Einfluss auf die Effizienz der Koordination der Leistungserstellung in virtuellen Untemehmen. Wenn in einem virtuellen Untemehmen eine vertikale Kooperationsrichtung bei der arbeitsteiligen Leistungserstellung feststellbar ist, dann erfolgt die Koordination durch ein Kemuntemehmen. Je gr6Ber das latente Netzwerk eines virtuellen Untemehmens ist, desto eher werden zentrale Untersttitzungseinheiten zur Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung verwendet.
Oberblick tiber die aufgestellten Hypothesen Nr. zu Koordinations-
511
Hypothese
instrument (Abschnitt)
20 zentrale Untersttitzungseinheit (5.3.2.2)
21 zentrale UnterstUtzungseinheit (5.3.2.2)
22 Plane / Planung (5.3.3.2)
23 Plane / Planung (5.3.3.2)
24 Verrechnungspreise (5.3.3.3)
25 Verrechnungspreise (5.3.3.3)
26 Verrechnungspreise (5.3.3.3)
27 Verrechnungspreise (5.3.3.3)
28 Verrechnungspreise (5.3.3.3)
29 Regeln (5.3.3.4)
30 Regeln (5.3.3.4)
Wenn in einem virtuellen Untemehmen mit einem vergleichsweise groBen latenten Netzwerk eine zentrale UnterstUtzungseinheit verwendet wird, dann hat dies einen positiven Einfluss auf die Effizienz und Effektivitat der Koordination. Wenn in einem virtuellen Untemehmen mit einem vergleichsweise groBen latenten Netzwerk eine zentrale UnterstUtzungseinheit zur Untersttitzung der Projektplanung und der Startphase eines Projekts verwendet wird, dann hat dies einen positiven Einfluss auf die Selbstorganisationsprozesse unter den Kooperationspartnem. Wenn in einem virtuellen Untemehmen zwischen den Partnem eine vertikale Kooperationsrichtung festgestellt werden kann (virtuelles Untemehmen des Typs I), dann erfolgt die gesamte Projektplanung zentral durch ein Kernuntemehmen bzw. einen Generaluntemehmer. Wenn das Projektziel und die daraus abgeleiteten Teilziele klar formuliert und realistisch sind, dann hat dies einen signifikant positiven Einfluss auf die Effizienz der Koordination der arbeitsteiligen Leistungserstellung in einem virtuellen Untemehmen. Wenn virtuelle Untemehmen dem Typ II („Virtuelles Verteilungsnetzwerk") zugeordnet werden kOnnen, dann wird die Koordination des Leistungsaustauschs durch variable Verrechnungspreise auf der Gmndlage von Vollkosten zuziiglich eines Gewinnaufschlags koordiniert. Je hOher die Standardisierbarkeit der Teilleistungen der Kooperationsparmer ist, desto eher werden feste Verrechnungspreise verwendet. Je geringer die Standardisierbarkeit der Teilleistungen der Kooperationspartner ist, desto eher werden variable Verrechnungspreise verwendet. Wenn in virtuellen Untemehmen trotz geringer Standardisierbarkeit der Teilleistungen der Kooperationspartner feste Verrechnungspreise verwendet werden, dann erfolgt dies aus Grtinden der Preistransparenz und der schnelleren Angebotserstellung. Wenn in virtuellen Untemehmen trotz einer vergleichsweise hohen Standardisierbarkeit der Teilleistungen der Kooperationspartner variable Verrechnungspreise verwendet werden, dann erfolgt dies aus Flexibilitatsgrtlnden im Hinblick auf die Angebotserstellung. Je grOBer die Anzahl der Partner in einem latenten Netzwerk ist, desto wichtiger sind schriftlich niedergelegte Regeln fiir die Koordination und den Bestand eines virtuellen Untemehmens. Wenn ein virtuelles Untemehmen, das auf der Basis eines groBen latenten Netzwerks gebildet wird, auf schriftlich fixierte Kooperationsregeln zurtickgreifen kann, dann hat dies einen positiven Einfluss auf die Effizienz des Leistungserstellungsprozesses.
512
Anhang E
Nr. zu Koordinations-
Hypothese
instniment (Abschnitt)
31 Regeln (5.3.3.4)
32 Vertrage (5.3.3.5)
33 Vertrage (5.3.3.5)
34 Vertrage (5.3.3.5)
35 Vertrage (5.3.3.5)
36 Vertrage (5.3.3.5)
37 Vertrage (5.3.3.5)
38 Vertrage (5.3.3.5)
Wenn das latente Netzwerk eines virtuellen Untemehmens nur vergleichsweise wenige Partner (<10) aufweist, dann wird auf die Fixierung schriftlicher Regeln weitestgehend verzichtet. An die Stelle schriftlicher Regeln treten ungeschriebene, auf Vertrauen basierende Regeln. Wenn in virtuellen Untemehmen eine vertikale Kooperationsrichtung mit gepoolten und/oder sequenziellen Leistungsbeziehungen besteht, dann werden schriftliche Vertrage (Rahmenkooperations- und/oder Projektvertrage) zur Koordination der Leistungserstellung verwendet. Die Starke des Vertrauens unter den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens korreliert negativ mit dem Detaillierungsgrad von Vertragen. Unter den Partnem eines virtuellen Untemehmens werden Vertrage durch Vertrauen substituiert, wenn (a) Klarheit unter den Kooperationspartnem uber die Ziele und die projektbezogenen Ablaufe besteht, (b) die Kooperationspartner sich moral isch verpflichtet fiihlen, das ihnen gewahrte Vertrauen nicht zu missbrauchen, (c) die Kooperationspartner motiviert sind, durch kooperatives Verhalten mittel- oder langfristig Vorteile nutzen zu wollen, und (d) die sozialen Sanktionsmechanismen innerhalb des latenten Netzwerks eines virtuellen Untemehmens ein wirksames Instrumentarium gegen das Auftreten opportunistischen Verhaltens sind. Je geringer die geographischen Distanzen zwischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens mit horizontaler Kooperationsrichtung sind, desto starker ist das Vertrauen unter den Kooperationspartnem ausgepragt. Je geringer die geographischen Distanzen zwischen den Kooperationspartnem eines virtuellen Untemehmens mit horizontaler Kooperationsrichtung sind, desto eher werden schriftliche Vertrage durch Vertrauen und mtindliche Abstimmungen substituiert. Je grOBer die Anzahl der Partner im latenten Netzwerk und je komplexer die Auft)auorganisation des latenten Netzwerks ist, desto eher werden Projektvertrage unter den Projektpartnem eines virtuellen Untemehmens geschlossen. Wenn im Rahmen eines virtuellen Untemehmen mit horizontaler Kooperationsrichtung intemationale Partner kooperieren, dann werden aus steuerrechtlichen Griinden untereinander Projektvertrage geschlossen.
Oberblick uber die aufgestellten Hypothesen Nr. zu Koordinations-
513
Hypothese
instrument (Abschnitt)
39 Informations- und Kommunikationstechnologien (5.3.4)
40 Informations- und Kommunikationstechnologien (5.3.4)
41 Groupware (5.3.4.3)
42 Groupware (5.3.4.3)
43 WorkflowManagementSysteme (5.3.4.4)
Die Effektivitat und Effizienz von Informations- und Kommunikationstechnologien im Hinblick auf die Kommunikation und Koordination in virtuellen Untemehmen korreliert positiv mit dem Ausmafi direkter Kommunikationsbeziehungen und der damit verbundenen Chance des Vertrauensaufbaus unter den Kooperationspartnem. Die Bedeutung modemer Informations- und Kommunikationstechnologien korreliert positiv mit fortschreitender Entwicklung des latenten Netzwerks und dem Aufbau von Vertrauensbeziehungen zwischen den Netzwerkpartnem. Die Effektivitat und Effizienz komplexer Groupware-Applikationen korreliert positiv mit dem Standardisierungsgrad bei der Projektabwicklung in virtuellen Untemehmen. Je geringer die Standardisierbarkeit der Prozesse bei der Leistungserstellung in virtuellen Untemehmen ist und je hoher die Komplexitat bei der Projektumsetzung, desto eher werden flexible, kostengtinstige und einfach zu benutzende Software-Systeme zur UnterstOtzung der Koordination verwendet. Wenn die Leistungserstellung in virtuellen Untemehmen wenig strukturierbar und/oder wenig standardisierbar ist, dann wird bei der Koordination der Leistungserstellung auf Workflow-ManagementSysteme verzichtet.
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