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Schriftenreihe Medizinrecht
Herausgegeben von Professor Dr. Andreas Spickhoff, Regensburg
Arbeitsgemeinschaft ...
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MedR
Schriftenreihe Medizinrecht
Herausgegeben von Professor Dr. Andreas Spickhoff, Regensburg
Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. Herausgeber
Arzneimittelsicherheit – Wunsch und Wirklichkeit Schriftleitung Ilse Dautert · Alexandra Jorzig · Ulrich Winter Mit Beiträgen von H. Bartels, L. Hast, J. Heynemann, R. Mansfeld-Nies, Ch. von Pestalozza, Th. Porstner, V. Saalfrank, J. Schoenemann, E. Schröder, U. Smentkowski
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Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. Wegenerstraße 5 71063 Sindelfingen Schriftleitung: Dr. Ilse Dautert Kastanienallee 20 26121 Oldenburg Dr. Alexandra Jorzig Westenhellweg 40–46 44137 Dortmund Professor Dr. Ulrich Winter Frintroper Straße 42 45359 Essen
ISBN 978-3-540-76293-5
e-ISBN 978-3-540-76294-2
DOI 10.1007/978-3-540-76294-2 MedR Schriftenreihe Medizinrecht ISSN 1431-1151 © 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321
Vorwort
Das XVIII. Kölner Symposium der Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. widmete sich dem Thema der Arzneimittelsicherheit. Erwartungsgemäß kontrovers waren die Standpunkte der Referenten und der Diskussionsteilnehmer. Arzneimittelsicherheit ist ein wesentlicher Bestandteil der Optimierung bzw. der Qualität von Arzneimitteltherapien. Die moderne Medizin ist ohne Arzneimittel nicht denkbar. Arzneimitteltherapie ist die von Ärzten am häufigsten eingesetzte Therapie. Dementsprechend stellt sich die Frage nach der Arzneimittelsicherheit. Die Dunkelziffer von unerwünschten Arzneimittelwirkungen ist hoch. Wissenschaftliche Studien lassen vermuten, dass zwischen 30 und 70 % unerwünschter Arzneimittelwirkungen vermieden werden könnten. Die Deutsche Ärzteschaft bemüht sich schon sehr lange um die Arzneimittelsicherheit, hat hierzu die Initialzündung gegeben. Aber die gesetzgeberischen Rahmenbedingungen waren nicht zufrieden stellend. Auslöser für weitere Aktivitäten war die Contergan-Katastrophe, die Ende 1961 in ihrem schrecklichen Ausmaß offenbar wurde. Kurz davor, am 1.8.1961, war das 1. Arzneimittelgesetz der Bundesrepublik in Kraft getreten. Es folgten weitere Reformen, die zum Teil sehr kontrovers diskutiert wurden. Einig waren sich die Teilnehmer des Symposiums darin, dass an die Rahmenbedingungen für die sichere Anwendung von Arzneimitteln hohe Anforderungen zu stellen sind, uneinig indes bei der Frage, ob unter den gegebenen Voraussetzungen – ökonomische Zwänge, nationale und auch europäische Rechts- und Verwaltungsregularien – die Sicherheitsprobleme im Umgang mit Arzneimitteln ausreichend transparent an die Ärzteschaft und die Öffentlichkeit kommuniziert werden, um Schaden zu vermeiden. Arzneimittelsicherheit ist und bleibt also auch in der Zukunft aktuell. Der vorgelegte Band enthält die vollständigen Referate und Diskussionsbeiträge. An dieser Stelle sei der Ecclesia gedankt und allen, die an der Organisation des Symposiums beteiligt waren. Ohne die engagierte und zuverlässige Mitarbeit der Leiterin der Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft in Sindelfingen, Frau Martina Pietsch, hätte sich dieser Band nicht erstellen lassen.
VI
Vorwort
Ein besonderes Dankeschön gilt dem engagierten juristischen Lektorat des Springer-Verlages unter Leitung von Frau Brigitte Reschke sowie Frau Ulla Scholl-Kimling. Sindelfingen, im September 2007
Ilse Dautert Alexandra Jorzig Ulrich Winter
Inhaltsverzeichnis
Erich Schröder Probleme der Pharmaindustrie bei der Entwicklung neuer Medikamente
1
Thomas Porstner Arzneimittelsicherheit und der Umgang mit unerwünschten Nebenwirkungen
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Christian von Pestalozza Ethik-Kommissionen – ein Beitrag zur Arzneimittelsicherheit?
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1. Diskussion
29
Horst Bartels Rechtliche Rahmenbedingungen der Arzneimitteltherapie
35
Regina Mansfeld-Nies Arzneimittelregress: Bezahlt der Arzt in Zukunft die Medikamente seiner Patienten? Beispiel: „Spezielle Schmerztherapie“
59
Lorenz Hast Arzneimittelregress in der anwaltlichen Haftung
67
Jörg Heynemann Die Arzneimittelhaftung nach § 84 AMG n.F. anhand des Beispiels VIOXX ®
75
VIII
Inhaltsverzeichnis
2. Diskussion
83
Valentin Saalfrank Neue Aspekte der Arzneimittelhaftung
89
Ulrich Smentkowski Entscheidungen der Gutachterkommission zur Arzneimitteltherapie
109
Julius Schoenemann Aufklärungspflicht in der Arzneimitteltherapie aus der Sicht der Gutachterkommission
117
3. Diskussion
123
Teilnehmerverzeichnis
129
Autorenverzeichnis
Bartels, Dr. Horst Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Hast, Lorenz Rechtsanwalt Münsterstr. 9, 59065 Hamm Mansfeld-Nies, Dr. med. Regina Fachärztin für Anästhesiologie Freudenberger Str. 448, 57072 Siegen Pestalozza, Prof. Dr. Christian von Freie Universität Berlin Van´t-Hoff-Str. 8, 14195 Berlin Porstner, Thomas Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. Friedrichstr. 148, 10117 Berlin Saalfrank, Dr. Valentin Rechtsanwalt Berrenrather Str. 393, 50937 Köln Schoenemann, Prof. Dr. Julius Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Schröder, Dr. med. Erich SCHWARZ PHARMA Deutschland GmbH Alfred-Nobel-Str. 10, 40789 Monheim
X
Autorenverzeichnis
Smentkowski, Ulrich Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf
Moderatoren Dautert, Dr. Ilse Rechtsanwältin Kanzlei Dr. Dautert & Dr. Dieblich Fachanwältin für Medizinrecht Kastanienallee 20, 26121 Oldenburg Jorzig, Dr. Alexandra Rechtsanwältin Kanzlei Dr. Rehborn Westenhellweg 40-46, 44137 Dortmund Winter, Prof. Dr. Ulrich Frintroper Str. 42, 45359 Essen
Probleme der Pharmaindustrie bei der Entwicklung neuer Medikamente
Erich Schröder
Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel werden in Deutschland, ebenso wie in Europa und in den USA, weitgehend von der Industrie geleistet. Die Zulassung erfolgt dagegen durch staatliche Stellen aufgrund umfangreicher Dokumentationen von Studien und Sicherheitsprüfungen. Das größte Problem der Pharmaindustrie bei der Entwicklung neuer Arzneimittel ist die fehlende Planungssicherheit aufgrund ständiger Veränderung der Rahmenbedingungen durch immer neue Gesetze. Die Entwicklung eines neuen Arzneimittels ist langwierig und sehr teuer. Das Finden geeigneter Darreichungsformen und die anschließenden klinischen Prüfungen Phase I-III benötigen zusammen mit den umfangreichen Zulassungsprozeduren einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren. Dazu kommen zusätzlich etwa 2 Jahre für die Zulassungsprozeduren, bis ein Arzneimittel auf den Markt kommt. Die Kosten für ein neu zugelassenes Arzneimittel werden mit durchschnittlich 500 Mio. € angegeben, wobei Fehlversuche, die nicht zur Zulassung gelangen, in diesen Kosten bereits integriert sind. Die Industrie tritt mit diesen Aufwendungen in Vorlage. Patentschutz wird in der Regel für 20 Jahre erteilt; er beginnt, sobald die zu schützende Substanz als Patent angemeldet wird. In der nach Markteintritt verbleibenden Zeit „freier Preisgestaltung“ von 5 bis 8 Jahren sollten die Entwicklungskosten amortisiert sein, da mit Ablauf des Patentschutzes das Preisniveau durch Generika meist deutlich sinkt.
2
Erich Schröder
Arzneimittelinnovationen Patentschutz, 20 Jahre:
Festbeträge Generika
Klinische Prüfungen, Phase IV Zulassung Klinische Prüfungen, Phase I-III Entdeckung der Substanz Suche Dr. Erich Schröder, stv. Vorsitzender des Kollegium Regreßschutz e.V., 04.11.2006
Abb. 1. Arzneimittelinnovationen
Einen typischen „Lebenszyklus“ eines Arzneimittels bezüglich Preis und Umsatz zeigt das folgende Bild:
Probleme der Pharmaindustrie bei der Entwicklung neuer Medikamente
3
Arzneimittelpreis / -umsatz Markteintritt
Generika
P
Preis Analogprodukte
Patent
Ablauf
t
U Umsatz t Dr. Erich Schröder, stv. Vorsitzender des Kollegium Regreßschutz e.V. 04.11.2006
Abb. 2. Arzneimittelpreis / -umsatz
Während der Patentlaufzeit sorgen Analogpräparate für Wettbewerb und Preissenkungen. Analogpräparate sind Parallelentwicklungen verschiedener Substanzen innerhalb eines Wirkprinzips. Die aktuelle politische Verteufelung der Analogpräparate (polemisch auch als „Me-too-Produkte“ bezeichnet) als Preistreiber geht sachlich fehl und verhindert eine natürliche Weiterentwicklung und Selektion. Das vielfach als „Leitsubstanz“ apostrophierte erste Präparat einer solchen Gruppe hat außer dem Charme der frühen Geburt (und damit der ersten Generika) keine weiteren Qualifikationen per se und muss somit keineswegs die beste Substanz der Gruppe sein. Durch die aktuelle Gesundheitsgesetzgebung wird diese finanzielle Basis der Arzneimittelentwicklung erschüttert. Die kontinuierlichen Appelle seitens der Politik und der Krankenkassen, auf innovative Arzneimittel doch nach Möglichkeit zu verzichten und stattdessen bereits generische Standardtherapien zu verwenden, schaffen ein innovationsfeindliches Klima. Unterstützt werden die Appelle, insbesondere seit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG, 2004), durch eine Vielfalt von gesetzlichen Regelungen, die die Anwendung innovativer Arzneimittel behindern. Das GMG zeigte diesbezüglich einen Paradigmenwechsel. Während vorher der Fokus
4
Erich Schröder
der Restriktionen eher auf Generika abzielte, wurden mit dem GMG erstmals vorwiegend patentgeschützte Arzneimittel angegriffen:
GMG-Fokus: Innovationen Auswirkungen der Gesundheitsreformen auf Arzneimittel vor GMG:
Ausschl. OTC Festbeträge Aut idem
nach GMG:
Wirtschaftlichkeitsprüfung verschärft! Nutzenbewertung Off-Label-Use Generika Innovationen Festbeträge Zielvereinbarungen
Ausschl. Lifestyle 16% Zwangsrabatt
Dr. Erich Schröder, stv. Vorsitzender des Kollegium Regreßschutz e.V. 04.11.2006
Abb. 3. GMG-Fokus: Innovationen
Verordnungsausschlüsse, Zwangsrabatt, eine rigide Kosten-Nutzen-Bewertung und insbesondere Festbeträge auch für patentgeschützte Arzneimittel unterhöhlen den Patentschutz, der eigentlich die Amortisierung der Entwicklungskosten sicherstellen soll. Dazu kommen auf der Ebene der Selbstverwaltung Zielvereinbarungen, die Generikaquoten und sog. „Metoo-Quoten“ enthalten. Die aktuelle Gesundheitsreform, das GKV-WSG, verstärkt die Barrieren gegen patentgeschützte Arzneimittel noch durch Zweitmeinungspflicht und Höchstbeträge. Die im GKV-WSG vorgesehene „Zweitmeinungspflicht“ für spezielle neue Arzneimittel schafft ein neues bürokratisches Monster in Form von etwa 1.000 von den Kassen ausgewählten Ärzten, vergleichbar mit den früheren „Vertrauensärzten“, deren Auftrag und Qualifikation wohl hauptsächlich darin bestehen dürfte, die Anwendung dieser Arzneimittel möglichst weitgehend zu verhindern. Über den ebenfalls im GKV-WSG vorgesehenen Höchstbetrag für noch nicht festbetragsgeregelte, patentgeschützte Arzneimittel können die Kran-
Probleme der Pharmaindustrie bei der Entwicklung neuer Medikamente
5
kenkassen selbst – aufgrund einer Kosten-Nutzen-Bewertung des IQWIG – eine Erstattungshöchstgrenze für neue Arzneimittel festsetzen. Einer quasi-staatlichen Preisgestaltung für Arzneimittelinnovationen ist damit Tür und Tor geöffnet, ohne dass der Staat gleichzeitig Kosten oder Verantwortung für die aufwendige Entwicklung der Präparate übernehmen würde. Die drei Hürden „Zweitmeinung“, „Höchstbetrag“ und „Festbetrag“, alle noch während des Patentschutzes wirksam, bilden eine Trias, die jede erfolgreiche Marktentwicklung einer Arzneimittelinnovation im Ansatz verhindern kann.
Kaskade der Hürden
Festbetrag Höchstbetrag Nach Bildung einer Festbetragsgruppe
Zweitmeinung Innovation
Durch „Vertrauensarzt“ bei def.Arzneimitteln
Nach KostenNutzenbewertung durch IQWIG
Löst „Kellertreppeneffekt“ aus!
Dr. Erich Schröder, stv. Vorsitzender des Kollegium Regreßschutz e.V. 04.11.2006
Abb. 4. Kaskade der Hürden
Allein die ständige, etwa jährliche Änderung der Rahmenbedingungen für innovative Arzneimittel zerstört die notwendige Planungssicherheit für derartig hohe und zugleich langfristige Investments. Dies macht Forschung zu einem unkalkulierbaren Risiko. Die hier genannten Probleme der Pharmaindustrie bei der Entwicklung neuer Arzneimittel werden sich mehr quantitativ als qualitativ auf die Arzneimittelforschung auswirken. Die Qualität der Entwicklungen wird durch sehr präzise staatliche Vorgaben und den hohen Standard der klinischen
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Erich Schröder
Studien gesichert. Manche Entwicklungen werden dagegen zukünftig aufgrund der gegebenen Unsicherheiten einfach nicht mehr stattfinden, die Auswirkungen dieses Prozesses werden wegen der langen Entwicklungszeiten aber erst mit erheblicher Verzögerung spürbar werden.
Arzneimittelsicherheit und der Umgang mit unerwünschten Wirkungen
Thomas Porstner
A. Einleitung Die Arzneimittelsicherheit stellt ein zentrales Anliegen der pharmazeutischen Industrie wie auch der staatlichen Überwachungsbehörden dar. Aus diesem Grund existiert ein umfassendes System für die Überwachung der Sicherheit von Arzneimitteln (die sog. Pharmakovigilanz). Ihre europarechtlichen Rechtsgrundlagen beruhen auf der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, der Verordnung (EG) 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarztmitteln, den Pharmacovigilance Guidelines sowie des Volume IX der „Rules Governing Medicinal Products in the EU“. Zudem ist die Richtlinie 2001/20/EG sowie das Arzneimittelgesetz (AMG) zu beachten. Trotz der Fülle von Vorschriften ist der Begriff der Arzneimittelsicherheit nicht gesetzlich definiert. Unter ihm versteht man in der Wissenschaft die Gesamtheit der Faktoren und Prozesse, die geeignet sind, ein Arzneimittel so zu gestalten, dass nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft ein optimaler therapeutischer Effekt erzielt wird und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch1 der Nutzen das Risiko übersteigt.2 Die Pharmakovigilanz setzt konsequenterweise schon bei der Entwicklung eines neuen Arzneimittels an, sie ist im Weiteren Voraussetzung für die Zulassung des Arzneimittels und garantiert zuletzt im Rahmen von Anwendungsbeobachtungen, sog. non-interventional-studies (NIS), die Unbedenklichkeit (= Sicherheit) des Arzneimittels in der breiten Anwendung. Da mit dem Begriff der Arzneimittelsicherheit zwangsläufig auch 1 2
Zum Begriff des bestimmungsgemäßen Gebrauchs s.u. III.2. vgl. Richter/Böhm, Pharmazeutisch-Medizinisches Lexikon, 1989.
8
Thomas Porstner
die Haftung des pharmazeutischen Unternehmers verknüpft ist, besteht ein großes Eigeninteresse der pharmazeutischen Industrie an der ständigen Optimierung des Standards der Pharmakovigilanz durch die Zulassungsund Überwachungsinstitutionen. Trotz – oder gerade wegen – der hohen Standards im Bereich der Arzneimittelsicherheit kommt es in Deutschland immer wieder zu Rückrufaktionen. Diese tragen dazu bei, dass die Pharmakovigilanz in Deutschland immer wieder kritisch hinterfragt wird.
B. Das System der Arzneimittelüberwachung I. Die Phase der Entwicklung bis zur Zulassung Voraussetzung für die Zulassung eines Arzneimittels ist der Nachweis seiner Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dieser Nachweis muss vom pharmazeutischen Unternehmer gegenüber dem BfArM bzw. dem PEI als zuständiger nationaler Zulassungsbehörde durch umfassende klinische Studien erbracht werden. Hierzu muss der pharmazeutische Unternehmer/Hersteller zunächst ein sog. vorklinisches Programm absolvieren. Anschließend wird im Rahmen von klinischen Studien der Phasen I bis III durch die Abgabe des Arzneimittels an immer größer bemessene Patientengruppen neben der Erfassung von gewünschten Effekten auch das Auftreten von Nebenwirkungen geprüft. Diese sog. Nebenwirkungen stellen die Summe aller unerwünschten Wirkungen eines Arzneimittels dar.3 Nach der Definition in § 4 Abs. 13 AMG handelt es sich bei den unerwünschten Wirkungen um die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch4 eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen. Ganz überwiegend handelt es sich bei auftretenden Nebenwirkungen um Befindlichkeitsstörungen. Schwere, andauernde oder gar lebensbedrohliche Nebenwirkungen sind dagegen verhältnismäßig selten. Solche Reaktionen lassen sich bei der Entwicklung innovativer Arzneimittel nicht gänzlich ausschließen. Es ist jedoch notwendig, sie zu erfassen und zu bewerten. Die gewonnenen Erkenntnisse sind für die Erstellung der Packungsbeilage sowie der Fachinformation (SPC) erforderlich, um darin Anwendungshinweise geben zu können und vor Gegenanzeigen zu warnen.
3
4
Heitz, Arzneimittelsicherheit zwischen Zulassungsrecht und Haftungsrecht, 2005, S. 214. s.u. III.2.
Arzneimittelsicherheit und der Umgang mit unerwünschten Wirkungen
9
Unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen haben jedoch nicht zwangsläufig einen Entwicklungsstopp oder die Versagung der Zulassung zur Folge. Die mit dem Gebrauch des Arzneimittels verbundenen Risiken sind nach Maßgabe des § 4 Abs. 28 AMG vielmehr in ein Verhältnis zu seinem therapeutischen Nutzen zu setzen. Hierzu bedienen sich die pharmazeutischen Unternehmer und die zuständige Zulassungsbehörde der Kompetenz von Wissenschaftlern aus den Bereichen der Medizin, Toxikologie und der Pharmazie. Der Nutzen eines Arzneimittels ist mit seinem therapeutischen Wert gleichzusetzen.5 Das Risiko eines Arzneimittels ist nach der Art der drohenden schädlichen Wirkungen und der zu befürchtenden Häufigkeit ihres Auftretens zu bemessen. Der zu berücksichtigende Umfang ist also Folge einer Prognose.6 Die vom Gesetz geforderte „Unbedenklichkeit“ ist dem Arzneimittel grundsätzlich nur dann zu bescheinigen, wenn im Rahmen der NutzenRisiko-Abwägung der therapeutische Nutzen die mit seinem Gebrauch verbundenen Risiken überwiegt. Zu den Risiken im Zusammenhang mit der Anwendung eines Arzneimittels gehören nach § 4 Abs. 27 AMG alle Risiken im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit von Menschen und ggf. von Tieren. Je nach Indikation und dem Stand von wissenschaftlicher und technischer Entwicklung kann aber auch ein Gleichgewicht von Nutzen und Risiko des Arzneimittels die Einstufung als „unbedenklich“ rechtfertigen.7 So sind beispielsweise bei einem Krebsmedikament schwerwiegendere Nebenwirkungen hinzunehmen als bei einem Nasenspray. Im Falle eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses wird dem betreffenden Arzneimittel allerdings die Zulassung versagt. Zur Erfassung und Bewertung von unerwünschten Wirkungen betreiben die Hersteller von Arzneimitteln ein komplexes System, welches im Zulassungsantrag anzugeben und detailliert zu beschreiben ist. Zu dem erforderlichen Qualitätsmanagementsystem gehört auch die Beschäftigung eines Stufenplanbeauftragten gem. § 63a AMG. Dieser hat die zuständige Überwachungsbehörde unverzüglich über jeden Mangel zu informieren, der möglicherweise zu einem Rückruf oder zu einer ungewöhnlichen Einschränkung des Vertriebs führt (§ 63b AMG). Bei dem Stufenplanbeauftragten muss es sich um eine sachkundige Person i.S.d. § 15 AMG handeln.
5 6 7
Kloesel/Cyran, AMG, § 5, Anm. 32. Kloesel/Cyran, AMG, § 5, Anm. 33. Heitz, a.a.O., S. 236.
10
Thomas Porstner
Die Pharmakovigilanz in den pharmazeutischen Unternehmen unterliegt einer ständigen Kontrolle durch die Landesüberwachungsbehörden (in den Flächenstaaten in der Regel die Regierungspräsidien, in den Stadtstaaten die Gesundheitsbehörde). II. Nach der Zulassung § 5 Abs. 1 AMG verbietet das Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel. Nach der Legaldefinition des § 5 Abs. 2 AMG gelten solche Arzneimittel als bedenklich, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Obwohl ein Arzneimittel nur bei positivem Nutzen-Risiko-Verhältnis eine Zulassung erhält, steht die Nutzen-Risiko-Bewertung eines Arzneimittels auch nach seinem Inverkehrbringen im Mittelpunkt der nun vorzunehmenden Nachmarktüberwachung.8 Im Rahmen der breiten Anwendung eines Arzneimittels sind die pharmazeutischen Hersteller verpflichtet, durch intensive Produktbeobachtungen seltene oder sehr seltene Nebenwirkungen des Arzneimittels aufzudecken, welche aus statistischen Gründen in den klinischen Prüfungen aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl nicht entdeckt werden konnten. Die Produktbeobachtung nach der Zulassung kann beispielsweise durch Phase-IV-Studien, Anwendungsbeobachtungen (NIS), das Sammeln von Spontanbeobachtungen oder IntensivMonitoring-Systeme erfolgen.9 Ergeben sich hieraus begründete Verdachtsmomente für bislang noch nicht bekannte, d.h. nicht in der Packungsbeilage aufgeführte, seltene Neben- oder Wechselwirkungen eines Arzneimittels, erfolgt eine erneute Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses durch den Hersteller und die Zulassungsbehörde, die ggf. zum Widerruf der Zulassung führen kann. Anwendungsrisiken, die im Rahmen von Nachmarktbeobachtungen entdeckt werden, lösen eine Verpflichtung zur Aufklärung der Patienten und der Ärzte/Apotheker aus. Dazu hat der pharmazeutische Unternehmer die Packungsbeilage und die Fachinformation zu aktualisieren. Auf diese Weise erfolgt eine präzise Anzeige von neu erkannten, seltenen Nebenwirkungen, aber auch von Wechselwirkungen und/oder Gegenanzeigen, d.h. Er-
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Bußhoff/Müller-Gerharz, PharmInd 2002, 1005 ff. (1006). Heitz, a.a.O., S. 81.
Arzneimittelsicherheit und der Umgang mit unerwünschten Wirkungen
11
krankungen oder Therapien, bei denen das Arzneimittel nicht angewendet werden darf. Zudem ist der Zulassungsinhaber gem. § 29 Abs. 1a AMG verpflichtet, der zuständigen Bundesoberbehörde (BfArm/PEI) sämtliche Informationen anzuzeigen, die die Beurteilung des Nutzens und der Risiken des betreffenden Arzneimittels beeinflussen können. Dazu gehört insbesondere die Meldung von Nebenwirkungs-Verdachtsfällen. Gravierende Fälle des Auftretens unerwünschter Nebenwirkungen können die Warnung der Ärzte/Apotheker durch Versendung eines sog. „RoteHand-Briefes“ erforderlich machen. Auf diese Weise werden diese Berufsgruppen per Post, Fax oder E-Mail schnell darüber informiert, dass bestimmte Patienten verstärkt überwacht oder auf ein anderes Medikament umgestellt werden müssen.10 Als weltweit einziges Land und auf Initiative des BPI setzt Deutschland das Instrument des Briefes mit dem „RoteHand“-Logo seit vielen Jahren ein, um wichtige Informationen der Arzneimittelsicherheit vor Verwechslungen mit anderen Informationen zu schützen und auf die Dringlichkeit unmittelbar hinzuweisen. Den Zulassungsbehörden (BfArM/PEI) obliegt gem. § 62 AMG die Aufgabe, die vorgeschriebenen Nachmarktbeobachtungen des pharmazeutischen Herstellers zu kontrollieren.11 Durch diese Nachmarktkontrolle wird sichergestellt, dass die Zulassungsvoraussetzungen (Qualität, Wirksamkeit, Unbedenklichkeit) für das jeweilige Arzneimittel nach wie vor gegeben sind.
C. Die Folgen von Arzneimittelfehlgebrauch Weil sich trotz intensiver Forschung der pharmazeutischen Industrie und durch Überwachung aller mit der Arzneimittelsicherheit befassten Stellen nicht sämtliche Risiken ausschließen lassen, können und müssen die Anwender durch verantwortlichen Umgang mit Arzneimitteln zu einer Risikominimierung beitragen. Zahlen zur Häufigkeit von Neben- oder Wechselwirkungen von Arzneimitteln beruhen in aller Regel auf Hochrechnungen, da ihnen nur eine sehr kleine Anzahl tatsächlicher Meldungen von „Verdachtsfällen“ zu Grunde liegt. Der Nachweis, dass in diesen Fällen ausschließlich das Arzneimittel verantwortlich ist, kann häufig nicht erbracht werden, da entweder alternative Ursachen in Frage kommen oder trotz intensiver Recherche nur unzu10 11
Heitz, a.a.O., S. 309. Fuhrmann, Sicherheitsentscheidungen im Arzneimittelrecht, 2005, S. 152.
12
Thomas Porstner
reichende Informationen über den Therapieverlauf vorliegen, um den Kausalzusammenhang eindeutig beurteilen zu können. Trotzdem besagen Schätzungen, dass sich das Auftreten von unerwünschten Neben- und Wechselwirkungen um etwa 30 Prozent verringern ließe, wenn sich die Patienten strikt an die Anwendungshinweise in der Packungsbeilage halten würden. I. Auswirkungen auf die Compliance Die Warnung vor dem Auftreten von Nebenwirkungen dient dazu, Patienten und Ärzten Hinweise zu geben, ob ein eingetretenes unerwünschtes klinisches Ereignis auf die Arzneimitteltherapie zurückzuführen sein könnte. Hierzu liefern Packungsbeilage und Fachinformation eine Aufstellung potenzieller, häufig seltener oder sehr seltener Nebenwirkungen der jeweiligen Arzneimitteltherapie. Eine im Verhältnis zu den übrigen „Kapiteln“ der Packungsbeilage häufig stattfindende Überinterpretation dieser Angaben durch die Anwender sorgt vielfach dafür, dass dringend notwendige Therapien ungerechtfertigterweise verweigert oder ohne Rücksprache mit dem Arzt abgebrochen werden. Zur Vermeidung von Irrtümern bei der Abgabe und Anwendung von Medikamenten hat der Europarat jüngst einen „Verhaltenskodex“ gefordert, um die Verständlichkeit der Angaben auf Arzneimittelpackungen zu verbessern. Der Bericht hat den Titel „Schaffung einer besseren Kultur der Arzneimittelsicherheit in Europa: Entwicklung sicherer Vorgehensweise bei medikamentösen Behandlungen“.12 Klinische Studien haben gezeigt, dass Teilnehmer eine bessere Prognose haben, wenn sie ihre Medikamente wie vorgegeben einnehmen. Sogar in der Placebogruppe ist eine hohe Therapietreue ein positiver Voraussagewert. Die Häufigkeit von schweren Nebenwirkungen muss daher stets auch ins Verhältnis zum Risiko einer Nicht-Therapie gesetzt werden. Hierdurch wird erst der Nutzen des Arzneimittels angemessen deutlich, was einer mangelnden Akzeptanz der verordneten Therapie vorbeugt. Die Folgen einer unbehandelten Grunderkrankung sind oft gravierend. Mangelnde Compliance kann zur Krankheitsprogression bis hin zum Tod führen und potenziert die Gesundheitskosten.
12
Bericht des Europarates (Expert Group of Safe Medication Practices) vom 19.03.2007 “Creation of a better medication safety culture in Europe: Building up safe medication practices”.
Arzneimittelsicherheit und der Umgang mit unerwünschten Wirkungen
13
II. Haftungsrechtliche Folgen An die körperlichen Beeinträchtigungen auf Grund von Neben- und Wechselwirkungen schließt sich zwangsläufig die Frage an, wer für diese Schäden haftungsrechtlich verantwortlich gemacht werden kann. Neben der Eigenverantwortung des Anwenders ist insbesondere die Haftung des pharmazeutischen Herstellers und des verschreibenden Arztes evident. 1. Die Haftung des pharmazeutischen Herstellers
Die Abgrenzung der Verantwortungssphären erfolgt nach dem Gesetz und gemäß der zu diesen Problematiken ergangenen Rechtsprechung anhand des Begriffes des „bestimmungsgemäßen Gebrauchs“.13 a) Bestimmungsgemäßer Gebrauch
Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, wird unterschiedlich beantwortet. Einigkeit besteht insoweit, dass jede Verwendung eines Arzneimittels bestimmungsgemäß ist, die den vom Hersteller abgegebenen Gebrauchsangaben entspricht.14 Dies geschieht etwa in Form des Beipackzettels, der nach § 11 Abs. 1 AMG Anwendungsgebiete (Nr. 4), Gegenanzeigen (Nr. 5), Dosierung (Nr. 6) und Art der Anwendung und ggf. ihre Dauer (Nr. 9) angeben muss. Erfolgt die Anwendung des Arzneimittels dagegen außerhalb der Zulasung („Off-Label-Use“), entfällt im Grundsatz die Haftung des pharmazeutischen Unternehmers. Eine mögliche Haftung des behandelnden Arztes bleibt davon zunächst unberührt. b) Bestimmungsgemäßer Fehlgebrauch?
Strittig ist, ob auch fehlerhafte Verhaltensweisen in Bezug auf die Anwendung von Arzneimitteln noch als bestimmungsgemäß angesehen werden können. Hieraus könnte sich eine Durchbrechung des grundsätzlichen Haftungsausschlusses des pharmazeutischen Herstellers im Falle des „OffLabel-Use“ ergeben.
13 14
Papier, a.a.O., S. 11; Röpple, a.a.O., S. 57. Kloesel/Cyran/Feiden/Pabel, Arzneimittelrecht, § 5 Rn. 17; Papier, Der bestimmungsgemäße Gebrauch der Arzneimittel, 1980, S. 11; Räpple, Das Verbot bedenklicher Arzneimittel, 1991, S. 59.
14
Thomas Porstner
(aa) Hierzu wird vertreten, dass nur derjenige, der das Arzneimittel in Verkehr bringt, dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch festlegen könne.15 Papier16 sieht in Herstellerangaben eine abschließende Bestimmung der Anwendungsgebiete. Jeder Gebrauch entgegen der Indikationsangaben oder darüber hinaus stelle unter Zugrundelegung des Wortsinns der Vorschrift einen bestimmungswidrigen Fehlgebrauch dar. Eine Haftung des Herstellers für eventuelle Arzneimittelschäden ist in diesem Falle ausgeschlossen. Schadensersatzansprüche des Geschädigten könnten allenfalls gegen den Arzt bestehen, wenn dieser das Arzneimittel fehlerhaft verordnet hat. (bb) Andererseits wird das objektive Kriterium der allgemeinen Verkehrsauffassung für maßgeblich gehalten.17 Nach der Rechtsprechung18 soll ein Gebrauch außerhalb der Zulassung dann noch bestimmungsgemäß sein, wenn er sich aus Sicht der einschlägigen Verkehrskreise als bestimmungsgemäß darstellt. Auch der nahe liegende Fehlgebrauch soll als bestimmungsgemäß gelten.19 Nach dieser Ansicht wird die Verantwortungssphäre des pharmazeutischen Herstellers gegenüber dem Patienten ausgeweitet. Ihm kann in haftungsrechtlicher Hinsicht jenseits der Verantwortung für die Gestaltung des Beipackzettels ein Tun, Dulden oder Unterlassen zugerechnet werden, welches geeignet ist, die Verkehrsauffassung zu prägen. Gehörte beispielsweise ein Arzneimittel über einen längeren Zeitraum hinweg zum Therapiestandard bei einer bestimmten Indikation, verfestigt sich dieses Wissen zu einer objektiven Verkehrsauffassung. Wird die Zulassung auf Grund erkannter Gesundheitsrisiken widerrufen, ist die bloße „Herausnahme“ dieser Indikation in der Packungsbeilage und Fachinformation nicht ausreichend.20 Der pharmazeutische Unternehmer muss folglich geeignete Maßnahmen ergreifen, um die „Masse“ der Verwender seines Arzneimittels aufzuklären und die herrschende objektive Verkehrsauffassung zu beeinflussen. Unterlässt er dies, drohen ihm im Schadensfall Ersatzansprüche des geschädigten Patienten.
15
16 17 18 19 20
Samson/Wolz, Bedenklichkeit von Arzneimitteln und Gebrauchsinformationen, MedR 1988, 71 (72); Wolz, Bedenkliche Arzneimittel als Rechtsbegriff 1988, S. 59 ff. Papier, a.a.O., S. 11 ff. Räpple, a.a.O., S. 63 f. BGH, Urteil vom 10. Juni 1998, Arz.: 5 StR 72/98. Räpple, a.a.O., S. 62 f. vgl. Kloesel/Cyran, AMG, § 5 Anm. 18.
Arzneimittelsicherheit und der Umgang mit unerwünschten Wirkungen
15
Die Haftung des pharmazeutischen Herstellers für den üblichen oder nahe liegenden Fehlgebrauch wird jedoch nach allgemeiner Auffassung durch ausdrückliche Herstellerangaben begrenzt. Der ausdrücklichen Gebrauchsbestimmungen zuwiderlaufende Gebrauch kann dem Wortsinn „bestimmungsgemäß“ als Konträrbegriff nicht zugeordnet werden.21 c) Medizinisch anerkannter Fehlgebrauch
Von den dargestellten Fallgruppen ist zuletzt der medizinisch-wissenschaftliche Fehlgebrauch abzugrenzen. Ein solcher liegt vor, wenn ein Arzneimittel außerhalb einer zugelassenen Indikation eingesetzt wird, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels hinsichtlich dieser Indikation aber wissenschaftlich belegt ist.22 Erfolgt die Anwendung des Arzneimittels außerhalb der Zulassung, aber in Übereinstimmung mit dem medizinischen Standard, und ist mit diesem Einsatz eine quantitative Relevanz verbunden, dann muss sich der pharmazeutische Unternehmer diesen Einsatz im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs zurechnen lassen.23 d) Die Verantwortung für Produktinformationen
Die genannten Möglichkeiten zur Exkulpation sind jedenfalls durch die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abfassung von Packungsbeilage und Fachinformation begrenzt. So haftet der pharmazeutische Hersteller gem. § 84 Abs. 1, S. 1 und 2 Nr. 2 AMG (Gefährdungshaftung) auch für materielle Schäden, die ein an sich unbedenkliches Arzneimittel verursacht, wenn die Produktinformation (Kennzeichnung, Fachinformation oder Packungsbeilage) nicht dem Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht. Darüber hinaus kann sich eine verschuldensabhängige Haftung auch für immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) nach den §§ 823, 847 BGB ergeben. e) Die Haftung des verordnenden Arztes
Unberührt von der haftungsrechtlichen Verantwortung des pharmazeutischen Unternehmers bleibt die Verantwortung des Arztes für therapeutische Entscheidungen. Missachtet der Arzt bei der Verordnung eines Arzneimittels entsprechende Hinweise in den Gebrauchsinformationen und handelt es sich nicht um den Fall medizinisch-wissenschaftlichen Fehlgebrauchs, kann er vom geschädigten Patienten in Anspruch genommen 21 22 23
Sander, AMG, Erl. zu § 5, S. 5. Heitz, a.a.O., S. 413 f. Heitz, a.a.O., S. 414; anders wohl Krüger, PharmaR 2004, 54 ff.
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Thomas Porstner
werden. Ansprüche ergeben sich in diesem Fall vorrangig aus dem Behandlungsvertrag nach §§ 611, 280 BGB. Nach der im Jahre 1972 ergangenen ESTIL-Entscheidung des BGH24 lässt fehlerhaftes Handeln des verordnenden Arztes nicht automatisch die Haftung des pharmazeutischen Herstellers für fehlerhafte Produktinformationen entfallen. Sie endet jedoch dort, wo ärztliches Verhalten einen Verletzungserfolg durch die pflichtwidrige Anwendung „des dem Standard“ entsprechenden Arzneimittels herbeigeführt hat.25
D. Fazit Der gelegentlich vermittelte Eindruck, dass Arzneimittelsicherheit erst erfunden werden muss oder erst bei Risikoeintritt fortentwickelt wird, trifft nicht zu. Sowohl für den Gesetzgeber als auch für die pharmazeutische Industrie besaß die Entwicklung sicherer, nutzbringender Arzneimittel und die Überwachung der Arzneimittelsicherheit schon immer oberste Priorität. Dem wird durch die auf dem hohen Niveau existierender und international harmonisierter Sicherheitsstandards aufbauende fortlaufende Optimierung der Sicherheitssysteme Rechnung getragen. Auf europäischer Ebene wurde erkannt, dass die Pharmakovigilanz effizienter gestaltet werden muss. Dazu soll das bestehende System besser umgesetzt, aber auch der Rechtsrahmen zur Arzneimittelüberwachung in der EU verändert werden.26 Dazu gehört u.a. die Etablierung europäisch einheitlicher Standards zur Bewertung von Arzneimittelrisiken und der Nutzen-Risiko-Analyse. Zudem wird an der Errichtung von gemeinsamen europäischen Datenbanken zur zentralen Erfassung von Pharmakovigilanz-Daten sowie von pharmakoepidemiologischen Daten gearbeitet. Hierdurch sollen seltene Risikosignale schneller erfasst respektive die Ermittlung der bestmöglichen Therapiealternativen erleichtert werden. Ein wesentlicher und wichtiger Schritt zur Optimierung der Arzneimittelsicherheit bleibt daher die Vermittlung sowohl sachlicher produktspezifischer Informationen als auch von Hintergrundinformationen an Verbraucher und Leistungserbringer. Durch entsprechende Aufklärungsarbeit der Firmen, gerade auch im Wege der risikogerichteten umfassenden Information über das Arzneimit24 25 26
BGH, Urt. vom 11.7.1972 – VIZR 194/70, NJW 1972, S. 2217 ff. Fuhrmann, a.a.O., S. 133 f. weitere Informationen unter: http://ec.europa.eu/enterprise/pharmaceuticals/pharmacovigilance_acs/index.htm.
Arzneimittelsicherheit und der Umgang mit unerwünschten Wirkungen
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tel, aber auch der Medien muss das Verständnis für potenzielle Arzneimittelrisiken erhöht werden. Es ist dabei jedoch strikt zwischen der im Rahmen des Zulassungsverfahrens entwickelten Produktinformation und der Werbung gegenüber dem Endverbraucher bzw. Leistungserbringer zu unterscheiden. Dies trägt zur sachgerechten Anwendung von Arzneimitteln bei und ermöglicht dadurch die Ausschöpfung des größtmöglichen Nutzens einer Arzneimitteltherapie bei gleichzeitiger Minimierung der möglichen Risiken. Pauschale und undifferenzierte Forderungen nach Maßnahmen zur Optimierung der Arzneimittelsicherheit bergen die Gefahr, dass Patienten verunsichert werden und ohne Rücksprache mit ihrem Arzt dringend für die Behandlung ihrer Erkrankung benötigte Arzneimittel absetzen und damit ihre Gesundheit gefährden. Häufig werden durch aufgetretene Einzelrisiken in Frage gestellte Arzneimittel und Therapieoptionen pauschal und damit auch für nicht betroffene Therapieoptionen diskreditiert und auf lange Sicht vom Markt genommen. Damit wird der wissenschaftlichtechnische Fortschritt mit dem Argument der Arzneimittelsicherheit behindert, anstatt ihn mit diesem Argument am Arzneimittel selbst fortzuentwickeln. Vor diesem Hintergrund müssen Publikationen von Zahlen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen in Relation zu beteiligten Faktoren, insbesondere zur Frage gerechtfertigter Therapieoptionen und einer am wissenschaftlich-technischen Fortschritt ausgerichteten optimalen Gesundheitsversorgung gesetzt und Ansätze zur Risikominimierung und Qualitätssicherung aufgezeigt werden. Zentrales Element ist und bleibt hier die zulassungs-, aber auch erstattungsrechtlich relevante Analyse des Risiko-Nutzen-Verhältnisses.
Ethik-Kommissionen – ein Beitrag zur Arzneimittelsicherheit?1
Christian von Pestalozza
Um die Antwort auf die Frage des Themas vorwegzunehmen: Ja – aber. Ethik-Kommissionen können zur Arzneimittelsicherheit in erheblichem Umfang – vor allem prognostisch und präventiv – beitragen. Die gegenwärtigen Eigenarten der Institution als solcher, ihres Verfahrens und der ihr zur Verfügung gestellten Maßstäbe schränken das Gewicht und die Dauerhaftigkeit dieses Beitrags jedoch beträchtlich ein – teils unumgänglich, teils unnötig. Reformen sind nötig und – ohne allzu tiefe Einschnitte in das neue europarechtlich vorgegebene Gefüge – möglich.2
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von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommission in der medizinischen Forschung, Studie im Auftrag der Enquete-Kommission 2, „Ethik und Recht in der Medizin“ des 15. Deutschen Bundestages; Kommissionsdrucksache 15/219, Berlin 2004; Pestalozza, Risiken und Nebenwirkungen: Die klinische Prüfung von Arzneimitteln am Menschen nach der 12. AMG Novelle, NJW 2004, 3374; ders., Die Ethik Kommission des Landes Berlin. Unabhängigkeit und Risiko in der Höhle des Löwen, LKV 2006, 255; Lippert, Die klinische Prüfung von Arzneimitteln nach der 12. Novelle zum AMG- eine erste Bestandsaufnahme, VersR 2005, 48; ders., Die Umsetzung der 12. Novelle zum AMG in das Landesrecht – Wie viele Ethikkommission braucht das Land?, VersR 2005, 1368; Baldus, Das Zusammenwirken von Ethikkommission bei multizentrischen klinischen Prüfungen, MedR 2006, 202; Deutsch, Das neue Bild der Ethikkommission, MedR 2006, 411; Schlette, Ethik und Recht bei der Arzneimittelprüfung- Landesrechtliche Ethik- Kommissionen nach der 12. AMG Novelle und die unfreiwillige Voreiterrolle des Landes Berlin, NVwZ 2006, 785. Der dem Vortrag zugrunde liegende Text hält sich an die Reihenfolge der vorab formulierten (und hier nochmals wiedergegebenen) zwölf Thesen, die den Teilnehmer(inne)n vorlagen. Die dreizehnte These wurde am Vortragstag hinzugefügt.
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A. Die Institution Zunächst ein Wort zur Institution. I. Unabhängigkeit, Interdisziplinarität und konkurrierende Zuständigkeit der Ethik-Kommissionen sind europarechtlich vorgegeben und daher nicht wirklich diskutabel.
Das Europäische Recht gibt dem nationalen Gesetzgeber vor, dass die Ethik-Kommission ein unabhängiges, interdisziplinär zu besetzendes Gremium sei, dessen Bewertung einer klinischen Prüfung zu der behördlichen Entscheidung über die Genehmigung hinzuzutreten hat. Rechtsstellung, Zusammensetzung und Verfahrenskonkurrenz sind damit vorgegeben und hinzunehmen. Änderungswünsche haben sich an die Europäischen Instanzen zu wenden. Sie sind nicht mein Thema. II. Alle drei Eigenschaften erhöhen die Chance, dass nur sinnvolle und ethisch vertretbare klinische Studien am Menschen durchgeführt werden; aber sie garantieren nichts.
Alle drei Besonderheiten sind geeignet, einen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit zu leisten, ohne ihn garantieren zu können. Erstens: Unabhängigkeit meint Unabhängigkeit der KommissionsBewertung von staatlichen Weisungen. Nicht wirksam erfasst werden denkbare Abhängigkeiten faktischer Art, die sich z.B. aus der Permanenz staatlicher Geschäftsstellen und der Nichtständigkeit und Ehrenamtlichkeit der Kommissionsarbeit ergeben. Abhängigkeiten von nichtstaatlichen Instanzen – z.B. von der Wirtschaft, den Forschern, den Prüfzentren - werden von vorne herein nicht erfasst. Die institutionelle Unabhängigkeit der Kommission gibt überdies über eventuelle Interessenverflechtungen einzelner Kommissionsmitglieder in einzelnen Fällen keine Auskunft. Die verwaltungsverfahrensrechtlichen Befangenheitsregeln erfassen nur die intensivsten Konfliktfelder. Zweitens: Die fächerübergreifende Zusammensetzung ist nicht nur vorgeschrieben, sondern auch der Sache nach unumgänglich. Oft erlaubt sie allein eine umfassende Beurteilung aller einschlägigen Aspekte einer Studie. Da diese Aspekte aber oft untrennbar miteinander zusammenhängen und sich nicht zerlegen lassen, dass sich jede Disziplin auf das sie Interessierende und von ihr Beherrschte konzentrieren kann, der Mediziner also womöglich auf die Sache gleichzeitig mit juristisch geschultem Auge schauen müsste und umgekehrt, trügt der Eindruck, die Bewertung werde dem Ganzen gerecht, unter Umständen bisweilen.
Ethik-Kommissionen – ein Beitrag zur Arzneimittelsicherheit?
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Drittens: Die Konkurrenz des Bewertungsverfahrens vor der EthikKommission mit dem Genehmigungsverfahren vor der Bundesoberbehörde erhöht die Chance, relevante Mängel der Studie zu entdecken, sie schließt aber auch nicht aus, dass der jeweils früher Entscheidende den später Entscheidenden unwillkürlich beeinflusst, vielleicht sogar zu weniger sorgfältiger eigenständiger Prüfung verführt. III. Die Unabhängigkeit jeder Kommission kann mit dem Gedanken einer bundesweiten Gleichbehandlung aller Beteiligten konfligieren. Das Risiko verstärkt sich mit der – an sich sachgemäßen - Aufgliederung einer Kommission in mehrere Spruchkörper. Der Konflikt ist regulativ kaum beizulegen.
Unabhängigkeit heißt auch Unabhängigkeit von anderen Ethik-Kommissionen. Das ist gut so, aber es birgt Risiken für die Gleichbehandlung der Antragsteller, könnte Wettbewerb der Kommissionen um Antragsteller hervorrufen und Antragsteller ohne Sachgrund „leichte“ Kommissionen den „schwierigen“ vorziehen und danach ihre Standortentscheidungen fällen lassen. Das Nachsehen hätten vor allem die Prüfzentren, die zufällig am Ort einer „schwierigen“ Kommission zu Hause sind. Auch ist – trotz der vermehrten Kosten – nicht auszuschließen, dass Anträge gleichzeitig oder hinter einander mehrfach bestellt werden. Die mit der Vielzahl und Unabhängigkeit der Kommissionen verbundenen Risiken potenzieren sich, wenn Kommissionen im Hinblick auf die große Zahl der Anträge in mehrere – wiederum von einander unabhängige – Ausschüsse aufgeteilt werden, die alle als die Kommission entscheiden. Es fehlt dort wie hier an Regelungen, die helfen könnten, Divergenzen zwischen den Gremien zu vermeiden oder nachträglich zu entschärfen. Fraglich ist, ob es solche Regelungen überhaupt geben kann oder ob sie von Haus aus mit der Unabhängigkeit jeder Kommission und ggf. jedes ihrer Ausschüsse unvereinbar wären. In jedem Falle bedürften derartige Regelungen des förmlichen Gesetzes, weil sie die vom Gesetz eingeräumte Unabhängigkeit berühren. Aber auch, wenn diese Voraussetzung erfüllt würde, nähmen die Fragen kein Ende: Welcher Gesetzgeber sollte denn zuständig sein für die Divergenz zwischen Kommissionen? Der Bund – unabhängig von der territorialen Reichweite seiner Regelung? Das Land, wenn es sich auf die Kommissionen in seinem Territorium beschränkt? Und, sollte dieses Problem gelöst sein: Welche Themen sind denn überhaupt konvergenzfähig und daher regelbar?
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IV. Die geltenden Vorschriften über die Größe und interdisziplinäre Zusammensetzung der Kommissionen variieren, reichen aber im Wesentlichen hin.
Eine ideale Mindest- oder Höchstzahl der Mitglieder eines Gremiums wird sich ebenso wenig finden lassen wie die ideale fachübergreifende Zusammensetzung. Alle derzeitigen Regelungen dürften vertretbar sein. Ethik, Moral und Laiensicht könnten gelegentlich stärker repräsentiert sein. Dass überall nur ein Jurist vorgesehen ist, ist wahrscheinlich der Streitlust geschuldet, die Juristen entwickeln, wenn sie zwei oder mehr sind; die starke Verrechtlichung des Entscheidungsprozesses seit 2004 spiegelt es nicht wider. V. Die konkurrierende Zuständigkeit von Kommission und Behörde hat bei parallelem Lauf beider Verfahren Vorzüge, aber auch gravierende Nachteile. Sie widerspricht dem im sonstigen Gefahrenabwehrrecht im Interesse vor allem des Antragstellers zu beobachtenden Trend zur Kompetenzbündelung.
Der Gesetzgeber lässt das Neben- und Nacheinander der beiden Verwaltungsverfahren – vor der Kommission und vor der Bundesoberbehörde – im Wesentlichen ungeregelt, d.h. ungeordnet. Es kann, muss aber nicht parallel laufen. Die früher ergehende Entscheidung bindet die andere Behörde nicht. Ob sie zu ihrer Kenntnis gelangt, ist oft dem Zufall überlassen. Das widerspricht dem Grundgedanken der Verfahrensbeschleunigung, in deren Dienst statt dessen die rigorosen Vorschriften über Fristen und Nachforderungen treten – ein höchst zweifelhafter, wenn auch europarechtlich wohl gedeckter Ersatz. VI. Ehrenamtliche und gelegentlich tagende Einrichtungen wie die EthikKommissionen stoßen – je nach der Zahl der Anträge – an Arbeitsgrenzen, die die Zügigkeit und Effektivität der Verfahren gefährden können. Die permanente Präsenz sachkundig besetzter Geschäftsstellen gleicht manches aus, löst aber das institutionelle Grundsatzproblem nicht.
Ethik-Kommissionen treten nach Bedarf zusammen. Ihre Mitglieder sind ehrenamtlich tätig. Hauptberuf und sonstige Verpflichtungen verhindern, dass sie beliebig oft und kurzfristig zusammengerufen werden können. Vertretungsregelungen sind ein Notbehelf für den Einzelfall. Da die Bearbeitungsfristen immer kurz und die Anträge oft zahlreich sind, gelangt eine Kommission u.U. schnell an für alle Beteiligten missliche Kapazitätsgrenzen. Ausreichend und sachkundig besetzte Geschäftsstellen sind unentbehrlich, können und dürfen die eigentliche Kommissionsarbeit jedoch
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weder inhaltlich steuern noch ersetzen. Bereits die Durchmusterung der Anträge auf Vollständigkeit müsste, weil nur einmal nachgefordert werden kann, an sich in der Hand der Kommission liegen; praktisch durchführbar ist dies nicht. Bei anhaltender Studienintensität und -fülle verlangt der Wirtschaftsund Forschungsstandort Deutschland insofern nach professionelleren institutionellen Lösungen. Ein erster Schritt könnte darin bestehen, die entsprechend qualifizierten Leiter der Geschäftsstellen zugleich zu Mitgliedern der Ethik-Kommissionen zu berufen.
B. Das Verfahren Ich komme zu Aspekten des Verfahrens. Es entscheidet, obwohl Formalie, maßgeblich über die Qualität von Bewertungsentscheidungen. Manches liegt hier im Argen. I. Die der Kommission gesetzten Fristen sind zu knapp, die Möglichkeiten, auf Nachbesserung der Anträge hinzuwirken, zu gering. Der Ausweg – positive Bewertung unter aufschiebenden Bedingungen – ist gangbar, aber zweite Wahl. Teil- und Vorbescheid als konstruktive Hilfen sind nicht vorgesehen.
Deutschland hat die den Ethik-Kommissionen vom Europäischen Recht zugestandenen Fristen – der Europäischen Ermächtigung entsprechend – unterschritten. Der dadurch ausgelöste Zeitdruck und die Unzulänglichkeit vieler im Kern sachgemäßer Anträge zwingen zu Kompromissen – etwa in Gestalt einer zustimmenden Bewertung unter aufschiebenden Bedingungen. Gesetz- und Verordnungsgeber haben versäumt klarzustellen, ob und inwieweit die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen – seien es auch die der Länder – ergänzend anwendbar sind oder ausgeschlossen sein sollten. Da die belastende Nebenbestimmung für den Antragsteller in der Regel günstiger ist als die ablehnende Bewertung – auch wenn diese einen späteren, besseren Antrag nicht ausschließt -, muss sie statthaft sein. Schwächere Nebenbestimmungen wie Auflagen kommen nicht in Betracht, da mit ihrer Hilfe nicht ausgeschlossen werden kann, dass mit der klinischen Studie begonnen wird, ehe sie erfüllt sind. Auch Bedingungen bleiben aber zweite Wahl. Die Kommission muss sich die Überprüfung ihres Eintritts vorbehalten. Dazu müsste sie an sich erneut zusammentreten. Terminschwierigkeiten können hier zu an sich
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nicht vorgesehenen Delegationen an einzelne Mitglieder der Kommission führen. Aus dem sonstigen Verwaltungsrecht vertraute Instrumente der Flexibilität wie Vorbescheid und Teilbescheid sind den einschlägigen Vorschriften – wohl wiederum im Interesse der Verfahrensbeschleunigung – nicht bekannt, daher auch nicht einsetzbar. II. Die Kürze der Fristen zwingt zu Umlaufverfahren und zu Delegationen an Geschäftsstelle und Vorsitz. Beides ist sachlich untunlich und haftungsrechtlich von vielleicht nicht immer bedachter Konsequenz.
Nicht nur die Überprüfung der Erfüllung von Bedingungen einer zustimmenden Bewertung, auch andere Vorgänge – wie Protokollgenehmigung oder die Beurteilung von Amendments – werden in das Umlaufverfahren gegeben. Die einschlägigen Regelungen sehen ein solches Verfahren nicht vor; den Verwaltungsverfahrensgesetzen ist es, was Ausschüsse anlangt, geläufig. Es führt zu unübersehbaren Schwierigkeiten, evtl. auch zeitlichen Problemen, wenn die einzelnen Äußerungen der Mitglieder Dissens, nicht Konsens ergeben. Dass Mehrheit entscheidet, hilft nicht, wenn sich keiner Mehrheit für eine Version findet. Eine Mischform von mündlicher Beratung und schriftlichem Verfahren droht, wenn einzelne Mitglieder einen Sitzungstermin nicht wahrnehmen, auch nicht vertreten werden können und sich schriftlich äußern. Zwar können die in der Sitzung anwesenden Mitglieder über die schriftliche Stellungnahme beraten, aber das schriftlich votierende Mitglied hat keine Gelegenheit, zu der sich in der Beratung abzeichnenden Tendenz nochmals Stellung zu nehmen, z.B. seine Ansicht gezielt zu verteidigen oder auch zu modifizieren. Zeit- und Terminnöte führen zu Delegationen, von denen nicht sicher ist, ob sie den europäischen und bundesrechtlichen Vorstellungen optimal entsprechen. Von der Delegation der Überprüfung der Erfüllung von Bedingungen war schon die Rede. Gewichtiger noch ist, wenn die Bewertungsbescheide, die an die Antragsteller hinausgehen, nicht von der Kommission formuliert werden. In solchen Fällen fasst zwar die Kommission Beschlüsse, aber ihre nach außen dringende Gestalt erhalten sie durch die Geschäftsstelle in Kooperation mit dem Kommissions-Vorsitzenden. Was, wenn Beschluss und Bescheid divergieren, sei es auch nur in Nuancen? Wer haftet im Schadensfall? Alle Mitglieder, auch solche, die an der Formulierung des Bescheides nicht beteiligt wurden – vielleicht, weil sie Kompetenzen delegiert haben oder obwohl sie es nicht getan haben?
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C. Die Maßstäbe Schließlich ein selektiver Blick auf die Maßstäbe, die das Recht den EthikKommissionen zur Verfügung stellt. Sie eröffnen den Kommissionen – wie anderen Gremien, die ihrer Expertise wegen in besonderem Maße weisungsgebunden sind – z.T. Beurteilungsspielräume, deren Einhaltung von den Gerichten im Streitfall wohl nur begrenzt nachzuprüfen wäre. Dies gibt den Kommissionen vordergründig mehr Freiheit, als andere Entscheider sie haben, begründet aber zugleich ihre besondere Verantwortung gegenüber allen Beteiligten. Wahrgenommen werden kann sie nur, soweit die Maßstäbe wirklich taugen; daran fehlt es. I. Keine Ethik-Kommission kann besser sein als ihre Maßstäbe. Die Gemengelage von Europarecht, Bundesrecht, Landesrecht und rechtsexternen Regeln führt zu Ungewissheiten, die das unter 4 benannte Divergenzrisiko erhöhen; sie zu klären, überfordert jede Ethik-Kommission.
Europarecht, Bundesrecht und Landesrecht wirken, einander ergänzend, hier zusammen, und hinzu treten Leitlinien und Erklärungen anderer, auch nichtstaatlicher Instanzen, die vor allem dadurch Gewicht erlangen, dass Europäische und nationale normen auf sie verweisen. Das Verhältnis zwischen Europäischem und nationalem Recht birgt manche Ungewissheit, vor allem wenn Richtlinien nicht oder nicht vollständig umgesetzt sind. Vor und nach Fristablauf stellt sich die Frage richtlinienkonformer Auslegung divergierender nationaler Vorschriften; die unzureichende Umsetzung ruft den Vorrang des Europäischen Rechts auf den Plan. Vergleichbare Schwierigkeiten kann das Nebeneinander von Bundesund Landesrecht mit sich bringen. Inwieweit schließt das Schweigen des Bundesgesetzgebers zum Verwaltungsverfahren vor der Ethik-Kommission die Anwendung allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts der Länder oder die Schaffung spezifischer Kommissions-Verfahrensregelungen durch die Länder aus? Erklärt sich seine Zurückhaltung kompetentiell, will sie also nicht sperren, sondern die Zuständigkeit der Länder respektiert bzw. erst begründen? Und nicht weniger Fragen stellen sich bei den Verweisen auf eigentlich Nicht-Normatives. Was ist gemeint, wenn die externen Erkenntnisquellen nicht genau bezeichnet werden, was, wenn die Bezeichnung zwar konkret, aber ungewiss ist, welche von verschiedenen Fassungen in Bezug genommen ist? Und wie, wenn zwar eine bestimmte Fassung zitiert wird, die zitierte Norm unterdessen aber von einer neueren Fassung überholt worden ist?
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II. Zu Recht räumen alle Vorschriften übereinstimmend dem Schutz der Probanden und Patienten, die an der klinischen Prüfung teilnehmen, die erste Priorität ein – vor der Forschung und vor dem Markt, auch vor nationalen wirtschaftlichen Interessen. Dass punktuell die Gruppennützigkeit ausreicht, ist kein Widerspruch; dass die Rolle des Placebos dunkel bleibt, ein Ärgernis; dass die akzeptablen Studienabbruchkriterien beschrieben würden, ein petitum.
Auch je für sich genommen, sind die Rechtsschichten nicht immer hinreichend klar. Das Nebeneinander von § 40 und § 41 AMG mit ihren „allgemeinen“ und „besonderen“ Voraussetzungen der klinischen Prüfungen führt zu vielfältigen Problemen. Beide Vorschriften sind zudem zu verschachtelt und unübersichtlich. Inhaltlich sind – um nur einiges beispielhaft herauszuheben – die Variationen bei der Frage des Nutzens (Eigenschutz? Gruppennutzen?) unbefriedigend, ebenso der Grauschleier, den der Normgeber geflissentlich über den Einsatz von Placebos gelegt hat, und die fehlende Disziplinierung des Sponsors und Arztes beim Studienabbruch. III. Der normative Sekundärschutz der Studienteilnehmer durch Datenund Versicherungsschutz ist unzulänglich. Der Datenschutz schreibt Pseudonymisierung vor, ohne sie konkret zu beschreiben. Der Versicherungsschutz lässt zentrale Fragen (Ausmaß der konkreten Risikoabschätzung? Immaterielle Schäden? Genetische Schäden? Wegeunfallversicherung? etc.) im Vagen.
Daten- und Versicherungsschutz des Studienteilnehmers liegen dem Gesetzgeber ersichtlich am Herzen. Der Datenschutz ist vergleichsweise akribisch, wenn auch unübersichtlich, geregelt. Die zentrale Frage, was hier, also bereichsspezifisch, Pseudonymisierung heißt, bleibt freilich offen. Das Bundesdatenschutzgesetz weist nur auf das Wunschergebnis, nicht aber den Weg. Jede EthikKommission ist hier überfordert, zumal die Datenschützer mit Belehrungen und Aufklärungen, die auf dem Stand der Technik sind, auf sich warten lassen. Sie müssten die richtige Mitte zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Studienteilnehmer und preiswerter Praktikabilität finden und darstellen. Das Selbstbestimmungsrecht der Studienteilnehmer muss auch gegen deren Willen hochgehalten werden. Die Praktikabilität hat die Sachnotwendigkeiten der Studien und ihrer Auswertbarkeit zu berücksichtigen, beiläufig auch den Studienteilnehmer-Tourismus unter Kontrolle zu halten. Nebenbei: Wie viele Antragsteller unterschätzt auch manche Kommission gelegentlich den Rang des Datenschutzes.
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Den Versicherungsschutz behandelt der Bundesgesetzgeber auch nach 2004 zu knapp und missverständlich. Dies ermutigt die Versicherer anhaltend zu sehr pauschalen und rigorosen Regelungen. Die Antragsteller spielen ersichtlich mit, wohl auch in Sorge um die Höhe der Versicherungsprämie, oft sicher auch in der Überzeugung, es werde schon nichts passieren. Die häufig in beiden Punkten unzulänglichen Probanden- und Patientenaufklärungen spiegeln den vergleichsweise niedrigen Rang, den Datenund Versicherungsschutz in den Augen der Antragsteller einnehmen, deutlich wider. IV. Art, Umfang und Intensität der notwendigen Aufklärung der Studienteilnehmer lassen sich normativ nur begrenzt erfassen und regulieren. Über sie hat in concreto die Ethik-Kommission zu wachen. Vereinheitlichung der Anforderungen, die sich verallgemeinern lassen, auf hohem Niveau tut ach hier not. Die Antragsteller trifft die Obliegenheit nachhaltiger Mitwirkung an – auch sprachlich – angemessenen Texten zur Aufklärung und Einwilligung. Nicht nur international initiierte Studienanträge bleiben hinter dem gebotenen Standard überraschend häufig zurück.
Auch in anderen Punkten – wie insbesondere bei der Schilderung von Nebenwirkungen, der Abbruchkriterien und des Zieles der Studie, aber auch bei der Sprache – bleibt die Aufklärung unerklärlich oft hinter durchschnittlichen Anforderungen zurück. Dies entwertet die dennoch gegebene Einwilligung in die Studienteilnahme erheblich. V. Was die Überprüfung der Eignung von Prüfstelen bei multizentrischen Studien anlangt, hat der Gesetzgeber der Ethik-Kommission zwar die Aufgabe vorgegeben, aber die zur Erfüllung der Aufgabe notwendigen Befugnisse vorenthalten.
Ich füge den Ihnen vorliegenden zwölf Thesen zum Schluss, wenn Sie gestatten, einen dreizehnten Punkt – zu einem Detail zwar, aber von erheblichem praktischen Belang – an: Die Ethik-Kommissionen sind bei der Überprüfung von örtlichen Prüfstellen bei multizentrischen Studien auf die Selbstauskünfte der Beteiligten und auf zufällige Eigenkenntnisse von Prüfer und Prüfstelle angewiesen. Sie verfügen über keine Inspektions- und Betretungsrechte und könnten sie, wenn sie sie hätten, schon aus Zeitgründen gar nicht wahrnehmen. Die Aufgabe gehört in die Hand von staatlichen Überwachungsbehörden mit entsprechendem Apparat, Know-how und gesetzlichem Auftrag. Ich fasse zusammen: Die Reform 2004 hat den Beitrag, den die EthikKommissionen zur Arzneimittelsicherheit leisten können, erheblich ver-
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größert. Weitere Reformen auf Bundes- und Landesebene sind – auch bei unverändertem Europäischem Rahmen – unausweichlich. Sie sollten die inzwischen mehr als zweijährigen Erfahrungen, die die Ethik-Kommissionen im Umgang mit der novellierten Rechtslage gewonnen haben, zugrunde legen. Regelmäßige Berichte der Ethik-Kommissionen an die Gesetzgeber des Bundes und der Länder könnten hierbei helfen.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Arzneimitteltherapie
Horst Bartels
A. Wirtschaftlichkeitsgebot Für die Verordnung von Arzneimitteln gilt grundsätzlich das Wirtschaftlichkeitsgebot des Sozialgesetzbuch Teil V (SGB V). § 12 SGB V bestimmt – ähnlich auch § 70 SGB V – bzgl. der Behandlung und Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung: „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“ Speziell für die Versorgung mit Arzneimitteln bestimmt § 31 Abs. 1 S. 1 SGB V: „Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind…“.
B. Arzneimittelrichtlinien Das Wirtschaftlichkeitsgebot wird konkretisiert durch Verbote und Gebote insbesondere in Arzneimittelrichtlinien. Rechtsgrundlagen sind die §§ 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, 34 Abs. 1 SGB V. Die wichtigsten Regelungen seien hier genannt.
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I. OTC Ausnahmeliste Nicht rezeptpflichtige Arzneimittel dürfen nicht per Kassenrezept verordnet werden. Ausnahmen: Kinder unter 12 Jahren oder Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum 18. Geburtstag; nicht rezeptpflichtige Arzneimittel der Ausnahmeliste. Die Ausnahmeliste beinhaltet alle nicht rezeptpflichtigen Arzneimittel, die ausnahmsweise zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können. Gelistet wurden Wirkstoffe, die bei schwerwiegenden Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Eine Krankheit ist schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie auf Grund der Schwere der durch sei verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt. Ein Arzneimittel ist Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung dieser schwerwiegenden Erkrankungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Die Auflistung ist abschließend. Aktualisierungen werden – sofern erforderlich – durch den Gemeinsamen Bundesausschuss vorgenommen und entsprechend veröffentlicht. Die gelisteten Arzneistoffe dürfen nur bei den jeweils genannten Erkrankungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Die Indikation wird in den Patientenunterlagen, nicht auf dem Rezept, dokumentiert. Präparate, die durch die Ausnahmeliste definiert sind und bei der entsprechenden schwerwiegenden Erkrankung angewandt werden sollen, werden auf dem Rezeptformular nach Muster 16 (rosa Rezept). Apothekenpflichtige Arzneimittel, die nicht durch die Ausnahmeliste gedeckt werden, können z.B. auf einem Privatrezept oder dem so genannten Grünen Rezept notiert werden. Dies dient dem Patienten als Gedächtnisstütze, kann auch die Dosierung beinhalten und wird in der Apotheke als Quittung für den Patienten genutzt. Verordnet werden darf danach z.B. Acetylsalicylsäure – ASS – (bis 300 mg/ Dosiereinheit) (AMR 16.4.2) nur als Thrombozyten-Aggregationshemmer in der Nachsorge von Herzinfarkt und Schlaganfall sowie nach arteriellen Eingriffen. Ausnahmsweise können in der Ausnahmeliste aufgeführten Indikationsgebiete bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnet werden, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die begleitend, zu einer medikamentösen Haupttherapie mit zugelassenen, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Arzneimittel eingesetzt werden (Begleitmedikation) sind verordnungsfähig, wenn das nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Fachinformation des Hauptarzneimittels als Begleitmedikation zwingend vorgeschrieben ist. Nicht ver-
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schreibungspflichtige Arzneimittel, die zur Behandlung der beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines zugelassenen, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Arzneimittels auftretenden, schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen (unerwünschte Arzneimittelwirkungen; UAW) eingesetzt werden, sind verordnungsfähig, wenn die UAW schwerwiegend sind (lebensbedrohlich, oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt). II. Life-Style-Liste Verordnungsverbote ergeben sich auch aus der sog. Life-Style-Liste nach § 34 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V auch für so genannte Life-Style-Medikamente. Dazu gehören zum Beispiel Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, etwa Viagra, Raucherentwöhnung, etwa Zyban oder Gewichtsreduktion, etwa Acomplia. III. Verordnungsausschlüsse Verordnungsausschlüsse bestehen aufgrund von § 34 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V auch für folgende Medikamente: Verschreibungspflichtige Bagatellarzneimittel für Erwachsene Bestimmte Arzneimittel dürfen gesetzlich Versicherten (18. Lebensjahr vollendet) nicht zu Lasten der Kasse verordnet werden. Vor allem -
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Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten. Dies gilt analog auch für die bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Arzneimittel, sofern es sich um geringfügige Gesundheitsstörungen handelt. Mund- und Rachentherapeutika Ausnahme: Für die Therapie bei Pilzinfektionen, geschwürigen Erkrankungen der Mundhöhle und die Behandlung nach chirurgischen Eingriffen im Hals-, Nasen- und Ohrenbereich sind Mund- und Rachentherapeutika jedoch verordnungsfähig. Abführmittel Abführmittel können jedoch bei Tumorleiden, Megacolon, divertikulose, Divertikulitis, Mukoviszidose, neurogener Darmlähmung, vor diagnostischen Eingriffen, bei phosphatbindender Medikation bei chronischer Niereninsuffizienz und im Rahmen der Opiattherapie zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
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Arzneimittel gegen Reisekrankheit Von diesem Verordnungsausschluss nicht betroffen ist die Anwendung gegen Erbrechen bei der Tumortherapie und anderen Erkrankungen, wie z.B. Menièrescher Symptomkomplex.
IV. „Off-Label-Use“ Regelungen zum „Off-Label-Use“ finden sich in einer Anlage der Arzneimittelrichtlinien. Geregelt wird, welche Mittel im „Off-Label-Use“ eingesetzt werden dürfen und welche nicht. Darüber hinaus gibt es eine Rechtsprechung zum Einsatz von Mitteln im „Off-Label-Use“ z.B. der Anwendung von Immunglobulinen für erwachsene AIDS-Patienten1. V. Therapiehinweise In einer weiteren Anlage zu den Arzneimittelrichtlinien finden sich Bestimmungen zu Therapiehinweisen. Auch die Rechtsprechung hat sich mit Therapiehinweisen beschäftigt. So hat das BSG mit Urteil vom 31.05.2006 – B 6 KA 13/05 R – festgestellt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss Therapiehinweise zur wirtschaftlichen Verordnung von Clopidogrel und ASS bei Schlaganfall-/Herzinfarktprophylaxe geben darf. § 92 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 6, Abs. 2 SGB V sei hierfür eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. Außerdem sei durch das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) in § 91 Abs. 2 S. 7 SGB V eine zusätzliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen worden.
C. Rechtsverordnung/Regionale Vereinbarungen Das Wirtschaftlichkeitsgebot findet Ausdruck in der Negativliste sowie regionalen Vereinbarungen über Impfen und Sprechstundenbedarf. I. Negativliste Die Negativliste zählt die unwirtschaftlichen Präparate auf. Rechtsgrundlage ist § 34 Abs. 3 SGB V. Hier findet sich eine Ermächtigung zum Ausschluss von Arzneimitteln durch Rechtsverordnungen. Als unwirtschaftlich gelten die Arzneimittel, die für das Therapieziel oder zur Minderung von 1
Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 31.05.2006 – B 6 KA 53/05 B.
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Risiken nicht erforderliche Bestandteile enthalten oder die wegen der Vielzahl der enthaltenen Wirkstoffe nicht mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden können. Ebenso diejenigen, deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist. Beispiele sind ASS + C oder Laryngsan n. II. Impfvereinbarung Die regionale Impfvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und einer Krankenkasse regelt, in welchen Fällen jeweils geimpft werden darf. Beispielsweise wird dort die Impfung gegen Frühsommermeningoencephalitis (FSME) bei Risiken in Endemiegebiete geregelt. III. Sprechstundenbedarfsvereinbarung Die regionale Sprechstundenbedarfsvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen regelt, welche Mittel als Sprechstundenbedarf verordnet werden dürfen. Von Augenkompressen bis Zinkleimbinden – rund 16.000 Artikel zählen zum Sprechstundenbedarf. Ihnen ist gemeinsam, dass sie bei mehr als einem Patienten oder zur Notfall- bzw. Sofortbehandlung angewendet werden. Was im Einzelnen dazu gehört, regelt die „Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf“, meist als Sprechstundenbedarfsvereinbarung oder SSB-Regelung abgekürzt. Nur die in dieser Vereinbarung genannten Mittel dürfen als Sprechstundenbedarf verordnet werden. Die SSB-Regelung ist demnach als „Positivliste“ zu verstehen. Und eben auch nur dann, wenn die Mittel bei mehreren Versicherten angewendet werden oder zur Notfallbzw. Sofortbehandlung erforderlich sind. Nicht zum Sprechstundenbedarf zählen Mittel, die nur für einen Patienten bestimmt sind. Artikel außerhalb des Sprechstundenbedarfs sind über Einzelrezept auf den Namen des Patienten zu Lasten der jeweiligen Krankenkasse zu verordnen. Mit anderen Worten: Wenn es sich um eine geplante Therapie bei einem Patienten handelt, dann kann das Mittel nicht aus dem Sprechstundenbedarf abgegeben werden. Wichtig ist, den Sprechstundenbedarf von den Verbrauchsmaterialien und Hygieneartikel abzugrenzen. Denn die Kosten für diese Artikel gehen zu Lasten der Praxis, beispielsweise Latexhandschuhe, OP-Hauben, OP-Kittel oder Reinigungsmittel. Die Kosten der über den Sprechstundenbedarf bezogenen Artikel fließen nicht in die Richtgrößenberechnung mit ein. Der Prüfungsausschuss kontrolliert gemäß §§ 13 und 14 der Prüfvereinbarung den wirtschaftlichen Umgang mit Sprechstundenbedarf mittels zwei Prüfverfahren: Prüfung der Einzelverordnung und nach Durchschnittswerten.
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D. Wirtschaftlichkeitsprüfung Die Wirtschaftlichkeitsprüfung findet ihre Grundlage in § 106 SGB V sowie Bestimmungen auf Bundes- und Landesebene. I. Richtgrößenprüfung Die Verordnung unterliegt der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dabei ist die Prüfung nach Richtgrößen die Methode, die in § 106 Abs. 2 Nr. 1 AGB V als Regelprüfmethode vorgesehen ist. Richtgrößen sind nach § 84 Abs. 6 SGB V im Vorhinein vereinbarte – und wie das BSG festgestellt hat2 – zu veröffentlichende Werte. Werden diese um einen festgelegten Prozentsatz überschritten, kommt es zum Prüfverfahren. Die Richtgrößen werden sowohl bei Heilmitteln als auch bei Arzneimitteln auf der Basis des vereinbarten Ausgabenvolumens gebildet: Zunächst wird das vereinbarte Volumen um Zuzahlungen und Rabatte ergänzt. Diese Summe teilt man abhängig vom Verordnungsvolumen der Vergangenheit anteilig auf die einzelnen Fachgruppen und innerhalb dieser auf die einzelnen Fälle auf, getrennt nach Allgemeinversicherten (AV, Mitglieder- und Familienmitglieder) und Rentenversicherten (RV). Richtgrößen sind dabei so genannte Bruttowerte. Das heißt, gewährte Rabatte (beispielsweise von Apotheken oder Herstellern) und die Zuzahlungen der Patienten werden in die Richtgrößen hineingerechnet. Dies ist wichtig, um Praxen in strukturschwachen Regionen nicht zu benachteiligen. Würden die Zuzahlungen der Patienten nicht in den Richtgrößen enthalten sein, so würden zwei Ärzte, die exakt die gleichen Arzneimittel verordnen, mit unterschiedlichen Kosten belastet, nur weil die Zuzahlungen der Patienten andere wären. Der Arzt mit vielen befreiten Patienten hätte dann nämlich höhere Umsätze als der Kollege mit wenigen zuzahlungsbefreiten Patienten. Aus diesem Grund wird mit Bruttowerten gearbeitet; fehlende Zuzahlungen der Patienten spielen beim Richtgrößenvergleich keine Rolle. Sollte es zu einem Regress kommen, gilt das Netto-Prinzip: Hier werden Zuzahlungen und Rabatte von der Regress-Summe abgezogen. Zu zahlen ist ausschließlich die Summe, die den Kassen an „Schaden“ entstanden ist. In Nordrhein gibt es derzeit Richtgrößen für Arznei- und Verbandmittel einerseits und Heilmittel andererseits. Die Richtgrößen für Arznei- und Verbandmittel umfassen keine Impfstoffe und keinen Sprechstundenbedarf. Die Richtgrößen werden im Rheinischen Ärzteblatt amtlich bekannt gemacht. 2
Urteil vom 02.11.2005, AZ: B 6 KA 63/04 R.
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Das so genannte Arzneimittelrichtgrößenvolumen oder „Arzneimittelbudget“ der Praxis ist der Wert, den die Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln eines Quartals nicht überschreiten sollte. Das gleiche gilt für das Heilmittelrichtgrößenvolumen. Der Wert wird bestimmt von der Richtgröße und den Fallzahlen. Bei den Fallzahlen handelt es sich ausschließlich um Behandlungsfälle, Zielüberweisungs- und Konsiliarfälle werden nicht mitberücksichtigt. Die gesamte in einer Praxis innerhalb desselben Kalendervierteljahres an demselben Kranken ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommene Behandlung gilt dabei jeweils als Behandlungsfall. Arzneimittelrichtgrößen 2007 Arztgruppe Allgemeinmedizin und Praktische Ärzte (80-89) Anästhesiologie (01-03) Augenheilkunde (04-06) Chirurgie (07-09) Gynäkologie (10-12) HNO einschl. Phoniatrie und Pädaudiol. (13-15) Haut- und Geschlechtskrankheiten (16-18) Innere Medizin (19-22), hausärztlich Innere Medizin (19-22), fachärztlich Einschl. Angiologie, Endokrinologie, Gastroentereologie, Hämatologie Und Internistische Onkologie, Kardiologie Nephrologie, Pneumologie, Rheumatologie Kinderheilkunde (23-25) MKG-Chirurgie (35-37) Nervenheilkunde (38-40) (Neurologie/Psychiatrie)
Richtgröße 2007 AV/RV* in EURO AV: 41,41 RV: 137,72 AV: 32,24 RV: 97,35 AV: 5,87 RV: 15,28 AV: 9,81 RV: 18,71 AV: 15,19 RV: 35,87 AV: 11,44 RV: 8,38 AV: 20,19 RV: 21,96 AV: 57,94 RV: 136,14 AV: 187,91 RV: 244,59
AV: 27,23 RV: 52,47 AV: 7,02 RV: 4,97 AV: 97,66 RV: 126,97
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Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie einschl. Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie Orthopädie (44-46) einschl. orthopädischer Rheumatol. Urologie (56-58)
AV: 7,01 RV: 20,43 AV: 23,25 RV: 64,64
*AV: Allgemeinversicherte (Mitglieder- und Familienversicherte) RV: Rentenversicherte
Für die nicht aufgeführten Fachgruppen wie Pulmologen wurde keine Richtgröße vereinbart. Diese Fachgruppen können nach Durchschnittswerten geprüft werden. Beispiel der Berechnung eines Richtgrößenvolumens Dr. Max Mustermann hat für Arzneimittel bei seinen Allgemeinversicherten eine Richtgröße von 41,41 Euro, für seine Rentenversicherten von 137,72 Euro. Im Quartal 1/2007 rechnet er insgesamt 743 Allgemeinversicherte und 523 Rentenversicherte ab. Für das Quartal stehen ihm somit zur Verfügung: 743 Fälle (Allgemeinversicherte) x = +
41,41 Euro (Richtgrößen Allgemeinversicherte) 30.767,63 Euro 523 Fälle (Rentenversicherte)
x =
137,72 Euro (Richtgröße Rentenversicherte) 72.027,56 Euro
Richtgrößenvolumen („Arzneimittelbudget“) der Praxis Dr. Mustermann: 30.767,63 Euro (für Allgemeinversicherte) + =
72.027,56 Euro (für Rentenversicherte) 102.795,19 Euro
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Diese 102.765,19 Euro kann Dr. Mustermann nunmehr auf seine Versicherten im ersten Quartal aufteilen. Dabei können hohe Verordnungskosten bei einem Versicherten durch einen oder mehrere Patienten mit geringen oder gar keinen Verordnungskosten ausgeglichen werden. Insgesamt sollten die Verordnungskosten der Praxis die vorgegebenen 102.765,13 Euro jedoch nicht überschreiten. Es sei denn, es handelt sich um Kosten im Rahmen von Praxisbesonderheiten. Die gleiche Berechnung kann auch bei Heilmitteln durchgeführt werden. Jede Praxis, für die Richtgrößen fixiert sind, erhält eine so genannte Quartalsbilanz. Für Arzneimittel gibt es diese Unterlage schon lange, für Heilmittel liefern die Krankenkassen derzeit erstmals Daten zur Erstellung. Sie stellt dar, wie sich der Wert der eigenen Verordnungen im Vergleich zur Richtgröße entwickelt hat. Die Arzneimitteldaten liefern die nordrheinischen Krankenkassen sechs Monate nach Ablauf eines Quartals, Heilmitteldaten erheblich später. Zusammen mit den Fallzahlen bilden sie die Basis zur Erstellung der Quartalsbilanz. Bei einer Überschreitung der Richtgröße gilt: Bei einer 15-prozentigen Überschreitung der Richtgröße wird der Arzt beraten, liegt er mehr als 25 Prozent darüber, erfolgt ein Regress. Diese Werte sind bereits seit dem Jahr 2004 gesetzlich vorgegeben und gelten für Arznei- und Heilmittel gleichermaßen. Geprüft wird auf der Basis elektronisch übermittelter Rezeptdatensätze. Für eine Prüfung liegen also keine Originalrezepte oder Rezeptkosten (Images) vor, sondern lediglich Verordnungsdaten als Statistiken. Diese erstellt die Geschäftsstelle Prüfungs- und Beschwerdeausschuss Nordrhein aus den Datenlieferungen der Kassen. Meldet ein Arzt berechtigte Zweifel an den von den Kassen gelieferten Daten, so können Images oder die Originalrezepte zur Prüfung hinzugezogen werden. Die Entscheidung trifft der Prüfungsausschuss. Laut Urteil des BSG vom 02.11.20053 sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Verordnungskosten von den sie erfassenden Apotheken-Rechenzentren und den Krankenkassen generell nicht richtig ermittelt bzw. übermittelt worden wären, nicht ersichtlich. Die Tatsache, dass die Daten der eigenen Praxissoftware gegenüber den elektronisch gemeldeten Verordnungssummen abweichen, reiche nicht aus. Eine nähere Überprüfung der elektronisch erfassten Einzelverordnungen ist nur erforderlich, wenn der betroffene Arzt substantiiert Einwendungen vorbringt oder das Prüfgremium selbst Zweifel hat. Festgestellte Fehlbuchungen sind entsprechend zu korrigieren. Die pauschale Behauptung, die Verordnungen seien nicht ordnungsgemäß erfasst worden, löst nach der Rechtsprechung des BSG keine Verpflichtung der Prüfgremien zur Beiziehung sämtlicher Originalverordnungen oder Images aus. 3
BSG, Urteil vom 02.11.2005 – B 6 KA 63/04 R.
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Um den ungefähren Einfluss von Praxisbesonderheiten auf die ausgewiesene Richtgrößensumme zu erhalten, können eventuelle Praxisbesonderheiten oder Verordnungsschwerpunkte z.B. aus der Praxis-EDV, der GKVFrühinformation oder sonstigen Verordnungsinformationen herausgesucht werden, und die Summe dem Richtgrößenvolumen gegenübergestellt werden bzw. der prognostizierten Überschreitung. So ist es möglich, die prognostizierte Überschreitung im Hinblick auf eine mögliche Regressgefahr im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung abzuschätzen. Das Prüfverfahren bei Arzneimitteln läuft in Nordrhein in drei Schritten ab: Schritt 1
Sehr teure Arzneimitteltherapien werden in Nordrhein hundertprozentig als Praxisbesonderheit gewertet. Dies betrifft seltene oder spezielle Erkrankungen wie zum Beispiel Morbus Gaucher oder Faktormangelerkrankungen. Wurde preisbewusst rezeptiert, so wird im Rahmen einer Vorabprüfung jedes einzelne dieser Rezepte mit den Kosten in voller Höhe als Praxisbesonderheit betrachtet. Diese Arzneiverordnungen belasten somit de facto nicht die im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung relevanten Arzneimittelausgaben einer Praxis. Auch bei Verordnungen in diesem hochpreisigen Bereich achtet der Prüfungsausschuss darauf, ob wirtschaftlich verordnet wurde. Denn auch hier gibt es Präparate, die vorzuziehen sind, weil sie preiswerter und gleich wirksam sind. So existieren etwa im Bereich der Immunsuppressiva wirksame generische Alternativen oder günstige Reimporte. Schritt 2
Aus den Richtgrößen herausgerechnet wird auch ein Teil der Kosten bei einzelnen Arzneimitteltherapien wie der Insulin-Therapie bei insulinpflichtigem Diabetes oder der Behandlung der Schizophrenie mit atypischen Neuroleptika. Diese Therapien sind zwar für die jeweilige Fachgruppe keine Besonderheit, sie sind aber sehr teuer und sprengen vielfach die Richtgröße. Aus diesem Grund sieht die Richtgrößen-Vereinbarung vor, den Teil der Kosten abzuziehen, der einer Praxis in diesem Verordnungsbereich durch ein von der Fachgruppe abweichendes Mehr an Patienten entstanden ist. Um das „Mehr“ an Patienten nachzuweisen stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. So handelt es sich bei der Richtgrößenprüfung um eine reine Verordnungsprüfung, allerdings kann anhand
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der Abrechnung einzelner Gebührenordnungsnummern auf ein besonderes Patientenklientel geschlossen werden. Eine weitere Methode zur Abklärung des Patientenguts der durchschnittlichen Vergleichspraxis ist die Information bei Zentralinstitut bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (www.zi-berlin.de). Dort finden unfangreiche Erhebungen, z.B. arztgruppenspezifische Analysen der häufigsten Diagnoseschlüssel, anhand derer die betroffene Praxis ggf. nachweisen kann, dass ein überproportional hoher Anteil Patienten einer besonderen Patientengruppe betreut werden. Seit kurzer Zeit finden sich solche Morbiditätsstatistiken auch auf der Homepage der KV Nordrhein unter www.kvno.de. Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass beispielsweise nicht der Diabetiker insgesamt mit all seinen Begleitmedikationen automatisch als Praxisbesonderheit gewertet wird, sondern wirklich nur die teure Insulintherapie. Alle anderen Begleittherapien sind im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu prüfen. Vertreter der Pharmaindustrie behaupten, diese Therapien seien als Praxisbesonderheit anerkannt und es drohe generell kein Regress. Dabei wird verkannt, dass nur die Summe als Besonderheit anerkannt wird, die eine Praxis mehr verordnet hat als der Fachgruppendurchschnitt. Eine Praxisbesonderheit nach Schritt 2 liegt beispielsweise vor, wenn eine Praxis mehr moderne Glaukomtherapeutika verordnen muss als der Fachgruppendurchschnitt, weil lokale Betablocker kontraindiziert waren oder keine oder nur unzureichende Wirkung zeigten, so ist dies eine solche Besonderheit. Dies gilt aber nur dann, wenn preisbewusst verordnet wurde. Falsch ist also die Behauptung, moderne Glaukomtherapeutika wären generell von den „Budgets“ ausgenommen. Die Regelung haben Krankenkassen und KV Nordrhein in die Richtgrößenvereinbarung aufgenommen, um einer Sogwirkung in bestimmten Bereichen Einhalt zu bieten. In der Vergangenheit nahm beispielsweise kurz nach Vereinbarung der Praxisbesonderheit „Schmerztherapie mit Opioiden“ die Verordnungshäufigkeit bei den Opioiden explosionsartig zu. Nach dem Motto: „Besser Opioide verordnen, denn die werden ja zu hundert Prozent aus dem Budget abgerechnet“, warb die Industrie mit der Richtgrößenregelung erfolgreich für diese Produkte. Die vermehrten Verordnungen betrafen vor allem Fälle, in denen einfache Schmerzmittel zur Therapie ausgereicht hätten. Um den nicht indizierten Kostenschub zu stoppen, wird seit dem Jahr 2004 bei der Schmerztherapie mit Opioiden nur noch derjenige Teil als Praxisbesonderheit anerkannt, den eine Praxis aufgrund des von der Fachgruppentypik abweichenden Klientels aufweist – und nicht mehr alle Verordnungen einer Praxis in diesem Bereich.
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Schritt 3
Im Unterschied zu den unter Schritt 1 und 2 genannten Praxisbesonderheiten gibt es noch diejenigen, die über die definierten Indikationen hinaus im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung abziehbar sind. So können beispielsweise die Kosten für eine Enzymersatztherapie bei Mukopolysaccharindose geltend gemacht werden, obwohl diese Indikation nicht in der Vereinbarung genannt ist. Diese Praxisbesonderheit muss vorgetragen werden. Auch hier gilt: Nur der Mehrbedarf wird als Praxisbesonderheit anerkannt, nicht jede einzelne Verordnung in voller Kostenhöhe. II. Stichprobenprüfung § 106 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V sieht auch Stichprobenprüfungen, die mindestens 2 % der Ärzte erfassen soll, als sog. Zufälligkeitsprüfungen vor. Sie spielen gegenwärtig in Nordrhein keine Rolle; zukünftig kommen sie als Vorauswahl einer Durchschnittswertprüfung in Betracht. III. Durchschnittswertprüfung Die – nach § 106 SGB V fakultative – Prüfung nach Durchschnittswerten basiert auf einer Gegenüberstellung der durchschnittlichen Fallkosten des geprüften Arztes mit der Gruppe der vergleichbaren Ärzte. Die Grundsätze hierfür hat das Bundessozialgericht entwickelt. Prüfungen nach Durchschnittswerten beziehen sich immer auf den Zeitraum eines Quartals. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungstätigkeit nach Durchschnittswerten erfolgt in der Regel von Amts wegen; die Prüfungen werden also automatisch eingeleitet. Der Prüfungsausschuss wählt aus, wer in die Prüfung kommt. Basis seiner Entscheidung sind Verordnungsstatistiken. Jede Praxis erhält in Nordrhein eine so genannte „Kostenstatistik Durchschnittswerte“. Erstmals gab es diese Statistik für das Quartal 2/2005. Sie stellt dar, wie sich die Kosten der eigenen Verordnungen im Vergleich zur Fachgruppe entwickelt haben. Die Verordnungsdaten liefern die nordrheinischen Krankenkassen frühestens neun Monate nach Ablauf eines Quartals. Zusammen mit den Fallzahlen bilden sie die Basis zur Erstellung der Kostenstatistik. Gegen drohende Regresse bei der Prüfung nach Durchschnittswerten kann sich ein Arzt mit dem Nachweis eines Mehraufwandes aufgrund von Besonderheiten wehren. Bei der Durchschnittswertprüfung gibt es im Gegensatz zur Richtgrößenprüfung keine fixierten Indikationsbereiche, die – bei wirtschaftlicher Verordnungsweise – ein Ausschuss als Praxisbesonderheit anerkennen muss. Die Rechtspre-
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chung definiert Praxisbesonderheiten hier als „untypische Abweichungen in der Struktur der Praxis“ von der der Fachgruppe. Nicht alle Auffälligkeiten sind also gleich Praxisbesonderheiten. Bei einer Prüfung sollten die Besonderheiten begründen und die Kosten dargelegt werden. Den Prüfgremien steht bei der Anerkennung von Praxisbesonderheiten ein Ermessensspielraum zu. Die Beurteilung erfolgt für jedes Quartal neu. Wichtig: Auch die im Rahmen von Praxisbesonderheiten verordneten Leistungen müssen wirtschaftlich sein. Ein weiteres Argument in einer Prüfung nach Durchschnittswerten können so genannte kompensatorische Einsparungen sein. Jeder niedergelassene Arzt hat in seiner Praxis in einigen Bereichen geringere Kosten als andere Ärzte seiner Fachgruppe. Wenn er auf diese Einsparungen verweist, ist es wichtig, dass diese Einsparungen „kompensatorisch“ sind: Sie müssen also unmittelbar auf den Mehraufwand im Überschreitungsbereich zurückzuführen sein. Bei Einsparungen im Bereich der Krankenhauseinweisungen oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen müssten nachgewiesen werden, dass diese durch die Mehrleistungen im geprüften Bereich erreicht wurden. Die Einsparungen müssen die Überschreitungen ausgleichen. Geprüft wird auf der Basis elektronisch übermittelter Rezeptdatensätze. Für eine Prüfung liegen demnach keine Originalrezepte oder Rezeptkopien, so genannte Images, vor. Grundlage sind lediglich Verordnungsdaten in statistischer Form, generiert aus den Datenlieferungen der Kassen. Dabei sollen die gelieferten Daten die Verordnungen einer Praxis möglichst vollständig widerspiegeln; 75 Prozent der ausgestellten Rezepte gelten dabei als ausreichend repräsentativ. Images oder Originalrezepte werden zur Prüfung hinzugezogen, wenn ein Arzt berechtigte Zweifel an den von den Kassen gelieferten Daten geltend macht. Hierüber entscheidet der Ausschuss. Übersicht: Praxisbesonderheiten bei Durchschnittswertprüfungen Praxisbesonderheit* Kleine Fallzahl Erhöhter Rentneranteil** Anfängerpraxis Hoher Anteil neuer Patienten Hoher Anteil von Behandlungen auf Überweisung Gemeinschaftspraxis Assistent
Ja
Nein X X X X
X X X
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Vermehrte Betreuung von Patienten in Alten- und Pflegeheimen Große Anzahl ambulanter Operationen Besonderheiten in der Praxisführung (Samstagssprechstunde, kein Urlaub) Vermehrte Notdienste Lage der Praxis Hoher Ausländeranteil Besondere Praxisausstattung (besondere Apparate) Zusatzbezeichnung Hoher Anteil chronisch/schwer Erkrankter Altersstruktur (sehr alte multimorbide Patienten) Spezialisierung (soweit keine besondere Vergleichsgruppe gebildet wurde)
X X X X X X X X X X X
* von der Rechtsprechung tendenziell anerkannt oder nicht anerkannt. Entscheidend ist immer die individuelle Situation. ** Die Werte sind rentnergewichtet. Der Rentneranteil wird also beim Fachgruppenvergleich berücksichtigt.
IV. Prüfung in besonderen Fällen In letzter Zeit gehen bei der Geschäftsstelle des Prüfungs- und Beschwerdeausschusses Nordrhein vermehrt Arzneimittelprüf- bzw. Regressanträge von Krankenkassen ein. Diese sind oft damit begründet, dass Rechtsverordnungen oder Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses unbeachtet gelassen wurden oder aber unwirtschaftliche Arzneimittelanwendungen veranlasst wurden. In solchen Fällen spricht man von Prüfungen in besonderen Fällen. Die Kassen werfen den Ärzten etwa unzulässige Verordnungen vor, wenn Verstöße gegen Richtlinien oder das Wirtschaftlichkeitsgebot vorliegen. Dies trifft beispielsweise zu, wenn Bestimmungen der Arznei- oder Heilmittel-Richtlinien nicht beachtet wurden. Als unwirtschaftlich sehen viele Kassen beispielsweise auch die Verordnung von Originalpräparaten bei Arzneimitteln an, wenn im gleichen Bereich Generika zur Verfügung stehen. Oder wenn Präparate verordnet werden, für die es pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare preiswertere Alternativen gibt.
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Ein Verstoß gegen die Arzneimittel-Richtlinien liegt beispielsweise vor, wenn nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel an Erwachsene verordnet wurden, obwohl es für diese keine Ausnahmeregelung gibt. Werden diese Arzneimittel dennoch verordnet, so entsteht ein so genannter „Sonstiger Schaden“ – außer bei Kindern bis 12 Jahre und Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen bis 18 Jahre. Dies bedeutet, dass die Kosten dieser Arzneimittel vollständig beim verordnenden Arzt regressiert werden können. Ein weiterer Verstoß wäre die Verordnung von so genannten LifeStyle-Medikamenten wie zum Beispiel Viagra oder ähnlichen Mitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. 1. „Off-Label-Use“
Insbesondere der so genannte „Off-Label-Use“ führt vielfach zu einer Prüfung in besonderen Fällen. „Off-Label-Use“ bedeutet, dass ein Arzneimittel in einem Indikationsbereich eingesetzt wird, für den es nicht zugelassen ist bzw. nicht der Regelung zum „Off-Label-Use“ in der Anlage zu den Arzneimittelrichtlinien entspricht. 2. Sprechstundenbedarf
Die Prüfung der Sprechstundenbedarfsverordnung findet in der Regel auf Antrag der Barmer Ersatzkasse (BEK) statt. Denn die BEK wickelt in Nordrhein den Spruchstundenbedarf für alle Kassen ab. Die Kasse informiert den Prüfungsausschuss, der dann nachforscht, ob andere als die nach der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung zulässigen Mittel verordnet wurden. Sollte dies der Fall gewesen sein, so hat der Arzt der BEK die hierdurch entstandenen Kosten zu erstatten. Voraussetzung ist, dass der so genannte Schaden mindestens 150 Euro beträgt. Die Mindestgrenze gilt indes nicht, wenn ein Artikel wiederholt unzulässigerweise als Sprechstundenbedarf abgerechnet wurde. Dann müsste der betroffene Arzt auch kleinere „Schadensummen“ begleichen. Die folgende beispielhafte Aufstellung enthält die Präparate, deren Verordnung Regressanträge im Bereich des Sprechstundenbedarfs ausgelöst hat. Sie zählt Artikel auf, die nach Auffassung der Barmer Ersatzkasse nicht im Sprechstundenbedarf hätten verordnet werden dürfen. Hierzu liegen den Prüfgremien Anträge der Barmer Ersatzkasse vor.
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Absaugkatheter Aceton Alkoholtupfer Blaseneinmalspritzen Chirurgische Federöhrnadeln Einmal-Mundschutz Fix-Verband-Schienen Glucose Teststreifen Kühlkompressen Methanol Ohrenbinden Plexusanästhesie Unipolar Kanülen Saugschlauch Spinalkanülen Spinalnadeln Spritzen 2ml, 5ml, 10ml Telasorp Einmalbauchtücher Urinbeutel
V. Prüfmaßnahmen Die Maßnahmen aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen werden durch Prüfgremien festgesetzt; maßgeblich sind Rahmenvorgaben der Bundesebene und regionale Prüfvereinbarungen. Der Prüfungsausschuss entscheidet insbesondere aufgrund der Prüfvereinbarung anhand der ihm vorliegenden Unterlagen und der Stellungnahme des Arztes. Bei der Beurteilung im Falle einer Durchschnittswertprüfung steht dem Prüfgremium ein „Ermessen“ zu. Der Ausschuss kann die Höhe des Regresses schätzen. Die Gremien besitzen also einen erheblichen Entscheidungsspielraum. Zudem sind die Entscheidungen gerichtlich nur eingeschränkt zu kontrollieren. Gerichte prüfen nur, ob das Ermessen richtig ausgeübt wurde und der Beschluss ausreichend begründet ist. Ganz anders bei Richtgrößenprüfungen. Hier fehlt der Ermessensspielraum. Die Höhe des Regresses richtet sich exakt nach der Höhe der Überschreitung. Vom Honorar abgezogen wird der Betrag, der oberhalb der Richtgrößenvolumen plus 25 Prozent liegt (125-Prozentmarke), abzüglich aller Praxisbesonderheiten. Mit anderen Worten: Überschreitet das Verordnungsvolumen eines Arztes nach Abzug aller Praxisbesonderheiten das vorgegebene Richtgrößenvolumen um mehr als 25 Prozent, wird ein Regress festgesetzt. Immer vorausgesetzt, dass weder die Stellungnahme des
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Arztes noch die hinzugezogenen Unterlagen die Überschreitung hinreichend begründen. Die Entscheidung fällt der Prüfungsausschuss. Beispiel: Frau Dr. Mustermann hat im 2. Quartal 2006 ein Richtgrößenvolumen von 100.000 Euro. Der Wert ihrer Verordnungen in diesem Quartal liegt bei 175.000 Euro. Davon sind 25.000 Euro als Praxisbesonderheit abzuziehen. Der Überschreitungsbetrag liegt folglich bei 50.000 Euro, der Regress beläuft sich auf 25.000 Euro – abzüglich der Rabatte und Patientenzuzahlungen. Über seine Entscheidung erlässt das Prüfgremium einen schriftlichen Bescheid, der begründet sein muss. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die zu der Entscheidung geführt haben. Denn nur so ist gewährleistet, dass rechtlich überprüft werden kann, ob alle Grundsätze beispielsweise der Prüfvereinbarung beachtet wurden. Den Bescheid muss der geprüfte Arzt spätestens fünf Monate nach der Entscheidung des Prüfungsausschusses erhalten. Mit dem GKV-Wettbewerbs-Stärkungsgesetz ist geplant, dass zukünftig die Geschäftsstelle des Prüfungs- und Beschwerdeausschusses („Prüfstelle“) statt des Prüfungsausschusses im ersten Verfahrenszug einen Verwaltungsakt erlässt. Gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses müsste innerhalb eines Monats Widerspruch beim Beschwerdeausschuss eingelegt werden. Dann wird der Bescheid nicht bestandskräftig. Der Widerspruch kann formlos eingelegt und die Begründung nachgereicht werden. Formlos heißt jedoch in jedem Fall schriftlich – E-Mails werden nicht akzeptiert. Die Begründung sollte über die im Prüfverfahren vorgebrachten Argumente hinausgehen. Nur dann kann der Widerspruch erfolgreich sein. Bei einem Widerspruch sollte jedoch in jedem Fall bedacht werden, dass auch eine Verschlechterung möglich ist. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn auch eine Krankenkasse Widerspruch eingelegt hat. Sollte der Prüfungsausschuss beispielsweise zugunsten der betroffenen Praxis Besonderheiten in erheblichem Umfang herausgerechnet haben, kann es sein, dass diese Besonderheiten vom Beschwerdeausschuss nicht – oder nicht in vollem Umfang – berücksichtigt werden, so dass der Regress am Ende höher ausfällt. Diese Fälle sind zwar selten, aber nicht auszuschließen.
E. Arzneimittelausgabenvolumen/Zielvereinbarung Die Arzneimitteltherapie wird außerdem dirigiert durch das Arzneimittelausgabenvolumen und hierzu ergangenen Zielvereinbarungen. Aufgrund der Änderung des SGB V durch das AVWG haben die Vertragspartner gem. § 84 Abs. 7 b SGB V Leitsubstanzen und Tagestherapiekosten auf Bundesebene zu vereinbaren. Daran angeknüpft werden Malus- und Bo-
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nus-Regelungen für den Fall der Über- bzw. der Unterschreitung der Werte. I. Leitsubstanzen/Tagestherapiekosten Sieben Arzneimittelgruppen haben KBV und Spitzenverbände für die Malus-Regelung vorgesehen. Angewendet werden soll sie demnach auf Statine, Protonenpumenhemmer, selektive Beta-Blocker, Triptane, Bisphosphonate, Alpha-1-Blocker und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, zusammen erreichen diese Arzneigruppen einen Verordnungsanteil von 9,52 Prozent und einen Umsatzanteil von 12,36 Prozent am Gesamtmarkt. Für jede Substanzgruppe wurde eine Leitsubstanz fixiert.
Arzneigruppe und ihre Leitsubstanzen Substanzgruppe Statine PPI Selektive Beta-Blocker Triptane Bisphosphonate Alpha-1-Rezeptorenblocker SSRI
Leitsubstanz Simvastatine Omeprazol Bisoprolol Sumatriptan Alendrosäure Tamsulosin Citalopram
Für jede Gruppe hat die KBV mit den Spitzenverbänden festgelegt, wie hoch der Anteil der Leitsubstanz an den Verordnungen aus dieser Gruppe sein soll und welche Durchschnittskosten (DDD) erzielt werden sollen. So gelten für die Gruppe der Statine zum Beispiel Durchschnittskosten von 0,397 Euro und einen Verordnungsanteil der Leitsubstanz von 78,8 Prozent als Richtwerte. II. Regionale Regelungen Die Werte sollen jedoch noch regional angepasst werden. Für den einzelnen Arzt wird entscheidend sein, was seine KV bis Mitte November mit den regionalen Kassen vereinbart. Vorgesehen ist, dass KVen, in denen diese Werte bereits jetzt erreicht sind, ihr Niveau halten müssen. KVen mit schlechteren Werten sollen sich schrittweise an die Bundesvorgaben annähern und den Abstand zu den Richtwerten pro Jahr um ein Drittel verringern.
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Zielwerte zur Vermeidung eines Malus Ein Rechenbeispiel mit der Gruppe der Statine Bundesebene 78,8 % (Anteil Simvastatin; dritthöchster Wert = Mindestquote/Zielwert 0,397 € (Kosten je DDD der Gruppe, drittniedrigster Wert = Zielwert Landesebene (Beispiel) 71,3 % (aktueller Wert der KV; Differenz zum Bundeswert 7,5) 0,430 € (aktueller Wert der KV, Differenz zum Bundeswert 0,033) Zielwerte für den Arzt dieser KV 73,8 % (Mindestquote Anteil Simvastatin an der Gruppe der Statine) 0,419 € (Zielwert: Kosten je DDD der Gruppe) Keine Vorgaben machen KBV und Spitzenverbände den regionalen Vertragspartnern im Hinblick auf die dafür nötige Bereinigung der Richtgrößen. III. Bonus/Malus Freie Hand haben die Regionen auch bei der Gestaltung der BonusRegelung. Vor Malus-Prüfungen könnten die Ärzte sich sicher wähnen, solange sie die Durchschnittskosten nicht um mehr als zehn Prozent überschreiten. Über- oder Unterschreiten des Arzneimittelausgabenvolumens bzw. der Zielvorgaben können einen generellen Bonus oder einen individuellen Malus zur Folge haben. Der individuelle Malus wird durch die Prüfgremien festgesetzt. IV. Ablösende regionale Regelungen Von den Bundesvorgaben abweichende Regelungen können auf regionaler Basis getroffen werden. Diese sind vorrangig. Eine solche Regelung ist die Fortführung der nordrheinischen Regelung von 2005 in 2007. Am 21.11.2005 schloss die KV Nordrhein mit den nordrheinischen Krankenkassen gemäß § 84 SGB V eine „Vereinbarung über das Arznei- und Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2006“ (Rheinisches Ärzteblatt 1/2006, 82 ff). Hiernach wurde das Ausgabenvolumen auf 2,68 Mrd. EUR festgelegt. Eine flankierende Zielvereinbarung sieht die Erhöhung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt um 5 Prozentpunkte und die Reduzierung des durch den
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jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Versorgungsanteils der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt um 5 Prozentpunkte vor. Für die Arztgruppe der Allgemeinmediziner bestimmt die Vereinbarung einen Zielwert von 79,0 % bei den Generika und von 8,0 % bei den Me-Too-Präparaten. Eine individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes tritt ein, wenn das vereinbarte Ausgabenvolumen insgesamt überschritten wird, der einzelne Vertragsarzt sein für das Kalenderjahr 2006 maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und der einzelne Vertragsarzt mindestens einen der vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. In diesem Falle erhalten die nordrheinischen Krankenkassen/-verbände gegenüber den einzelnen Vertragsärzten jeweils den Zielerreichungsbeitrag in Höhe von 4 % des für das Kalenderjahr 2006 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars. Der Begriff Analogpräparat (Synonyme: Me-Too-Präparat, Scheininnovation) wird seit 1982 von den beiden Kölner Pharmakologen Fricke und Klaus zur Bewertung von Arzneimitteln verwendet, die einen neuen Wirkstoff enthalten und erstmals auf dem deutschen Arzneimittelmarkt eingeführt wurden. Die Klassifikation geht primär von pharmakologischen Kriterien aus, legt aber das Hauptgewicht auf den angestrebten therapeutischen Effekt von Arzneimitteln. Zur Bewertung des Innovationsgrades von Arzneimitteln wurde seitdem das folgende Klassifikationsschema zugrunde gelegt: A. B. C. D.
Innovative Struktur oder neuartiges Wirkprinzip mit therapeutischer Relevanz Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Eigenschaften bereits bekannter Wirkprinzipien Analogpräparat mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten Eingeschränkter therapeutischer Wert bzw. nicht ausreichend gesichertes Therapieprinzip.
Diese bewertende Klassifikation wird seit 1982 unverändert verwendet und weist damit eine bemerkenswerte Kontinuität über einen Zeitraum von 25 Jahren auf. Bis auf wenige Einzelfälle haben sich die ursprünglichen Bewertungen neuer Arzneimittel als korrekt erwiesen und mussten nicht durch spätere Studienergebnisse überarbeitet werden. Analogpräparate sind chemische Innovationen mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkungen ohne indikationsspezifische therapeutische Vorteile. Derartige neue Substanzen sind patentfähig und ermöglichen dem Erfinder in großen Indikationsgruppen einen profitablen Marktanteil. Pro-
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dukte mit solchen Molekülvariationen werden wegen ihrer Ähnlichkeit zu bereits eingeführten Wirkstoffen in den angelsächsischen Ländern auch als „Me-Too-Präparate“ bezeichnet. In vielen Ländern mit einer produktiven pharmazeutischen Industrie besteht ein großer Teil der jährlich neu eingeführten Wirkstoffe aus solchen Analogsubstanzen. So wurden in den USA von 1989 bis 1993 insgesamt 127 Arzneimittel mit neuen Molekülstrukturen zugelassen, von denen jedoch nur eine kleine Minderheit klare Vorteile gegenüber bestehenden Therapieprinzipien hatte. Die Dominanz der Analogpräparate hat dazu geführt, dass sich eine hoch kompetitive Marktsituation für Arzneimittel entwickelt hat. Pharmazeutische Unternehmen führen deshalb aggressive Werbekampagnen, um ihre Produkte gegenüber denen der Wettbewerber zu profilieren, selbst wenn die Produkte im Grunde genommen nicht zu unterscheiden sind. Das geschieht in vielen therapeutisch bedeutsamen Arzneimittelklassen wie zum Beispiel Magenulkustherapeutika, ACE-Hemmer, Calciumantagonisten, selektiven Serotoninrückaufnahmeinhibitoren und nichtsteroidalen Antiphlogistika. Analogpräparate werden ausschließlich über den therapeutischen Nutzen im Vergleich zu bereits am Markt vorhandenen Arzneimitteln aber nicht über den Preis definiert. Analogpräparate können mit einem identischen Preis, einem geringeren Preis oder einem höheren Preis als das innovative Erstprodukt einer Arzneimittelgruppe auf den Markt gebracht werden. Analogpräparate sind also keineswegs immer teurer als bereits am Markt vorhandene Arzneimittel, sondern können sogar dazu beitragen, Wirtschaftlichkeitsreserven bei den Arzneimittelausgaben zu mobilisieren. Aus diesem Grunde wird in der Zielvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und den nordrheinischen Krankenkassen über das Arznei- und Verbandsmittelausgabevolumen für das Kalenderjahr kein generelles Verbot der Verordnung von Me-Too-Präparaten (Analogpräparaten) ausgesprochen. Die entsprechende Ziffer der Zielvereinbarung lautet: Reduzierung des durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachten arztgruppenbezogenen Verordnungsanteils des Bruttoumsatzes der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt um fünf Prozentpunkte. Dabei bringt die nachgestellte Hervorhebung „aber mit höheren Kosten“ deutlich zum Ausdruck, dass nur die Verordnung von teureren Analogpräparaten reduziert werden soll. Welche Präparate das sind, definiert die so genannte „Me-too“-Liste. Keinesfalls reduziert werden muss die Verordnung anderer Analogpräparate, die genauso viel wie andere am Markt vertretene Arzneimittel kosten oder sogar billiger sind. Mit der Beschränkung der Vereinbarung auf Analogpräparate mit höheren Kosten wird auch unmissverständlich ausgeschlossen, dass die Verordnung von Analogpräparaten mit geringeren Verordnungskosten reduziert werden soll. In Nordrhein
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Horst Bartels
kann nach wie vor das gesamte Spektrum der zugelassenen Arzneimittel verordnet werden. Die Therapiefreiheit bleibt somit gesichert. Selbst die so genannten Me-too-Präparate können rezeptiert werden –allerdings nicht unbegrenzt. Denn die Vereinbarung fixiert für einige Fachgruppen Grenzwerte in diesem Bereich. Im Umkehrschluss heißt das: Nicht alle Me-tooPräparate müssen umgestellt werden. Denn es gibt immer Fälle, in denen eine Umstellung auf eine pharmakologisch-therapeutische Wirkstoffalternative nicht möglich oder sinnvoll ist. Z.B. aufgrund der dann fehlenden Compliance des Patienten. Deshalb liegt die Me-too-Grenze auch nicht bei Null, sondern bei den Allgemeinärzten bei 8 Prozent. Mit anderen Worten: Acht Prozent aller Verordnungen dürfen so genannte Me-too-Präparate sind. Der Wert bezieht sich auf den Bruttogesamtumsatz, das heißt auf alle verordneten Präparate. Dennoch sollte sich bei jeder Verordnung der Präparate der Liste immer wieder die Frage gestellt werden, inwiefern die von den Herstellern behaupteten Vorteile therapeutisch bedeutsam sind. Bei der Betrachtung der Generikaquote können nur die Arzneimittel berücksichtigt werden, die tatsächlich auch umgestellt werden können. Verordnet beispielsweise ein Arzt lediglich patentgeschützte Arzneimittel, so hat er gar keine Möglichkeit, diese umzustellen. Sie spielen deshalb für die Quote keine Rolle. Es wird nur der Teil seiner Verordnungen betrachtet, der tatsächlich patentfrei ist. Vereinfacht dargestellt bedeutet dies für einen Arzt, der beispielsweise nur Nifedipin verordnet und 20 % davon generisch, den Rest als Alt-Originalpräparate, dass seine Generikaquote bei 20 % liegt – egal, ob er gleichzeitig noch Interferone oder TNF-alphaInhibitoren verordnet. Denn diese stehen noch unter Patentschutz und belasten die Quote deshalb nicht. Nicht alle Original-Präparate müssen umgestellt werden. Es gibt immer Fälle, in denen dies nicht möglich oder sinnvoll ist. Die Sparbemühungen konterkarieren würde beispielsweise die Umstellung eines Originals, wenn dieses preisgünstiger ist als die Nachahmerpräparate. Die Arzneimittelvereinbarung gibt dafür ausreichend Raum: Die Generikaquote liegt in keiner Fachgruppe bei 100 Prozent. Allein die Tatsache, dass die Richtgrößen überschritten wurden, stellt die individuellen Ziele „scharf“. Bei der Betrachtung der Richtgrößenüberschreitung spielen Praxisbesonderheiten keine Rolle. Egal, ob die Richtgrößen aufgrund von Praxisbesonderheiten überschritten wurden oder nicht, die Ziele sind für diese Praxis verbindlich. Das heißt aber nicht, dass es prinzipiell keine Praxisbesonderheiten mehr gibt. Im Falle einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach zum Beispiel Richtgrößen spielen sie selbstverständlich eine Rolle. Hier ist das nicht der Fall, da Besonderheiten generisch bzw. substituierend behandelt werden können. Insgesamt haben zwanzig Pharmafirmen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt. Auf viele dieser Anträge hin haben die Sozialgerichte München
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und Düsseldorf für die Firmen entschieden, wobei das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zwei dieser Entscheidungen mittlerweile aufgehoben hat und die Sozialgerichte der vom LSG vorgegebenen Rechtsprechung4 folgen. Es konnte bereits 14 Mal erreicht werden, dass die Metoo-Liste bestätigt wurde, die restlichen Verfahren stehen noch aus. Da die Liste somit bleibt wie sie ist, haben die Verfahren auch keine Auswirkung für die Verordnung der gelisteten Präparate. Die Quote muss weiterhin eingehalten werden, vorausgesetzt, das Richtgrößenvolumen der Praxis wurde überschritten. Die Vereinbarung wird in Nordrhein auch in 2007 fortgeführt allerdings mit den wesentlichen Änderungen, dass das Arzneimittelausgabenbudget auf 2,787 Mrd. Euro steigt und der Arzt mit bis zu 4 % des Gesamthonorars 2007 schon bei Überschreiten seiner Richtgrößen und Nichterreichen eines der Ziele mit einem Zielerreichungsbeitrag belastet wird. Abschließend ist festzustellen, dass die Determinanten für die Arzneimitteltherapie weiterentwickelt werden. Dies gilt insbesondere für die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach den Überlegungen zum GKV-Wettbewerbs-Stärkungsgesetz, die die rechtlichen Rahmenbedingungen der Arzneimitteltherapie künftig in einem anderen Licht erscheinen lassen können.
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Beschluss vom 27.06.2006 – L 11 B 30/06 KA ER.
Arzneimittelregress: Bezahlt der Arzt in Zukunft die Medikamente seiner Patienten? Beispiel „Spezielle Schmerztherapie“
Regina Mansfeld-Nies
„Frontbericht“ aus einer Schmerztherapiepraxis, in der ausschließlich chronisch Schmerzkranke mit tumorbedingten und nicht-tumorbedingten Schmerzen sowie Menschen am Lebensende im Bereich der regionalen Palliativversorgung behandelt werden. Anhand von Fallbeispielen werden die Kosten von leitliniengerechten, qualitätsgestützten medikamentösen Behandlungsregimen in Relation gesetzt zu den vorgeschriebenen Arzneimittel-Richtgrößen. Die Unausweichlichkeit von drohenden Arzneimittelregressen und die daraus resultierenden Gefahren für die Ärzteschaft und die Schmerzpatienten soll in diesem Vortrag verdeutlicht werden. Unter „Spezieller Schmerztherapie“ versteht man die Behandlung von Menschen, die langfristig und/oder ungewöhnlich intensiv an Schmerzen im Sinne einer „Schmerzkrankheit“ leidern und mit allgemeinen Therapieverfahren nicht ausreichend behandelt werden können. Dazu gehören komplexe Therapiekonzepte von tumorbedingten sowie von nichttumorbedingten Schmerzen. Patienten dieser besonders problematischen Gruppe gehören zu den kostenintensivsten in der Medizin. Eine eigenständige Facharztgruppe der „Speziellen Schmerztherapeuten“ gibt es nicht. Aber seit 1996 wurde die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ von der Bundesärztekammer eingeführt. Die Definition der BÄK: „Diese Zusatz-Weiterbildung umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Erkennung und Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten, bei denen der Schmerz seine Leit- und Warnfunktion verloren und einen selbstständigen Krankheitswert erlangt hat.“
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Zur Anerkennung sind diverse Voraussetzungen erforderlich: • Facharztanerkennung mit Patientenbezug • 12 Monate bei einem Weiterbildungsbefugten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 • 80 Stunden interdisziplinäre Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Spezieller Schmerztherapie • Abschlussprüfung am Ende der Weiterbildung bei der zuständigen Ärztekammer Hieraus ergeben sich folgende Problempunkte: • Die überwiegende Anzahl der Ärzte mit dieser Zusatzbezeichnung gehört mangels eigener Fachgruppe zu der Gruppe der Anästhesiologen. Ein geringer Anteil rekrutiert sich aus anderen Facharztgruppen. Die Gruppe der Schmerztherapeuten ist also äußerst heterogen, dementsprechend sind auch die jeweiligen Arzneimittelrichtgrößen unterschiedlich. • Die wenigsten Schmerztherapeuten behandeln ausschließlich Schmerzpatienten. Die Mehrzahl der Kollegen arbeitet überwiegend in ihrer originären Facharztrichtung d.h. z.B. als Anästhesiologen, Orthopäden, Onkologen und betreut einen geringen Anteil dieser kostenintensiven Schmerzpatienten. • Für die Befähigung und Zulassung zur „Speziellen Schmerztherapie“ ist eine über die Facharztausbildung hinausgehende langjährige Ausbildung nötig. • Damit ein Arzt als Vertragsarzt schmerztherapeutisch tätig sein kann und seine Leistungen honoriert werden, muss er zusätzlich bei der zuständigen KV/ÄK einen Antrag auf Teilnahme an der Qualitätssicherungsvereinbarung-Schmerztherapie (QSVSchmth) stellen. Für die Genehmigung sind weitere verpflichtende Voraussetzungen nötig, z.B. Psychosomatische Grundversorgung, monatlich Teilnahme an Schmerzkonferenzen, regelmäßige Weiterbildungszeiten, standardisierte Dokumentationen der Patienten und vieles mehr. Nur die, die an der QSV teilnehmen, erfüllen die Qualitätskriterien, sich „Spezielle Schmerztherapeuten QSVSchmth“ nennen zu dürfen. Welche Patienten werden in „Schmerzpraxen“ behandelt? Es sind schmerzkranke Menschen, die langfristig und/oder ungewöhnlich intensiv an Schmerzen im Sinne einer „Schmerzkrankheit“ leiden und mit allgemeinen Therapieverfahren nicht ausreichend behandelt werden können. Darüber hinaus werden auch Menschen am Lebensende, die Palliativpatienten, in diesen Praxen betreut und begleitet, da das Symptom „Schmerz“ zu den Hauptproblemen für sterbende Menschen gehört.
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All diese Patienten der besonders problematischen Gruppe gehören zu den kostenintensivsten in der Medizin. Schmerzen in Zahlen Bei einer Bevölkerung von 80 Mio. Menschen in Deutschland, schätzt man die Anzahl der Menschen mit chronischen, behandlungsbedürftigen Schmerzen, durch die der Lebensvollzug erheblich eingeschränkt ist, auf mindestens 5 Millionen. Ca. 600.000 Einwohner davon leiden an „problematischen Schmerzzuständen“, die vom normalen Niedergelassenen nicht selten als „therapieresistent“ eingestuft werden. In Deutschland leiden nach Erhebungen jährlich mindestens 350.000 Kinder an Migräne, 300.000 Kinder an funktionellen Bauchschmerzen und 600 Kinder an Tumorschmerzen – erschütternde Zahlen. Alle diese Patienten benötigen eine interdisziplinär organisierte Therapie durch Ärzte oder Pädiater mit speziellen Kenntnissen in Schmerztherapie und Palliativmedizin. Bedarf an schmerztherapeutischen Einrichtungen Nach Aussagen und Berechnungen der „Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes – DGSS“ besteht in Deutschland der dringende Bedarf von 1.000 Schmerztherapeutischen Einrichtungen für die sachgerechte Behandlung der 600.000 Problempatienten. Tatsächlich existieren in ganz Deutschland jedoch nur 220 Schmerztherapeutische Einrichtungen (Tendenz sinkend), die qualitätsgestützt schmerztherapeutisch tätig sind. Davon wiederum behandelt nur ein verschwindend kleiner Anteil an Praxen und Einrichtungen ausschließlich schmerzkranke Patienten. Schmerzen und Zahlen Durch Chronische Schmerzen entstehen jährlich enorme volkswirtschaftliche Kosten. Nach Erhebungen der Fachgesellschaften und der Deutschen Gesundheitssurvey belaufen sich die Kosten durch Behandlung, Medikamenten, Reha (direkte Kosten) und vorzeitige Berentung, Arbeitsunfähigkeiten (indirekte Kosten) chronischer Schmerzpatienten auf ca. 25 Mrd. Euro/Jahr in Deutschland. Allein durch chronische Kopfschmerzen fallen Kosten von 2,5 Mrd. Euro/ Jahr in unserem Land an.
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Nutzen durch eine adäquate schmerztherapeutische Versorgung Sowohl der Individualnutzen als auch der Kollektivnutzen einer adäquaten Schmerztherapie chronisch Schmerzkranker ist nachgewiesen. Der Individualnutzen ergibt sich durch Linderung der Schmerzen, Verbesserung der individuellen Lebensqualität, Unterbrechung der Schmerzchronifizierung und der dadurch resultierenden Vorbeugung jahreslanger Leiden. Der Kollektivnutzen: durch die adäquate Schmerzbehandlung können insbesondere lange Arbeitsausfallzeiten vermieden werden, wiederholte Krankenhausaufenthalte mit kostenintensiver Diagnostik und Therapie werden verringert, das „Doctorshopping“ wird vermieden durch interdisziplinäre Therapieführung. Adäquate Schmerzbehandlung ist nicht nur ein Gebot der ärztlichen Ethik, sondern Patienten haben auch ein Recht auf Schmerzbehandlung, wie von K. Kutzer, einem Richter am Bundesgerichtshof, in einem sehr kreativen Aufsatz in der Zeitschrift Schmerz bereits vor Jahren festgestellt wurde. Therapieregime – WHO Stufenschema – Erweiterter Stufenplan zur Schmerztherapie Die Therapieoptionen zur Behandlung chronischer Schmerzen richten sich nach den Leitlinien der Deutschen Schmerzgesellschaften und den Richtlinien der WHO. Hauptpfeiler dieser Behandlungsverfahren sind medikamentöse Einstellungen. Hier gibt das Stufenschema der WHO zur Behandlung chronischer Schmerzen Anleitung zur Vorgehensweise. Neben den medikamentösen Therapieregimen mit Analgetika, CoAnalgetika und Medikamenten zur Therapie von Nebenwirkungen sind noch vielfältige andere Behandlungsverfahren bei der Therapie chronischer Schmerzen einzusetzen. Zum Beispiel: psycho-soziale Maßnahmen, Physikalische Therapie, Invasive Schmerztherapie, kausale Verfahren wie Operation, Radiatio, Chemotherapie u.a. Der interdisziplinäre Ansatz, vorausschauende Therapieplanung und Durchführung, regelmäßige Symptomkontrolle sind von größter Bedeutung. Unabdingbar sind dabei umfassende Dokumentationsverfahren zur Symptomkontrolle und Qualitätssicherung. Die schmerztherapeutischen Langzeitbehandlungskonzepte gehören zu den kostenintensivsten unserer Medizin. Trotzdem ist der positive Langzeitnutzen wirksamer Therapiekonzepte für den einzelnen Patient und auch für die Kostenentwicklung im Gesundheitssystem durch vielfältige Untersuchungen bestätigt.
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Das Wirtschaftlichkeitsgebot, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu verordnen, wird von den Schmerztherapeuten, die für eine qualitätsgestützte Schmerztherapie einstehen, unterstützt. Arzneimittelrichtgrößen 2006 (KVWL) Vergleichsgruppe Anästhesisten Anästhesisten + ST Internisten Orthopäden AllgemeinMed. Neurologen/Psychat.
Richtgröße M/F (€) 6,51 68,10 1.172,74 5,36 44,68 111,83
Richtgröße R (€) 18,52 226,87 1.355,33 14,78 139,57 130,05
Das für den einzelnen Patienten zur Verfügung stehende „Medikamentenbudget“ richtet sich nicht nach der Zusatzbezeichnung, sondern nach der Facharztgruppe. Anästhesiologen hatten schon immer eines der geringsten Medikamentenbudgets aller Facharztgruppen: 6,51 € für M/F und 18,52 € für R je Quartal für Westfalen-Lippe. Durch intensive Bemühungen der Deutschen Schmerzgesellschaften wurden vor wenigen Jahren die Arzneimittel Richtgrößen von „Anästhesisten mit Schmerztherapie“ angehoben auf derzeit 68,10 € für Mitglieder/Familienangehörige im Quartal und bei 226,87 € für Rentner im Quartal. Dies reicht jedoch immer noch nicht für eine ausreichende, zweckmäßige und dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse angepasste Versorgung von schmerztherapeutischen Problempatienten aus, vor allem bei der ausschließlichen Betreuung von Schmerzpatienten. Im Folgenden wird an drei Patientenkasuistiken, den medikamentösen Therapieplänen und dem errechneten Kostenbedarf die erhebliche Diskrepanz zwischen den benötigten Kosten für adäquate Therapiekonzepte und dem zur Verfügung stehenden „Individual-Budget“ beschrieben:
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Patient 1 – männlich – Jahrgang 1957 • • • •
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Seit Kindheit schwere rigide rechtskonvexe thorako-lumbale Kyphoskoliose. Seit Jugend belastungsabhängige Rückenschmerzen mit Ausstrahlung ins rechte Bein – viele Behandlungen ambulant und stationär: physikalische Therapie, Gipskorsett, KH Aufenthalte. Jahr 2000: mehrere aufwendige und eingreifende WS-Operationen, Distraktionsspondylodese, Doppelstab-Instrumentation Weiter bestehende starke Schmerzen! – Schmerztherapeutische Versorgung mit Antirheumatika – darunter Chronische Gastritis mit Magenschwüren – keine Opioide! Keine Einstellung nach den Richtlinien der WHO. Da die Schmerzlinderung unzureichend war, griff der Patient zu der legitimierten Ersatzdroge Alkohol, zusätzlich Benzodiazepin- und Nikotinabusus, Verlust der Arbeitsstelle, Berentung, Beziehungsproblematik Jahr 2002: Medikamentenintoxikation aus suizidaler Absicht wegen unerträglicher Schmerzen (Abschiedsbrief) mit Hirnschaden nach Reanimation, Langzeitbeatmung, Rehabilitation über Monate, 1-2003 Vorstellung in meiner schmerztherapeutischen Praxis: Sukzessive Umstellung auf WHO Stufe III –Opioide in retardierter Formulierung + Ko-Analgetika, parallel Alkoholentwöhnung, BenzodiazepinEntzug Seit 2003-10/2006 keine Veränderung der Behandlung nötig – regelmäßige schmerztherapeutische Vorstellungen – keine weiteren ambulanten und stationären Behandlungen – Psyche stabil, Partnerbeziehung wieder intakt. Das derzeitige medikamentöse Behandlungsregime verursacht Kosten von 1.649,20 €/Quartal.
Patient 2 – männlich – Jahrgang 1952 •
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9/2002 ED eines Plattenepithelkarzinoms der linken Kieferhöhle, Tumoroperation mit: Linksseitige Resektion von Jochbogen, Oberkiefer, Kieferhöhle, Orbitaboden, Neck Dissection, linkspostoperative Strahlenbehandlung der Primärtumorregion 2003 Re-Operation eines Lokalrezidives in der linken Kieferhöhle, kombinierte Strahlen-Chemotherapie 2004 Tumorrezidiv unterhalb Orbita – Enukleation des linken Auges und Revision der Region mit sekundärer Wundheilung im Bereich der Orbita
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Schmerztherapeutische Mitbetreuung 2/2004 mit medikamentösem Stufenschema nach den Richtlinien der WHO Stufe III mit Opioiden, Ko-Analgetika und Begleittherapie. Weitere onkologische Behandlung in der Universitätsklinik zu Köln, bis die Behandlung beendet wurde. Der Patient verstarb gemäß seinem Willen im häuslichen Umfeld mit Unterstützung eines Pflegeteams und Palliativärztin im April 2004. Das medikamentöse Behandlungsregime verursachte Kosten von 847,01 €/Quartal.
Patientin 3 – weiblich – Jahrgang 1947 • •
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1999 ED multifokales, inflammatorisches Karzinom der linken Brust, Mastektomie und Axillaclearance links Strahlentherapie und Chemotherapie Zyklen 2001 solitäre rechts temporale Hirnmetastase – Schädelbestrahlung, Metastasierung im Bereich der rechten Brust, Lymphangiosis carzinomatosa – Progredienz des Tumorleidens – Abbruch aller onkologischen kurativen Behandlungen. 2002 interdisziplinäre palliativmedizinische Versorgung zu Hause 2002 Cardiopulmonale Reanimation bei V.a. zerebralem Krampfanfall mit nachfolgender Langzeit-Beatmung – Rehabilitation – erneute Versorgung im häuslichen Bereich 2003 palliative Chemotherapie, rezidivierende Pleuraergüsse, zunehmende Verschlechterung Schmerztherapeutische Mitbetreuung nach den Richtlinien der WHO zur Behandlung von Tumorschmerzen mit Opioiden, Ko-Analgetika und Begleittherapie. Frau D. konnte bis zu ihrem Tod im Juni 2003 zu Hause versorgt werden und die orale Medikation weiter nehmen. Das medikamentöse Behandlungsregime verursachte Kosten von 3.669,81 €/Quartal.
Aus dem Vergleich zwischen den vorgeschriebenen Arzneimittel Richtgrößen (68,10 €/Quartal für M/F und 226,87 € für R/Quartal) und dem tatsächlichen Kostenbedarf (Pat. 1: 1.649,20 €/Quartal, Pat. 2: 847,01 €/ Quartal, Pat. 3: 3.669,81 €/Quartal) für die notwendige medikamentöse Behandlung wird evident, dass jeder einzelne qualifizierte Schmerztherapeut, der seine Patienten verantwortungsbewusst nach den Leitlinien der WHO zur medikamentösen Behandlung chronischer Schmerzen behandelt, unweigerlich in Wirtschaftlichkeitsprüfungen seiner Arzneimittelverord-
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nung kommt. Dies ist ein unhaltbarer Zustand und demotiviert die wenigen noch vorhandenen Therapeuten. Die Schmerztherapeuten stehen im ethisch/moralisch/medizinischen Konflikt zwischen der notwendigen, dem Schmerzpatient zustehenden Behandlung und der Frage der eigenen Existenzbewahrung. Ein Regress, der unter Umständen zur Insolvenz führen kann, droht oder wird ausgesprochen. Zwangsläufig folgt über kurz oder lang eine Demotivation aller Engagierten! Die verheerenden Folgen dieser seit Jahren geübten Praxis zeichnen sich mehr und mehr in der Realität der spezialisierten Schmerztherapie Deutschlands ab: • Es kommt zur Fehlversorgung von chronischen Schmerzkranken und Sterbenden o durch Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Arzneimittelverordnung, die regelmäßig jedes Quartal – übrigens mit einem Zeitverzug von mehreren Jahren – verhängt, die nötige Zahl und Energie zur Erfüllung der Kernkompetenz des Schmerztherapeuten nehmen – der Behandlung der schmerzkranken Menschen o durch das Nicht-Weiterführen suffiziente Therapieregime o durch Nicht-Verordnung notwendige Medikamente o durch die Zunahme der Suizidrate unter den Schmerzpatienten • Weiterhin kommt es zu Unterversorgung von chronischen Schmerzkranken und Sterbenden durch: o rapide Abnahme der Anzahl an „Schmerztherapeuten“, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Diese Folge ergibt sich nicht nur aufgrund der jedes Quartal drohenden Arzneimittelregresse, sondern auch wegen der erheblichen Honorarkürzungen im Rahmen der neuen Gesundheitsreform. o signifikanter Mangel an „Schmerztherapeutischen Nachwuchs“ – ein gravierendes Problem auch im Hinblick auf die demographische Entwicklung in der Zukunft Fazit: Die Frage, ob der Arzt in Zukunft die Medikamente seiner Patienten bezahlt, stellt sich für die Schmerzpatienten möglicherweise nicht mehr. Wenn kein Umdenken geschieht, wird es in Zukunft keine Schmerztherapeuten mehr geben.
Arzneimittelregress in der anwaltlichen Beratung
Lorenz Hast
A. Das Regressrisiko des Vertragsarztes ist ein Thema, das nicht nur in den einschlägigen ärztlichen Standespostillen regelmäßig hoch emotional behandelt wird. Dieser emotionalen Aufgeladenheit sieht sich nicht selten auch der Anwalt ausgesetzt, der die Vertretung eines regressbedrohten Vertragsarztes übernommen hat. Im Rahmen der anwaltlichen Erstberatung nimmt die grundsätzliche Systemkritik erfahrungsgemäß breiten Raum ein. Auch wenn es vorrangige Aufgabe des Anwalts ist, zu entemotionalisieren und die wenigen Erfolg versprechenden Argumentationsstränge herauszuarbeiten, kann man die allseits vorgetragene Systemkritik durchaus nachvollziehen, wenn man bedenkt, dass selbst der indikationsgemäß verordnende Vertragsarzt Gefahr laufen kann, für die von ihm durch die Verordnung verursachten Kosten letztendlich selbst einstehen zu müssen. Die ärztlichen Mandanten sprechen in diesem Zusammenhang in Teilbereichen der medizinischen Versorgung bereits von einer strukturellen Fehl- oder Unterversorgung als Folge des persönlichen Regressrisikos. Ob dies tatsächlich der Fall ist, sollte Gegenstand der Versorgungsforschung sein. Die Systemkritik findet jedenfalls bei Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen ebenso wenig Gehör, wie beim Sozialgericht. Das Hauptaugenmerk der anwaltlichen Argumentation sollte deshalb hierauf gerade nicht gelegt werden. Da die anwaltliche Tätigkeit in der Regel im Zusammenhang mit einem Individualregress steht, soll im Folgenden das kollektive Haftungssystem des SGB V nicht in den Blick genommen werden. Die Kürze der Zeit erlaubt auch im Übrigen, nur wenige Gesichtspunkte eher stichwortartig anzusprechen.
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B. Arzneimittelregress ist die Verpflichtung des Vertragsarztes, den durch unwirtschaftliche Verordnung entstandenen Mehraufwand zu erstatten oder den durch eine nicht gesetzes-/richtlinienkonforme Verordnung entstandenen Schaden auszugleichen1. Der Vertragsarzt muss also, anders als bei einem Honorarregress, Beträge erstatten, die nicht an ihn selbst, sondern an den abgebenden Apotheker geflossen sind. Das ist es, was den Vertragsarzt besonders schmerzt. Der durch die Prüfgremien festgesetzte Regress wird in der Regel durch die Kassenärztliche Vereinigung im Wege der Anfechtung mit bestehenden Honoraransprüchen des Vertragesarztes realisiert und von dort auch an die durch die Verordnung belastete Krankenkassen ausgekehrt.
C. I. Unwirtschaftlich verordnet ein Vertragarzt, wenn dessen statistische Fallkosten (Prüfung nach Durchschnittswerten) über den Durchschnittswerten seiner Fachgruppe liegen und diese Überschreitung nicht durch Praxisbesonderheiten oder kompensatorische Einsparungen zu rechtfertigen ist. Wird der Durchschnittswert der Fachgruppe um mehr als 40 v.H. bis 50 v.H. überschritten, spricht man vom sog. „offensichtlichen Missverhältnis“2. Dieses impliziert nach gefestigter Rechtsprechung des BSG die Vermutung einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise, mit der Folge, dass es dem Vertragsarzt obliegt, die Wirtschaftlichkeit seines Handelns zu beweisen. Die Prüfung nach Durchschnittswerten wird teilweise noch – gestützt auf die Rechtsprechung des BSG3 – als „Regelprüfmethode“ bezeichnet, obgleich sich gerade diese Prüfmethode im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) erheblicher Kritik ausgesetzt sah.
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Zur Wirtschaftlichkeitsprüfung insgesamt vgl. statt aller: Peikert in: Handbuch des Vertragsarztrechts, § 20, Verlag C.H. Beck; für den Praktiker auch: Schütz/Christophers/Dietrich: Arznei- und Heilmittel wirtschaftlich verordnen, Deutscher Ärzte-Verlag. BSGE 62, 24. BSGE 62, 18 (19).
Arzneimittelregress in der anwaltlichen Beratung
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II. Der Vertragsarzt verordnet auch dann unwirtschaftlich, wenn dessen Arzneimittelverordnungsvolumen in einem Kalenderjahr das gemäß § 84 SGV V vereinbarte Richtgrößenvolumen überschreitet. Das Richtgrößenvolumen ist das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Arznei- und Verbandmittel. Die Richtgröße definiert jenen Betrag, der dem einzelnen Vertragsarzt pro Patient „zur Verfügung steht“. Dabei besteht allerdings die Möglichkeit, etwaige „Mehrausgaben“ bei einem Patienten durch „Einsparungen“ bei einem anderen Patienten zu kompensieren. Das Richtgrößenvolumen wird insgesamt für das Kalenderjahr definiert. Wird dieser für den jeweiligen Vertragsarzt definierte Betrag um mehr als 25 v. H. überschritten, hat der Vertragsarzt den Mehraufwand, soweit nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt, zu erstatten. Die Richtgrößen differieren in den jeweiligen KV-Bezirken erheblich, ohne dass eine abweichende Morbidität des Patientengutes erkennbar wäre. Da der Richtgrößenermittlung reale Verordnungszahlen bestimmter Referenzzeiträume zugrunde liegen, wird im Grunde ein unwirtschaftliches Verordnungsverhalten der Vergangenheit stetig fortgeschrieben. Trotz entsprechender Vorgaben sind z.B. im Bezirk des KVWL für 2003 und 2004 keine Richtgrößen vereinbart worden. In diesen Zeiträumen findet ausschließlich eine Prüfung nach Durchschnittswerten statt. III. Regressbedroht ist schließlich auch, wer im Einzel- oder Regefall unter Verstoß gegen die für den Vertragsarzt verbindlichen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften, die die Arzneimittelversorgung in der GKV regeln, verordnet hat. Von besonderer Bedeutung für die Praxis ist in diesem Zusammenhang die Verordnung von Arzneimitteln ohne arzneimittelrechtliche Zulassung oder außerhalb der erteilten Zulassung („Off-LabelUse“). Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG gilt im Sozialrecht grundsätzlich die Vorgreiflichkeit der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Hergeleitet wird dieser Vorrang aus den § 2 Abs. 1 S. 3, § 12 Abs. 1 SGB V, die den Anspruch des Versicherten auf jene Pharmakotherapien beschränkt, deren Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Diese Anforderungen werden nicht erfüllt, wenn es an der arzneimittelrechtlichen Zulassung fehlt oder jedenfalls für ein bestimmtes Anwendungsgebiet nicht vorliegt. Mit seiner Sandoglobulin-Entscheidung hat das BSG4 eine Abweichung vom Grundsatz der Vorgreiflichkeit beim „Off-Label-Use“ in sehr engen Grenzen zulassen. Danach kommt der „Off-Label-Use“ zu Lasten der GKV nur in Be4
BSG, Urteil vom 19.03.2002 – B 1 KR 37/00 R -.
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tracht, wenn es (1) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn (2) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn (3) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg zu erzielen ist. Gerade das letzte Kriterium stellt eine nahezu unüberwindbare Hürde dar. Das BSG verlangt für den Wirksamkeitsnachweis die Vorlage von Phase III – Prüfungen oder vergleichbare wissenschaftliche Veröffentlichungen. Inzwischen hat das BSG5 die vom BVerfG6 aufgestellten Kriterien für eine verfassungsrechtliche Konkretisierung der Leistungsansprüche von Versicherten der GKV bei lebensbedrohenden, tödlich verlaufenden Erkrankungen auch für die Versorgung mit Arzneimitteln anerkannt, die keine deutsche oder EU-weite Zulassung haben. Bisher konnten solche Arzneimittel zu Lasten der GKV nicht verordnet werden7. Nunmehr haben gesetzlich Versicherte zumindest in notstandsähnlichen Situationen Anspruch auf Versorgung mit in Deutschland und EU-weit nicht zugelassenen ImportFertigarzneimitteln. Die Voraussetzungen im Einzelnen: (1) Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit, (2) Fehlen einer dem allgemein anerkannten, medizinischem Standard entsprechende Behandlung, (3) Bestehen einer zumindest auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung, (4) kein Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Vorschriften, (5) Überwiegen des voraussichtlichen Nutzen, (6) Behandlung entspricht im Übrigen den Regeln der ärztlichen Kunst und ist ausreichend dokumentier. Diese zum Leistungsrecht ergangenen Urteile sind auch für den Vertragsarzt relevant. Leistungsrecht und Leistungserbringerrecht sind nach gefestigter Rechtsprechung des BSG insoweit deckungsgleich, als der Versicherte nicht verlangen kann, was der Vertragsarzt nicht verordnen darf8. Neben diesen von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen finden sich in den Arzneimittel-Richtlinien allgemeine und besondere Verordnungsgrundsätze, Verordnungsausschlüsse und Therapiehinweise, die vom Vertragsarzt zu beachten sind. Der Verstoß führt nicht selten zum Regress.
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BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R -. BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 -BSG, Urteil vom 18.05.2004 – B 1 KR 21/02 R, modifizierend: BSG, Urteil vom 19.10.2004 – B 1 KR 27/02 R. BSGE 78, 70; BSGE 81, 54.
Arzneimittelregress in der anwaltlichen Beratung
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D. Regelfall der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe ist, dass gegen den Vertragsarzt bereits durch den Beschwerdeausschuss ein Arzneimittelregress festgesetzt wurde, und dieser Bescheid nunmehr vor den Sozialgerichten angefochten werden soll. In diesem Stadium sind die ohnehin sehr limitierten Argumentationsmöglichkeiten im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zusätzlich dadurch beschränkt, dass jedenfalls die Instanzgerichte neuem Vorbringen den Einwand der „Präklusion“9 entgegenhalten. Was also vor den Prüfungseinrichtungen nicht vorgebracht wurde, findet vor den Sozialgerichten i.d.R. kein Gehör, wobei das Schwert der „Präklusion“ nach Sozialgericht und Kammer höchst unterschiedlich zum Einsatz kommt. Glücklicher ist da schon der Anwalt, der bereits im laufenden Prüfverfahren mandatiert wird. Er besitzt zumindest die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Mandanten neben den üblichen formalen Aspekten auch die inhaltliche Auseinandersetzung über Praxisbesonderheiten und kompensatorische Einsparungen zu suchen. Dabei bleibt es Anwalt und Vertragsarzt – je nach Prüfmethode, in der Regel nicht erspart, Patientengut, Verordnungsverhalten und etwaige Einsparvolumen i.d.R. weit zurückliegender Quartale möglichst präzise zu analysieren und zu quantifizieren.
E. Dient die Mandatierung des Anwalts in der Regel der Regressabwehr, stellen sich in diesem Zusammenhang regelmäßig auch Fragen des zukünftigen Verordnungsverhaltens mit dem Ziel der Regressverhinderung. Will man hier seriös beraten, wird man zunächst die Verordnungsdaten des Vertragsarztes auswerten müssen. Neben den Informationen, die sich aus der Auswertung der Praxissoftware gewinnen lassen, sind auch die arztbezogenen Frühinformationen, die jeder Vertragsarzt in regelmäßigen Abständen von der KV erhält, von Bedeutung. Die Auswertung dieser Informationssysteme kann Hinweise auf etwaige Einsparpotentiale ergeben, und zwar für die besonders relevanten Bereiche der Generika, Analogpräparate, Reimporte und kontrovers diskutierter Arzneimittel. Diese Berichte 9
Präklusion ist in diesem Zusammenhang untechnisch zu verstehen. Gemeint ist, dass die Prüfgremien bei Ausübung ihrer Ermessensentscheidung nur solche Tatsachen berücksichtigen können, die ihnen auch im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung bekannt waren. Erst im sozialgerichtlichen Verfahren eingeführter Tatsachenvortrag wird bei der gerichtlichen Überprüfung auf Ermessensfehler nicht mehr berücksichtigt.
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sind regelmäßig die primären Messbarometer für die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise eines Vertragsarztes. In den meisten KV-Bezirken sind hierzu Zielvereinbarungen zur Einhaltung der vereinbarten Arzneivolumen getroffen worden. Wenn sich der beratende Anwalt hier – mit guten Gründen – überfordert sieht, wird er seinem Mandanten eine Arzneimittelberatung durch die KV empfehlen können. In diesem Rahmen werden auch detaillierte Verordnungsanalysen der Praxis angeboten.
F. Eine Frage, die im Rahmen der Beratung zur Regressabwehr/-verhinderung von ärztlicher Seite immer wieder gestellt wird, ist jene der zivilrechtlichen Haftung. Der Vertragsarzt sieht sich zivilrechtlichen Haftungsrisiken ausgesetzt, wenn er den restriktiven Verordnungsvorgaben der Kassenversorgung folgt. Dies kann sich aus der Sicht des Arztes daraus ergeben, dass I.
II.
er allein zur Regressvermeidung gegen eigene ärztliche Überzeugung Präparatwechsel vornimmt, ohne etwaige sich aus der Umstellung ergebene Probleme, z.B. der Wirkungsweise oder der Compliance übersehen zu können, er allein weil er sich in seiner Stellung als Vertragsarzt an die Arzneimittel-Richtlinien gebunden sieht, Arzneimittelverordnungen gegen eigene Überzeugung verweigert, einschränkt oder Innovationen vorenthält.
In den Verfahren vor den Prüfinstanzen und den Sozialgerichten findet der Gesichtspunkt des Risikos einer etwaigen zivilrechtlichen Inanspruchnahme des Arztes regelmäßig keine Rolle. Dass hier die Sozialgerichtsbarkeit wenig Problembewusstsein entwickelt, belegt die zum Krankenhausrecht ergangene Entscheidung des BSG vom 04.04.200610. Dort wird ausgeführt: Nach den Grundsätzen der zivilrechtlichen Haftung muss regelmäßig nur die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ (…) eingehalten werden. Worin diese Sorgfalt besteht, richtet sich nach dem „Prinzip der Gruppenfahrlässigkeit“; es kommt insoweit auf die im Kreis der Allgemein- und Fachärzte vorausgesetzten Fähigkeiten und dort zu erwartenden Kenntnisse bzw. die Einhaltung der dort „objektiven medizinischen Standards“ an (…). Sofern Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt werden, ist 10
BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 32/04 R -.
Arzneimittelregress in der anwaltlichen Beratung
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der Rahmen des erlaubten Tätigwerdens von Ärzten in diesem System durch das hier geltende Leistungs- und Leistungserbringerrecht begrenzt. Nach dem SGV V hat jeder Versicherte aber (nur) Anspruch auf ärztliche Diagnostik und Therapie in dem hier besonders abgesteckten Rahmen. So dürfen auch Leistungserbringer nach § 12 Abs. 1 S. 2 SGB V Leistungen, die nicht im Sinne des SGB V notwendig oder „unwirtschaftlich“ sind, „nicht bewirken“. Einem Leistungserbringer fehlt aber – wie bereits dargestellt – die Befugnis den Versicherten zu Lasten einer Krankenkasse zu Leistungen zu verhelfen, die den Vorgaben des Krankenversicherungsrechts widersprechen. Demgemäß geht das Schrifttum überwiegend von einer Kongruenz von Haftungsrecht und Krankenversicherungsrecht aus (…). Dies hat zur Folge, dass ein Arzt nicht etwa deshalb belangt werden dürfte, weil er es zu unterlassen hat, dem sozialversicherten Patienten eine von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht geschuldete Behandlung zuteil werden zu lassen.
Diese vorsichtige Einschätzung scheint im Widerspruch zur AciclovirEntscheidung des OLG Köln vom 30.05.199011 zu stehen. Das OLG sah dort unter anderem einen groben Behandlungsfehler darin, dass es der Arzt unterlassen hatte, ein Medikament zum Einsatz zu bringen, das zwar arzneimittelrechtlich für die in Frage stehende Indikation nicht zugelassen war, dessen Anwendung allerdings in Fachkreisen eine gewisse Verbreitung gefunden hatte. Demgegenüber hat das LG Nürnberg-Fürth in seiner Entscheidung vom 27.10.200512 den Einsatz niedermolekularen Heparins außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung jedenfalls deshalb nicht als behandlungsfehlerhaft angesehen, weil im konkreten Fall eventuell auch Blutungskomplikationen hätten auftreten können. Gemein ist beiden Entscheidungen, dass sie zwar die arzneimittelrechtliche Zulassung in den Blick nehmen, nicht hingegen die sich daraus für den Arzt ergebenden krankenversicherungsrechtlichen Beschränkungen. Die Frage der Kongruenz von Haftungsrecht und Krankenversicherungsrecht ist deshalb jedenfalls durch die Zivilgerichte noch nicht abschließend geklärt. Aus anwaltlicher Vorsicht ist dem Rat suchenden Arzt deshalb zu empfehlen, einerseits den krankenversicherungsrechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen, andererseits über etwaige Risiken eines Präparatwechsels oder die Möglichkeit der Behandlung außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung möglichst umfassend aufzuklären. Immerhin: Auch der gesetzlich versicherte Patient hat gem. § 18 Abs. 8 Nr. 2, 3 BMV-Ä/§ 21 Abs. 8 Nr. 2, 3 EKV-Ä die Möglichkeit, Leistungen außerhalb des GKV-Systems gegen entsprechende Vergütung in Anspruch zu nehmen. 11 12
OLG Köln, VersR 1991, 186 ff. mit Anm. von Deutsch. LG Nürnberg-Fürth, ZMGR 05/06, S. 142 ff.
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Lorenz Hast
Ob der anwaltliche Rat in der ärztlichen Praxis Gehör findet, darf im Hinblick auf die stetig steigenden Fallzahlen in der ambulanten Versorgung allerdings bezweifelt werden.
Die Arzneimittelhaftung nach § 84 AMG n.F. anhand des Beispiels VIOXX®
Jörg Heynemann
A. Vioxx® - Markteinführung und freiwillige Marktrücknahme Vioxx® und Vioxx Dolor® (Rofecoxib) wurden 1999 auch in Deutschland zugelassen. Hierbei handelte es sich um ein Arzneimittel, welches laut Angaben in den Gebrauchsinformationen in folgenden Fällen Anwendung finden sollte: „Behandlung von Symptomen bei Reizzuständen degenerativer Gelenkserkrankungen (Arthrosen) oder rheumatoider Arthritis (chronischer Polyarthritis) bei Erwachsenen“. Pharmazeutischer Unternehmer in Deutschland ist die MSD Sharp & Dohme GmbH in Haar. Dieses Unternehmen ist gesellschaftsrechtlich mit dem Pharmakonzern Merck & Co. in den USA verbunden. Das Rheuma-Mittel Vioxx® wurde vom Pharmazeutischen Unternehmer über entsprechende Werbekampagnen auf allen Ebenen bis hin zu der ärztlichen Information durch die Pharmareferenten des Unternehmens als eine Art „Super-Aspirin“ lanciert. Das Unternehmen hatte sich erhofft, durch die isolierte Hemmung eines Enzyms (Cox-2) die Beschwerden insbesondere rheumatischer Erkrankungen lindern zu können, ohne dass es hierbei zu gravierenden Nebenwirkungen kommt. Vereinfacht gesprochen glaubte man, dass an Cox-2 u.a. das Schmerzempfinden gekoppelt sei, das bei entzündlichen Gelenkerkrankungen auftritt. Durch die Hemmung dieses Enzyms sollten die Schmerzen und Entzündungen gelindert werden, ohne dass es zu größeren Nebenwirkungen kommen sollte. Selbst in der pharmakologischen Fachliteratur wurden entsprechende Erwartungen vermittelt, bereits bevor das Arzneimittel zugelassen wurde. In dem Standardwerk Mutschler/SchäferKorting, Arzneimittelwirkungen, Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie, 7. Aufl., 1997, Seite 199 hieß es bereits:
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Jörg Heynemann
„Eine neue Entwicklung zeichnet sich nun allerdings dadurch ab, dass von der Cyclooxygenase zwei Isoformen, die Cyclooxygenase 1 (Cox1) und die Cyclooxygenase 2 (Cox-2), nachgewiesen werden konnten. Cox-1 ist das konstitutive Enzym, das dafür sorgt, dass Stoffe der Arachidonsäurekaskade für physiologische Vorgänge synthetisiert werden. Die Bildung von Cox-2 wird dagegen erst unter pathophysiologischen Bedingungen induziert, sie ist daher für die Produktion von Entzündungsmediatoren verantwortlich. Es ist daher zu erwarten, dass Pharmaka, die selektiv die Cox-2 hemmen, ohne die Cox-1 zu beeinflussen, wesentlich weniger Nebenwirkungen hervorrufen als nicht selektive Verbindungen.“ Entsprechend waren die Hoffnungen der Patienten, als das Mittel auf den Markt kam. Die bis dahin auf dem Markt befindlichen Arzneimittel gegen rheumatische Beschwerden zeichneten sich dadurch aus, dass sie mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden waren. Hier schien es nun so, dass ein Arzneimittel gefunden worden sei, welches hochwirksam bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt werden kann und gleichzeitig keine erheblichen Nebenwirkungen zeigt. Dieser Eindruck wurde von Merck & Co. bzw. seinen Tochtergesellschaften vermittelt. Entsprechend hoch waren auch die Erwartungen an die Gewinne, die Merck mit der Vermarktung von Vioxx® verband. Laut Angaben der MDS Sharp & Dohme GmbH betrug der weltweite Umsatz mit Vioxx® im Jahr 2003 2,5 Milliarden US-Dollar. Am 30.09.2004 wurde das Präparat „freiwillig“ vom Markt genommen. Die Entscheidung des Konzerns basierte auf einer 3-Jahres-Studie, aus einer so genannten prospektiven, randomisierten, Placebo kontrollierten klinischen Studie, der so genannten APPROV-e Studie (Adenomatous Polyp Prevention on Vioxx®-Studie). „Bei dieser Studie wurde ein erhöhtes relatives Risiko bestätigter kardiovaskulärer Ereignisse, z.B. von Herzinfarkten und Schlaganfällen, beginnend nach dem 18. Monat der Behandlung bei Patienten, die Vioxx® eingenommen haben, im Vergleich zu denjenigen, welche mit Placebo behandelt wurden, beobachtet“, so die Mitteilung der MSD Sharp & Dohme GmbH von Oktober 2004 an die verschreibenden Ärzte. Ob sich dieses erhöhte kardiovaskuläre Risiko bei der Einnahme des Arzneimittels Vioxx® tatsächlich erst zu diesem Zeitpunkt gezeigt hatte und ob das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, tatsächlich erst nach der 18-monatigen Einnahme stieg, war umstritten und Gegenstand zahlreicher Klagen in den USA. Inzwischen ist die „18Monats-Theorie“ aufgrund zahlreicher neuer Meta-Analysen und neuerer Studien obsolet.
Die Arzneimittelhaftung nach § 84 AMG n.F.
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Die „New York Times“ hat in der Ausgabe vom 31.05.2006 berichtet, „Merck Admits a Data Error on Vioxx“. Nach diesem Bericht stellt Merck & Co. inzwischen selbst fest, dass sich die schädigende Wirkung nicht erst nach 18-monatiger Einnahme zeigte, sondern dass kardiovaskuläre Ereignisse auch bereits bei einer kurzzeitigen Einnahme von Vioxx® zu verzeichnen waren. Es waren jedoch zuvor zahlreiche Studien und wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht worden, die erheblichen Zweifel daran hegten, dass sich die genannten Nebenwirkungen erst nach 18-monatiger Einnahme zeigen sollten. „There never was any evidence fort he 18 months story“ wird Dr. Alastair J.J. Wood, von der Vanderbilt University zitiert. Prof. Dr. Peter Sawicki vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) weist darauf hin, dass die Ergebnisse der APPROV-e-Studie ohnehin nicht aussagekräftig sind, da kardiovaskuläre Risikopatienten von dieser Studie ausgeschlossen waren. Er stellt zurecht die Frage, warum diese Probandengruppe von der Studie ausgeschlossen wurde, wenn Merck & Co. die unerwünschten Wirkungen im Hinblick auf kardiovaskuläre Ereignisse angeblich nicht kannte. Wie viele Menschen weltweit durch das Arzneimittel Vioxx® geschädigt wurden, ist nicht klar. Allein in den USA wird vermutet, dass 20 Millionen US-Amerikaner Vioxx® einnahmen. Derzeit sind dort rund 22.000 Klagen anhängig. In Deutschland wurde die Zahl der Geschädigten zunächst auf 2.500 geschätzt. Inzwischen ist diese Zahl korrigiert worden. In Deutschland sind schätzungsweise mehr als 7.000 Patienten durch Vioxx® erkrankt oder verstorben. Das ist das Ergebnis einer Arbeit des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln. Die Autoren hatten auf Basis der so genannten VIGOR-Studie sowie deutscher Verordnungsdaten die Zahl möglicher Geschädigter geschätzt. Ein Sprecher von Merck & Co. in Deutschland hatte diese Zahlen allerdings bezweifelt. Das Institut hatte jedoch eine vorsichtige Schätzung vorgenommen und geht davon aus, dass die tatsächliche Zahl der VioxxGeschädigten in Deutschland höher liegen dürfte. Letztlich dürfte feststehen, dass es sich hier um einen Massenschaden handelt. Ob insoweit von einem Vioxx-Skandal gesprochen werden kann, wird sich zeigen. Dies wäre sicher dann der Fall, wenn Merck & Co. die Risiken kannte, bevor das Medikament auf den Markt gebracht wurde. U.a. ist diese Frage Gegenstand zahlreicher Klagen in den USA. Sollten tatsächlich allein in Deutschland mehr als 7.000 Patienten geschädigt worden sein, dürfte es sich hier um ein Ereignis handeln, das seines Gleichen sucht. Nach dem novellierten deutschen Arzneimittelrecht können die Geschädigten aber unabhängig von der Verschuldensfrage auf Entschädigungen hoffen, da die Arzneimittelhaftung mit den neugefassten § 84 AMG die Gefährdungshaftung modifiziert hat und für den Arzneimittelanwender
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Jörg Heynemann
Beweiserleichterungen geschaffen hat. Die Intention des Gesetzgebers war es, im Sinne des Verbraucherschutzes für potentiell Arzneimittelgeschädigte Beweiserleichterungen zu schaffen, so dass nicht mehr von den Geschädigten der volle Kausalitätsbeweis zu erbringen ist.
I. Die Arzneimittelhaftung nach § 84 AMG n.F. anhand des Beispiels von VIOXX® Die Novellierung dieser Haftungsgrundlage im Rahmen des zweiten Schadensersatzrechtsänderungsgesetzes wirft zahlreiche rechtlich sehr interessante Fragen auf. Dieser Reformprozess wurde durch drei Legislaturperioden „geschleppt“ und steht in Zusammenhang mit der Novellierung weiterer Verbraucherschutzgesetze und der Umsetzung von EU-Richtlinien. Mit VIOXX® stellt sich nunmehr die erste Herausforderung dieses doch sehr umständlich verfassten Gesetzes. Rechtsdogmatisch hatte der Gesetzgeber das Problem zu bewältigen, dass es bei der Fehlerhaftigkeit von Arzneimitteln um epidemologische Zusammenhänge geht, die Gerichte aber im Einzelfall entscheiden müssen. Der Gesetzgeber hatte damit das Problem zu überwinden, dass es hier einerseits im Hinblick auf den Ursachenzusammenhang zwischen Arzneimittelanwendungen und Schädigungen um naturwissenschaftliche Wahrscheinlichkeiten geht, die zumeist aus empirischen beziehungsweise statistischen Zusammenhängen (Studien) gewonnen werden und zum anderen eine rechtliche Kausalitätsbewertung vorzunehmen, die jeweils in einer Einzelfallaussage münden muss. Prof. Dr. Dieter Hart, der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mehrere Stellungnahmen für den Rechts- und Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages zum Gesetzentwurf der Bundesregierung verfasst hat, führt insoweit in einer Stellungnahme vom Februar 2002 aus: „Die Schwierigkeit des Kausalitätsnachweises besteht insbesondere in dem unterschiedlichen Status der Aussagen der Fachwissenschaft (Medizin, Epidemiologie) und den rechtlichen Anforderungen: die Fachwissenschaften liefern Wahrscheinlichkeitsaussagen, die rechtliche Kausalitätsbewertung verlangt Einzelfallaussagen; von einer statistischen Wahrscheinlichkeitsaussage über das Auftreten von „Schäden“ führt schon logisch kein „Vollbeweis“ zur Kausalität im Einzelfall. Die „individuelle Reexposition“ des Geschädigten mit dem Arzneimittel ist ethisch und rechtlich unzulässig. Dieser Sachverhalt wird offenbar weder in der Rechtswissenschaft noch in der Rechtspraxis in seiner grund-
Die Arzneimittelhaftung nach § 84 AMG n.F.
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sätzlichen Bedeutung ausreichend wahrgenommen. Die Anknüpfung am Einzelfall kann keine Lösung dieses Strukturproblems anbieten. Die Anknüpfung muss sich deshalb auf die rechtliche Rezeption der (aus rechtlicher Sicht immer beschränkten) fachwissenschaftlichen Aussagen beziehen. Das bedeutet eine Anknüpfung an den Grad der Wahrscheinlichkeit der schädlichen Wirkung. Rechtlich führt das zum einen zu einer Beweismaßsenkung, einer widerlegbaren Vermutung oder einer Beweislastumkehr. (…) Aber auch die Beweismaßsenkung oder eine so umrissene Vermutung könnte die Zielsetzungen eines verbesserten Verbraucherschutzes in der arzneimittelgesetzlichen Haftung wirksam unterstützen.“ Hart hatte eine Beweislastumkehr empfohlen. Der Gesetzgeber hat sich für die gesetzestechnische Lösung einer widerlegbaren Vermutung entschieden, die aber teilweise als Beweismaßreduktion ausgelegt wird1. In den laufenden VIOXX®-Prozessen ergibt sich nun folgende Diskussion um die Auslegung des Gesetzes im Hinblick auf die Beweislastverteilung zur Kausalitätsfrage: Nach hiesiger Auffassung muss der Geschädigte lediglich folgendes darlegen und gegebenenfalls unter Beweis stellen: 1.
2. 3. 4. 5.
Die Anwendung des Arzneimittels, a) den bestimmungsgemäßen Gebrauch, b) die Anwendungsdauer, c) Dosierung während der Anwendung abstrakt generelle Eignung des streitgegenständlichen Medikaments, den eingetretenen Schaden zu verursachen die konkrete Eignung, wobei hier die Regeln des Anscheinsbeweises greifen den Schadenseintritt die Unvertretbarkeit = negatives Risiko-Nutzen-Profil (modifizierte Beweislastreduktion)
Dagegen ist gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 der pharmazeutische Unternehmer dafür beweisbelastet, dass eine andere Schadensursache vorliegt, und zwar im Wege des Vollbeweises. Hierbei greifen auch die Regeln des Anscheinsbeweises. Der Anscheinsbeweis dreht die Beweislast nicht um, er ist entkräftet, wenn die Beklagte Tatsachen behauptet und beweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes ergibt. Es genügt nicht schon der Hinweis auf einen Geschehensablauf, nachdem der Schaden ty1
vgl. Wagner, NJW 2002, 2049 ff.
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pische Folge einer anderen Ursache sein kann. Vielmehr bedürfen die Tatsachen, aus denen eine solche ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes hergeleitet wird, sofern streitig, des vollen Beweises2. Sofern also der pharmazeutische Unternehmer behauptet, dass im konkreten Fall andere medizinische Ursachen die Schädigungen des Patienten bedingt haben, ist dieser dafür – sofern streitig – beweisbelastet. Der pharmazeutische Unternehmer wird daher im Wege des Sachverständigengutachtens beweisen müssen, dass die Schädigung des Patienten durch die behaupteten Alternativursachen hervorgerufen wurde. Es sind insoweit die Kriterien aus dem Arzthaftungsprozess anzulegen. Hierbei wird sich ein gerichtlich zu bestellender Sachverständiger den durch den BGH entwickelten Kategorien: „gänzlich unwahrscheinlich“, „unwahrscheinlich“, „möglicherweise“, „wahrscheinlich“, „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“, „mit großer Wahrscheinlichkeit“, „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“, zu bedienen haben, wenn es um die Frage geht, ob z.B. die Herzerkrankung der Patientin durch medizinische Alternativursachen hervorgerufen wurde. Der Gesetzgeber wollte gerade dahingehend Beweiserleichterungen schaffen, dass der Vollbeweis im Hinblick auf die Kausalität zwischen der Anwendung des streitgegenständlichen Medikamentes und dem eingetretenen Schaden nicht mehr voll umfänglich dem Geschädigten aufgebürdet wird. Ist der in dem schädigenden Arzneimittel enthaltene Wirkstoff generell abstrakt geeignet, eine Schädigung wie sie der Geschädigte erlitten hat, zu verursachen, können sich daraus auch Erkenntnisse zu bestimmten Symptomen oder Symptomkomplexen ergeben. Mit ihrer Hilfe lassen sich bei bewiesener Anwendung des Arzneimittels regelmäßig nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises die für den Ursachennachweis notwendige Verknüpfung zwischen Arzneimittelanwendung und Schädigung herstellen.3 Die Kausalitätsvermutung richtet sich auf den Nachweis des Ursachenzusammenhangs im konkreten Schadensfall. Diese Eignung im Einzelfall beurteilt sich nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG. Insoweit werden nicht abschließend genannt: die Zusammensetzung und Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Ge2
3
BGH, Urteil vom 17.1.1995, VersR 95, 723; Kloesel/Cyran, AMG-Kommentar § 84 Nr. 32, 89. Ergänzungslieferung. vergleiche Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe für Arzneimittelhaftung, Bundesratsdrucksache 1012/96, II A. 5.2.2.; Klosel/Cyran § 84 AMG Nr. 33.
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schädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten im Einzelfall, die für und gegen die Schadensverursachung sprechen. Steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Arzneimittel abstrakt generell geeignet ist, eine Verletzung, wie sie die Geschädigte erlitten hat, herbeizuführen, dann greift die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 S. 1, dass auch im konkreten Fall der Schaden durch dieses Arzneimittel verursache ist. Insoweit wird dem Geschädigten der Nachweis der Ursächlichkeit des Arzneimittels abgenommen4. Dagegen legt der pharmazeutische Unternehmer das Tatbestandsmerkmal „konkrete Eignung“ in den laufenden Vioxx®-Prozessen wie folgt aus: Der Geschädigte hat sämtliche Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, die im konkreten Einzelfall zu der Schädigung geführt haben könnten, wie z.B. Vorerkrankungen, Risikofaktoren und die Einnahme anderer Medikamente mit entsprechenden unerwünschten Nebenwirkungen. Ist eine andere mögliche Ursache gegeben, wird die widerlegbare Vermutung nicht widerlegt, diese kommt erst gar nicht zur Anwendung. Im Fall des Präparates Vioxx® zählen dazu nach Auffassung des pharmazeutischen Unternehmers auch die „üblichen“ kardiovaskulären Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes melitus, familiäre Disposition usw. Es dürfte auch durch einen medizinischen Sachverständigen überaus schwer zu beurteilen sein, ob im konkreten Einzelfall eine oder mehrere dieser Alternativursachen zu dem Schadensereignis (in der Regel Herzinfarkt oder/und Schlaganfall) geführt haben. Die Vioxx®-Prozesse werden insoweit von Sachverständigengutachten dominiert werden. Da es hierbei jedoch jeweils auch um den Wahrscheinlichkeitsgrad der Alternativursachen geht, werden die Gerichte letztlich nach Beweislast entscheiden müssen. Diese Diskussion wirft noch viele weitere interessante rechtliche Fragen auf.
4
Kloesel/Cyran, § 84 Nr. 34 f..
Neue Aspekte der Arzneimittelhaftung
Valentin Saalfrank
A. Arzneimittel als notwendige und gefährliche Ware In Deutschland sind ca. 20.000 verschreibungspflichtige Arzneimittel mit knapp 2.000 verschreibungspflichtigen Wirkstoffen sowie ca. 55.000 apothekenpflichtige Arzneimittel zugelassen. Ihre Verwendung ist zu Heilungszwecken einerseits notwendig, aber auch gefährlich, weil jeder Arzneimittelanwendung die Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen innewohnt. Nach der Wertung des Arzneimittelgesetzes kommt es daher für die Unbedenklichkeit eines Arzneimittels als unabdingbare Voraussetzung für seine Verkehrsfähigkeit nicht darauf an, ob das Arzneimittel keine schädlichen Wirkungen hat, sondern ausschließlich darauf, ob die bei seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch auftretenden unerwünschten Wirkungen gegenüber den erwünschten Wirkungen nicht über ein medizinisch vertretbares Maß hinausgehen.1 Einer amerikanischen Studie zufolge treten bei 6,5 % der in einem Krankenhaus therapierten Patienten unerwünschte Wirkungen auf, 21 % der Notfallpatienten stellten sich nach einer französischen Studie ambulanter Notfallpatienten für zehn Krankenhäuser wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen vor. Dabei sollen 70 % der Fälle auf falsche Verordnungsentscheidungen zurückzuführen sein, wovon wiederum ca. die Hälfte auf fehlerhafte Dosierung zurückzuführen sein soll.2 Die Zahl der Todesfälle infolge der Einnahme von Arzneimitteln wird auf über 10.000 pro Jahr geschätzt.
1 2
Vgl. § 5 AMG. Vgl. Grandt/Niedling, Vermeidung von Medikationsfehlern in Klinik und Praxis, in: Berliner Ärzte 2005.
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B. Das Haftungssystem Als Adressaten eines Schadensersatzanspruchs kommen – je nach Anspruchsgrundlage – der Arzt, der Apotheker, der Großhändler, der Hersteller, der pharmazeutische Unternehmer und der Sponsor einer klinischen Prüfung in Frage. Nachfolgend soll der Schwerpunkt auf der Haftung der nach dem Arzneimittelgesetz verantwortlichen Personen liegen. Pharmazeutischer Unternehmer ist jeder Unternehmer, der Inhaber der Zulassung bzw. Registrierung für ein Arzneimittel ist bzw. Arzneimittel unter seinem Namen in den Verkehr bringt und damit die Verantwortung übernimmt (§ 4 Abs. 18 AMG). Das kann ein Hersteller, Vertriebsunternehmer, Importeur, eine Apotheke oder ein Einzelhandelsgeschäft sein. Realisiert sich die mit der Verwendung eines Arzneimittels verbundene Gefahr, so kann der pharmazeutische Unternehmer haftbar sein: Für Schäden, die durch die Anwendung zulassungspflichtiger Arzneimittel eintreten, ist die wichtigste Anspruchsgrundlage § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG. Danach haftet der pharmazeutische Unternehmer unabhängig von einem Verschulden, wenn durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines zulassungspflichtigen Humanarzneimittels, das der pharmazeutische Unternehmer in Deutschland in den Verkehr gebracht hat, nicht unerhebliche Verletzungen eintreten, sofern das Arzneimittel schädliche Wirkungen hat, die über ein medizinisch vertretbares Maß hinausgehen, und wenn diese schädlichen Wirkungen ihre Ursache im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben. Darüber hinaus begründet § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG die Gefährdungshaftung für Schäden, die infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation und Packungsbeilage des Arzneimittels eingetreten sind (Haftung für Instruktionsfehler). Dabei ist die prozessuale Stellung des geschädigten Patienten mit dem 2. SchadÄndG dadurch gestärkt worden, dass es nun Sache des pharmazeutischen Unternehmers ist, nachzuweisen, dass die schädlichen Wirkungen ihre Ursache nicht im Bereich der Herstellung und Entwicklung, sondern z.B. in unsachgemäßer Lagerung, Transport etc. haben. Der Anspruchsteller muss auch nur beweisen, dass das Arzneimittel generell geeignet ist, Schäden der behaupteten Art hervorzurufen und dass ein solcher Schaden bei ihm realisiert worden ist. Es wird gemäß § 84 Abs. 2 AMG vermutet, dass eine Schädigung durch die Anwendung eines Arzneimittels verursacht ist, wenn das Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Falles hierzu geeignet ist. Daran soll es indessen fehlen, wenn eine andere Schadensursache möglich erscheint und der pharmazeutische Unternehmer darauf hinweist. Dann sei es – so das Landgericht Berlin in einer
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Vioxx®-Klage – Sache des Geschädigten, einer solchen Behauptung entgegenzutreten. Auch reicht die Angabe eines bloßen Verdachts nicht aus.3 Ferner haftet der pharmazeutische Unternehmer seit dem 2. SchadÄndG auch auf Schmerzensgeld und er hat seine Deckungsvorsorge erhöhten Haftungshöchstbeträgen anzupassen. Der Anspruch nach § 84 AMG wird flankiert durch einen (einseitigen) Auskunftsanspruch nach § 84a AMG, wonach der Geschädigte vom pharmazeutischen Unternehmer und von den beteiligten Behörden Auskunft verlangen kann, die ihn in die Lage versetzen soll, den Ursachenzusammenhang nachzuvollziehen und eine Nutzen-Risiko-Abwägung vorzunehmen, um seinen Schadensersatzanspruch substantiieren zu können.4 Die Schärfe dieser Waffe hängt nicht zuletzt davon ab, welche Tatsachen der Anspruchsteller vortragen muss, um das Gericht in den Stand zu versetzen, eine Plausibilitätsprüfung in Bezug auf einen möglichen Anspruch vorzunehmen. Das Landgericht Berlin erwartete in seinen ersten Vioxx®Entscheidungen (s.o.) die Darlegung von Tatsachen, die im Rahmen der Plausibilitätsprüfung als Indizien für die Verursachung heranzuziehen sind. Von August 2002 bis Mitte 2005 soll es laut Angaben des VFA zur Geltendmachung von 220 Schadensersatzansprüchen und ca. 70 Auskunftsersuchen gegenüber der pharmazeutischen Industrie gekommen sein, die überwiegend mit der Marktrücknahme des Arzneimittels Vioxx® in Verbindung standen. Das BfArM und das Paul-Ehrlich-Institut melden für diesen Zeitraum ca. 20 Fälle.5 Dabei ist streitig, ob der Geschädigte nur solche Informationen beanspruchen kann, die dem pharmazeutischen Unternehmer zu den vom Geschädigten erlittenen/vergleichbaren Gesundheitsstörungen vorliegen oder ob Schadensinformationen zu allen schädlichen Wirkungen des Arzneimittels verlangt werden können. Neben der Haftung nach § 84 AMG greift die verschuldensabhängige Produzentenhaftung nach § 823 BGB. Sie erfasst die Fehlergruppen der Konstruktionsfehler, Fabrikationsfehler, der Qualitätssicherungs- und Befundsicherungsfehler. Nicht erfasst sind die in der Arzneimittelhaftung bedeutsamen nicht erkennbaren Konstruktionsfehler, die in den Bereich der Entwicklung fallen. Es bestehen aber eine Produktbeobachtungspflicht nach dem Inverkehrbringen sowie Warn- und Reaktionspflichten zur Risi3 4
5
LG Berlin, Urteil vom 18.10.2006 – 22 O 122/06 und 22 O 75/06. Vgl. HIeke, Die Auskunftspflicht des Pharmazeutischen Unternehmers nach § 84a AMG, PharmaRecht 2005, 35 ff.; Koyuncu, Das Mitverschulden des Patienten in der Arzneimittelhaftung, PharmaRecht 2005, S. 289. Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung vom 24.8.2005, Drs. 15/5970.
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koabwehr. Die Gefährdungshaftung nach dem Produkthaftungsgesetz ist für zulassungspflichtige bzw. durch Rechtsverordnung von der Zulassung freigestellte Arzneimittel überlagert von § 84 AMG. Sie kommt daher nur außerhalb dieser Arzneimittelgruppen in Betracht, insbesondere für Rezepturarzneimittel, nach gegenwärtiger Rechtslage auch für ausgeeinzelte und neuverblisterte Arzneimittel,6 registrierte Arzneimittel, Tierarzneimittel etc. Gegenüber § 84 AMG umfasst sie nicht die im Arzneimittelsektor relevanten Entwicklungsschäden. II. Die Durchführung einer Arzneimitteltherapie fällt in den Bereich der Therapiefreiheit des Arztes und ist nach den hierfür maßgeblichen Grundsätzen zu bewerten. Sie stellt einen Eingriff im weitesten Sinne dar, über welchen der Patient bei möglichen schwerwiegenden Komplikationen individuell aufzuklären ist.7 Der Arzt hat für die Sicherheit der Anwendung des Arzneimittels einzustehen, während den Hersteller/pharmazeutischen Unternehmer die Sicherheit des Arzneimittels selbst betrifft. III. Erwähnung verdient der Probandenschutz bei der Durchführung einer klinischen Prüfung nach § 40 AMG. Verantwortlich für die Durchführung der klinischen Prüfung ist der Sponsor (§ 4 Abs. 24 AMG). Deliktsrechtlich verantwortlich ist auch der Leiter der klinischen Prüfung, insbesondere dann, wenn er nicht sachgerecht behandelt oder nicht angemessen aufgeklärt hat. Besonderes Gewicht kommt dabei der Nutzen/RisikoAbwägung zu.8 Diese sieht zwingend den Abschluss einer Versicherung vor, die auch dann leisten muss, wenn kein anderer haftet. Sie muss dem Probanden einen angemessenen Schutz gewähren. IV. Auch Apotheker sind mögliche Anspruchsgegner bei eingetretenen Arzneimittelschäden. Soweit sie selbst als pharmazeutische Unternehmer für Arzneimittel in Anspruch genommen werden, die sie im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt haben, entfällt eine Haftung nach § 84 AMG schon deshalb, weil solche Arzneimittel nicht der Zulassungspflicht unterliegen. Vielmehr greift die Gefährdungshaftung nach dem Produkthaftungsgesetz sowie ggf. eine vertragliche und deliktische Haftung nach dem BGB ein. Soweit der Apotheker Fertigarzneimittel anderer pharmazeutischer Unternehmen abgibt, kommt neben kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüchen insbesondere Schadensersatzansprüchen Be6 7 8
Siehe Ziff. 3c). Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.3.2005, VR ZR 239/03. Vgl. Hart, in: Lexikon des Arztrechts, 11. EL. 2005, Stichwort: Klinische Arzneimittelprüfung.
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deutung zu, die infolge mangelhafter Beratung9 oder durch Verwechslung entstanden sind.
C. Aktuelle Haftungsfragen Folgende Themen sollen im weiteren Verlauf im Hinblick auf ihre haftungsrechtliche Bedeutung dargestellt werden: Ob der für klinische Prüfungen vorgesehene Probandenschutz in der Praxis angemessen realisiert ist, wird schon seit längerer Zeit kontrovers erörtert. Diese Diskussion hat nach wie vor Aktualität. Bestrebungen, Kosten im Arzneimittelsektor einzusparen, haben dazu geführt, dass das strenge Regime der Gefährdungshaftung nach dem Arzneimittelgesetz in Sachverhalten mit teilweise großem praktischem Bezug möglicherweise nicht mehr greift. Die Ursache dafür liegt in einem Trend, der sich von der Abgabe zulassungspflichtiger Arzneimittel fortbewegt und damit eine elementare Säule für die Sicherstellung der Arzneimittelsicherheit aus den Augen verliert. Die mittlerweile gesetzlich vorgesehene Auseinzelung und Neuverblisterung von Arzneimitteln sowie das immer wieder diskutierte „Arzneimittelrecycling“ sind hierfür aktuelle Beispiele, die daher vertieft dargestellt werden sollen. Auch der aus humanitären Gründen eingeführte „Compassionate Use“ liefert – zwangsläufig – einen nur verringerten haftungsrechtlichen Schutz des Verwenders. Andererseits sind im Bereich des „Off-Label-Use“ eine zunehmende Inanspruchnahme des pharmazeutischen Unternehmers und damit eine Verlagerung der Verantwortlichkeiten vom Arzt zum pharmazeutischen Unternehmer zu beobachten. Weitere Risiken ergeben sich aus dem EU-weiten Arzneimittelversand. I. “Off-Label-Use” und “Compassionate Use” Eine Legaldefinition des „Off-Label-Use“ gibt es im deutschen Arzneimittelrecht nicht. Gemeinhin wird darunter die ärztliche Anwendung eines Arzneimittels verstanden, die den in der Zulassung durch das Pharmaunternehmen beantragten und von der Zulassungsbehörde genehmigten Gebrauch überschreitet. „Off-Label-Use“ setzt also zwingend voraus, dass das in Betracht kommende Arzneimittel überhaupt eine Zulassung besitzt. Der genehmigte Gebrauch kann insbesondere durch Anwendung außerhalb der Indikation, durch abweichende Dosierung oder z.B. auch durch eine 9
§ 20 ApoBetrO verpflichtet den Apotheker zur Beratung seiner Kunden.
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abweichende Behandlungsdauer überschritten werden. Erstattungsfähig für GKV-Versicherte ist ein „Off-Label-Use“ nur ausnahmsweise in dem vom Bundessozialgericht gezogenen engen Rahmen.10 Verantwortung des Arztes
Die Entscheidung, ein Arzneimittel außerhalb der Zulassung anzuwenden, trifft der behandelnde Arzt. „Off-Label-Use“ ist fester Bestandteil des medizinischen Alltags in Deutschland. Er betrifft insbesondere die Bereiche der Pädiatrie, der Onkologie und der Behandlung von HIV-Erkrankungen. Im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit trifft der behandelnde Arzt im jeweiligen Behandlungsfall eine eigenverantwortliche Entscheidung über den Einsatz eines Arzneimittels, die sich allein am jeweils gültigen ärztlichen Standard orientiert. Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung richten sich die Zulassungsvorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) an den pharmazeutischen Unternehmer, nicht an den Arzt.11 Als Anspruchsgegner infolge von Schäden, die durch die Anwendung eines Arzneimittels im nicht zugelassenen Gebiet eingetreten sind, kommt daher grundsätzlich nicht der pharmazeutische Unternehmer, sondern der Arzt in Betracht. Pflichtverletzungen des Arztes können vorliegen, wenn die Arzneimittelbehandlung außerhalb der zugelassenen Indikation behandlungsfehlerhaft ist oder wenn sie nur auf Grundlage einer besonderen Aufklärung des Patienten hätte durchgeführt werden dürfen. Ein unterlassener „Off-Label-Use“ begründet so lange keinen Behandlungsfehler, wie eine andere Therapie zur Verfügung steht. Es existiert dann keine Verpflichtung des Arztes zur Vornahme der „Off-Label“Behandlung. Will sie der Arzt gleichwohl vornehmen, bedarf sie als Außenseitermethode einer umfassenden Aufklärung gegenüber dem Patienten. Ist die „Off-Label“-Behandlung dagegen Standard, kann ihre Unterlassung eine Haftung des Arztes begründen.12 Der Arzt ist darüber hinaus 10
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Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit sind das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung, für die keine andere Therapie als das fragliche (für eine andere Indikation zugelassene) Arzneimittel zur Verfügung steht, und dass bei Verwendung des Mittels eine begründete Aussicht auf Erfolg besteht. Dies erfordert die Vorlage von Forschungsergebnissen (Klinische Prüfung, Phase 3 oder zumindest publizierte Erkenntnisse mit zuverlässigen wissenschaftlich nachprüfbaren Angaben zur Qualität und Wirksamkeit (BSGE 89, 184). Ratzel in Deutsch/Lippert, Kommentar zum AMG, § 73, Anm. 4; OLG München, VersR 1991, 471, 473; OLG Köln, VersR 1991, 186; BGH, MedR 1996, 22. Vgl. OLG Köln, VersR 1991, 186 (Aciclovir); LG Nürnberg-Fürth, ZMGR 2006, 142.
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auch verpflichtet, eine Therapie mit sicheren Arzneimitteln dadurch sicherzustellen, dass er sich auf dem letzten Stand der Erkenntnisse über die Sicherheit des betreffenden Arzneimittels hält. Verantwortung des pharmazeutischen Unternehmers
Demgegenüber ist der pharmazeutische Unternehmer für den Einsatz seines Arzneimittels außerhalb der Zulassung grundsätzlich nicht verantwortlich. Er ist arzneimittelrechtlich nur dazu befugt, das zugelassene Arzneimittel innerhalb der im Zulassungsbescheid genannten Indikation in den Verkehr zu bringen. Ihm ist es gemäß § 3a HWG auch nicht erlaubt, den Einsatz des betreffenden Arzneimittels für die nicht zugelassene Indikation gegenüber Ärzten oder Patienten zu bewerben. Dennoch kann es auch im „Off-Label“-Bereich zu einer arzneimittelrechtlichen Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmers nach § 84 AMG kommen. Soweit die Arzneimittel im neuen Abschnitt H der Arzneimittelrichtlinien genannt sind, wird sogar regelmäßig eine Gefährdungshaftung begründet sein. Die Haftungsabgrenzung zwischen pharmazeutischem Unternehmer einerseits und dem behandelnden Arzt andererseits lässt sich anhand des Tatbestandsmerkmals des bestimmungsgemäßen Gebrauchs gem. § 84 AMG vornehmen. Eine Ersatzpflicht nach § 84 AMG besteht nämlich nur, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Bestimmungsgemäß und damit in die Verantwortung des pharmazeutischen Unternehmers fallend ist der Gebrauch, wenn er der vom pharmazeutischen Unternehmer festgelegten Indikation entspricht, des Weiteren nach h.M. dann, wenn er allgemein bekannt und wissenschaftlich anerkannt ist. Demnach ist der „Off-LabelUse“ grundsätzlich bestimmungswidrig, es sei denn, der pharmazeutische Unternehmer hat, z.B. unter Verstoß gegen § 3a HWG, auf die Verwendbarkeit des Arzneimittels im nicht zugelassenen Anwendungsgebiet hingewiesen oder widerspricht einem wissenschaftlich anerkannten Gebrauch nicht. Eine Haftung bei Vorliegen von Kontraindikationen scheidet nach überwiegender Auffassung aus, wenn sie für den Anwender verständlich sind.13 Eine Haftungszuweisung folgt heute auch aus § 35b Abs. 3 SGB V. Das BMGS beruft für die Aufgabe von Bewertungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikatoren und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arznei13
Vgl. dazu Kloesel/Cyran, § 5 Rdnr. 17.
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mittelgesetz nicht zugelassen sind, Expertengruppen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ein. Eine entsprechende Bewertung soll jedoch nach § 35b Abs. 3 S. 3 SGB V nur mit Zustimmung des pharmazeutischen Unternehmens erstellt werden. Seit Ende Dezember 2005 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die Bewertung des „Off-LabelUse“ zu einigen Wirkstoffen in Auftrag gegeben. Die daraufhin von den Expertengruppen erarbeiteten Empfehlungen werden vom GBA in einem neuen Abschnitt H der Arzneimittelrichtlinien umgesetzt. Laut amtlicher Begründung zum Gesetzesentwurf des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 8.9.2003 soll eine entsprechende Bewertung nur mit Zustimmung des pharmazeutischen Unternehmens erstellt werden, damit gewährleistet ist, dass dieses die betreffenden Anwendungen als bestimmungsgemäßen Gebrauch akzeptiert und damit nach den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes für die entsprechenden Anwendungen haftet.14 Damit ist auch dem pharmazeutischen Unternehmer eine Haftung im „Off-Label“-Bereich nach § 84 AMG insoweit zugewiesen worden. Entsprechend fällt die nicht von der Zulassung erfasste Anwendung des Arzneimittels auch unter die Pflicht, Deckungsvorsorge zu betreiben. Unproblematisch ist eine solche Haftungserweiterung indessen nicht. Denn der pharmazeutische Unternehmer trifft seine im arzneimittelrechtlichen Sinn verbindliche Entscheidung zur Anwendung eines Arzneimittels mit dem Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels. Einer Haftung außerhalb dieses Gebietes muss sich der pharmazeutische Unternehmer zumindest dadurch entziehen können, dass er seine Zustimmung verweigert. Kommt es gleichwohl zu einer Bewertung, so wäre sie dem pharmazeutischen Unternehmer nicht mehr zuzurechnen. Ihm bliebe sonst nur noch die Möglichkeit, sich der Haftung dadurch zu entziehen, dass er das betreffende Arzneimittel vom Markt nimmt. Anwendung nicht zulassungspflichtiger Arzneimittel ohne Zulassung
Nicht erfasst vom Begriff des „Off-Label-Use“ ist die Anwendung von nicht zugelassenen, aber zulassungspflichtigen Arzneimitteln. Sie widerspricht der Grundkonzeption des Arzneimittelrechts, nach welcher Fertigarzneimittel grundsätzlich erst dann verkehrsfähig sein sollen, wenn sie zuvor gem. §§ 21 ff. AMG in einem Zulassungsverfahren auf ihre Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit untersucht worden sind. Der Einsatz von nicht zugelassenen Arzneimitteln kann also nur ausnahmsweise statthaft sein. Er ist heute im Rahmen des sog. „Compassionate Use“ mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/83/EG in nationales Recht durch die 14
Bundestag-Drs. 15/1525 vom 8.9.2003, S. 88.
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14. AMG-Novelle gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 6 AMG vorgesehen. „Compassionate Use“ bezieht sich auf das zur Verfügungstellen von Arzneimitteln für Patienten, die an einer zu Invalidität führenden chronischen oder schweren Krankheit leiden oder deren Krankheit als lebensbedrohend gilt und die mit einem genehmigten Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können. Voraussetzung ist, dass das Arzneimittel entweder Gegenstand eines Antrags auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 6 dieser Verordnung oder Gegenstand einer noch nicht abgeschlossenen klinischen Prüfung ist. Da solche Arzneimittel nicht der Zulassungspflicht unterliegen, greift auch nicht der Tatbestand der Gefährdungshaftung nach § 84 AMG ein. Der Patient ist ggü. dem pharmazeutischen Unternehmer auf Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz und nach den Grundsätzen der Produzentenhaftung zu verweisen, die allerdings Entwicklungsfehler nicht erfassen. Im Übrigen bestehen eventuell Schadensersatzansprüche gegenüber den behandelnden Ärzten. II. Probandenschutz bei klinischen Prüfungen Bei klinischen Prüfungen sieht das AMG einen besonderen Schutz des Probanden vor. Die klinische Prüfung bei Menschen darf nur durchgeführt werden, wenn und solange für den Fall, dass bei der Durchführung der klinischen Prüfung ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird, eine Versicherung besteht, die auch Leistungen gewährt, wenn kein anderer für den Schaden haftet (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG). Die Versicherung dient also nicht nur dem Ausgleich von Ansprüchen des Probanden gegen die an der klinischen Prüfung beteiligten Personen, sondern in erster Linie seiner Schadlosstellung, und zwar unabhängig davon, ob es hierfür eine Anspruchsgrundlage gibt. Allerdings erlischt gemäß § 40 Abs. 3 MAG ein möglicher Anspruch auf Schadensersatz, soweit aus der Versicherung geleistet wird. Der notwendige Umfang der Probandenversicherung ist unklar
Ungeklärt ist der notwendige Umfang der Probandenversicherung. Kontroverse Standpunkte finden sich nach wie vor zu der Frage, welche Absicherung § 40 AMG zum Schutz des Probanden mindestens voraussetzt. Diese Frage ist auch von erheblicher praktischer Bedeutung, weil besondere Anspruchsgrundlagen, nach denen eine Person aus Gefährdungshaftung in Anspruch genommen werden könnte, fehlen und auch kein Erfordernis zur Schaffung einer Deckungsvorsorge für eventuelle Schadens-
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fälle außerhalb des § 40 AMG besteht. Nach ganz herrschender, wenn auch nicht unbestrittener Auffassung findet im Bereich der klinischen Prüfung die Gefährdungshaftung nach § 84 AMG keine Anwendung. Eine Ausnahme könnte allenfalls für klinische Prüfungen in der Phase IV gelten, die erst nach Zulassung des Arzneimittels durchgeführt werden.15 Auch die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz wird überwiegend kritisch beurteilt, weil der Hersteller das Produkt, welches er zur klinischen Prüfung vorsieht, noch nicht zum allgemeinen Verkehr freigegeben hat.16 Eine solche Auslegung ist auch europarechtskonform. Der EuGH hat sich am 9. Februar 2006 in der Rechtssache 127/04 zu den Anforderungen geäußert, die erfüllt sein müssen, dass ein Produkt im Sinne der Produkthaftungsrichtlinie in Verkehr gebracht wurde. Er hat Art. 11 der Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG dergestalt ausgelegt, dass ein Produkt erst dann in Verkehr gebracht ist, wenn es den vom Hersteller eingerichteten Prozess der Herstellung verlassen hat und in einen Prozess der Vermarktung eingetreten ist, in dem es in ge- oder verbrauchsfähigem Zustand angeboten wird.17 Arzneimittel, die nicht zugelassen sind und im Rahmen einer klinischen Prüfung angeboten werden, befinden sich aber nicht im Prozess der Vermarktung. Unzureichende Probandenversicherung begründet Schadensersatzansprüche
Entspricht die Versicherung nicht den Mindestanforderungen nach § 40 Abs. 3 AMG, sind Schadensersatzansprüche der für die Durchführung der klinischen Prüfung verantwortlichen Personen in Betracht zu ziehen. Eine Haftung gegen den Sponsor kommt in Betracht wegen Verletzung des Probandenvertrages, aber auch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB.18 Der Prüfarzt haftet ggf., wenn er nicht auf den fehlenden bzw. unvollständigen Versicherungsschutz hingewiesen oder den Patienten nicht über seine Obliegenheiten aufgeklärt hat. Des Weiteren ist seit der 12. AMG-Novelle auch ein Anspruch des Probanden gegen die Mitglieder der Ethik-Kommission in Erwägung zu ziehen. Die Ethikkom15
16
17 18
Deutsch, Das Internationale Privatrecht und das Internationale Versicherungsrecht der klinischen Forschung, Versicherungsrecht 2006, 577; Sander, Arzneimittelrecht, § 84 Rdnr. 9. Vgl. dazu ausführlich Voit, Anforderungen des AMG an die Ausgestaltung der Probandenversicherung bei der Durchführung klinischer Studien und ihre Konsequenzen für Sponsor, Prüfarzt und Ethik-Kommission, Pharma-Recht 2005, 345. A&R 2006, 86. Voit, a.a.O.
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mission dient in erster Linie dem Schutz des Probanden. Sie hat u.a. die ausreichende Absicherung der Probanden zu prüfen und ihre positive Bewertung zu einer geplanten Studie gemäß § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 zu versagen, wenn es an einer diesen Anforderungen genügenden Versicherung fehlt. Ohne zustimmende Bewertung ist die Durchführung der klinischen Prüfung nicht möglich. Damit wird die Ethikkommission heute in Erfüllung einer ihr obliegenden Amtspflicht tätig, so dass auch Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB in Betracht zu ziehen sind.19 Mindestumfang der Probandenversicherung
Den notwendigen Mindestumfang einer Probandenversicherung umschreibt § 40 Abs. 3 AMG. Sie muss in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken stehen und auf der Grundlage der Risikoabschätzung so festgelegt werden, dass für jeden Fall des Todes oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit einer von der klinischen Prüfung betroffenen Person mindestens 500.000 Euro zur Verfügung stehen. Im Einzelnen findet sich Kritik zum versicherten Personenkreis, der nach den Versicherungsbedingungen regelmäßig Dritte nicht erfasst. Hier wird in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, dass § 40 AMG seit der 12. AMG-Novelle Drittschutz vorsehe. Gegen eine generelle Einbeziehung Dritter spricht aber, dass nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG die Versicherung nur leisten muss, wenn bei der Durchführung, nicht etwa infolge der Durchführung der klinischen Prüfung Dritte zu Schaden kommen. Nur Drittschäden, die in diesem Zeitkorridor eingetreten sind, müssen also versichert sein. Kontrovers diskutiert wird auch die Frage, ob seit dem zweiten Schadensersatzrechtsänderungsgesetz immaterielle Schäden durch die Probandenversicherung zwingend zu ersetzen sind.20 Nachdem immaterielle Schäden nunmehr stets von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzungen des Körpers umfasst sind und § 40 nur auf Risiken verweist, ohne einzelne Schäden auszugrenzen, spricht einiges dafür, dass auch der Ausgleich immaterieller Schäden heute zum Mindeststandard zählt. Als weitere Kritikpunkte, die schon seit längerer Zeit Gegenstand der Diskussion sind, werden die in den Versicherungsbedingungen enthaltenen Beschränkungen der Höchstleistungen sowie Obliegenheiten der versicherten 19
20
Deutsch, Versicherungsrecht 2006, 577, 582; vgl. auch Deutsch, Das neue Bild der Ethikkommission, MedR 2006, 411. Befürwortend z.B. Voit, a.a.O.; Ablehnend insbesondere Deutsch, Schmerzensgeld für Unfälle bei der Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten?, PharmaRecht 2001, 346; ders., VersR 2006, 577.
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Personen genannt, deren Verletzung zur Einbuße des Versicherungsschutzes führen kann. Die Ethikkommissionen fordern teilweise auch die Einbeziehung einer Wegeversicherung. Die Versicherungsbedingungen für die Probandenversicherung sollten daher zumindest Schmerzensgeldansprüche und Drittschäden, die bei Durchführung der klinischen Prüfung eintreten (z.B. Infektion von Familienmitgliedern), einbeziehen. III. Die Neuverblisterung von Arzneimitteln Eine vom Grundverständnis des AMG abweichende Haftungszuordnung tritt bei der Neuverblisterung ein. Insbesondere bei der Versorgung von Pflegeheimen ist es zunehmend Praxis, dass Apotheken, die mit einem oder mehreren Pflegeheimen Versorgungsverträge nach § 12a ApoG abgeschlossen haben, die Aufgabe übernehmen, gemäß den vorgelegten ärztlichen Verschreibungen den Wochenvorrat für die jeweiligen Heimbewohner zusammenzustellen und in Wochenblister (Durchdrückpackungen) abzupacken. Regelmäßig geschieht dies in der Weise, dass der Apotheker aus seinem Arzneimittelvorrat die jeweiligen Fertigarzneimittelpackungen entnimmt und die darin befindlichen Arzneimittel entsprechend den ärztlichen Anweisungen für die Einnahme nach Wochentagen und Tageszeitpunkten sortiert vorbereitet. Neuverblisterung in der Apotheke
Das OVG Lüneburg hat mit Urteil vom 16. Mai 2006 entschieden, dass Apotheken zur Abgabe der von ihnen angefertigten Wochenblister im Rahmen einer Heimversorgung nach § 12a ApoG befugt sind, ohne dass sie hierfür eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG oder eine arzneimittelrechtliche Zulassung nach den §§ 21 ff. AMG benötigen.21 Der Herstellungsbegriff des Arzneimittelrechts erfasse auch die Verblisterung von Fertigarzneimitteln, d.h. die Auseinzelung von Arzneimitteln aus Fertigarzneimittelpackungen, die anschließende Zusammenstellung der Tabletten und Kapseln nach den individuellen Bedürfnissen des einzelnen Arzneimittelempfängers und die automatisierte Neuverpackung in folienverschweißten Behältnissen. Eine solche Herstellung halte sich jedoch im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes und sei daher erlaubnisfrei. Eine
21
AZ.: 11 LC 265/05, zitiert nach juris; Wiedergabe des Leitsatzes in A&R 2006, 192.
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arzneimittelrechtliche Zulassungspflicht bestehe für die gewerbliche Herstellung von Arzneimittelblistern in einer Apotheke ebenfalls nicht. Haftungsrechtliche Konsequenzen
Schließt man sich der Rechtsprechung des OVG Lüneburg an, ergibt sich aus haftungsrechtlicher Sicht für die Verbraucher eine deutliche Verschlechterung. Es sollte daher sorgfältig abgewogen werden, ob die mit einer Verblisterung beabsichtigte Entlastung des Pflegepersonals in den Pflegeeinrichtungen und die möglicherweise verbesserte Compliance tatsächlich die damit einhergehenden haftungsrechtlichen Nachteile für den Patienten kompensieren. Insoweit ist auch die Frage aufzuwerfen, ob die jeweilige Pflegeeinrichtung ihre Insassen über die eintretenden rechtlichen Nachteile zu informieren hat. Haftungsrechtliche Besonderheiten erwachsen daraus, dass der Apotheker mit der Verblisterung einen Herstellungsvorgang im Sinne des § 4 Abs. 14 AMG vornimmt. Dieser Herstellungsvorgang führt dazu, dass die Verbraucher ihre Ansprüche aus der Gefährdungshaftung gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmer des Fertigarzneimittels, aus welchem ausgeeinzelt wurde, gemäß § 84 AMG – jedenfalls nach gegenwärtiger Rechtslage – einbüßen. Damit entsteht für den im Arzneimittel bedeutsamen Bereich der Entwicklungsfehler eine Haftungslücke! Der Apotheker stellt im arzneimittelrechtlichen Sinne ein neues Arzneimittel her. Dieses neue Arzneimittel bringt jedoch nicht der pharmazeutische Unternehmer in den Verkehr, der für das Fertigarzneimittel verantwortlich ist, aus welchem der Apotheker ausgeeinzelt hat. Pharmazeutischer Unternehmer und damit verantwortlich im Sinne des AMG für das neu hergestellte Arzneimittel ist vielmehr allein der Apotheker. Der in der geschilderten Weise hergestellte Wochenblister ist auch kein neues Fertigarzneimittel, das der Zulassungspflicht unterliegen könnte. Vielmehr entsteht mit der Verblisterung verschiedener Fertigarzneimittel ein individuell auf den Arzneimittelempfänger zugeschnittenes und von diesem angefordertes neues Arzneimittel, das damit nicht die Voraussetzungen eines Fertigarzneimittels erfüllt.22 Damit ist der Verbraucher gegenüber dem Apotheker auf Schadensersatzansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz und auf verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche verwiesen. Gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmer, aus dessen Fertigarzneimittel ausgeeinzelt wurde, bleiben zwar Ansprüche nach den Grundsätzen der Produzentenhaftung bestehen, die indessen nicht die Haftung für Entwicklungsfehler erfassen. Darüber hinaus wird aber auch eine Haftung des Heimträgers zu diskutie22
OVG Lüneburg, Urteil vom 16.5.2006, AZ.: 11 LC 265/05.
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ren sein. Das Stellen von Arzneimitteln in Heimen bei Heimbewohnern, die insoweit Hilfe benötigen, fällt in die Verantwortung des Heimträgers,23 wie u.a. aus § 11 Nr. 2, 3, 10 HeimG folgt. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 HeimG hat der Heimträger unter anderem die Verabreichung von Arzneimitteln zu dokumentieren. Damit fällt die Verabreichung nebst deren Vorbereitung in den Pflichtenkreis des Heims. Vorbereitung ist auch die Verblisterung, die eine Apotheke nur vornimmt, um die regelgerechte Einnahme der verordneten Arzneimittel zu erleichtern. Würde indessen erst das Heimpersonal die Arzneimittel entsprechend dem Wochenbedarf für die Verabreichung vorbereiten, so wäre dies kein Herstellungsvorgang im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern eine Vorbereitungsbehandlung für die Verabreichung der Arzneimittel. Die Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmers des Fertigarzneimittels, aus welchem ausgeeinzelt wurde, bliebe dann unberührt. Vor diesem Hintergrund begegnet es Bedenken, wenn der Heimleiter seine durch den Heimvertrag übernommene vertragliche Pflicht zur Vorbereitung der Arzneimittel für die Verabreichung ohne Zustimmung des Heimbewohners auf Dritte überträgt, auch wenn es für eine solche Übertragung überzeugende Gründe geben mag. Sieht man darin eine Verletzung des Heimvertrages, sind (verschuldensabhängig) auch Schadensersatzansprüche gegen den Heimträger denkbar. Neue Risiken durch industrielle Verblisterung
Eine neue Dimension erhält die Neuverblisterung infolge der mit der 14. AMG-Novelle vollzogenen Änderung des § 21 Abs. 2 Nr. 1b AMG. Danach bedarf es nun auch für solche Arzneimittel keiner Zulassung, die aus im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes zugelassenen Arzneimitteln für Apotheken oder in Unternehmen, die nach § 50 zum Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken befugt sind, hergestellt werden. Diese Vorschrift stellt Arzneimittel von der Zulassung frei, die im Auftrag einer Apotheke im Wege der Neuverblisterung verschiedener Fertigarzneimittel speziell für Kunden einer bestimmten Apotheke im industriellen Maßstab hergestellt werden.24 Dafür beauftragt die Apotheke einen Herstellungsbetrieb, der seinerseits über eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG verfügen muss. Haftungsrechtlich verantwortlich gegenüber den Patienten für die so hergestellten Arzneimittel ist in erster Linie der Apotheker als pharmazeutischer Unternehmer, in dessen Auftrag die Arzneimittel hergestellt worden sind. 23
24
Vgl. auch Lippert, Die Versorgung pflegebedürftiger Patienten in Heimen mit Arznei- und Betäubungsmitteln MedR 2006, 330. Bt-Drucksache 15/5316, S. 36.
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Die Verblisterung im industriellen Maßstab birgt neue Risiken. Der Nutzen, der darin liegen soll, dass Fehleinnahmen verhindert und die Compliance erhöht werden, wird mittlerweile zunehmend in Frage gestellt und gegenüber den entstehenden Zusatzkosten als nicht vertretbar angesehen.25 Als erster Herstellerbetrieb hat Assist Pharma im März 2006 sein Verblisterungsmodell vorgestellt. Kennzeichen der Herstellung sind die Reduzierung der verwendbaren Fertigarzneimittel auf eine technisch bedingt enge Arzneimittelliste, die ca. 400 Arzneimittel umfassen soll. Verschiedenste Arzneimittel mehrerer Hersteller werden entsprechend ihrer Wirkstoffbezeichnung vermischt, wodurch sich eventuell auch Stabilitätsprobleme ergeben könnten. Da die auf diese Weise hergestellten Arzneimittel keine Fertigarzneimittel sind, gelten auch nicht die gegenüber der Apothekenbetriebsordnung strengeren Kennzeichnungsvorschriften. Das Erfordernis einer Gebrauchsinformation entfällt. Das Sicherungssystem, das das Arzneimittelgesetz – ausgehend von einem zulassungspflichtigen Fertigarzneimittel – bereithält, greift also nur noch im eingeschränkten Umfang. Hinzu kommt, dass die Verschreibung unter Wirkstoffbezeichnung jedenfalls dann der Arzneimittelsicherheit entgegenwirkt, wenn sie – wie z.B. bei Demenzkranken – die Arzneimitteleinnahme erschwert und dadurch ggf. die Arzneimitteltherapie gefährdet. Eine gewisse Entlastung bringt möglicherweise das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz. Der Gesetzesentwurf sieht eine Änderung des § 10 AMG vor. Gemäß einem neu einzufügenden Absatz 11 dürfen aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen, die zur Anwendung beim Menschen bestimmt sind, nur mit einer Kennzeichnung abgegeben werden, die mindestens mit dem Namen oder der Firma des pharmazeutischen Unternehmers, der Bezeichnung des Arzneimittels, der Chargenbezeichnung und dem Verfalldatum zu versehen ist. Diese Angaben sind bislang nicht erforderlich! Weitere nach § 10 AMG vorgesehene Angaben, wie insbesondere Angabe der Stärke, Zulassungsnummer, Art der Anwendung, Wirkstoffe nach Art und Menge und weitere Bestandteile nach der Art, Apothekenpflicht beziehungsweise Verschreibungspflicht, Verwendungszweck bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (§ 10 Abs. 1 AMG) sind dagegen entbehrlich. Nach der Gesetzesbegründung sollen die geforderten Angaben ausreichend und angemessen sein, da § 11 Abs. 7 AMG vorsehe, dass entsprechende Teilmengen mit der für das Fertigarzneimittel vorgeschriebenen Packungsbeilage abzubilden sind. Die ausführlichen Pflichtangaben in der Packungsbeilage gewährleisteten eine umfassende Informa25
Ausführlich hierzu das Gutachten Wille/Wollf, Neuverblisterung von Arzneimitteln, erstellt im Auftrag des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller e.V.
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tion der Patienten über die Anwendung des durch die oben genannte Kennzeichnung in jedem Einzelfall ausreichend bezeichneten beziehungsweise identifizierbaren Arzneimittels. Daneben werde die Information der Patienten über den Namen und die Anschrift der Apotheke, von der sie die Teilmenge des Fertigarzneimittels ausgehändigt bekommen haben, über § 14 Abs. 1 S. 2 der Apothekenbetriebsordnung gewährleistet. Bedenklich im Sinne der Arzneimittelsicherheit ist es jedoch, dass im Fall einer Dauermedikation bei der dann erfolgenden regelmäßigen Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen in neuen, patientenindividuell zusammengestellten Blistern Ausfertigungen der für die jeweiligen Fertigarzneimittel vorgeschriebene Packungsbeilagen erst dann erneut beigefügt werden müssen, wenn sich diese gegenüber den zuletzt beigefügten geändert haben. Eine umfassende Patienteninformation findet damit nicht mehr mit jeder Arzneilieferung statt. Haftungsrechtlich ist hervorzuheben, dass der Verbraucher nicht nur seine Ansprüche aus Gefährdungshaftung nach § 84 AMG einbüßt. Er wird nach gegenwärtiger Rechtslage auch Schwierigkeiten haben, im Rahmen weiterer Anspruchsgrundlagen die rechtliche Verantwortung einem pharmazeutischen Hersteller zuzuordnen. Da die Arzneimittel mehrerer Hersteller vermischt sind, ist eine Haftungszuordnung und Haftungsabgrenzung derzeit mit erheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden. Das Haftungsrisiko erhält noch eine weitere Dimension, wenn im Bereich der Heimversorgung die Neuverblisterung mit einem Arzneimittelrecycling gekoppelt wird.26 Ein solches ist im Regierungsentwurf des GKVWSG bereits für den Bereich der Betäubungsmittel in der Heimversorgung vorgesehen. IV. Versendung von Arzneimitteln Als letztes Themenfeld sei der Arzneimittelversand genannt. Der Gesetzgeber hat im Zuge des GKV-Modernisierungsgesetzes den Versandhandel mit Arzneimitteln für zulässig, jedoch erlaubnispflichtig erklärt (§§ 43 Abs. 1 AMG, 11a APoG). Besonderheiten mit haftungsrechtlicher Relevanz ergeben sich in diesem Bereich hinsichtlich der zu gewährleistenden Beratung und hinsichtlich der Qualitätsanforderungen, die an die Gewährleistung eines sicheren Arzneimittelversandes zu stellen sind. Kommt es zur Minderung der Qualität oder Wirksamkeit des Arzneimittels, weil ein sicherer Versand nicht organisiert wurde, oder wird ein benötigtes Arzneimittel mangels erforderlicher Vorkehrungen nicht rechtzeitig geliefert 26
Dazu Riemer, A&R 2006, 201.
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und tritt hierdurch ein Schaden ein, so begründet dies die Haftung des Apothekers. EU-Versand
In Bezug auf den Versandhandel von EU-Apotheken in die Bundesrepublik gilt das nationale Sicherheitsniveau allerdings nicht uneingeschränkt. Es fehlen in den Niederlanden z.B. Regelungen zum Versendungszeitraum (§ 11a Satz 1 Ziff. 3a ApoG), zu kostenfreien Zweitzustellung (§ 11a Satz 1 Ziff. 3b ApoG), zur Sendungsverfolgung (§ 11a Satz 1 Ziff. 3e ApoG) und zur Transportversicherung (§ 11a Satz 1 Ziff. 3f ApoG). Auch ein Qualitätssicherungssystem ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Ein weiteres Problem in diesem Bereich bildet die mangelnde Überprüfbarkeit durch deutsche Überwachungsbehörden.27 Qualitätssicherung
Im Interesse der Qualitätssicherung hat der Apothekenbetreiber, der eine Versandhandelserlaubnis begehrt, zu versichern, dass er die dort genannten Anforderungen erfüllt. Des Weiteren nennt § 17 Abs. 2a ApoBetrO die beim Arzneimittelversand erforderlichen Bestandteile der Qualitätssicherung. Verstöße stellen demnach eine vertragliche Pflichtverletzung dar. Das Qualitätssicherungssystem beinhaltet u.a., dass das Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert wird, dass seine Qualität und Wirksamkeit erhalten bleibt. Die Auslieferung muss entsprechend den Angaben des Auftraggebers und in angemessener Zeit erfolgen. Es muss die Möglichkeit für den Kunden bestehen, Beratung durch pharmazeutisches Personal einzuholen. Des Weiteren ist der Kunde darauf hinzuweisen, dass er mit dem behandelnden Arzt Kontakt aufnehmen soll, sofern Probleme bei der Anwendung des Arzneimittels auftreten. Weitere Anforderungen an die Qualitätssicherung sind ein System zur Sendungsverfolgung und der obligatorische Abschluss einer Transportversicherung. Das BMGS hat zur Qualitätssicherung Empfehlungen zum Versandhandel bekannt gemacht, die die Gestaltung von Informationen auf der Webseite, den Ausschluss von Arzneimittelgruppen für den Versand/elektronischen Handel und die logistische Komponente des Versandes (Versand einschließlich Transport und Aushändigung) erfassen.28 Der Erlass einer 27 28
Vgl. KG Berlin, A&R 2005, 23. Bekanntmachung von Empfehlungen zum Versandhandel und elektronischen Handel mit Arzneimitteln, BAnz vom 25.3.2004; vgl. auch Leitlinien der Bundesapothekerkammer zum Versandhandel mit Arzneimitteln vom 5.11.2003 (unter http://www.abda.de).
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Versandhandelsverordnung nach § 21 Abs. 2 ApoG ist seit 2004 geplant. Die Verordnung liegt jedoch bis heute nur im Entwurf vor. Sie beinhaltet u.a. den Ausschluss des Versandes bestimmter Arzneimittelgruppen, wenn von ihnen Gefahren für Dritte ausgehen können oder bei sehr kurzer Haltbarkeitsdauer. Impfstoffe sind nach dem Verordnungsentwurf vom Versand ausgenommen. Rücknahme von Arzneimitteln
Neben den geschilderten, mit dem Versand verbundenen organisatorischen, haftungsrechtlich für den Apotheker relevanten Risiken ist auf eine haftungsrelevante Problematik hinzuweisen, die mit der Wahrnehmung eines Widerrufsrechts beim Kauf von Arzneimitteln zusammenhängt. Sie führt zu der immer wieder diskutierten Problematik des „Arzneimittelrecyclings“, welches gerade im Bereich des Versandes zu beobachten ist. Eine Vielzahl der Apotheken mit Versandhandelserlaubnis erklären in ihren Online-Präsentationen, dass der Verbraucher ein Widerrufsrecht beim Kauf von Arzneimitteln habe. Einige Apotheken schränken dies auf den Kauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel ein. Nimmt der Apotheker das Arzneimittel vom Kunden zurück, so darf er dieses nicht erneut an andere Kunden abgeben.29 Denn der Apotheker kann zu einem Arzneimittel, das bereits abgegeben wurde und daher den Herrschaftsbereich der Apotheker verlassen hat, in der Regel keine Aussagen in Bezug auf die Qualität mehr treffen. Er weiß insbesondere nicht, ob der Patient das Arzneimittel ordnungsgemäß gelagert hat. Die Qualität eines Arzneimittels ist nur dann bis zum Ende der Laufzeit garantiert, wenn die Lagerung sachgemäß ist und die Lagerungshinweise für Arzneimittel berücksichtigt werden. Sachgemäß ist die Lagerung von Arzneimitteln nur solange, wie sie unter professioneller Kontrolle stattfindet. Nicht umsonst verlangt der Großhandel bei Retouren von den Apothekern eine schriftliche Erklärung, dass die zurückzunehmenden Arzneimittel sachgerecht gelagert wurden und den Einzugsbereich der Apotheke nicht verlassen haben.30 An den Kunden ausgehändigte Arzneimittel sind nicht mehr verkehrsfähig. Gibt sie der Apotheker an den pharmazeutischen Großhandel zurück, sind sie, da der Apotheker keine Angaben zur Verkehrsfähigkeit machen kann, gemäß § 7b der Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe abzusondern und der Vernichtung zuzuführen. Die Leitlinien für die 29 30
Vgl. Kieser, Apothekenrecht, S. 75. Vgl. Stellungnahme der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft vom 18.10.2004, DAZ 2004, 4866.
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gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln sehen ebenfalls vor, Arzneimittel, die den Verantwortungsbereich des Großhändlers verlassen haben, nur dann den Verkaufsbeständen zuzuordnen, wenn sie u.a. sich in den ungeöffneten Originalbehältnissen und in gutem Zustand befinden und bekanntermaßen ordnungsgemäß gelagert und gehandhabt wurden.31 Diesen Qualitätsstandard wird auch ein Apotheker zu erfüllen haben. Verletzt er ihn und kommt es infolge einer verminderten Qualität/Wirksamkeit im Haltbarkeitszeitraum des Arzneimittels zu einem Schaden des Verbrauchers, ist der Apotheker hierfür vertrags- und deliktsrechtlich verantwortlich. Ein solcher Standard kann indessen nur dort zu erfüllen sei, wo sich der Apotheker auch tatsächlich von der ordnungsgemäßen Lagerung überzeugen kann. Dies mag im Bereich der Krankenhausversorgung oder der Heimversorgung noch zutreffen, nicht jedoch beim anonymen Versandhandel.
D. Fazit Das dem AMG innewohnende Sicherheitssystem orientiert sich primär an den Gefahren, die einem Fertigarzneimittel innewohnen. § 84 AMG richtet sich daher auch nur an pharmazeutische Unternehmer, die Fertigarzneimittel in den Verkehr bringen. Das Interesse, im Gesundheitswesen Kosten einzusparen, hat jedoch zu Regelungen im Bereich der Verblisterung und Auseinzelung geführt, die das Haftungsregime für Fertigarzneimittel nicht mehr greifen lassen. Dadurch entstehen Haftungslücken. Andererseits ist eine stärkere Inanspruchnahme des pharmazeutischen Unternehmers im Bereich des „Off-Label-Use“ zu erwarten. Die Versicherungsbedingungen für die Probandenversicherung bedürfen nach wie vor einer Überarbeitung. Insbesondere ist die Einbeziehung des Schutzes Dritter sowie der Ausgleich immateriellen Schadens zu fordern. Besondere Haftungsrisiken für den Apotheker entstehen ferner im Bereich des Arzneimittelversandes in Bezug auf die Gewährleistung von Qualität, Wirksamkeit des Arzneimittels und der Rechtzeitigkeit seiner Lieferung. Berührt sein können auch Ansprüche Geschädigter durch unerlaubtes Arzneimittelrecycling.
31
Kloesel/Cyran, Kommentar, EU 23.
Entscheidungen der Gutachterkommission zur Arzneimitteltherapie
Ulrich Smentkowski
Der nachfolgenden Auswertung von Begutachtungsfällen, in denen die Gutachterkommission zu Vorwürfen vermuteter Behandlungsfehler im Zusammenhang mit einer Behandlung durch Arzneimittel gutachtlich Stellung zu nehmen hatte, liegen 115 im 5-Jahreszeitraum von 2001 bis 2005 entschiedene Fälle zugrunde, bei denen der Schwerpunkt auf der Geltendmachung von Gesundheitsschäden lag, die patientenseitig auf eine fehlerhafte medikamentöse Behandlung zurückgeführt wurden. Sie sind in der Datenbank der Gutachterkommission unter dem Hauptstichwort „BF Medikamente“ erfasst. Außerdem wurden aus dem genannten Zeitraum für die Ermittlung der Fallbeispiele weitere 136 Fälle berücksichtigt, bei denen der Schwerpunkt zwar auf einer anderen medizinischen Problematik lag, die Arzneimitteltherapie aber ebenfalls eine Rolle spielte. Es handelt sich also um eine zufällige Stichprobe aus einem ohnehin selektiven Datenbestand. Die Zahlen können deshalb weder einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben noch können sie als repräsentativ angesehen werden. Das Datenmaterial hat Frau Dr. med. Weber von der Geschäftsstelle der Gutachterkommission besorgt, der mein Dank für ihre Unterstützung gilt. Vorwürfe wegen fehlerhafter medikamentöser Behandlung sind im Vergleich zur Gesamtzahl der im Betrachtungszeitraum gutachtlich entschiedenen Fälle eher selten. Der Anteil der festgestellten 40 Behandlungsfehler an den 115 einschlägigen Begutachtungsfällen, d.h. die Behandlungsfehlerquote, liegt mit 34,8 Prozent etwa auf der Höhe des Durchschnittswertes (Abb. 1).
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Ulrich Smentkowski
Jahr
Bescheide
2001 2002 2003 2004 2005 gesamt
998 1.216 1.220 1.378 1.548 6.360
BF
Davon Arzneimitteltherapie
372 419 420 455 504 2.170 (34,12 %)
BF
10 25 16 32 32 115
3 6 4 15 12 40 (34,78 %)
Abb. 1. Behandlungsfehlervorwürfe in Bezug auf die Arzneimitteltherapie
Von Behandlungsfehlervorwürfen im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie waren im gewählten Zeitraum Ärzte einer Vielzahl medizinischer Fachgebiete betroffen, nämlich der Allgemeinchirurgie, der Allgemeinmedizin, der Anästhesiologie, der Augenheilkunde, der Chirurgie, der Dermatologie, der Geriatrie, der Gynäkologie und Geburtshilfe, der Inneren Medizin einschließlich Endokrinologie, Gastroenterologie, Kardiologie, Nephrologie, Pulmonologie und Rheumatologie, der Kinderheilkunde einschließlich Neonatologie, der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der Neurologie, der Orthopädie, der Plastischen Chirurgie, der Psychiatrie, der Radiologie, der Unfallchirurgie, der Urologie sowie Ärzte ohne Gebietsbezeichnung. Die Vorwürfe verteilten sich ziemlich gleichmäßig auf ambulante und stationäre Krankenhausbehandlungen sowie Behandlungen in der Praxis niedergelassener Ärzte (Abb. 2). Bescheide zur Arzneimitteltherapie
Ambulant
115
Stationär
48
Beides
58
9
Abb. 2. Verteilung ambulant/stationär
Die im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe lassen sich zu folgenden Fallgruppen zusammenfassen: Vorwürfe wegen 1. Unterlassens einer indizierten Arzneimitteltherapie 2. Gesundheitsschäden durch unsachgemäße Durchführung einer indizierten Arzneimitteltherapie (z.B. infolge unterlassener Anamneseerhebung vor Einleitung einer medikamentösen Behandlung, fehlerhafter (Über-/Unter-)Dosierung, zu kurzer oder zu langer Dauer, unterlassener Kontrollen, fehlerhafter Umstellung auf ein anderes Medikament, falscher Applikationsart, irrtümlicher Ver-
Entscheidungen der Gutachterkommission zur Arzneimitteltherapie
111
wechslung von Medikamenten, fehlerhafter Absetzung, Nichtbeachtung einer Kontraindikation sowie Nicht- bzw. nicht rechtzeitiger Absetzung bei Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen – UAW) unterlassener Sicherungs- oder Risikoaufklärung (Abb. 3).
3.
Fallgruppen
Unterlassen einer indizierten AM-Therapie Unsachgemäße Durchführung einer indizierten AM-Therapie durch unterlassene Anamneseerhebung vor Beginn Über-/Unterdosierung zu kurze/zu lange Dauer unterlassene Kontrollen fehlerhafte Umstellung falsche Applikationsart Medikamentenverwechslung Nicht- bzw. verspätete Absetzung bei UAW Unterlassene/unzureichende Sicherungs- oder Risikoaufklärung
Abb. 3. Fallgruppen
Eine besondere Stellung nehmen Behandlungen mit Antikoagulantien ein. Immerhin 30 der 115 ausgewerteten Begutachtungsverfahren zum Stichwort „BF Medikamente“ und 16 von 40 festgestellten Behandlungsfehlern entfielen auf vermutete oder tatsächlich festgestellte Versäumnisse im Zusammenhang mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten. Hierbei lag die Behandlungsfehlerquote mit 53,3 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. Die Darstellung der Aufklärungsproblematik bleibt dem Beitrag von Herrn Prof. Dr. Schoenemann vorbehalten, weshalb ich mich bei der folgenden Skizzierung einiger Beispielsfälle auf die ersten beiden Fallgruppen beschränke.
112
Ulrich Smentkowski
A. Unterlassung einer indizierten Arzneimitteltherapie -
-
-
-
Bei dem wegen einer Herzerkrankung unter ständiger MarkumarBehandlung stehenden Patienten unterblieb nach der zur Durchführung einer Schulteroperation eingeleiteten Markumar-Ersatztherapie mit niedermolekularem Heparin die bei einem Quickwertvon 100 Prozent bei Entlassung erforderliche sofortige Wiederaufnahme der Markumar -Therapie mit überlappender weiterer Heparingabe. Wegen einer deshalb eingetretenen Embolie der Arteria poplitea musste ein operativer Eingriff mit Embolektomie durchgeführt werden.1 Bei Zustand nach Schilddrüsenentfernung (Hemithyreoidektomie links und near total-Resektion rechts) erfolgte für 14 Tage fehlerhaft keine Hormonersatztherapie. Ein Gesundheitsschaden trat nicht ein.2 Nach Implantation einer Hüfttotalendoprothese und Revisionsoperation nach elf Tagen war eine medikamentöse Ossifikations-Prophylaxe – ergänzt durch Röntgenbestrahlung in niedriger Dosierung – geboten, welche die hier eingetretene Entwicklung ektoper Ossifikationen und die darauf beruhende schmerzhafte Bewegungseinschränkung zumindest in ihrem Ausmaß hätte begrenzen können3. Nach operativer Korrektur einer Penis-Deviation unterblieb die erforderliche erektionsprotektive medikamentöse Behandlung. Ob das Rezidiv der Penisverkrümmung bei sachgerechtem Vorgehen vermieden worden wäre, konnte nicht mit der hierfür erforderlichen Sicherheit festgestellt werden4.
B. Unzureichende Kontrollen -
1 2 3 4 5
Im Verlauf der nach einer Herzklappenoperation erforderlichen Heparintherapie unterblieben die gebotenen engmaschigen Kontrollen der partiellen Thromboplastinzeit (PTT). Infolge des deshalb unbemerkt eingetretenen Anstiegs der PTT und der Unterlassung der gebotenen Dosisreduzierung der Heparingaben verstarb die Patientin an den Folgen hierdurch verursachter Lungen- und Hirnblutungen5.
Fall Nr. 2000/0758. Fall Nr. 2003/0099. Fall Nr. 2004/0698. Fall Nr. 2005/0291. Fall Nr. 2000/0195.
Entscheidungen der Gutachterkommission zur Arzneimitteltherapie -
113
Wegen unzureichender Kontrollen über drei Wochen sank der Quickwert unbemerkt auf 6 Prozent ab. Es kam zur Entwicklung eines ausgedehnten retroperitonealen Hämatoms6.
C. Fehlerhafte Dosierung -
-
-
-
6 7 8 9 10
Der Patient erhielt zur Behandlung einer trotz adäquater medikamentöser Thromboseprophylaxe eingetretenen tiefen Unterschenkelvenenthrombose niedermolekulares Heparin in unzureichender therapeutischer Dosierung. Nach ausgedehnter Thrombektomie verblieb ein postthrombotisches Syndrom7. Bei Zustand nach Nieren- und Pankreastransplantation der an einem juvenilen Diabetes mellitus und terminaler Niereninsuffizienz leidenden dialysepflichtigen Patientin wurde die immunsuppressive Behandlung mit Prograf® (Tacrolismus) deutlich unterdosiert. Die Ursächlichkeit dieses Fehlers für die Abstoßung des Pankreas- transplantats war aber nicht festzustellen, weil diese bereits vor Reduzierung des Tacrolismus-Wirkstoffspiegels eingesetzt hatte8. Im Rahmen der indizierten Chemotherapie eines Wilms-Tumors (malignes Nephrom) wurde an zwei Tagen irrtümlich die 10fache Dosis von Actinomycin D – einem zytotoxischen Antibiotikum – verabfolgt, was neben der positiven Wirkung einer deutlichen Verkleinerung des Tumors zu ausgeprägten Nebenwirkungen mit erheblicher Einschränkung des Allgemeinzustandes führte9. Es war grob fehlerhaft, den 21-jährigen Patienten wegen Neurodermitis über 17 Monate mit Dexamethason – einem Glukokorikoid – in deutlich über der Cushing-Schwelle liegender Dosierung zu behandeln. Wegen als Folge der Fehlbehandlung u.a. aufgetretener beidseitiger Hüftkopfnekrosen mussten Hüfttotalendoprothesen implantiert werden10.
Fall Nr. 2001/0524. Fall Nr. 2000/0383. Fall Nr. 2000/0615. Fall Nr. 2002/0008. Fall Nr. 2004/0176.
114
Ulrich Smentkowski
D. Fehlerhafte/unterlassene Umstellung der Arzneimitteltherapie -
-
Vor Durchführung einer geplanten ambulanten Koloskopie mit Probeentnahmen unterblieb die gebotene Umstellung von Markumar auf Heparin. Bei Aufnahme ins Krankenhaus wegen einer dabei eingetretenen Sigmaperforation war der Quickwert bei 0 Prozent. Es wurde sofort PPSB – ein Prothrombin-Komplex – gegeben, um die gerinnungshemmende Wirkung aufzuheben. Hierunter kam es zum thrombotischen Verschluss eines femoro-politealen Bypasses, weshalb eine Thrombektomie erfolgte11. Die ohne Rücksprache mit dem Hausarzt vorgenommene ersatzlose Beendigung der wegen eines Wolff-Parkinson-White-Syndroms zu Recht eingeleiteten Langzeittherapie mit Rytmonorm® hatte eine zunächst episodenhafte, später kontinuierliche Tachyarrhythmia absoluta mit Verschlechterung des Allgemeinzustandes zur Folge12.
E. Falsche Applikationsart -
Anstelle oraler Schmerzmittelgabe erfolgten innerhalb von 28 Stunden zur Behandlung starker Rückenschmerzen nach transrektaler StanzBiopsie der Prostata fünf nicht zwingend indizierte intramuskuläre Injektionen von Diclofenac. Es entwickelten sich ein Glutaealabszess und eine nektrotisierende Fasziitis beider Beine, an deren Folgen der Patient verstarb13.
F. Nichtbeachtung einer Kontraindikation -
-
11 12 13 14
Der Patient erhielt trotz bekannter Überempfindlichkeit gegen Diclofenatc wegen Kniebeschwerden das nichtsteroidale Antirheumatikum Ibuprofen, was zu einem schweren Status asthmaticus und zu einem allergischen Schock führte14. Trotz bekannter Co-trimoxazol-Allergie erhielt die Patientin das Präparat Cotrim® zur Behandlung eines Harnwegsinfekts. Als vorübergeFall Nr. 2002/1101. Fall Nr. 2002/1343. Fall Nr. 2003/1730. Fall Nr. 2002/1159.
Entscheidungen der Gutachterkommission zur Arzneimitteltherapie
-
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hender Gesundheitsschaden trat eine Überempfindlichkeitsreaktion auf, die eine kurzzeitige intensivmedizinische Therapie erforderte15. Bei drittgradigem AV-Block war die Verordnung des Antiarrhythmikums Digitoxin kontraindiziert. Der Tod der Patientin war aber nicht ursächlich auf diesen Fehler zurückzuführen16.
G. Medikamentenverwechslung -
Der multimorbide Patient erhielt versehentlich anstelle der vorgesehenen Dosierung von 10 mg Morphium eine Tablette MST 100. Die einmalige Überdosierung führte nicht zu einem Gesundheitsschaden.
H. Nichtabsetzung bei UAW -
-
-
15 16 17 18 19
Der beschuldigte Arzt unterließ den gebotenen sofortigen Abbruch einer wegen aktiver Polyarthritis indizierten, aber unzureichend überwachten Behandlung mit Azufildine® RA, nachdem als unerwünschte Nebenwirkung eine deutliche Leukozytopenie eintrat. Der Schaden bestand in der Entwicklung einer Neutropenie mit Sepsis, die einen stationären Krankenhausaufenthalt erforderlich machte17. Unter Langzeittherapie des Diabetes mellitus Typ II mit Metformin entwickelte sich eine chronische Durchfallerkrankung. Es wurde versäumt, als deren Ursache den Wirkstoff in Betracht zu ziehen und einen Auslassversuch zu unternehmen18. Ohne konsiliarische Mitbehandlung durch einen Psychiater war die Langzeitbehandlung mit dem Neuroleptikum Imap® (Fluspirilen), die zu erheblichen Nebenwirkungen (Müdigkeit, Schwindel, depressiven Zuständen) geführt hatte, nicht angezeigt19.
Fall Nr. 2003/0355. Fall Nr. 2003/1461. Fall Nr. 2002/0178. Fall Nr. 2002/1269. Fall Nr. 2004/1178.
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Ulrich Smentkowski
I. Zusammenfassung Vorwürfe wegen fehlerhafter Arzneimitteltherapie sind in den Verfahren vor der Gutachterkommission zwar zahlenmäßig relativ gering, haben aber im Hinblick auf die Häufigkeit der festgestellten Behandlungsfehler und die auf ihnen beruhenden teils schweren dauerhaften Gesundheitsschäden der betroffenen Patienten nicht unerhebliche Bedeutung. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der fehlerhaften Behandlung mit Antikoagulantien.
Aufklärungspflicht in der Arzneimitteltherapie aus der Sicht der Gutachterkommission
Julius Schoenemann
Wo eine wirksame Arzneimitteltherapie betrieben wird, gibt es UAW. Sie sind häufig und vielfach unvermeidlich. Sie sind Gegenstand der Aufklärung. Die Daten über UAW werden nach dem Arzneimittelgesetz vom 1.1.1978 im Paul Ehrlich Institut, in der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gesammelt. In Deutschland sind etwa 2 – 9 % aller Krankenhausaufnahmen durch UAW verursacht. Und bis zu 25 % aller Krankenhauspatienten erleiden z.T. unvermeidliche UAW.1 Im Gegensatz zum häufigen Vorkommen unerwünschter AW steht die geringe Zahl von Behandlungsfehleranträgen im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie bei den Gutachterkommissionen (GAK) und Schlichtungsstellen. Ich beziehe mich auf die von Herrn Smentkowski aus der Gutachterkommission bei der Ärztekammer Nordrhein vorgetragenen Daten. Hier besteht also eine ausgesprochene Diskrepanz zwischen der Häufigkeit von UAW und ihrer Wahrnehmung durch die Patienten. Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie sind aber nicht nur Aufklärungsmängel in Bezug auf UAW, sondern weitaus häufiger Indikationsfehler, Dosierungsfehler, Verabreichung zum falschen Zeitpunkt, Unterlassung einer gebotenen Medikation, fehlende Darstellung von Behandlungsalternativen, Fehler in der Darreichungsform. Hierüber kann naturgemäß nicht aufgeklärt werden. Nicht einbezogen sind in diese Aufstellung sozusagen technische Behandlungsfehler bei Injektionen und Infusionen, die nicht primär mit dem verabreichten Arzneimittel, sondern mit der technischen Durchführung der Verabreichung zusammenhängen. Am häufigsten wurden Anträge im Zusammenhang mit der Antikoagulantientherapie gestellt, gefolgt von Antibiotika, Psychopharmaka und Gluko1
Schoenemann, J., K.-H. Munter, S. Enayati-Kashani: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen in der Klinik. Dtsch.med.Wschr. 1998, 123, 448 – 452.
118
Julius Schoenemann
kortikoiden. Die meisten Behandlungsfehler werden im Zusammenhang mit Antikoagulantien, Antibiotika, Östrogenen und Antiarrhythmika festgestellt. Aufklärungsmängel in Bezug auf die Arzneimitteltherapie wurden in nur 0,13 % aller Anträge festgestellt. 7-mal betraf das die Risikoaufklärung und 4-mal die Sicherungsaufklärung. An den Aufklärungsmängeln sind niedergelassene und Klinikärzte etwa zu gleichen Teilen beteiligt. Beispiel 1: Unterlassene Risikoaufklärung Wegen einer komplexen Herzrhythmusstörung, die mit mehreren Antiarrhythmika nicht zuverlässig beseitigt werden konnte, wurde ein Mitte 60-jähriger Mann auf Cordarex® (Amiodaron) in therapeutischer Dosis eingestellt. Er wurde über die Notwendigkeit kardiologischer Kontrollen und Kontrollen der Schilddrüsenfunktion und der Leberenzyme aufgeklärt. Die Behandlung hatte Erfolg und die Medikation wurde über mehrere Jahre fortgesetzt. Drei Jahre später trat an den belichteten Hautpartien eine graublaue Verfärbung ein, eine Pseudozyanose, infolge abgelagerten Lipofuszins, eine sehr seltene UAW, deren Häufigkeit mit unter 1 % angegeben wird. Darüber war der Patient nicht aufgeklärt worden. Glücklicherweise ist die Lipofuszineinlagerung – wenn auch nach Jahren – reversibel, so dass es sich um einen vorübergehenden Gesundheitsschaden handelt. Beispiel 2: Unterlassene Sicherungsaufklärung Wegen Vorhofflimmerns war ein 66-jähriger Mann mit Markumar® antikoaguliert. Wegen eines Quickanstiegs auf 53 %, also über den therapeutischen Wert hinaus, verordnete der betreuende Arzt kurz vor seinem Urlaubsantritt drei Tabletten Markumar® täglich, ohne den Patienten und den weiter betreuenden Hausarzt über die Notwendigkeit kurzfristiger Gerinnungskontrollen und der Dosisanpassung zu unterrichten. Der Patient nahm über zwei Wochen die überhöhte Dosis ein. Es kam zu einer massiven Darmblutung mit hämorrhagischem Schock. Der Quick war auf < 10 % abgesunken. Hier handelt es sich um die Kombination eines Behandlungsfehlers wegen der überhöhten Markumardosis ohne Gerinnungskontrolle und Verletzung der Pflicht zur Sicherungsaufklärung, weil weder Patient noch Arzt über die Notwendigkeit einer sachgerechten Weiterbehandlung aufgeklärt worden waren. Insgesamt wurde ein grober Behandlungsfehler festgestellt. Infolge der dadurch eingetretenen Beweislastumkehr wurde der Kausalzusammenhang bejaht.
Aufklärungspflicht in der Arzneimitteltherapie
119
Zwar wird in den Behandlungsfehler-Anträgen nur sehr selten die Aufklärung in Bezug auf Medikamente bemängelt. Aus der Sicht der GAK ist aber dennoch festzustellen, dass eine Aufklärung in Bezug auf Medikamente vielfach nicht dokumentiert ist, so dass nicht erkennbar ist, ob sie denn stattgefunden hat. Studien über die Aufklärungsdokumentation bei Arzneimitteln, aus denen exakte Zahlen zu entnehmen wären, gibt es meines Wissens nicht. Aus der Durchsicht von Tausenden Krankenakten sowohl aus stationärer als auch aus ambulanter Behandlung kann man aber etwa Folgendes ableiten: Dokumentiert ist in der Regel eine detaillierte Aufklärung bei Zytostatika. Hierzu werden meistens Formulare benutzt, die von Patient und Arzt gegengezeichnet werden. Auch bei der Insulinbehandlung und mit Abstrichen bei der Antikoagulation und bei Langzeitmedikationen von Glukokortikoiden und Immunsuppressiva finden sich vielfach Einträge über eine stattgehabte Risikoaufklärung. Auch über die Risiken der Sedoanalgesie bei ambulanten Eingriffen und Endoskopien, z.B. die Fahruntüchtigkeit, wird in der Regel – oft anhand eines Formulars – aufgeklärt, auch wenn nicht alle Patienten sich an das Fahrverbot halten. Mangelhaft sind aber Aufklärungsdokumentationen bei „üblichen“, aber durchaus nebenwirkungsträchtigen Medikamenten wie z.B. Antibiotika, nichtsteroidale Antirheumatika, Analgetika, Herz-Kreislaufmittel und viele andere. Das beweist nicht unbedingt, dass überhaupt keine Risiko- oder ggf. Sicherungsaufklärung stattgefunden hat. Bei fehlender Dokumentation muss der Gutachter im Schadensfall aber davon ausgehen, dass eine Aufklärung unterblieben ist. Wie mangelhaft die Dokumentation im Allgemeinen ist, geht aus einer kürzlich im Ärzteblatt veröffentlichten Studie der Schlichtungsstelle der Norddeutschen Ärztekammern hervor, die noch nicht einmal einem Drittel aller Krankenakten eine durchgehend korrekte Dokumentation bescheinigt2. Die Aufklärungspflicht des Arztes in der Arzneimitteltherapie ist klar definiert. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten erfordert eine angemessene Aufklärung, ohne die eine wirksame Einwilligung des Kranken in eine Behandlung nicht erfolgen kann. Und an diesem Punkt stoßen sich Wunsch und Wirklichkeit der Arzneimitteltherapie hart im Raume. Die Forderungen nach umfassender Auf2
Püschmann H. et al.: Reproduzierbarkeit von Aufklärungsgesprächen. Dtsch. Ärzteblatt 2006, 103, 104 – 108.
120
Julius Schoenemann
klärung und die Wirklichkeit des Medizinbetriebs gehen hier weit auseinander. Von ärztlicher Seite wird eingewandt, eine umfassende Aufklärung über die Risiken der Arzneitherapie sei illusorisch. Jeder über 60-jährige in Deutschland nimmt im Durchschnitt etwa drei bis vier Medikamente ein, Krankenhauspatienten unter Umständen das Mehrfache. Auch müssen ja im Krankenhaus Medikamente häufig gewechselt werden, was die Zahl der Interaktionen und damit der möglichen UAW, über die aufgeklärt werden müsste, ins nahezu Uferlose steigert. Eine umfassende Aufklärung sei im ärztlichen Routinebetrieb daher gar nicht durchführbar, sie sei schlechthin nicht praktikabel. Auch wird eingewandt, von Seiten der Patienten bestehe vielfach kein Bedürfnis, über alle Risiken der Arzneimitteltherapie aufgeklärt zu werden. Die geringe Anzahl diesbezüglicher Anträge bei den GAK scheint dieser Ansicht Recht zu geben. Aufklärung wird aber auch noch aus einem anderen Grund vernachlässigt. Ärzte sehen meistens keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Indikation einer Medikation und der Einwilligung eines vernünftigen Patienten. Juristen sehen das anders. Für sie steht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten im Vordergrund. Aufklärung hat das Ziel, dem Patienten eine zutreffende Vorstellung von den Risiken einer Behandlung zu vermitteln und dadurch eine wirksame Einwilligung herbeizuführen. Unbestritten ist der Grundsatz, dass eine Aufklärung umso umfassender sein muss, je gefährlicher ein Medikament ist. Über die Aufnahmefähigkeit und die Reproduzierbarkeit der ärztlichen Aufklärung gibt es umfassende Untersuchungen. Sie kommen alle zu dem gleichen Ergebnis, dass nämlich nur ein Teil der Patienten den Inhalt der Aufklärung aufnehmen und sich später daran erinnern kann. Eine aktuelle Studie zu diesem Thema aus der Rechtsanwaltspraxis Ulsenheimer und Friedrich in einer Augen- und einer Unfallklinik in München3 hat kürzlich die Reproduzierbarkeit der im präoperativen Aufklärungsgespräch vermittelten Informationen untersucht. Bei allen Patienten war das Erinnerungsvermögen an die Aufklärung sehr lückenhaft. Sieben Tage nach einem Aufklärungsgespräch konnten sich nur noch 12,6 – 43,5 % der Patienten daran erinnern, worüber sie aufgeklärt worden waren. Diese Ergebnisse mahnen zur Bescheidenheit, wenn wir über Wunsch und Wirklichkeit der Aufklärung in der Arzneimitteltherapie diskutieren.
3
Kayer, M.C., Y. v. Harder, B. Friemert, M. Scherer: Patientenaufklärung – Fakt und Fiktion. Chirurg 2006, 77, 139 – 149.
Aufklärungspflicht in der Arzneimitteltherapie
121
In welcher Form Arzneimittelaufklärung im Krankenhaus überhaupt dokumentiert werden kann, ist nicht geklärt. Da Aufklärung immer individuell sein muss, reichen pauschale Verweise auf „Waschzettel“ oder andere Arzneimittelinformationen nicht aus. „Waschzettel“ sind vielfach mit auch sehr seltenen UAW überfrachtet und vermitteln dem Patienten dadurch eine Horrorvorstellung von der Gefährlichkeit eines Medikaments. Sie fördern die Bereitschaft zur regelmäßigen Einnahme von Medikamenten nicht gerade. Das aufklärende Gespräch kann dem entgegenwirken. Verschiedene Verlage bieten Formblätter für einzelne Medikamente und Medikamentengruppen an, die aber selten benutzt werden. Aufklärung ist nicht nur aus juristischer, sondern auch aus ärztlicher Sicht geboten. Jede Behandlung eines Kranken setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Arzt voraus. Das Aufklärungsgespräch ist eine wichtige, vielleicht die wichtigste Voraussetzung für ein Zusammenwirken beider, auch in der Arzneimitteltherapie.
Teilnehmerverzeichnis
Alberts, Dr. Martin Rechtsanwalt Schützenstr. 10, 59071 Hamm Albrecht, Joachim Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Bartels, Dr. Horst Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Baumhackel, Monika Rechtsanwältin Moltkestr. 54, 74076 Heilbronn Baxhenrich, Dr. Bernhard Rechtsanwalt Salzstr. 21 a, 48143 Münster Bock, Miriam Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Borowka, Jürgen Rechtsanwalt Am Fröschgraben 2a, 97437 Haßfurt Boss, Heidi Rechtsanwältin Fahrgasse 91 – 95, 60311 Frankfurt
130
Teilnehmerverzeichnis
Braeutigam, Horst Rechtsanwalt Zehntstr. 1, 97421 Schweinfurt Corinth, Annette Rechtsanwältin Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Cramer, Dr. Sebastian Rechtsanwalt Neuer Wall 18, 20354 Hamburg Dautert, Dr. Ilse Rechtsanwältin Kastanienallee 20, 26121 Oldenburg Dymke, Dr. Andreas Rechtsanwalt Böhmerstr. 16, 54290 Trier Ellen, Dirk van Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Fabian, Heinz-Peter Rechtsanwalt Seminarstr. 1 A, 49074 Osnabrück Feifel, Dr. Eckart Rechtsanwalt Wegenerstr. 5, 71063 Sindelfingen Fischer, Klaus Rechtsanwalt Speicherlinie 40, 24937 Flensburg Gerber, Tobias Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold
Teilnehmerverzeichnis
Grunert, Eva Rechtsanwältin Frankfurter Str. 14, 64293 Darmstadt Hassel, Jana Rechtsanwältin Potsdamer Platz 11, 10785 Berlin Hassert, Dr. Esther Rechtsanwältin Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Hast, Lorenz Rechtsanwalt Münsterstr. 9, 59065 Hamm Hertwig, Dr. Volker Rechtsanwalt Contrescarpe 10, 28203 Bremen Heynemann, Jörg Rechtsanwalt Bundesplatz 8, 10715 Berlin Hoff, Alexandra Rechtsanwältin Königsallee 14, 40212 Düsseldorf Holtheide, Elisabeth Ärztekammer Nordrhein, Ethikkommission Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Hopf, Dr. Günter Ärztekammer Nordrhein Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Hüwe, Dirk Rechtsanwalt Westenhellweg 40 – 46, 44137 Dortmund
131
132
Teilnehmerverzeichnis
Jorzig, Dr. Alexandra Rechtsanwältin Westenhellweg 40 – 46, 44137 Dortmund Jungbecker, Dr. Rolf Rechtsanwalt Erbprinzenstr. 8, 79098 Freiburg Karthaus, Iris Rechtsanwältin Schützenstr. 10, 59071 Hamm Kretschmann, Dr. Martin Rechtsanwalt III. Hagen 30, 45127 Essen Lenzen, Dr. Rolf Rechtsanwalt Merlostr. 2, 50668 Köln Lersch, Elmar Rechtsanwalt Zehnerstr. 29, 53498 Bad Breisig Lodde, Dr. Paul Rechtsanwalt Westfalenstr. 173a, 48165 Münster Maeder, Helmar Rechtsanwalt Eppendorfer Baum 6, 20249 Hamburg Makiol, Hans-Joachim Rechtsanwalt Erftstr. 78, 41460 Neuss Mansfeld-Nies, Dr. med. Regina Fachärztin für Anästhesiologie Freudenberger Str. 448, 57072 Siegen
Teilnehmerverzeichnis
Maurer, Dr. Michael Rechtsanwalt Zehnthofstr. 9, 52349 Düren Mertens, Anja AOK-Bundesverband Kortrijker Str. 1, 53177 Bonn Meyer-Kueppers, Meike Franziska AXA Versicherung AG Colonia-Allee 10 – 20, 51067 Köln Meyle, Eva Sonnenberg-Apotheke Heidelberger Str. 29, 74080 Heilbronn Meyle, Rüdiger Rechtsanwalt Moltkestr. 10, 74072 Heilbronn Nelleßen, Claudia Rechtsanwältin Zillertaler Str. 7, 47249 Duisburg Otto, Reinhold Rechtsanwalt und Notar Bahnstr. 1, 34431 Marsberg Peltzer, Helmut Rechtsanwalt Rathenaustr. 2, 30159 Hannover Pesch, Rainer Rechtsanwalt Rudolf-Renner-Str. 33, 01159 Dresden Pestalozza, Professor Dr. Christian von Freie Universität Berlin Van´t-Hoff-Str. 8, 14195 Berlin
133
134
Teilnehmerverzeichnis
Petersilie, Frank Rechtsanwalt Uerdinger Str. 64, 40474 Düsseldorf Petry, Michael Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Porstner, Thomas Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. Friedrichstr. 148, 10117 Berlin Quadt-Kauerz, Brigitte Gothaer Allgemeine Versicherung Gothaer Allee 1, 50969 Köln Raible, Peter Rechtsanwalt und Notar Bundesallee 213/214, 10719 Berlin Riepe, Wolfgang Rechtsanwalt Lange Str. 1, 38100 Braunschweig Rust, Helge Rechtsanwalt Wiener Platz 4, 51065 Köln Saalfrank, Dr. Valentin Rechtsanwalt Berrenrather Str. 393, 50937 Köln Schallemacher, Dr. Rainer Rechtsanwalt Schwanallee 10, 35037 Marburg Scheben, Barbara Rechtsanwältin Oxfordstr. 21, 53111 Bonn
Teilnehmerverzeichnis
Schmidt, Peter M. Rechtsanwalt Königsallee 14, 40212 Düsseldorf Schoenemann, Prof. Dr. Julius Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Schröder, Dr. med. Erich SCHWARZ PHARMA Deutschland GmbH Alfred-Nobel-Str. 10, 40789 Monheim Schünemann, Dr. Hermann Rechtsanwalt Hannoversche Str. 57, 29221 Celle Schütz, Petra Gothaer Allgemeine Versicherung Gothaer Allee 1, 50969 Köln Schwarz, Wolfgang K. Rechtsanwalt Colombistr. 17, 79098 Freiburg Schwarz-Schilling, Gabriela Rechtsanwältin und Notarin Marburger Str. 2, 57223 Kreuztal Selbitz, Andreas Rechtsanwalt Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Sessel, Alexander Rechtsanwalt Quagliostr. 7, 81543 München Singer, Dr. med. Ingeborg MDK in Bayern Würzburger Landstr. 7, 91522 Ansbach
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136
Teilnehmerverzeichnis
Smentkowski, Ulrich Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Smets, Matthias AXA Versicherung AG Colonia-Allee 10 – 20, 51067 Köln Stegers, Christoph-M. Rechtsanwalt Märkisches Ufer 28, 10179 Berlin Steldinger, Beate Rechtsanwältin Quagliostr. 7, 81543 München Tadayon, Ajang Rechtsanwalt Kurfürstenstr. 31, 14467 Potsdam Teichner, Matthias Rechtsanwalt Alsterarkaden 12, 20354 Hamburg Teipel, Frank Rechtsanwalt und Notar Bundesplatz 8, 10715 Berlin Thimm, Hans-Joachim Barmer Ersatzkasse Lichtscheider Str. 89, 42285 Wuppertal Uphoff, Dr. Roland Rechtsanwalt Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Urschbach, Dr. Roland Rechtsanwalt Adam-Karrillon-str. 23, 55118 Mainz
Teilnehmerverzeichnis
Vierling, Anke Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Wagner, Dorothea Rechtsanwältin Rudolf-Virchow-Str. 11, 56073 Koblenz Walter, Prov.-Doz. Dr. Ute Rechtsanwältin Maximiliansplatz 12, 80333 München Weber, Dr. Beate Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Weltin, Mechthild Rechtsanwältin Königsallee 14, 40212 Düsseldorf Wemhöner, Dr. Gabriele Rechtsanwältin Ostring 15, 59065 Hamm Wendt, Martin Rechtsanwalt Kaiserstr. 25 A, 66111 Saarbrücken Wenzel, Dr. Frank Rechtsanwalt Am Hof 34 – 36, 50667 Köln Wessels, Dr. Ulrich Rechtsanwalt Spiekerhof 35/37, 48143 Münster Wiegand, Jochen Rechtsanwalt Leopoldstr. 10, 44147 Dortmund
137
138
Teilnehmerverzeichnis
Winter, Prof. Dr. Ulrich Frintroper Str. 42, 45359 Essen Wostry, Harald Rechtsanwalt Zweigertstr. 55, 45130 Essen Zimmer, Holger Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold
Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen Anspruch, Praxis, Perspektiven 1990. X, 174 S. ISBN 978-3-540-52774-9
Die ärztliche Behandlung im Spannungsfeld zwischen kassenärztlicher Verantwortung und zivilrechtlicher Haftung 1992. VIII, 144 S. ISBN 978-3-540-55438-7
Die Budgetierung des Gesundheitswesens Wo bleibt der medizinische Standard? 1997. X, 163 S. ISBN 978-3-540-63071-5
Zulassung und Praxisverkauf Ist das GSG partiell verfassungswidrig? 1997. VIII, 199 S. ISBN 978-3-540-63502-4
Arzneimittel und Medizinprodukte Neue Risiken für Arzt, Hersteller und Versicherer 1997. XII, 201 S. ISBN 978-3-540-63500-0
Krankenhaus im Brennpunkt Risiken – Haftung – Management 1997. VIII, 194 S. ISBN 978-3-540-63505-5
Medizinische Notwendigkeit und Ethik Gesundheitschancen in Zeiten der Ressourcenknappheit 1999. VIII, 187 S. ISBN 978-3-540-64855-0
Medizin und Strafrecht Strafrechtliche Verantwortung in Klinik und Praxis 2000. VIII, 189 S. ISBN 978-3-540-66631-8
Risiko Aufklärung Schmerzensgeld trotz Behandlungserfolg – Wohin führt die Rechtsprechung? 2001. XII, 180 S. ISBN 978-3-540-41765-1
Waffen-Gleichheit Das Recht in der Arzthaftung 2002. X, 177 S. ISBN 978-3-540-41800-9
Leitlinien, Richtlinien und Gesetz Wieviel Reglementierung verträgt das Arzt-Patienten-Verhältnis 2003. X, 157 S. ISBN 978-3-540-00039-6
Ärztliche Behandlung an der Grenze des Lebens Heilauftrag zwischen Patientenautonomie und Kostenverantwortung 2004. X, 199 S. ISBN 978-3-540-20570-8
Globalisierung in der Medizin Der Einbruch der Kulturen in das deutsche Gesundheitswesen 2005. X, 176 S. ISBN 978-3-540-23486-9
Arzthaftungsrecht – Rechtspraxis und Perspektiven 2006. IX, 193 S. ISBN 978-3-540-28418-5
Dokumentation und Leitlinienkonkurrenz – die Verschriftlichung der Medizin 2007. X, 143 S. ISBN 978-3-540-46565-2