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Schriftenreihe Medizinrecht
Herausgegeben von Professor Dr. Andreas Spickhoff, Regensburg
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MedR
Schriftenreihe Medizinrecht
Herausgegeben von Professor Dr. Andreas Spickhoff, Regensburg
Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. Herausgeber
Dokumentation und Leitlinienkonkurrenz – die Verschriftlichung der Medizin Schriftleitung Thomas Ratajczak · Christoph-M. Stegers Mit Beiträgen von B. Baxhenrich, S. Classen, I. Dautert, L. Figgener, M. Follmann, A. Jorzig, H.-F. Kienzle, N. Pohlmann, J. Taupitz, R. Uphoff
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Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. Wegenerstr. 5 71063 Sindelfingen Schriftleitung: RA Dr. Thomas Ratajczak Wegenerstr. 5 71063 Sindelfingen RA Christoph-M. Stegers Märkisches Ufer 28 10179 Berlin
ISSN 1431-1151 ISBN-10 3-540-46565-0 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-46565-2 Springer Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Text und Abbildungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Verlag und Autor können jedoch für eventuell verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg SPIN 11894582
64/3100/YL – 5 4 3 2 1 0
Gedruckt auf säurefreiem Papier
Vorwort
Das Gesundheitswesen zeichnet sich durch eine immer stärker zunehmende Regelungsdichte und Verschriftlichung aus. Dass diese kaum umkehrbare Tendenz der Qualität und der Sicherheit des Patienten dienen soll, ist unstrittig, dass sie diese Ziele erreicht, zumindest zweifelhaft. Die Handlungsvorgaben der Medizin sind inzwischen vielfach schriftlich niedergelegt. Die ärztliche Aufzeichnung, die schriftliche Kommunikation mit den Akteuren des klinischen Betriebes und das Berichtswesen sind integraler Bestandteil der medizinischen Leistungserbringung selbst geworden. Während noch vor einer Generation der Satz „medicus non scriptor est“ zu hören war, werden heutzutage alle wesentlichen Schritte vom Notruf bis zur Entlassung handschriftlich oder elektronisch gestützt aufgezeichnet. Neben der Behandlungs- und Pflegedokumentation stehen die betriebsinterne Leistungserfassung und die Bewältigung externer Anfragen der verschiedenen Einrichtungen des Sozialstaats. Ein erheblicher Anteil der ärztlichen und pflegerischen Tätigkeit – die Schätzungen liegen in Deutschland bei ca. 30 %, in Schweden gehen sie gegen 50 % – besteht aus der Dokumentation medizinischer Daten und Aktionen. Zwar soll die Behandlungsdokumentation medizinischen Zwecken dienen und ist daher nur notwendig, soweit sie ohne Informationsverlust einer fachgerechten Versorgung in allen Phasen innerhalb eines hocharbeitsteiligen Systems dient, doch wird ihr Umfang von der haftungsrechtlichen Diskussion mitbestimmt. Die Beiträge dieses Tagungsbandes liefern ein Bild hiervon. Während Classen einen aufwendigen differentialdiagnostischen Ablauf in einer gynäkologischen Praxis exemplifiziert, arbeiten die Beiträge von Dautert und Jorzig den für die Rechtspraxis wichtigen Stand der Diskussion zur Haftung für fehlerhafte Befunddokumentation und zur Haftung für fehlerhafte Aufklärungsdokumentation heraus. Gefahren der Manipulation einer Dokumentation zeigen die Aufsätze von Baxhenrich und Pohlmann auf, wobei der Beitrag von Pohlmann belegt, dass für den Experten nichts ein Problem ist, für Befürchtungen in der realen Klinikwelt aber die Grundlage fehlt. Figgener formuliert deutlich sein Unbehagen an den Unwägbarkeiten und Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Dokumentation der Auf-
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Vorwort
klärung. Ohne diese grundsätzlich in Frage zu stellen, warnt er eindringlich davor, die Anforderungen zu überspannen. Die für die Aufzeichnung seiner Leistungen aufgewendete Zeit fehle dem Arzt bei der Zuwendung gegenüber dem Patienten. Die Jurisprudenz greift als normative Wissenschaft auf strukturierende Vorgaben der Medizin zurück. Leitlinien autorisierter Institutionen sind unterhalb von Gesetz und Verordnung angesiedelt. Obwohl keine verbindliche Rechtsquelle, prägen sie zunehmend den klinischen Alltag. Die Beiträge von Follmann und Taupitz greifen die Frage nach der Leitlinienkompetenz und der Verbindlichkeit unterschiedlicher Leitlinien auf. Vor dem Hintergrund inflationärer Tendenzen in der Veröffentlichung von Leitlinien differenziert Taupitz deren Verbindlichkeit für den Arzt und arbeitet ihre Bedeutung für den Arzthaftungsprozess heraus. Der Gesetzgeber hat dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen die Rolle zugewiesen, für die epidemiologisch wichtigsten Erkrankungen evidenzbasierte Leitlinien zu bewerten, um die medizinische Versorgung zu verbessern. Im Gegensatz zu den in der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften und dem ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin zusammengeschlossenen Einrichtungen entwickelt es selbst keine Leitlinien. Auch wenn Diagnostik und Therapie außerordentlich komplex geworden ist, wird der Arzt, worauf Kienzle hinweist, künftig dem ärztlichen Heilauftrag nur gerecht werden können, wenn er nicht auf eine Art Kochbuch-Medizin mit abfragbaren, externen Vorschlägen begrenzt ist. Leitlinien können veralten. Ihre Autoren, so Kienzle, sind nicht immer frei von Interessenkonflikten und haben nicht notwendigerweise in erster Linie das Wohl des Patienten im Auge. Den in diesem Band versammelten Referaten und Redebeiträgen des X VIII. Kölner Symposiums der Arbe itsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. sei eine kritische Aufnahme gewünscht. Die Diskussion ist nicht abgeschlossen. Die Zukunft wird zeigen, ob es gelingt, die Patientenautonomie, Vertrauen, Zuwendung und Therapiefreiheit zu bewahren, ohne die Anforderungen einer wissenschaftlich abgesicherten Medizin und transparenten wie wirtschaftlichen Leistungserbringung zu vernachlässigen. Berlin/Sindelfingen, im August 2006 Christoph-M. Stegers / Thomas Ratajczak
Inhalt
Roland Uphoff Der praktische Fall:Haftungsfalle Mutterpass
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Susanne Classen Die ärztliche Befunderhebung
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Ilse Dautert Haftung für fehlerhafte Befunddokumentation
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1. Diskussion
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Bernhard Baxhenrich Die manipulierte Aufklärungsdokumentation
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Ludger Figgener Aufklärungsgespräch und Dokumentation
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Alexandra Jorzig Haftung für fehlerhafte Aufklärungsdokumentation - Selbstbestimmung, Therapie, Sicherung -
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Norbert Pohlmann Veränderte Dokumentation – Beweissicherheit der EDV
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2. Diskussion
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Markus Follmann Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Neue Leitlinienkompetenz?
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Hans-Friedrich Kienzle Leitlinien als Behandlungsvorschrift – Einschränkung der Therapiefreiheit?
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VIII
Inhalt
Jochen Taupitz Verbindlichkeit unterschiedlicher Leitlinien
101
3. Diskussion
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Teilnehmer
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Autoren
Baxhenrich, Dr. Bernhard Rechtsanwalt Heßlerstr. 24, 59065 Hamm Classen, Dr. med. Susanne Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Zeppelinstr. 13c, 44369 Dortmund Dautert, Dr. Ilse Rechtsanwältin Kastanienallee 20, 26121 Oldenburg Figgener, Prof. Dr. Dr. Ludger Universitätsklinikum Münster Domagkstr. 5, 48149 Münster Follmann, Dr. Markus Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Dillenburger Str. 27, 51105 Köln-Kalk Jorzig, Dr. Alexandra Rechtsanwältin Westenhellweg 40 – 46, 44137 Dortmund Kienzle, Prof. Dr. med. H.F. Arzt für Chirurgie, Unfall- und Gefäßchirurgie Städt. Krankenhaus Köln-Holweide Neufelder Str. 32, 51067 Köln-Holweide
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Autoren
Pohlmann, Prof. Dr. Norbert Institut für Internet-Sicherheit Fachhochschule Gelsenkirchen Fachbereich Informatik Neidenburgerstr. 43, 45877 Gelsenkirchen Taupitz, Prof. Dr. Jochen Institut f. Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht Schloss, 68131 Mannheim Uphoff, Dr. Roland Rechtsanwalt Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn
Der praktische Fall: Haftungsfalle Mutterpass Roland Uphoff
In dem vom OLG Celle am 06.12.2004 – 1 U 447/04 – (n.v.) entschiedenen Fall forderte eine gesetzliche Krankenkasse aus übergegangenem Recht von der die zweite Schwangerschaft ihrer Versicherten betreuenden Frauenärztin Ersatz von Aufwendungen für die Behandlung eines 1999 nach einer Schulterdystokie mit einer Armplexusparese geborenen Kindes. Aus der Schwangerschaftsanamnese war bekannt und dokumentiert, dass das erste Kind der Mutter bei der Geburt 4.350 gewogen hatte und die Schulterentwicklung schwierig gewesen war. Im Mutterpass wurde hierzu festgehalten: „… Kristellerhilfe, schwere Schulterentwicklung … 4.350 g.“ Das erste Kind hatte sich dabei eine Claviculafraktur zugezogen. Die neuerliche Schwangerschaft war durch eine Adipositas der Mutter sowie eine Insulintherapie nach diagnostiziertem Gestationsdiabetes erschwert. Die letzte Ultraschalluntersuchung mit kompletter Fetometrie geschah drei Wochen vor der Entbindung. Die Kindesmutter – selbst Krankenschwester – stellte sich an einem Wochenende Anfang August im Krankenhaus D. von sich aus, laut Notiz in der Patientenkartei der Beklagten, vor. Die Vorstellung diente unstreitig ausschließlich der Abklärung einer Unterwassergeburt. Im Mutterpass findet sich kein Eintrag, derzufolge die beklagte Ärztin die familienversicherte Schwangere in der von ihr gewählten Entbindungsklinik ca. 4 Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin vorgestellt hat. (Mutterschaftsrichtlinien, Abschnitt A8.). Im Geburtsprotokoll des zweiten Kindes heißt es u.a.: 13.10 Uhr: Info OA Dr. B.: Ordo: stand-by Anästhesie 13.15 Uhr: Ehepaar über Risiken der erschwerten Schulterentwicklung und -dystokie informiert, Risiko der Plexusläsion bei möglicherweise großem Kind, daher Procedere des stand-by erklärt, Spontanpartus wird auch von Patientin angestrebt.
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Roland Uphoff
13.57 Uhr Vaginalgeburt, Schulterdystokie, Kindsentwicklung durch Hebamme, Kindgewicht 5.640 g, komplette Plexusläsion mit dreifachem Nervenwurzelausriss …“ Das LG Lüneburg hat die Klage mit Urteil vom 12.05.2004 – 2 O 7/02 – abgewiesen. Darin heißt es: „Es stellt auch keinen vorwerfbaren ärztlichen Fehler der Beklagten dar, dass sie die Kindesmutter nicht durch schriftliche Überweisung frühzeitig in der von der Kindesmutter ausgewählten Entbindungsklinik vorgestellt hat (…). Bei einer ex-post-Beurteilung wäre zwar im Hinblick auf die gegebenen Risikofaktoren wie insulinpflichtiger Gestationsdiabetes, Adipositas per magna und Zustand nach erschwerter Schulterentwicklung bei der Geburt des ersten Kindes eine Vorstellung kurz vor dem errechneten Geburtstermin besser gewesen. Dass sie unterblieben ist, kann der Beklagten zu 1) nicht vorgeworfen werden (…). Der Sachverständige Prof. Dr. F. hat darauf hingewiesen, dass die Veranlassung der Vorstellung in der Entbindungsklinik nicht alleinige Aufgabe des niedergelassenen Arztes sei und sich etwa jede zweite bis dritte Frau auch ohne Vorliegen von Risikofaktoren auf eigene Veranlassung vor der Geburt in der Entbindungsklinik vorstellt (…). Die Beklagte durfte sich darauf verlassen, dass die ihr mitgeteilte und in der Patientenkarteikarte vermerkte Vorstellung tatsächlich erfolgt war. (…) Insoweit war es Aufgabe der Kindesmutter, Missverständnisse zu verhindern und die Beklagte über den tatsächlichen Zweck des Besuchs der Klinik in G. zu informieren…“ Das OLG Celle gab der der Klage jedoch in vollem Umfang statt. Denn „aus dem zwischen der Mutter von C. und der Beklagten geschlossenen Behandlungsvertrag, der auf die Betreuung der Schwangerschaft der Kindesmutter gerichtet war, resultierte die Verpflichtung der Beklagten, die Kindesmutter rechtzeitig vor deren Niederkunft in der von dieser zu bestimmenden Geburtsklinik vorzustellen(…). Dies entsprach und entspricht dem ärztlichen Standard, wie er sich aus den Mutterschaftsrichtlinien (KG Berlin, NJW 2004, 611; BGH, NJW 2004, 1452 [1453]), den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. F. und der dem Senat vorliegenden einschlägigen geburtshilflichen Literatur (vgl. Feige et al., Frauenheilkunde, München 1997, S. 214 f.) ergibt. Im vorliegenden Fall bestand sogar über die normale, aus A Nr. 8 der Mutterschaftsrichtlinien folgende allgemeine Vorstellungspflicht hinaus gemäß B Nr. 6 der Mutterschaftsrichtlinien noch eine gesteigerte Vorstellungs- und Beratungspflicht der Beklagten gegenüber der Kindesmutter, weil bei die-
Der praktische Fall: Haftungsfalle Mutterpass
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ser eine Risikoschwangerschaft vorlag (…). Die Risikoschwangerschaft ergab sich aus drei Faktoren, nämlich der Adipositas per magna der Kindesmutter, deren Gestationsdiabetes sowie dem Umstand, dass die Kindesmutter schon bei ihrer ersten Schwangerschaft ihr Kind erst nach schwieriger Schulterentwicklung mit einem Geburtsgewicht von 4.350 g zur Welt gebracht hatte (…). Aufgrund dieser besonderen Faktoren, also der Risikoschwangerschaft und der relativen Sectioindikation wäre die Beklagte in gesteigertem Maße verpflichtet gewesen, ca. vier Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin für eine Vorstellung der Kindesmutter in der von dieser auszugehenden Entbindungsklinik zu sorgen. Dieser Verpflichtung hat sie nicht entsprochen. Denn unstreitig hat sie die Kindesmutter in keiner Klinik vorgestellt. Die Beklagte war der Pflicht zur Vorstellung der Kindesmutter in einer Geburtsklinik nicht etwa deshalb enthoben, weil sich die Kindesmutter im August 1999 bereits im Krankenhaus D. und im Krankenhaus B. vorgestellt hatte. Die Vorstellung im Krankenhaus D. diente unstreitig ausschließlich der Abklärung einer Unterwassergeburt. Das Krankenhaus B. suchte sie lediglich im Rahmen einer Notfallbehandlung zur Abklärung bzw. zum Ausschluss eines Blasensprunges auf. Dass dabei bereits irgendwelche geburtsvorbereitenden Fragen, insbesondere der Geburtsmodus, besprochen worden wären, ist von keiner Seite behauptet und entspricht ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen auch nicht dem zu erwartenden Gang der Dinge. Die mit der Vorstellung der Schwangeren in der Geburtsklinik verbundenen Ziele, insbesondere auch die Abklärung einer etwaigen Sectioindikation und Erörterung der in Frage kommenden Geburtsmodi, sind also weder durch den Besuch im Krankenhaus D. noch durch den Besuch in der Klinik B. erreicht worden. Offensichtlich unbegründet ist der Mitverschuldenseinwand der Beklagten. Ein vorwerfbares Verhalten der Kindesmutter, das zu der Armplexusparese von C. kausal beigetragen haben könnte, ist nicht einmal im Ansatz ersichtlich (…).“ Die von der Beklagten eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat der BGH mit Beschluss vom 15.11.2005 – VI ZR 8/05 – zurückgewiesen. Die Entscheidungsgründe des OLG Celle bestätigen somit die Bedeutung des Mutterpasses, der Mutterschaftsrichtlinien sowie der Zusammenarbeit an der „Schnittstelle“ zwischen schwangerschaftsbetreuendem Frauenarzt und Entbindungsklinik. Nichts anderes wird von der geburtsmedizinischen Literatur gefordert, wenn es bei Viehweg, Spätling et al., Schwangerenvorsorge 2000, S. 62 heißt: „Alle Informationen, Untersuchungen und Befunde sind im Mutterpass sorgfältig zu dokumentieren, soweit die Mutterschaftsrichtlinien die Ein-
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Roland Uphoff
tragung nicht ausschließen…“ oder Kirschbaum, Münchstädt, Check-Liste Gynäkologie und Geburtshilfe 2001, S. 192: den Hinweise geben: „Besonders für den Notfall ist es wichtig, dass der Mutterpass vorher gewissenhaft ausgefüllt wurde. Es sollten keine relevanten Informationen verloren gehen“ und Pfleiderer, Breckwoldt, Martius, Gynäkologie und Geburtshilfe 2000, S. 301 darauf verweisen, dass der Mutterpass „der Kommunikation zwischen handelndem Arzt und der Entbindungsklinik.“ dient. Der Mutterpass wird zur Haftungsfalle, wenn er in der Schwangerenbetreuung nicht entsprechend den Mutterschaftsrichtlinien ausgefüllt wird beziehungsweise die Vorgaben der Mutterschaftsrichtlinien nicht umgesetzt werden.
Die ärztliche Befunderhebung Susanne Classen
Befunderhebung und Befunddokumentation folgen einem medizinischen Duktus. Sie dienen dem Patienten und dem Behandler. Dieser Beitrag will die Rahmenbedingungen der Befunderhebung und -dokumentation in der niedergelassenen gynäkologischen Praxis darstellen.
1. Organisation einer gynäkologischen Praxis In unserer Gemeinschaftspraxis arbeiten drei Ärzte. Wir bieten folgende Sprechzeiten an: Montags von 7 – 20 Uhr und Dienstags bis Freitags von 7 – 18 Uhr auch Mittwochs- und Freitags nachmittags. Das sind zusammen 61 Stunden Sprechzeiten pro Woche. Wir sind eine Bestellpraxis, d.h. die Patientinnen müssen zur Vorstellung oder Untersuchung einen Termin vereinbaren. Wir vergeben 4 – 5 reguläre Termine pro Stunde, halten aber pro Stunde einen sog. DT – das ist ein dringender Termin – frei. Diese sind für kurzfristige KontrollUntersuchungen z.B. bei Sterilitätsbehandlungen, bei Verdacht auf Schwangerschaft, zur Spiralenkontrolle etc. vorgesehen. Sie werden ca. 1 – 3 Tage vorher vergeben. Darüber hinaus gibt es Zeiten für Patientinnen, die akute Beschwerden haben und nicht auf den nächsten freien DT warten können. Zu den akuten Beschwerden gehören: Juckreiz bei Pilzinfektion, Unterbauchschmerzen, vorzeitige Wehen aber auch ein Knoten in der Brust mit Krebsverdacht. Patientinnen ohne Termin werden meistens vor oder nach der Sprechstunde untersucht aber auch manchmal „dazwischen geschoben“. In den Sprechstunden sehen wir täglich ca. 45 – 60 Patientinnen. Weiterhin kommen Patientinnen in unsere Praxis, die nur ein Rezept oder eine Überweisung abholen wollen oder welche, die zur Blutabnahme oder Verabreichung einer Spritze einbestellt sind. Insgesamt betreten täglich über 100 Patientinnen mit den unterschiedlichsten Anliegen unsere Praxis. Es ist daher gut vorstellbar, welche mannigfaltigen Bedürfnisse im Laufe eines Tages auf uns Ärzte, aber noch viel mehr auf die Arzthelferinnen einstürmen. Die meisten Patientinnen sprechen deutsch, mit anderen kann man sich fast gar nicht verständigen.
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Susanne Classen
In einer gynäkologischen Praxis sind die meisten Patientinnen, die in die Sprechstunde kommen nicht krank, sondern wünschen eine Krebsvorsorge- oder Mutterschaftsvorsorgeuntersuchung oder sie erscheinen, weil sie die Pille einnehmen. Gerade bei diesen vermeintlich gesunden Patienten bleibt immer auch die Sorge, etwas Bedeutsames zu übersehen. Ein Teil der Patientinnen kommt mit akuten Beschwerden. Bei einem weiteren Teil der Patientinnen wird eine Krebsnachsorgeuntersuchung durchgeführt. Für diese Frauen wird von vornherein mehr Zeit eingeplant, da neben den körperlichen Befunden auch die seelische Problematik einer Krebserkrankung besprochen wird. Grundsätzlich kann bei jeder Untersuchung ein schwerwiegender Befund festgestellt werden, dessen Besprechung den vorgegebenen Zeitrahmen sprengt. Das können z.B. eine unbemerkte Fehlgeburt oder ein Krebsverdacht sein. Da die gesamte Praxis auf EDV umgestellt ist, erfolgt die komplette Dokumentation am PC und wird digital gespeichert.
2. Allgemeines zur ärztlichen Befunderhebung (und Dokumentation) Die ärztliche Befunderhebung beginnt mit der Anamnese (Krankengeschichte). Diese beinhaltet die Familienanamnese, also die Frage, welche Krankheiten in der Familie gehäuft auftreten, z.B. Zuckerkrankheit, Herzinfarkte oder auch Krebserkrankungen. Dann folgt die Eigenanamnese. Hier geht es um die Krankheiten, die die Patientin selber bisher gehabt hat, ob sie bereits operiert wurde oder Kinder hat, etc. Abschließend werden die aktuellen Beschwerden erfragt: Was hat sie, seit wann, wo und wie. Im Idealfall sieht der Arzt eine langjährige Patientin, bei der Familien- und Eigenanamnese bekannt und dokumentiert sind. Als nächstes folgt die Befunderhebung. Sie beginnt in der Frauenheilkunde fast immer mit der körperlichen Untersuchung. Die Patientin wird auf dem gynäkologischen Untersuchungsstuhl untersucht. Bei der Spekulumeinstellung (Spiegeleinstellung der Scheide und des Muttermundes) wird ein Abstrich vom Ausfluss entnommen. Dieser wird angefärbt und unter dem Mikroskop betrachtet = Methylenblauabstrich, ggf. wird ein Krebsabstrich vom Muttermund entnommen. Dann folge die bimanuelle vaginale Tastuntersuchung. Ein Finger des Arztes tastet von der Scheide aus, die andere Hand tastet von der Bauchdecke aus. So kann das kleine Becken mit Gebärmutter und Eierstöcken beurteilt werden. Abhängig von den individuellen Gegebenheiten wie z.B. Übergewicht oder Angst, ist die Beurteilung der Untersuchung eingeschränkt. Je nach Fragestellungen können sich Ultraschalluntersuchungen, Urin- und Blutuntersuchungen
Die ärztliche Befunderhebung
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anschließen. Üblicherweise liegen die meisten Untersuchungsergebnisse sofort vor, andere folgen im Laufe von Stunden oder Tagen. Nach der Untersuchung stellt der Arzt anhand der bereits vorliegenden Befunde eine (Verdachts)-Diagnose. Oft gibt es weitere sog. Differentialdiagnosen. Darunter versteht man Diagnosen, die ebenfalls für die geschilderten Beschwerden ursächlich sein können. Abschließend erfolgt der Therapievorschlag oder es werden weitere Untersuchungen angeordnet. Das Prinzip dieses Schemas ist auf alle Befunderhebungen übertragbar. Details weichen von Fach zu Fach und von Fall zu Fall ab.
3. Fallbeispiel An einem Montagmorgen stellt sich eine 41-jährige Patientin ohne Termin mit Unterbauchschmerzen in unserer Praxis vor. Sie wird „dazwischen geschoben“. Aus der elektronischen Patientenkarte ist ersichtlich, dass sie vor 8 Monaten zuletzt in der Praxis war. Damals kam sie zur Krebsvorsorge und war beschwerdefrei. Weiterhin ermöglicht die Karteikarte einen Überblick über die relevante Eigen- und Familienanamnese. (s. Abb.) Das Wichtigste im Zusammenhang mit Unterbauchschmerzen ist die Tatsache, dass die Patientin eine Spirale (IUD) trägt. Deckblatt
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Susanne Classen
Aktuelle Befunddokumentation:
Bei der Befunddokumentation werden folgende Kürzel benutzt: 1. Spalte D = Arztkennung 2. Spalte A = Anamnese 2. Spalte B = Befund 2. Spalte U = Ultraschall (PIA = Ultraschall-Programm, in dem die Bilder digital gespeichert werden) 2. Spalte Y = Laborergebnisse 2. Spalte D = Diagnosen (die Formulierung erfolgt z.T. mit Zugeständnissen an die KV zur Abrechnung) 2. Spalte T = Therapie Folgende Anamnese wird erhoben (A): Was? Unterbauchschmerzen rechts. Seit wann? Seit 3 Tagen. Wo? Im rechten Unterbauch. Wie? Wie Wehen d.h. sie kommen und gehen, Besserung in Ruhe. Leichte Verstopfung in den letzten Tagen. Die letzte Periode war vor 2 Wochen ohne Besonderheiten.
Die ärztliche Befunderhebung
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Bei den Fragen an die Patientin denkt der untersuchende Arzt immer auch an die möglichen Ursachen der Beschwerden: In diesem Fall: 41-jährige Frau, liegende Spirale mit Unterbauchschmerzen 1. Adnexitis = Entzündung der Eierstöcke. 2. Disloziertes IUD = die Spirale ist verrutscht. 3. EUG = Eileiterschwangerschaft (bei beiden spricht die Blutungsanamnese eher dagegen). 4. Mittelschmerz (Schmerzen beim Eisprung). 5. Ovarialzyste = Zyste am Eierstock. 6. Appendizitis = Blinddarmentzündung (die Patientin ist am Blinddarm operiert, aber es könnten Verwachsungsbeschwerden sein). 7. Harnwegsinfekt oder Harnleiterstein. 8. Darmerkrankung, z.B. Morbus Crohn (chronisch entzündliche Darmerkrankung). 9. Ganz selten: Herpes zoster = Gürtelrose (tritt eher im Alter oder begleitend bei schweren Erkrankungen auf). Folgende Befunde werden erhoben (B): MB (= Methylenblauabstrich) unauffällig schließt Adnexitis nicht aus. S (= Spekulum): IUD (=Spirale) Faden im MM (= Muttermund) sichtbar schließt disloziertes IUD fast aus, in einer Schwangerschaft ist der Muttermund oft bläulich verfärbt, das wird hier nicht erwähnt, es wurde nicht darauf geachtet oder der Muttermund ist unauffällig. P (= Palpation = Tastuntersuchung, findet immer von vaginal statt, es sei denn, es wird etwas anderes erwähnt): deutlicher DS (= Druckschmerz) im rechten Unterbauch mit willkürlicher Abwehrspannung (die Bauchdecke wird bei der Untersuchung aus Angst vor Schmerzen bewusst angespannt. Eine genaue Beurteilung des rechten Unterbauchs ist nicht möglich. Es liegt keine unwillkürliche Abwehrspannung vor, das wäre ein Zeichen für ein akutes Abdomen und bedarf der sofortigen stationären Einweisung). Leichter Portioschiebeschmerz (wenn die Gebärmutter bewegt wird, tut es der Patientin etwas weh; das spricht für eine örtliche Reizung des Bauchfells und ist typisch für eine Adnexitis oder Eileiterschwangerschaft). Ultraschall (U): s. PIA (= gesondertes Ultraschallprogramm) die ausführliche Dokumentation der Ultraschalluntersuchung, auch die Tatsache, dass sie von der Scheide aus durchgeführt wurde, und die Ultraschallbilder sind im Ultraschallprogramm gespeichert. In der Patientenkarte steht eine kurze Zusammenfassung: kein Korrelat, das bedeutet, bei der Ultraschalluntersuchung wurde keine Ursache für die Schmerzen gefunden. Im Einzelnen
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Susanne Classen
bedeutet das: keine Zyste, kein Anhalt für Eileiterschwangerschaft, keine freie Flüssigkeit (bei Adnexitis), IUD in orthotoper Lage = die Spirale liegt an der richtigen Stelle. Verwachsungen, Darmerkrankungen und Harnleiterstein sieht man im gynäkologischen Ultraschall nicht. Aufgrund der bisher erhobenen Befunde ist eine Adnexitis die wahrscheinlichste Ursache für die Beschwerden. Diese Vermutung stützt sich auf den klinischen Untersuchungsbefund. Zudem ist die Gebärmutter- und Eierstockentzündung die häufigste Ursache von Unterbauchschmerzen bei liegender Spirale. Zum Ausschluss der anderen Ursachen werden weitere Untersuchungen angeordnet: Diese werden unter Therapie (T) notiert: ß-HCG (= Schwangerschaftshormon im Blut), wenn das nicht nachweisbar ist, ist die Patientin sicher nicht schwanger, d.h. es liegt auch keine Eileiterschwangerschaft vor. BSG (= Blutsenkungsgeschwindigkeit), Leukos (= Zahl der weißen Blutkörperchen im Blut). Beides sind unspezifische Entzündungszeichen. Urin: Schnelltest und Urinkultur: Bei diesen Untersuchungen kann festgestellt werden, ob ein Harnwegsinfekt vorliegt, oder ob Blut im Urin nachweisbar ist. Das könnte ein Hinweis auf einen Harnleiterstein sein. Die Patientin wird über die DD (= Differentialdiagnose) informiert und kommt in 1 Stunde zur Befundbesprechung. Dieses Vorgehen ist möglich, da wir alle Untersuchungen selber durchführen können und am Montagmorgen die MTA im Labor ist und daher eine eilige ß-HCG-Bestimmung durchführen kann. Alle anderen Untersuchungen führen die Arzthelferinnen jederzeit durch. Die Urinkultur benötigt 24 h. Die Patientin kommt nach 1 Stunde wieder: Folgende Ergebnisse liegen dann vor: 1. ß-HCG = negativ Es liegt keine Schwangerschaft vor. 2. BSG und Leukos im Normbereich kein Anhalt für Entzündung? Bei einer Adnexitis können die Werte spät reagieren, da es sich zunächst um ein örtlich begrenztes Geschehen handelt. 3. Urin: im Schnelltest kein Anhalt für Entzündung, kein Blut Harnleiterstein so gut wie ausgeschlossen. An dieser Stelle entscheidet sich das weitere Vorgehen. Es gibt zwei Alternativen: Die Patientin wird unter der Verdachtsdiagnose Adnexitis behandelt, da der klinische Untersuchungsbefund diese Diagnose nahe legt, auch wenn die Blutwerte unauffällig sind. Alternativ könnte auch zu diesem Zeitpunkt ein Fachkollege hinzugezogen werden. Diese Alternativen werden selbstverständlich mit der Patientin besprochen. Dieses Gespräch ist jedoch
Die ärztliche Befunderhebung
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nicht dokumentiert. Da nach Beurteilung des Arztes eine ausreichend große Wahrscheinlichkeit besteht, dass hier eine Unterleibsentzündung vorliegt, wird zunächst die entsprechende Therapie eingeleitet und ein Kontrolltermin vereinbart. Bei liegender Spirale und Adnexitis muss die Spirale entfernt werden, da sie als Entzündungsursache angesehen werden muss. Da das Einsetzen einer Spirale mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist und der Befund nicht hochakut war, wurde hier auf die sofortige Entfernung verzichtet. Der Patientin wird dieser Schritt angedeutet, wenn keine Befundbesserung eintritt.
Unter D wie Diagnose finden sich jetzt auch ein Teil der Differentialdiagnosen: Antikonz. (= Verhütung) ist eine Diagnose für die Kassenärztliche Vereinigung, da eine Patientin untersucht wurde, die ein Verhütungsmittel benutzt. Unklare Unterbauchschmerzen; V.a. (= Verdacht auf) EUG: besser wäre Ausschluss, da diese Diagnose zum Ende der Konsultation bereits ausgeschlossen war. V.a. Adnexitis V.a.. HWI (Harnwegsinfekt) Aufgrund der EDV-Programmierung ist es immer so, dass die Diagnosen am Schluss erscheinen, sie werden automatisch an diese Stelle geschoben, auch wenn der Untersuchungsablauf anders war. In der elektronischen Patientenkarte gibt es innerhalb eines Tages keinen chronologischen Ablauf. Am 16.09. = 4 Tage später stellt sich die Patientin wie verabredet erneut vor. Sie hat keine Besserung ihrer Beschwerden erfahren, lediglich eine deutliche Schwächung durch die Medikamente. Es findet eine erneute Untersuchung statt, deren Befund sich nicht von der letzten Untersuchung vor
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Susanne Classen
4 Tagen unterscheidet. Wie angekündigt wird die Spirale entfernt und ein erneuter Vorstellungstermin vereinbart.
Die Pat. Stellt sich wie vereinbart 3 Tage später erneut vor. Inzwischen ist eine Woche seit der ersten Konsultation vergangen. Es ist keine Besserung der Symptome eingetreten. Innerhalb einer Woche unter adäquater antibiotischer Therapie muss eine deutliche Besserung der Symptomatik einer Adnexitis eintreten. Da dies hier nicht der Fall war, erfolgt die Überweisung/Einweisung in die Klinik zur diagnostischen Laparoskopie (= LSK = Bauchspiegelung) zur weiteren Abklärung. Jetzt lautet die Verdachtsdiagnose, dass Adhäsionen (= Verwachsungen) nach Blinddarmoperation die Ursache der Beschwerden sein könnten. Dies sieht man bei einer Bauchspiegelung und kann sie lösen.
Nicht dokumentiert ist, dass die Patientin sich das Krankenhaus selber ausgesucht hat. Weiterhin wurde dort ein Vorstellungstermin für sie vereinbart, um unnötig lange Wartezeiten zu vermeiden. Sie geht 2 Tage später zur Untersuchung und weiteren Therapieplanung in die Klinik. Dieses Fallbeispiel soll verdeutlichen, wie, was und unter welchen Umständen in der Praxis eine Befunderhebung zustande kommt und dokumentiert wird. Ich möchte die Krankengeschichte der Patientin kurz zu Ende erzählen: Eine weitere Woche später erhalten wir den Operationsbericht der Bauchspiegelung, aus dem hervorgeht, dass kein auffälliger Befund und insbesondere keine Schmerzursache gefunden wurde. Die Patientin hat sich
Die ärztliche Befunderhebung
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nicht wieder in der Praxis vorgestellt. Sie hat telefonisch mitgeteilt, dass sie einen Chirurgen konsultiert hat, der eine Leistenhernie diagnostiziert hat.
4. Resümee In einer fachärztlichen Praxis herrscht fast immer Termindruck. Als Wirtschaftsunternehmen, das sie eben auch ist, ist ihr Erfolg unter anderem von den Wartezeiten abhängig. Ungeachtet dessen ist eine gründliche ärztliche Befunderhebung und eine sorgfältige Dokumentation unerlässlich. Jeder praktisch tätige Arzt ist sich stets auch der haftungsrechtlichen Fragen bewusst. Mit dem Fallbeispiel aus dem „wahren Leben“ möchte ich ein Bewusstsein für die ungesagten Dinge einer ärztlichen Dokumentation schaffen. Bestimmte Überlegungen werden oft nicht explizit erwähnt, da sie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Falls ergeben.
Haftung für fehlerhafte Befunddokumentation Ilse Dautert
1. Grundsätzliches zur Dokumentationspflicht Der Arzt ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Dokumentation des Behandlungsgeschehens verpflichtet. Dabei hat die Dokumentation keinen Selbstzweck, schon gar nicht dient sie der Beweissicherung für eine forensische Auseinandersetzung. Die Dokumen1 tation dient in erster Linie der Sicherheit des Patienten . Der Arzt hat dem Patienten Einsicht in seine Aufzeichnungen zu gewähren. Sowohl die ärztliche Dokumentationspflicht als auch die Pflicht zur Einsichtsgewährung werden mit dem Persönlichkeitsrecht des Patienten 2 begründet . Die ärztliche Dokumentationspflicht beruht auf verschiedenen Rechtsgrundlagen: Sie ist zum einen Nebenpflicht des zwischen dem Arzt und dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages. Sie hat auch eine Rechtsgrundlage in allen Berufsordnungen der deutschen Ärztinnen und Ärzte. Weiter hat die ärztliche Dokumentationspflicht ihre Rechtsgrundlagen in landesrechtlichen Vorschriften (z.B. § 30 Nr. 3 des NordrheinWestfälischen Heilberufsgesetzes). Ferner resultiert die ärztliche Dokumentationspflicht aus den Krankenhausgesetzen der Länder (Landesrecht). Auch lässt sich die ärztliche Dokumentation aus vertragsärztlichen Vorschriften (BMV-Ä) und privatärztlichen Normen (GOÄ) ableiten. Nicht zuletzt normieren auch spezialgesetzliche Vorschriften Dokumentationspflichten des Arztes (Strahlenschutzverordnung, Röntgenverordnung, Geschlechtskrankheitengesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz). Maßgeblich wird der Umfang der Dokumentationspflicht durch das „medizinisch Notwendige“ bestimmt, d.h., es sind „nur“ die wichtigsten dia1
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BGH, NJW 1985, 2365; BGH, NJW 1988, 762; ferner BGH, NJW 1994, 799; OLG Oldenburg, NJW-RR 2000, 240; OLG Hamburg, MDR 2002, 1315; vgl. auch Müller, Arzthaftungsrecht und Sachverständigenbeweis, MedR 2001, 487 [491]. BGH, NJW 1989, 764; BGH, VersR 1989, 512.
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gnostischen und therapeutischen Maßnahmen zu dokumentieren. Zu dokumentieren sind die Anamnese, sämtliche erhobenen Befunde, ärztliche Anordnungen und Verordnungen sowie Anweisungen an die Funktionsund Behandlungspflege. Ferner sind zu dokumentieren die Verlaufsdaten 3 (Operationsbericht, Narkoseprotokoll, ärztliche Verlaufskontrollen). Die Dokumentation soll zeitnah erfolgen, was aber in der Praxis nicht immer möglich ist (z.B. bei Notfallbehandlungen, bei denen zunächst die Behandlung im Vordergrund steht). Deswegen kann die Dokumentation auch nachträglich erfolgen. Der Arzt muss dies aber kenntlich machen. Der Arzt muss Auskunft darüber geben, welche Sicherungs- und Schutzmaßnahmen er bei elektronischer Datenspeicherung angewandt hat, die nachträgliche Veränderungen zu verhindern in der Lage sind. Ist der Arzt der ihm berufsrechtlich auferlegten Verpflichtung zur Sicherung seiner Aufzeichnungen vor nachträglichen Veränderungen nicht nachge4 kommen, dann relativiert sich deren Beweiswert . Je komplizierter ein Eingriff, desto höher sind die von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an Umfang und Genauigkeit der Aufzeichnungen. In forensischen Auseinandersetzungen streitet man immer wieder darüber, ob Befunde mit negativem Ergebnis zwingend zu dokumentieren 5 sind . Fallbeispiele, in denen die Rechtsprechung eine Dokumentationspflicht bejaht hat:
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Unterlassene Schulterentwicklung durch den Geburtshelfer mit 6 nachfolgender Armplexusparese ,
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Keine schriftliche Bestätigung des vom Arzt gegebenen Hinweises auf eine Versagerquote bei einer Sterilisation aus Gründen der 7 Familienplanung ,
Dazu ausführlich Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht aktuell, mit vielen Fallbeispielen, 1. Aufl., 2003, S. 260, ff. Vgl. dazu Rehborn, Arzt – Patient – Krankenhaus, MDR 2000, 1110; Jorzig, Der Amtsermittlungsgrundsatz im Arzthaftungsprozess, MDR 2002, 481 ff.; vgl. auch BGH, MDR 1998, 535. Bejahend die Rechtsprechung z.B. für die Dokumentationspflicht eines negativen Befundes bei Kontrolle des Knies auf Überwärmung und Rötung bei Verdacht auf bakterielle Infektion nach Arthroskopie OLG Stuttgart, VersR 1998, 1505; Dokumentationspflicht der Vorgehensweise bei Schulterdystokie: ebenfalls OLG Stuttgart, VersR 1999, 1582. OLG Köln, VersR 1424 und OLG Saarbrücken, VersR 1988, 916: „sehr schwere Schulterentwicklung“ genügt nicht. OLG Braunschweig, NJW-RR 2000, 235 [236].
Haftung für fehlerhafte Befunddokumentation
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Beweisanzeichen für die Nichterfüllung einer Nebenpflicht ; Beweislast für unterlassene Sicherungsaufklärung liegt jedoch beim Patienten,
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Gründe für das Abweichen von einer herkömmlichen Operations9 methode ,
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Durchführung differential-diagnostischer Maßnahmen zur Klärung der Möglichkeit eines Gefäßverschlusses mit nachfolgender Bein10 amputation ,
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Verlassen der Klinik entgegen dem Patienten erteilten medizini11 schen Rat ,
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Durchführung von Tests und deren Ergebnisse, die zum Ausschluss einer Meningitis (Hirnhautentzündung) durchgeführt wor12 den sind ,
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intraoperative, röntgenologische Abklärung, ob anlässlich einer Wurzelbehandlung Füllmaterial in die Kieferhöhle gelangt bzw. 13 dann entfernt worden ist .
Zu dokumentieren ist das, was aus medizinischer Sicht wichtig ist. Eine Dokumentation in Stichworten reicht. Der Nachbehandler muss allerdings trotz stichwortartiger Aufzeichnungen das Behandlungsgeschehen nach14 vollziehen können . Besonders hohe Anforderungen stellt der Bundesgerichtshof an die Dokumentationspflicht bei selbstständigem Operieren eines noch in Facharzt15 ausbildung stehenden Arztes, auch bei Routineeingriffen .
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OLG Oldenburg, NJW-RR 2000, 240 [241]. BGH, NJW 1989, 2330. BGH, VersR 1983, 983. BGH, NJW 1987, 2300; OLG Düsseldorf, VersR 1997, 1402 bei psychisch auffälligem Patienten. BGH, NJW 1987, 2300; OLG Düsseldorf, VersR 1997, 1402 bei psychisch auffälligem Patienten. OLG Brandenburg, VersR 2001, 1241 [1243]. BGH, NJW 1992, 1560. BGH, NJW 1985, 2193.
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2. Rechtliche Konsequenzen von Dokumentationsmängeln Fehlt es an der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme, kann unterstellt werden, dass diese Maßnahme tatsächlich nicht durchge16 führt worden ist . Dokumentationsmängel sind kein eigenständiger Anknüpfungspunkt für 17 eine vertragliche und/oder deliktische Haftung . Dokumentationsmängel bzw. -lücken haben aber beweisrechtliche Konsequenzen: Als Behandlungsfehler können Dokumentationsmängel z.B. nur dann eine Haftung auslösen, wenn in Folge dessen eine falsche Therapie, z.B. eine Übertherapie durchgeführt wird. Entsprechendes gilt für den Fall, dass Unterlagen zu früh vernichtet werden. Seit der grundlegenden Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1982 hat der Patient auch außerhalb eines Rechtsstreites einen Anspruch auf Einsichtnahme in die ihn betreffenden 18 Krankenunterlagen . Der Patient hat dabei das Recht, sich ggf. auf seine Kosten Fotokopien fertigen zu lassen. Das gilt auch für die Herausgabe bzw. die Fertigung von Duplikaten seiner Röntgen-, CT- und MRT-Befunde, ggf. in digitalisierter Form. Ein besonderes schutzwürdiges Interesse braucht er dabei 19 nicht darzulegen . Dieses Einsichtsrecht geht soweit, dass der Patient auch Original-Röntgenaufnahmen zur Einsichtnahme bei seinem anwaltlichen Vertreter verlangen kann, damit von dort eine privatgutachterliche Beurtei20 lung veranlasst werden kann . In der Praxis wird das Einsichtsrecht des Patienten in die ihn betreffenden Krankenunterlagen nur noch in den allerseltensten Fällen Probleme bereiten. Natürlich hat der Patient nicht nur ein Einsichtsrecht über seinen Anwalt, sondern auch ein ganz persönliches Einsichtsrecht. Gleichwohl kommen häufig Patienten mit einem Schreiben eines Krankenhauses, in dem der Patient erst einmal aufgefordert wird, einen Anwalt einzuschalten. Ärzte/Krankenhäuser sind verpflichtet, Krankenunterlagen bis zu 30 Jahres aufzubewahren, Unterlagen über Geschlechtskrankheiten – 5 Jahre, Röntgenbilder – 15 Jahre, Transfusionen 15 – 20 Jahre. Insbesondere Krankenhäuser sind heute vielfach dazu übergegangen, Krankenblattdokumentation archivieren bzw. mikroverfilmen zu lassen. 16
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Dazu u.a. Martis-Winkhart, Arzthaftungsrecht aktuell, a.a.O., S. 268; Geiß/Greiner, Arzthaftungspflichtrecht. 4. Aufl., 2001, S. 121 ff. BGH, NJW 1988, 2949; BGH, NJW 1993, 2375. BGH, NJW 1983, 328. BGH, NJW 1989, 764. OLG München, NJW 2001, 2806.
Haftung für fehlerhafte Befunddokumentation
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Lassen sich mikroverfilmte Krankenunterlagen nicht mehr einwandfrei reproduzieren, so gehen eventuelle Beweisschwierigkeiten ausschließlich zu Lasten des Arztes bzw. zu Lasten des Krankenhausträgers. Die Praxis zeigt, dass mikroverfilmte Unterlagen häufig qualitativ schlecht, mithin nur schwer entzifferbar sind. Wegen der sekundären Darlegungslasten der Passivseite stellt die Vernichtung vor Ablauf der Verjährung nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen nicht selten ein erhebliches Problem dar. Werden Krankenblattunterlagen an weiterbehandelnde Ärzte herausgegeben, so muss der Arzt für die Rückführung der Krankenunterlagen selbständig Sorge tragen. Geschieht dies nicht, so treffen ihn ggf. im Arzthaf21 tungsprozess Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr . Gelegentlich können Dokumentationslücken den Beginn der Verjährung hinausschieben, z.B. dann, wenn gerade die Dokumentationslücke entscheidend für die Kenntnis des Patienten ist. Stellt das Unterlassen der (aufzeichnungspflichtigen) Maßnahme einen groben Behandlungsfehler dar, dann kann ein Dokumentationsmangel (mittelbar) sogar zur Beweislastumkehr führen. Der Vorwurf, eine bestimmte (aufzeichnungspflichtige) Maßnahme sei unterblieben, kann der Arzt im Prozess durch Zeugenbeweis entkräften.
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BGH, NJW 1996, 779; BGH, NJW 1996, 1589.
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Teipel: Der Arzt ist gut beraten, der auch gut dokumentiert. Ich schließe an Frau Dr. Classen an. Diese Kürzel mögen in der Praxis gebräuchlich sein, sie sind häufig nicht besonders zu empfehlen, weil wir dann das Problem haben, dass der Arzt im Haftungsprozess aufgefordert wird, seine Behandlungsunterlagen in Langschrift abzuliefern, weil die Kürzel vielleicht nicht verständlich erscheinen, oder eine Legende dazu einzureichen. Je sorgfältiger der Arzt dokumentiert, desto besser ist es für ihn. Die Dokumentation soll keine eigenständige Anspruchsgrundlage im Arzthaftungsprozess bilden. Damit darf ich die Diskussionsrunde eröffnen. Kienzle: Wenn das so ist, und dann möchte ich mich zum Advocatus diaboli machen insofern, was Frau Dautert hier erzählt hat, hätte dies, wenn Ärzte hier im Saal wären, zwar wahrscheinlich keine Entrüstung, aber doch mehrere Nachfragen ausgelöst. Man muss eben gerade im Haftungsfall den Tagesbetrieb eines Arztes mit bedenken. Es ist besser, sie haben Kürzel, die sie nachher ausschreiben und abliefern müssen, als wenn überhaupt nichts da ist. Da hätte ich nichts dagegen, wenn die Kürzel nachvollziehbar sind. Auch der Gutachter muss mit den Kürzeln etwas anfangen können. Mir hat gerade vor zwei Tagen ein Richter gesagt, eine forensische Dokumentation gebe es noch nicht. Darüber müssen auch wir uns im Klaren sein. Dokumentation ist eine Nebenaufgabe des ärztlichen Tuns. Wir wissen aber alle, dass die Sache mittlerweile gerade im Haftungsfall so verschärft ist, dass wir es aus Eigeninteresse tun müssen. Und wer mal in irgendeiner Form einen Haftpflichtfall hatte, der wird aus solchen Fällen viel lernen, insofern ist der Vortrag ganz wichtig. Die Frage, was ist dokumentationspflichtig und was nicht, die ist noch nicht so ganz ausdiskutiert. Und vielleicht sollte man über diese Frage auch unter Ihnen als Rechtsanwälten noch reden, denn die Dokumentationspflicht als solche erweist sich immer dann, wenn es nicht dokumentiert ist, als Streitpunkt. Und komischerweise ist doch gerade das nicht dokumentiert, woran vorher keiner gedacht hat.
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Teipel: Um ein Missverständnis auszuräumen, ich kann mit diesen Kürzeln durchaus leben. Wenn Sie diese Dokumentation sähen, die wir manchmal in deutscher Schrift und dann auch noch mit Kürzeln sehen, so dass niemand es lesen kann, ist letztendlich dann die Langschrift ein Besinnungsaufsatz. Wahrscheinlich werden wir einer Meinung sein, dass es wichtiger ist, dass man mit Kürzeln arbeitet, als dass die Medizin darunter leidet. Winter: Frau Dr. Classen hat doch sehr klar dargelegt, wie heute der Zeittakt in den Praxen ist, dass das ziemlich eng gedrängt ist. Ich denke, dass ich auch die andere Seite ganz gut beurteilen kann, dass der Rechtsprechung, den Rechtsanwälten und den Richtern nicht klar ist, was da in den Praxen eigentlich heutzutage abläuft. Das heißt, es ist ein 15-MinutenTakt, es müssen Termine da sein für Notfälle aber auch der Routinepatient, der Sie ja beispielsweise auch sein könnten, der privat oder nicht privat Versicherte, der sein Belastungs-EKG, seine Ultraschall-Untersuchung der Nieren bekommen möchte, der dann im Zweifel eine Stunde warten muss, weil ein oder zwei Notfälle da sind. Durch den neuen EBM sind hinter bestimmten ärztlichen Leistungen Zeiten im Computerprogramm hinterlegt, was dann mit der entsprechenden Plausibilitätsprüfung von der Zeitachse her Probleme macht. Hochgerechnet bedeutet das, wenn man die Dokumentationspflicht, die die Kassenärztliche Vereinigung vorschreibt, die Notfälle usw. berücksichtigt, dass der Arzt im Grunde genommen 36 Stunden am Tag arbeiten müsste, um seine Leistungszahlen, d.h. die Patientenbetreuung pro Tag weiter erbringen zu können. Das bedeutet letztlich, wenn man das alles so umsetzt mit dem neuen EBM, den Zeitfaktoren und der Dokumentation, dass die Ärzte höchstens noch die Hälfte der Patienten am Tag versorgen können. Aus dem Referat von Frau Dr. Classen ergibt sich ein Problem. Die Frauenärztin hat alles entsprechend den Regeln der Kunst gemacht. Aber es ist nicht an den Leistenbruch gedacht worden. Das wäre jetzt eine für mich spannende Frage, wenn ich den gutachterlichen Fall bekäme, wie würde der Jurist das jetzt sehen. Hätte sie auch die Patientin zum Chirurgen schicken müssen, weil der Leistenbruch vielleicht auch eine Differentialdiagnose sein könnte. Die Beschwerdesymptomatik war aus meiner Sicht nicht üblich, aber Herr Kienzle ist Chirurg und die weitere Frage wäre dann: Warum haben die Gynäkologen den chirurgischen Konsiliarius nicht hinzugezogen? Was sagt der Chirurg dazu? Kienzle: Also diese Frage würde ich mit einem schlichten Nein beantworten. So wie die Beschwerden geschildert wurden, wie sie dokumentiert sind, musste man an einen Leistenbruch zuletzt denken. Ich hatte mir auch die Frage gestellt, hat der Frau keiner in die Leiste gefasst. Vor einer Wo-
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che habe ich auch eine Patientin an einem Leistenbruch operiert, die war bei sechs Ärzten vorher, kam mit einem Lymphknoten in der Leiste, der dann ein Leistenbruch war. Classen: Ich habe mich in der Nachbetrachtung des Falles natürlich gefragt, wieso ich nicht an einen Leistenbruch gedacht habe, weil ich eigentlich fast immer dran denke und da auch relativ stolz drauf bin. Aber die Symptomatik war für mich so klar, dass das irgendetwas im kleinen Becken ist, ich habe ja was mit Darm auch ggf. Darmabklärung geschrieben, aber es war eben wirklich untypisch. So ist das Leben. Lassen Sie mich noch etwas zu diesen Zeitkontingenten sagen. Wir haben ja das erste Quartal auch abgerechnet nach dem neune EBM zurückbekommen. Wir hatten viel Angst vor diesen Zeitzahlen und wir haben noch Zeit gut ohne Ende, also es scheint doch besser zu funktionieren, als alle immer befürchtet haben. Wir Gynäkologen haben es da, glaube ich, noch ganz gut erwischt. Makiol, Rechtsanwalt, Neuss: Ich denke, wir haben noch ein weiteres Problem. Kürzlich hatten wir einen Fall, bei dem es um die Dokumentation eines Blasenkatheters oder das Legen eines Blasenkatheters ging. Das war nicht dokumentiert. Der Arzt sagt, es ist selbstverständlich, wir haben den Baustein jetzt geändert. Wenn ich mir vorstelle, da wird für eine bestimmte Operation für die Dokumentation in der EDV nur ein Knopf gedrückt und schon ist die Operation dokumentiert. Was hat das noch für eine Bedeutung für die Bewertung dessen, was der Arzt getan hat? Otto, Rechtsanwalt, Marsberg: Ich glaube, es würde uns weiterhelfen, wenn wir den Sinn und den Zweck der Dokumentationspflicht zunächst mal in den Vordergrund stellen würden. Frau Dautert, Sie haben sehr schön gesagt, wem die Dokumentationspflicht nicht dient, aber eine richtige, knackige Formulierung, wozu sie eigentlich da ist, würde uns sehr viel weiter helfen und es auch leichter machen, ihre Reichweite zu bestimmen. Ich darf Sie zitierten: Die Dokumentation hat keinen Selbstzweck und dient auch nicht der Beweissicherung. Wir müssten klar formulieren, wofür sie da ist. Und dazu ist eigentlich bisher noch gar nichts gesagt worden, obwohl eigentlich jeder weiß, wofür sie da ist. Teichner, Rechtsanwalt, Hamburg: Ich will den Hinweis des Kollegen Makiol um einen eigenen Fall ergänzen. Eine Mandantin kam zu mir ganz aufgeregt- Sie war zur Abrasio in der Klinik gewesen. Ihr Gynäkologe spricht sie dann vier Wochen später an, wieso sie sich habe sterilisieren lassen. Und das Krankenhaus kam nachher mit dem Argument, wir haben
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den falschen Block gezogen. Also das haben wir schon auch, es hat auch Relevanz, was Sie sagen, Herr Kollege. Putz, Rechtsanwalt, München: Ich hätte eine Bitte an Frau Dautert und vielleicht auch an den Arzt im Publikum, dass mal dazu Stellung genommen wird, ob die Schwierigkeit einer Operation als solche, also nur schwierig für den Arzt, zu dokumentieren ist. Wir haben die Erfahrung, dass wenn am Ende der Operation feststeht, dass was passiert ist, wird diese Schwierigkeit überdeutlich dokumentiert zur Vorausverteidigung. Ist aber beim Abfassen des Operationsberichts noch gar nicht bekannt ist, was passiert ist, findet sich häufig kein Hinweis auf die Schwierigkeit. Konkrete habe ich die Konstellation im Auge, dass eben z.B. etwas verletzt wird und der Gutachter sagt: Ja, das ist ein Fehler. Dann sagt der Arzt, es war aber sehr schwierig, woraufhin der Gutachter sagt, dann ist es kein Fehler. Wir halten dagegen, das ist aber nicht dokumentiert, also war es nicht schwierig. Dann sagt der Arzt und in dem Fall bestätigt durch den Gutachter und LG München und OLG München, wenn es nur für den Arzt schwierig ist dann hat das für niemand anderen Bedeutung und muss nicht dokumentiert werden. Das heißt, der Arzt, der einfach sagt, es war schwierig, kommt aus der Haftung, weil ihm die Schwierigkeit als positiv wahr unterstellt wird. Stegers, Rechtsanwalt, Berlin: Die Schwierigkeit eines Eingriffs ergibt sich aus der Dokumentation insgesamt, nämlich dem OP-Bericht und den übrigen Bedingungen bzw. Besonderheiten des Eingriffs, d.h. es handelt sich um ein objektives aus der Erkrankung und seiner Behandlung abzuleitendes Kriterium. Die individuelle Geschicklichkeit des Operateurs ist dahingegen wie seine Tagesform auch eine subjektive Komponente und, da ihr regelmäßig für den weiteren Verlauf keine Bedeutung beizumessen ist, nicht dokumentationspflichtig. Ich möchte noch kurz auf zwei Punkte aufmerksam machen, die mit den Neuerungen im Dokumentationswesen zu tun haben. Erstens gibt es bei den DRGs Textbausteine, Bezeichnungen bestimmter Eingriffe, die um Nebendiagnosen ergänzt werden. Sie sind softwaremäßig so vorgegeben, dass sie mitunter die konkrete Diagnose gar nicht exakt abbilden. Mit anderen Worten: Nach außen hin wird etwas dargestellt, was der Arzt auf spätere Nachfrage im Haftungsverfahren mit Hinweis unter Hinweis auf die textbausteinmäßige Vorgabe des Systems nicht bestätigt. Auf die Ausdrucke im Leistungserfassungs- und Abrechnungssystem ist also nicht stets Verlass. Zweitens ist allgemein anerkannt, dass alle wesentlichen Schritte der Anamnese, Diagnostik und Behandlung zu dokumentieren sind, soweit nicht Spezialgesetze und untergesetzliche Normen detaillierte, darüber hinaus
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gehende Regelungen treffen. Wenn wir verfahrensrechtlich wissen, dass die Dokumentation ein Scharnier ist, an dem sich die Waage der Beweislast mal in die eine oder in die andere Richtung dreht, stellt sich doch sofort die Folgefrage, wie klären wir denn die Dokumentationspflichtigkeit einer bestimmten medizinischen Tatsache? Durch Sachverständigengutachten. Und dort findet sich das Problem, dass Sachverständige mit ihrer Antwort die Möglichkeit haben, in das Verfahrensrecht einzugreifen und im Bewusstsein dessen, so mach ich es und dann müssen es alle so machen oder im Wissen um die beweisrechtlichen und damit auch materiellrechtlichen Folgen eine Antwort zu Dokumentationsgepflogenheiten geben. Da diese den Verfahrensausgang beeinflussen kann, sind gerade bei Klärung der Anforderungen an die ärztliche Dokumentation Unterfragen zu stellen, aus welchen medizinischen Gründen eine bestimmte Maßnahme dokumentationspflichtig erscheint, ob sich aus dem konkreten Behandlungsverlauf diese Notwendigkeit ergibt, welche Bedeutung die Dokumentation eines bestimmten Umstandes bzw. Schrittes für die spätere Diagnostik und Behandlung ex ante gehabt hat. Detaillierte Vorfragen der Dokumentationspflicht sind ggf. in einem Beweisbeschluss zu stellen, damit nicht subjektive Antworten gegeben werden. Teipel: Das ist sicherlich zutreffend. Eisenmenger, Institut für Rechtsmedizin, München: Ich habe eine Frage an die Frau Kollegin Classen. Ihre Dokumentation war so exzeptionell gut, wie ich sie in 35 Jahren noch nicht gesehen habe. Wer gibt das ein in den Computer? Haben Sie selber dazu die Zeit? Dann bezweifle ich, ob Sie 15 Minuten für jeden Patienten aufwenden können. Classen: Ich tippe das selber ein. Ich habe auch wirklich kein besonders gutes Beispiel herausgesucht. Ich habe unter einem Chef gelernt, der sehr viel Wert auf Dokumentation gelegt hat, und das ist bei mir auch so geblieben. Wir haben aber für Routinefälle Textbausteine, das gebe ich auch zu. Also für die normale Krebsfrüherkennung mit unauffälligem Befund gibt es auch einen Klick, und dann steht der Befund da und alles, was davon abweicht, wie in diesem Fall, wird eben dann gesondert dokumentiert. Ich dokumentiere nicht, weil es vielleicht mal irgendwann einen Haftungsfall geben könnte, sondern für mich, weil ich so viele Patientinnen sehe und wenn die wiederkommen, kann ich mich manchmal nicht an sie erinnern. Aber wenn ich ordentlich dokumentiert habe, dann weiß ich, was ich besprochen habe, was ich untersucht habe. Und ich denke, dafür ist die Dokumentation da.
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Eisenmenger: Dann habe ich eine zweite Frage: Was dokumentieren Sie bei minderjährigen Patientinnen hinsichtlich deren Entscheidungsfähigkeit? Classen: Also bei unter 16-jährigen dokumentiere ich, ob die Erziehungsberechtigten dabei sind und mit den Maßnahmen einverstanden sind. Und eben, wenn die zwischen 14 und 16 sind, versuche ich, die Einwilligungsfähigkeit plausibel zu machen. Die meisten unter 16-jährigen kommen ja, weil sie die Pille verschrieben bekommen möchten. Und ganz häufig schreibe ich dahin, dass eben hier die Gefahr besteht, entweder Geschlechtsverkehr mit oder ohne Pille stattfinden zu lassen und dann bin ich nach wie vor dafür, dass der Geschlechtsverkehr dann doch bitte mit Pille stattfindet, und wenn die schon bis zu mir kommt, aus eigenem Antrieb und auch das Bewusstsein hat, dass eben ein ungeschützter Geschlechtsverkehr für sie Folgen haben kann, denke ich, ist sie auch einwilligungsfähig und das dokumentiere ich dann. Zum Mutterpass wollte ich eben gerne auch noch was sagen. Der Mutterpass ist für uns insofern auch schwierig, weil er in der Hand der Patientin ist, wir müssen ja für uns auch noch eine Dokumentation haben. Also alles, was im Mutterpass steht, wird letztendlich noch mal in unserer Patientendatei dokumentiert und gelegentlich auch noch mehr, weil im Mutterpass für die Anamnese kein Platz ist, da kann ich nirgendwo aufschreiben, ob sie Beschwerden hat oder was los ist. Es ist eine Doppeldokumentation. Teipel: Nur eine ganz kurze Anmerkung. Selbstverständlich ist es richtig, dass der Zweck der Dokumentation nur dazu dient, das zu sichern, was der Arzt gemacht hat in einzelnen Schritten und um Gottes Willen nicht für die Juristen. Also obwohl ich überwiegend Patienten vertrete, halte ich das für einen hanebüchenen Blödsinn, wenn daraus dann möglicherweise eine Haftungsgrundlage gemacht werden soll. Also das würde die Medizin total verfremden. Frau Dr. Classen hat so wunderbar das Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Arbeitsbelastung und qualitativ hochwertiger Medizin dargestellt. Ich denke, dass ein Grund für ganz viele Haftungsfälle auch die zunehmende Ökonomisierung der Medizin und damit eben eine Verknappung der Ressource der Medizin ist, bloß das ist ein eigenes Symposium die Ökonomisierung der Medizin. Winter: Was der Schwangerenpass für Gynäkologen ist oder die Patientin, ist der Diabetikerpass für den Internisten. Wenn man das genau sieht, bedeutet Diabetikerpass, dass damit die Kontrolle der Patienten im Rahmen eines speziellen Strukturvertrages oder DMP-Programm dokumentiert
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wird. Ich sehe mir bei allen Patienten den Diabetikerpass an und ich möchte schätzen, dass über 95 % die Leitlinien und die Zielwerte, die dort angegeben werden, nicht erreichen. Das heißt, es kann jemand kommen, bei dem im Diabetikerpass seit vielen Jahren keine leitliniengerechte Erreichung der Zielwerte dokumentiert ist. Uphoff: Noch mal kurz zu den Fragen des Kollegen Otto und zu der Frage des Kollegen Putz. Was muss eigentlich dokumentiert werden? Für mich ist immer hilfreich, die Frage zu stellen, ist die Behandlung, die überprüft werden soll, für einen Nachbehandler, für einen medizinischen Fachmann rekonstruierbar? Kürzel müssen sicherlich nicht ausgeschrieben werden. Dreh- und Angelpunkt ist der medizinische Fachmann. Wenn also in dem Fall, den der Kollege Putz geschildert hat, möglicherweise Komplikationen aufgetreten sind, die nicht dokumentiert sind, meine ich, dass dieser Sachverhalt insoweit nicht rekonstruierbar ist. Ich meine, Prof. Kienzle hat es angesprochen, gefordert ist hier nicht forensische Dokumentation, sondern in Ihrem Fall, Frau Dr. Classen, wo aus meiner Sicht die Befunderhebung ausreichend war, ist die möglicherweise dann ex post sich herausstellende Fehldiagnose sicherlich zwar falsch aber rechtlich „nur“ ein Diagnosefehler bei ausreichender Befundung und damit nicht behandlungsfehlerhaft. Was anderes wäre es, wenn Sie die Befunde nicht ausreichend erhoben hätten, also beispielsweise Tastuntersuchung im gynäkologischen Bereich nicht durchgeführt hätten und dann eine Diagnose gestellt hätten, die nicht auf diese Befunde zurückzuführen ist. Also in Ihrem konkreten Fall: Ich denke, Befunde ausreichend erhoben, ausreichend dokumentiert, falsche Diagnose (ex post gestellt), damit nur einfacher Diagnoseirrtum, kein Behandlungsfehler. Figgener: Ich glaube, dass wir zwei Dinge unterscheiden müssen. Wie theoretisieren hier und sagen, was die Dokumentation beinhalten soll. Sie soll medizinischen Zweck haben und nichts anderes. Vor Gericht ist das ganz anders. Vor Gericht bekommt man ausschließlich den Eindruck, dass die Dokumentation forensischen Zwecken dient. Das ist einfach so, wenn man als Sachverständiger vor Gericht steht, weiß man, dass in der Argumentation der Juristen das eben dann so aufgefasst wird, oder der Aufhänger ist oft die Dokumentation, und dann bekommt sie forensischen Sinn. Und der Arzt, der das weiß, versucht sich abzusichern und versucht, auf diesen worst case hinzuarbeiten oder eben vorzubeugen und dokumentiert möglichst auch schon so, dass er im Falle eines Falles eben besser dasteht. Und der Arzt wünscht es sich ja von ganzem Herzen, Kataloge sowohl für die Aufklärung als auch für die Dokumentation zu bekommen, anhand deren er seine Aufklärung und seine Dokumentation so gestalten kann, dass es im Fall des Falles hinterher ausreicht. Nur das ist eine Erfahrung,
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die man auch machen muss, wenn man als Mediziner mit Juristen versucht, so einen Katalog aufzustellen aus der ex ante-Sicht. Dann hat man im Grunde genommen wenig Gesprächspartner. Aus der ex post-Sicht weiß immer jeder, was man hätte dokumentieren müssen und über was hätte aufgeklärt werden müssen. Aus der ex ante-Sicht ist das alles gar nicht so klar. Und der Arzt steht immer vor dieser Situation, dass er vorher schon wissen soll, was später vielleicht einmal an ihn für eine Anforderung gestellt werden wird. Das ist eine ausgesprochen schwierige Situation und die muss der Jurist auch wissen. Die muss er kennen und auch berücksichtigen bei den Anforderungen, die er stellt. Schünemann, Rechtsanwalt, Celle: Zwei kurze Anmerkungen. Zunächst einmal zu den Ärzten, die gesagt haben, sie wissen nicht, was sie erwartet, was zu dokumentieren ist. Da darf man in Erinnerung rufen, dass das, was zu dokumentieren ist, eine vorrangig medizinisch zu beurteilende Frage ist, im Zweifel wird also der Gutachter gefragt, was hätten Sie in dieser Situation an Dokumentation erwartet, und damit ist diese Frage wieder in ihrem Feld. Lassen Sie mich aber noch einen zweiten Aspekt ansprechen. Die Dokumentation zerfällt ja in zwei Teile: Einmal das, was in einem konkreten Fall zu dokumentieren ist, und zweitens die Aufbewahrungspflicht der Dokumentation. Frau Dautert hat bereits auf die Entscheidung des BGH hingewiesen, dass die Rechtsprechung an diesem Punkt sehr streng ist, nämlich, dass aufbewahrt und auch die Aufbewahrung im Einzelnen dokumentiert werden muss. Im letzten Jahr hat das OLG Celle die Rechtsprechung des BGH sogar noch fortgeführt, die da sagt, das Krankenhaus muss dokumentieren, was mit an andere Krankenhäuser herausgegebenen Krankenunterlagen passiert ist. In diesem Fall hat das OLG Celle sogar eine Verpflichtung des Krankenhauses angenommen, nachzufragen bei einer anderen Klinik, wenn die Krankenunterlagen nicht etwa direkt an diese andere Klinik geschickt worden sind, sondern an den Patienten herausgegeben worden sind, der sie an die andere Klinik mitgenommen hat. Das heißt also auch in diesem Fall waren dann nachher die Unterlagen weg und das Risiko, dass die weg waren, hat nicht der Patient zu tragen, sondern die Klinik. Hertwig, Rechtsanwalt, Bremen: Ich wollte etwas anknüpfen an die Frage, ob wir nicht eine Möglichkeit haben, ex ante im gemeinsamen Gespräch praktisch Stichpunkte für eine Dokumentation festzulegen. Meine Frage richtet sich an die Mediziner: Wäre solch ein Katalog nicht möglicherweise eine Hilfestellung, indem man praktisch eine Checkliste von Befundmöglichkeiten hat, um sich selber zu zwingen, zu jedem Textbaustein, zu jeder Befundmöglichkeit eine Entscheidung zu fällen und diese Entscheidung auch zu dokumentieren, diesen Befund erhebe ich, diesen nicht, die-
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sen erhebe ich, diesen aus dem und dem Grunde nicht. Wäre da nicht dieser vielfach gerühmte Textbaustein ein Anhaltspunkt, eine Hilfestellung, um auch Negativentscheidungen zu dokumentieren? Schabram Rechtsanwalt, Freiburg: Ein Satz zur EDV-Dokumentation. Also ich persönlich finde es immer einen Segen, wenn ich eine EDVDokumentation bekomme, weil die Alternative ja bekanntermaßen die handschriftliche Dokumentation ist. Ich denke, eines der nicht angesprochenen Risiken ist das Unterlassen von Befunden bei Operationen durch die Verwendung von Textbausteinen, wenn die Kompliziertheit der Operation oder die Komplikationen nicht mehr klar werden. Also wenn wir die Frage stellen: Kann bei dem Eingriff ein Nachbarorgan verletzt werden? Kann bei dem Eingriff dieses oder jenes „verwechselt“ werden? Wenn ich einen Textbaustein nehme, der einen Routineeingriff dokumentiert, aber nicht die Blutung und die Verwachsungen usw., auf die ich da stoße, dann wird natürlich der Sachverständige nachher den Eingriff und die Komplikation ganz anders beurteilen, als wenn es im Operationsbericht heißt, es blutete, es gab Verwachsungen, es war schwierig, und wenn nachher die Komplikation aufgetreten ist in Form von Verletzungen von Nachbarorganen oder von sonstigen Strukturen, dann habe ich eine viel bessere Position als Arzt, wenn ich das dokumentiert habe. Und ein letzter Satz: Wir müssen immer daran denken, es gibt auch noch eine Paralleldokumentation. Das ist die Dokumentation im stationären Bereich durch die Pflegekräfte. Die ist ja aus meiner Sicht häufig viel aufschlussreicher, was die Behandlung und ihren Ablauf anbelangt, als das, was dann tatsächlich in der EDV-Dokumentation steht. Herr Uphoff, ich widerspreche ja gerne, auch in diesem Fall. Es geht nicht darum, dass der Nachbehandler die Behandlung rekonstruieren kann, sondern es geht darum, ob der Nachbehandler die Behandlung sachgerecht fortsetzen kann. Teichner, Rechtsanwalt, Hamburg: Wenn wir schon beim Widerspruch sind, Herr Dr. Uphoff, ich meine, wir können die Frau Dr. Classen ruhig nach Hause schicken mit dem Satz, der gefallen ist. Dir ist ein Diagnosefehler unterlaufen. Nein können wir nicht. Der Fall ist im Nachhinein wirklich ein gutes Beispiel. Diagnosefehler enthält den Begriff Fehler. Und ich sage, das sagt sie selber, ihr ist gerade kein Fehler unterlaufen. Aber das ist die spannende Frage. Wenn wir über den Fall mit dem Leistenbruch nachher streiten würden, dann würden Sie mir dann sagen, ich habe daran gedacht, ich habe ihn ausgeschlossen, nicht dokumentiert, weil ich es immer mache oder anders, ich habe nicht daran gedacht. Aber der Begriff Diagnosefehler meine ich, ist falsch, weil er den Begriff des Fehlers beinhaltet. Fehldiagnose wäre richtiger, spitzfindig wie wir Juristen sind, ist es
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1. Diskussion
was anderes und das meine ich schon, sollte man der Dame mit auf den Weg geben, bevor sie nach Hause fährt. Otto: Ich wollte eigentlich auch noch etwas Nettes zu Frau Dr. Classen sagen. Ich bin der Meinung, Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, als Sie gesagt haben, ich mache die Dokumentation für mich. Letztlich nicht für Sie, sondern für Ihre Patientin natürlich, haben Sie gemeint. Und das ist ja wohl auch der entscheidende Gesichtspunkt. In erster Linie haben die Ärzte das Bestreben, die Patienten gesund zu machen oder vor Schäden zu bewahren. Und da fällt mir eine Parallele ein. Manche von uns sind auch Notare. Und die Erfahrung lehrt, dass die notariellen Verträge immer länger werden und von Belehrungen, Hinweisen usw. nur so strotzen, so dass kein Mensch sie mehr versteht. Der Sinn der Sache ist nicht in erster Linie, den Notar vor dem Regress zu bewahren, sondern in erster Linie, dafür zu sorgen, dass die Beteiligten keinen Schaden erleiden. Wenn ich also den Käufer darauf hinweise, dass er erst bezahlen sollte, wenn die Auflassungsvormerkung eingetragen ist, dann bewahre ich ihn vor Zweimalzahlung oder vor Verlust bei Insolvenz. Und wenn Sie, Frau Dr. Classen, dokumentieren, das habe ich gemacht, haben Sie zunächst Ihre eigene Gedächtnisstütze. Wenn Sie plötzlich krankheitsbedingt ausfallen, erleichtern Sie dem Nachbehandler mit dem, was Sie dokumentiert haben, weiterzuarbeiten. Schließlich hilft diese Gedächtnisstütze Ihnen, Ihrem Nachfolger und der Patientin, zu einer guten Chance, dass alles gemacht worden ist, was man da auch zu tun hat. Und daraus ergibt sich dann ein positiver wie negativer Reflex. Wenn das so ist, passiert ja auch nichts. Wenn es aber nicht so war und dann irgendetwas nicht dokumentiert worden ist, dann wird man annehmen können, dann ist es vielleicht auch nicht gemacht worden und dann stellt sich im Fall, dass es nicht gut gegangen ist, eben die Haftungsfrage, so dass natürlich die Dokumentationspflicht nicht ohne die Haftungsproblematik gesehen werden kann und dass natürlich die Ärzte, genau wie die Notare, nicht nur im Interesse der Patienten, sondern eben auch im eigenen Interesse sich um die Dokumentation so zu kümmern haben, dass bewiesen ist, dass der Patient eine Chance zur Gesundung bekommen hat und dass bewiesen ist, dass man nichts falsch gemacht hat, gleichmäßig.
Die manipulierte Aufklärungsdokumentation Bernhard Baxhenrich
1. Einleitung Das Thema „Die manipulierte Aufklärungsdokumentation“ darf nicht zu der Annahme verleiten, dass Manipulationen der Aufklärungsdokumentation durch Ärzte ein zentrales forensisches Thema darstellen. Veranlasst ist dieses Thema vielmehr durch eine besondere Fallgestaltung, die ich noch im einzelnen darstellen werde. Einleitend will ich vorab die weitestgehend von der Rechtsprechung erarbeiteten systematischen Grundlagen der Aufklärung skizzieren. Der ärztliche Eingriff erfordert die Einwilligung des Patienten. Dies war zu keinem Zeitpunkt zweifelhaft, bis heute versteht die Rechtsprechung den ärztlichen Eingriff als tatbestandsmäßige Körperverletzung im Sinne der §§ 223 ff. StGB und fordert deshalb für den Ausschluss der Strafbarkeit den Rechtfertigungsgrund der Einwilligung. Daran anknüpfend ist es bis heute herrschende, wenn auch nicht einmütige Auffassung, dass der 1 Arzt die Beweislast für die vom Patienten erteilte Einwilligung trägt . Vorauszugehen hat der Einwilligung nach gleichfalls gefestigter Rechtsprechung die Aufklärung über Art und Weise, Risiken und Heilungschancen des Eingriffs. Grundlage dieser zusätzlichen Voraussetzung ist die im wesentlichen aus Art. 2 GG abgeleitete Auffassung, dass das auch die körperliche Unverkehrtheit umfassende Persönlichkeitsrecht des Patenten einen gewissen Kenntnisstand über den ärztlicherseits vorgeschlagenen 2 Eingriff voraussetzt .
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Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 5. Auflage, 2003, Rdnr. 254, 403 jew. m.w.N. Vgl. Deutsch/Spickhoff, a.a.O. Rdnr. 189 m.w.N.; OLG Celle, VersR 2004, 384.
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Bernhard Baxhenrich
1.1 Für die Aufklärung gelten dabei folgende Grundsätze: 1. Die Aufklärung erfordert ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis, das zu verneinen ist, wenn der Patient – aus welchen Gründen auch immer – 3 schon voraufgeklärt ist. Beweisbelastet für diesen Einwand ist der Arzt . 2. Die Aufklärung erfordert grundsätzlich ein Aufklärungsgespräch, also die Verbalisierung durch den Arzt, wobei auch Formulare verwendet wer4 den dürfen, die jedoch das persönliche Gespräch nicht ersetzen können . Problematisch sind deshalb die Fälle, in denen den Patienten ohne jedes erläuternde Gespräch Aufklärungsformulare zur eigenen Lektüre ausgehändigt werden. 3. Einen Dokumentationszwang hinsichtlich des Aufklärungsgespräches 5 kennt die Rechtsprechung – im Unterschied zum Behandlungsgeschehen – bislang nicht, mit der Folge, dass es bis heute dem Arzt letztlich freisteht, ob und in welchem Umfang er neben dem in der Sache unumgänglichen Aufklärungsgespräch Formulare bzw. eine vorformulierte oder eigenhändige Dokumentation verwenden will. Verzichtet er auf eine Dokumentation, ist ihm zwar bei einer späteren prozessualen Auseinandersetzung der Nachweis der Aufklärung durch die dann nur noch mögliche Zeugenver6 nehmung nicht verwehrt , aber in Deutschland ist – wohl primär aus forensischen Erwägungen zur Sicherung des Aufklärungsgespräches – in den letzten Jahrzehnten die (schriftliche) Dokumentation des Aufklärungsge7 sprächs mehr und mehr üblich geworden , und zwar im wesentlichen einmal in der Form, dass entweder ohne spezielles Formular durch den Arzt stichwortartig die maßgeblichen Gesichtspunkte fixieret werden oder alternativ ein aus Hinweisen und Fragen kombiniertes vorformuliertes For8 mular zum Einsatz kommt . 4. Bislang fordert die Rechtsprechung keine eigenhändige Unterschrift des Patienten bzw. seiner Vertreter als Nachweis für die erfolgte Aufklärung bzw. Einwilligung, vielmehr soll die Unterschrift des Patienten unter ei-
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Vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Auflage, 2002, Rdnr. 430 m.w.N. Vgl. Steffen/Dressler, a.a.O., Rdnr. 435. BGH, VersR 1978, 1022, OLG Braunschweig, VersR 1980, 853 (vgl. § 15 Abs. 1 MBO). Vgl. OLG München, VersR 1991, 190. Vgl. Deutsch/Spickhoff, a.a.O., Rdnr. 403. Vgl. Deutsch/Spickhoff, a.a.O., Rdnr. 242 ff.
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nem Aufklärungsformular lediglich ein Indiz für die Durchführung des 9 Aufklärungsgesprächs darstellen . Dies alles ist hinreichend bekannt und soll hier nur dazu dienen, das Augenmerk auf die Fragen zu richten, die mit einer ärztlicherseits vorgenommenen Manipulation der Dokumentation des Aufklärungsgesprächs verknüpft sind. Gegenständlich befasse ich mich im folgenden nur mit der Aufklärungsdokumentation und nicht mit der Behandlungsdokumentation, mit der der Patient während des Behandlungsvorganges im Regelfall nichts zu tun bekommt und die eine gänzlich andere Funktion hat.
1.2 1. In Bezug auf die Behandlungsdokumentation mag die Urkundsqualität 10 zweifelhaft sein , in Bezug auf die Einwilligungserklärung, auch wenn diese nicht vollständig den Regeln der Willenserklärungen unterworfen 11 ist , kann die Urkundsqualität im Sinne des § 416 ZPO nicht bezweifelt werden. Dies muss auch gelten, soweit die Einwilligungserklärung in ei12 nem Formular mit der Aufklärung verbunden ist . 2. Die Unterschrift des Patienten unter ein vom Arzt eingesetztes Aufklärungsformular schafft gemäß § 416 ZPO eine Vermutung dahingehend, dass der Inhalt des Aufklärungsformulars in der konkret vorliegenden Form mit dem Patienten besprochen wurde. Aber auch ohne Subsumtion unter den speziellen § 416 ZPO wäre entsprechend der durch § 286 ZPO vorgegebenen Beweiswürdigung eine Vermutung des Inhalts begründet, dass der unterzeichnende Patient den Inhalt der Erklärung oder des Formulars zur Kenntnis genommen und sich damit einverstanden erklärt hat. 3. Eine schriftlich fixierte und durch den Patienten unterschriebene Erklärung hindert zwar grundsätzlich keine Seite, sich auf inhaltliche Unrichtigkeit zu berufen. Beweisbelastet ist aber die Seite, die sich auf die dergestalt behauptete Unzulänglichkeit oder Unrichtigkeit des Aufklärungsformulars 13 beruft . Somit kann bei einer schriftlich fixierten Aufklärung in Umkehrung der grundsätzlichen Beweislast auch der Patient für seine Behauptung beweispflichtig werden, während sich an der Beweislast des Arztes bei 9
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BGH, VersR 1985, 361; BGH, VersR 1999, 190; OLG Hamm, VersR 1997, 848, Steffen/Dressler, a.a.O., Rdnr. 437 m.w.N. Dafür OLG Koblenz, MedR 1995, 29. Vgl. Deutsch/Spickhoff, a.a.O., Rdnr. 105 m.w.N. OLG Frankfurt, Arztrecht 1995, 174; davon gehen offensichtlich auch Deutsch/Spickhoff a.a.O., Rdnr. 243 und 256 aus, die sogar die Anwendung der AGB-Regeln erwägen. Vgl. OLG Hamm, VersR 1995, 661.
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behaupteter Abweichung des Formulartextes ohnehin nichts ändert. Mit seiner Unterschrift unter das entsprechende Formular verschlechtert somit der Patient die im Zivilprozess maßgebliche Beweissituation zu seinen Lasten, sofern er sich auf einen von der schriftlichen Fixierung abweichenden Inhalt beruft. Dies gilt sogar für den Fall einer Blankounterschrift. Umgekehrt verbessert der Arzt grundsätzlich seine Beweissituation, wobei aber nicht selten erst die Schriftlichkeit der Aufklärung zur gerichtlichen Feststellung von Lücken führt, was in den letzten Jahren zur Folge hatte, dass die Aufklärungstexte kontinuierlich umfangreicher geworden sind.
1.3 1. Nicht selten – regelmäßig im Zusammenhang mit einer prozessualen Auseinandersetzung – beruft sich der Patient darauf, dass die Erklärung oder das betreffende Formular falsch sei und dass Ergänzungen im Aufklärungsformular nach seiner Unterschriftsleistung und ohne sein Wissen seitens des Arztes vorgenommen wurden, die nicht Gegenstand des Aufklärungsgespräches waren. Eine solche Behauptung hat der Patient, da sie eine Abweichung des von ihm autorisierten Textes darstellt, zu beweisen, wobei sich gelegentlich aus dem Formular selbst Hinweise dafür ergeben können, dass der Text im nachhinein verändert wurde. Selbstverständlich kann auch der Patient sich auf Zeugen berufen, dass zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung die betreffenden Ergänzungen noch nicht vorhanden waren. Erfahrungsgemäß nützen aber dem Patienten in den meisten solcher Fälle wegen der Vermutung der Vollständigkeit und inhaltlichen Richtigkeit des Inhalts 14 die Zeugenaussagen nur wenig . Gelegentlich können graphologische Gutachten zur Feststellung führen, dass zu einem späteren Zeitpunkt nach der Unterschriftsleistung des Patienten Ergänzungen von dritter Seite vorgenommen wurden. Vorwürfe in dieser Hinsicht sind recht häufig, oftmals verbunden mit der von Patienten abgestrittenen, dann aber doch vorhandenen Unterschriftsleistung. Die in diesem Fall den Patienten treffende Beweislast für nachträgliche Manipulationen wird man auch nicht grundsätzlich als unbillig ansehen können, wenn im Auge behalten wird, dass bei jeder Vertragsurkunde derjenige die Beweislast trägt, der eine spätere Abänderung des Textes behauptet. Allerdings sollte man nicht, wie dies gelegentlich geschieht, bei einer Manipulation von einer Beweisvereitelung und einer daraus abzulei-
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Vgl. OLG Hamm, VersR 1995, 661.
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tenden Beweislastumkehr gemäß §§ 427, 444 ZPO sprechen . Eine Beweislastvereitelung liegt immer nur dann vor, wen der Gegner durch Vorenthaltung der Urkunde dem Beweisführer den zu führenden Beweis unmöglich macht, während das manipulierte Aufklärungsformular vorliegt. 2. Nach diesen allgemeinen und grundsätzlichen Ausführungen zur beweisrechtlichen Funktion der Aufklärungsdokumentation nunmehr der angekündigte authentische Fall: Eine Patientin wollte bei einer Tagesklinik eine Gesichtsstraffung (Facelifting) vornehmen lassen. Zu diesem Zweck führte sie mit dem ärztlichen Leiter der in Form einer GmbH betriebenen Praxis ein Gespräch, bei dem – dies ist unstreitig – auf der im einschlägigen Perimed-Merkblatt enthaltenen Skizze vom Arzt die Schnittführung im einzelnen dargestellt wurde. 14 Tage vor dem Eingriff erhielt sie per Post dieses Perimed-Merkblatt mit der Aufforderung, dieses zum Eingriff, der am 01.04.1997 stattfinden sollte, unterzeichnet mitzubringen. Entsprechend verfuhr die Patientin. Im Rahmen von postoperativ erhobenen Beanstandungen forderte ihr Anwalt die Übersendung des Aufklärungsformulars. Ihm wurde darauf unkommentiert von einem offensichtlich ständig die betreffende Tagesklinik vertretenden Anwalt das von der Patientin unterzeichnete Perimed-Merkblatt per Kopie ausgehändigt. Dabei stellte sich allerdings heraus – die Patientin hatte vorsorglich Kopien angefertigt –, dass dieses Formular umfangreiche handschriftliche Ergänzungen des Arztes enthielt, u.a. in Bezug auf eine zusätzliche beidseitige Augenlidkorrektur. Beigefügt war dieser Kopie ein zweiseitiges Perimed-Merkblatt zum Aufklärungsgespräch über die Augenlidkorrektur, mit der – einzigen – Unterschrift des Arztes. Auf den entsprechenden anwaltlichen Vorhalt, dass seine Mandantin lediglich das vierseitige Merkblatt über die Gesichtsstraffung – ohne jede handschriftliche Ergänzung ärztlicherseits – unterschrieben und zurückgegeben habe, erklärt der Anwalt der Tagesklinik, dass das vorliegende Merkblattkonvolut mit Ergänzungen und Zusätzen versehen worden sei, „um die Aufklärung und die damit verbundenen Formalitäten ... transparent zu machen.“ In der Klageerwiderung berief sich der Anwalt darüber hinaus darauf, dass die Behandlungsunterlagen im Eigentum des Arztes ständen und „berechtigte“ Änderungen und Ergänzungserklärungen aufgebracht werden dürften. Bei der Beurteilung dieses Falles wird man zwar grundsätzlich dem Arzt das Eigentum auch an dem vom Patienten unterzeichneten Aufklärungsformular zugestehen müssen, indessen entwertet der Arzt durch eigen15
So aber Oexmann/Georg, Die zivilrechtliche Haftung des Zahnarztes, 1. Auflage, 1989, Rdnr. 552.
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mächtige Manipulation die aus der Unterschrift des Patienten zunächst einmal resultierende Vermutung der Vollständigkeit und inhaltlichen Richtigkeit, und zwar unabhängig von der Begründung des Arztes, der in den seltensten Fällen einräumen wird, vorsätzlich unrichtig manipuliert zu haben. Entscheidend ist, dass die spätere Manipulation des Formulars von der früher geleisteten Unterschrift des Patienten nicht mehr gedeckt ist und damit jedenfalls in Bezug auf die Ergänzung – jenseits des Streites, ob inhaltlich richtig oder falsch – die Vermutung der Vollständigkeit und inhaltlichen Richtigkeit keine Basis mehr hat. Strafrechtlich gesehen liegt ohnehin ein Fall der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) vor, ohne dass sich der Arzt auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen kann. 3. Steht also fest, dass der Arzt zu einem späteren Zeitpunkt eigenmächtige Ergänzungen des vom Patienten unterschriebenen Textes vorgenommen hat, kann er sich für seine Behauptung, dass er damit lediglich das fixiert habe, was in dem Aufklärungsgespräch thematisiert worden sei, nur noch auf außerhalb der Urkunde bestehende Beweismittel berufen, also wie in der Situation, dass überhaupt keine schriftliche Dokumentation in Bezug auf das Aufklärungsgespräch erstellt wurde. a) Im übrigen gilt, dass nur in Bezug auf den jeweils veränderten Inhalt der Urkunde die Beweisvermutung für die Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit entfällt. Es wäre mit den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen der Beweiswürdigung nicht vereinbar, auch die Teile der Aufklärung als nicht existent zu behandeln, die zwischen den Parteien 16 unstreitig sind . b) Steht fest, dass eine Manipulation des Aufklärungsformulars vorliegt, beruft sich aber der Arzt darauf, dass es sich dabei lediglich um eine während des Gesprächs versehentlich unterlassene und dann von ihm nach Unterschriftsleistung des Patienten nachgeholte Ergänzung handelt, kann er, wie schon angesprochen, sich diesbezüglich grundsätzlich auf Zeugen, soweit vorhanden, berufen, deren Aussagen nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen zu würdigen sind. Die Schlüssigkeit dieser unter Beweis gestellten Behauptung erfordert aber eine nähere Darlegung, weshalb er während des Aufklärungsgespräches den betreffenden Gesichtspunkt nicht sofort schriftlich fixiert hat. Nicht plausibel und unschlüssig ist die Behauptung, wenn der Arzt sich zunächst – auch konkludent – dahingehend eingelassen hat, dass das Aufklärungsformular in der vorgelegten Form vollständig und richtig und in der vorgelegten Form vom Patienten unter-
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Vgl. OLG Koblenz, VersR 2004, 246.
Die manipulierte Aufklärungsdokumentation
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zeichnet sei. In einem solchen Fall bedarf es noch nicht einmal einer Beweiserhebung. 4. Der forensische Alltag ist allerdings, wie Sie alle wissen, von der Konstellation beherrscht, dass in nur sehr seltenen Fällen eine spätere Manipulation des Aufklärungsformulars durch den Arzt festgestellt wird. Wesentlich häufiger ist die Konstellation, dass der Patient bestreitet, dass überhaupt ein Aufklärungsgespräch geführt wurde, selbst wenn die von ihm unterzeichneten Aufklärungsformulare vorliegen. Für beide Seiten, insbesondere auch für die beteiligten Anwälte, ist jedenfalls ein solcher Manipulationsvorwurf ausgesprochen misslich. Insoweit fragt es sich, ob und welche Verhinderungsmöglichkeiten gegen eine spätere ärztliche Manipulation bestehen. a) Zu denken ist zu allererst an die Aushändigung einer Zweitschrift des vom Patienten unterzeichneten Aufklärungsformulars, am bequemsten in Form einer Kopie, die jedoch ihrerseits nur Sinn macht, wenn das Aufklärungsformular zeitnah zur Aufklärung dem Patienten ausgehändigt wird, da anderenfalls sehr schnell der – vom Patienten zu beweisende – Vorwurf im Raume steht, dass in Kenntnis später auftretender Komplikationen vor Rückgabe einschlägige Manipulationen vorgenommen worden sind. Allerdings eröffnet angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten die Aushändigung einer Kopie umgekehrt auch dem Patienten Manipulationsmöglichkeiten zu Lasten des Arztes, insbesondere dann, wenn das Original des Aufklärungsformulars nicht mehr vorhanden ist, was gelegentlich vorkommt. b) Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Patient einen Rechtsanspruch auf zeitnahe Aushändigung einer Zweitschrift oder wenigstens Kopie des Aufklärungsformulars hat. Die Rechtsprechung gewährt bekanntlich dem Patienten ein Recht auf Einsicht in seine Krankenunterlagen bzw. 17 ein Recht auf Kopien, abgeleitet aus dem Persönlichkeitsrecht . Da das Einsichtsrecht des Patienten hinsichtlich aller ihn betreffenden Krankenunterlagen keiner zeitlichen Beschränkung ausgesetzt ist, bestehen keine Bedenken, dem Patienten ein Recht zur Aushändigung einer Zweitschrift oder Kopie auch unmittelbar nach Beendigung des Aufklärungsgesprächs zuzuerkennen. Ob darüber hinausgehend eine Verpflichtung des Arztes/Krankenhauses besteht, auch unaufgefordert dem Patienten zur zeitnahen Sicherung des Aufklärungsgespräches eine Kopie auszuhändigen oder überhaupt eine schriftliche Fixierung der Aufklärung vorzuneh17
BGH, VersR 1989, 512; Steffen/Dressler, a.a.O., Rdnr. 446 m.w.N.
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Bernhard Baxhenrich
men, dürfte mit Rücksicht auf die Rechtsprechung, wonach der Arzt nicht zu einer Dokumentation des Aufklärungsgesprächs verpflichtet ist, nicht begründbar sein.
1.4 Zusammenfassung 1. Weder die Einwilligung noch das Aufklärungsgespräch müssen nach bisheriger Rechtsprechung schriftlich fixiert sein, bis heute sind sie „formfrei“ zulässig. Die von der Rechtsprechung dem Arzt zugewiesene Beweislast hat die Verwendung von Formularen/Schriftstücken begünstigt. 2. Manipulationen des Arztes auf einem vom Patienten unterschriebenen Aufklärungsformular sind vom Patienten zu beweisen. 3. Der Arzt ist unbeschadet seines Eigentums nicht zu nachträglichen Abänderungen – auch inhaltlich zutreffenden – des vom Patienten unterschriebenen Aufklärungsformulars berechtigt. Nimmt er sie vor, entwertet er insoweit die Urkundsfunktion. 4. Der vielfach unbeweisbare Vorwurf einer nachträglichen Manipulation durch den Arzt lässt sich durch Aushändigung einer Kopie faktisch weitgehend verhindern. Der Patient hat einen Rechtsanspruch auf zeitnahe Aushändigung einer Kopie, nicht auf eine schriftliche Fixierung.
Aufklärungsgespräch und Dokumentation Ludger Figgener
Die Formulierung „Verschriftlichung“ der Medizin lässt das Unbehagen erahnen, das offenbar auch den Juristen angesichts der Komplizierung und – damit verbunden – der immer unerfüllbarer werdenden Anforderungen an die arzthaftungsrechtlich relevanten Pflichten zur Aufklärung und Dokumentation beschleicht. Dabei braucht über allgemeine Gesichtspunkte der Aufklärung und Dokumentation sicherlich nicht nachgedacht oder räsoniert zu werden, die grundsätzlichen Pflöcke sind eingeschlagen und Aufklärung und Dokumentation sind selbstverständliche Bestandteile des Arzt-Patienten-Verhältnisses. Was im Laufe der Zeit allerdings großen Schwankungen, Konkretisierungen, Differenzierungen, aber auch Diversifizierungen unterlag, sind die Anforderungen bzw. Inhalte dieser Pflichten. Im Verlaufe der Entwicklung der Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärungspflicht haben das Reichsgericht und im Anschluss daran der Bundesgerichtshof zum Teil ungemein strenge Anforderungen aufgestellt, wobei das Selbstbestimmungsrecht zur bedingungslosen Maxime verabsolutiert wurde, hinter der medizinische und menschliche Aspekte zurückzubleiben drohten. So kann man nur mit Beklemmung eine Entscheidung des 1 Reichsgerichts aus dem Jahre 1940 lesen, in der es heißt, dass „der Arzt sich vor jedem Eingriff der klaren, auf zutreffenden Vorstellungen über Art und Folgen des Eingriffs beruhenden Einwilligung des Kranken versichern“ müsse. „Soweit die mit ihrer Einholung verbundene Aufklärung die Herabdrückung seiner Stimmung oder sogar seines Allgemeinbefindens zur Folge hat, handelt es sich um unvermeidbare Nachteile, die in Kauf genommen werden müssen.“ Nach dieser Entscheidung sollte es offensichtlich überhaupt keine Ausnahme von der vollen Aufklärung geben dürfen. Dieses Urteil und andere im Anschluss an die unnachgiebige Reichsgerichtsrechtsprechung ergangene Urteile des Bundesgerichtshofes stießen auf Unverständnis und erbitterte Ablehnung der Ärzte, für die nicht mehr „Salus aegroti suprema lex“ sein sollte, sondern „Voluntas aegroti suprema lex“. Die ablehnende Auffassung der Ärzteschaft gegenüber einer Über1
RGZ 163, 129.
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Ludger Figgener
spannung der Aufklärungspflicht fand immer auch Unterstützung in der 2 juristischen Literatur . Die vielseitige Kritik an der Praxis der Rechtsprechung blieb offenbar nicht ungehört. Der Bundesgerichtshof rückte etwas von der überaus strengen und starren Judikatur ab, und die Gegensätze 3 schienen sich zeitweilig zu entkrampfen . Trotz aller Bemühungen von beiden Seiten ließ sich aber bis heute kein allgemeines Einverständnis im „kalten Krieg zwischen Juristen und Medizinern um die ärztliche Aufklä4 rungspflicht“ erzielen, wie es Kuhlendahl seinerzeit einmal formulierte . In zahlreichen einschlägigen Publikationen ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass sich die Rüge einer Aufklärungspflichtverletzung zu einem Auffangtatbestand in Fällen entwickelt hat, in denen ein mit dem Behandlungsergebnis unzufriedenere Patient einen Behandlungsfehler nicht beweisen kann, aber auf dem Umweg über die Rüge einer Aufklärungspflichtverletzung sein Ziel zu erreichen versucht. In solchem Zusammenhang fällt es natürlich schwer zu glauben, dass dieser Vorwurf deshalb erhoben wird, weil sich der Patient nicht rechtzeitig und genügend in den Entscheidungsprozess für die bevorstehende Therapie einbezogen und deshalb in seiner Willensfreiheit verletzt fühlt. Vielmehr wird auf diese Weise das Persönlichkeits- bzw. Selbstbestimmungsrecht zur Anspruchsdurchsetzung instrumentalisiert. Aus der unüberschaubaren Rechtsprechungsfülle möchte ich zwei Beispiele anführen, die befürchten lassen, dass die Maßstäbe offenbar und zum Teil in bedenklicher Weise wieder anziehen. Bei einem Patienten war ein Weisheitszahn gezogen worden. Nach der Behandlung entwickelte sich von der Wunde ausgehend eine schmerzhafte, mehrere Wochen andauernde Osteomyelitis. Der Patient klagte, er sei speziell über dieses Risiko nicht aufgeklärt worden und forderte Schmerzensgeld. Der Zahnarzt lehnte dies ab. Das OLG Köln führte aus, dass der Arzt den Patienten vor dem Eingriff über alle diejenigen Risiken aufklären muss, die für seine Entscheidung, sich der Behandlung zu unterziehen oder nicht, ernsthaft ins Gewicht fallen könnten. Dazu zählten auch seltene Risiken, wenn sich deren Auswirkungen nachhaltig für die weitere Lebensführung des Patienten gestalten. Letzteres sei bei einer Osteomyelitis der Fall. Die mit einer solchen Entzündung verbundenen Nachteile samt mög5 lichen Spätfolgen hätten dem Patienten verdeutlicht werden müssen . Den folgenden Urteilsauszug erzielt ich ohne Angabe von Gericht und Fundstelle. 2
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Brügmann, Widerrechtlichkeit des ärztlichen Eingriffs und Aufklärungspflicht des Arztes, NJW 1977, 1473. BGH, NJW 1963, 393. Kuhlendahl, Die ärztliche Aufklärungspflicht oder der kalte Krieg zwischen Ärzten und Juristen, Deutsches Ärzteblatt 1978, 1984. OLG Köln, NJW-RR 2003, 1606.
Aufklärungsgespräch und Dokumentation
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Ein Patient hatte folgende Aufklärung bestätigt: Besondere Probleme bei mir kamen ausführlich zur Sprache, insbesondere Misserfolg (Rezidiv bzw. erneutes Auftreten), Nachblutung, Infektion, Gefäß- und Nervenverletzung, Thrombose, Embolie, Morbus Sudeck, Implantatlockerung und Bruch (Revisionsoperation erforderlich), anhaltende Schmerzen, insbesondere des Oberschenkels, Beinlängendifferenz. Das Gericht befand, dass eine solche Risikoaufklärung eher geeignet sei, Risiken zu verschleiern als über sie zu informieren. Für den medizinischen Laien ließe sich daraus wegen der Vielzahl der unkommentiert aneinander gereihten medizinischen Begriffe lediglich entnehmen, dass die Operation mit Komplikationen verbunden sein könnte. Dies stelle aber gerade keine ausreichende Information dar. Zum Inhalt einer ordnungsgemäßen Aufklärung z.B. über das relevante Risiko von Nervenverletzungen hätte es dagegen gehört, dass dem Patienten gesagt worden wäre, dass zu den seltenen, aber typischen Folgen der beabsichtigten Operation auch dauerhafte Lähmungen infolge von Nervverletzungen gehören. Wiederholt und in ständiger Rechtsprechung hat der BGH betont, es ge6 nüge von Seiten des Arztes eine Aufklärung „im Großen und Ganzen“ . In beiden eben angeführten Urteilen hingegen reichte eine Aufklärung „im Großen und Ganzen“ aber offenbar nicht. Hier wurde vielmehr davon ausgegangen, dass nicht nur die grundsätzlichen Risiken aufklärungsbedürftig sind, sondern dass diese Risiken hinunter bis in ihre einzelnen Verästelungen ebenfalls aufklärungsbedürftig sind, wobei offensichtlich diese Verästelungen noch einmal einzeln für sich kommentiert und mit dem Patienten diskutiert werden sollen. Wenn das tatsächlich Maßstab wird, bewegen wir uns in eine völlig unrealistische, weil unerfüllbare Richtung. Bei jedem invasiven Eingriff mit potentieller Entzündungsmöglichkeit hat eine Entzündung kaum je nur ein Erscheinungsbild, sondern kann fast immer in vielfältigen Erscheinungsformen und Ausprägungen auftreten: Es kann sich um eine lokale Entzündung handeln, es kann sich um eine fortgeleitete Entzündung handeln, von dieser Entzündung können Fernwirkungen ausgehen, unterschiedliche Entzündungserreger können unterschiedliche Entzündungsbilder nach sich ziehen, eine Entzündung kann einen leichten Verlauf haben, sie kann aber auch – wiederum in Abhängigkeit von weiteren Unwägbarkeiten – einen schweren Verlauf nehmen bis hin zur Sepsis, und an der Sepsis sterben auch heute noch etwa 50 % der Patienten. Ebenso können Nervenverletzungen verschiedenste Ausprägungsformen und Ausfallerscheinungen nach sich ziehen: Je nach Nervqualität kann es zu sensiblen, sensorischen oder motorischen Irritationen oder Ausfallerscheinungen kommen, zu vorübergehenden mit kompletter Restitutio, zu 6
Z.B. BGH, NJW 1977, 337; BGH, NJW 1985, 2192.
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dauernden Läsionen mit teilweiser Einschränkung und auch zu andauernden Totalausfällen. Da eben nicht voraussehbar ist, ob überhaupt ein Risiko sich verwirklichen wird und wenn ja welches und in welcher Ausprägung und Verästelung, müsste nach diesen Maßstäben tatsächlich nicht mehr im Großen und Ganzen, sondern im Kleinsten und bis ins letzte Detail aufgeklärt werden. Letztlich geriete ein solcher Katalog zwangsläufig zu einer Aufzählung aller Schädigungs- und Verletzungsmöglichkeiten, die, wie das allgemeine Leben, so eben auch eine ärztliche Behandlung mit sich bringen kann. Aus der ex-ante-Sicht muss so eine Art der Aufklärung als völlig unrealistisch erscheinen, weil sie aufgrund ihrer Ausnahmslosigkeit letztlich undurchführbar wäre. Die ex-post-Sicht hingegen schert sich um solche Bedenken nicht, weil hier nur noch das tatsächlich verwirklichte Risiko thematisiert wird. Und eins ist allen Risiken, Unterrisiken und Detailverläufen gemeinsame: Wenn sie denn eintreten, lassen sie sich alle als zwar seltene, aber dennoch typische Risiken und Risikofolgen auf den Eingriff zurückführen. Und alle werden vom Patienten in seiner konkreten Situation als die Lebensführung beeinträchtigende Einschränkungen empfunden. Jedenfalls wird das Gegenteil kaum je zu beweisen sein. Konsequent zu Ende gedacht wird auf diese Weise die Aufklärung für den Arzt zu einem Lotteriespiel. Wenn ein Patient nur einigermaßen plausibel vortragen muss, dass exakt das Detailrisiko, welches sich verwirklicht hat, ihn vor einen Entscheidungskonflikt gestellt hätte, wenn denn nur im Aufklärungsgespräch mit ihm darüber diskutiert worden wäre, und wenn die Rechtsprechung sich diesem Vortrag anschließt, dann steht natürlich zu erwarten, dass immer dann, wenn etwas nicht so läuft, wie man es sich wünscht, ein Behandlungsfehler aber nicht nachweisbar ist, die mögliche Abweichung vom Erhofften als ein aufklärungsbedürftiges Risiko apostrophiert wird, bei dessen Kenntnis man sich anders entschieden haben würde. In eine ähnliche Richtung geht die Entscheidung des Kam7 mergerichtes Berlin vom 15.12.2003 . Dieses Lotteriespiel wirkt natürlich unmittelbar fort im Bereich der Dokumentation. Denn selbst wenn der Arzt tatsächlich auch über das realisierte Risiko-Unterdetail aufgeklärt haben sollte, nützt ihm das nichts, solange er das nicht beweisen kann. Also müsste die Dokumentation genauso extensiv betrieben werden, wie das Aufklärungsgespräch selbst. Ich möchte mit meinen pointierten Ausführungen nicht provozieren oder an etablierten Patientenrechten rütteln – nichts liegt mir ferner! Ich möchte aber eindringlich appellieren, die Anforderungen in einem realistischen Rahmen zu halten. 7
KG Berlin, VersR 2005, 1399.
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Wir alle wissen aus entsprechenden Untersuchungen, wie wenig der Patient vom Aufklärungsgespräch überhaupt aufnimmt und wie viel weniger noch er davon in seiner konkreten Situation für seine Entscheidung verarbeitet. Der den kranken Patienten beseelende Wunsch ist es, Heilung oder Besserung durch die geplante Behandlung zu erfahren, und seine Hoffnung ist es, dass alles gut gehen wird. Es erscheint mehr als unrealistisch, dass ein Patient, der in Kenntnis der ihm geschilderten maßgeblichen Risiken im Großen und Ganzen dem Eingriff zugestimmt hat, ausgerechnet bei der Nennung eines weiteren Risikodetails, welches sich dann später bei ihm unglückseligerweise verwirklicht hat, sich tatsächlich gegen die Behandlung entschieden haben würde. Das ist nach unser aller Erfahrung zumindest extrem selten. Und wenn es tatsächlich vorkommt, so sieht sich der Arzt mit folgendem Paradoxon konfrontiert: Die Aufklärung soll so betrieben werden, dass der Patient alle Risiken kennt, die ihn in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts potentiell von der geplanten Behandlung zurücktreten lassen können. Ziel ist also die Ermöglichung einer freien Entscheidung. Entscheidet sich aber der Patient gegen die Behandlung und kommt es zu negativen Folgen durch die Nichtbehandlung, so sieht sich der Arzt möglicherweise konfrontiert mit dem Vorwurf, den Patienten mit seiner Aufklärung von der Behandlung abgehalten zu haben. Ganz so frei soll offenbar die Entscheidung des Patienten doch nicht sein: Aufgrund oder trotz der Aufklärung soll er das wollen, was er medizinisch richtigerweise wollen sollte. Man muss also versuchen, ihn quasi vor sich selbst bzw. seinem Selbstbestimmungsrecht in Schutz zu nehmen. Angesichts der vielen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten im Umgang mit der Aufklärungs- und Dokumentationspflicht ist das Bestreben des Arztes nachvollziehbar, sich rechtlich abzusichern. In fast allen operativen Fächern und in manchen anderen Bereichen der Medizin finden Aufklärungsbögen Verwendung, die das Aufklärungsgespräch vorbereiten und durch die Unterschrift des Patienten die erfolgte Aufklärung auch dokumentieren. Solche Aufklärungsbögen sind allerdings nicht in allen Bereichen der Medizin und vor allem auch der Zahnmedizin gleichermaßen gut verwendbar. Insbesondere in der Zahnmedizin unterscheidet sich die Durchführung der Patientenaufklärung von der in der Medizin unter anderem dadurch, dass in der Zahnmedizin die meisten Behandlungen durch das Zusammenkommen vieler unterschiedlicher Behandlungsschritte zu komplex sind, als dass sie einer Aufklärung mit Hilfe von vorbereiteten bzw. vorbereitenden Aufklärungsbögen zugänglich sind. Denken wir nur an eine umfangreiche Sanierung mit Extraktionen, parodontaler Behandlung, endodontischer und Karies-Therapie und Implantation mit anschließender prothetischer Versorgung. In solchen komplexen Behandlungsfällen lässt sich denknotwendig die Aufklärung nicht so konsequent struktu-
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rieren, wie beispielsweise bei einem chirurgischen Standardeingriff. Bei nur eingeschränkter Verwendbarkeit das Aufklärungsgespräch unterstützender schriftlicher Aufklärungsbögen ist damit in den meisten Einzelfällen die Aufklärung überwiegend oder ausschließlich mündlich durchzuführen, was auch in jedem dieser Einzelfälle eine entsprechend aufwändige Dokumentation erforderlich macht. Zwar hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass der zur Erfüllung der Dokumentationspflicht erforderliche erhebliche Zeitaufwand dem Arzt ebenso zugemutet werden müsse, wie der für die eigentliche Diagnostik und Therapie notwendige Zeitauf8 wand unvermeidlich sei . Nichtsdestoweniger muss noch einmal eindringlich davor gewarnt werden, die Anforderungen im Bereich der Aufklärungs- und Dokumentationspflicht zu überspannen. Die Anstrengungen des Arztes, solche Maßstäbe zu befolgen, kommen nicht wirklich dem Patienten medizinisch zugute. Vielmehr sieht sich der Arzt, der sich rechtlich absichern will und muss, der Notwendigkeit gegenüber, organisatorischen und zeitlichen Aufwand zu betreiben, der über die medizinische Sinnhaftigkeit zum Teil weit hinausgeht und der dem Patienten entgegengebrachten medizinischen Zuwendung dann zwangsläufig abgeht. Zusammen mit der ständig zunehmenden Bürokratisierung der medizinischen Praxis, die uns aus europarechtlichen Vorgaben im Zusammenhang z.B. mit dem Medizinproduktegesetz überkommt, kann man mittlerweile – ohne Schwarzmaler zu sein – von erdrückenden und auch entmutigenden Verhältnissen sprechen. Eingedenk meiner kritischen Gedanken zu neuerlichen Verschärfungen unserer ärztlichen Aufklärungs- und Dokumentationspflicht möchte ich allerdings an den Schluss meiner Ausführungen unbedingt mein ausdrückliches und ungeteiltes Bekenntnis zu einer medizinisch sinnvollen und den Patienten als Partner begreifenden Handhabung von Aufklärung und Dokumentation ablegen. Ich bin zutiefst von der medizinischen, juristischen und menschlichen Notwendigkeit eines vertrauensvollen, kompetenten Aufklärungsgespräches überzeugt, ebenso wie ich eine nachvollziehbare Dokumentation für selbstverständlich halte. Allein, diese Pflichten müssen erfüllbar bleiben. In ihrer Überspitzung geht der eigentliche Sinn dieser zu Gunsten des Patienten errungenen und erarbeiteten Rechte verloren und degeneriert allzu leicht zu einer prozesstaktischen Parafunktion. Eine Rechtsregel des römischen Rechts lautete: „Summum jus summa iniuria“, auf die Spitze getriebenes Recht kann sich leicht ins Gegenteil verkehren.
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BGH, NJW 1978, 2337.
Haftung für fehlerhafte Aufklärungsdokumentation - Selbstbestimmung, Therapie, Sicherung Alexandra Jorzig
1. Einleitung Gerade in den letzten Jahren ist ein enormer Anstieg an arzthaftungsrechtlichen Verfahren zu verzeichnen. Immer häufiger werden Behandlungsfehler und daneben eine mangelhafte oder fehlende Aufklärung gerügt. Für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers trägt der Patient die Beweislast. Im Gegensatz hierzu ist der Arzt für die Darlegung und den Beweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung verantwortlich. Dies hat zur Konsequenz, dass die Rüge der mangelhaften Aufklärung die Chancen des Patienten in einem Arzthaftungsprozess zu obsiegen erhöht. Insofern wird durch die Beweislastverteilung im Rahmen der Aufklärung zumindest ein Teil des Prozessrisikos auf den Arzt verlagert. Die Aufklärungsrüge wird auch nicht selten als so genannter „Auffangtatbestand“ bezeichnet. Nun stellt sich bei dem Thema „Haftung für fehlerhafte Aufklärungsdokumentation“ die Frage, ob allein eine fehlerhafte Aufklärungsdokumentation zur Haftung des Arztes führt. Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst allgemein auf die Aufklärungspflichten und sodann im Besonderen auf die Folgen unzureichender Aufklärungsdokumentation einzugehen.
2. Art und Weise der Aufklärung 2.1 Allgemeines Jede ärztliche, die Integrität des Menschen berührende Maßnahme stellt seit der Rechtsprechung des Reichsgerichts tatbestandlich eine Körperver-
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letzung dar . Dies gilt unabhängig davon, wie die Behandlung als solche 2 durchgeführt worden ist . Auch die lege artis, d.h. fachgerecht durchgeführte und auch gebotene ärztliche Heilbehandlung erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung im Sinne der §§ 823 Abs. 1 BGB, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 StGB. Ohne Einwilligung ist die Haftung des Arztes dem Grunde 3 nach begründet . In Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten normiert. In diese Recht darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Auch gemäß § 8 MBO-Ärzte ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu achten. Zur Behandlung bedarf der Arzt somit der Einwilligung des Patienten. Der Einwilligung hat grundsätzlich eine Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen. Zudem ist die ärztliche Aufklärungspflicht auch eine Nebenpflicht des Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient. Aus diesen Rechtsvorschriften ist abzuleiten, dass eine Aufklärung des Patienten vor der Behandlung unentbehrlich ist, um nicht gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen und insbesondere keine Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuches zu begehen. 2.2 Arten der Aufklärung Zu differenzieren ist bei der Aufklärung zwischen diversen Arten von Ausklärungen. a. Verlaufsaufklärung
Die Verlaufsaufklärung wird manchmal auch als Eingriffsaufklärung bezeichnet. Dies bedeutet, dass der Arzt dem Patienten Art, Umfang und Durchführung eines geplanten Eingriffes detailliert darzulegen hat. Er hat den Patienten auch über verschiedene Diagnose- und Behandlungsverfahren zu informieren. Im Rahmen der Verlaufsaufklärung gilt insofern eine volle Aufklärungspflicht. Nur wenn der Patient umfassend aufgeklärt wurde, bleibt sein Selbstbestimmungsrecht gewahrt, denn wer nicht weiß, worauf er sich einlässt, wer die Risiken nicht kennt, kann nicht rechtswirksam in eine ärztliche Heilmaßnahme einwilligen. Es ist ausreichend, dass der Patient „im Großen und Ganzen“ eine Vorstellung dessen bekommt, was auf ihn zukommt. Alles, was für seine körperliche Integrität und Le4 bensführung von Bedeutung werden kann, gehört zur Verlaufsaufklärung . 1 2 3 4
RGSt 25, 375. BGH, NJW 1998, 2946. BGH, VersR 2001, 592. BGH, MDR 2000, 701.
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b. Risikoaufklärung
Im Rahmen der Risikoaufklärung ist der Patient über alle typischen und nicht völlig abseits liegenden Risiken zu informieren. Der Patient soll dadurch die Möglichkeit bekommen, sich eigenmächtig zu entscheiden, ob 5 ein schwerwiegender Eingriff von ihm akzeptiert wird oder nicht . c. Krankheits- und Befindlichkeitsaufklärung
Der Patient ist über den Krankheitszustand, die Diagnose und Prognose zu informieren. In diesem Bereich gilt es kein therapeutisches Privileg. Unter therapeutischem Privileg versteht man die Befugnis des Arztes, dem Patienten zu dessen eigener Schonung schwerwiegende Mitteilungen über den Gesundheitszustand zu verschweigen, um den Heilungsverlauf oder den Heilungswillen nicht zu schwächen oder gar zu untergraben. Das ist dann der Fall, wenn die Eröffnung einer Erkrankung zu einer ernsten und nicht behebbaren Gesundheitsschädigung führt oder eine übermäßige psychische Beeinträchtigung zu erwarten ist. d. Therapeutische Aufklärung (Sicherungsaufklärung)
Die therapeutische Aufklärung wird auch häufig Sicherungsaufklärung genannt. Unter dieser Art der Aufklärung versteht man die Verpflichtung des Arztes, den Patienten auch über die Umstände zu informieren, die zur Si6 cherung des Heilerfolgs erforderlich sind . Beispielsweise gehören hierzu Hinweise für Verhaltensmaßregeln, um den Erfolg der Therapie zu sichern (z.B. Hinweis zur richtigen Einnahme von Medikamenten etc.). Die Sicherungsaufklärung ist rechtlich nicht wie die anderen Aufklärungsarten, z.B. die Risiko- und Verlaufsaufklärung, einzuordnen. Bei Verstoß gegen die Sicherungsaufklärung liegt kein Aufklärungsfehler im klassischen Sinne vor, sondern es handelt sich um einen Behandlungsfehler mit den entsprechenden beweisrechtlichen Folgen. Der Patient hat somit den Beweis zu führen, dass ein entsprechender therapeutischer Hinweis nicht erteilt wurde und es dadurch bei ihm zum Eintritt eines Scha-
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Beachte hierzu auch BGH, GesR 2005, 257. Rehborn, Aktuelle Entwicklungen im Arzthaftungsrecht, MDR 2000, 1101 [1103 m.w.N.]; s.a. BGH, GesR 2005, 403: Einbeziehung des Ehepartners in Sicherungsaufklärung.
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dens gekommen ist . Allerdings kann es auch bei der Sicherungsaufklärung dann zu einer Beweislastumkehr kommen, wenn die Unterlassung der the8 rapeutischen Aufklärung als grober Behandlungsfehler qualifiziert wird . e. Aufklärung über wirtschaftliche und versicherungsrechtliche Begleitumstände einer Behandlung
Der Arzt ist auch dazu verpflichtet, über wirtschaftliche und versicherungsrechtliche Begleitumstände einer Behandlung aufzuklären. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Behandlungsmaßnahmen keine Kassenleistungen darstellen und somit auf den Patienten Privatkosten zukommen. Für die tägliche Praxis sind jedoch die Verlaufs- und Risikoaufklärung die entscheidenden und bedeutsamen Aufklärungsarten. 2.3 Probleme bei der Aufklärung Nicht selten kommt es im Rahmen des Aufklärungsgespräches zu Problemen. Insbesondere bei der Beratung von ausländischen Patienten sind häufig Sprachbarrieren zu überwinden, die später für den Nachweis der Aufklärung Schwierigkeiten bedeuten. In diesen Fällen muss ggf. ein Dolmetscher beigezogen werden. Auch wenn es heute die Aufklärungsbögen z.B. der Firmen perimed, diomed etc. in diversen Sprachen gibt und diese auch in den meisten Krankenhäusern vorgehalten werden, so ist Vorsicht geboten, da der Aufklärungsbogen nicht das Gespräch zwischen Arzt und Patient ersetzt. Ähnliches gilt auch bei der Aufklärung von Minderjährigen. Es stellt sich regelmäßig die Frage, ob eine Aufklärung eines Minderjährigen mit der sich daran anschließenden Einwilligung ausreichend oder ob hierfür die Aufklärung nebst Einwilligung der Eltern notwendig ist. Vergleichbare Sonderfälle finden sich auch im Bereich des Heilversuchs, der Neulandmedizin und der Arzneimitteltherapie.
3. Folgen unzureichender Aufklärung Wird der Patient unzureichend aufgeklärt, führt dies dazu, dass keine wirksame Einwilligung vorliegt und somit der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt ist. 7
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OLG Oldenburg, NJW-RR 2000, 240 [241]; OLG Köln, NJW-RR 2001, 91 [92]; OLG Koblenz, VersR 2001, 111; OLG Hamm, VersR 2002, 1562 [1563]; Rehborn, a.a.O., MDR 2000, 1101 [1103]. BGH, GesR 2005, 68; BGH, NJW 1987, 705; OLG Köln, VersR 2002, 1285 [1286].
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Ist die Dokumentation des Aufklärungsgesprächs unzureichend oder fehlt die Dokumentation gänzlich, so kann dies zur Haftung des Arztes führen, 9 auch wenn ggf. kein Behandlungsfehler vorliegt . 10 Allerdings muss ein Schaden beim Patienten eingetreten sein . Etwas 11 anderes hatte das OLG Jena im Jahre 1998 entschieden . Dort wurde damals bei unterbliebener Aufklärung ein Schmerzensgeldanspruch einer Patientin allein auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts gestützt, und zwar unabhängig davon, ob der eigenmächtige (fehlerfreie) Heileingriff einen Körperschaden zur Folge hatte. Diese Rechtsprechung wird aber bis 12 heute eindeutig abgelehnt . Fraglich ist jedoch, ob jede fehlerhafte Aufklärungsdokumentation nun zur Haftung des Arztes führt. Dies ist nicht der Fall, und zwar aus folgenden Gründen.
4. Lösungsmöglichkeiten bei fehlender bzw. unzureichender Aufklärungsdokumentation Gem. § 8a MBO-Ärzte hat die Aufklärung in einem persönlichen Gespräch zwischen Arzt und Patient zu erfolgen. Insofern ist die Dokumentation der Aufklärung nicht verpflichtend und das persönliche Gespräch zwischen 13 Arzt und Patient ausreichend . Folgen dürfen sich hieraus nicht ableiten lassen. Da jedoch die Beweislast für das erfolgte Aufklärungsgespräch beim 14 Arzt liegt , wird der Arzt in einem Arzthaftungsprozess Schwierigkeiten haben, das erfolgte Aufklärungsgespräch zu beweisen. Insofern ist aus forensischen Gründen die Dokumentation der Aufklärung anzuraten. Allerdings ist es nicht ausreichend, in einem Arzthaftungsprozess ein Aufklärungsformular vorzulegen, um das Aufklärungsgespräch zu beweisen. Ein solcher Aufklärungsbogen ist als Urkunde im Sinne der ZPO zwar aner15 kannt und kann somit als vollwertiges Beweismittel in einen Arzthaftungsprozess eingebracht werden. Allerdings ist davor zu warnen, denn der 9 10
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Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., 2002, Rdnr. 202. BGH, Beschluss vom 23.09.2003 – VI ZR 82/03 –, n.v.; OLG Koblenz, GesR 2004, 411; KG Berlin, VersR 2004, 1321; Müller, Macht und Grenzen ärztlichen Handelns, GesR 2004, 257 [261]. OLG Jena, MDR 1998, 536. OLG Koblenz, GesR 2004, 411; KG Berlin, VersR 2004, 1321; Müller, a.a.O., GesR 2004, 257 [261]. BGH, VersR 1985, 361. BGH, VersR 1985, 361; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 5. Aufl., 2003, Rdnr. 254. OLG Frankfurt, VersR 1994, 986; OLG Saarbrücken, OLGR 1997, 286; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht aktuell, 1. Aufl., 2003, S. 168.
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Aufklärungsbogen an sich ist für den Beweis des Aufklärungsgesprächs allein nicht ausreichend. Hinzutreten muss stets ein weiterer Beweisantritt, um das Gespräch zwischen Arzt und Patient zu beweisen. Insofern hat der Aufklärungsbogen bzw. das verwendete Formular oder auch die handschriftlich festgehaltene Aufklärung im Einzelnen lediglich Indizwirkung 16 für das durchgeführte Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient . Allerdings ist Folgendes zu beachten: Rügt nun der Patient die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit des Aufklä17 rungsformulars, so muss er dies beweisen ! Für die Durchführung der Aufklärung verbleibt es somit dabei, dass die 18 Aufklärung in einem mündlichen Gespräch zu erfolgen hat . Dies ist auch 19 jüngst erneut obergerichtlich bestätigt worden . Es ist jedoch auch nochmals hervorgehoben worden, dass an den Beweis der gehörigen Erfüllung der Aufklärungspflichten durch die Behandlungsseite keine überzogenen 20 Anforderungen gestellt werden dürfen . Um nun das Aufklärungsgespräch seitens des Arztes zu beweisen, stehen diverse, weitere Beweismittel zur Verfügung, die auch möglichst ausgeschöpft werden sollten, um einer Haftung wegen Aufklärungsverschuldens zu entgehen. 4.1 Parteivernehmung Grundsätzlich kann eine Partei nur durch Vernehmung der Gegenpartei zum Beweis einer Tatsache antreten (§ 445 ZPO). Ausnahmsweise jedoch kann gem. § 448 ZPO die Partei selbst, die beweisbelastet ist, als Partei vernommen werden. Dieses steht im Ermessen des Gerichts, da § 448 ZPO eine Ausnahme des sonst im Zivilprozess herrschenden Beibringungsgrundsatzes darstellt und somit die Parteivernehmung von Amts wegen durchgeführt werden kann. Für die Durchführung einer Parteivernehmung im Sinne des § 448 ZPO müssen jedoch die Voraussetzungen erfüllt sein. Zu ihnen gehört, dass alle angebotenen, zulässigen und erheblichen Beweise erhoben worden sind und dass diese zu einem nicht ausreichenden Beweisergebnis geführt haben. Dies bedeutet, dass aufgrund der erhobenen Beweise das Gericht weder eine Überzeugung von der Wahrheit noch von der Unwahrheit der zu beweisenden Behauptungen erlangt hat; es muss 21 also eine echte non-liquet-Situation bestehen .Ferner muss aber die rechtliche Gesamtwürdigung von Verhandlung und bisheriger Beweisaufnahme 16 17 18 19 20 21
BGH, MDR 1999, 38; BGH, VersR 1985, 362; Rehborn, a.a.O., MDR 2000, 1106. OLG Saarbrücken, OLGR 1997, 286; OLG Frankfurt, VersR 1994, 986. BGH aaO. OLG Zweibrücken, GesR 2005, 23 (Aufklärung vor einer Blutspende). OLG Karlsruhe, GesR 2004, 469. Greger, in Zöller, ZPO, 25. Aufl., 2005, § 448 Rdnr. 4.
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eine gewisse, nicht notwendig hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit einer streitigen Behauptung erbringen, d.h. also es muss mehr für als gegen 22 sie sprechen, bereits „einiger Beweis“ erbracht sein . Dies bedeutet also, dass ein sog. Anscheinsbeweis der Behauptung vorliegen muss. Liegen nun diese Voraussetzungen des § 448 ZPO vor, so bleibt es dem Gericht zu entscheiden, welche Partei es vernimmt; dabei kommt es nicht auf die Verteilung der Beweislast an. Maßgeblich hierfür ist, welche Partei 23 zum Beweisthema überhaupt eigene Wahrnehmungen bekunden könnte . Für den Arzthaftungsprozess, in dem die Anwendung des § 448 ZPO zu24 lässig ist , entfaltet § 448 ZPO bezüglich der Aufklärung, bei der die Beweislast beim Arzt liegt, besondere Bedeutung. Gerade dann, wenn das Aufklärungsgespräch bewiesen werden muss und keinerlei Zeugen bei dem Gespräch anwesend waren, kann dieses Aufklärungsgespräch dann nur durch den behandelnden Arzt, der das Aufklärungsgespräch persönlich durchgeführt hat, im Einzelnen bezeugt werden. Insoweit kann dann, wenn der aufklärende Arzt selbst Partei des Prozesses ist, gem. § 448 ZPO der Arzt als Partei vernommen werden. Er kann dann schildern, über welche Risiken er im Detail aufgeklärt und in welcher Form er es dem Patienten dargelegt hat. Mithin ist die Vernehmung des Arztes in manchen Fällen als unerlässlich anzusehen, will man die Aufklärungsrüge aus der Welt schaffen. Aus diesem Grund ist besonderes Augenmerk auf die Parteivernahme der beweisbelasteten Partei, insbesondere im Rahmen der Aufklärung, zu legen und die Parteivernahme sollte – auch wenn sie im Ermessen des Gerichts steht – im Rahmen eines Beweisantritts dem Gericht gegenüber angeregt werden. Nicht selten wird dieses Beweismittel auch durch Gerichte außer Acht gelassen, wenngleich die Gerichte im Einzelfall hierzu 25 von Amts wegen verpflichtet sind . Negatives Praxisbeispiel: In KU steht nur „A“ für Aufklärung; aufgrund dieses Anbeweises soll nun der Arzt als Partei vernommen werden; zu Beginn der Vernehmung, nachdem er zur Wahrheitspflicht ermahnt wurde, sagt der Arzt plötzlich: „Ich habe doch nicht aufgeklärt!“
Fraglich ist, ob die Voraussetzungen des § 448 ZPO auch dann gegeben sind, wenn sich in den Krankenunterlagen keinerlei Hinweis zu einem Aufklärungsgespräch findet, die Parteien die Durchführung eines Aufklärungsgesprächs jedoch unstreitig gestellt haben und nur die Details des geführten Gespräches streitig sind. M.E. sind in diesen Fällen die Voraus22 23 24 25
BGH, MDR 1990, 146. BGH, VersR 1969, 220. BGH, NJW 1985, 1399; BGH, NJW 1992, 741. OLG Düsseldorf, GesR 2005, 464.
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setzungen des § 448 ZPO gegeben und die Tatsache des unstreitig durchgeführten Aufklärungsgespräches ist als Anbeweis i.S.d. § 448 ZPO anzusehen, so dass dann der Arzt trotz Nichtdokumentation als Partei zu den Einzelheiten des Aufklärungsgespräches zu vernehmen ist. 4.2 Zeugenbeweis Ist das Aufklärungsgespräch mangelhaft dokumentiert, so können Zeugen für das Aufklärungsgespräch benannt werden. Nicht selten kommt es gerade in Krankenhäusern vor, dass Ärzte das Aufklärungsgespräch geführt haben, jedoch an der weiteren Behandlung nicht beteiligt waren. Diese aufklärenden Ärzte sollten dann, da sie in der Regel nicht Beteiligte des Prozesses sind, als Zeugen für das Aufklärungsgespräch benannt werden. Diese können sodann die Einzelheiten des Aufklärungsgespräches bezeugen. Bei der Anhörung dieser Zeugen kommt es nicht selten vor, dass diese sich im Detail nicht an das Aufklärungsgespräch erinnern können, was aufgrund der Vielzahl der geführten Aufklärungsgespräche nicht außergewöhnlich ist. Dennoch kommen diese Personen als Zeugen in Betracht, 26 denn in diesen Fällen ist der sog. „Immer-so-Beweis“ anerkannt .Dies bedeutet, dass es ausreicht, wenn der aufklärende Arzt bezeugen kann, dass er immer über bestimmte Risiken oder die Art der Operation aufklärt. Gleiches gilt für eine Arzthelferin, die sonst üblicherweise bei den Aufklärungsgesprächen anwesend ist und den Inhalt so wiedergeben kann, wie der Arzt sonst stets aufklärt. 4.3 Hypothetische Einwilligung, Entscheidungskonflikt Rügt der Patient in einem Arzthaftungsprozess die mangelhafte Aufklärung und fehlt darüber hinaus die Dokumentation des durchgeführten Aufklärungsgespräches, so muss der Arzt versuchen – soweit das Aufklärungsgespräch tatsächlich stattgefunden hat –, das Aufklärungsgespräch anderweitig zu beweisen, da die Beweislast ihm obliegt. Zunächst wird es so sein, dass der Patient pauschal rügt, dass er nicht aufgeklärt worden ist. Der Arzt kann dann einwenden, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung den konkreten Eingriff hätte durch27 führen lassen, d.h. eingewilligt hätte . Diesen Einwand hat er dann im Detail darzulegen und auch zu beweisen.
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BGH, NJW 1986, 2825; OLG Hamm, VersR 1995, 661; OLG München, OLGR 1994, 109; LG Heidelberg, VersR 1994, 222. BGH, VersR 1991, 547; BGH, NJW 1996, 3073; OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 310.
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Hätte der Patient den Eingriff bei ordnungsgemäßer Aufklärung durchführen lassen, allerdings zu einem anderen Zeitpunkt, ggf. unter günstigeren Bedingungen oder in einer anderen Klinik, dann obliegt dem Arzt der Beweis dafür, dass es gleichermaßen zu dem jetzt vorliegenden Gesundheitsschaden gekommen wäre. Der Arzt muss also beweisen, dass der bei dem unzureichend aufgeklärten Patienten durchgeführte Eingriff in einer anderen Klinik zu einem anderen Zeitpunkt denselben Verlauf genommen hät28 te . Dem Einwand des Arztes der hypothetischen Einwilligung kann der Patient nur dadurch begegnen, dass er behauptet und dem Gericht plausibel macht, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Ent29 scheidungskonflikt befunden hätte . Eine derartige „Plausibilitätserklärung“ wird regelmäßig nur durch eine 30 persönliche Anhörung des Patienten zu beurteilen sein . Der Patient muss keine genauen Angaben darüber machen, wie er sich nun wirklich verhalten hätte. Es genügt, dass er plausibel vorträgt, dass er bei vollständiger Aufklärung sich einfach die Frage gestellt hätte, ob er tatsächlich diesen Eingriff zu diesem konkreten Zeitpunkt hätte durchführen lassen. Hier stellt die Rechtsprechung an die Darlegung des Patienten eher gemäßigte Anforderungen. Der Patient muss z.B. darlegen, was er unternommen hät31 te, wenn er in den indizierten Eingriff zunächst nicht eingewilligt hätte . Die Anforderungen sind umso höher, je absoluter die Eingriffsindikation ist. Ist die Plausibilität des behaupteten Entscheidungskonfliktes nicht mehr beurteilbar, weil der Patient zwischenzeitlich verstorben ist oder nicht zum Termin erscheint, dann ist bei schlüssiger Darlegung von Arztseite, dass der Patient in jedem Fall eingewilligt hätte, die Aufklärungspflichtverletzung für die Realisierung des Risikos nicht kausal geworden, 32 die Aufklärungsrüge daher nicht haftungsauslösend . 4.4 Fall aus der Praxis Die Klägerin macht nach dem Tod ihres Mannes Ansprüche gegen den Beklagten wegen fehlerhafter Behandlung und mangelhafter Aufklärung geltend. Ca. zwei Wochen vor der Operation wurde ein Merkblatt über ein erfolgtes Aufklärungsge-
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BGH, GesR 2005, 359; BGH, VersR 1998, 289; OLG Celle, VersR 1987, 567. BGH, MDR 1991, 603; OLG Stuttgart, VersR 1998, 1111; OLG Brandenburg, VersR 2000, 1283; OLG Koblenz, MDR 1999, 871; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1988, 461; jüngst bestätigt durch OLG Koblenz, GesR 2005, 15. BGH, GesR 2005, 259. OLG Stuttgart, VersR 1998, 1111. OLG Bamberg, GesR 2004, 135; OLG Bamberg, VersR 1998, 1025; Rehborn, a.a.O., MDR 2000, 1107.
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spräch von dem verstorbenen Ehemann der Klägerin und von der mittlerweile ebenfalls verstorbenen Zeugin Dr. B. unterzeichnet. Die Klägerin rügt nun, dass ihr Ehemann nicht über die Operationsrisiken aufgeklärt worden sei. Der Beklagte legt zum Beweis den Aufklärungsbogen vor und nennt die aufklärende Ärztin Dr. B. als Zeugin. Die Zeugin, die kurz vor der mündlichen Verhandlung, in der sie als Zeugin vernommen werden soll, selbst im Sterben liegt, verfasst noch eine schriftliche Aussage zu dem Aufklärungsgespräch, in der sie das durchgeführte Gespräch mit der Darlegung der Risiken im Einzelnen bestätigt. Nach Vorlage dieses Dokuments rügt die Klägerin, dass die handschriftlichen Zusätze der Zeugin Dr. B. bei der Durchführung des Aufklärungsgespräches auf dem Aufklärungsbogen nicht vorhanden gewesen seien, sondern nachträglich hinzugesetzt worden seien und bezieht sich zum Beweis auf ein graphologisches Sachverständigengutachten. Dieser Beweis gelingt der Klägerin nicht und das Gericht erachtet die schriftliche Zeugenaussage der aufklärenden Ärztin für ausreichend, so dass die Klage ohne Erfolgt bleibt.
Dieser Fall zeigt deutlich, wie wichtig die Aufklärungsdokumentation ist. Erst durch die Dokumentation war es der im Sterben befindlichen Zeugin möglich, das Aufklärungsgespräch im Einzelnen darzulegen. Eine konkrete Erinnerung hatte die Ärztin an den Patienten nicht. Allerdings hätte der Aufklärungsbogen den beklagten Arzt niemals entlastet, denn er selbst hatte das Aufklärungsgespräch nicht durchgeführt und konnte somit nicht als Partei vernommen werden. Ein „immer-so“-Zeuge hätte hier auch nicht weitergeholfen, da es sich nicht um eine Standard-OP gehandelt hatte, so dass es einen „immer-so“-Zeugen gar nicht gab. Insoweit wäre dann der beklagte Arzt den Beweis des geführten Aufklärungsgespräches schuldig geblieben, was aller Wahrscheinlichkeit nach zur Haftung des Arztes geführt hätte.
5. Fazit Aus den vorgenannten Darlegungen kann der Schluss gezogen werden, dass die unzureichende oder fehlende Aufklärungsdokumentation allein noch nicht zur Haftung des Arztes führt. Erst wenn es dem Arzt nicht gelingt, auf anderem Wege das Aufklärungsgespräch zu beweisen, kommt eine Haftung in Betracht. Um allerdings einer solchen möglichen Haftung bereits im Vorfeld weitestgehend zu entgehen, sollte nicht nur auf eine exakte und vollständige Behandlungsdokumentation besonderer Wert gelegt werden (insbesondere unter der Prämisse, dass die Dokumentation das zentrale Beweismittel im Arzthaftungsprozess darstellt), sondern auch auf die Sicherung der weiteren Beweismittel wie Zeugen. Bei einer exakten Aufklärungsdokumentati-
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on läuft natürlich auch der Arzt Gefahr, dass das Gericht davon ausgeht, dass er über die Risiken, die sich nicht im Aufklärungsbogen finden, auch nicht aufgeklärt hat. Insofern kann also ein nicht exakt geführter Aufklärungsbogen den Arzt erst belasten. Auch wenn die Dokumentation für den Arzt eine über die ursprünglichen Grenzen seiner Tätigkeit hinausgehende Aufgabe darstellt, sollte er diese zur eigenen Absicherung und somit zur Minimierung von Prozessrisiken ernst nehmen, für die tägliche Praxis verinnerlichen und in die Tat umsetzen.
Veränderte Dokumentation – Beweissicherheit der EDV Norbert Pohlmann
Im Zeitalter der EDV-gestützten Erstellung, Verarbeitung und Archivierung von Dokumenten stellt sich natürlich auch die Frage nach der Beweissicherheit von elektronischen Dokumenten. Am Beispiel eines Arztbriefes sollen die möglichen Szenarien aufzeigt und insbesondere die Beweissicherung aus informationstechnischer Sicht diskutiert werden.
1. Eigenhändig unterschriebenes Dokument Die Manipulation von einem Original in ein „verändertes Dokument“ kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen. Dabei können sich das Format des Originals, der Anwendungsbereich und die beteiligten Personen deutlich unterscheiden. Die herkömmliche Methode ein Dokument zu manipulieren ist, ein papierbasiertes und eigenhändig unterschriebenes Dokument (Urkunde) erneut in der veränderten Form zu erstellen. Versucht der Arzt selber einen Arztbrief zu verändern, muss er dafür nicht einmal seine eigene Unterschrift fälschen. Er benötigt lediglich freien Zugriff auf das Original, um dies durch das veränderte Dokument zu ersetzen.
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Abb. 1. Entstehungsprozess einer Urkunde
Eine handgeschriebene Unterschrift hat mehrere Funktionen: Zum einen vollendet sie eine Erklärung und hebt sich daher von dem Entwurf der Erklärung ab. Dies bezeichnet man als Abschlussfunktion. Die Identitätsfunktion zeichnet sich durch die Identifizierbarkeit des Ausstellers aus. Ob ein Dokument tatsächlich von einem Aussteller stammt, lässt sich mit der Echtheitsfunktion der handgeschriebenen Unterschrift klären. Weiterhin ist ein Unterzeichner vor der Erteilung einer Unterschrift aufmerksamer, daher geht von ihr eine Warnfunktion aus. Im Streitfall erleichtert die Beweisfunktion (Urkundenbeweis) die Beweisführung vor Gericht. Das Originaldokument unseres Arztbriefes bleibt in der Regel eine ganze Weile in einer Patientenakte, bis es aus Gründen des Platzmangels auf Mikrofilm gebracht wird. Bis zu diesem Zeitpunkt ist es vor einer Entnahme nicht geschützt. Es gibt noch weitere Schwachstellen eines konventionellen Archivs, die P. Schmücker in seinem Buch „Dokumentationsmanagement- und Archivierungssysteme“ wie folgt beschreibt: Zu den Schwachstellen zählen u.a. Raummangel, begrenzte Öffnungszeiten der Archive, langes Suchen, lange Wegezeiten, unterschiedliche Ordnungskriterien, die begrenzten Zugriffsmöglichkeiten, die Wiederauffindungsraten der Akten, die unzureichende Transparenz der Akten (Ordnung bzw. Sortierung der Dokumente innerhalb der einzelnen Akten) sowie nachträglich eintreffende Dokumente.
Veränderte Dokumentation – Beweissicherheit der EDV
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Dieses Szenario soll verdeutlichen, dass die Beweissicherheit in konventionellen Verwaltungsverfahren ebenfalls problematisch ist. Anhand von Beispielen will ich versuchen, die Probleme elektronischer Dokumentation zu erläutern. Außerdem will ich Verfahren vorstellen, welche diese Probleme lösen und eine beweissichere Dokumentation ermöglichen. Einsparungen im Gesundheitswesen und die zunehmend vermehrt auftretenden elektronischen Patientendaten, wie Bilder aus der Radiologie, Laborbefunde und Messwerte von Monitoren, haben das Verlangen nach einem elektronischen Archiv geprägt. Ein solches Archiv macht natürlich nur dann Sinn, wenn es die konventionelle Archivierung insgesamt ablöst und keine zwei Archive parallel unterhalten werden müssen.
2. Elektronisches Dokument in einem Datenspeicher
Abb. 2. Speicherung von elektronischen Dokumenten in einem Datenspeicher
Zunächst gehe ich davon aus, dass in einem Krankenhaus die Arztbriefe einfach in einem Textverarbeitungsprogramm, z.B. Word erstellt werden und dann zentral oder sogar lokal in einem Datenspeicher abgelegt werden. Nach dem Speichern des elektronischen Dokuments in einem Datenspeicher kann das Dokument jeder Zeit wieder zurückgeholt und vom Arzt selbst oder durch Dritte einfach manipuliert werden.
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3. Exkurs über Metadaten Metadaten sind zusätzliche Informationen zu einem Dokument, die dem Benutzer nicht oder nur indirekt angezeigt werden, die aber in der gleichen Datei gespeichert sind. Darunter fallen Informationen zum Erstellungsdatum des Dokumentes, die Benutzer, die an dem Dokument gearbeitet haben und viele weitere Informationen. Metadaten sind sehr nützlich, wenn mehrere Personen an einem gemeinsamen Dokument arbeiten. So lässt sich nachvollziehen, welche Änderungen von welchem Autor wann vollzogen wurden. Änderungen lassen sich auch mit Kommentaren ergänzen. Diese Daten können auch gezielt manipuliert werden, sie liefern also keinerlei Beweiskraft. Leider gibt es auch Metadaten, die zum Teil sensible Informationen enthalten. Darunter fallen Textstellen, die zwar vom Benutzer gelöscht wurden, aber von Word nur als gelöscht markiert wurden. Mit den richtigen Programmen lassen sich einige dieser Informationen auslesen. Dabei kam es in der Vergangenheit immer wieder zu peinlichen und geschäftsschädigenden Enthüllungen. Daher sollten Sie vermeiden, Worddokumente zu versenden. Erstellen Sie lieber eine PDF-Datei aus Ihrem Dokument und versenden Sie diese.
4. Wie kann man nun das Erstellungsdatum eines Dokumentes fälschen? Eine einfache und ohne besondere Hilfsmittel zu realisierende Methode ist, das Datum des Computers auf den gewünschten Tag zu verstellen und dann einfach ein neues Dokument zu erstellen. Diese einfache Form der Datenspeicherung liefert keine nachhaltige Beweiskraft und kann die Integrität der Daten eines elektronischen Dokumentes nicht schützen. Außerdem kann die Herkunft des Dokumentes nicht eindeutig geklärt werden.
5. Elektronische Signaturen unter einem Dokument Um eine Manipulation eine elektronischen Dokumentes zu verhindern und um die Herkunft der Information feststellen zu können, ist es sinnvoll und notwendig, eine elektronische Signatur einzuführen. Dies ist z.B. sehr einfach mit der Health Professional Card (HPC) möglich. Dieser Arztausweis ist eine Smartcard, welche Schlüssel für eine qualifizierte elektronische Signatur enthält und in naher Zukunft allen Ärzten zur Verfügung
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steht. Nach dem Signieren können an dem gesamten elektronischen Dokument keine unbemerkten Änderungen mehr durchgeführt werden. Die Datenintegrität kann durch die Verwendung von elektronischen Signaturen in Verbindung mit Hash-Funktionen absolut sichergestellt werden. Eine Hash-Funktion bildet eine Art eindeutigen „Fingerabdruck“ des Dokumentes, welcher durch den Benutzer unter Verwendung der gleichen Funktion überprüft werden kann. Damit kann neben der Authentizität auch die Integrität des vollständigen Dokuments gewährleistet werden.
Abb. 3. Elektronisches Archiv für elektronisch signierte Dokumente
Das Dokument kann außerdem mit der eingesetzten Technologie für die Übertragung über ungesicherte Transportkanäle verschlüsselt werden, was die Vertraulichkeit sichert. Durch die qualifizierte elektronische Signatur ist der Arzt gegenüber dem System authentifiziert und eine Verbindlichkeit für seine Dokumentation kann somit sichergestellt werden. An dieser Stelle ist ein ähnlicher Grad der Beweissicherheit erreicht, wie sie durch unseren papierbasierten unterschriebenen Arztbrief gegeben ist.
6. Anforderungen an das elektronische Archiv Ein weiteres Problem besteht jedoch immer noch im späteren Einsetzen von Dokumenten durch den Arzt. Daher müssen an das elektronische Archiv besondere Anforderungen gestellt werden, die eine revisionssichere Archivierung erlauben.
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Zur revisionssicheren Archivierung sind insbesondere folgende Punkte wichtig: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Ordnungsmäßigkeit Vollständigkeit Sicherheit des gesamten Verfahrens Schutz vor Veränderung und Verfälschung Sicherung und Verlust Nutzung nur durch Berechtigte Einhaltung der Aufbewahrungsfristen Dokumentation des Verfahrens Nachvollziehbarkeit Prüfbarkeit
Im Detail sind die Anforderungen und deren Umsetzung den Grundsätzen ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) zu entnehmen. Die folgenden 10 Merksätze zur revisionssicheren elektronischen Archivierung stammen vom Verband Organisations- und Informationssysteme e.V. (VOI): 1. Jedes Dokument muss unveränderbar archiviert werden. 2. Es darf kein Dokument auf dem Weg ins Archiv oder im Archiv selbst verloren gehen. 3. Jedes Dokument muss mit geeigneten Retrievaltechniken wieder auffindbar sein. 4. Es muss genau das Dokument wieder gefunden werden, das gesucht worden ist. 5. Kein Dokument darf während seiner vorgesehenen Lebenszeit zerstört werden können. 6. Jedes Dokument muss in genau der gleichen Form, wie es erfasst wurde, wieder angezeigt und gedruckt werden können. 7. Jedes Dokument muss zeitnah wieder gefunden werden können. 8. Alle Aktionen im Archiv, die Veränderungen in der Organisation und Struktur bewirken, sind derart zu protokollieren, dass die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes möglich ist. 9. Elektronische Archive sind so anzulegen, dass eine Migration auf neue Plattformen, Medien, Softwareversionen und Komponenten ohne Informationsverlust möglich ist. 10. Das System muss dem Anwender die Möglichkeit bieten, die gesetzlichen Bestimmungen (BDSG, HGB/AO etc.) sowie die betrieblichen Bestimmungen des Anwenders hinsichtlich Datensicherheit und Datenschutz über die Lebensdauer des Archivs sicherzustellen.
Veränderte Dokumentation – Beweissicherheit der EDV
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Die Beweissicherheit des eingesetzten Verfahrens für die Dokumentation steht oder fällt mit der Revisionssicherheit des Archivs. Kann ein Systemadministrator oder eine andere Person Daten in dem Archiv ersetzen, kann er dies auch im Auftrag oder aus Gefälligkeit für einen Arzt tun. Manipulationen an Dokumenten durch Dritte können jedoch Dank der eingesetzten elektronischen Signatur sicher erkannt werden. Steuerlich relevante Unterlagen, unter die auch elektronische Dokumente fallen, müssen zudem für eine vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist revisionssicher archiviert werden. Dies wird in der Regel für eine Frist von zehn Jahren sein. Für Dokumente aus dem Gesundheitswesen gilt oft eine Frist mindestens von 30 Jahren. Elektronische Archive müssen also die Datenintegrität für eine lange Zeit garantieren können.
7. Archiv mit Zeitstempelfunktionen für signierte Dokumente Eine weitere Verbesserung der Beweissicherung ist die Einbeziehung eines eindeutigen Zeitstempels. Wird ein Dokument in das Archiv eingefügt, wird für das bestimmte Dokument ein Zeitstempel von einem ZeitstempelServer angefordert. Dieser Zeitstempel verfügt ebenfalls über eine Signatur und ist damit selber gegen Manipulation gesichert. Qualifizierte elektronische Signaturen stehen nur natürlichen Personen zu. Aus diesem Grund stellen Zeitstempel-Server ihre Beweiskraft auf einer anderen Ebene zur Verfügung. Jedoch werden diese ZeitstempelServer in der Praxis eingesetzt und in der Regel wird das gesamte Verfahren als beweissicher anerkannt. Es findet zum Beispiel bei Lottoscheinen Anwendung, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingereicht sein müssen.
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Abb. 4. Elektronische Archivierung mit Zeitstempel-Server
8. Einsatz von Massensignaturen Bei der Ablösung konventioneller Archive müssen auch die papierbasierten Dokumente in das elektronische Archiv aufgenommen werden. Daher ist es heute im Gesundheitswesen üblich, dass anfallende Papierdokumente massenweise gescannt werden. Für die Beweissicherheit müssen diese Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur ausgestattet werden. Dafür wird die Signatur des Operators des Scanners verwendet. Des Weiteren führt er stichprobenartig Prüfungen der gescannten Dokumente durch. Nach dem Signieren wird das Dokument an den Auftraggeber übermittelt. Dort wird es dann mit einem eindeutigen Zeitstempel versehen in ein Archiv abgelegt. Ein Beispielprodukt ist die Lösung von AuthentiDate für den Einsatz von Massensignaturen an Hochleistungsscannern. Als rechtliche Grundlage im medizinischen Umfeld wird dafür von den Herstellern und Anbietern solcher Verfahren gern die Sozialversicherungs-Rechnungsverordnung (RVRV) und dessen Verwaltungsvorschrift SRVwV genannt. Für die elektronische Archivierung insbesondere der § 36 SRVwV.
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Abb. 5. Massensignatur für gescannte Papierdokumente
9. Zusammenfassung beweissicherer Dokumentation Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine beweissichere Dokumentation mit den heutigen Sicherheitsverfahren realisierbar ist. Wichtig ist der Einsatz von qualifizierten elektronischen Signaturen, um die Authentizität, Integrität und Verbindlichkeit der Dokumente sicher zu stellen. Besondere Anforderungen müssen an das elektronische Archiv gestellt werden, um die zeitliche Einordnung der archivierten Dokumente zu ermöglichen und eine spätere Manipulation, wie das Ersetzen des Dokumentes zu verhindern. Das gesamte Verfahren sollte in einer Verfahrensdokumentation genau erfasst und beschrieben werden. Ob ein eingesetztes Verfahren als beweissicher erachtet werden kann, muss im Zweifelsfall ein Gutachter klären. Die verwendeten Verfahren, um Dokumente massenweise in ein elektronisches Archiv aufzunehmen, sind aus der Praxis gewachsen und stützen sich zumindest im Gesundheitswesen auf die Existenz einer Verwaltungsvorschrift. Sicherlich ist die Frage erlaubt, ob im Zweifel sicher geklärt werden kann, ob ein Dokument vor dem Einscannen manipuliert wurde. Die qualifizierte elektronische Signatur stellt die Integrität der Dokumente erst nach dem Einscannen sicher. Der Operator der Massenscanner verfügt
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sicherlich nicht über das Wissen, Manipulationen sicher zu erkennen. Des Weiteren erfolgt nur eine stichpunktartige Überprüfung der massenweise eingescannten Dokumente.
10. Anhang: Elektronische Signatur Der Geschäftsverkehr in und zwischen Unternehmen wird heute immer öfter in elektronischer Form getätigt. Gegenüber früher werden viele Briefe (mit Unterschrift) oder Faxe (mit Sendebericht und Telefonrechnung als Nachweis) heute per Email, schnell und bequem an den Geschäftspartner übermittelt. Nach Rechtsanwalt Ivo Geis ist „rechtswirksames Handeln grundsätzlich formfrei. Eine elektronische Nachricht wie die Email ist damit eine rechtswirksame Willenserklärung, mit der Rechte und Pflichten begründet werden. In der elektronischen Kommunikation können Nachrichten verfälscht und von Unberechtigten abgegeben werden. Diese Risiken für Integrität und Authentizität sind auf ein Minimum reduziert, wenn sich die Partner der Kommunikation darauf verlassen können, dass die Nachricht den Empfänger unverfälscht erreicht und der Empfänger sich darauf verlassen kann, dass der Absender authentisch ist.“ Um die Integrität und Authentizität einer elektronischen Nachricht sicher zu stellen, werden elektronische Signatur-Verfahren eingesetzt. Diese habe zusätzlich den Vorteil, dass bei der Übertragung über ein unsicheres Übertragungsmedium, wie das Internet, oder bei der Archivierung die Nachrichten auch durch Verschlüsselung für den Zugriff von Unberechtigten geschützt werden können.
11. Elektronische Signaturen Elektronische Signaturen arbeiten mit Schlüsselpaaren. Dabei hat jeder Benutzer einen öffentlichen und einen privaten Schlüssel. Für die Signatur wird von dem zu signierenden Dokument ein Hash-Wert gebildet, welcher dann mit dem privaten Schlüssel des Benutzers verschlüsselt wird. Diese Signatur wird zusammen mit dem Dokument verschickt. Der Empfänger erstellt ebenfalls einen Hash-Wert der Nachricht. Dann entschlüsselt er mit dem öffentlichen Schlüssel die Signatur des Benutzers und vergleicht beide Hash-Werte. Sind diese identisch, ist zum einen die Integrität des Dokuments und zum anderen die Authentizität des Benutzers sicher gestellt. Um ein Dokument zu verschlüsseln, wendet der Absender den öffentlichen Schlüssel des Empfängers an. Das Dokument kann dann nur noch mit dem privaten Schlüssel wieder entschlüsselt werden.
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Beide Verfahren können auch in Kombination verwendet werden. Damit wird zum einen die Nachricht durch Verschlüsselung gesichert und zum anderen kann durch die elektronische Signatur die Integrität und die Authentizität der Nachricht überprüft werden. In Deutschland gibt es nach dem Signaturgesetz drei Klassen von Signaturen: 1. Klasse: Elektronische Signatur An diese Klasse der Signaturen werden nur sehr geringe Anforderungen gestellt. Es handelt sich um alle Daten, die einem Dokument beigefügt werden und zur Authentifizierung dienen, z.B. eine eingescannte Unterschrift oder eine Namenswiedergabe. Hierbei gibt es ein sehr geringes Maß an Authentizitätsfunktion und überhaupt keine Integritätsfunktion. Die Beweisqualität ist also als gering zu bewerten. 2. Klasse: Fortgeschrittene elektronische Signatur An die fortgeschrittene elektronische Signatur werden folgende Anforderungen gestellt: x x x x x
dass sie ausschließlich dem Signaturschlüssel-Inhaber zugeordnet ist, mit der Signatur eine Identifizierung möglich ist, der Signaturschlüssel unter der Kontrolle des Inhabers gehalten werden kann, die Signatur mit den Daten verknüpft ist, damit eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann, dass es einen vertrauenswürdigen Dritten gibt, der als Zertifizierungsdienst fungiert und die Identität des Inhabers verifiziert.
3. Klasse: Qualifizierte elektronische Signatur Die qualifizierte elektronische Signatur ist eine Steigerung der fortgeschrittenen elektronischen Signatur. Es werden höhere Anforderungen an den Zertifizierungsdienst gestellt, welcher diese Signatur ausgibt. Dieser Zertifizierungsdienst muss von der Bundesnetzagentur akkreditiert werden. In Deutschland gibt es zurzeit drei solcher Zertifizierungsdienste für Normalbürger. Telesec und T-Systems, Signtrust der Deutschen Post und DTrust der Bundesdruckerei. Weiterhin können Rechtsanwälte und Steuer-
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berater sich an die Datev wenden und Kunden der Deutschen Bank und Sparkasse an ihre Bank. Zertifikate von einem akkreditierten Zertifizierungsdienst enthalten eine Art Gütezeichen nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SigG. Bei diesen wurde durch die Prüfung der „technischen und administrativen Sicherheit“ durch die Bundesnetzagentur vorab die Beweisqualität sichergestellt und von den Gerichten auch ohne weitere Prüfung des Verfahrens anerkannt. Die Beweisführung vor Gericht wird damit erleichtert.
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2. Diskussion
Teipel: In der medizinrechtlichen Diskussion werden ganz unterschiedliche Meinungen vertreten. Das Spektrum reicht von Laufs, der der Meinung ist, dass EDV-gestützte Daten selbstverständlich jederzeit Objekt des richterlichen Augenscheins und der freien Beweiswürdigung sein können, währenddessen die vorhin schon zitierten Stimmen wie eben etwa Jorzig oder Rehborn hervorheben, dass mechanische Aufzeichnungen, die aufgrund mündlicher Mitteilungen Dritter erstellt werden, nur unter Berücksichtigung der ihnen eigenen Fehlerquellen zu verwerten sind. Also das Spektrum liegt zwischen freier Beweiswürdigung und Sicherung von Daten. Jedenfalls ist es ganz sicher nicht so, dass sich da nichts manipulieren lässt. Makiol, Rechtsanwalt, Neuss: Ich habe eine Frage an Herrn Prof. Pohlmann. Wer deutsche Krimis sieht und darin erkennt, dass das LKA tätig wird, der hört auch, dass das LKA irgendwelche Festplatten aus dem Rechner, selbst wenn sie teilzerstört waren, wieder aufbauen kann. Ich bin ein absoluter Antifreak, was Technik angeht, ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, dass verschmorte CDs oder sonstige Platten wieder reaktiviert werden können. Könnte man aus einem normalen Rechner die Festplatte ausbauen und, mit welchem Aufwand auch immer, eine technische Manipulation oder eine Manipulation des ursprünglich geschriebenen ersten Originals nachweisen? Pohlmann: Das ist nicht immer ganz so einfach zu beantworten. Was man immer wieder feststellen muss, ist natürlich, dass da normal viele Dinge, die ich in der EDV tue, durch automatische Prozesse protokolliert werden. Das ist z.B. bei Word jetzt gerade nicht der Fall. Aber wenn Sie z.B. Eingaben über Webserver machen, also wenn ein Arzt oder ein Krankenhaus über ein Webservice letztendlich Eingaben realisiert werden, gibt es in jedem Webserver Logbucheinträge, wann wer wo zugegriffen hat. Über solche Logbuchinformationen, die auf den Rechnern verfügbar sind, kann ich natürlich rekonstruieren, was ist passiert, was hat derjenige gemacht, oder wenn ich irgendwelche temporären Dateien wieder finden kann, die
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mir einen Hinweis geben, dass zu dem Zeitpunkt ein Dokument aufgemacht worden ist und welcher Benutzer das war. Also ich glaube, man kann relativ viele Informationen suchen und wie ein Puzzle zusammensetzen. Das ist dann zu interpretieren. Am Ende lässt sich dann sagen: Ok, das könnte das gewesen sein. Eine beweissichere Tatsache ist die technische Realisierung nicht. Das sind einfach Indizien. Die Hintereinanderreihung der Indizien kann helfen, zu diesem Schluss zu kommen, was oft reichen dürfte. Nur wenn ich es wirklich als Beweissicherung haben will, dann muss ich schon auf die digitale Signatur bauen. Dann habe ich auch eine gesetzliche Grundlage zu sagen, das muss als Beweis anerkannt werden. Also zu Ihrer Frage: Ich könnte mir das vorstellen, aber umgekehrt kann man nicht jedes Mal Erfolg haben. Man muss halt schon einfach ein bisschen Glück haben, dass bestimmte Aktivitäten, die auf dem Rechner stattgefunden haben, sich in irgendeiner Art und Weise wieder auffinden lassen. Und wenn Sie mir sagen, manipulier den Rechner so, dass sie nichts finden können, würde ich Ihnen das machen. Teipel: Es klingt ja immer so einfach, wenn Leute sagen, der Arzt muss nachweisen, dass er Vorkehrungen gegen Manipulationsmöglichkeiten getroffen hat. Wäre ein solcher Schritt mit einfachen technischen Möglichkeiten denkbar? Pohlmann: Also das ist, glaube ich, nicht wirklich das Problem. Das ist ja das, was eigentlich jeder, der EDV professionell nutzt, tut. Er macht Datensicherung von den Dokumenten, die er hat und die werden halt vernünftig dokumentiert mit der Idee, dass da eine Festplatte wirklich mal kaputt geht und er quasi den alten Zustand wieder aufrichten können muss. Und das in einer bestimmten Hierarchie. Ich kann quasi zu jedem Zeitpunkt einen alten Zustand wieder aufspielen. Das ist natürlich möglich und ich gehe eigentlich davon aus, dass jeder, der professionell IT betreibt, das auch macht. Gewisse Möglichkeiten der Veränderung, die nicht nachvollziehbar sind, sind natürlich da auch gegeben. Das müsste man jetzt mal genauer betrachten. Es mag sein, dass ich verändere, aber nicht gezielt verändern kann, also ich also nur manipuliere oder zerstöre, aber das nicht so verändern kann. Auch kann ich eine ganz neue CD machen und so tun, als wenn sie das Original gewesen wäre. Im Prinzip brauche ich jemand Drittes, der das, was ich mache, ob das nun ein Originaldokument ist oder eine Sicherung, verwahrt und dass das halt auch dementsprechend dokumentiert ist. Natzel, Zürich Versicherung, Köln: Ich habe zwei kleine Operationen in der eigenen Familie gehabt, die eine betraf mich, das nur als Anekdote
2. Diskussion
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vorneweg und der aufklärende Arzt, es war ein kleiner Eingriff, fragte, was machen Sie denn beruflich? Ich sagte, ich bin in der Zürich Versicherung Köln tätig und befasse mich mit Arzthaftpflichtfragen. Da lachte er und sagte, oh Herr Natzel, da sind Sie ja für uns ein präoperatives Risiko und er machte eine Aufklärung, da hatten wir beide Spaß dran, eine halbe Stunde und der Eingriff selbst waren vielleicht 10 Minuten. Der nächste Fall gestern. Eine Tochter von mir ist operiert worden. Ich hatte am Vortag der Operation alle Kinder ins Bett zu bringen und um viertel vor zehn rief sie mich dann noch einmal und wollte noch einmal mit mir kuscheln. Und was war? Sie hatte Tränen in den Augen und sagte, ich hab so Angst vor der Operation. Ich habe sie dann gefragt, warum. Ja die Ärztin, es war ein ambulanter operativer Eingriff, der bevorstand, hat mir überhaupt nicht gesagt, was da gemacht wird. Und der aufklärende Narkosearzt, der war ohnehin noch nicht in Erscheinung getreten, da hatte den perimed-Aufklärungsbogen meiner Frau mit nach Hause gegeben, sie solle ihn zur Operation mitbringen. Die stand dann natürlich vor dem Problem, was da alles an Möglichkeiten für die Narkose gibt, die nie in Betracht kämen für diesen relativ kleinen Eingriff. Zwei Fragen ergeben sich daraus für mich. Die eine: Wie sieht es aus bei der Aufklärung eines Kindes? Hängt das vom Alter ab, von dem Grad der geistigen Entwicklung, dass sich das Kind, und das war eine Kinderchirurgin, die den Eingriff vornehmen sollte, auch das Kind separat aufklären muss oder reicht das auf der Elternebene? Und die zweite Frage. Gibt es Differenzierung bezüglich der Aufklärung zwischen einem niedergelassenen Arzt, der einen operativen ambulanten Eingriff vornimmt und dem Krankenhausarzt? Wir sind alle sicherlich häufig schon beim Zahnarzt gewesen. Der macht irgendwas. Von Aufklärung – das Wort, das gibt es gar nicht. Uphoff: Es ist beruhigend, Herr Natzel, dass Sie das fragen. Also es ist sicher so, dass die Frage der Aufklärungsfähigkeit nicht vom Alter des Kindes abhängig gemacht werden kann, sondern es kommt natürlich darauf an, ob das Kind einsichtsfähig ist, in der Lage ist, das zu verstehen, was ihr geschildert wird. Auch Frau Dr. Classen hatte ja in diesem Zusammenhang den Fall berichtet, wie das bei minderjährigen Mädchen ist, die wegen Verhütungsmitteln nachfragen. Also das sind Dinge, die soweit ausgeurteilt sind. Teipel: Herr Kollege Natzel, die Rechtsprechung differenziert natürlich. Sie müssen selbstverständlich auch vor einer Cortisonspritze im Grunde genommen aufklären. Aber da müssen Sie nicht 24 Stunden vorher aufklären. Insofern ist schon eine Differenzierung vorzunehmen hinsichtlich der
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2. Diskussion
Qualität bei größeren Eingriffen im Gegensatz zu den Eingriffen, die der niedergelassene Arzt durchführt. Teichner, Rechtsanwalt, Hamburg: Ich möchte auf einen beweisrechtlichen Aspekt zurückkommen. Ich halte die Beweislast für falsch verteilt. Das Einwilligungsformular stammt auch der Sphäre der Behandler. Der Text wird von der Behandlerseite vorgegeben durch perimed oder wen auch immer. Es dient der Absicherung des Beweises der Aufklärung. Also alles Gründe, warum es eingebracht wird von Seiten der Behandlerseite. Dem Patienten wird in der Regel kein Exemplar ausgehändigt. Der Patient soll etwas beweisen, was er gar nicht beweisen kann, dass manipuliert worden ist. Ich würde ganz gerne von Ihnen als Fachkollegen Ihre Meinung dazu hören. Ist das einfach so abgehakt nach dem Motto, das ist eine Privaturkunde. Es kann doch nicht angehen, dass der Patient im Falle eines einseitig eingebrachten Formulars, das nicht ausgehändigt wird, die Beweislast für eine Manipulation tragen soll. Baxhenrich, Rechtsanwalt, Hamm: Ich gehe davon aus, dass ich angesprochen worden bin. Das Problem hätte ich gerne ein wenig ausgeführt. Das ergibt sich, wie ich schon angedeutet habe, letztlich daraus, dass der Arzt zunächst originär verpflichtet ist, ein Aufklärungsgespräch zu führen. Und dieses Gespräch ist eigentlich nicht zu fixieren, es sei denn, in Form eines Tonbandmitschnitts und der wäre wiederum zustimmungspflichtig. Also wird wegen der daraus resultierenden Beweislast ausgewichen auf die schriftliche Dokumentation, sei es nun in Formularen oder in eigenhändig erstellten Protokollen. Der Übergang vom gesprochenem Wort in die Schriftlichkeit führt zu einer faktischen Veränderung dessen, dass aus der Unterschrift des Patienten unter ein Formular auch, und das hat mit Arzthaftung jetzt gar nichts mehr zu tun, im Rahmen der allgemeinen Beweiswürdigung eine Vermutung abgeleitet wird. Das gilt für jede Urkunde, dass nämlich das, was dort als autorisierende Unterschrift steht, auch abgedeckt wird vom Text. Das ist der Punkt, um den es geht. Wenn der Patient unterzeichnet, und das gilt letztlich für jede Urkunde, dann unterzeichnet er natürlich immer mit einem gewissen Risiko der Manipulationsmöglichkeit. Einen Befund, dass mit System manipuliert würde, kann ich so nicht bestätigen. Es wird zwar viel behauptet, aber viele Patienten behaupten ja auch, nie irgendetwas mit Aufklärung zu tun gehabt zu haben, auch wenn dann ihnen anschließend die Unterschrift vorgehalten wird. Nur grundsätzlich ist es eben so, das haftet dem Wesen einer Urkunde an, dass sie manipulierbar ist.
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Zunächst gilt mit der Unterschrift eine Vermutung, dass das, was dort als Text fixiert ist, von dem, der unterzeichnet hat, auch zur Kenntnis genommen worden ist. Aufklärungsformulare sind sekundäre Beweismittel. Am Anfang steht das Gespräch. Und in dem Punkte ist der Arzt nach der Rechtsprechung eigentlich der Schutzlose. Ohne diese vom BGH gemachte Vorgabe gäbe es nie den forensischen Zwang. Das sind nicht Erfindungen der Ärzte, sondern letztlich forensisch bezogene Sicherungsmaßnahmen. Dass Formulare ihrerseits wiederum manipulationsfähig sind, wenn Sie so wollen, das Risiko, das jede Urkunde in sich trägt. Aber das gilt nicht nur für die Dokumentation der Aufklärung, sondern generell für jede Urkunde. Die einzige Frage, die zu beantworten wäre, ob nicht der Arzt dann, wenn er in schriftlicher Form eine Aufklärung fixiert, verpflichtet ist, dem Patienten eine Kopie zu geben. Aber das sind doch alles nur Erwägungen, die letztlich nur sich mit dem Verdacht befassen, ob denn hier nicht möglicherweise manipuliert worden ist oder werden könnte. Von dem, was der BGH bislang als Grundlage geschaffen hat, scheint es mir nicht begründbar zu sein, sowohl das Gespräch schriftlich zu fixieren und darüber hinaus dem Patienten, von dem man ja gar nicht unbedingt weiß, ob er vorab in schriftlicher Form aufgeklärt werden will, das steht ja im Belieben des Arztes, ob er denn tatsächlich auch eine Kopie haben will. Solange man an der Mündlichkeit des Aufklärungsgespräches in der vom BGH vertretenen Auffassung festhält, kann man eigentlich nicht viel verändern. Der Patient hat im Übrigen einen Anspruch darauf, dass ihm eine Kopie der Unterlagen ausgehändigt wird. Teipel: Ich muss Ihnen energisch widersprechen, dass der Arzt der Schutzlose ist. Ich darf Ihnen sagen, wir haben in letzter Zeit mehrfach den Fall erlebt, dass die Patienten zunächst einmal die Patientenunterlagen abgefordert haben. Wir haben dann, weil wir sie für unvollständig hielten, später noch einmal angefordert und haben ganz andere Behandlungsunterlagen bekommen. Wir haben ganz andere Behandlungsunterlagen bekommen als die, die die Patienten unmittelbar zeitnah nach dem Eingriff abverlangt haben. Also ich würde nicht behaupten wollen, dass der Arzt da eigentlich das Opfer ist. Schabram, Rechtsanwalt, Freiburg: Herr Kollege Baxhenrich, der Arzt erfüllt nicht nur ein forensisches Interesse, wenn er die Aufklärung dokumentiert, sondern auch eine Berufspflicht. Frau Dr. Classen, mir wurde berichtet, dass die in den Arztpraxen zum Einsatz kommende EDV-Dokumentation es ausschließt, dass man nachträglich Manipulationen vornimmt. Hätten Sie z.B. reinschreiben können
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„Heute kein Anhalt für Leistenbruch“. Hätten Sie das nachträglich oben noch reinschreiben können oder ist das System praktisch so, wie mir das mitgeteilt wird, geschlossen, das allein die Zulassung dieser EDV und Datenverarbeitung durch die Ärztekammern bereits sicherstellen, dass man nachträgliche Manipulationen nicht vornehmen kann. Sollte die Frage nicht eindeutig zu verneinen sein, wäre dann die Frage an Herrn Pohlmann: Welche Metaebene muss ich denn dann anfordern, was muss man mir als Prozessbevollmächtigten vorlegen, damit ich das erkennen kann? Classen: Man kann es nachträglich ändern. Das ist so und ich denke, das Wichtigste ist wirklich, dass man so ein fälschungssicheres Archiv aufbaut. Dass man eben irgendwas abgelegt hat, was man dann mit dem, was noch im Computer quasi abrufbar ist, vergleichen kann. Aber ich hätte es nachträglich ergänzen können. Pohlmann: Frau Classen hat ja eindeutig gesagt, dass sie das sogar kann. Ich hätte jetzt mal geantwortet, ich könnte nicht ihre Patientinnen behandeln. Aber ich als Informatiker kann natürlich immer was ändern, auch wenn Sie es nicht könnten, könnte ich auf Ihren Server gehen und dort manipulieren. Also als Informatiker ist das eine andere Sichtweise. Wenn Sie mir den Auftrag geben würden, etwas zu manipulieren, würde ich das tun, auch wenn Ihre Software das nicht zulässt. Ich würde einfach auf die Daten zugreifen mit meiner Software, die das dann kann. Also auch wenn Ihre Software das nicht kann, meine Software würde das dann können. Eisenmenger, Institut für Rechtsmedizin, München: Ich wundere mich immer, dass weder argumentativ noch in der Rechtsprechung bei der Frage der Übermaß-Aufklärung eine Arbeit zitiert wird, die aus den späten 60ern oder Anfang der 70-er Jahre stammt von Lelly, die ergeben hat, wenn ich jemanden so aufkläre, dass er Angst bekommt, dann bekommt er nachweisbar mehr Komplikationen. Das heißt am Anfang jeder Aufklärung müsste die Frage stehen, möchten Sie eigentlich vollständig aufgeklärt werden, dann kriegen Sie mehr Komplikationen. Oder verzichten Sie darauf? Teipel: Ganz kurz dazu, die Thematik „Horroraufklärung“ ist bekannt. Es gibt einen wunderbaren Fall. Theodor Storm ist nicht über seine todbringende Krankheit aufgeklärt worden und hat dann sein wahrscheinlich größtes Werk, den Schimmelreiter geschrieben. Putz, Rechtsanwalt, München: Der Arzt hat seinen Patienten belogen und das ist die therapeutische Lüge und die ist also mit dem Storm-Beispiel
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sehr problematisch belegt. Das therapeutische Privileg zu lügen gibt es nach unserer Rechtsauffassung nicht. Es nervt mich an dieser Aufklärungsdiskussion, wenn so oft auf sie als forensische Sicherheitsvorkehrung hingewiesen wird. Wenn Sie sich wie ich mit der Thematik Lebensende sehr intensiv befassen, wo immer wieder von den Ärzten behauptet wird, eine Patientenverfügung sei nur wirksam, wenn der Patient aufgeklärt wurde – Begründung: Wir haben als Ärzte gelernt, dass eine Aufklärung Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist. Und wenn Sie das ganze dann mal hinterfragen, dann merken Sie, dass eben Aufklärung nicht Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist. Denn das Grundgesetz gibt uns auch das Recht, unaufgeklärt zuzustimmen oder zu verweigern. Das Grundgesetz gibt uns auch ein Recht, uns selbst zu schaden. Es gibt uns auch eben ein Recht, zu sagen, ich möchte es lieber nicht hören und machen Sie es so, wie Sie es mit Ihrer Frau machen würden oder wie Sie es mit der eigenen Familie machen würden. Man sollte wieder darauf zurückkommen, dass der Patient, der sich selbstverständlich dokumentiert nachweislich in die Verantwortung des Arztes begibt, eben auch nicht aufgeklärt wirksam einwilligen kann. Das wird immer wieder übersehen. Und eine prozessuale Frage. Es wird zu wenig zwischen prozessualem und materiellem Recht unterschieden. Wenn der Patient nicht aufgeklärt ist und zugestimmt hat, dann hat er an sich erst mal wirksam zugestimmt. Wenn er dann natürlich geltend macht, er hätte nicht zugestimmt, wenn er aufgeklärt worden wäre, dann erst komme ich zum Problem. Das ist ganz wichtig. Die Nachweispflicht der Aufklärung geschieht doch im Wesentlichen auch durch die Dokumentation des Gespräches. Das ist nicht gleich der Aufklärungsbogen. Der Arzt, der sorgfältig in seiner Karteikarte oder in der EDV dokumentiert, es hat am soundsovielten ein ausführliches Aufklärungsgespräch stattgefunden, 15 Minuten oder irgendwas, in diesem Aufklärungsgespräch wurde der bereits eine Woche vorher mitgegebenen perimed-Bogen mit dem Patienten durchgesprochen, da haben wie eine doppelte Dokumentation. Da haben wir die Dokumentation, dass es den perimed-Bogen gibt und dass er unterschrieben wurde, wobei die Unterschrift und meistens die Ausfüllung der Kästchen beweist, dass der Patient das auch mitbekommen hat und dann haben wir eine zweite Dokumentation, die beweist, dass das Aufklärungsgespräch stattgefunden hat. Riepe, Rechtsanwalt, Braunschweig: Frau Dr. Jorzig, Sie haben sich ja bemüht, dem Behandler, der hinsichtlich des Nachweises der Erfüllung seiner Risikoaufklärungspflichten in eine gewisse Beweisnot geraten ist, ein paar Fluchttüren zu weisen. Nämlich einmal eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO und dann den Zeugenbeweis nach der Melodie „Das
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macht mein Chef immer so“. Ich möchte ein bisschen Wasser in diesen Wein gießen und diesen Optimismus, den Sie in diese Notausgänge reingelegt haben, etwas in Frage stellen. Wenn es um den Nachweis geht, dass über ein ganz bestimmtes, konkretes aufklärungspflichtiges Risiko aufgeklärt wurde, dann habe ich noch kein Gericht erlebt, das allein aus dem Umstand, dass in der Behandlungsdokumentation steht, „Aufklärungsgespräch geführt“ einen „Anbeweis“ oder „Etwasbeweis“, wie das Gericht sagt, sieht, dafür, dass über das konkrete Risiko auch aufgeklärt worden sein könnte und daraufhin zur Anwendung des § 448 ZPO schreitet. Der „Immer-so-Beweis“ steht häufig auf schwachen Füssen. Die Situation ist klar. Die benannte Sprechstundenhilfe sagt, an diesen konkreten Patienten kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. An ein Gespräch zwischen meinem Chef und ihm schon gar nicht. Aber mein Chef klärt bei solchen Erkrankungen immer über dieses konkrete Risiko auf. Darauf höre ich bei den Gerichten immer: Na ja, das wollen wir glauben. Er hat tausendmal aufgeklärt, aber hier sind wir vielleicht beim tausendundersten Male, und da hat er nicht aufgeklärt. Wie schon wie die jungen Chirurgen lernen „Und wenn Du noch so gut chirurgst, es kommt der Fall, den Du vermurkst“. Nicht anders auch bei dieser Problematik. Damit kommen wir bei Gericht üblicherweise auch nicht weiter. Und darum meine Bedenken, ob das so ganz triftige und gute Ratschläge sind. Jorzig: Herr Kollege, ich muss Ihnen widersprechen. Ich erlebe es sehr häufig, dass die Gerichte den „Anbeweis“ anerkennen, sogar anerkennen, wenn nur in der Karteikarte steht „A“ und eingekreist ist und dazu übergegangen ist, gerade bei niedergelassenen Ärzten nur dieses eingekreiste „A“ zu verwenden. Im Haftungsfall sind dann über die Parteivernehmung die Details zu klären. Also das ist, finde ich, kein Ausnahmefall. Viele Gerichte halten das für ausreichend. Und zu dem zweiten Punkt muss ich sagen, dass ich es sehr häufig erlebe, dass es Gerichte auch für ausreichend erachten, dass die sagen, der BGH hat entschieden, es reicht der sog. „Immerso-Beweis“. Martis, Rechtsanwalt, Schwäbisch Gmünd: Es gibt doch eine erhebliche Diskrepanz in der Rechtsprechung. Unser OLG Karlsruhe sagt, wenn das Aufklärungsgespräch unstreitig ist, dann ist dem Arzt im Zweifel zu glauben. Also die sind da relativ extrem, anders als das OLG Hamm und das OLG Braunschweig, die sagen, es reicht noch nicht aus, ggf. sollte noch handschriftlich was dokumentiert sein, gewisse Zusätze. Also da gibt es Unterschiede, es ist nicht so, wie der Kollege sagt, es gibt kein Gericht, es gibt schon eins.
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Zum anderen, vielleicht jetzt auch zur Frau Dr. Jorzig Das OLG Hamm hat im Ergebnis gerade nicht bestätigt, dass die Aufklärung ordnungsgemäß war. Da ging es, glaube ich, um ein Nierenversagen, soweit ich es in Erinnerung habe. Und dort hatte das OLG Hamm gesagt, hier glauben wir dem Arzt das nicht, der hat, glaube ich, in der Berufungsinstanz gesagt, ich denke, ich habe die Patientin auch über das Risiko des Nierenversagens ausgeklärt. Und das OLG Hamm hat gesagt, hier glauben wir dem Arzt nicht, weil doch einiges dagegen spricht. Der Arzt konnte sich gar nicht mehr erinnern, dass da überhaupt eine Nierenproblematik war. Also die haben wohl im Grundsatz bestätigt, aber nicht im konkreten Fall. Und noch was anderes, Frau Dr. Jorzig. Sie haben vorher angesprochen das Problem: Patient verstorben, der ernsthafte Entscheidungskonflikt kann nicht dargelegt werden. Hierzu gibt es auch wieder verschiedene Urteile. Sie sagen hier OLG Bamberg, das trifft zu. Ich habe hier auch wieder mein OLG Karlsruhe, dieses mal zugunsten des Patienten und dann haben wir noch OLG Frankfurt, die sagten, in den letzten zwei Jahren war die Entscheidung, man kann dann eben den Beweis durch die Vernehmung der Angehörigen durchaus führen, dass die Aufklärung hier, dass sich der verstorbene Patient im Entscheidungskonflikt befand. Das wurde dann entsprechend gewürdigt. Bergmann, Rechtsanwalt und Notar, Hamm: Der Kollege Martis hat eben einen Fall geschildert, das war das OLG Hamm, wo dem Arzt nicht geglaubt worden ist, dass er aufgeklärt hat. An dem Fall war ich beteiligt. Das ist der Unterschied eben, glaubt man dem Arzt oder glaubt man ihm nicht, da sind wir in der freien Beweiswürdigung. Und insofern ändert sich nichts an dem Dilemma, welches der Prof. Figgener aufgezeigt hat und insofern möchte ich für den ärztlichen Vortrag noch mal ausdrücklich danken, dass er das Dilemma des Arztes aufgezeigt hat. Einmal, das mündliche Aufklärungsgespräch ist Voraussetzung. Zum zweiten natürlich die Absicherung durch die Dokumentation. Dieses Dilemma ist nicht lösbar. Und dieses Dilemma wird im Prozess ganz einfach von den Gerichten im Wege freier Beweiswürdigung falsch oder auch richtig gelöst. Insofern noch abschließend eine kurze Frage an Herrn Prof. Figgener: Sehen Sie aus ärztlicher Sicht irgendwie eine Möglichkeit, dass dieses Dilemma anders gelöst wird? Figgener: Wenn ich die Lösung wüsste, dann hätten die vor mir auch schon andere gewusst, dann stünden wir nicht in diesem Dilemma. Das, was die Ärzte sich wünschen, ist ja, dass man möglicherweise so etwas 1
Anmerkung der Schriftleitung: OLG Hamm, GesR 2004, 401.
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2. Diskussion
wie einen Katalog hätte, an dem man sich entlang hangeln kann, um eben vollständig aufzuklären und entsprechend vollständig zu dokumentieren. Aber so einen Katalog zu erstellen ist offenbar nicht möglich. Was den Arzt befremdet, ist, dass ihm die Juristen nach Schilderung eines konkreten Falles auf die Frage, worüber er aufklären müsse, antworten: Das kommt ganz darauf an. Hinterher weiß der das wohl, aber vorher weiß er es nicht. Aber der rechtstreue Arzt soll es wissen. Und das ist ein Dilemma. Ich weiß zwar, dass wir diese Probleme nicht so aus der hohlen Hand werden lösen können. Meine Ausführungen waren auch weniger als grundsätzliche Kritik gemeint, sondern als Anstoß, bei all dem, was wir hier tun, immer auch das Verständnis für das Dilemma zu behalten. Eine solche Diskussion, eine solche Veranstaltung, die krankt ja ein bisschen daran, das hier sorgfältige und gutwillige Juristen sitzen, die mit sorgfältigen und gutwilligen Ärzten darüber diskutieren, wie es eigentlich sein sollte. Vor Gericht oder beim Blick in die kontradiktorischen Schriftsätze sieht es ganz anders aus. Da ist nicht mehr der verständnisvolle Anwalt, der durchaus ein maßvolles Auge dafür hat, was man einem alles abverlangen kann, sondern der sucht sich den einen Punkt, in den er reinbohren kann, und in dem Punkt wird dann gnadenlos gebohrt. Und der Arzt, der aus diesem Verfahren rausgeht, der weiß beim nächsten Mal nicht, wie er sich verhalten soll Müller, Gießen: Wir haben uns viele Jahre mit dem Problem beschäftigt. Wir haben uns schon vor vielen Jahren diese Risikosammlung mit Computerunterstützung zugänglich gemacht. Darauf kann der Arzt zurückzugreifen und individuell für jeden Patienten dies zusammenzustellen. Da haben wir eigentlich keine Schwierigkeiten gehabt. Wir haben auch die Effizienz gesehen. Letztlich konnten wir wegen der Aufklärungsgüte erfahren, dass wir vermehrt Vertrauen bei unseren Patienten vorgefunden haben, obwohl es auch um weitgehende Risiken, z.B. in der Wirbelsäulenchirurgie, Stichwort Querschnittslähmung ging. So einfach ist es.
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Neue Leitlinienkompetenz? Markus Follmann
1. Funktion von Leitlinien Medizinische Leitlinien werden von Ärzten zunehmend als zuverlässige Informationsquellen wahrgenommen. In kondensierter Form bieten sie aktuelle Informationen zu wichtigen Fragestellungen in der Medizin und unterstützen damit die Entscheidungsfindung im Behandlungsalltag. Sie sind insbesondere dann hilfreich, wenn die Evidenzlage widersprüchlich ist oder nicht genügend Evidenz aus klinischen Studien vorliegt. Daneben gewinnen sie zunehmend auf einer übergeordneten Ebene als Steuerungsinstrument im Gesundheitswesen an Bedeutung, wenn ihre Empfehlungen, wie z.B. bei den strukturierten Versorgungsprogrammen als Basis für Versorgungsentscheidungen genutzt und bundesweit implementiert werden.
2. Die Vielfalt von medizinischen Leitlinien Trotz der oben beschriebenen Bedeutung von Leitlinien ergeben sich allerdings aufgrund ihrer deutlichen Inhomogenität erhebliche Probleme. Schon bei der Suche nach Leitlinien werden diese offensichtlich: Hinter dem Begriff Leitlinien verbirgt sich eine Vielfalt von Produkten, die keinerlei Rückschlüsse auf inhaltliche und methodische Qualität zulassen. Darüber hinaus findet man vergleichbare Produkte unter sehr unterschiedlichen Bezeichnungen: Empfehlungen, Standards, nationale Versorgungsleitlinien, klinische Protokolle, Verfahrensanweisungen, clinical practice guidelines, recommendations, clinical pathways, consensus statements, guidelines, um nur einige zu nennen. Auch die Abgrenzung der Leitlinie zur Richtlinie bleibt größtenteils unscharf, im Holländischen gibt es für beide Begriffe nur den Ausdruck R „ ichtlijn“.
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Markus Follmann
3. Methodik und Qualität von Leitlinien Die internationalen Qualitätsstandards zur Entwicklung von Leitlinien wurden in der Vergangenheit nicht in wünschenswertem Maße umgesetzt. Unter anderem wurde kritisiert, Leitlinien seien vielfach interessengesteuerte Expertenmeinungen, die für den Praktiker nur bedingt hilfreiche Empfehlungen beinhalteten. In den letzten Jahren wurden deshalb in Deutschland große Anstrengungen unternommen, die methodische Qualität von Leitlinien zu verbessern. Von den Mitgliedern der Ärztlichen Selbstverwaltung wurde daraufhin ein Leitlinien-Clearingverfahren eingerichtet, die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) haben ein Leitlinien-Manual geschrieben und von der AWMF wurde ein Zertifikat für Leitlinien eingeführt. In Abkehr von der „eminenzbasierten“ Leitlinie ist das neue Zauberwort die „evidenzbasierte“Methodik der Leitlinienentwicklung. Für die Entwicklung einer e„videnzbasierten“Leitlin ie ist eine systematische Recherche und Bewertung der Evidenz, ein formaler Konsensusprozess, eine explizite Verknüpfung zwischen Evidenz und Empfehlung und eine nachvollziehbare Dokumentation des Prozesses z.B. in Form eines Methoden1 reports oder Ähnlichem erforderlich . Die Frage ist, ob das derzeit vergebene Attribut e„videnzbasiert“ein ausreichendes Prädikat für eine Leitlinie darstellt (und gleichbedeutend ist mit wahr oder valide) und sich damit eine Prüfung der Inhalte erübrigt. Obwohl den Autoren für die Entwicklung ihrer Leitlinien prinzipiell die gleichen Datenq uellen zur Verfügung stehen, zeigen viele Beispiele, dass es auch bei evidenzbasierten Leitlinien erhebliche Unterschiede in den Schlüssen gibt, die man aus den Studien zieht.
4. Gesetzlicher Auftrag des IQWiG Der Gesetzgeber hat dem IQWiG die Rolle zugewiesen, für die epidemiologisch wichtigsten Erkrankungen evidenzbasierte Leitlinien zu bewerten, um die medizinische Versorgung zu verbessern (§136a Abs. 3 SGB V). Dabei soll das Institut als neutrale Institution die Leitlinien im Hinblick auf die den Empfehlungen zugrunde liegenden Belege prüfen und einen Bericht über die Ergebnisse abgeben. Es sei hier angemerkt, dass das IQWiG im Gegensatz zu anderen nationalen und internationalen Institutionen nicht die Aufgabe hat, Leitlinien zu entwickeln oder zu koordinieren. 1
Das Leitlinien-Manual von AWMF und ÄZQ; z. ärztl. Fortbild. Qual. Gesund.wes. (ZaeFG) (2001) 95 Suppl. I.
IQWiG – Neue Leitlinienkompetenz?
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Bei einer Bewertung von Leitlinien lautet die zentrale Frage: Wie viel aktuelle Evidenz steckt tatsächlich in evidenzbasierten Leitlinien und hat diese Evidenz eine ausreichende Qualität, um überhaupt verlässliche Aussagen zuzulassen?Wie groß ist die Ergebnisunsicherheit?Und welchen Nutzen hat der Patient, wenn er gemäß einer bestimmten Empfehlung behandelt wird?Das Ressort Leitlinien und DMP des IQWiG hat auf dieser Basis einen eigenen Prozess zur methodischen und inhaltlichen Leitlinienbewertung entwickelt.
5. Methodik des IQWiG zur Prüfung von evidenzbasierten Leitlinien Zunächst erfolgt eine systematische Leitlinienrecherche in Datenbanken von Leitlinienanbietern wie leitlinien.de, Guidelines International Network (G.I.N.), in bibliographischen Datenbanken (Medline, Embase) und ggf. über Suchmaschinen wie Scholar Google oder SumSearch. Um gezielt relevante und methodisch hochwertige Leitlinien zu identifizieren, wurde ein mehrstufiges Verfahren mit verschiedenen Filtern etabliert. Nach Prüfung der vorab definierten Einschlusskriterien werden die Leitlinien einer methodischen Kurzbewertung unterzogen, die verbleibenden Leitlinien werden dann komplett mit dem Deutschen Leitlinienbewertungsinstrument 2 (DELBI) bewertet. Das DELBI ist die deutsche bÜersetzung des validier3 ten AGREE-Instrumentes , welches um eine Domäne ergänzt wurde, die sich auf die Anwendbarkeit der jeweiligen Leitlinie im deutschen Gesundheitswesen bezieht. Eine rein methodische Prüfung der Leitlinien, wie sie bisher im Leitlinien-Clearingverfahren vorgenommen wurde, reicht nicht aus. Auch das DELBI kann zwar gute Hinweise liefern, ob und inwieweit sich die Autoren an die international vereinbarten Standards für die Entwicklung von medizinischen Leitlinien gehalten haben, aber auch dieses Instrument sagt letztendlich nichts darüber aus, wie gut und aktuell die Inhalte sind und ob der Nutzen bestimmter medizinischer Maßnahmen ausreichend belegt ist. Dazu ist eine inhaltliche Prüfung erforderlich. Nur auf diese Weise lässt sich ausreichend beantworten, wie viel Evidenz wirklich in den evidenzbasierten Leitlinien steckt und an welcher Stelle ein Experten-Konsens erforderlich ist. 2
3
Deutsches Instrument zur methodischen Leitlinien-Bewertung (DELBI). Z. ärztl. Fortbild. Qual. Gesundh.wes. (ZaeFQ) (2005), 99;8:S. 465-524. The AGREE Collaboration. Development and validation of an international appraisal instrument for assessing the uqality of clinical practice guidelines: the AGREE project. Qual. Saf Health care (2003);12:18-23.
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Es gibt sicherlich verschiedene Ansätze, Leitlinien inhaltlich zu bewerten. Da einige Leitlinien jedoch zum Teil sehr umfangreiche Dokumente sind, die bis zu 100 Empfehlungen zu Kernaussagen beinhalten, würde man bei einer kompletten inhaltlichen Bewertung – nicht zuletzt aus Gründen limitierter Ressourcen – an Grenzen stoßen. Eine Fokussierung auf ausgewählte Kernfragen hat hierbei mehrere Vorteile:Da Leitlinien in ihren Inhalten und Empfehlungen, auch wenn sie sich auf dasselbe medizinische Thema beziehen, sehr heterogen sind, kann man durch das Reduzieren auf vordefinierte Kernfragen einen guten Vergleich zwischen verschiedenen Leitlinien ziehen. Auch ist in diesem Rahmen eine bÜerprüfung der zugrunde gelegten Evidenz und der daraus resultierende Empfehlung möglich, vorausgesetzt es liegt diesbezüglich eine völlige Transparenz vor. Aber nicht nur zwischen anderen Leitlinien, sondern auch zu anderen evidenzbasierten Quellen (systematischen bÜersichtsarbeiten, HTA-Berichten u.a.) ist ein inhaltlicher Vergleich, bezogen auf die definierte Kernfrage, möglich. Eine weitere interessante Perspektive eröffnet sich durch den Vergleich zu den vom IQWiG erstellten Evidenzberichten.
6. Das IQWiG: neue Leitlinienkompetenz? Wie erwähnt hat das IQWiG nicht die Aufgabe, neue Leitlinien zu generieren, sondern Bewertungen von existierenden Leitlinien vorzunehmen. Hier wird das Institut durch den in diesem Artikel beschriebenen Prozess der inhaltlichen Leitlinienbewertung einen neuen Weg beschreiten, indem die zu Kernaussagen abgegebenen Empfehlungen inhaltlich genau geprüft und mit anderen evidenzbasierten Quellen abgeglichen werden. Diese Ergebnisse werden in einem Leitlinienbericht zusammengefasst, in dem Abweichungen zur aktuellen Evidenzlage dargestellt werden. Diese Ergebnisse sind nicht nur hilfreich für den Gemeinsamen Bundesausschuss, der die Leitlinien in Richtlinienentscheidungen umzusetzen hat, sondern auch für die Fachgesellschaften, die die Ergebnisse des IQWiG für die Weiterentwicklung der eigenen Empfehlungen direkt nutzen können. Darüber hinaus haben auch die Ärzte einen praktischen Nutzen von einer transparenten Darstellung des Leitlinienangebots. Durch eine genaue Prüfung trennt sich bei der Fülle vorhandener Leitlinien die Spreu vom Weizen und Leitlinien könnten endlich ihrer originären Bestimmung gerecht werden;statt zu verwirren, zu leiten.
Leitlinien als Behandlungsvorschrift – Einschränkung der Therapiefreiheit? Hans-Friedrich Kienzle
1. Einleitung Im November 2001 wurden „Leitlinien, Richtlinien und Gesetz“ unter dem Aspekt, wie viel Reglementierung das Arzt-Patienten-Verhältnis vertrage, im Rahmen eines Symposiums der Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. behandelt. Im September 2003 wurde durch die Kaiserin-Friedrich-Stiftung im Rahmen des XXVIII. Symposiums für Juristen und Ärzte das Thema „Ökonomisierung der Medizin – Standards und Leitlinien: Unerwünschte Wirkungen und rechtliche Konsequenzen“ behandelt. Auch andernorts sind Leitlinien sowohl theoretisch wie auch praktisch, medizinisch, juristisch und wissenschaftlich in ständiger Diskussion. Sie erfahren dabei eine laufende Aktualisierung. Leitlinien sind zur Normalität geworden; sie scheinen unverzichtbar zu sein, stellen andererseits ein umfangreiches Diskussionsfeld dar, das wir so leicht nicht wieder loswerden. Ein Grund, Leitlinien vernünftig zu finden, ist die Komplexität der Verhältnisse in der Medizin und die damit einhergehende große und weiter zunehmende Zahl der Freiheitsgrade in Diagnostik und Therapie (Abb. 1).
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Hans-Friedrich Kienzle
Abb. 1. Beispiel zur Komplexität aus brand ein, Wirtschaftsmagazin Januar 2006
Ausgangspunkt der Forderung nach Leitlinien und trotz der Beteuerung, sie nur medizinisch vernünftig und evidence based anzuwenden, ist allerdings die Ökonomisierung in der Medizin gewesen; dieser Teilaspekt der Leitlinien rückt heute wieder mehr in den Vordergrund in dem Bestreben, durch Leitlinien angeblichen Wildwuchs in Diagnostik und Therapie zu beschneiden, die Individualität der personalen Patientenbehandlung einzuschränken, um Kosten zu senken. Insofern ist die wohlverstandene, individuelle Therapiefreiheit durchaus in Gefahr.
2. Leitlinien in der ärztlichen Praxis Das Thema „Leitlinien und Ökonomisierung“ ist so neu gar nicht: Bereits F. Kraus publizierte in der DMW des Jahres 1924 „Leitsätze für eine sparsame und doch sachgemäße Behandlungsweise durch Ärzte“. Die Entwicklung klinischer Leitlinien fand ihren eigentlichen Aufschwung aber erst durch die Anstrengungen von medicaid und medicare in frühen 80iger Jahren in den USA aus Gründen beabsichtigter Kostenreduktion.
Leitlinien als Behandlungsvorschrift – Einschränkung der Therapiefreiheit?
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In dem viel zitierten, aber auch heftig umstrittenen Gutachten des Sachverständigenrates für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2000/2001 mit dem Untertitel „Über-, Unter- und Fehlversorgung“ wird der Vorschlag präsentiert, die Vergütung der Ärzte nur noch „leitlinienkonkordant“ zuzulassen. Diese völlig absurde Idee wurde seither nur bedingt weiterverfolgt, findet sich aber in Abwandlung wieder in den Disease-Management-Programmen. Im Deutschen Ärzteblatt März 2005 wird den Leitlinien hinsichtlich juristischer Beurteilung in Haftungsprozessen eine steigende Relevanz zugeschrieben. Im April 2005 forderte der Präsident der Bundesärztekammer, Herr Prof. Dr. J.-D. Hoppe, statt Programmmedizin der ärztlichen Urteilskraft mehr Vertrauen zuzubilligen; Ärzte sollten auf der individuellen Behandlung ihrer Patienten bestehen, andernfalls sei der Weg in die Rationierung vorgezeichnet. Im Juni 2005 fordert der Kinderarzt P. von Wichert ebenfalls im Deutschen Ärzteblatt den Begriff der evidenzbasierten Medizin zu entideologisieren; EBM sei seine unkritische Medizin: Nicht mehr der pathophysiologische Hintergrund ärztlicher Maßnahmen und der Patient stünden im Vordergrund. Der Blick sei nur auf scheinbar gesicherte Untersuchungsergebnisse gerichtet. Der 60. Bayerische Ärztetag stellte im Jahr 2005 gar fest, dass Ärzte in Klinik und Praxis nicht mehr Herr im eigenen Haus seien (Abb. 2).
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Abb. 2. Sorge wegen politisch vorgegebener bzw. beeinflusster Leitlinien, FAZ v. 20.10.2005
Allein diese Zitate zeigen die widersprüchliche, zum Teil mit Vehemenz geführte Leitliniendebatte. Leitlinien können eine Entscheidungshilfe sein, wenn sie systematisch entwickelt, in einem definierten, transparenten Konsens entwickelt, wissenschaftlich begründet und praxisorientierte Orientierungshilfen geben, deren Aktualisierung nachgewiesen ist (Abb. 3).
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Abb. 3. Wesen von Leitlinien
Bei der Anwendung der Leitlinien wird meist das Postscript jeder Leitlinie außer Acht gelassen, indem die relative Sichtweise der Anwendung eindeutig zum Ausdruck gebracht wird. Allein die vielfältige Autorenschaft von Leitlinien zeigt die unterschiedliche Gewichtung einzelner Leitlinien (Abb. 4).
Abb. 4. Postskriptum aus jeder AWMF-Leitlinie: Weder haftungsbegründen noch haftungsbefreiend
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Abb. 5 zeigt als Beispiel die Vielzahl der Autoren, die an der Leitlinienentwicklung zur „Chirurgischen Therapie der Gallenblasensteine“ teilgenommen haben; hieraus wird klar, dass es sich immer nur um einen Konsens vielfältiger Meinungen handeln kann. Auch die Evidenz der einzelnen Leitlinie ist höchst unterschiedlich. Hieraus ergibt sich eine deutliche Abstufung der Qualität von Leitlinien hinsichtlich ihres Qualitätsprofils (Abb. 6, 7).
Abb. 5. Teilnehmer an der Leitlinienentwicklung „Gallenblasensteine“
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Abb. 6a. Evidenzstufen A
Abb. 6b. Evidenzstufen B
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Abb 7. Abgestufte Qualität von Leitlinien
Eine ständige Aktualisierung ist notwendig. So existieren z.B. Leitlinien zur Thromboembolieprophylaxe im stationären und ambulanten Bereich aus den Jahren 1992, 1995, 1997 und 2003; nicht alle Leitlinien besitzen diese Aktualität. Dies ist angesichts von über 1.000 bekannten Leitlinien allein schon aufgrund des notwendigen Arbeitsaufwandes und der Kosten für eine Reevaluierung nicht möglich. So ist z.B. die Leitlinie zur Frühdiagnostik des Prostatakarzinoms mittlerweile veraltet und entspricht keinesfalls mehr dem notwendigen heute anzuwendenden aktuellen Facharztstandard. Andererseits ist die Leitlinie zur fachgerechten Beurteilung des PSA-Werts (prostataspezifisches Antigen) so lang und detailliert, dass sie in der Praxis kaum Anwendung finden kann. Als Beispiel, wie evidence based medicine und damit leitlinienartige Vorschläge zur Therapie Eingang in die Medizin finden sollen, mag eine CD einer Arzneimittelfirma dienen, die zusammen mit dem entsprechenden Präparat in einer „Fortbildungsreihe – Der Weg aus der Sepsis?“ Vorschläge zur evidence based medicine in der Sepsistherapie macht. Nicht nur in der täglichen Praxis gilt die relative Bewertung von Leitlinien, um dem individuellen Patienten eine sichere und angemessene Diagnostik und Therapie zu gewährleisten. Hinsichtlich der Profession und des Berufes „Arzt“ werden bezüglich der Leitlinienproblematik sehr deutliche, kritische Fragen gestellt (Abb. 8).
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Abb. 8. Soziologische Bedenken hinsichtlich der Auswirkung von Leitlinien auf den ärztlichen Beruf
Auch wenn die Medizin in Diagnostik und Therapie außerordentlich komplex geworden ist, wird man seinem Beruf als Arzt auch künftig nur gerecht werden können, wenn man nicht eine Art Kochbuchmedizin mit abfragbaren, externen Vorschlägen sich anzueignen befleißigt; Lehrbuch, eigene detaillierte Kenntnis von Studien und auch die Nutzung von Datenbanken, die internetgestützt sofort zur Verfügung stehen (z.B. www.uptodateonline.com) sind sehr häufig zur Beurteilung des einzelnen „Falles“ wesentlich besser geeignet, als die Anwendung von Leitlinien, die auf den einzelnen Fall vielleicht nicht passt (Abb. 9).
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Abb. 9. Lehrbuch weiterer Leitlinien; weitreichende Kenntnisse contra Lehrbuch
Zusammenfassend kann für die ärztliche Praxis damit festgehalten werden: 1. Leitlinien können falsch sein. 2. Leitlinien sind beeinflusst durch Meinungen, klinische Erfahrungen und die jeweilige Zusammensetzung derer, die die Leitlinien entwickeln. Nach einer US-Studie hat jeder dritte Leitlinienautor industrielle Interessenkonflikte. 3. Eine Leitlinie muss nicht notwendigerweise in erster Linie dem Patienten dienen. Leitlinien können in der Praxis durchaus aus Sicht des Patienten suboptimal sein; dennoch werden sie empfohlen aus Gründen der Kostensenkung, sozialen Notwendigkeiten, oder um spezielle Interessen zu schützen. 4. Leitlinien werden in mancher Hinsicht die Individualität der Patienten und die sich aus ihr ergebenden Notwendigkeiten beeinträchtigen. 5. Leitlinien können medizinische Forschung und damit den wissenschaftlichen Fortschritt beeinträchtigen, wenn zu den bereits bestehenden Ergebnissen weitere Untersuchungen in unangemessener Weise vernachlässigt werden. 6. Leitlinien können zu einer unangemessenen Kostensteigerung führen, wenn sich die Leitlinien entwickelnden Gruppen über die Finanzierung ihrer Empfehlungen keine Gedanken machen. Damit
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würde der ursprüngliche ökonomisch gedachte Effekt in sein Gegenteil verkehrt. 7. Leitlinien können schnell veralten. Etwa 90 % der Leitlinien sind nur für etwa 3,6 Jahre gültig, sodass eine Überarbeitung der Validität alle drei Jahre erfolgen sollte.
3. Leitlinien in der juristischen Praxis In juristischer Hinsicht werden Leitlinien zunehmend wichtiger. Teilweise wird auf den klinisch tätigen Arzt von den Haftpflichtversicherungen Druck ausgeübt, die passenden Leitlinien in passender Weise anzuwenden. Allerdings ist aus den USA bekannt, dass Leitlinien nur in weniger als 7 % der Malpractice-Verfahren eine Rolle spielen. In England wird überprüft, inwieweit die Verfasser von Leitlinien belangt werden könnten, wenn Leitlinien nicht korrekt oder mit irreführenden Statements vorgelegt werden. Bisher bestand Konsens darüber, dass bei Anwendung falscher Leitlinien eher der verantwortliche Kliniker als der Verfasser von Leitlinien oder Büchern zur Verantwortung gezogen wird. Die Auseinandersetzung mit Leitlinien erfordert ein nicht unerhebliches Maß an medizinischem Fachwissen, bzw. zumindest aber die Fähigkeit, die Zusammenhänge nachvollziehen zu können. Dies ist nach Ansicht von Herrn Rosenberger (Richter am OLG Köln) typischerweise Aufgabe des Sachverständigen, der aber erst im Rahmen der Sachaufklärung vom Gericht eingeschaltet wird. Die Schlüssigkeit einer Klage könne daher nicht ohne weiteres mit Hilfe von Leitlinien geprüft werden. Prozesskostenhilfe allein schon zu gewähren, weil eine dargelegte Befolgung von Leitlinien bzw. deren Nichtbefolgung die Klage begründe, sei ebenfalls kein gangbarer Weg. Zum einen würde dadurch der Leitlinie nahezu Normcharakter zugewiesen, was an sich schon nicht angängig sei, zum anderen würde sich das Gericht an die Stelle des Sachverständigen setzen und sich eine Kompetenz anmaßen, die ihm schlichtweg nicht zukomme. Wenn schon Leitlinien für die Substantiierungslast als auch das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren für den Richter ohne praktische Relevanz sind, ist dies in Bezug auf das Kernstück des Haftungsprozesses, nämlich die Feststellung des Behandlungsfehlervorwurfs nicht anders. Das Beweisthema kann vom Gericht nicht an einer Leitlinie ausgerichtet werden, weil schon die Vorfrage, ob die Leitlinie valide oder einschlägig ist, vom Sachverständigen beantwortet werden muss. Die Befolgung einer Leitlinie ist nicht gleichbedeutend mit gutem Facharztstandard.
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Der Sachverständige sollte Leitlinien berücksichtigen insofern, als er Stellung nehmen sollte, ob sich hierin der maßgebliche Facharztstandard wieder findet, ob sie den Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen repräsentieren, soweit er sich in der praktischen Erprobung bewährt hat, oder eben nicht. Ärztliche Leitlinien vermögen nach Rosenberger den Gang des Arzthaftungsprozesses nicht nennenswert zu beeinflussen. Sie können aber für die Parteien und den Sachverständigen hilfreiche Erkenntnisquellen sein und dem Gericht die kritische Würdigung gutachterlicher Feststellungen erleichtern.
4. Leitlinien als Managementinstrument Eine Weiterentwicklung der Leitlinien stellen Behandlungspfade und die Disease-Management-Programme dar. Mit selbsterstellten Behandlungspfaden soll für gewisse, häufig in der jeweiligen Klinik vorkommende Erkrankungen ein Raster für Diagnostik und Therapie erstellt werden. Ziel und Zweck dieser Behandlungspfade soll ausgesprochen oder unausgesprochen eine verkürzte Liegezeit und angeblich auch ein besseres Behandlungsergebnis sein. Zudem erwarten die Krankenhausträger durch die Implementierung von Behandlungspfaden eine deutliche Kostensenkung. Bedenklich erscheint in diesem Zusammenhang, dass mancher Arzt die Anwendung einer Leitlinie eigenem Denken, eigener Literaturrecherche und eigener erfahrungsgestützter Wertfindung vorzieht. Wichtig erscheint z.B. für die tägliche Praxis ein Rückgriff auf Datenbanken wie www.uptodateonline.de. Hier werden hunderte Journale in regelmäßigen Abständen (zwei Jahre) durchgesehen und Handlungsempfehlungen für viele Erkrankungen diskutiert. Solche offenen Diskussionsforen sind, wenn man sie denn zu nutzen weiß, für den Kliniker hinsichtlich einer guten Ergebnisqualität meist hilfreicher. Lehrbücher sind nach wie vor gut geeignet, eine Erkrankung in den allgemeinklinischen und pathophysiologischen Kontext zu stellen. Zu Weiterbildungszwecken repräsentieren Lehrbücher eine Agglomeration von Wissen und Erfahrung, die nicht ohne weiteres durch rezeptartige Leitlinien ersetzt werden können. DMP (Disease-Management-Programme) stellen in den Augen vieler Ärzte den Gipfel der Gängelung dar. Patienten werden in Schemata gepresst, die Gremien festgelegt haben, unabhängig von der Ausprägung und Schwere der Erkrankung, dem Alter des Patienten, unabhängig von Begleiterkrankungen, unabhängig auch von der persönlichen Vorstellung eines Patienten zu seiner Erkrankung. Da Disease-Management-Programme sehr
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stark von politischer Seite gefördert werden, wird man sich ihnen nicht ganz entziehen können. Für eine angemessene Individualtherapie taugen sie jedoch nicht. Bei Disease-Management-Programmen wird eine Krankheit gemanagt und nicht der Patient behandelt; damit ist ein grundlegender Paradigmenwechsel der ärztlichen Berufsausübung vorgegeben. Die Diabeteserkrankung z.B. eines Jugendlichen wird ganz anders zu behandeln sein als die Diabetesfolgen bei einem 80-jährigen. Allein dieses Beispiel zeigt, dass in Zeiten zunehmender Multimorbidität einfache Programme, eine Krankheit zu managen, in der Individualtherapie äußerst fragwürdig sind. In Verbindung mit Honorarfragen entfernt man sich hinsichtlich der Disease-Management-Programme noch weiter von einer Angemessenheit in der Therapie einzelner Kranker. Das Arzt-Patienten-Verhältnis wird durch solche äußeren Faktoren maßgeblich deformiert. Wohin der Weg geht, zeigt ein Ausschnitt aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 20.10.2005, in dem Ergebnisse des Herbstsymposiums der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin wiedergegeben wurden: Dass nämlich die Politik Leitlinien zu Vorschriften machen wolle. Hintergrund dieser Befürchtung ist der Beschluss der Bundesregierung, mit Hilfe des von ihr eingesetzten Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zahlreiche Leitlinien auf den „wissenschaftlichen Prüfstand“ zu stellen mit dem Ziel, dem Arzt nach Adjustierung der Leitlinien diese als Behandlungsrichtlinien vorzuschreiben, für deren Einhaltung er am Ende gar haftbar gemacht werden könnte. Somit schließt sich der Kreis: Ausgangspunkt der Leitlinienentwicklung war Mitte der 80-iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts für medicare und medicaid die Idee, Leitlinien zur Dämpfung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen zu initiieren. Dennoch können sie in der täglichen ärztlichen Praxis sehr hilfreich sein, wenn sie zugeschnitten auf den individuellen Patienten mit Überlegung und nach Prüfung der zeitlichen und wissenschaftlichen Aktualität eingesetzt werden, ohne durch juristische, bürokratische und ökonomische Vorgaben missbraucht zu werden (Abb. 10).
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Abb. 10. Leitlinien sind sinnvoll, wenn sie der Intensität entsprechend eingesetzt werden
Literatur Giebel, G.D.
Leitlinie – Leidlinie – Lightlinie chir. praxis 65, 203-208 (2005/2006)
Grams, H.A.
Die Relevanz medizinischer Leitlinien nimmt zu. Dtsch. Ärzteblatt 2005; 102: C 640
Hoppe, J.-D.
Mehr Vertrauen in die ärztliche Urteilskraft. Dtsch. Ärzteblatt 2005, 102: C 747
Ratajczak, T., Leitlinien, Richtlinien und Gesetz MedR, SchrifCh. M. Stegers (Hrsg.) tenreihe Medizinrecht, Springer, Heidelberg 2003 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen; „Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit; Über-, Unter- und Fehlversorgung“ Gutachten 2000/2001 Stüwe, H.
Ärzte in Klinik und Praxis: nicht mehr Herr im eigenen Haus. Dtsch. Ärzteblatt 2005; 102: C 2313
Leitlinien als Behandlungsvorschrift – Einschränkung der Therapiefreiheit?
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Taylor, R., J. Gilese
Nature 2005; 437: 1070 – 1071
v. Wichert, P.
Evidenzbasierte Medizin; Begriff entideologisieren. Dtsch. Ärzteblatt 2005; 102: C 1242-1243
Verbindlichkeit unterschiedlicher Leitlinien Jochen Taupitz
1. Einleitung Im modernen Gesundheitssystem existiert eine kaum noch überschaubare Anzahl fachkompetenter oder sich jedenfalls fachkompetent gerierender Äußerungen, die unter der Bezeichnung „Leitlinien“ von nicht wenigen Ärzten als Bedrohung ärztlicher Therapiefreiheit empfunden, von anderen aber auch geradezu als das „Rückgrat der Therapiefreiheit“ bezeichnet 1 werden . Allein die Homepage der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaft2 lichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) , in der 151 Fachgesellschaften zusammengeschlossen sind, enthält eine kaum mehr über3 schaubare Anzahl unterschiedlicher Leitlinien . Neben den Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaften existieren „Richtlinien“ z.B. der Bundesärztekammer, die, wie zu zeigen sein wird, zum Teil gleichartige Funktionen wie Leitlinien erfüllen; auf sie wird deshalb ebenfalls einzugehen sein. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund inflationärer Tendenzen in der Veröffentlichung von Leitlinien stellt sich für Ärzte, Patienten und Juristen die Frage nach ihrer rechtlichen Verbindlichkeit. So einfach, wie der häufig geäußerte Satz „Richtlinien müssen, ärztliche Leitlinien sollen befolgt 4 werden“ es erscheinen lässt, gestaltet sich die Beantwortung dieser Frage allerdings nicht. Denn Art und Ausmaß von Verbindlichkeit hängen, wie nachfolgend gezeigt wird, von sehr unterschiedlichen Faktoren ab.
2. Begrifflichkeit Es gibt keine allgemein akzeptierte und auch keine von Rechts wegen festgelegte Terminologie zu der Frage, was unter einer „Leitlinie“ in Abgren1 2 3
4
Siehe Hart, Ärztliche Leitlinien – Rechtsrahmen, DÄBl. 2005, A-2693. www.awmf-online.de. Hart (Ärztliche Leitlinien und Haftungsrecht, in: Hart [Hrsg.], Ärztliche Leitlinien, 2000, S. 137, 145) spricht beschönigend von einer „gewissen Unübersichtlichkeit“. Hart, Ärztliche Leitlinien und Haftungsrecht (s. FN 3), S. 140; Conrads, Rechtliche Aspekte der Richtlinienfeststellung nach § 16 I 1 Nrn. 2 und 5 TPG, in: Dierks/Neuhaus/Wienke (Hrsg.), Die Allokation von Spenderorganen, 1999, S. 35 [39].
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zung von einer „Richtlinie“ zu verstehen ist. Jedoch haben die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) vor einigen Jahren Empfehlungen veröffentlicht, die durchaus geeignet sind, beide Arten von Regelwerken in sinnvoller Weise voneinander zu unterscheiden.
2.1 Formale Abgrenzung Ärztliche Leitlinien sind nach diesem Vorschlag „systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über die angemessene ärztliche Vorgehensweise bei 5 speziellen gesundheitlichen Problemen“ . In anderer Formulierung sind sie „wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Handlungsempfehlungen als Orientierungshilfen im Sinne von Handlungs- und Entscheidungs6 korridoren“ . Leitlinien sind damit dem Thema „fachlicher Standard“ (me7 dizinischer Behandlungs- bzw. Diagnosestandard ) zuzuordnen (dazu ge8 nauer unter C.). Sie werden von internationalen und nationalen Ärzteorga9 nisationen, insbesondere von medizinischen Fachgesellschaften erstellt . Die höchste wissenschaftliche und gesundheitspolitische Legitimation 10 wird herbei der „evidenz-basierten Konsensus-Leitlinie“ zugesprochen . Dieser Typ Leitlinie orientiert sich an der bestmöglichen erreichbaren Evidenz, also an den besten durch klinische Studien erbrachten „harten“ Be11 weisen , und bedarf einer professionellen Akzeptanzbewertung in einem geordneten, auf gemeinsame Zustimmung der beteiligten Fachkreise ausgerichteten Verfahren. Von den insgesamt über 950 Leitlinien der AWMF
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BÄK/KBV, Beurteilungskriterien für Leitlinien in der medizinischen Versorgung, Dt. Ärzteblatt 1997, A-2154; inzwischen modifiziert durch ÄZQ und AWMF, Deutsches Instrument zur methodischen Leitlinienbewertung (DELBI), S. 7 (www.delbi.de): Leitlinien sind „systematisch entwickelte Aussagen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung von Ärzten und ggf. anderen Gesundheitsberufen sowie für Patienten für eine angemessene Vorgehensweise bei vorgegebenen Gesundheitsproblemen“. Hart, Normierungen ärztlichen Handelns, Medizinische Ethik (medgen) 2001, 63 ff.; Hart, Ärztliche Leitlinien und Haftungsrecht (s. Fn. 3) S. 137 [140]. Im Rahmen dieses Beitrags werden „ärztlicher“ und „medizinischer“ Standard synonym verstanden, auch wenn beide in manchen Fällen nicht deckungsgleich sein mögen. Z.B. European Resuscitation Council, www.erc.edu/index.php/doclibrary/en/27/1. Näher Hart, Allgemeiner Teil, in: Hart (Hrsg.), Ärztliche Leitlinien im Medizin- und Gesundheitsrecht, 2005, S. 38. Hart, Allgemeiner Teil (s. Fn. 9), S. 38. Der Begriff „Evidenz“ im Kontext der Evidenzbasierten Medizin leitet sich vom englischen Wort „evidence“ = Nachweis, Beweis ab und bezieht sich auf die Informationen aus klinischen Studien, die einen Sachverhalt erhärten oder widerlegen (Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. www.ebm-netzwerk.de ).
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sind allerdings lediglich 5 % als evidenz-basierte Konsensus-Leitlinien zu 12 qualifizieren . Richtlinien sind nach der Empfehlung der BÄK und der KBV „Regelungen des Handelns oder Unterlassen, die von einer rechtlich legitimierten Institution konsentiert, schriftlich fixiert und veröffentlicht wurden, für den Rechtsraum dieser Institution verbindlich sind und deren Nichtbeach13 tung definierte Sanktionen nach sich zieht“ . Mit dieser Beschreibung sind die wesentlichen Elemente von Recht, also von Normen, die rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen, angesprochen, nämlich die Legitimation zur Rechtsetzung, der Erlass in einem rechtsförmigen Verfahren der Rechtsetzung, der Rechtsschöpfungswille des Normautors und die Möglichkeit 14 förmlicher Sanktionen als generelles Kennzeichen des Rechts . Richtlinien sind nach der Empfehlung von BÄK und KBV also ihrerseits eigenständi15 ge Rechtsquelle . Im Ergebnis unterscheiden die Empfehlungen der BÄK und der KBV „Leitlinien“ und „Richtlinien“ also in erster Linie nach der Rechtsqualität des entsprechenden Regelwerks: Eine Leitlinie wird zur Richtlinie, wenn der Normschöpfer die Rechtsmacht ausübt, mit ihr Recht zu setzen.
2.2 Inhaltliche Abgrenzung Leitlinien und Richtlinien stimmen darin überein, dass sie oft einen bestimmten Ermessensspielraum belassen; sie determinieren das fachliche (Leitlinien) oder rechtliche Sollen (Richtlinien) also häufig nicht „punkt16 genau“, liefern vielmehr lediglich „Entscheidungskorridore“ .
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Vgl. Encke/Reinauer/Lorenz, Weiterentwicklung der Qualität der Gesundheitsversorgung unter Nutzung wissenschaftlich basierter Leitlinien, www.leitlinien-net/wb-II.htm. BÄK/KBV, Beurteilungskriterien für Leitlinien in der medizinischen Versorgung, (s. FN 5), Dt. Ärzteblatt 1997, A-2154. Näher hierzu Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 567 ff.; Taupitz, Richtlinien in der Transplantationsmedizin, NJW 2003, 1145 [1145 ff.]. Allerdings ist festzustellen, dass sich die BÄK nicht an ihre eigene Empfehlung hält, indem sie zahlreiche „Richtlinien“ erlässt, denen mangels Rechtsetzungskompetenz der BÄK keine Rechtsverbindlichkeit zukommen kann; nur bei weiter Auslegung des Begriffs „Selbstverwaltungskörperschaft“ kann man dies damit rechtfertigen, dass die Empfehlung von BÄK/KBV die „Richtlinien der ärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften“ (zu denen die privatrechtliche Bundesärztekammer streng genommen nicht gehört) ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt. Zur mangelnden Rechtsetzungskompetenz der BÄK s. Taupitz, Standesordnungen (s. Fn. 14), S. 748 ff.; Taupitz, NJW 2003, 1145 ff. BÄK/KBV, Beurteilungskriterien für Leitlinien in der medizinischen Versorgung, (s. Fn. 5), Dt. Ärzteblatt 1997, A-2154.
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In den genannten Empfehlungen der BÄK und der KBV wird bezogen auf den Inhalt von Leitlinien eine Einschränkung insoweit vorgenommen, als Leitlinien systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über die angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen sein sollen. Leitlinien betreffen damit lediglich das Gebiet professioneller Diagnose- und Behandlungsentscheidungen mit unmittelbarer Ausrichtung auf die Lösung von Gesundheitsproblemen, nicht aber ein sonstiges Verhalten des Arztes gegenüber den Patienten, seinen Kollegen oder der Gesellschaft. Demgegenüber wird der Inhalt von Richtlinien nicht in gleicher Weise auf medizinische Entscheidungen begrenzt. Auch diese Begriffsfestsetzung ist durchaus sinnvoll, entspricht sie doch dem typischen Inhalt von Leitlinien und der sogleich darzustellenden Maßgeblichkeit des medizinfachlichen Standards für das Recht. Hinzuweisen ist allerdings auch darauf, dass die Abgrenzung zwischen medizinfachlichem und sonstigen beruflichem Verhalten durchaus fließend sein mag.
2.3 Abgrenzung im Einzelfall Ob eine bestimmte Äußerung eine „Leitlinie“ oder „Richtlinie“ im vorstehend genannten Sinn beinhaltet, ist durch Auslegung vor allem des in ihr zum Ausdruck kommenden (legitimen) Anspruchs der beschließenden Institut zu ermitteln. Die Bezeichnung als „Leitlinie“ oder „Richtlinie“ gibt nur einen Anhalt.
3. Verbindlichkeit ärztlicher Leitlinien 3.1 Grundlagen Wenn ärztliche Leitlinien per definitionem nicht von sich aus Recht sind, weil sie entweder nicht von einer von Rechts wegen zur Rechtsetzung legitimierten Institution geschaffen wurden oder die fragliche an sich zur Rechtsetzung legitimierte Institution keinen Rechtsschöpfungswillen hatte, dann kann eine ärztliche Leitlinie für den Arzt nur dann rechtsverbindlich sein, wenn von einer Rechtsnorm im Wege der normergänzenden Verweisung auf sie verwiesen wird. Durch die normergänzende Verweisung werden außerrechtliche Wertungen und Problemlösungen in die Rechtsordnung einbezogen, indem der Normbefehl (also die abstrakt-allgemeine Norm) erst durch die in Bezug genommene Regel vollständig hergestellt wird. Diese Gesetzestechnik wirft jedenfalls dann eine Reihe von verfassungsrechtlichen Problemen auf, wenn es sich um eine dynamische Verweisung auf die jeweilige Fassung des Regelwerks handelt (Probleme der
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Gewaltenteilung, des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips ). Im hier zu erörternden Bereich gibt es denn auch zu Recht kein Beispiel für diese Gesetzestechnik. Eine ärztliche Leitlinie kann allerdings auch faktisch (oder besser: mittelbar) verbindlich sein, wenn eine Rechtsnorm das vom Normunterworfenen verlangte Verhalten lediglich in Form von unbestimmten Rechtsbegriffen festlegt, wenn für deren Ausfüllung ein bestimmter fachlicher Standard maßgeblich ist und wenn die Leitlinie diesen Standard zutreffend wiedergibt. Auf diese wichtigste Funktion ärztlicher Leitlinien wird im Folgenden (unter 3.3) näher einzugehen sein. Zuvor ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber auf der vorstehend genannten Verweisungstechnik aufbauend durch eine normkonkretisierende Verweisung eine gesteigerte Form von Verbindlichkeit schaffen kann, die allerdings nicht an diejenige einer normergänzenden Verweisung heranreicht. Bei der normkonkretisierenden Verweisung legt der Gesetzgeber zum einen in Form eines unbestimmten Rechtsbegriffs die vom Normadressaten geforderten Verhaltensweisen fest (z.B. durch die Formulierung in einem auf bestimmte technische Anlagen bezogenen Gesetz, dass die Anlagen „ordnungsgemäß, d.h. nach den anerkannten Regeln 18 der Technik einzurichten und zu unterhalten sind“ ). Einer bestimmten fachnahen Institution wird dann jedoch zum anderen ergänzend die Aufgabe übertragen, zur Konkretisierung des an sich vollständigen Rechtsbefehls Regeln zu formulieren, die ihrerseits als „Regeln der Technik“ im Sinne der fraglichen Gesetzesnorm „gelten“. Damit wird eine widerlegliche gesetzliche Vermutung dafür begründet, dass der Normunterworfene bei Befolgung der genannten Regeln zugleich dem Gesetzesbefehl („ord19 nungsgemäße Einrichtung und Unterhaltung der Anlage“) Genüge tut . In der Tat ist beispielsweise im Transplantationsgesetz und im Transfusions20 gesetz eine derartige normkonkretisierende Verweisung gegeben : In diesen Gesetzen hat der Gesetzgeber die Maßgeblichkeit des „Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft“ jeweils selbst angeordnet (z.B. in § 3 Abs. 1 Nr. 2 und § 10 Abs. 2 Nr. 2 TPG, § 5 Abs. 3 und § 7 Abs. 1 TFG), so dass der hierin liegende Gesetzesbefehl vollständig (und zwar wenig konkret, aber ausreichend konkret) ist. Ergänzend hat der Gesetzgeber der Bundesärztekammer die Aufgabe übertragen, zu bestimmten Fragen „den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien“ „festzustellen“. Zudem ist im Gesetz festgelegt, dass die Einhaltung des Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft – zu 17 18 19 20
Dazu Taupitz, Standesordnungen (s. Fn. 14), S. 736 ff. Näher Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, 1979, S. 385 f., 395 ff. Taupitz, Standesordnungen (s. Fn. 14), S. 1138 f. Zum Folgenden s. Taupitz, NJW 2003, 1145 [1148].
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ergänzen ist: soweit es darauf nach den gesetzlichen Bestimmungen ankommt – (nur, aber immerhin) „vermutet“ wird, wenn die Richtlinien der Bundesärztekammer beachtet worden sind. Diese Vermutung wiederum ist widerleglich, so dass beispielsweise der Arzt, der aufgrund von Hinweisen in der Fachliteratur davon ausgehen muss, dass die entsprechenden Richtlinien den Stand der medizinischen Wissenschaft nicht (mehr) korrekt wiedergeben, den Richtlinien nicht folgen darf, sondern bei seinen Entscheidungen den „wirklichen“ Stand der medizinischen Wissenschaft zu 21 beachten hat . Das Beispiel des Transplantationsgesetzes und des Transfusionsgesetzes macht erneut deutlich, dass sich die von der BÄK und der KBV vorgeschlagene Terminologie zur Abgrenzung von Leitlinie und Richtlinie bisher nicht allgemein durchgesetzt hat. Denn nach der genannten Empfehlung von BÄK und KBV handelt es sich bei den „Richtlinien“, die die BÄK auf dem Gebiet des Transplantations- und Transfusionswesens zu erlassen hat, im Grunde um Leitlinien. Ihnen kommt zwar durch die vom Gesetz angeordnete Vermutungswirkung eine herausgehobene Wirkkraft zu; diese ist aber auch hier lediglich als faktische oder mittelbare Verbindlichkeit, nicht dagegen als unmittelbar aus den Richtlinien als eigenständi22 ger Rechtsquelle folgende rechtliche Verbindlichkeit zu qualifizieren .
3.2 Pflichtverletzung, Rechtswidrigkeit und Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt: der medizinische Standard als Maßstab Verletzt der Arzt eine Pflicht aus dem Behandlungsvertrag, macht er sich gemäß § 280 BGB schadensersatzpflichtig. Welche Behandlung pflichtgemäß ist, bestimmt sich (sieht man von Fragen der Aufklärung und Einwilligung ab) nach der lex artis. Gleiches gilt für die Frage, ob die mit einer Behandlung einhergehende tatbestandsmäßige Körperverletzung rechtswidrig im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist. Zudem hat der Arzt bei der Behandlung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im Sinne des § 276 21
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Taupitz, NJW 2003, 1145 [1147 f.]; Taupitz, Die Verantwortung des parlamentarischen Gesetzgebers für Sicherheit, Qualität, Dokumentation und Patientenaufklärung bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung sowie für die Einführung neuartiger Verfahren, in: Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.), Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, 2001, S. 280 [282 f.]. Taupitz, NJW 2003, 1145 [1147 f.]; a.A. Comos-Aldejohann, Ärztliches Berufsrecht und Leitlinien, in: Hart (Hrsg.), Ärztliche Leitlinien im Medizin- und Gesundheitsrecht, 2005, S. 267 [294 ff.], die S. 296 zudem zu Unrecht davon ausgeht, dass die Richtlinien auf Landesebene durch bloßen Vorstandsbeschluss der jeweiligen Ärztekammer verbindlich umgesetzt werden könne; anders dagegen Taupitz, Standesordnungen [s. Fn 14], S. 776 ff.
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Abs. 2 BGB walten zu lassen; lässt er sie außer Acht, begeht er die Pflichtverletzung/die rechtswidrige Körperverletzung fahrlässig und damit schuldhaft. Die erforderliche Sorgfalt wird objektiv-typisierend festgestellt, so dass es nicht auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten 23 des Behandlers ankommt . Zugleich folgt daraus, dass die Pflichtverletzung/Rechtswidrigkeit einerseits und die Fahrlässigkeit andererseits in der Regel von denselben Gesichtspunkten abhängen und nach denselben Maß24 stäben zu beurteilen sind . Anders als im Strafrecht, wo der Sorgfaltsmaßstab individuell-subjektiv ausgerichtet ist, gibt es im Arzthaftungsrecht 25 praktisch keinen schuldlos begangenen Behandlungsfehler . Alle genannten drei Elemente der zivilrechtlichen Arzthaftung werden 26 durch die lex artis bestimmt, die ihrerseits – sofern er vorhanden ist – durch den medizinischen Standard geprägt wird. Damit hält der medizini27 sche Standard über diese (Um)Wege Einzug in die Rechtsordnung . Der medizinische Standard gibt den jeweils aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand unter Berücksichtigung praktischer Erfahrung 28 und professioneller Akzeptanz wieder . Er ist nicht statisch, denn Wissenschaft und praktische Erfahrung befinden sich in einem unter Umständen 29 schnellen Wandel . Es wird sogar davon ausgegangen, dass sich das medi30 zinische Wissen alle fünf Jahre verdoppelt .
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Vgl. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl., 1996, Rdnrn. 399 ff. (Rdnrn. 397 f. auch zur Steigerung der Sorgfalt bei besonderen Fähigkeiten); Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 4. Aufl., 2004, § 823 Rdnr. 676; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., 2002, § 99 Rdnr. 11. Ausnahme: Extrem seltene Fälle des entschuldigten Rechtsirrtums, der entschuldigten Verkennung des Standards, der persönlichen Unzumutbarkeit. Vgl. auch Hart, Arzthaftungsrecht – Wissensbasis und Rezeption in Literatur und Rechtsprechung, in: Hart (Hrsg.), Ärztliche Leitlinien im Medizin- und Gesundheitsrecht, 2005, S. 85 [97 f.]. Sofern kein medizinischer Standard existiert, kommen u.U. Maßnahmen der Neulandmedizin (als individueller Heilversuch oder im Rahmen einer klinischen Prüfung) in Betracht. vgl. Laufs, in: Handbuch des Arztrechts (s. FN 23) § 99 Rdnr. 4. DGMR, Medizinischer Standard und Leitlinien – Ökonomisierung der Medizin, MedR 2003, 711. Vgl. Dressler, Ärztliche Leitlinien und Arzthaftung, in: Festschrift für Geiß, 2000, S. 379 [381]; vgl. zur Variabilität des Begriffs „Stand der medizinischen Wissenschaft“ auch Ulsenheimer, Ökonomische Zwänge und anästhesiologische Standards, Der Anaesthesist 2004, 607. Brüggemeier, Deliktsrecht, 1986, Rdnr. 641; Bergmann, Leitlinien und Haftung, in: Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. (Hrsg.), Leitlinien, Richtlinien und Gesetz, 2003, S. 65 [68].
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3.3 Ärztliche Leitlinie und medizinischer Standard 3.3.1 Primärfunktion: Wiedergabe des ärztlichen Standards
Wenn somit der Standard auf die Realität bezogen ist, nämlich den tatsächlichen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand unter Berücksichtigung praktischer Erfahrung und professioneller Akzeptanz umfassen soll, dann stellt sich für den Rechtsanwender, der unter die Begriffe „Pflichtwidrigkeit“, „Rechtswidrigkeit“ und „erforderliche Sorgfalt“ zu subsumieren hat, die Frage, wie der jeweilige medizinische Standard festgestellt werden kann. Anerkanntermaßen kann zur Ausfüllung der genannten Rechtsbegriffe nicht nur auf individuell für den konkreten Fall eingeholte Sachverständigengutachten, sondern auch auf existente Regelwerke wie 31 32 33 DIN-Normen , technische Vorschriften , Fach- und Standesregeln oder 34 35 Sportregeln zurückgegriffen werden . Von daher sind auch ärztliche Leitlinien grundsätzlich geeignet, den medizinischen Standard wiederzugeben. In der Tat sind ärztliche Leitlinien von ihrem Anspruch her eng auf den medizinischen Standard bezogen. Zu ihrer Funktion und Wirkung lassen 36 sich (im Anschluss an D. Hart ) wissenschaftliche, praktische, informatorische und regulatorische Aspekte unterscheiden:
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Wissenschaftlich erheben sie in der Regel den Anspruch, den Stand der Erkenntnisse zum Zeitpunkt ihres Erlasses („state of the art“) zu repräsentieren. Hierbei handelt es sich um ihre wichtigste Funktion von Leitlinien, nämlich die Wiedergabe (Sichtbarmachung) des ärztlichen Standards.
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Praktisch führen sie die ärztliche Tätigkeit damit zugleich an die wissenschaftlichen Erkenntnisse heran, indem sie die Professionsangehörigen über den wissenschaftlich erreichten Standard informieren.
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Durch die Sichtbarmachung des wissenschaftlichen Standards tragen sie zugleich zur Durchsetzung und Festigung in der Praxis, also zur Implementierung und Standardsicherung bei.
BGHZ 139, 17. OLG Zweibrücken, VersR 1977, 848. OLG Köln, NJW 1990, 2261 [2262]. BGH, NJW 1972, 627. Grüneberg, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BGB, 2004, § 276 Rdnr. 24. Hart, Medizinische Ethik (medgen) 2001, 63 [64]; siehe auch Gethmann/Gerok et. al., Gesundheit nach Maß?, 2004, S. 69 f.
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Zugleich erleichtert die Sichtbarmachung die Kontrolle durch die Fachgemeinschaft sowohl im Hinblick auf inhaltliche Richtigkeit zum Zeitpunkt der Erlasses als auch im Hinblick auf spätere Veränderungen.
Zusammenfassend kann man die Funktion ärztlicher Leitlinien dahingehend zusammenfassen, dass sie die gute ärztliche Praxis, also die Realität richtigen ärztlichen Handelns, richtig wiedergeben sollen. Leitlinien sollen dabei ein Erkenntnisproblem lösen, zugleich aber auch normativ die richti37 gen daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen anregen : „Erkenne das Richtige und handele danach“. Für die Leitlinienverfasser lautet die daraus abgeleitete Devise: „Erkenne das Richtige und schreibe es nieder“. Dabei können Erkenntnisse und Niederschrift freilich unbewusst oder bewusst voneinander abweichen. Deshalb können ärztliche Leitlinien ihre primäre Funktion, den medizinischen Standard (richtig) wiederzugeben, nur dann wahrnehmen, wenn sie die folgenden Kriterien erfüllen: x
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Qualität.
Diese Kriterien sind im Folgenden näher zu erläutern. Die lex artis für den individuellen Fall können Leitlinien ferner nur dann zutreffend wiedergeben, wenn sie auf den konkreten Fall auch anwendbar sind (dazu unter 3.4).
3.3.2 Intendierter Standardbezug
Eine Leitlinie kann den ärztlichen Standard nur dann zutreffend wiedergeben, wenn die beschließende Institution überhaupt die Intention hat, mit der Leitlinie den ärztlichen Standard wiederzugeben. Damit sind verschiedene Gesichtspunkte angesprochen: Leitlinien dienen – wie bei der Beschreibung ihrer Funktionen dargestellt wurde – zum Teil auch der Implementierung eines (neuen) Standards. Da sich der wissenschaftliche Fortschritt in der Regel erst allmählich in die Praxis umsetzt, mit anderen Worten die praktische Erfahrung und profes37
So wie sich auch im Standard faktische und normative Elemente „verschlingen“: Ulsenheimer, Leitlinien, Richtlinien, Standards – Risiko oder Chance für Arzt und Patient, BayÄBl. 1998, 51 [52].
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sionelle Akzeptanz erst aufgebaut werden müssen, gibt es keine trennscharfe Grenze zwischen Neulandmedizin und standardgemäßem Verhalten. Wenn Leitlinien vor diesem Hintergrund gezielt dazu eingesetzt werden, um in erzieherischer Weise Zielvorstellungen an die Praxis heranzutragen, oder wenn sie von Wissenschaftlern formuliert werden, die an vorderster Front der wissenschaftlichen Erkenntnis stehen und dem Praxisbezug bei der Formulierung der Leitlinie zu geringe Bedeutung zumessen, dann kann es dazu kommen, dass mit Leitlinien bewusst oder unbewusst ein höherer Standard zum Ausdruck wird, als es im jeweiligen Bereich 38 tatsächlich noch dem derzeitigen Standard entspricht . Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der ärztliche Standard nicht überall gleich ist. In Krankenhäusern der Maximalversorgung ist u.U. ein höherer Standard zu befolgen als in der Praxis eines niedergelassenen Arztes. Vor diesem Hintergrund ist gelegentlich die Neigung zu verspüren, innerfachliche Unterschiede durch das Postulat eines einheitlich hohen Standards zu nivellieren. Zugleich spielen nicht selten auch berufspolitische Gesichtspunkte, etwa solche der Konkurrenz zwischen verschiedenen Fachgebieten, eine nicht unerhebliche Rolle. Eine kritische Kontrollfrage sollte daher immer lauten: „Cui bono?“ Zum zweiten ist jeweils zu prüfen, ob die Leitlinien erstellende Institution wirklich nur den fachlichen Stand ärztlich-wissenschaftlicher Erkenntnis unter Berücksichtigung ärztlich-praktischer Erfahrung und ärztlich-professioneller Akzeptanz sichtbar zu machen versucht hat, oder ob auch andere, etwa ökonomische Gesichtspunkte in die Leitlinie Eingang gefunden haben. Medizinische und ökonomische Gesichtspunkte können zwar durchaus übereinstimmen, und innerhalb des Korridors medizinischer Vertretbarkeit entspricht es durchaus der lex artis, auf sie Rücksicht zu nehmen. Spätestens dann, wenn dieser Rahmen verlassen wird, sind sie 39 jedoch offen als externe Faktoren auszuweisen , und auch innerhalb des medizinischen Korridors sind Nutzen und Risiken der unterschiedlichen Maßnahmen vor allem aus medizinischer Sicht gegeneinander abzuwägen. Regelwerke, die – wie etwa die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses gemäß §§ 91, 92 SGB V – anderen Vorgaben folgen, sind nicht
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Zum Problem standardmodernisierender Leitlinien s. Sickor, Normenhierarchie im Arztrecht, 2005, S. 259; s. auch OLG Hamm, NJOZ 2003, 1437 [1438]; OLG Hamm, NJW 2000, 1801 [1802]. Dies gilt auch hinsichtlich der Aufklärung des Patienten, s. Taupitz, Ressourcenknappheit in der Medizin – Hilfestellung durch das Grundgesetz?, in: Wolter/Riedel/Taupitz, Einwirkungen der Grundrechte auf das Zivilrecht, Öffentliche Recht und Strafrecht, 1999, S. 113 [131 f.].
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Ausdruck des ärztlichen Standards , auch wenn sie darauf zum Teil aufbauen. Anders formuliert bedeutet dies: Eine ärztliche Leitlinie enthält in der Regel Aussagen nur über die aus ärztlicher Sicht adäquate Behandlungsqualität. Soweit von Rechts wegen auch andere Gesichtspunkte für die jeweilige ärztliche Entscheidung maßgeblich sind (z.B. Aspekte der Wirtschaftlichkeit oder der Effizienz), führt die Befolgung der Leitlinie allein 41 u.U. nicht zum rechtlich gebotenen Verhalten . 3.3.3 Aktualität von ärztlichen Leitlinien
Aufgrund der Zeitbezogenheit des Standards (s. oben) kommt es entschei42 dend auf die Aktualität einer Leitlinie an . Eine „veraltete“ Leitlinie entspricht nicht dem medizinischen Standard; nach ihr darf folglich nicht 43 (mehr) behandelt werden . Aktualität ist dabei auf den jeweiligen Behandlungszeitpunkt, nicht etwa auf ein späteres gerichtliches Verfahren, in dem die Sachgerechtigkeit der ärztlichen Behandlung überprüft wird, bezogen. Denn geschuldet ist immer eine Behandlung nach dem Stand der medizini44 schen Wissenschaft im Zeitpunkt der Behandlung . Um das Problem der Aktualität ärztlicher Leitlinien besser in den Griff zu bekommen, werden nicht mehr aktualisierte Leitlinien von Seiten der AWMF gesondert gekennzeichnet, so dass jeder Arzt, Patient oder Jurist diesen Leitlinien mit besonderer Vorsicht begegnen muss. Die meisten durch die AWMF verwalteten Leitlinien sind zudem von der beschließenden fachkompetenten Stelle mit einem „Verfallsdatum“ versehen. Dieses Verfallsdatum ist ein deutlicher Hinweis darauf, wie der jeweilige Leitlinienverfasser selbst den voraussichtlichen Verlust an Aktualität seiner Leitlinie eingeschätzt hat. Allerdings vollziehen sich wissenschaftliche (Erkenntnis-)Fortschritte keineswegs kontinuierlich oder in bestimmten vorgegebenen zeitlichen Schritten. Das Alter einer Leitlinie ist deshalb kein hinreichendes Kriterium, um daraus allein entweder auf das Nicht-Mehr-Übereinstimmen oder 40
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Taupitz, Rechtliche Möglichkeiten der Beschränkung diagnostischen und therapeutischen Aufwands, in: Dietrich/Imhoff/Kliemt (Hrsg.), Standardisierung in der Medizin, 2004, S. 263 [272 ff.]. Siehe statt viele Francke, Leitlinien und Gesundheitsrecht – Krankenversorgung nach dem SGV V, in: Hart (Hrsg.), Ärztliche Leitlinien im Medizin- und Gesundheitsrecht, 2005, S. 171 ff., insbes. 208 ff.; Bergmann, Leitlinien und Haftung (s. Fn. 30), S. 72. So auch Dressler, Ärztliche Leitlinien und Arzthaftung (s. Fn. 29), S. 381 f.; Walter, Medizinische Leitlinie und Behandlungsfehlerhaftung, GesR 2003, 165 [168]. Hart, Ärztliche Leitlinien und Haftungsrecht (s. Fn. 3), S. 146; Fastabend, Der Begriff der notwendigen Krankenbehandlung im SGB V, NZS 2002, 299 [306]. Vgl. BGHZ 114, 284 [291 f.]; Spindler, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BGB, 2004, § 823 Rdnr. 591; Hart, Ärztliche Leitlinien und Haftugnsrecht (s. Fn. 3), S. 142.
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das Noch-Übereinstimmen mit dem aktuellen medizinischen Standard zu schließen. Deshalb helfen auch Hinweise, wonach die Dauer der „Gültig45 keit“ von Leitlinien in der Regel auf zwei Jahre begrenzt sei , nur bedingt weiter. 3.3.4 Qualität von ärztlichen Leitlinien
Eine ärztliche Leitlinie gibt am ehesten den medizinischen Standard wie46 der, wenn sie qualitativ hochwertig ist . Dies bedeutet: Je vollständiger sie den Konsens der jeweiligen Fachkreise wiedergibt und je mehr sie harmonisierten Verfahrens-, Form- und Qualitätsanforderungen genügt, desto stärker ist die Indizwirkung, dass es sich hierbei um eine Wiedergabe des 47 aktuellen medizinischen Standards handelt . Anhaltspunkte für die Qualität von Leitlinien sind u.a. Transparenz, Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit, Multidisziplinäre Entwicklung, Anwendbarkeit, Flexibilität, Klarheit und Eindeutigkeit, Dokumentation der Leitlinienentwicklung, planmäßige Überprüfung, Überprüfung der praktischen Anwendbarkeit, Kosten-Nutzen-Verhältnis der empfohlenen Maßnahmen und Verfügbarkeit 48 der Leitlinie für die Adressaten . Bei der Feststellung der Qualität einer ärztlichen Leitlinie sind folglich verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass es oftmals schwer fällt, die Qualität einer Leitlinie zu bestimmen. Tatsächlich bestehen einer wissenschaftlichen Untersuchung zufolge erhebliche Zweifel an der methodischen Qualität einer großen Zahl der in Deutschland formulier49 ten Leitlinien . Dies ist auch der Grund dafür, dass die Bestimmung der Qualität einer Leitlinie im Haftungsprozess regelmäßig dem Sachverständigen vorbehalten bleiben muss (dazu noch unten 3.7.). Zur Bestimmung der Qualität von Leitlinien gibt es mittlerweile ein 50 ganzes Arsenal von Hilfsmitteln . So nimmt beispielsweise die AWMF eine Klassifizierung der Leitlinien entsprechend ihrem Entwicklungsstand 45 46
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Clade, Medizinische Leitlinien, DÄBl 2001, 247 [248]. So auch Walter (s. Fn. 42), GesR 2003, 165 [169]; Diederichsen, Zur Bedeutung ärztlicher Leitlinien für die Haftung aus einem Behandlungsverhältnis, in: Hart (Hrsg.), Klinische Leitlinien und Recht, 2005, S. 105 [106]. Walter (s. Fn. 42), GesR 2003, 165 [169]. Vgl. BÄK/KBV, Beurteilungskriterien für Leitlinien in der medizinischen Versorgung (s. Fn. 5). Dt. Ärzteblatt 1997, A-2154 f.; Ollenschläger/Kirchner et. al., Qualität und Akzeptanz medizinischer Leitlinien in Deutschland, in: Hart (Hrsg.), Klinische Leitlinien und Recht, 2005, S. 17 ff. Helou/Perleth/Bitzer/Dörning/Schwartz, Methodische Qualität ärztlicher Leitlinien in Deutschland, Ergebnisse einer systematischen Untersuchung deutscher Leitlinien, ZaeFQ 1998, 421. Siehe näher Francke, Leitlinien und Gesundheitsrecht (s. Fn. 41), S. 215 ff.
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vor (S 1 bis S 3) . Als am hochwertigsten eingestuft sind hierbei die bereits erwähnten evidenzbasierten Konsensusleitlinien, da diese am ehesten 52 den medizinischen Standard wiederzugeben in der Lage sind . Einen weiteren Versuch der Qualitätsbewertung von ärztlichen Leitlinien beinhaltet das Deutsche Leitlinien-Clearingverfahren des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Hierbei handelt es sich um ein institutionalisiertes Verfahren zur Qualitätsförderung und Qualitätskontrolle medizinischer Leitlinien. Die Ergebnisse der Analysen werden in allgemeinen zugänglichen Leitlinien-Clearingberichten veröffentlicht. Das „Deutsche Leitlinien Bewertungs-Instrument“, kurz DELBI, das in Kooperation von AWMF und ÄZQ erstellt wurde, legt seinen Schwer53 punkt auf die methodische Bewertung von Leitlinien . Es berücksichtigt neben deutschen Grundlagen die internationale Bewegung hin zu einer Vereinheitlichung von Dokumentation des Entwicklungsprozesses und 54 Bewertung der methodischen Qualität von ärztlichen Leitlinien . DELBI ermöglicht die Überprüfung einer Leitlinie in Form einer Checkliste. Abschließend sei das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen genannt, dem gemäß § 139a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V die Aufgabe übertragen wurde, umfassend evidenzbasierte Leitlinien für die epidemiologisch wichtigsten Krankheiten zu bewerten. Insgesamt ist zu konstatieren, dass es nicht nur einen Wildwuchs an ärztlichen Leitlinien gibt, sondern auch eine große Vielzahl an Instrumenten zu ihrer qualitativen Bewertung. Von daher fällt es schwer, die Übereinstimmung der Leitlinie mit dem aktuellen ärztlichen Standard zuverlässig zu beurteilen. Unklar ist auch, inwieweit sich die qualitative Bewertung von Leitlinien durch die genannten Institutionen eher auf formale Gesichtspunkte ihres Zustandekommens beschränkt oder ob auch die Übereinstimmung zwischen jeweiliger Leitlinie und aktuellem medizinischen Standard und weitergehend ihre inhaltliche „Richtigkeit“ Gegenstand der Qualitätsbewertungs- und -sicherungsmaßnahmen ist. 3.4 Ärztliche Leitlinie und lex artis im Einzelfall Ärztliche Leitlinien erläutern in der Regel abstrakt die Diagnostik und Therapie einer bestimmten Erkrankung. Sie nehmen dabei auf einen Stan51
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Näher Kopp/Encke et. al., Zur Empirie hochwertiger Leitlinien im System der AWMF, in: Hart (Hrsg.), Klinische Leitlinien und Recht, 2005, S. 41 ff.; Hart, Allgemeiner Teil (s. Fn. 9), S. 40 ff. Vgl. Clemens, Leitlinien und Sozialrecht – Rezeption von Leitlinien durch Rechtssetzung und Rechtsprechung, in: Hart (Hrsg.), Klinische Leitlinien und Recht, 2005, S. 147 [150 f.]. www.delbi.de . Vgl. AWMF/ÄZQ (Hrgs.), DELBI 2005/2006, S. 6.
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dardfall bzw. Standardpatienten Bezug . Für die konkrete Behandlungssituation gibt die Leitlinie die konkrete lex artis also nur dann richtig wieder, wenn die hierfür entscheidungserheblichen Faktoren in der Leitlinie angemessen berücksichtigt sind. Denn der Arzt schuldet dem Patienten keine „Standardbehandlung“, sondern die auf die Besonderheiten des individuel56 len Falles „zugeschnittenen Maßnahmen . Anders gesagt: Leitlinien fokussieren in der Regel auf einen „Normalfall“ oder einen „typischen Fall“. Jede in concreto gegebene Abweichung vom Normalen oder Typischen zwingt zu der Überlegung, wie auf die Abweichung zu reagieren ist. Folglich gibt es auch Fälle, in denen ein Abweichen von der Leitlinie sogar notwendig wird, da ein Befolgen der Leitlinie einen Behandlungsfehler darstellen würde. Beispielsweise sind Leitlinien häufig nicht auf die Behandlungsnotwendigkeiten multimorbider Patienten ausgerichtet; sie können für deren Behandlung dann nicht allein oder u.U. gar nicht maßgeblich sein. Leidet beispielsweise ein Patient an Diabetes, Herzinsuffizienz und einer chronischen Bronchitis und befolgte der Arzt hierbei alle jeweils einschlägigen medizinischen Leitlinien, müsste er de dem Patienten zwölf 57 Medikamente verordnen . Eine solche Therapie scheitert in der Regel jedoch daran, dass insbesondere ältere Patienten mit einer solchen Fülle an Medikamenten überfordert sein werden. Zudem mag es sein, dass es zu unerwünschten Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Medikamenten kommt. Der Arzt hätte also in einem solchen Fall abzuwägen, welche Medikamente für den Patienten am Notwendigsten sind und auf welche am ehesten verzichtet werden kann. Unter Umständen ist der Arzt zum Wohle des Patienten sogar gezwungen, von allen einschlägigen Leitlinien abzuweichen. In derartigen Fällen geben die jeweiligen Leitlinien je für sich nicht die lex artis wieder, so dass auch von Rechts wegen keine Notwendigkeit besteht, der Leitlinie zu entsprechen. Im Gegenteil kann es sogar ein Verstoß gegen die lex artis und damit einen Behandlungsfehler darstellen, wenn ein Arzt eine ärztliche Leitlinie anwendet, obwohl diese 58 auf die Situation des konkreten Patienten nicht anwendbar ist . Insgesamt liefert die Leitlinie um so eher ein Indiz für sachgerechtes ärztliches Verhalten, je stärker der konkrete Fall einer typischen Fallvariante entspricht. Umgekehrt ist die Indizwirkung umso schwächer, je mehr die Besonderheiten des Einzelfalls überwiegen. Dementsprechend werden 55
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Clemens, Leitlinien und Sozialrecht – Rezeption von Leitlinien durch Rechtssetzung und Rechtsprechung (s. Fn. 52), S. 150; Bergmann, Leitlinien und Haftung (s. Fn. 30), S. 67. BGH, NJW 1987, 2927. Siehe von Lutterotti, Löchrige Leitplanken für vielbeschäftigte Ärzte, FAZ vom 17.08.2005. Vgl. Dressler, Ärztliche Leitlinien und Arzthaftung (s. Fn. 29) S. 381; Walter (s. Fn. 42), GesR 2003, 165 [168].
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Leitlinien vor allem in denjenigen Bereichen Wirkung entfalten, in denen es weniger um die individuelle ärztliche Entscheidung als vielmehr um Organisations- und Strukturvorgaben geht. Dies betrifft z.B. interkollegiale Vereinbarungen über die Zusammenarbeit einzelner Berufsgruppen, bei denen es sich um die Absicherung von Verfahrensabläufen handelt, wie sie vorhersehbar in einer Vielzahl von Fällen, unabhängig von den Besonder59 heiten des einzelnen Krankheitsfalls, planbar sind .
3.5 Zwischenergebnis Sofern keine normergänzende oder normkonkretisierende Verweisung auf eine Leitlinie gegeben ist, liefert eine Leitlinie je nach Qualität, Aktualität und Übereinstimmung der von ihr erfassten Ausgangssituation mit dem konkreten Einzelfall ein mehr oder weniger deutliches Indiz für medizinisch gebotenes Verhalten. Eine pauschale Gleichsetzung von Leitlinie 60 und Standard ist nicht angebracht . Eine Leitlinie entbindet nicht von der Frage, ob sie den Standard (1) noch (2) richtig wiedergibt; zudem ist stets zu prüfen, ob sie (3) den konkreten Fall aus dem Blickwinkel der individuell gebotenen lex artis angemessen erfasst.
3.6 Verbindlichkeit sich widersprechender Leitlinien In manchen Fällen bestehen zu demselben Gegenstand unterschiedliche Leitlinien verschiedener Organisationen. Hierzu kann es kommen, wenn verschiedene Fachgremien miteinander konkurrieren oder wenn regional/ national beschränkt agierende Organisationen für ihren jeweiligen Bereich Leitlinien aufstellen. Ursachen für die Widersprüchlichkeit können z.B. das Fehlen eines einheitlichen Standards, die unterschiedliche Interpretation der vorhandenen Evidenz, die qualitative Mangelhaftigkeit der jeweiligen Leitlinie(n) oder die genannten berufspolitischen Implikationen sein. Im Falle des Fehlens eines einheitlichen Standards handelt es sich bei der Behandlung um einen Heilversuch, bei dem die Wahl der Behandlungsmethode entsprechend begründungs- und gegenüber dem Patienten aufklä61 rungspflichtig ist . Bestehen an der Qualität einer oder mehrerer Leitlinien 59
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Ratzel, Leitlinien, Richtlinien, Standard, Online Journal Recht 2000/35 (http://www.weinknecht.de/ojr/2000/35.htm); Ulsenheimer (s. Fn. 37), BayÄBl. 1998, 51 [54]. Zu undifferenziert aber OLG Hamm, NJW-RR 2000, 401. Zu unsinnigen Forderungen, den Ausdruck „medizinischer Standard“ aufzugeben und durch den Terminus „Leitlinien“ zu ersetzen s. Ulsenheimer (s. Fn. 37), BayÄBl. 1998, 51 [54]. Laufs, in Handbuch des Arztrechts (s. Fn. 23), § 6 Rdnrn. 33 ff.
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oder wegen unangemessener berufspolitischer Einflüsse Bedenken, hat der Arzt den maßgeblichen medizinischen Standard eigenständig zu ermitteln. Ebenso verhält es sich mit der zweiten Fallgruppe. Wird aus der vorliegenden Evidenz ein jeweils anderer Schluss gezogen, bleibt es ebenfalls dem Arzt überlassen, den maßgeblichen Standard zu ermitteln. Dabei hat er den Patienten im Rahmen der Aufklärung über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und die differierenden Meinungen zu informie62 ren . Widersprüchliche Leitlinien sind mithin nicht per se unbeachtlich. Ihr Vorliegen bewirkt allerdings, dass die Indizwirkung hinsichtlich des Übereinstimmens mit dem ärztlichen Standard erheblich gemindert ist. Es obliegt dann dem Arzt, den jeweiligen Standard eigenständig zu ermitteln.
3.7 Ärztliche Leitlinien im Arzthaftungsprozess
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Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, dass ärztlichen Leitlinien eine erhebliche Ambivalenz innewohnt. Einerseits können sie den medizinischen Standard und seine Möglichkeit im Einzelfall wiedergeben; sie sind dann für den Arzt als Ausdruck der lex artis „medizinisch verbind64 lich“ ; andererseits kann es aufgrund ihrer Nichtübereinstimmung mit dem maßgeblichen Standard oder aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls erforderlich sein, von ihnen abzuweichen; sie sind dann nicht maßgeblich, 65 also „unverbindlich“ . Bei der rechtlichen Überprüfung des ärztlichen Verhaltens bleibt der Richter deshalb in der Regel auf die gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen angewiesen; eine Leitlinie kann das auf den individuellen Behandlungsfall gerichtete sach66 verständige Gutachten grundsätzlich nicht ersetzen . Bei seiner Begutachtung hat der Sachverständige in der Regel die einschlägige(n) ärztliche(n) 67 Leitlinie(n) einzubeziehen . Der Sachverständige hat darüber zu befinden, ob die jeweilige Leitlinie den medizinischen Standard zum Zeitpunkt der Behandlung wiedergab und ob die Anwendung der jeweiligen Leitlinie in 62 63
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Bergmann, Leitlinien und Haftung (s. Fn. 30), S. 73. Empirische Daten zur Bedeutung von Leitlinien in Arzthaftungsprozessen Bei ComosAldejohann, Empirie der Anwendung von Leitlinien im Medizin- und Gesundheitsrecht, in: Hart (Hrsg.), Ärztliche Leitlinien im Medizin- und Gesundheitsrecht, 2005, S. 411 [418 ff.]. Hart, Arzthaftungsrecht (s. Fn. 25), S. 100. So auch Diederichsen, Zur Bedeutung ärztlicher Leitlinien für die Haftung aus einem Behandlungsverhältnis (s. Fn. 46), S. 105 [106]. OLG Sachsen-Anhalt, ArztuR 2003, 99 f. Rosenberger, Zur Bedeutung ärztlicher Leitlinien für den Haftungsprozess, in: Hart (Hrsg.), Klinische Leitlinien und Recht, 2005, S. 113 [117].
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conreto geboten war . Mangels Sachkompetenz kann diese Entscheidung 69 in der Regel nicht von den Gerichten getroffen werden . Zugleich gilt: Die Einhaltung der Vorgaben einer ärztlichen Leitlinie, die die vorstehend unter 3. 3.3 genannten Kriterien nicht offenkundig verfehlt, führt zu einer Indizwirkung für ein pflichtgemäßes Verhalten des Arztes. Umgekehrt ist die Nichteinhaltung einer solchen ärztlichen Leitli70 nie ein Indiz für die Fehlerhaftigkeit der Behandlung . Allerdings wird durch eine solche Indizwirkung weder dem Arzt noch dem Patienten die Möglichkeit genommen, ein kunstgerechtes bzw. ein behandlungsfehlerhaftes ärztliches Verhalten zu beweisen. Die Befolgung einer Leitlinie durch den Arzt hat somit keine sichere „Haftungsimmunisierung“ für ihn 71 zur Folge - ebenso wie umgekehrt die Leitlinie auch nicht völlig untaug72 lich zur rechtlichen Beurteilung ärztlichen Verhaltens ist . Die Indizwirkung führt vielmehr dazu, dass dem Arzt bei Nichteinhaltung der ärztlichen Leitlinie ein erhöhter Begründungsaufwand für sein Abweichen von der Leitlinie auferlegt wird. Hieraus folgt, dass ein Arzt, der von einer ärztlichen Leitlinie abweicht, gut beraten sein wird, die Gründe für sein Abweichen zu dokumentieren. Der Patient hingegen hat bei Einhaltung einer ärztlichen Leitlinie durch den behandelnden Arzt ein Mehr an Begründungsaufwand zu leisten, will er einen Behandlungsfehler plausibel darlegen. Allerdings werden von der Rechtsprechung keine allzu hohen Voraussetzungen an die Substantiierung des Vortrags des Patienten gestellt, da der Patient in seiner ohnehin schwa73 chen Beweissituation sonst weitgehend rechtlos gestellt würde .Die Indizwirkung, die durch das Befolgen einer ärztlichen Leitlinie herbeigeführt wird, wird deshalb eher selten zur Unschlüssigkeit der Klage wegen un74 substantiierten Vorbringens führen . 68
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So auch Diederichsen, Zur Bedeutung ärztlicher Leitlinien für die Haftung aus einem Behandlungsverhältnis (s. Fn. 46), S. 109; Rosenberger, Zur Bedeutung ärztlicher Leitlinien für den Haftungsprozess (Fn. 67), S. 115. Ulsenheimer, Haftungsrechtliche Relevanz von Leitlinien, Der Gynäkologe 2004, S. 69, 70; Diederichsen, Zur Bedeutung ärztlicher Leitlinien für die Haftung aus einem Behandlungsverhältnis (s. Fn. 46), S. 107; vgl. auch BGH, NJW 1995, 776 [777]. Walter (s. Fn. 42), GesR 2003, 165 [170]; Dressler, Ärztliche Leitlinien und Arzthaftung (s. Fn. 29), S. 382; Diederichsen, Zur Bedeutung ärztlicher Leitlinien für die Haftung aus einem Behandlungsverhältnis (s. Fn. 46), 108. Tendenziell anders aber Hart, Ärztliche Leitlinien und Haftungsrecht (s. Fn. 3), S. 144; wie hier dagegen OLG Hamm, NJW 2000, 1801 [1802] (zu fachlichen Richtlinien der Bundesärztekammer). Gegen eine Heranziehung von Leitlinien seitens der Gerichte zur Beurteilung von Sorgfaltspflichtverletzungen Buchborn, Ärztlicher Standard, MedR 1993, 328 [329 f. ]. BGH, NJW 1981, 630. Vgl. auch Rosenberger, Zur Bedeutung ärztlicher Leitlinien für den Haftungsprozess (Fn. 67), S. 114 f.
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Insgesamt kann eine ärztliche Leitlinie dem Gericht und den Parteien einen ersten Anhaltspunkt für fachgerechtes bzw. behandlungsfehlerhaftes Ver75 halten liefern. Sie hat von daher „Informationscharakter“ . Zudem kann sie vor allem dienlich sein, um im Rahmen einer Gutachtenkritik dem Sach76 verständigen konkrete Vorhaltungen zu machen und Fragen zu stellen . Zu weit geht von daher die Ansicht, dass bei einem Verstoß gegen ärztliche Leitlinien ein Behandlungsfehler vermutet wird und es zu einer Beweislastumkehr kommt, der Arzt also den Beweis des Gegenteils führen 77 muss . Eine solche Vermutung ist unangebracht, da die lex artis ein patienten- und situationsbezogenes Vorgehen verlangt und aus diesem Grund nicht selten eine Abweichung von Leitlinien geboten ist. Ebenso kann ein Verstoß gegen eine ärztliche Leitlinie nicht zu einer Beweiserleichterung hinsichtlich des Kausalitätsnachweises zwischen ärztlicher Sorgfaltspflichtverletzung und Gesundheitsschaden führen, wie dies bei Dokumen78 tationsmängeln und groben Behandlungsfehlern der Fall ist . Hierdurch würde der Verstoß gegen eine ärztliche Leitlinie faktisch wie ein grober 79 Behandlungsfehler behandelt. Dies ist indes nicht haltbar . Vielmehr hat sich das Urteil des Vorliegens eines groben Behandlungsfehlers am konkreten Einzelfall auszurichten und ist somit vom Sachverständigen zu beurteilen. Erst wenn dieser zu dem Schluss kommt, dass ein Verhalten vorlag, dass aus objektiver ärztlicher Sicht schlechterdings unverständlich ist, kann von einem groben Behandlungsfehler gesprochen werden. Der Verstoß gegen eine ärztliche Leitlinie kann allenfalls einen Aspekt der Gesamtbeurteilung darstellen.
4. Zusammenfassende Thesen und Ausblick 1. Es gibt keine allgemein akzeptierte Terminologie, was unter einer „Leitlinie“ in Abgrenzung etwa zu einer „Richtlinie“ zu verstehen ist. 2. Sinnvoller Weise sind unter Leitlinien „systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über die angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen“ zu verstehen; Leitlinien sind damit dem Thema „fachlicher Standard“ zuzuordnen. Richtlinien sind dagegen 75 76
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OLG Sachsen-Anhalt, ArztuR 2003, 99 f. Rosenberger, Zur Bedeutung ärztlicher Leitlinien für den Haftungsprozess (Fn. 67), S. 117 f. So auch OLG Stuttgart, MedR 2002, 650; a.A. Fastabend, NZS 2002, 299 [306]; Hart, Arzthaftungsrecht (s. Fn. 25), S. 107 f. So aber (jedenfalls bezogen auf Leitlinien mit Strukturkomponenten) Ratzel, Leitlinien, Richtlinien, Standard (s. Fn. 59); s. auch Diederichsen, Zur Bedeutung ärztlicher Leitlinien für die Haftung aus einem Behandlungsverhältnis (s. Fn. 46), S. 108. OLG Stuttgart, MedR 2002, 650.
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„Regelungen des Handelns oder Unterlassens, die von einer rechtlich legitimierten Institution konsentiert, schriftlich fixiert und veröffentlicht wurden, für den Rechtsraum dieser Institution verbindlich sind und deren Nichtbeachtung definierte Sanktionen nach sich zieht“; Richtlinien sind damit – sofern sie diesen Vorgaben entsprechen – ihrerseits eigenständige Rechtsquelle. 3. Eine Leitlinie kann rechtsverbindlich sein, wenn von einer Rechtsnorm im Wege der normergänzenden Verweisung auf sie verwiesen wird. Sie ist faktisch (mittelbar) verbindlich, wenn eine Norm die Einhaltung eines bestimmten fachlichen Standards für maßgeblich erklärt und die Leitlinie diesen Standard zutreffend wiedergibt. Durch eine normkonkretisierende Verweisung kann zudem von Rechts wegen eine widerlegliche Vermutung begründet werden, dass der Normunterworfene bei Befolgung der genannten Regeln zugleich dem Normbefehl Genüge tut. 4. Die Qualifikation bestimmter Äußerungen als „Leitlinie“ oder „Richtlinie“ im vorstehend (unter 2.) genannten Sinn ist durch Auslegung vor allem zum Ausdruck kommenden (legitimen) Anspruchs der beschließenden Institution zu ermitteln. Die Bezeichnung als „Leitlinie“ oder „Richtlinie“ gibt nur einen Anhalt. 5. Leitlinien und Richtlinien stimmen darin überein, dass sie zumeist einen bestimmten Ermessenspielraum belassen; sie determinieren das fachliche (Leitlinien) oder rechtliche Sollen (Richtlinien) also häufig nicht „punktgenau“. Diese Frage des „Handlungskorridors“ hat nichts mit der Frage zu tun, ob die Leitlinie oder Richtlinie den konkret zu entscheidenden Fall überhaupt erfasst (dazu nachfolgend 8. und 10.). 6. Die Funktion ärztlicher Leitlinien sollte primär darin bestehen, die gute ärztliche Praxis, also die Realität richtigen ärztlichen Handelns, richtig wiederzugeben. Leitlinien sollten von daher ein Erkenntnisproblem lösen, zugleich aber auch normativ die richtigen daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen anregen: „Erkenne das Richtige und handele danach“. Für die Leitlinienverfasser lautet die daraus abgeleitete Devise: „Erkenne das Richtige und schreibe es nieder“. Dabei können Erkenntnis und Niederschrift freilich unbewusst oder bewusst voneinander abweichen. Leitlinien können daher nicht unbesehen als Maßstab für den medizinischen Standard genommen werden.
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7. Deshalb können ärztliche Leitlinien ihre Funktion, den medizinischen Standard (richtig) wiederzugeben, nur dann wahrnehmen, wenn sie die folgenden Kriterien erfüllen: - Intendierter Standardbezug - Aktualität - Qualität. Die lex artis für den individuellen Fall können Leitlinien ferner nur dann zutreffend widerspiegeln, wenn sie auf den konkreten Fall auch anwendbar sind. 8. Eine ärztliche Leitlinie gibt den ärztlichen Standard für eine bestimmte Behandlungssituation wider, wenn in ihr die gesamte zugängliche wissenschaftliche Erkenntnis und ärztliche Erfahrung systematisch verarbeitet und zur Grundlage einer ärztlichen Akzeptanzentscheidung in einem gesicherten Konsensfindungsverfahren gemacht wurde. 9. Eine ärztliche Leitlinie im vorstehend genannten Sinn enthält in der Regel Aussagen nur über die aus ärztlicher Sicht adäquate Behandlungsqualität. Soweit von Rechts wegen auch andere Gesichtspunkte für die jeweilige ärztliche Entscheidung maßgeblich sind (z.B. Aspekte der Wirtschaftlichkeit oder der Effizienz), führt die Befolgung der Leitlinie allein u.U. nicht zum rechtlich gebotenen Verhalten. 10. Eine ärztliche Leitlinie gibt die lex artis für eine bestimmte Behandlungssituation nur dann richtig wider, wenn die für die konkrete Behandlungssituation entscheidungserheblichen Faktoren in der Leitlinie angemessen berücksichtigt sind. Beispielsweise sind Leitlinien häufig nicht auf die Behandlungsnotwendigkeit multimorbider Patienten ausgerichtet; sie können für deren Behandlung dann nicht allein oder u.U. gar nicht maßgeblich sein. Anders gesagt: Leitlinien fokussieren in der Regel auf einen „Normalfall“ oder einen „typischen Fall“. Jede Abweichung vom Normalen oder Typischen zwingt zu der Überlegung, wie auf die Abweichung zu reagieren ist. 11. Ein Abweichen vom Standard ist begründungsbedürftig, gegenüber dem Patienten aufklärungspflichtig und dokumentationspflichtig. Soweit die Leitlinie den Standard zutreffend wiedergibt, ist damit faktisch ein
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Abweichen von der Leitlinie begründungsbedürftig, aufklärungs- und dokumentationspflichtig. 12. Rechtlich wie medizinisch ist stets im Einzelfall die Überprüfung der „richtigen“ Anwendung des Standards auf die individuelle Behandlungssituation erforderlich. Die Leitlinie macht deshalb im Haftpflichtprozess das Sachverständigengutachten nicht überflüssig, kann allerdings zur Transparenz und Überprüfbarkeit des Gutachtens beitragen. 13. Insgesamt lässt sich sagen: Sofern keine normergänzende oder normkonkretisierende Verweisung auf eine Leitlinie gegeben ist, ist sie ebenso „verbindlich“ wie eine sonstige sachkundige Äußerung, etwa ein ärztliches Sachverständigengutachten oder auch ein anerkanntes Lehrbuch. Unterschiede bestehen darin, dass ein Sachverständigengutachten im allgemeinen von einer einzelnen fachkundigen oder sich jedenfalls fachkundig gerierenden Person retrospektiv-konkret, eine Leitlinie dagegen von einem fachkundigen oder sich jedenfalls fachkundig gerierenden Gremium prospektiv-normalfallbezogen erstellt wird. Diese verschiedenen Gesichtspunkte können für die Brauchbarkeit im Einzelfall, aber auch gegen sie sprechen. 14. Dass freilich auch als unverbindlich gedachte prospektiv-normalfallbezogene sachverständige Äußerungen eine quasi-normative Geltungskraft erlangen können, davon kann die Anwaltschaft ein Lied singen, hat doch das Bundesverfassungsgericht mit zwei Beschlüssen vom 14.07.1987 die seinerzeitigen „Richtlinien“, mit denen die Bundesrechtsanwaltskammer die communis opinio in Fragen der Ausübung des Anwaltsberufs lediglich „feststellen“ sollte, gerade wegen ihrer quasinormativen Geltungs80 kraft als verfassungswidrig verworfen. Umso mehr ist es notwendig, auch bezogen auf Leitlinien die ihnen nur beschränkt und einzelfallabhängig zukommende Wirkkraft zu betonen – und davor zu warnen, ihnen als ratgebender Verfasser und als ratsuchender Arzt bzw. Rechtsanwender einen 81 zu hohen Grad an Verbindlichkeit zuzusprechen .
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Dazu und zur Kritik an den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts Taupitz, Die richterliche Auslegung berufsgesetzlicher Generalklauseln, DVBl. 1988, 209 ff. Warnungen vor einer durch Leitlinien bewirkten Verrechtlichung der Medizin „von innen“ bei Ulsenheimer, BayÄBl. 1998, 51 [55].
3. Diskussion
Teipel: Das Problem, welches Sie, lieber Herr Prof. Taupitz im Gegensatz zu Prof. Kienzle, angesprochen haben sehe ich darin, dass Sie sagen, Leitlinien können als Rechtsbefehl in die Rechtsordnung übernommen werden. Ich glaube, das ist genau das, wovor die Ärzte Angst haben. Dass sie sagen, da findet unter Umständen eine bÜerregulierung statt. Ich erinnere an ein Ereignis bei der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin, dass eine Ärztin sagte, lasst uns doch mit den Leitlinien in Ruhe, wenn ich ganz viele Leitlinien habe, dass ich dann sozusagen mit einem Bein im Gefängnis stehe, wenn alles durch Leitlinien reglementiert ist. Ich glaube, da ist eine große Angst bei der Ärzteschaft und ich halte die für nicht ganz unberechtigt, weil ich Sorge habe, dass die Juristen immer so lange bohren, bis sie sagen, jetzt haben wir es. Jetzt ist die Leitlinie der Standard und morgen wird die Abweichung von der Leitlinie zur Haftungsfalle. Das ist, glaube ich, die begründete Sorge vieler Ärzte. Brenner, Rechtsanwältin, Bonn:Ich habe eine Frage an Prof. Kienzle. Mir berichtete ein Chirurg, der in Deutschland tätig und in den USA studiert hat, ihm sei aufgefallen, dass man in Deutschland operieren könne, wie man gerade wolle. Es gäbe mehrere OP-Lehrbücher, aber keinen verbindlichen Standard im Gegensatz zu den USA, wo die Standards viel stärker verbindlich sind. Entspricht das auch Ihrer Feststellung?Ist es vielleicht deswegen der Grund, dass in den USA Standardfragen nur zu sieben Prozent Gegenstand von Medical malpractice-Verfahren sind? Kienzle: Dazu kann ich relativ wenig sagen, weil ich die Standards oder die Vorgehensweise in den USA nicht kenne. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man bei uns da sehr viel anders vorgeht als in den USA. Wir haben auch unsere Standards, die wir einzuhalten haben und die sind in den vergangenen Jahren, wenn ich auf meine eigene Zeit von 30 Jahren Chirurgie nehme, sehr viel strikter geworden, als sie irgendwann mal waren. Früher waren da sehr viel weitere Korridore gebildet worden als das heute der Fall ist. Ob Leitlinien daran schuld sind oder daran mitgewirkt haben?Mag sein, aber die Vorgaben haben sich im Sinne einer Verfeine-
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3. Diskussion
rung außerordentlich weiterentwickelt. Einen Vergleich zu den USA kenne ich nicht. Der Vergleich bietet sich vielleicht insofern an, als in den USA die Spezialisierung weiter getrieben ist als bei uns. Das heißt, der einzelne Operateur operiert z.B. dann nur noch Nebenschilddrüsen und der andere operiert Schilddrüsen. Wir machen durchaus beides und den Dickdarm noch dazu. Also insofern ist die Subspezialisierung gerade auf chirurgischem Gebiet noch nicht so weit gediehen wie in den USA, aber das hat auch andere Gründe. Nicht Gründe des besseren Könnens oder der besseren Fähigkeiten. Bergmann, Rechtsanwalt, Hamm: Ich habe noch eine Frage an Herrn Follmann. Was mich interessieren würde: Sie sprechen von einer neuen Leitlinienkompetenz Ihres Institutes. Wie kann man sich das in Zukunft in der Praxis vorstellen, wenn Sie jetzt also irgendeine Leitlinie bewertet haben und zu einem bestimmten Ergebnis kommen und dem Gemeinsamen Bundesausschuss Bericht erstatten?Wenn Sie das dann getan haben und der Gemeinsame Bundesausschuss jetzt meinetwegen sagt, diese Leitlinie ist für uns die verbindliche Leitlinie, kann daraus unter Umständen ein bestimmter Standard im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung werden? Follmann:Sicherlich wird nicht der Fall eintreten, dass wir sozusagen den Auftrag bekommen, jetzt die geeignete Leitlinie in toto zu identifizieren und sozusagen auf dem Tablett weiterzureichen und dass der Gemeinsame Bundesausschuss dann 1 :1 das übernimmt. Dieser Fall ist sehr konstruiert und wird so nicht auftreten. Abgesehen davon müssen Sie immer davon ausgehen, dass wir ein unabhängiges wissenschaftliches Institut sind, das sicherlich eine Entscheidungshilfe bieten kann. Was aber der Gemeinsame Bundesausschuss letztlich damit macht, kann ich Ihnen nicht vorhersagen. Und so wie es halt eine Flut von randomisierten kontrollierten Studien zu bestimmten Themen gab und es galt, die in Form von systematischen bÜersichtsartikeln zu filtern, sind wir jetzt, in der Situation, dass wir von Leitlinien überflutet werden. Unser Ziel ist es, ein bisschen bÜersicht zu schaffen. Unsere Tätigkeit soll es nämlich z.B. auch dem Arzt in der Praxis vereinfachen, die Leitlinie zu finden, die auf einem aktuellen Stand ist, die methodisch gut durchgeführt ist, die inhaltlich wirklich weiterhilft. Wir haben also eine Filterfunktion. Für die Juristen ist es ja nicht ganz uninteressant, wenn sie irgendwie da 50 Leitlinien haben, und Sie ein Produkt haben, wo Sie zu einer Fragestellung schon ein Dokument haben, in dem festgehalten wird, dass zwei oder drei wirklich als auf dem neuesten Stand und relevant und nachvollziehbar und sozusagen überprüft präsentiert werden.
3. Diskussion
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Kienzle:Herr Follmann, ich glaube, Sie so llten da nicht zu tief stapeln. Das ist genau die Angst, die die Ärzte vor Ihrem Institut haben. Ich habe das bewusst an den Schluss gestellt, diese Herbstsitzung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Wenn wir bedenken, dass 1300 – 1500 Leitlinien zu verschiedenen Erkrankungen bestehen, dann können Sie sich vielleicht vorstellen, was es kostet, diese zu aktualisieren. Das heißt, wenn Sie sagen, man will den Ärzten etwas an die Hand geben, dann prüfe man, welchen zeitlichen Aufwand, welchen finanziellen Aufwand man zu treiben hat, bis das, das Sie jetzt entwickeln, in zwei bis drei Jahren immer noch aktuell ist bei der Maßgabe, die wir mit dem Fortschritt derzeit erleben. Und dann ist es eben wirklich zu bedenken, dass Ihr Institut eigentlich eingesetzt von der Politik zur Kostendämpfung wurde. Man will den Wildwuchs, um das mal anders herum zu formulieren, bewusst einschränken, dass nicht jeder Arzt tun und lassen kann, was er will. Soweit so gut für die Ärzte, die nicht auf dem Stand der Jetzt-Zeit sind und die den Lehrbuch-Wissensstand oder auch den Leitlinien-Stand oder Richtlinien-Stand nicht kennen. Aber machen wir uns nichts vor. Das ist genau der Punkt, dass versucht wird, seitens externer Faktoren diesen Korridor wesentlich enger zu machen. Und das ist die Angst. Ob die begründet sein wird, das wird man sehen. Aber wir müssen andererseits auch bedenken, dass gerade mit diesen Disease-Management-Programmen z.B. Diabetiker in einer Art und Weise gegängelt werden, die viele Internisten, die ich kenne, ich kann zu dem Disease-Management-Programm selber als Chirurg nichts sagen, vollkommen ablehnen. Die Internisten verwahren sich zum Teil gegen angeblich unsinnige Forderungen oder Vorgaben aus diesen Programmen und demonstrieren damit, wie wenig hilfreich diese sind. Und wenn wir dann bedenken, dass das heute schon so ist, wie wird das erst in zwei bis drei Jahren sein, bis man so was wieder aktualisiert hat. Also das genau ist das, wovor die Ärzte Angst haben. Schabram, Rechtsanwalt, Freiburg: Ich meine, man kann gar nicht deutlich genug machen, dass es bei diesen Leitlinien immer um die Frage gehen muss, wem nützen sie? Bei den Leitlinien, die von den einzelnen Fachgesellschaften entwickelt wurde, konnte man ganz deutlich sehen, das es da auch um die Frage geht, wie sich bestimmte finanzielle Ressourcen zwischen den Fachgesellschaften verteilen. Wenn die HNO-Ärzte bestimmte Verfahren machen, wie man also eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung behandeln muss und die Radiologen fühlen sich dann auch noch aufgerufen, dazu was zu sagen und die Allgemeinmediziner wollen es sich natürlich auch nicht aus der Hand nehmen lassen, dann braucht man nicht die Vorstellung zu ent-
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3. Diskussion
wickeln, dass es hier nur darum geht, die optimale Patientenbehandlung zu finden. Und wenn diese Leitlinien nebeneinander stehen, sieht man, welche Interessen dahinter stehen. Und wenn jetzt – gerade ist es gesagt worden – der Bundesausschuss Ärzte Krankenkassen bzw. Gemeinsame Bundesausschuss Standards formuliert, ja für was denn?Für die Versorgung von GKV-Patienten werden da Standards formuliert, bei denen es darum geht, nicht eine optimale oder wissenschaftlich höhere Erkenntnis umzusetzen, sondern zu fragen, welche Therapie können wir mit den bestehenden Ressourcen finanzieren. Und wenn ich die Diskussionen im Gemeinsamen Bundesausschuss verfolge, dann beobachte ich da z.B. in jüngster Zeit die Tendenz, dass die Ärzte sagen, rausnehmen. Leistungen rausnehmen aus dem Versorgungskatalog, weil sie sie dann als IGeL-Leistung nebenher anbieten können. Das hat nichts mit Optimierung einer Therapie zu tun. Stellt man die Frage, wem nutzt die Leitlinie, wem dient das, dann kommt man der Wahrheit schon ein Stück näher. Teipel: Ich glaube, das war viele Probleme auf den Punkt gebracht. In der Tat muss man sich auch fragen, wem dient das?Wer profitiert davon?Da haben sich ja auch schon viele Ärzte und Juristen auf Symposien die Köpfe drüber eingeschlagen. Lassen Sie mich abschließend Laufs zitieren: „Nur ein Aufeinanderzugehen beider im Ansatz so unterschiedlichen Disziplinen, nur eine Beschäftigung der einen mit der jeweils anderen kann dazu führen, die Gräben zwischen diesen unterschiedlichen Disziplinen zu überbrücken“. Ich finde, dazu haben wir heute ein ganz gutes Stück beigetragen.
Teilnehmer
Alberts, Dr. Martin Rechtsanwalt Schützenstr. 10, 59071 Hamm Albrecht, Joachim Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Altemeyer, Susanne Rechtsanwältin Kleestr. 29a, 45359 Essen Auerswald, Petra Rechtsanwältin Charlottenstr. 7, 99096 Erfurt Baxhenrich, Dr. Bernhard Rechtsanwalt Heßlerstr. 24, 59065 Hamm Bergmann, Prof. Dr. Karl-Otto Rechtsanwalt und Notar Schützenstr. 10, 59071 Hamm Blinn, Nicole Gerling Kundenservice Firmen und Privat GmbH Neumarkt 15, 66117 Saarbrücken Bock, Miriam Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln
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Teilnehmer
Böller, Norbert Rechtsanwalt Lindenallee 11, 53173 Bonn Boss, Heidi Rechtsanwältin Fahrgasse 91 – 96, 60311 Frankfurt/M. Brenner, Barbara Rechtsanwältin Kaiserplatz 4, 53113 Bonn Burmann, Dr. Michael Rechtsanwalt Anger 63, 99084 Erfurt Cansun-Peter, Deniz Rechtsanwältin Jacobsonstr. 45, 38723 Seesen Christ, PD Dr. Reimar MDK Berlin-Brandenburg e.V. Martin-Luther-Str. 3 - 7, 10777 Berlin Classen, Dr. med. Susanne Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Zeppelinstr. 13c, 44369 Dortmund Cramer, Dr. Regine Rechtsanwältin Haumannplatz 28/30, 45130 Essen Dagli, Beliz Rechtsanwältin Grafenberger Allee 399, 40235 Düsseldorf Daun, Ekkehard Rechtsanwalt Fr.-Ebert-Str. 82–84, 42719 Solingen
Teilnehmer
Dautert, Dr. Ilse Rechtsanwältin Kastanienallee 20, 26121 Oldenburg Demuth, Anni Rechtsanwältin Wilhelmshöher Allee 23, 34117 Kassel Dieti, Silvia Rechtsanwältin Maximilianstr. 10, 76133 Karlsruhe Dymke, Dr. Andreas Rechtsanwalt Böhmerstr. 16, 54290 Trier Ebeling, Holger Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Eisenmenger, Prof. Dr. med. Wolfgang Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilian-Universität Frauenlobstr. 17, 80337 München Engelings, Marie G. Rechtsanwältin Im Utforter Feld 14, 47445 Moers Ennen, Dr. Gunda Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Esser, Thomas Barmer Ersatzkasse Lichtscheider Str. 89, 42285 Wuppertal Fabian, Heinz-Peter Rechtsanwalt Seminarstr. 1A, 49074 Osnabrück Feifel, Dr. Eckart Rechtsanwalt und Arzt Wegenerstr. 5, 71063 Sindelfingen
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Teilnehmer
Figgener, Prof. Dr. Dr. Ludger Universitätsklinikum Münster Domagkstr. 5, 48149 Münster Finster, Christian Vorstand der KZV Baden-Württemberg Albstadtweg 9, 70567 Stuttgart Finster, Eva Rechtsanwältin Donauschwabenstr. 11, 76669 Schönborn Follmann, Dr. Markus Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Dillenburger Str. 27, 51105 Köln-Kalk Freese, Holger MDK in Bayern Putzbrunner Str. 73/III, 81379 München Freund, Dr. Christian Rechtsanwalt, Geschäftsführer und Justitiar der KZV Bayerns Hatzfelder Weg 16b, 81476 München Freymann, Birgit AOK Berlin Neue Bahnhofstr. 11 – 17, 10957 Berlin Gabriel, Bernd Rechtsanwalt Maximilianstr. 29/III, 80539 München Galster, Elke Rechtsanwältin Rathenaustr. 2, 30159 Hannover Gdaniec, Thomas Rechtsanwalt Zweigertstr. 17, 45130 Essen Geis, Stephan W. Rechtsanwalt Kurhessenstr. 121, 60431 Frankfurt/M.
Teilnehmer
Gelsheimer-Friedrichs, Stephanie Rechtsanwältin Niedenau 51, 60325 Frankfurt Großpietsch, Peter Rechtsanwalt Loschwitzer Str. 26, 01309 Dresden Grunert, Eva Rechtsanwältin Frankfurter Str. 14, 64293 Darmstadt Hansen, Stefan Mildenberger Versicherungsmakler KG Fürstengartenstr. 4, 32756 Detmold Hassert, Dr. Esther Rechtsanwältin Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Hebben, Maureen Continentale Sachversicherung AG Ruhrallee 94, 44139 Dortmund Hein, Matthias Rechtsanwalt Nikolaistr. 27 – 29, 04109 Leipzig Hertwig, Dr. Volker Rechtsanwalt Contrescarpe 10, 28203 Bremen Hessler-Bartels, Lore Rechtsanwältin Wendenstr. 10, 20097 Hamburg Hoff, Alexandra Rechtsanwältin Königsallee 14, 40212 Düsseldorf
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132
Teilnehmer
Holthus, Melanie Rechtsanwältin Ulzburgerstr. 491, 22846 Norderstedt Hüwe, Dirk Rechtsanwalt Westenhellweg 40 – 46, 44137 Dortmund Jorzig, Dr. Alexandra Rechtsanwältin Westenhellweg 40 – 46, 44137 Dortmund Jungbecker, Dr. Rolf Rechtsanwalt Erbprinzenstr. 8, 79098 Freiburg Kaesbach, Elmar Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Keilbar, Dr. Fritz Rechtsanwalt und Notar Myliusstr. 15, 60323 Frankfurt Kienzle, Prof. Dr. med. H.F. Arzt für Chirurgie, Unfall- und Gefäßchirurgie Städt. Krankenhaus Köln-Holweide Neufelder Str. 32, 51067 Köln-Holweide Klaeren, Julia Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Kniffka, Klaus-Peter Rechtsanwalt Alleestr. 20, 58097 Hagen Koll, Oliver Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln
Teilnehmer
Korb, Anke R+V Allgemeine Versicherung AG Taunusstr. 1, 65193 Wiesbaden Küpers-Quill, Marlies Rechtsanwältin Westend 27, 46399 Bocholt Kuppe, Eva-Maria Rechtsanwältin Kaiser-Joseph-Str. 284, 79098 Freiburg Kusserow, Dr. Maria Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen Braaker Mühlenweg 23, 23701 Eutin Labenski, Kai Rechtsanwalt Jacobsonstr. 45, 38723 Seesen Lenzen, Dr. Rolf Rechtsanwalt Merlostr. 2, 50668 Köln Lersch, Elmar Rechtsanwalt Zehnerstr. 29, 53498 Bad Breisig Lutterbeck, Christian GVV-Kommunalversicherung VVaG Aachener Str. 952 – 958, 50933 Köln Maeder, Helmar Rechtsanwalt Eppendorfer Baum 6, 20249 Hamburg Makiol, Hans-Joachim Rechtsanwalt Erftstr. 78, 41460 Neuss
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Teilnehmer
Marschewski, Petra Rechtsanwältin Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Martis, Rüdiger Rechtsanwalt Uferstr. 50, 73525 Schwäbisch Gmünd Maurer, Dr. Michael Rechtsanwalt Zehnthofstr. 9, 52349 Düren Mayer, Alexander Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Mertens, Anja AOK-Bundesverband Kortrijker Str. 1, 53177 Bonn Meyer, Hartwig Rechtsanwalt Buschkrugallee 53a, 12359 Berlin Meyle, Rüdiger Rechtsanwalt Moltkestr. 10, 74072 Heilbronn Morsch, Hans-Werner Gerling Kundenservice Firmen und Privat GmbH Neumarkt 15, 66117 Saarbrücken Moser, Dr. Karl-Heinz Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie Görrestr. 14, 50674 Köln Müller, Prof. Dr. med. Reinhold Universitätsklinik Essen Hufelandstr. 55, 45122 Essen Natzel, Odilo Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln
Teilnehmer
Nettesheim, Susanne Rechtsanwältin Holzmarkt 4a, 15230 Frankfurt(Oder) Neu, Johann Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen Hans-Böckler-Allee 3, 30173 Hannover Neuroth, Bettina Victoria Versicherung AG Victoriaplatz 1, 40198 Düsseldorf Neusel, Dr. Emil Arzt für Orthopädie Wittelbacherring 11, 53115 Bonn Nicola, Claudia Gerling Kundenservice Firmen und Privat GmbH Neumarkt 15, 66117 Saarbrücken Niefert, Matthias GVV-Kommunalversicherung VVaG Aachener Str. 952 – 958, 50933 Köln Nix, Karl-Heinz Rechtsanwalt Zähringer Str. 9, 66119 Saarbrücken Nutzhorn, Arend Rechtsanwalt Bahnhofstr. 8, 26122 Oldenburg Ocker, Dr. med. Ingrid Pohlstr. 49, 48366 Laer Ortner, Franz-Josef Rechtsanwalt Lange Reihe 51, 20099 Hamburg Otto, Reinhold Rechtsanwalt Bahnstr. 1, 34431 Marsberg
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Teilnehmer
Pehle, Gerd Rechtsanwalt Parkstr. 3a, 44532 Lünen Peltzer, Helmut Rechtsanwalt und Notar Rathenaustr. 2, 30159 Hannover Pesch, Rainer Rechtsanwalt Rudolf-Renner-Str. 33, 01159 Dresden Petry, Franz-Michael Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Pfundstein, Andrea Rechtsanwältin Neupfarrplatz 10, 93047 Regensburg Pohlmann, Prof. Dr. Norbert Institut für Internet-Sicherheit Fachhochschule Gelsenkirchen Fachbereich Informatik Neidenburgerstr. 43, 45877 Gelsenkirchen Predeek, Georg Rechtsanwalt AmWesterntor 6, 33098 Paderborn Prinz, Dr. Felix Rechtsanwalt Parkstr. 3a, 44532 Lünen Pünnel-Leonhard, Monika Rechtsanwältin Stengelstr. 1, 66117 Saarbrücken Putz, Wolfgang Rechtsanwalt Quagliostr. 7, 81543 München
Teilnehmer
Quadt-Kauerz, Brigitte Gothaer Allgemeine Versicherung AG Gothaer Allee 1, 50969 Köln Radermacher, Dirk Rechtsanwalt Wiener Platz 4, 51065 Köln Raible, Peter Rechtsanwalt Bundesallee 213/214, 10719 Berlin Ratajczak, Dr. Thomas Rechtsanwalt Wegenerstr. 5, 71063 Sindelfingen Reidegeld, Michael Provinzial Versicherungen Provinzial-Allee 1, 48159 Münster Rieck, Holger AXA Versicherung AG Colonia Allee 10 – 20, 51057 Köln Riepe, Wolfgang Rechtsanwalt Lange Str. 3, 38100 Braunschweig Rommeiß, Roul KZV Thüringen Theo-Neubauer-Str. 14, 99085 Erfurt Rosenke, Dr. Marion Rechtsanwältin Bahnhofstr. 22, 33790 Halle Rosshoff, Joachim Rechtsanwalt Sachsenring 63, 50677 Köln Rulands, Heinz Rechtsanwalt Steinmetzstr. 20, 41061 Mönchengladbach
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Teilnehmer
Rust, Helge Rechtsanwalt Wiener Platz 4, 51065 Köln Säcker, Anna-Vanessa Rechtsanwältin Am Ossenbrink 8, 58313 Herdecke Schabram, Peter Rechtsanwalt Zasiusstr. 42, 79102 Freiburg Schäfer, Dr. Karl-Joseph Stv. Vors. der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Schallemacher, Dr. Rainer Rechtsanwalt Schwanallee 10, 35037 Marburg Scheben, Barbara Rechtsanwältin Oxfordstr. 21, 53111 Bonn Schellhorn, Markus Rechtsanwalt Ruhe-Christi-Str. 15, 78628 Rottweil Schichtel, Silke AXA Versicherung AG Colonia Allee 10 – 20, 51057 Köln Schimpf, Elfriede Gerling Kundenservice Firmen und Privat GmbH Neumarkt 15, 66117 Saarbrücken Schmidt, Peter M. Rechtsanwalt Königsallee 14, 40212 Düsseldorf
Teilnehmer
Schmitt, Beate R+V Allgemeine Versicherung AG Taunusstr. 1, 65193 Wiesbaden Schnoor, Dipl.-Med. Torsten MDK Mecklenburg-Vorpommern Lessingstr. 31, 19059 Schwerin Schroeder, Michael Rechtsanwalt Aachener Str. 75, 50931 Köln Schumann, Dr. Katja Rechtsanwältin Colonnaden 72, 20354 Hamburg Schünemann, Dr. Hermann Rechtsanwalt Hannoversche Str. 57, 29221 Celle Schütz, Petra Gothaer Allgemeine Versicherung AG Gothaer Allee 1, 50969 Köln Schwarze, Bernd Rechtsanwalt Westenhellweg 40 – 46, 44137 Dortmund Selbitz, Andreas Rechtsanwalt Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Sievers, Kurt Rechtsanwalt Almsstr. 20, 31134 Hildesheim Sigges, Rainer Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Smentkowski, Ulrich Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf
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Teilnehmer
Smets, Matthias AXA Versicherung AG Colonia Allee 10 – 20, 51057 Köln Stauske, Dorothea DBV-Winterthur Frankfurter Str. 50, 65178 Wiesbaden Stegers, Christoph-M. Rechtsanwalt Märkisches Ufer 28, 10179 Berlin Stein, Jutta AXA Versicherung AG Colonia Allee 10 – 20, 51057 Köln Stindt, Dr. Johannes Rechtsanwalt Hauptstr. 34, 49757 Werlte Taupitz, Prof. Dr. Jochen Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht Schloss, 68131 Mannheim Teichner, Matthias Rechtsanwalt Alsterarkaden 12, 20354 Hamburg Teipel, Frank Rechtsanwalt und Notar Bundesplatz 8, 10715 Berlin Tenk, Beate Rechtsanwältin Steinweg 4, 30989 Gehrden/Hannover Terbille, Prof. Dr. Michael Rechtsanwalt Ostenallee 64, 59063 Hamm Tholen, Heiner Rechtsanwalt Gaststr. 18, 26122 Oldenburg
Teilnehmer
Tübben, Jan Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Uphoff, Dr. Roland Rechtsanwalt Heinrich-von-Kleist-Str. 4, 53113 Bonn Urschbach, Dr. Roland Rechtsanwalt Adam-Karrillon-Str. 23, 55118 Mainz van Ellen, Dirk Ecclesia Versicherungsdienst GmbH Klingenbergstr. 4, 32758 Detmold Vierling, Anke Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Visse, Edmund Rechtsanwalt Widukindstr. 19, 49477 Ibbenbüren Vogelsang, Stefan Zürich Versicherung AG Riehler Str. 90, 50657 Köln Wagner, Dorothea Rechtsanwältin Rudolf-Virchow-Str. 11, 56073 Koblenz Weber, Dr. Beate Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf Wegner, Matthias Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen Hans-Böckler-Allee 3, 30173 Hannover Weimer, Dr. Tobias Rechtsanwalt Willy-Brandt-Platz 9, 59065 Hamm
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Teilnehmer
Weiser, Günter Rechtsanwalt Spiekerhof 35/37, 48143 Münster Weltin, Mechthild Rechtsanwältin Königsallee 14, 40212 Düsseldorf Wendt, Martin Rechtsanwalt Kaiserstr. 25a, 66111 Saarbrücken Wenzel, Dr. Frank Rechtsanwalt Am Hof 34 – 36, 50667 Köln Wessels, Dr. Ulrich Rechtsanwalt Spiekerhof 35/37, 48143 Münster Wessing, Helga Rechtsanwältin u. Ärztin Königsallee 74, 40212 Düsseldorf Wienzek, Maike Assessorin Ahseufer 1a, 59063 Hamm Winkhart-Martis, Martina Rechtsanwältin Wegenerstr. 5, 71063 Sindelfingen Winkler, Cornelia Rechtsanwältin Sophienstr. 4, 80333 München Winter, Prof. Dr. Ulrich Facharzt für Innere Medizin Frintroper Str. 42, 45359 Essen
Teilnehmer
Zander, Magdalena Deubner Verlag GmbH & Co. KG Oststr. 11, 50996 Köln Zensen, Hubert Rechtsanwalt Widumstr. 38, 59065 Hamm
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Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen Anspruch, Praxis, Perspektiven 1990. X, 174 S. ISBN 3-540-52774-5
Die ärztliche Behandlung im Spannungsfeld zwischen kassenärztlicher Verantwortung und zivilrechtlicher Haftung 1992. VIII, 144 S. ISBN 3-540-55438-6
Die Budgetierung des Gesundheitswesens Wo bleibt der medizinische Standard? 1997. X, 163 S. ISBN 3-540-63071-6
Zulassung und Praxisverkauf Ist das GSG partiell verfassungswidrig? 1997. VIII, 199 S. ISBN 3-540-63502-5
Arzneimittel und Medizinprodukte Neue Risiken für Arzt, Hersteller und Versicherer 1997. XII, 201 S. ISBN 3-540-63500-9
Medizin und Strafrecht Strafrechtliche Verantwortung in Klinik und Praxis 2000. VIII, 189 S. ISBN 3-540-66631-1
Risiko Aufklärung Schmerzensgeld trotz Behandlungserfolg - Wohin führt die Rechtsprechung? 2001. XII, 180 S. ISBN 3-540-41765-6
Waffen-Gleichheit Das Recht in der Arzthaftung 2002. X, 177 S. ISBN 3-540-41800-8
Leitlinien, Richtlinien und Gesetz Wieviel Reglementierung verträgt das Arzt-PatientenVerhältnis 2003. X, 157 S. ISBN 3-540-00039-9
Ärztliche Behandlung an der Grenze des Lebens Heilauftrag zwischen Patientenautonomie und Kostenverantwortung 2004. X, 199 S. ISBN 3-540-20570-5
Krankenhaus im Brennpunkt
Risiken – Haftung – Management Globalisierung in der Medizin Der Einbruch der Kulturen in das 1997. VIII, 194 S. deutsche Gesundheitswesen ISBN 3-540-63505-X 2005. X, 176 S. Medizinische Notwendigkeit ISBN 3-540-23486-1
und Ethik
Gesundheitschancen in Zeiten der Ressourcenknappheit 1999. VIII, 187 S. ISBN 3-540-64855-0
Arzthaftungsrecht – Rechtspraxis und Perspektiven 2006. IX, 193 S. ISBN 3-540-28418-4