Christiane Staffhorst Wertkonflikte in Unternehmen
Christiane Staffhorst
Wertkonflikte in Unternehmen Eine erweitert...
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Christiane Staffhorst Wertkonflikte in Unternehmen
Christiane Staffhorst
Wertkonflikte in Unternehmen Eine erweiterte organisationstheoretische Analyse von Korruption
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Zugl. Dissertation Universität Heidelberg, 2010
. 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Dorothee Koch / Sabine Schöller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17703-8
Inhaltsverzeichnis Inhalt
Abkürzungsverzeichnis....................................................................................... 11 Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... 13 1
Einleitung ............................................................................................... 15
1.1
Einführung ................................................................................................ 15
1.2
Zielsetzung und Fragestellung .................................................................. 17
1.3
Konzeption der Arbeit .............................................................................. 23
2
Korruption in Organisationen .............................................................. 26
2.1 Das Phänomen organisationaler Korruption: eine Annäherung ................ 26 2.1.1 Organisation als multinationale Unternehmung .................................. 27 2.1.2 Korruption: Das „opferlose“ Delikt ..................................................... 28 2.1.3 Korruption als Risikofaktor für Wirtschaftsorganisationen ................. 30 2.1.4 Tabuisierung, Medialisierung und Moralisierung ................................ 33 2.2 Eine soziologische Perspektive der Korruption in Organisationen ........... 35 2.2.1 Der spezifische Kontext von Organisationen....................................... 36 2.2.2 Kategorie der sozialen Beziehung ....................................................... 38 2.2.3 Idealtypen korruptiver Beziehungen .................................................... 39 2.3 3
Definition von organisationaler Korruption als in Unternehmen institutionalisierte korruptive Beziehungen .............................................. 42 Korruption als Gegenstand einer Organisationstheorie .................... 46
3.1
Strukturell verankerte Korruption in Organisationen: kein Gegenstand der Korruptionsforschung ..................................................... 46
3.2
Institutionen als Gegenstand der Organisationstheorie ............................. 53
6
Inhalt 3.2.1 Neue Institutionenökonomik................................................................ 53 3.2.2 Soziologischer Neo-Institutionalismus ................................................ 55 3.2.3 Organisationstheoretische Herangehensweise an wirtschaftsund unternehmensethische Fragestellungen ........................................ 60
3.3
Fazit .......................................................................................................... 63
Teil I: Theoriekritik .......................................................................................... 67 Die Neue Organisationsökonomik ........................................................ 68
4
Der Umgang mit der Korruptionsproblematik als Gegenstand der wirtschafts- und unternehmensethischen Diskussion: eine Frage gelingender Integration der Teilbereiche differenzierter moderner Gesellschaften? ......................................................................................... 69 4.1.1 Die Bezeichnungen: Neue Organisationsökonomik und Governanceethik ................................................................................. 69 4.1.2 Zielsetzung und Anspruch der Neuen Organisationsökonomik ........... 70 4.1.3 Gesellschaftstheoretische Annahmen der Neuen Organisationsökonomik ...................................................................... 72 4.1.3.1 Moderne Gesellschaft: funktional differenziert ............................ 72 4.1.3.2 Die Steuerungstektonik modernder Gesellschaften und die Rolle von Unternehmen ............................................................... 75 4.1.4 Ökonomische Annahmen der Neuen Organisationsökonomik ............ 77 4.1.4.1 Neue Institutionenökonomik ........................................................ 77 4.1.4.2 Erweiterung der Neuen Institutionenökonomik ........................... 79 4.1.5 Kernelemente der Neuen Organisationsökonomik .............................. 83 4.1.5.1 Die Integration von Moralfaktoren in die Transaktionskostenformel ............................................................ 84 4.1.5.2 Organisationale Governancestrukturen ........................................ 87 4.1.5.3 Moral, Kultur und Werte als individuelle und organisationale Ressourcen .......................................................... 88 4.1.5.4 Zusammenfassung der Neuen Organisationsökonomik ............... 92 4.1.6 Korruption als Problemgegenstand der Neuen Organisationsökonomik ...................................................................... 93
4.1
4.2
Kritische Reflexion der Neuen Organisationsökonomik aus der Perspektive einer strukturalistisch-individualistisch verstehenden Soziologie ............................................................................................... 105
Inhaltsverzeichnis
7
4.2.1 Anspruch und Wirklichkeit der theoretischen Erkenntnisse der NOÖ .................................................................................................. 105 4.2.1.1 Die Neue Organisationsökonomik: ein Forschungsprogramm als Entscheidungshilfe für moralökonomische Dilemmata................................................... 105 4.2.1.2 Die Neue Organisationsökonomik als theoretische Grundlage für die Ausgestaltung von organisationalen Governancestrukturen: eine Frage des Institutionenverständnisses......................................................... 108 4.2.1.3 Die Neue Organisationsökonomik als anwendungsbezogene Unternehmensethik mit Integrationsabsichten für die Gesellschaftsbereiche Moral und Ökonomie.............................. 112 4.2.2 Die Kernelemente einer konflikttheoretischen Soziologie................. 114 4.2.2.1 Mehr-Ebenen-Analyse ............................................................... 115 4.2.2.2 Regelgeleitetes Handeln und Handlungskoordination ............... 117 4.2.2.3 Die Unvereinbarkeit von Wertsphären ....................................... 120 4.2.3 Organisationstheoretische Konsequenzen vor dem Hintergrund der Erkenntnisse einer weberianischen Konflikttheorie .................... 124 4.2.3.1 Innerorganisationaler und individueller Konflikt im Analysefokus .............................................................................. 125 4.2.3.2 Konstellationsanalyse und Institutionalisierungsprozesse auf organisationaler Ebene ......................................................... 127 4.2.3.3 Über die Steuerbarkeit von Ordnungskonstellationen und die Chancen der Integration ....................................................... 129 4.3
Resümee und Ausblick ........................................................................... 132
Teil II: Neu-Konzeptionalisierung................................................................. 135 5 5.1
Das Programm einer Institutionenanalyse ........................................ 136 Das Institutionenverständnis der Arbeit.................................................. 136
5.2 Institutionenanalyse ................................................................................ 139 5.2.1 Akteurs- und Rationalitätsverständnis ............................................... 139 5.2.2 Eigenschaftsraum von Institutionen ................................................... 142 5.2.2.1 Ausbildung von Rationalitätskriterien ........................................ 142 5.2.2.2 Ausdifferenzierung von Geltungskontexten ............................... 143 5.2.2.3 Sanktionsmacht der Institution ................................................... 143 5.2.2.4 Externalisierung von Kontingenzen ........................................... 144
8
Inhalt 5.2.2.5 Strukturierung des Konfliktpotentials zwischen Institutionen................................................................................ 144 5.2.3 Legitimität und „Moralität“ von Institutionen ................................... 145
5.3
Resümee.................................................................................................. 148 Das Programm einer organisationalen Institutionenanalyse ........... 150
6 6.1
Organisationsverständnis ........................................................................ 150
6.2
Rückkopplung externalisierter Folgewirkungen ..................................... 152
Über den Konflikt zwischen institutionalisierten Leitideen in Organisationen und der Geltungschance von nicht-ökonomischen Rationalitätskriterien............................................................................... 155 6.3.1 Unterschiedliche Rationalitätskriterien in Wirtschaftsorganisationen und dennoch kein „Rationalitätsmix“ ..... 156 6.3.2 Konsequenzen für und strategische Maßnahmen von Organisationen .................................................................................. 159 6.3.2.1 Negierung von Verantwortungszuschreibungen ........................ 161 6.3.2.2 Interne Externalisierung ............................................................. 162 6.3.2.3 Institutionalisierung von Gegenprinzipien ................................. 164
6.3
Unternehmensführung als Institutionenpolitik........................................ 172 Exkurs zum Diskursverständnis .............................................................. 173 6.4.1 Gegenstand von Unternehmensführung: die Koordination von widersprüchlichen Interessen und Leitideen ..................................... 174 6.4.2 Rollendifferenzierung: Führungskräfte und Belegschaft ................... 176 6.4.3 Der institutionelle Entrepreneur und die Rolle von Führungskräften ................................................................................ 178 6.4.3.1 Persönlichkeit und Verantwortung ............................................. 179 Exkurs zur Verantwortungsethik bei Weber ........................................... 179 6.4.3.2 Strukturelle Entlastung durch den Diskurs mit außenstehenden Dritten .............................................................. 181 6.4.4 Verantwortung und Handlungsspielraum von Mitarbeitern .............. 182 6.4.4.1 Legitimität und Kommunikation ................................................ 183 6.4.4.2 Sanktion und Kontrolle .............................................................. 185 6.4.4.3 Zweckmäßigkeit und Leistung ................................................... 186
6.4
6.5
Resümee.................................................................................................. 187
Inhaltsverzeichnis 7
9
Korruption als Gegenstand einer organisationalen Institutionenanalyse ............................................................................ 189
7.1
Wirtschaftliches Handeln unter veränderten Rahmenbedingungen: eine Frage von Integrität und Legitimität? .............................................. 189
Institutionalisierte Korruption als Gegenstand von Unternehmensführung ............................................................................ 193 7.2.1 Führungsebene: der institutionelle Entrepreneur ............................... 194 7.2.2 Mitarbeiterebene ................................................................................ 200 7.2.2.1 Legitimität und Kommunikation ................................................ 201 7.2.2.2 Sanktion und Kontrolle .............................................................. 204 7.2.2.3 Zweckmäßigkeit und Leistung ................................................... 205 7.2.3 Fazit ................................................................................................... 208
7.2
Die Umgestaltung der äußeren Institutionenordnung zu einem korruptionshemmenden organisationalen Umfeld .................................. 208 7.3.1 Die Konflikthaftigkeit des Handlungsrahmens von Unternehmen .... 210 7.3.2 Chancen einer Wertvermittlung ......................................................... 214 7.3.3 Die nationalen Kontaktstellen der OECD als Beispiel für eine intermediäre Institutionenbildung ..................................................... 219 7.3.3.1 Die OECD-Leitsätze als internationales Rahmenabkommen zur Begrenzung des „ökonomischen Wildwuchses“? ................ 220 7.3.3.2 Die Rolle der nationalen Kontaktstellen..................................... 221 7.3.3.3 Kritische Betrachtung der Wirkungsmöglichkeiten der Nationalen Kontaktstelle als intermediäres Verhandlungsgremium ............................................................... 224 7.3.4 Fazit ................................................................................................... 227
7.3
7.4 8
Organisationale Korruption als Gegenstand einer institutionentheoretischen Analyse: ein Resümee................................... 228 Resümee und Ausblick ........................................................................ 230
8.1
Das Lösungspotential einer organisationalen Institutionenanalyse für den Problemgegenstand der institutionalisierten korruptiven Beziehungen in Unternehmen ................................................................. 230
8.2
Die Bedeutung der Arbeit für zukünftige Forschung .............................. 235
10
Inhalt 8.2.1 Das Potential differenzierungstheoretischer Ansätze als Fundament für wirtschafts- und unternehmensethische Fragestellungen ................................................................................. 235 8.2.2 Die Herausforderungen einer globalen Korruptionsbekämpfung vor dem Hintergrund einer konflikttheoretischen Perspektive .......... 236
9
Literaturverzeichnis ............................................................................ 241
Abkürzungsverzeichnis
BGH BKA bpb CC CIME CIPE CSR DJSI DNWE EBS EÖ FCPA ILO IMF IO ISO ISO 26000 OECD NACF NCP NGO NIÖ NKS NOÖ NYSE PPP PR SEC SOA SR StGB TI UIA
Bundesgerichtshof Bundeskriminalamt Bundeszentrale für politische Bildung Corporate Citizen Committee on International Investment and Multinational Enterprises Center for International Private Enterprise Corporate Social Responsibility Dow Jones Sustainability Index Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik European Business School Evolutorische Ökonomik Foreign Corrupt Practices Act International Labour Organization International Monetary Fund Institutionenordnung International Organization for Standardization International Standard providing guidelines for social responsibility Organization for Economic Cooperation and Development South African National Anti Corruption Forum National Contact Point Non Governmental Organization Neue Institutionenökonomik Nationale Kontaktstelle Neue Organisationsökonomik New York Stock Exchange Public Private Partnership Public Relation Securities and Exchange Commission Sarbanes Oxley Act Social Responsibility Strafgesetzbuch Transparency International Union of International Associations
12 UN UNCAC UN GC UNODC YGL
Inhalt United Nations United Nations Convention against Corruption United Nations Global Compact United Nations Offices on Drugs and Crime Young Global Leaders
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Typologie korruptiver Beziehungen ............................................. 41 Abbildung 2: Koeffizientenmatrix der Selbstbindung ........................................ 98 Abbildung 3: Erfolgskriterien für Institutionalisierung von Gegenprinzipien .. 177
1 Einleitung Thematische Eingrenzung
1.1 Einführung Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, innerorganisationale Institutionen als sinnvollen Ausgangspunkt einer soziologischen Analyse korruptiver Handlungen auf der organisationalen Ebene zu begründen. Ausschlaggebend dafür einen solchen Schwerpunkt zu legen, ist zum einen ein feststellbares Theoriedefizit hinsichtlich der Lokalisierung des Korruptionsphänomens überwiegend auf der Mesoebene sowie hinsichtlich der Einseitigkeit einer ökonomischen Perspektive korruptionsspezifischer Zusammenhänge. So kommen Rabl und Kühlmann in ihren jüngsten Untersuchungen zu dem Schluss, dass sich die Korruptionsforschung „mainly concentrated on the investigation of causes and consequences on the macro- and microeconomic level“ (Rabl/Kühlmann 2008: 178). Zum anderen lässt sich in der öffentlichen Diskussion eine Veränderung der Verantwortungszuschreibung wahrnehmen, bei der Wirtschaftsorganisationen ihr Handeln insbesondere unter Integritätsgesichtspunkten verstärkt rechtfertigen müssen (vgl. Karmasin 2005; König 2005: 486ff.; Leisinger 2005; Pies/Sass 2006). Unabhängig davon, inwieweit es sich bei den Verantwortungszuschreibungen um legitime Ansprüche von Seiten der Zivilgesellschaft oder der Politik handelt, lässt sich konstatieren, dass Unternehmen verstärkt mit den Folgewirkungen ihres Handelns konfrontiert werden. Während über Jahrzehnte hinweg die Zuschreibung der Legitimität von Unternehmen aufgrund ihres Beitrags zu volkswirtschaftlichem Wachstum und gesellschaftlichem Wohlstand ausschließlich auf ihrem wirtschaftlichen Erfolg begründet war, treten in den letzten Jahren weitere Faktoren hinzu, die die Frage nach dem Wie des erfolgreichen Wirtschaftens stellen. In Bezug auf die Korruptionsthematik stehen gerade multinationale Unternehmen aufgrund von veränderten Rahmenbedingungen vor der Herausforderung, ihren bislang praktizierten Umgang mit dem Thema neu zu überdenken. Unabhängig davon, ob Korruption im Sinne von Korruptionsbekämpfung dabei offensiv thematisiert wird, dafür aber keine strategischen Maßnahmen ergriffen werden, oder ob stillschweigend nach einer Strategie gesucht wird, auf welche Weise Werte wie Integrität und Transparenz zum Teil der Unternehmenskultur werden können, zeigt sich, dass das Thema in unterschiedlichster Form zum Gegenstand der Unternehmenspolitik wird. Nicht zuletzt die organisatorische Einbindung, bspw.
16
Thematische Eingrenzung
als eigener Vorstandsbereich oder als Teil des Risikomanagements, eine Rechtoder Compliance-Strategie oder eine Kommunikations- bzw. Public-RelationStrategie, verweist auf die Vielfalt der Umgangsweisen von Unternehmen und gibt Hinweis auf die Bandbreite an effektiven oder weniger effektiven Maßnahmen. In Form einer theoretischen Analyse nimmt die Arbeit korruptives Handeln in Organisationen unter dem Gesichtspunkt der von außen an ein Unternehmen herangetragenen Legitimitätsanforderungen, seiner organisationellen Stabilität und damit auch seines wirtschaftlichen Erfolgs in den Blick und argumentiert dahingehend, dass es einer Institutionalisierung der Leitidee der Integrität bedarf, um Unbestechlichkeit, das heißt das Ablehnen von Vorteilsgewährungen o.Ä. als handlungswirksames Verhalten bei der Mehrzahl der Akteure innerhalb eines organisationalen Kontextes zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund wird ein Konzept der Unternehmensführung entwickelt, das Führungskräfte zu Gestaltern einer innerorganisationalen Institutionenordnung macht, die die Belegschaft von moralischen Zumutungen weitgehend entlastet, wenngleich auch nicht vollständig von einer persönlichen Verantwortung freispricht. Ziel einer solchen Unternehmenspolitik, die sich als Institutionenpolitik versteht, ist die erfolgreiche Koordination unterschiedlicher Rationalitätskriterien, wobei davon ausgegangen wird, dass die ökonomische Überlebensfähigkeit eines Unternehmens zunehmend davon abhängen wird, ob und inwieweit nicht-ökonomische Leitideen innerhalb der Organisation Handlungsrelevanz entwickeln können. Als geeigneter Ausgangspunkt für eine soziologische Betrachtung von korruptivem Handeln in Wirtschaftsorganisationen wird damit die institutionelle Komplexität der unternehmerischen Wirklichkeit angesehen. Im Mittelpunkt der analytischen Betrachtung steht die institutionalisierte Korruption, die – abhängig von ihrem Institutionalisierungsgrad – letztlich auch Teil einer Organisationsstruktur und -kultur werden kann. Das Potential, welches das Ausbreiten eines korruptiven Beziehungsgeflechts in dieser Weise bewirken kann, liegt in der Möglichkeit zur Umformung von allgemeinen Wertvorstellungen begründet, mit der einhergeht, dass in bestimmten Handlungskontexten nicht-integres Verhalten zu normgerechtem Handeln zu werden vermag. Abschließend gilt festzuhalten, dass hinter all diesen Überlegungen die Absicht steht, institutionalisiertes korruptives Handeln in Unternehmen mithilfe eines soziologischen Forschungsprogramms der Analyse zugänglich zu machen. Darüber hinaus besteht der Anspruch, dass, wie es von einer theoretischen NeuKonzeptionalisierung zu erwarten ist, die Erkenntnisse in der Weise generalisierbar sind, dass sie bei jeglichen innerorganisationalen Konflikten aufgrund widersprüchlicher Rationalitätskriterien zur Problemlösung beizutragen vermögen.
Einleitung
17
Auf welchem theoretischen Fundament diese Neu-Konzeptionalisierung entworfen wird und wie die Abgrenzung zu bestehenden Forschungsansätzen erfolgt, wird im nachfolgenden Kapitel ausgeführt. 1.2 Zielsetzung und Fragestellung In der vorliegenden Arbeit geht es um die Frage nach den Problemlösungskapazitäten einer Organisation im Umgang mit außerökonomischen Wertbezügen, der unter dem Aspekt der Institutionalisierbarkeit von nicht-ökonomischen Leitideen im Kontext von Wirtschaftsorganisationen nachgegangen wird. Dahinter steht die Annahme, dass Unternehmen aufgrund sich ändernder Rahmenbedingungen verstärkt mit den intendierten und nicht-intendierten Folgen ihres Handelns konfrontiert werden. Das heißt, dass von einer Rückkopplung externalisierter Folgewirkungen ausgegangen wird, die Konsequenzen auf die Strategie von Wirtschaftsorganisationen haben. Offen ist jedoch, mit welchen strategischen Maßnahmen Unternehmensführungen auf besagte Entwicklungen reagieren können. Es wird gezeigt, dass die Strategie der Institutionalisierung von Gegenprinzipien insofern erfolgversprechend ist, als sie die komplexen Wirkungszusammenhänge von Handlung und Struktur innerhalb des Organisationskontextes zuzulassen und, trotz der kritischen Einschätzung der Steuerbarkeit des Verhaltens von Akteuren, konkrete Verfahren für Führungskräfte und Mitarbeiter zu entwickeln vermag. Dabei geht es nicht um die „Erfindung“ völlig neuer Instrumente und Verfahren. Vielmehr werden mithilfe der institutionentheoretischen Erkenntnisse bereits bekannte Verfahren wie bspw. diskursive Aushandlungsprozesse im Hinblick auf ihre Problemlösungskapazitäten an die unterschiedlichen Handlungskontexte angepasst. Insofern handelt es sich bei der Neu-Konzeptionalisierung um den Versuch, einen organisationstheoretischen Ansatz zu entwickeln, der, basierend auf institutionentheoretischen Erkenntnissen, die Durchsetzung von nicht-ökonomischen Leitideen im ökonomischen Kontext zum Gegenstand einer modernen Unternehmensführung macht. Worin der Erkenntnismehrwert eines solchen Ansatzes im Vergleich zu anderen Ansätzen der Organisationsforschung besteht, soll am Beispiel der Korruptionsthematik aufgezeigt werden. Die Institutionalisierung einer Leitidee der Integrität wird damit zum Gegenstand der Untersuchung, die darauf abzielt, die Komplexität von korruptivem Handeln in Organisationen darzustellen, ohne dabei ein Abstraktionsniveau zu erreichen, das einer Reflexion über praktische Problemstellungen und Lösungsansätze im Wege stehen würde.
18
Thematische Eingrenzung
Um sowohl die Fragestellung als auch die Argumentation der Arbeit etwas ausführlicher zu erläutern, werden im Folgenden, ausgehend von der Grundproblematik, dass sich Wirtschaftsorganisationen vor dem Hintergrund einer sich wandelnden und ausweitenden Verantwortungszuschreibung befinden, zwei Ansätze einander gegenübergestellt, die sich der Lösung dieser Grundproblematik verschrieben haben: die Neue Organisationsökonomik von Josef Wieland und die Neu-Konzeptionalisierung, wie sie im Rahmen dieser Arbeit entwickelt wird, wobei der Schwerpunkt auf dem theoretischen Rahmen dieser Konzeption liegt. Die Ausführungen der Einleitung enden mit den Grundprämissen des vorliegenden Forschungsprogramms und der Zielsetzung des gesamten Forschungsvorhabens. Ausgangspunkt der Arbeit bildet die Annahme, dass eine Organisation sich durch Arbeitsteilung auszeichnet und sich – je nach Zugehörigkeit zu einer Wertsphäre – vornehmlich nach einer dominierenden Leitidee ausrichtet. Dabei bedeutet die Dominanz der Leitidee der Rentabilität im Fall von Wirtschaftsorganisationen nicht, dass in einer Organisation nicht verschiedene Leitideen existent sein können, ohne dass es jedoch zu einer Vermischung der Rationalitätskriterien kommt. Gerade weil der moderne Kapitalismus sich nach Weber als „anethisches Gebilde“ nicht von „moralischen Imperativen beherrschen lassen darf“ (Schluchter 1996: 214), birgt die Frage, wie Unternehmen mit außerökonomischen Wertbezügen umzugehen haben, große Brisanz in sich. In dieser Arbeit geht es demnach explizit nicht um ein Plädoyer für eine „Reethisierung des Kapitalismus“, in deren Zuge Marktteilnehmern moralisches Handeln oder eine Gemeinwohlorientierung auf Kosten von zweckrationalen Entscheidungen und Nützlichkeitsabwägungen zugemutet werden sollen (vgl. Schluchter 1996: 220f.), sondern um die Suche nach einer Antwort auf die Frage des Umgangs von Organisationen mit den Konsequenzen, die sich aus ihrer Einbettung in einen „rechtsstaatlich gehegten und sozialstaatlich temperierten Kapitalismus“ (Schluchter 1996: 203) ergeben. Angenommen wird, dass sich das Handeln in Organisationen, das sich nach ökonomischen Effizienzkriterien, nach rechtlichen und nach sozial-moralischen Legitimitätskriterien auszurichten hat, in einem Spannungsverhältnis vollzieht, mit dem auf den verschiedenen Ebenen der Organisation unterschiedlich umgegangen werden muss. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass unter dem Rentabilitätskriterium der Gesamtorganisation auf der Handlungsebene Entscheidungen auch unter rechtlichen und sozial-moralischen Kriterien getroffen werden müssen. Entscheidend ist, dass es sich je nach Situation auch um die Präferenz eines nichtökonomischen Rationalitätskriteriums handeln kann, was zunächst in einem Widerspruch zur eigentlichen Zweckorientierung einer Unternehmung zu stehen scheint. Eine Antwort auf die Frage, wie in einer Organisation gewährleistet
Einleitung
19
werden kann, dass die Akteure auf den verschiedenen Ebenen im Einzelfall ihr Handeln nach für die Gesamtunternehmung erfolgversprechenden Rationalitätskriterien ausrichten, sollen sowohl der nachstehende Ansatz der Neuen Organisationsökonomik als auch die in dieser Arbeit zu entwickelnde NeuKonzeptionalisierung geben. Als einen eigenständigen theoretischen Ansatz entwickelt Josef Wieland in seinem Hauptwerk „Ökonomische Organisation, Allokation und Status“ (Wieland 1996a) die Neue Organisationsökonomik, die diese Frage unter vornehmlich ökonomischen Gesichtspunkten beleuchtet, wobei durchaus sozialwissenschaftliche Elemente in das Modell mit einbezogen werden. Insofern Wieland als Kernthema der wirtschafts- und unternehmensethischen Diskussion Korruption als entscheidendes Risiko einer nach Effizienzkriterien funktionierenden Wirtschaft identifiziert, erhebt die Neue Organisationsökonomik den Anspruch, ein theoretisches Konzept zu sein, mit welchem nicht zuletzt integres Verhalten von Mitarbeitern gefördert werden kann bzw. Erklärungen für Fehlverhalten geliefert werden können. Dabei beansprucht sie einerseits die wirtschaftlichen Zusammenhänge fassen zu können, ohne dabei andererseits aufgrund eines eingeschränkten ökonomischen Blicks den gesellschaftlichen Kontext und seinen Einfluss auf die wirtschaftlichen Transaktionen zu vernachlässigen. Der Ansatz der Neuen Organisationsökonomik von Wieland zeichnet sich durch die Betonung der Bedeutung von organisationsinternen Institutionen aus. Dieser Annahme schließt sich die Arbeit zunächst vor dem Hintergrund, dass „Werte und Leitideen […] für ihre verhaltenswirksame Konkretisierung der Institutionalisierung [bedürfen]“ (Schwinn 2001: 323), an. Im Unterschied zu Wieland basiert die Argumentation hier jedoch auf einem wertbezogenen Institutionenverständnis, ohne welches der Prozess der Institutionalisierung von Leitideen nicht zu analysieren ist. Ein Hauptkritikpunkt an der Neuen Organisationsökonomik liegt in dem ihr zugrunde liegenden reduktionistischen Institutionenverständnis, das den Zugang zu Institutionalisierungs- und De-Institutionalisierungsprozessen von handlungsleitenden Werten verhindert und damit nicht über das Potential verfügt, bestimmte Leitideen zur Vermeidung von korruptivem Handeln handlungsrelevant werden zu lassen. Im Gegensatz dazu liegt dem Konzept der Arbeit, dessen theoretische Eckpfeiler im Folgenden skizziert werden, insofern ein umfassendes Institutionenverständnis zugrunde, als es einen Wertbezug herzustellen vermag, ohne seinen regulativen und konstitutiven Charakter zu vernachlässigen. Bereits hier wird deutlich, dass der Institutionenbegriff in vielfältiger Weise verwendet wird und kein einheitliches Verständnis von Institutionen gegeben ist. Erschwert wird diese Situation darüber hinaus durch den auch in der Alltagssprache gebräuchlichen Begriff der Institution. Insofern muss hier bereits auf das entscheidende Differenzierungsmerkmal des in dieser
20
Thematische Eingrenzung
Arbeit vorherrschenden Verständnisses von Institutionen hingewiesen werden, das in der dynamischen Analysedimension liegt, auf die nicht zuletzt durch die Bezeichnung Institutionalisierung verwiesen werden soll. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass das Korruptionsphänomen innerhalb eines organisationalen Kontexts durchaus mit einem institutionentheoretischen Ansatz erklärt werden kann, dieser allerdings die Wechselwirkung von Leitideen und Institutionen zu fassen in der Lage sein muss, wird das Programm einer Institutionenanalyse von M. Rainer Lepsius für den organisationalen Kontext entwickelt. Der institutionentheoretische Ansatz von Lepsius zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er Werte und Leitideen theoretisch zugänglich macht und Institutionen nicht ausschließlich auf einen entweder regulativen oder konstitutiven Anspruch reduziert. Mit dem Transfer dieser Institutionentheorie auf die Mesoebene einer wirtschaftlich ausgerichteten Organisation sollen die organisationsinternen Institutionen einer Institutionenanalyse zugänglich gemacht werden, deren Grundlage ein wertbezogenes Institutionenverständnis ist. Das zu entwickelnde Konzept geht von der Notwendigkeit einer Institutionenanalyse aus, die zweierlei relevante Institutionenordnungen umfasst: die innere Institutionenordnung, auf der der Fokus der Arbeit liegen wird, und die äußere Institutionenordnung von Organisationen. Grund dafür ist die Tatsache, dass es sich bei korruptiven Handlungen nicht zwangsläufig um klar definierbare Handlungsweisen handelt, nicht zuletzt da sich international agierende Organisationen in verschiedenen kulturellen Handlungskontexten und unterschiedlichen Rechtsstrukturen bewegen. Vielmehr ist der Faktor der Außenzuschreibung zur Bestimmung von korruptivem oder nicht-korruptivem Handeln maßgeblich, so dass offensichtlich organisationsinterne ebenso wie -externe Wirkungsmechanismen entscheidenden Einfluss haben. Während es sich bei der äußeren Institutionenordnung um die im Neo-Institutionalismus als „organisationales Feld“ (vgl. DiMaggio/Powell 1983) bezeichneten externen Einflussfaktoren handelt, ist der Begriff der inneren Institutionenordnung – im Folgenden auch organisationale Institutionenordnung genannt – neu zu definieren. Auf ihr liegt der Schwerpunkt der Ausführungen und ihr liegt die Annahme zugrunde, dass es letztlich auch im organisationalen Kontext um die Frage geht, unter welchen Bedingungen Wertvorstellungen die Chance haben, zu Handlungsmaximen für eine Vielzahl von Akteuren zu werden. Im Gegensatz zu den Neo-Institutionalisten, bei denen Institutionen unabhängig von den Individuen zu existieren scheinen, ermöglicht es die Institutionentheorie von Lepsius, den analytischen Blick auf die handelnden Akteure zu lenken. Insofern Institutionen immer nur durch Akteure handeln, die sich den jeweiligen Leitideen verpflichtet fühlen, liegt der Fokus des Erkenntnisinteresses bei Lepsius beim Handelnden samt seiner Motive und Interessen. Damit wird der gegenüber Vertretern des soziologischen Neo-
Einleitung
21
Institutionalismus erhobene Vorwurf der Vernachlässigung des Akteurs und seiner Handlungsmöglichkeiten bei Lepsius hinfällig. Das Vorhaben einer umfassenden Institutionenanalyse, wie sie die NeuKonzeptionalisierung anstrebt, schließt insofern an das Forschungsprogramm von Max Weber an, als ihre Grundprämissen seiner Handlungs- und Strukturtheorie entlehnt sind. Besonderen Stellenwert nimmt dabei seine Positionierung jenseits von Subjektivismus und Objektivismus (vgl. Schwinn 1993: 365) ein, welche nach Ansicht von Thomas Schwinn dessen Forschungsprogramm gerade auch für die gegenwärtige Forschung attraktiv und anschlussfähig macht. Indem sich Weber über den Gegensatz von Handlung und Struktur hinwegsetzt, lässt er eine „doppelseitige und gegenläufige Perspektive“ zu. „Handlungs- und Ordnungsebene genießen ein Eigenrecht, was es gerade erlaubt, ihre jeweiligen Verschränkungen analytisch in den Blick zu bekommen“ (Schwinn: 1993: 91). Insofern gilt es, gerade weil der Analysefokus auf der Organisation liegt, im Sinne einer komplexen Mehr-Ebenen-Analyse (vgl. Schluchter 2003: 60ff) neben den Akteuren, ihren Handlungsmotiven und den unmittelbaren Organisationsstrukturen das Augenmerk darüber hinaus auf die äußere Institutionenordnung und interorganisationalen Wirkungszusammenhänge sowie auf die relevanten Wertsphären zu legen. Dabei ist die Festlegung des Standpunktes, von welchem aus die Zusammenhänge analysiert werden sollen, unbedingt notwendig, um nicht Gefahr zu laufen, übergeordnete Rahmenbedingungen und Ordnungskonstellationen zu übergehen. Obgleich offensichtlich von bestimmten Kernannahmen ausgegangen wird, die sich Max Weber zuordnen lassen, ist es wichtig zu betonen, dass das vorliegende Forschungsprogramm nicht den Anspruch verfolgt, einen direkten Beitrag zur Weber-Forschung zu leisten. Die Neu-Konzeptionalisierung lässt sich insofern mit dem Begriff „weberianisch“ beschreiben, als auf ein Theoriegebäude Bezug genommen wird, das „zwar auf der Weber’schen Grundlage errichtet, aber im Wesentlichen jedoch in der Auseinandersetzung mit den aktuellen theoretischen Positionen entwickelt wurde“ (Stachura 2009: 9). Vor dem Hintergrund der getroffenen Aussagen lassen sich die Grundannahmen der Neu-Konzeptionalisierung folgendermaßen bestimmen: Die erste Annahme geht davon aus, dass für eine theoretische Herangehensweise an das Phänomen der institutionalisierten Korruption im organisationalen Kontext eine Mehr-Ebenen-Analyse notwendig ist, welche das Zusammenspiel von sozialem Handeln der Akteure, der Strukturierung der Handlungsräume und den Sinnzusammenhängen der Handlungsorientierungen beleuchtet. Die zweite Annahme besagt, dass dem handelnden Akteur ein umfassendes Rationalitätsverständnis zugeschrieben werden muss, ohne dabei den handlungsleitenden Einfluss von Institutionen zu vernachlässigen.
22
Thematische Eingrenzung
Die dritte Annahme fügt hinzu, dass es einer organisationalen Institutionenanalyse bedarf, die auf ein wertbezogenes Institutionenverständnis gründet, um damit der Frage nachzugehen, wie die Leitidee der Integrität für eine Vielzahl von Mitarbeitern handlungsleitend werden kann. Die vierte Annahme steht für einen konflikttheoretischen Zugang als Ausgangspunkt für eine organisationale Institutionenanalyse, da von konfligierenden Rationalitätskriterien ausgegangen wird, von deren erfolgreicher Koordination die ökonomische Überlebensfähigkeit der Unternehmung abhängt. Die Hauptziele der Arbeit lassen sich folgendermaßen zusammenzufassen: Insofern es sich um eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Korruption in Wirtschaftsorganisationen handelt, liegt das Ziel des Forschungsvorhabens zum einen darin, einen Beitrag gegen die einseitige Verortung des Untersuchungsgegenstands auf der Mikro- bzw. Makroebene innerhalb der Korruptionsforschung zu leisten und korruptives Handeln in Organisationen als Untersuchungsgegenstand in den Vordergrund zu stellen. Zum anderen zielt die Arbeit darauf ab, die aufgrund der dominierenden wirtschaftswissenschaftlichen und philosophischen Theorieansätze nach wie vor vernachlässigte Perspektive einer sozialwissenschaftlichen Herangehensweise durch ein soziologisches Konzept zu ergänzen. Insofern versteht sich die Arbeit als Plädoyer für eine soziologische Analyse, die das Potential in sich trägt, Antworten auf die Frage nach den Möglichkeiten des organisationalen Umgangs mit einem Korruptionsphänomen zu geben, das bis zu einem gewissen Grad bereits im Unternehmenskontext institutionalisiert ist. Bevor der detaillierte Aufbau der Arbeit im folgenden Kapitel dargelegt wird, gilt es an dieser Stelle, das Vorgehen anhand von zwei Schritten zu skizzieren: Aufgrund der Überlegung, dass sich die Einsichtigkeit und die Brauchbarkeit einer bestimmten Perspektive und bestimmter analytischer Instrumente aus der Diskussion und Abgrenzung zu anderen Ansätzen ergibt, wird die NeuKonzeptionalisierung in der Auseinandersetzung mit anderen Begründungsversuchen und theoretischen Ansätzen, maßgeblich der Neuen Organisationsökonomik, erstellt. In Form einer Theoriekritik gilt es in Teil I der Arbeit zu zeigen, worin die Defizite der Neuen Organisationsökonomik begründet liegen und weshalb sie ihren Ansprüchen nicht gerecht werden kann. Im zweiten Schritt (Teil II) wird die Konzeptionalisierung eines eigenen organisationstheoretischen Ansatzes vorgenommen, der es vermag, institutionalisiertes korruptives Handeln in Wirtschaftsorganisationen einer Analyse zugänglich zu machen, ohne dabei die Komplexität der Wirklichkeit zu ignorieren. Es handelt sich dabei also nicht um die Erweiterung des Wieland’schen Ansatzes, sondern um die Entwicklung einer alternativen Sicht auf das Korruptionsphänomen in Unternehmungen.
Einleitung
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Abschließend bedarf es noch des wichtigen Hinweises, dass, insofern es sich bei der Korruptionsthematik um ein Beispiel für den Umgang von Unternehmen mit außerökonomischen Wertbezügen handelt, keinesfalls außer Acht gelassen werden darf, dass der organisationstheoretische Ansatz, wie er in dieser Arbeit entwickelt wird, dem Anspruch gerecht werden muss, auch für andere Problemfälle, die sich aus besagten außerökonomischen Wertbezügen ergeben, Lösungswege aufzuzeigen. 1.3 Konzeption der Arbeit Die Arbeit lässt sich in zwei große Themenblöcke unterteilen: Die Auseinandersetzung mit dem Ansatz der Neuen Organisationsökonomik in Form einer Theoriekritik bildet den Gegenstand des ersten Hauptteils. Der zweite Hauptteil umfasst die Konzeptionalisierung eines organisationstheoretischen Ansatzes, der sich auf institutionstheoretische Elemente stützt und die im ersten Teil herausgearbeiteten Defizite der Neuen Organisationsökonomik aufgreift und durch einen Perspektivenwechsel zu beseitigen versucht. Mit der Konkretisierung der theoretischen Erkenntnisse am Beispiel der Korruptionsthematik wird der zweite Teil abgeschlossen, bevor im Schlussfazit ein Resümee der gesamten Arbeit gezogen wird, das mit einem Ausblick endet. Im Vorfeld der theoretischen Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansätzen der Korruptionsforschung werden in Kapitel 2: Korruption in Organisationen zunächst die entscheidenden Begrifflichkeiten geklärt und Arbeitsdefinitionen festgelegt. Während es sich bei der Spezifizierung von Organisation als hierarchisch ausgerichtete multinationale Unternehmung um ein weitgehend eindeutig definierbares Phänomen handelt, bedarf es im Zuge der Konkretisierung von korruptivem Handeln in Organisationen einer komplexen Betrachtung der verschiedenen Aspekte des Phänomens. Die Interaktion zwischen Korrumpierenden und Korrumpierten, ob jeweils als Einzelperson oder als Akteursgruppe, wird dabei mit der Kategorie der sozialen Beziehung gefasst, um das konstitutive Element des Interagierens zu unterstreichen, wodurch sich Korruption – im Gegensatz zu andere Formen devianten Verhaltens – auszeichnet. Vor dem Hintergrund verschiedener Idealtypen von korruptiven Beziehungen wird schließlich eine eigene Definition von organisationaler Korruption vorgenommen: als eine institutionalisierte Korruption, die je nach Verbreitungs- und Wirkungsgrad bereits als Teil der Organisationsstruktur und -kultur in Erscheinung treten kann. Wie der Titel des Kapitels 3: Stand der Forschung: Korruption als Gegenstand einer Organisationstheorie unschwer zu erkennen gibt, gilt es in Abgren-
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zung zu Forschungsbestrebungen innerhalb der Korruptionsforschung sowie der Organisationstheorien zum einen die Forschungslücke aufzuzeigen, die den Bedarf einer eigenen Neu-Konzeptionalisierung ersichtlich macht. Zum anderen geht es darum, eine Begründung dafür zu liefern, weshalb die Neue Organisationsökonomik von Josef Wieland als eigenständiger Theorieansatz für sich beansprucht, das skizzierte Forschungsdefizit zu beheben, und es damit notwendig macht, sich mit seinem Ansatz näher zu beschäftigen. Teil I Dass die Neue Organisationsökonomik diesem Anspruch nicht gerecht werden kann, zeigt die kritische Auseinandersetzung in Kapitel 4: Die Neue Organisationsökonomik. Neben der Darstellung der Kernelemente der Neuen Organisationsökonomik wird zunächst das gesellschafts- und wirtschaftstheoretische Fundament der NOÖ zum Gegenstand der Ausführungen gemacht. Die kritische Reflexion erfolgt in drei Schritten, wobei im ersten Schritt anhand von drei Zielsetzungen, die die NOÖ für sich zu erreichen beansprucht, jeweils gezeigt wird, weshalb sie diese nicht zu erfüllen vermag. Der zweite Schritt stellt insofern eine Art „Einschub“ dar, als Kernelemente aus der Handlungs- und Strukturtheorie von Max Weber angeführt werden, mit deren Hilfe im dritten Schritt wiederum die organisationstheoretischen Konsequenzen kritisch diskutiert werden, die aus einem Programm wie dem der NOÖ resultieren können. Teil II Das Kapitel 5: Das Programm einer Institutionenanalyse definiert die theoretischen Grundlagen einer Institutionentheorie, wie sie von M. Rainer Lepsius für die Makroebene entwickelt wurde, um damit das Theoriefundament für die organisationstheoretische Neu-Konzeptionalisierung festzulegen. Die entscheidenden Aspekte sind neben dem wertbezogenen Institutionenverständnis die Institutionalisierungs- und De-Institutionalisierungsprozesse von Leitideen und der damit verbundene ständige Kampf zwischen und innerhalb von Institutionen. Unter der Frage nach der Legitimität und „Moralität“ von Institutionen wird außerdem das Spannungsverhältnis von Individualmoral und institutionalisierten Verhaltensstrukturierungen in den Blick genommen, das gerade im Handlungskontext von hierarchisch organisierten Unternehmen eine besondere Brisanz erfährt. Gegenstand des Kapitels 6: Das Programm einer organisationalen Institutionenanalyse ist der Transfer der Erkenntnisse aus der Institutionentheorie von Lepsius auf die Organisationsebene. Ausgangspunkt bildet die Darstellung von Rückkopplungseffekten, die aufgrund von veränderten Rahmenbedingungen Unternehmen dazu zwingen, ihre Strategie vor dem Hintergrund eines sich wandelnden gesellschaftlichen Legitimitätsanspruchs neu zu definieren. Die damit verbundenen Konsequenzen sowohl für die Führungsebene als auch für die Mit-
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arbeiterebene werden unter der Bezeichnung „Unternehmensführung als Institutionenpolitik“ diskutiert. Die Differenzierung der Akteursgruppen und die damit verbundene Spezifizierung der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten erfolgen in enger Bezugnahme auf die Ausführungen zur „Legitimität und „Moralität“ von Institutionen“ aus dem vorherigen Kapitel. Die Erkenntnisse aus der Entwicklung des Programms einer organisationalen Institutionenanalyse werden in Kapitel 7: Korruption als Gegenstand einer organisationalen Institutionenanalyse exemplarisch auf das Korruptionsthema angewandt. Es wird der Frage nachgegangen, wie eine Unternehmensführung, die sich in ihrer Organisation mit strukturell und kulturell verankerter Korruption konfrontiert sieht, dieser mithilfe der Institutionalisierung von Gegenprinzipien zu begegnen vermag. Ausgehend von der Darstellung der für Wirtschaftsorganisationen relevanten korruptionsspezifischen Rahmenbedingungen, werden konkrete Maßnahmen und Verfahren sowohl auf Führungs- als auch auf Mitarbeiterebene thematisiert, die Gegenstand des Prozesses der Institutionalisierung einer Leitidee der Integrität seien können. Unter dem Titel „Die Gestaltung der äußeren Institutionenordnung zu einem korruptionshemmenden organisationalen Umfeld“ wird abschließend der Fokus zurück auf die Makroebene gelenkt, um trotz der thematischen Schwerpunktsetzung auf innerorganisationale Prozesse nicht Gefahr zu laufen, die Wirkungsprozesse zwischen Organisationen und ihrem organisationalen Feld zu ignorieren. Insofern bei multinationalen Unternehmen verstärkt die internationalen Rahmenbedingungen als Einflussgröße zu berücksichtigen sind, werden am Beispiel der nationalen Kontaktstellen der OECD die Möglichkeiten und Beschränkungen von solchen intermediären Institutionen diskutiert. Die Arbeit schließt in Kapitel 8: Resümee und Ausblick mit einem Schlussfazit hinsichtlich der Argumentation und Ergebnisse der gesamten Arbeit und zeigt weitere, gerade auch außerorganisationale Forschungsfelder auf, deren systematische Bearbeitung aufbauend auf den innerorganisationalen Ergebnissen als vielversprechend und notwendig erachtet wird.
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Das Erkenntnisinteresse der Arbeit liegt in der Analyse des Korruptionsphänomens, von dem angenommen wird, dass es in Wirtschaftsorganisationen als institutionalisiertes Beziehungsgeflecht existiert. Das heißt, dass die Wirtschaftsunternehmung im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Hauptgegenstand des Kapitels ist es vor dem Hintergrund dieses spezifischen Handlungskontexts, eine eigene Definition von Korruption zu entwickeln. Dafür bedarf es jedoch einer breiter angelegten Annäherung an das Phänomen, die die Besonderheiten von organisationaler Korruption und die Relevanz des Themas Korruption für multinationale Unternehmen aufzeigt. Ziel ist es in diesem Teil der Ausführung, ein Verständnis für die Komplexität der Thematik herzustellen. Denn offensichtlich verbirgt sich hinter dem Begriff Korruption ein Konglomerat an Definitionen und Aspekten. Umso wichtiger ist es, für eine klare Begriffsdefinition, den Zugang zu dem Korruptionsphänomen eindeutig zu bestimmen und in diesem Fall ein soziologisches Korruptionsverständnis der Arbeit zu entwickeln. Mit der Thematisierung von drei Herausforderungen – Tabuisierung, Medialisierung und Moralisierung –, denen sich die Korruptionsforschung ausgesetzt sieht, wird die Notwendigkeit einer soziologischen Herangehensweise an das Phänomen der Korruption nochmals unterstrichen. Dabei wird die Verwendung der Kategorie der sozialen Beziehung ebenso wie die Methode der Idealtypenbildung von korruptiven Beziehungen die Spezifika einer soziologischen Perspektive aufzeigen, die nicht zuletzt einen wertfreien Analysezugang auf den Untersuchungsgegenstand ermöglicht. 2.1 Das Phänomen organisationaler Korruption: eine Annäherung Mit der Nennung des Begriffs der Annäherung im Titel des Kapitels ist bereits impliziert, dass es darum geht, dass das Korruptionsphänomen, indem es nach und nach eingegrenzt wird, an Klarheit und Eindeutigkeit gewinnt und gleichzeitig der unbestimmte Charakter des Phänomens abnimmt.
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2.1.1 Organisation als multinationale Unternehmung Den Ausgangspunkt bildet das multinationale Unternehmen als eine Organisationsform, welche sich aufgrund ihrer internationalen Geschäftstätigkeit besonders und in vielerlei Hinsicht mit dem Thema Korruption konfrontiert sieht. In Anlehnung an die Definition aus den Leitsätzen der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development)1 soll unter der Bezeichnung multinationale Unternehmung Folgendes verstanden werden: „Es handelt sich gewöhnlich um Unternehmen oder andere in mehreren Ländern niedergelassene Unternehmensteile, die so miteinander verbunden sind, dass sie ihre Geschäftstätigkeit auf unterschiedliche Art und Weise koordinieren können. Einer oder mehrere dieser Unternehmensteile können u. U. in der Lage sein, einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der anderen Unternehmensteile auszuüben, doch wird ihr Autonomiegrad innerhalb des Gesamtunternehmens je nach den betreffenden multinationalen Unternehmen sehr unterschiedlich sein. Das Gesellschaftskapital kann privat, öffentlich oder gemischt sein“ (OECD 2000: 20). Der Prozess der Globalisierung im Sinne dichter werdender globaler Verflechtungen ist eng mit der Geschichte des Unternehmens verzahnt. So spricht Harold James davon, dass bereits „das 18. Jahrhundert, in dem die Ostindiengesellschaften ihre Tätigkeiten quer über die Kontinente hinweg entfaltete, […] allen maßgeblichen Kriterien zufolge einer Ära der Globalisierung [entsprach]“ (James 2004: 12). Das gegenwärtige, sich rapide wandelnde internationale Umfeld führt einem die Notwendigkeit, eine Antwort auf die Frage der Rolle von Unternehmen in einer zunehmend interdependenten globalen Gesellschaft zu finden, eindrucksvoll vor Augen. Obgleich die unter dem Begriff der „Global Governance“ hochgradig kontrovers geführte Debatte keine zeitnahe Einigung hinsichtlich der Frage nach der Legitimation von Unternehmen als politische Akteure zu versprechen vermag, wird die Tatsache, dass multinationale Unternehmen verstärkt über globalen, Länder und Gesetze übergreifenden Einfluss verfügen, nicht in Abrede gestellt. Eine ähnliche Zuschreibung an Einflussmöglichkeiten auf das „globale Regieren“ wird für die Zivilgesellschaft vorgenommen, die sich in NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) national und international formiert (vgl. Reinicke 2004). Wiederum umstritten ist dagegen, welche Konsequenzen aus den unterschiedlichen Hinweisen auf Machtverschiebung gezogen werden müssen, die neben der Politik der Nationalstaaten die Rolle der internationalen zwischenstaatlichen Institutionen sowie die der zivilgesellschaft1
Bei den Leitsätzen der OECD handelt es sich um gemeinsame Empfehlungen der Regierungen an multinationale Unternehmen. Die überarbeiteten Leitsätze aus dem Jahr 2000 wurden durch weitere Kapitel ergänzt, wozu unter anderem das Kapitel über Korruptionsbekämpfung gehört.
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lichen Organisationen betreffen. Auch wenn die Kontroverse hinsichtlich der Einbindung von Unternehmen und NGOs in globale Ordnungsstrukturen, die auf Seiten der Wissenschaft ebenso wie auf politischer Seite geführt wird, im hier gezogenen Rahmen nicht differenziert dargestellt werden kann, werden die sich verändernden Rollen der beteiligten Akteure im Verlauf der Arbeit in dem Maße thematisiert, wie sie als Gegenstand des organisationalen Umfelds, das in diesem Kontext unter den Begriff der äußeren Institutionenordnung gefasst wird, für die Fragestellung von Relevanz sind. Einige Eckpunkte, die unter dem Aspekt der Risikovermeidung die Korruptionsthematik auf die Tagesordnung von multinationalen Unternehmen setzen, sollen bereits in diesem Kapitel angesprochen werden. Zuvor gilt es allerdings, den Begriff der Korruption näher zu bestimmen. 2.1.2 Korruption: Das „opferlose“ Delikt Im Folgenden geht es zunächst vor allem darum, eine Vorstellung davon zu bekommen, welche unterschiedlichen Phänomene mit dem Begriff Korruption in Verbindung gebracht werden, selbst wenn bereits aufgrund des wirtschaftlichen Bezugs eine gewisse Eingrenzung erfolgt ist. Grund dafür ist, dass Korruption, obgleich als allgemein bekanntes Phänomen in der Alltagssprache fest verankert, keineswegs über eine einheitliche Definition verfügt. Da Korruption ein zweiseitiges Delikt ist, das immer einen „Geber“ und einen „Nehmer“ erfordert, und außerdem in vielfältiger Weise auftreten kann, gibt es strafrechtlich keinen allgemeinen Tatbestand der Korruption. Um eine klare, eindeutige Begriffsdefinition zu finden, hilft deshalb auch der Blick in das Gesetzbuch nicht weiter. Lediglich die verschiedenen Straftatbestände, in deren Kontext korruptives Verhalten sanktioniert wird, bieten einen konkreteren Anhaltspunkt. Zu erwähnen sind hierbei folgende Paragraphen: § 298 StGB Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen, § 331 StGB Vorteilsannahme, § 332 StGB Bestechlichkeit, § 333 Vorteilsgewährung und § 334 Bestechung. Um dennoch ein einheitliches Begriffsverständnis von Korruption den weiteren Ausführungen voranstellen zu können, soll die vom Bundeskriminalamt (BKA) in ihrem Bundeslagebild 2008 in Anlehnung an die Kriminologen Vahlenkamp und Knauß verwendete Definition dienen. Korruption ist hier der „Missbrauch eines öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandats zugunsten eines Anderen, auf dessen Veranlassung oder Eigeninitiative, zur Erlangung eines Vorteils für sich oder einen Dritten, mit Eintritt oder in Erwartung des Eintritts eines Schadens oder Nachteils für
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die Allgemeinheit (in amtlicher oder politischer Funktion) oder für ein Unternehmen (betreffend Täter als Funktionsträger in der Wirtschaft)“ (BKA 2008: 4). Im Folgenden wird der Versuch unternommen, diese sehr allgemein gehaltene Definition von Korruption zu konkretisieren und zwei Arten von Korruption zu unterscheiden (vgl. Pies 2008), die beide relevant für den Untersuchungsgegenstand der multinationalen Unternehmen sind: Dabei handelt es sich zum einen um Belastungskorruption, welche sich in der Nähe von Erpressung verorten lässt. Aufgrund eines Machtungleichgewichts wird der Interaktionspartner zu Zusatzleistungen jedweder Art motiviert bzw. genötigt. Zum anderen handelt es sich um Entlastungskorruption, welche häufig von den Beteiligten ex post als Win-win-Situation beschrieben wird. Diese Bewertung kann sich etwa in einem fehlenden Unrechtsbewusstsein oder anderen Neutralisationstechniken, die der Akteur hinsichtlich der begangenen Tat entwickelt, widerspiegeln. Der Ansatz zur Theorie der Neutralisation von Sykes und Matza (1958), die sich auf Albert Cohen (1955) beziehen, geht von der paradoxen Tatsache aus, dass für viele Delinquenten dominierende gesellschaftliche Werte und Normen keineswegs irrelevant sind. Vielmehr ist die „Welt des Delinquenten […] die auf den Kopf gestellte Welt des Gesetzestreuen, und seine Normen sind eine gegenläufige Kraft, die gegen die konforme soziale Ordnung gerichtet ist“ (Sykes/Matza 1974: 362). Hervorzuheben ist, dass bei der Entlastungskorruption eine Interaktion, ein Tausch zustande kommt, aus welchem zunächst alle Beteiligten einen Vorteil für sich ziehen können. Dass dies jedoch zu Lasten Dritter geschieht, wird von den Beteiligten häufig erfolgreich ignoriert, wozu nicht zuletzt die Abstraktion von Opfer und Schaden, wie es Christian Höffling beschreibt, entscheidend beiträgt. Die gängige Kennzeichnung von Korruption als „opferloses Delikt“ gibt Hinweis darauf, wie die Schädigung von Dritten, bei denen es sich „vorwiegend […] um anonyme und abstrakte Kollektive [handelt]“ (Höffling 2002: 216), wahrgenommen wird. So seien die „Leidtragende[n] materieller Schäden […] ,die Konkurrenz‘, ,der Staat‘ und mit diesem ,die Steuerzahler‘“ (Höffling 2002: 216). Weiter führt Höffling aus, dass „vollends unkonturiert […] schließlich potentielle immaterielle Auswirkungen wie die Aushöhlung der Prinzipien des fairen Wettbewerbs oder der Verlust des Vertrauens in die rechtstaatlichen Institutionen [bleiben]“ (Höffling 2002: 216). Unabhängig davon, wie von Täterseite der Schaden Dritter wahrgenommen wird, wohnt sowohl der Belastungs- als auch der Entlastungskorruption laut Pies ein hohes Maß an Sozialschädlichkeit inne, das nach den Folgen seiner Schädlichkeit zu differenzieren sei. Während Belastungskorruption wie „eine zusätzliche Steuer mit starken Verzerrungseffekten“ wirkt, die „die volkswirtschaftliche Allokation beeinträchtigen“, legt die Entlastungskorruption die „Axt an das marktwirtschaftliche Prinzip der arbeitsteiligen Zusammenarbeit“, welche ja
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„konstitutiv darauf angewiesen ist, dass man auf die Integrität vertraglicher Leistungsbeziehungen vertrauen kann“ (Pies 2008: 1). Letztlich wird aber auch bei der Entlastungskorruption die volkswirtschaftliche Allokation beeinträchtigt. Mithilfe eines Überblicks zum Erkenntnisstand der empirischen Forschung kommen Ingo Pies und Peter Sass (2008) aus ökonomischer Perspektive zu dem Ergebnis, dass Korruption Wirtschaft und Politik unterminiert und damit gravierende Schäden verursacht. Private und öffentliche Akteure werden zu Verhaltensweisen veranlasst, welche auf gesellschaftlicher Ebene Folgen wie die Verringerung der Produktivität, das Sinken des Bruttoinlandsproduktes, eine Verlangsamung des Wachstums, eine Vergrößerung von Ungleichheit und Armut sowie die Verschlechterung des Gesundheits- und Bildungsniveaus haben (vgl. Pies/Sass 2008: 69f.). Offensichtlich verfügt Korruption als Phänomen, welches sich im öffentlichen wie im privaten Sektor sowie in der Interaktion beider Sektoren miteinander finden lässt, über eine erhebliche Bandbreite von Ausprägungen und Wirkungsweisen. Für international agierende Organisationen sind beide Korruptionsarten insofern relevant, als Belastungskorruption vornehmlich in sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern praktiziert wird und Entlastungskorruption in hohem Maß in Rechtsstaaten wie Deutschland stattfindet (vgl. Pies 2008: 1). Multinationale Organisationen sind also in besonderer Weise einem mit Korruption verbundenen Risiko ausgesetzt, wobei dies nicht bedeutet, dass sich besagte Unternehmen ausschließlich in einer Opferrolle befinden. Vielmehr sind gerade globale Wirtschaftsakteure bislang durchaus auch Profiteure der unterschiedlichen Rechtsräume und Gesetzesbestimmungen gewesen. Wie im folgenden Kapitel deutlich wird, vollzieht sich hier allerdings ein Wandel der Rahmenbedingungen. Dieser Veränderungsprozess wird skizziert, indem aus unterschiedlichen Perspektiven dem erhöhten Risikofaktor organisationaler Korruption nachgegangen wird. 2.1.3 Korruption als Risikofaktor für Wirtschaftsorganisationen Die Risiken für ein global agierendes börsennotiertes Unternehmen lassen sich im Hinblick auf die Korruptionsthematik gut am Beispiel der amerikanischen Börsenaufsicht veranschaulichen. Auf Grundlage des Korruptionsgesetzes „Foreign Corrupt Practices Act“ (FCPA) von 1977, das seit 1998 auch für ausländische Unternehmen gilt, ist es der amerikanischen Börsenaufsicht SEC (Security and Exchange Commission) möglich, wirkungsvoll gegen ausländische Korruptionspraktiken vorzugehen. Das verstärkte Vorgehen der SEC-Ermittler, die in der Regel eng mit dem Justizministerium zusammenarbeiten, spiegelt sich
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zum einen in der Zunahme der Ermittlungsfälle2, zum anderen in der Verhängung von hohen Bußgeldern und Haftstrafen wider. So wurde die norwegische Statoil ASA als erste ausländische Gesellschaft 2006 zu einem Bußgeld von 21 Millionen Dollar verpflichtet. Im Jahr 2007 musste das britische Öl- und GasUnternehmen Vetco International 26 Millionen Dollar Strafe zahlen, da sich der Vorwurf, Vetco hätte 2,1 Millionen Dollar an nigerianische Beamte gezahlt, nach Angaben der US-Behörden bestätigte (vgl. Syre 2007). Der Einfluss, den die SEC auf das Handeln deutscher Unternehmen nimmt, hat seit der Korruptionsaffäre der Siemens AG sicherlich eine weitere Dimension erreicht. So spricht die „Süddeutsche Zeitung“ bereits im August 2007 von einer „Amerikanisierung des Wirtschaftsrechts“: „Amerikanische Anwälte ordnen in deutschen Konzernen die Finanzorganisationen neu, sie entscheiden durch ihr bloßes Dasein über die Besetzung von Vorstandsposten und sorgen für neue ethische Standards“ (Leyendecker 2007). Denn für einen Konzern wie die Siemens AG wäre eine Listung auf der amerikanischen „black list“, die zum Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen führt, ein weitaus schmerzhafterer Verlust als eine finanzielle Strafe in Milliardenhöhe. Die Tatsache, dass Siemens aufgrund der deutschen Rechtsprechung noch nicht einmal mit einer Geldstrafe bestraft werden kann, da es sich um keine natürliche, sondern eine juristische Person, eine Aktiengesellschaft, handelt, ist aufgrund des Wirkungsbereichs der SEC für Siemens mittlerweile wenig hilfreich. Die Berufung eines Amerikaners, Peter Solmssen, in den Siemens-Vorstand scheint insofern die logische Konsequenz zu sein. Dieser hat sein erklärtes Hauptziel, eine Einigung mit der SEC, bereits im Dezember 2008 erreicht. Das Resultat der schwierigen Verhandlungen: Siemens akzeptiert die 800 Millionen Dollar Strafe, wird im Gegenzug jedoch nicht wegen Bestechung verurteilt, die für die SEC aufgrund von Hunderten von Bestechungsprojekten und Tausenden illegaler Zahlungen erwiesen ist. Der Erfolg der Einigung mit der SEC wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass in den Anklageschriften der SEC hinsichtlich der Schmiergeldzahlungen an ausländische Amtsträger von einem „weitverzweigten und systematischen System“ die Rede ist, was durchaus eine Strafzahlung von sechs bis zehn Milliarden anstelle der 800 Millionen Dollar ermöglicht hätte (Balser/Ott 2008). Diese Gesamtsumme setzt sich aus einer Strafe des US-Justizministeriums über 450 Millionen Dollar und 350 Millionen Dollar Gewinnabführung an die SEC zusammen. Eine Auflage der SEC ist die Berufung eines unabhängigen 2 „Nach einer Untersuchung der Kanzlei Shearman & Sterling hat das US-Justizministerium im vergangenen Jahr 15 neue Untersuchungen gegen ausländische Unternehmen wegen des Verdachts auf Bestechung aufgenommen. 2005 waren es acht Fälle. Gegen 47 Firmen, darunter auch gegen deutsche wie Siemens und DaimlerChrysler, werden derzeit Untersuchungen durchgeführt“ (Syre 2007).
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Compliance-Monitors für die kommenden vier Jahre, wobei die Wahl auf den früheren Bundesfinanzministers Theo Waigel (CDU) fällt. Das Risiko korruptiven Handelns spielt für Wirtschaftsorganisationen keineswegs ausschließlich in Bezug auf Regelverstöße, Strafzahlungen und Strafverfolgung – geahndet durch eine Institution wie SEC – eine Rolle. Vielmehr beinhaltet die bereits erwähnte Außenzuschreibung ein großes Potential an unvorhersehbaren Folgewirkungen. Gemeint ist, dass die für den Erfolg einer Organisation durchaus relevanten Faktoren der Legitimität und Reputation einer Unternehmung aufgrund einer aus der Umwelt als nicht-legitim oder unmoralisch definierten innerorganisationalen Handlung großen Schaden nehmen können (vgl. Paine 2003; Beschorner 2004c; Norman 2004; Fürst 2005). Die Grauzone der begrifflichen Vielfalt und der sich wandelnden gesellschaftlichen Interpretationsmöglichkeiten von korruptivem Handeln bedeutet für Unternehmen insofern nicht nur, dass diese ihren Handlungsspielraum erweitern, also von der definitorischen Unschärfe profitieren können – bspw. im Sinne einer kultursensitiven Interpretation von einem Bestechungsdelikt als Geschenkritual –, vielmehr können sie in gleicher Weise Opfer dieser Zuschreibung werden, da die Legitimität von Organisationen nicht zwangsläufig von ausschließlich legitimen Ansprüchen infrage gestellt wird. So kann auch ein grundsätzlich legales Handeln von Organisationen durch eine sensible, durch Medien und NGOs aufbereitete Thematik von der Umwelt als nicht-legitim oder unmoralisch definiert werden und somit zum Risikofaktor für die Existenz der gesamten Unternehmung werden. Denn „legale Handlungen sind […] nicht notwendiger Weise auch legitime – genauer: als legitim betrachtete Handlungen“ (Paine 1999a; 1999b). Die Komplexität der externen Einflüsse wird somit zu einer unberechenbaren Größe, welche gerade für Organisationen, die sich in unterschiedlichen kulturellen Kontexten mit deren jeweiligen sich verändernden Legitimitätsverständnissen bewegen, eine große Herausforderung bedeutet. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich aufgrund des massiven Vorgehens der amerikanischen Börsenaufsicht weltweit der Druck auf Unternehmen erhöht, die eigenen Geschäftsprozesse nach dem ihnen zugrunde liegenden Bestechungs-, bzw. allgemeiner nach Betrugspotential zu analysieren. Hinweis darauf, dass dies keineswegs der einzige Schauplatz ist, auf welchem Korruption zum existenziellen Thema für Unternehmen wird, gibt die Differenzierung zwischen legalen und als legitim betrachteten Handlungen. Sie soll im weiteren Verlauf der Arbeit im Zusammenhang mit den sich ändernden Rahmenbedingungen und Handlungskontexten von Unternehmen von unterschiedlichen Blickwinkeln aus betrachtet werden. Tatsache ist, dass der erfolgreiche Umgang mit dem Phänomen der organisationalen Korruption für multinationale Unternehmen zu einem existenziellen
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Faktor werden kann. Diese Notwendigkeit, von Seiten der Unternehmen mit einem innerbetrieblichen Problem einer weitverzweigten und an die Organisationspraxis angepassten Korruption umgehen zu müssen, bildet den Ausgangspunkt der Überlegungen dieser Forschungsarbeit zu korruptivem Handeln in Organisationen und spiegelt sich dementsprechend auch in der der Arbeit zugrunde liegenden Definition von Korruption wider. 2.1.4 Tabuisierung, Medialisierung und Moralisierung Die wichtigsten Einflussgrößen, durch die die Korruptionsforschung erschwert wird, gilt es anhand der drei Dimensionen Tabuisierung, Medialisierung und Moralisierung anzusprechen, die Jansen als die „systematischen Hauptprobleme der Korruptionsforschung“ bezeichnet (Jansen 2005: 14f.). Tabuisierung wird von Jansen als erstes Problem systematischer Korruptionsforschung genannt. Trotz der steigenden Präsenz der Korruptionsthematik in der Öffentlichkeit (vgl. Ernst & Young 2008a) und auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung haftet ihr ein Tabu an, das sich in der Geheimhaltung der Handlung als wesentlichem Merkmal korruptiven Handelns sowie in den damit verbundenen Folgen zeigt. Unabhängig davon, ob situative oder strukturelle Korruption – womit in Anlehnung an die Idealtypen korruptiven Handelns von Höffling (siehe auch Kapitel 2.2.3) zum einen korruptives Handeln als Einzelhandlung und zum anderen als längerfristig angelegte Kooperationsbeziehung gemeint ist –, in beiden Fällen gilt, dass es im Interesse aller Beteiligten ist, diese Art der Geschäftstätigkeit vertraulich durchzuführen. Zwangsläufig und erschwerend kommt somit für die Forschung hinzu, dass kaum belastbare statistische Daten zu erheben sind und die Angaben sich häufig nur auf die Schätzung einer Dunkelziffer beziehen bzw. auf Daten zurückgegriffen wird, die von Dritten – insbesondere von Anti-Korruptions-Organisationen als Nichtregierungsorganisationen – zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund der schwierigen Datenlage einer quantitativen Forschung liegt als Konsequenz die Versuchung nahe, sich auf qualitative Einzelfallstudien zu konzentrieren, womit jedoch keine belastbaren Längsschnittaussagen zu treffen sind. Eine weitere Herausforderung, der sich die Korruptionsforschung in zunehmendem Maße stellen muss, ist die „verzerrte Bewertung des empirischen Phänomens“ aufgrund der medienverursachten Skandalisierung (vgl. Jansen 2005: 12), welche Jansen unter den Begriff Medialisierung fasst. Dem medialen Interesse nach zu schließen birgt das Thema Korruption ein hohes Potential an individuellen sowie institutionellen Stigmatisierungs- und Skandalisierungsmöglichkeiten, unabhängig davon, in welchem lebensweltlichen Kontext sich die
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korruptiven Vorfälle verorten lassen. Die Bandbreite an Fällen, die medial unter dem Thema Korruption bearbeitet werden, und die von Steuerhinterziehung durch Einzelpersonen bis hin zu schwarzen Auslandskonten von internationalen Organisationen reicht, lässt erahnen, wie groß der Spielraum ist, das „Skandalniveau“ von Korruption auf einer für journalistische Zwecke attraktiven Höhe zu halten. Auch wenn in dieser Arbeit die Annahme von Jansen bezüglich einer möglichen „verzerrten Bewertung des empirischen Phänomens“ aufgrund des Einflusses von Massenmedien durchaus als nachvollziehbar angesehen wird, so wird hier die Einschätzung einer damit einhergehenden Gefahr für die wissenschaftliche Forschung nur bedingt geteilt. Aus soziologischer Perspektive im Sinne einer „verstehenden Soziologie“, der es nicht um die Findung einer objektiven oder metaphysisch ergründeten Wahrheit geht, entspricht die von außen skandalisierte Korruptionshandlung ebenso der zu untersuchenden empirischen Realität wie ein außerhalb der Medienöffentlichkeit stattfindendes Vergehen. Entscheidend ist, dass die Rolle der Medien als aufmerksamkeitsgenerierende Einflussgröße reflektiert wird, weshalb diese im Verlauf der Arbeit ebenfalls als Teil der äußeren Institutionenordnung in den Fokus gerückt werden soll. Die Tatsache, dass Medien maßgeblich dazu beitragen, Themen zum Gegenstand öffentlicher Diskussion zu machen, wird hinsichtlich der Frage, inwieweit es für den Problemgegenstand der Korruption entscheidend ist, auf die Diskursagenda zu gelangen, am Ende Arbeit noch einmal aufgegriffen. Das von Jansen ebenfalls aufgeworfene systematische Problem einer Moralisierung innerhalb der Korruptionsforschung wird mit Blick auf die Forschungslandschaft durchaus geteilt. Es lässt sich eine Tendenz verzeichnen, dass nicht über, sondern gegen Korruption geforscht wird, wohingegen die Wissenschaft „der möglichst präzisen Beschreibung der Bedingungen der Möglichkeit für Korruption verpflichtet sein [sollte], der Bereitstellung der vielfältigen Formen der Korruption sowie einer Präzisierung der Funktionalität“ (Jansen 2005: 15). Ein Ziel der Arbeit ist es, zu zeigen, dass eine soziologische Analyse diesem Anspruch gerecht werden kann. Gerade die Soziologie eignet sich insofern als Erkenntnisprogramm für die Auseinandersetzung mit Korruption als einem empirisch auffindbaren Ereignis, das an den Schnittstellen von wirtschaftlichem Handeln, politischen Ordnungsvorgaben und kulturellen Wertsystemen auftritt, da sie eine differenzierte Analyse ermöglicht, ohne dabei „nach sozial-moralischen Wertbekenntnissen [zu urteilen], die jedem anderen verfügbar sein können“ (Lepsius 2008b: 152). Dies ist möglich, weil sie die Identifikation von Strukturen und Ordnungskonstellationen zulässt und Kriterien und Kategorien anbietet, welche eine Analyse sowohl der
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zerstörerisch als auch der gestalterisch funktionalen Wirkungsmächte von korruptivem Handeln zulässt. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Wirkungszusammenhänge zwischen einer Vielzahl von Akteuren – kollektiven und individuellen – mit ihren jeweiligen Interessen und Handlungsmotiven und den verhaltenssteuernden Strukturen sowie aufgrund der großen Vielfalt an Korruptionsdefinitionen und deren Abhängigkeit zu kontextuellen und zeitlichen Faktoren erfordert eine Betrachtung von Korruption in Wirtschaftsorganisationen ein Forschungsprogramm, welches die komplexen Zusammenhänge hinter dem menschlichen Verhalten in bestimmten Handlungskontexten zu analysieren vermag. Wie im Folgenden sichtbar wird, ermöglicht die Wahl einer soziologischen Perspektive auf das Phänomen der organisationalen Korruption nicht zuletzt, dass sich die Arbeit aufgrund einer wertfreien Herangehensweise von den Theorieansätzen mit einem normativen Anspruch zu distanzieren vermag. 2.2 Eine soziologische Perspektive der Korruption in Organisationen Das Korruptionsphänomen steht offensichtlich stellvertretend für eine Vielzahl von Handlungen, die sich, wie weiter oben bereits erwähnt, nicht alle zwangsläufig durch Illegalität auszeichnen (vgl. Pies 2003; Paine 1999a; Paine 1999b). Auch das von der Öffentlichkeit als unmoralisch empfundene Verhalten kann, stigmatisiert als korruptives Verhalten, für den einzelnen Akteur oder auch für die durch ihn vertretene Organisation weitreichende Konsequenzen mit sich bringen. Da sich die öffentliche Wahrnehmung durch Wandlungsfähigkeit und durchaus auch durch ein gewisses Maß an Willkür auszeichnet, überrascht es nicht, dass das Korruptionsthema bei Wirtschaftsorganisationen zunehmend in bestehende Organisationseinheiten, wie die Interne Revision3, strategisch zu verankern versucht wird und damit zum Bestandteil ihrer Risikoanalyse4 wird.5 3 Die Rolle der internen Revision ist dabei insofern umstritten, als hier zwar Unregelmäßigkeiten aufgedeckt und geahndet werden können, allerdings kaum Möglichkeiten zur Korruptionsprävention bestehen. In einer repräsentativen Studie aus dem Jahr 2006, die ein Marktforschungsinstitut im Auftrag des Beratungsunternehmens Ernst & Young zum Thema „Interne Revision“ durchgeführt hat, wird deutlich, dass nach Einschätzung von Leitungsebenen sowie externen Analysten, Journalisten und Investoren, Korruption verstärkt zum Bestandteil des Risikomanagements wird, obgleich sie die Interne Revision bislang noch nicht ausreichend dafür ausgerüstet sehen, diese Risiken zu managen (vgl. Ernst & Young 2008b: 13). 4 Dies spiegelt sich in der Studie „10th Global Fraud Report“, ebenfalls von Ernst & Young in Auftrag gegeben, folgendermaßen wider: „Our survey suggests that companies have developed a clear appreciation for the risks associated with corrupt payments. There is a widespread awareness of the reputational, legal and commercial impacts of allegations of corrupt behavior. Indeed 56 % of res-
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Ziel der folgenden Ausführungen ist es, eine soziologische Sicht auf das Korruptionsphänomen zu entwickeln, für die es notwendig ist, auf moralische Bewertungen zu verzichten. Zunächst gilt es jedoch, den Ausgangspunkt und den kontextuellen Rahmen zu bestimmen, in welchem sich die soziologische Analyse verorten lässt. Und zwar steht die Wirtschaftsorganisation, die sich durch internationale Geschäftstätigkeiten auszeichnet, bei der sich also das Maß an Unsicherheit bezüglich des Umgangs mit Korruption in der eigenen Organisation gerade auch durch die unterschiedlichen kulturellen Handlungskontexte potenziert, im Fokus der Betrachtung. Vorab gilt es darauf zu verweisen, dass Korruption als ein strukturelles Problem in Organisationen wahrgenommen wird. Auch wenn korruptive Handlungen immer von einzelnen Akteuren begangen werden, steht nicht das Fehlverhalten von Einzelnen im Vordergrund. Vielmehr wird im Folgenden ein Korruptionsverständnis entwickelt, bei dem es sich um ein Verhaltensmuster handelt, das durchaus auch weite Teile eines Unternehmens durchdringt und das sich in Begriffen wie „Netzwerk-Korruption“, „expansive Korruption“, „kollektive Korruption/Devianz“ und nicht zuletzt in der Bezeichnung „institutionalisierte Korruption“ – wie Korruption letztlich als Untersuchungsgegenstand der Arbeit definiert wird (siehe Kapitel 2.3) – unter verschiedenen Gesichtspunkten widerspiegelt. Im Vordergrund stehen damit nicht die psychologischen Motive der einzelnen Akteure und damit die Entwicklung einer Typologie von Täterprofilen und deren Neutralisierungs- und Rechtfertigungsmechanismen. Der Blick richtet sich vielmehr auf innerorganisationale strukturelle Zusammenhänge, in die korruptive Praktiken eingebettet sind, und darüber hinaus auf institutionalisierte Leitideen, das heißt Institutionen, durch welche bestimmte Wertvorstellungen handlungsrelevant werden und durch welche nicht-integres Verhalten unter bestimmten Umständen normalisiert werden kann. 2.2.1 Der spezifische Kontext von Organisationen Mit Betonung auf der expliziten Kontextbezogenheit soll darauf hingewiesen werden, dass der organisatorische Kontext den Rahmen der Analyse korruptiven pondents told us that they strongly agree that their management understands the potential exposure of their company to these risks“ (Ernst & Young 2008a: 8). 5 Eine ausführliche Analyse über die Möglichkeiten und Herausforderungen korruptionsorientierter Konzepte zum Umgang mit Managementrisiken gerade in den korruptionsanfälligen Bereichen Einkauf und Beschaffung bietet die Habilitationsschrift von Michael Henke, die Anfang 2009 unter dem Titel „Supply Risk Management: Planung, Steuerung und Überwachung von Supply Chains“ veröffentlicht wurde (vgl. Henke 2009).
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Handelns bildet. Singuläre oder vereinzelte Ereignisse stehen somit nicht im Fokus der Betrachtung. Vielmehr wird der Blick auf die formalen und informellen sozialen Beziehungen zwischen den Organisationsmitgliedern gelenkt und mithilfe einer Mehr-Ebenen-Analyse die individuelle mit der organisatorischen Ebene verknüpft. Dementsprechend steht das Phänomen der kollektiven Korruption im Mittelpunkt, die das Potential beinhaltet, die gesamte Organisation zu durchdringen und Teil der Organisationsstruktur zu werden (Grieger 2009: 108). Ein wesentliches Merkmal von Wirtschaftsorganisationen ist die hierarchische Struktur, die sich durch eine mehr oder weniger klare Weisungsbefugnis von Vorgesetzen den Mitarbeitern gegenüber auszeichnet. Die Mitgliedschaft in einer Organisation wird über einen Arbeitsvertrag geregelt, der neben Zuständigkeiten und Aufgaben mithilfe eines Katalogs an Richtlinien die Zusammenarbeit zwischen den Organisationsmitgliedern strukturiert, um letztlich deren individuelle Bedürfnisse und Ziele mit denen der Organisation zu koordinieren und aufeinander abzustimmen. Mit Rehberg können Organisationen verstanden werden als „formale Zusammenschlüsse von Mitgliedschaftsgruppen im Kontext zweckorientierter Aufgabenerfüllung (mit Mitgliedschaftsregeln, Organen und Instanzen, Normierungs-, Führungs- und Verwaltungskompetenzen etc.)“ (Rehberg 2002: 49). In Bezug auf die Korruptionsthematik spielen drei Faktoren eine besondere Rolle: Gruppenzwang bzw. Konformitätszwang, Unternehmenssozialisation und soziale Kontrolle, wobei unter sozialer Kontrolle hier die Methoden verstanden werden, mit denen eine Gesellschaft – hier eine Organisation – „widerspenstige Mitglieder auf Vordermann bringt“ (Berger/Luckmann 1969: 80). Auch wenn der Einfluss dieser organisatorischen Kräfte durchaus so weit gehen kann, dass Personen in einer Weise motiviert werden, Dinge zu tun, die sie unter anderen Bedingungen nicht tun würden, geht es an dieser Stelle nicht darum, diesen Einfluss zu konkretisieren. Vielmehr liegt die Betonung auf der Tatsache, dass die handelnden Organisationsmitglieder im Zusammenhang mit organisationaler Korruption „sowohl als verantwortliche Täter und zugleich als Opfer von Organisationsverhältnissen zu betrachten“ (Grieger 2009: 114) sind. Diese Gegenläufigkeit einer Analyse zugänglich zu machen, darin liegt die Herausforderung dieser Arbeit, und zwar mithilfe der Institutionentheorie von M. Rainer Lepsius. Denn wie eingangs erwähnt, vermag es die Institutionentheorie aufgrund des Rückgriffs auf Erkenntnisse der Handlungs- und Strukturtheorie von Weber, diese doppelseitige und gegenläufige Perspektive zuzulassen. Deshalb scheint sie, übertragen auf den organisationalen Kontext, prädestiniert dafür zu sein, diese innerorganisationalen Verschränkungen von Struktur und Handlung analytisch in den Griff zu bekommen.
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Um zu einem eigenen Verständnis von Korruption zu gelangen, bedarf es zunächst jedoch einer Einführung der Kategorie der sozialen Beziehung, um damit einen Zugang zu korruptiven Handlungen in Organisationen zu schaffen, ohne eine Bewertung der Handlung oder eine Stigmatisierung der Akteure vorzunehmen. 2.2.2 Kategorie der sozialen Beziehung Mit der Definition des Forschungsobjekts Korruption als Kategorie der sozialen Beziehung versucht Christian Höffling, dem Anspruch der Wertneutralität gerecht zu werden. Sie lässt sich darin begründen, dass Korruption – im Gegensatz zu anderen Formen devianten Verhaltens – als konstitutives Element des Zusammenhandelns von Akteuren charakterisiert werden kann (Höffling 2002: 24). Damit distanziert sich Höffling vom Verständnis von „Korruption als symbolische Verdichtung des Unmoralischen“, das er als eine nicht näher spezifizierte Amoralität interpretiert, die als individuelle Zuschreibung an Personen ebenso verwendet wird wie als Beschreibung von Handlungen oder Ereignissen. Aufgrund des normativ aufgeladenen und wenig differenzierten Gebrauchs impliziert dieses Korruptionsverständnis die Gefahr, zum „pauschalisierend-umfassenden Synonym für die Schlechtigkeit der Welt“ (Höffling 2002: 15) zu werden. Hintergrund für das Korruptionsverständnis von Höffling bilden vielmehr die Forschungsergebnisse von Lüdtke und Schweitzer (vgl. Lüdtke/Schweitzer 1993: 467ff.), die den Verstoß gegen Rollenerwartungen in den Vordergrund stellen. Höffling fasst diese Dimension in ein Verständnis von Korruption als „qualifizierte[m] Normverstoß“ zusammen. Korruption meint hier die normative Qualität von individuellen Handlungen. Es geht um die Verletzung einer Trennlinie zwischen den Sphären der Öffentlichkeit und des Privaten, die naheliegenderweise nicht klar und eindeutig gezogen werden kann. Die soziale Beziehung, die sich mit Weber als „ein seinem Sinngehalt nach aufeinander eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer“ (Weber: 1980: 13) bestimmen lässt, bildet den Ausgangspunkt der Korruptionsdefinition von Höffling. Sie fällt dementsprechend folgendermaßen aus: Korruption ist „eine soziale Beziehung zwischen individuellen Akteuren in den Rollen von Amtswalter und Klient, die unter Missachtung der auf das Rollenhandeln gerichteten universalistischen Erwartungen um die partikularistische Komponente eines persönlichen Austauschverhältnisses erweitert wird“ (Höffling 2002: 25). Offensichtlich variiert das Phänomen Korruption – wie soziale Gebilde generell – hinsichtlich der Anzahl der Beteiligten, der Dauer, der Intensität, der Konsequenzen und nicht zuletzt auch hinsichtlich des Verpflichtungsgrades (vgl.
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Höffling 2002: 24). Dementsprechend fließend sind die Grenzen, ab wann von korruptivem Handeln gesprochen werden kann. Diese Grauzonen, die sich aus den Interpretationsmöglichkeiten von Gesten des Gebens und Nehmens ergeben, sind naheliegenderweise für international, das heißt in unterschiedlichen kulturellen Kontexten agierenden Organisationen von erheblicher Tragweite. Vor diesem Hintergrund wird bereits hier deutlich, dass es bei der Entwicklung einer eigenen Korruptionsdefinition entscheidend ist, ob es gelingt, trotz dieser Unschärfe den Untersuchungsgegenstand für eine soziologische Analyse zugänglich zu machen. Vorweg zu nehmen ist, dass gerade aus diesem Grund von „institutionalisierter Korruption“ gesprochen wird, wobei der Grad der Institutionalisierung eine dynamische Komponente in sich trägt. Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten, dass Höffling mit der Kategorie der sozialen Beziehung aus zweierlei Gründen eine vielversprechende Herangehensweise an das Korruptionsphänomen wählt. Zum einen kann so der Blick auf korruptives Handeln ohne Stigmatisierung und Wertung vorgenommen werden, zum anderen wird es aufgrund dieses Zugangs ermöglicht, dass korruptivem Handeln in Organisationen sowohl eine organisationsstabilisierende als auch eine -destabilisierende Funktion unterstellt werden kann. Um eine soziologische Perspektive auf Korruption in Organisationen werfen zu können, soll nun, neben der vorgenommenen Kategorisierung von Korruption als soziale Beziehung, im Folgenden die ebenfalls von Max Weber entwickelte Methode der Idealtypenbildung für die Korruptionsthematik herangezogen werden. 2.2.3 Idealtypen korruptiver Beziehungen Der Grund, weshalb im Folgenden auf die Darstellung von Idealtypen korruptiver Beziehungen zurückgegriffen wird, liegt in dem Erklärungshorizont, den diese für sich beanspruchen. „Denn sie [die Typologie] beschränkt sich nicht auf eine Abbildung verschiedener Beziehungsstrukturen, sondern verknüpft diese Strukturen darüber hinaus mit dem für die Analyse von Korruption unerlässlichen normativen Kontext korruptiven Handelns“ (Höffling 2002: 81). Dabei steht der Typus der expansiven Korruption im Vordergrund der Betrachtung, da dieser für den Kontext der Arbeit von besonderer Bedeutung ist. Vorab gilt es jedoch zunächst kurz auf die Funktion und Grenzen von Idealtypen einzugehen. So handelt es sich bei den Idealtypen um abstrahierende Konstruktionen und nicht um die Beschreibung realer Beziehungsstrukturen. Dementsprechend können sie auch nicht als Schema dienlich sein, um darin die Wirklichkeit einzuordnen. Nach M. Rainer Lepsius sind Idealtypen „analytische
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Hilfsmittel“. „Sie konstruieren Analysedimensionen und stellen diese Analysedimensionen in einen prozessualen Zusammenhang. Daraus formuliert sich ein Idealtypus“ (Hepp/Löw 2008: 56). Damit wird verständlich, dass dieser Idealtypus nicht mit konkreten historischen Situationen verwechselt werden darf. Die Konstruktion von Idealtypen dient zum Verstehen von menschlichem Handeln, wie es unter bestimmten Bedingungen ablaufen würde, wobei sich das reale Handeln selten auch nur annäherungsweise so wie im Idealtypus vollzieht (vgl. Weber 1980: 4). Idealtypen bieten eine „gesteigerte Eindeutigkeit der Begriffe“, weshalb Weber davon spricht, dass „je schärfer und eindeutiger konstruiert die Idealtypen sind: je weltfremder sie also, in diesem Sinne, sind, desto besser leisten sie ihren Dienst, terminologisch und klassifikatorisch sowohl wie heuristisch“ (Weber 1980: 10). Höffling selbst spricht hinsichtlich seiner Typologie der korruptiven Beziehungen von „gedankliche[n] Abstraktionen, die das Feld der möglichen Erscheinungsformen von Korruption in seinen Extremen ausloten“ (Höffling 2002: 81). Höffling unterscheidet die Dimensionen Beziehungsstabilität und Institutionalisierungsgrad. Die Stabilität einer korruptiven Beziehung macht er an der Struktur und der Gestaltung des Geschehens fest. Entscheidend ist die Frage, ob es sich um eine gelegentliche und flüchtige Interaktion (situative Korruption) oder um ein auf Wiederholung und Dauer angelegtes, zeitlich ausgedehntes Beziehungssystem (strukturelle Korruption) handelt (Höffling 2002: 77). Für den Grad der Institutionalisierung korruptiver Netzwerke zieht Höffling die Zahl der Beteiligten als Maßstab heran. Er begründet dies damit, dass der Umfang des Teilnehmerkreises nicht nur als Indikator für den Grad der Akzeptanz solcher Beziehungen in einem bestimmten Umfeld dient, sondern auch das Ausmaß aufzeigt, inwieweit die Bereitschaft zu korruptiven Handeln erwartet wird. Hinsichtlich des Institutionalisierungsgrads gilt es, laut Höffling, folgende Frage zu stellen: „Lässt sich die korruptive Beziehung, gemessen an den faktischen (das heißt nicht nur formalen) normativen Erwartungen dieses Umfeldes, als abweichendes Verhalten einstufen (isolierte Korruption), oder sind diese Erwartungen so geartet, dass das korruptive Handeln als ein konformes begriffen werden muss (systemische Korruption)?“ (Höffling 2002: 78).
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Beziehungsstabilität Grad der Institutionalisierung von Korruption
41 Gering Korruption als flüchtige Interaktion (situative Korruption)
Hoch Korruption als auf Dauer gestelltes Beziehungssystem (strukturelle Korruption)
Gering
Korruption als abweichendes Verhalten (isolierte Korruption)
Riskante Korruption (1)
Intime Korruption (2)
Hoch
Korruption als konformes Verhalten (systemische Korruption)
Alltägliche Korruption (4)
Expansive Korruption (3)
Abbildung 1: Typologie korruptiver Beziehungen (Höffling 2002: 78)
Wie in Abbildung 1 sichtbar, zeichnet sich die expansive Korruption durch einen hohen Grad an Beziehungsstabilität und Institutionalisierung aus. Mit der Einordnung in die Kategorie der systemischen Korruption verweist Höffling darauf, dass in einem speziellen Kontext die „Missachtung formaler Normen zugunsten partikularistischer Interessen kein abweichendes Verhalten darstellt“ (Höffling 2002: 79). Dementsprechend wird korruptives Handeln zumindest akzeptiert, wenn nicht sogar erwartet. So bezieht sich das konforme Verhalten bezüglich Korruption zum einen auf die von den Akteuren wahrgenommene Normalität korruptiver Praktiken: „Eine Normalität, die von manchen Beteiligten durchaus als problematisch empfunden wird, von anderen hingegen nicht nachhaltig hinterfragt zu werden scheint“ (Höffling 2002: 176). Zum anderen verweist diese Konformität auf andere gruppenspezifische Normen, mit denen ein gewisses Maß an allgemeiner Orientierungs- und Erwartungssicherheit einhergeht. In diesem Punkt unterscheidet sich die expansive Korruption weitgehend von anderen korruptiven Handlungen, die überwiegend mit einem gewissen Grad an Exklusivität verbunden sind und bei denen die Geheimhaltung der Transaktionen deren Existenz sichert. Durch die Umkehrung der Bewertungsmaßstäbe von Konformität und Abweichung ist es dementsprechend für den einzelnen Akteur äußerst schwer, sich aus dem Netzwerk zurückzuziehen oder sich innerhalb des Netzwerks der korruptiven Handlungen zu verweigern. In der damit einhergehenden Tendenz zur stetigen Ausweitung des korruptiven Beziehungssystems liegt die Bezeichnung als expansive Korruption begründet. Neben dem Element der systemischen Korruption, wie es Höffling nennt, also der Konformität von korruptivem Handeln, betont auch die zweite Unter-
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scheidungsdimension des Idealtyps der expansiven Korruption, der Faktor der Beziehungsstabilität, die Notwendigkeit einer Fokussierung auf die strukturellen Rahmenbedingungen organisationalen Handelns. Um als ein auf Dauer ausgerichtetes Beziehungsnetzwerk innerhalb eines Unternehmens strukturell verankert zu sein, bedarf es verschiedener Bedingungen wie Sanktionsinstrumente oder Rekrutierungs- bzw. Sozialisationsmechanismen, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll. Vielmehr werden diese Faktoren im Zusammenhang mit dem spezifisch organisationalen Kontext im zweiten Teil der Arbeit eingehend beleuchtet. Mit den idealtypischen Konstruktionen korruptiver Beziehungsstrukturen von Höffling ist deutlich geworden, wie groß das Ausmaß und die Bandbreite der möglichen Erscheinungsformen von Korruption ist, die zwischen den Extremen der Idealtypen denkbar sind. So konnte mit den „gedanklichen Abstraktionen“ von Höffling gezeigt werden, dass die Intensität und der Verbreitungsgrad von korruptivem Handeln ebenso wie die Stabilität und Struktur von korruptiven Beziehungen in unterschiedlicher Weise ausgeprägt sind und dass die zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten der Dimensionen zu einer dementsprechend großen Anzahl an Erscheinungsformen führen. Vor diesem Hintergrund soll nun im Folgenden eine eigene Definition von Korruption entwickelt werden, auf deren Basis die Fragestellung des Forschungsvorhabens bearbeitet werden soll. Wichtig ist, dass das Institutionenverständnis hier breiter gefasst wird und der Institutionalisierungsgrad nicht im Sinne von Höffling lediglich von der Anzahl der Beteiligten und der damit zusammenhängenden Akzeptanz abhängt. 2.3 Definition von organisationaler Korruption als in Unternehmen institutionalisierte korruptive Beziehungen In den vorangegangenen Ausführungen ist deutlich geworden, dass es sich bei Korruption, trotz der Eingrenzung auf den Kontext der Wirtschaftsorganisation, um ein schwer zu greifendes und vielfältig zu interpretierendes Phänomen handelt. Auch die Fokussierung darauf, dass nicht das Fehlverhalten einzelner, sondern der Aspekt der korruptiven Beziehungsnetzwerke oder -strukturen im Vordergrund steht, dient weniger zu einer Klarheit des Begriffs der Korruption, als dass deutlich wird, wie stark die jeweiligen Bezeichnungen unterschiedliche Aspekte von korruptivem Handeln betonen. Unabhängig von den Idealtypen, wie Höffling sie entwickelt, wird bspw. mit dem Begriff der kollektiven Korruption der Blick auf die Anzahl der Beteiligten und die Frage nach konformen oder abweichenden Verhalten gelenkt, während bei Netzwerk-Korruption der Bezie-
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hungs- und Abhängigkeitsaspekt zwischen Beteiligten im Vordergrund steht. Mit der Bezeichnung strukturelle Korruption wird dem formellen Aspekt eine besondere Rolle zugeschrieben, korruptives Handeln als Teil der Organisationsstruktur definiert und damit in die Prozessabläufe eines Unternehmens integriert. Auch wenn all diese Begriffe im Verlauf der Arbeit immer wieder zur Beschreibung der verschiedenen Charakteristika des Phänomens der organisationalen Korruption herangezogen werden, wird im Folgenden der Versuch unternommen, trotz der Vielschichtigkeit und Komplexität des sozialen Gebildes mithilfe eines Perspektivenwechsels eine Begriffsdefinition als Grundlage der weiteren Ausführungen vorzunehmen. Der Perspektivenwechsel liegt darin begründet, dass nicht mehr danach gefragt wird, ab wann Handlungen als korruptiv bezeichnet werden. Vielmehr werden die fließenden Grenzen und das große Ausmaß an Interpretationsspielraum dessen, was unter welchen Umständen als korruptiv definiert wird, ernst genommen. Anstatt genau zu definieren, was korruptives Handeln in Organisationen ist, wird danach gefragt, ob und in welchem Ausmaß – vor dem Hintergrund unterschiedlich existierender Leitideen im organisationalen Kontext – die Leitidee der Integrität in einer Organisation institutionalisiert ist. Institutionalisiert heißt in diesem Zusammenhang, wie der zweite Teil der Arbeit zeigen wird, dass die Leitidee über die Konkretisierung von Rationalitätskriterien Handlungsrelevanz entwickeln kann, wobei es auch hier nicht um ein Entweder-oder geht, sondern vielmehr um die Frage, in welchen Situationen und bis zu welchem Grad die Leitidee der Integrität handlungsrelevant zu werden vermag. Die sogenannte organisationale Konstellationsanalyse, die eben diese Fragen vor dem Hintergrund strategischer Konsequenzen der Unternehmensführung in den Fokus nimmt, wird ebenfalls Gegenstand der eigenen Konzeptualisierung einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen der organisationalen Korruption sein. Denn sie bildet letztlich den Ausgangspunkt einer jedweden Veränderung, die darauf abzielt, trotz der unbestrittenen Dominanz der Leitidee der Rentabilität, anderen, nicht-ökonomischen Rationalitätskriterien zur Geltung zu verhelfen. Da es sich dabei um Institutionalisierungs- und DeInstitutionalisierungsprozesse handelt, wird im Verlauf der Arbeit Unternehmensführung nicht zuletzt als Gegenstand von Institutionenpolitik entwickelt. Was bedeutet die Annäherung an das Korruptionsphänomen über die Frage institutionalisierter Leitideen nun für die Korruptionsdefinition der Arbeit? Es handelt sich um eine Definition von Korruption als „institutionalisierte Korruption“ oder auch „institutionalisiertes korruptives Handeln“: Organisationale Korruption, wie sie als Untersuchungsgegenstand der Arbeit definiert wird, meint auf organisationaler Ebene institutionalisiertes korruptives Han-
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Thematische Eingrenzung deln, und zwar als institutionalisierte korruptive Beziehungen. Von institutionalisierter Korruption ist dann zu sprechen, wenn es für eine Vielzahl der Mitarbeiter, unabhängig von ihren Motiven, rational ist, sich nicht-integer zu verhalten. Korruptives Handeln wird dementsprechend als nicht-integeres Verhalten definiert, das – unabhängig ob als intendierte oder nicht-intendierte Folgewirkung – zum Schaden Dritter erfolgt.
Es geht letztendlich also um die Form institutionalisierten korruptiven Handelns, wobei das zugrunde liegende Verständnis von korruptivem Handeln als nichtintegres Verhalten, ähnlich wie im Korruptionsverständnis der Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI), sehr weit gefasst ist. So wird Korruption von TI als „the abuse of entrusted power for private gain“ definiert und in Bezug auf den privaten Sektor angemerkt, dass „for business, this means more than the perceived need to bribe public officials“ (TI 2009: 7). Der Grund für diese sehr weitgehende Definition von korruptivem Handeln liegt in der Annahme, dass es aufgrund der Grauzonen und Interpretationsspielräume wenig sinnvoll ist, organisationale Korruption anhand von einzelnen Handlungen zu spezifizieren. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass jegliches nicht-integre Verhalten, das zum Schaden Dritter erfolgt, einen potentiellen Nährboden für korruptives Handeln im klassischen Sinne von Bestechung, Vorteilsgewährung etc. darstellt. Hingegen wird mit der Fokussierung auf das im organisationalen Kontext institutionalisierte korruptive Handeln wiederum der Blickwinkel verengt und auf kollektive und strukturelle Aspekte gelenkt. Denn, wie bereits eingangs erwähnt, geht es nicht lediglich um das Fehlverhalten einzelner Akteure, sondern um den Fall, wenn innerhalb einer Unternehmung eine Vielzahl von Mitarbeitern sich korruptiver, nicht-integrer Arbeitsweisen bedient. Wie oben stehende Definition zeigt, ist jedoch – im Gegensatz zu Höffling – nicht die Anzahl der Beteiligten der alleinig ausschlaggebende Faktor, um von institutionalisierter Korruption zu sprechen. Vielmehr geht es um die Frage, welche Wertvorstellungen über welche Institutionen handlungsrelevant werden und dementsprechend, wie – trotz der Dominanz der Leitidee der Rentabilität – andere, bspw. sozialmoralische Rationalitätskriterien in bestimmten Situationen zur Geltung kommen können. Festzuhalten bleibt, dass es bei institutionalisierter Korruption um die Umstände und Bedingungen geht, unter denen es durchaus rational sein kann, sich nicht-integer zu verhalten. Dabei spielen die persönlichen Motive des Einzelnen eine nachgelagerte Rolle, während Mechanismen, durch die sich Korruption als kollektive Devianz entwickelt, von besonderem Interesse sind. Kollektive Devianz bedeutet, dass es sich nicht um dyadische Beziehungen zwischen einzelnen Akteuren, sondern um Beziehungszusammenhänge handelt.
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„In this situation, corruption has become so regularized and institutionalized that organizational supports back wrong-doing and actually penalize those who live up to the old norms“ (Caiden u. a. 1977: 306). Aufgrund der Akzeptanz und Normalität korruptiven Handelns innerhalb eines begrenzten Handlungskontexts, das durchaus als eine Art Subkultur innerhalb eines Unternehmens in Erscheinung treten kann, kann es dementsprechend durchaus rational sein, korruptiv zu handeln. Der Begriff der Subkultur soll hier in Anlehnung an A. K. Cohen verwendet werden, der den Begriff „kriminelle Subkultur“ im Zuge seiner empirischen Untersuchungen bei Jugendbanden geprägt hat (Cohen 1957). So kann es zur Bildung einer Subkultur kommen, wenn – trotz Normkonformität – die dafür angesetzten Ziele nicht erreicht werden. Übertragen auf den unternehmerischen Kontext heißt das, dass – trotz eines Verhaltens, das der propagierten Unternehmenskultur entspricht – die erbrachten Leistungen nicht ausreichend dafür sind, bspw. eine angestrebte Karriere verfolgen zu können. Dies wird im weiteren Verlauf auch unter dem Begriff „mixed messages“ thematisiert. Der strukturelle organisationale Kontext lässt es nicht zu, dass Ziele, auf die sich konformes Verhalten richtet, erfüllt werden können. Lepsius spricht von einer „anomischen Situation“, die somit entsteht: „Unabhängig von der individuellen Motivationsstruktur liegen in solchen Fällen strukturelle Bedingungen der sozialen Ordnung vor, die die Wertverwirklichung beschränken oder unmöglich machen“ (Lepsius 2009: 98). Die Konsequenz daraus ist, dass es zu einer Umformung der allgemeinen Wertvorstellungen kommt, das heißt, dass eine Anpassung an die gegebene strukturelle Situation vorgenommen wird und sich eine Subkultur entwickelt, die aufgrund ihrer gruppenspezifischen Normen korruptives Handeln trotz des Wissens um die Strafbarkeit des Tuns wenn nicht als fraglose Selbstverständlichkeit, so zumindest als rechtfertigbare Notwendigkeit subjektiv zulässt. Ausgehend von der Annahme, dass die Bildung einer solchen Subkultur innerhalb eines Unternehmens mit institutionalisiertem korruptiven Verhalten einhergeht, wird im zweiten Teil der Arbeit zu zeigen sein, dass diesem Phänomen ausschließlich mit der Institutionalisierung von anderen, nichtökonomischen Leitideen, in diesem Fall der Leitidee der Integrität, erfolgreich begegnet werden kann.
3 Korruption als Gegenstand einer Organisationstheorie
Die Herausforderung bei der Verortung der vorliegenden Arbeit in der Forschungslandschaft ist, dass gemäß der Fragestellung, zum einen der Blick auf die Korruptionsforschungslandschaft geworfen werden muss. Zum anderen bedarf es einer kritischen Auseinandersetzung mit Ansätzen der Organisations- und Managementtheorie, welche mithilfe von institutionentheoretischen Elementen Fragen der Organisationsentwicklung und des Organisationswandels zu erklären versuchen. Denn auch wenn der Untersuchungsgegenstand der Arbeit das Phänomen organisationaler, strukturell und kulturell verankerter, also institutionalisierter Korruption ist, so bleibt sie letztlich der Hintergrund, vor dem die grundlegende Fragestellung exemplifiziert werden soll. Diese lautet kurz gefasst: Unter welchen Umständen können innerhalb eines organisationalen Handlungskontextes andere, nicht-ökonomische Rationalitätskriterien in bestimmten Situationen Geltung für eine Mehrzahl von Mitarbeitern erlangen? 3.1 Strukturell verankerte Korruption in Organisationen: kein Gegenstand der Korruptionsforschung Korruption ist ein äußerst komplexes Phänomen, das sich von unterschiedlichen Perspektiven her analysieren lässt. So zahlreich die Kontexte sind, in denen sich korruptives Handeln verorten lässt, so zahlreich und heterogen sind die Forschungsstudien, die entweder einen empirischen und/oder einen theoretischen Erkenntnisgewinn für sich beanspruchen. Ziel der folgenden Ausführungen ist es, die Korruptionsforschungslandschaft dahingehend zu durchleuchten, in welcher Weise bislang das Phänomen Korruption in Organisationen, und zwar nicht als Einzelhandlung, sondern als Teil der Organisationsstruktur, diskutiert wurde. Dabei besteht keineswegs der Anspruch, einen vollständigen Überblick über Forschungsbemühungen zur Korruptionsthematik zu geben. Vielmehr geht es um die Systematisierung bestehender Ansätze, um das eigene Forschungsvorhaben in diesen Kontext einzuordnen.
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Dementsprechend gestaltet sich der Aufbau des Kapitels folgendermaßen: Zunächst wird zwischen den verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsbestrebungen mit Blick auf ihre unterschiedlichen Analyseebenen differenziert. Aufgrund der Dominanz makroanalytischer Untersuchungen lassen sich verhältnismäßig schwach ausgeprägte ökonomische Forschungstendenzen auf der Mesoebene verzeichnen. Hingegen widmen sich, wie im Anschluss daran gezeigt wird, sozialwissenschaftliche Ansätze durchaus der Organisationsebene. Entscheidend für die Fragestellung der Arbeit ist jedoch, inwiefern das Phänomen der institutionalisierten Korruption von der gegenwärtigen Korruptionsforschung bearbeitet wird. Auf der Beantwortung dieser Frage liegt dementsprechend der Schwerpunkt der Ausführungen, wobei dies zum einen mit Bezug auf die Überblicksforschung von Jürgen Grieger (2005) sowie anhand von zweier organisationstheoretischer Ansätze von Brief, Buttram und Dukerich (2001) sowie von Ashforth und Anand (2003) geschieht. Den Abschluss des Kapitels bildet die Analyse des Potentials, das institutionentheoretischen Ansätzen hinsichtlich der Bearbeitung von organisationaler Korruption zugeschrieben wird, um damit den Ausgangspunkt für die differenzierte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Institutionentheorien im darauffolgenden Kapitel zu festzulegen. Da Wirtschaftsorganisationen im Mittelpunkt der vorliegenden Analyse liegen, wird dem weiten Feld der Korruptionsforschung in den Politikwissenschaften und der politischen Philosophie keine tiefer gehende Aufmerksamkeit zuteil. Aguilera u. a. stellen fest, dass erst in den letzten Jahren eine systematische Auseinandersetzung der Organisationsforschung mit dem Korruptionsphänomen in Wirtschaftskontexten erkennbar ist, während sich die Forschung lange Zeit weitestgehend auf Politik und öffentliches Beamtentum fokussiert hätte (vgl. Aguilera u. a. 2007). Selbst wenn von wirtschaftswissenschaftlicher Seite aus der Blick auf Korruption gelenkt wird, handelt es sich dabei überwiegend um volkswirtschaftliche Erklärungsversuche. Solche Untersuchungen widmen sich der Frage nach dem volkswirtschaftlichen Schaden, dem Schaden an Institutionen und Gesellschaft, also der Beziehung von Marktökonomie und Korruption vor allem auch im Hinblick auf sogenannte Entwicklungsländer (vgl. Rose-Ackerman 1999, Senior 2006, Fisman/Miguel 2009). Es wird nach den Gründen und Konsequenzen von Korruption, nach dem Einfluss von staatlichen und zwischenstaatlichen Institutionen und anderen Rahmenbedingungen sowie dem Zusammenhang zwischen bestimmten Staatsformen und dem Ausmaß von Korruption gefragt (vgl. Tanzi 1998, Broadman u. a. 2000, Dreher u. a. 2005, Obidairo 2005, Rodriguez u. a. 2005, Den Nieuwenboer u. a. 2007). Sowohl die Themen wie die Verbreitung und das Wachstum von Korruption als auch die Vergleiche zwischen Ländern und Staatsformen haben sich mit der Schwierigkeit der Messbarkeit von Korrup-
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tion auseinanderzusetzen. Methodisch liegt diese vor allem in der bereits angesprochenen Tabuisierung und in dem äußerst heterogenen, unter anderem von gesellschaftlichen und kulturellen Faktoren abhängigen Verständnis von Korruption. Auch wenn man sich der methodischen Problematik von Messbarkeit und Vergleichbarkeit von Korruption prinzipiell bewusst ist, wird mit den Resultaten der Studien insofern wenig kritisch umgegangen, als sie häufig unmittelbar in politische Empfehlungen übertragen werden (vgl. Senior 2006). Der theoretische Rahmen, in welchem Forschungsanalysen dieser Art vorwiegend eingebettet werden, lässt sich in institutionentheoretischen Ansätzen generell und darunter vor allem in der Transaktionskostenökonomie verorten (vgl. Rodriguez u. a. 2006). Vor dem Hintergrund eines ökonomischen Menschenbildes, das selbst in den moderatesten Formen die Vorstellung eines vorwiegend nutzenkalkulierenden Individuums seinen Modellen zugrunde legt, ist es wenig überraschend, dass aus ökonomischer Perspektive Fragen nach den über den Eigennutz hinausgehenden Motiven von korruptivem Handeln nur vereinzelt in den Analysefokus gerückt werden (vgl. Cleff u. a. 2008). Ebenso naheliegend ist, dass sich das Interesse von psychologischen Ansätzen dagegen auf Themen wie Handlungsmotive, Rationalisierungsstrategien und Entscheidungs- und Verhaltensprozesse ausrichtet (vgl. Bargh/Alvarez 2001, Lee-Chai/Bargh 2001, Rabl/Kühlmann 2008, Rabl 2009). Der theoretische Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Korruptionsforschung auf der Organisationsebene liegt vor allem in vertragstheoretischen Ansätzen. Hier geht es vornehmlich um die Frage von Korruptionsprävention innerhalb von Organisationen, internen Steuerungsmechanismen und Anreizstrukturen, also die Gestaltung und Einflussnahme auf die Unternehmenskultur, wobei der Begriff „Kultur“ nichts darüber aussagt, welche kulturellen Faktoren tatsächlich in die Analyse einbezogen werden. Jedenfalls wird der Aspekt der Effektivität von ordnungspolitischen und innerbetrieblichen Rahmenbedingungen in den Vordergrund gestellt (vgl. Obidairo 2005, Menzel 2007, Hess 2008, Misangyi u. a. 2008, Pies 2008). Die Fragestellung sozialwissenschaftlicher Ansätze konzentriert sich zwar ebenfalls auf die verhaltenssteuerende Wirksamkeit von Organisationsstrukturen und macht die organisationale Korruption zum Thema von Führungstheorien, lässt dabei jedoch eine größere Bandbreite potentieller Einflussfaktoren zu, so dass bspw. Machtmechanismen, Autoritätsbeziehungen, Handlungsmotive und Rechtfertigungsstrategien in die Analyse einbezogen werden können (vgl. Ruth u. a. 2007, Misangyi u. a. 2008). „This literature focuses, however, on controls occurring within organizations, and on the normative and cognitive impacts of
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the social situations that inform and influence behavior in organizations” (Misangyi u. a. 2008: 751). Generell lässt sich mit Blick auf die Korruptionsforschung im Bereich des organisationalen Kontextes sagen, dass sich nur wenige Ansätze mit dem Phänomen Korruption als einem in der Organisationsstruktur verankerten Problem auseinandersetzen. Sowohl in der Management- als auch in der Organisationsliteratur wird stattdessen Korruption überwiegend als ein isoliertes und singuläres Verhalten betrachtet und strukturelle Faktoren innerhalb der Organisation werden weitgehend ausgeblendet (vgl. Grieger 2009). Korruption als Teil der Organisationskultur wahrzunehmen und zu bearbeiten, wird trotz der Annahme, dass korruptives Handeln weitverbreitetet ist, erst langsam zum Gegenstand der Korruptionsforschung gemacht. „But fortunately there is a slowly but surely growing body of international literature dealing with corruption in organizations and related issues, and some of the recent contributions take a critical and closer look at what can be called ,organizational corruption‘” (Grieger 2005: S. 7). Grieger verweist hier auf die Arbeiten von Anand u. a. 2004, Ashforth und Anand 2003, Brief u. a. 2001 und Wellen 2004, wobei sich der Ansatz von Wellen insofern von dem der anderen unterscheidet, als sie psychologische und kognitive Prozesse der Akteure in den Blick nimmt und sich dem Phänomen der Korruption über das Thema „workplace deviance“ nähert. Obgleich gemeinhin im alltagssprachlichen Gebrauch Korruption durchaus als „business as usual“ betrachtet wird, scheint es von Forschungsseite eine Hemmschwelle zu geben, Themen wie die Akzeptanz und die Aufrechterhaltung von Korruption in Organisationen (Ausnahmen sind Anand u. a. 2004, Dumbois 2009) einer systematischen Analyse zu unterziehen. So bescheinigt Grieger sowohl der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Literatur als auch der internationalen Management- und Organisationsliteratur, dass sie „bei der Bearbeitung systematisch abweichenden Verhaltens Zurückhaltung übt und nur selten kriminelles Verhalten von Führungskräften thematisiert“ (Grieger 2009: 106). Ohne darauf einzugehen, worin die Gründe für diese Form der Zurückhaltung innerhalb der Forschungsbestrebungen verankert seien mögen, liegt die Notwendigkeit, sich dem Phänomen der kollektiven Korruption wissenschaftstheoretisch und empirisch zu widmen, auf der Hand. Denn „collective corruption may be of exceptional importance to scientific inquiries because of its nature to develop corrupt relationships or networks that may have the potential to penetrate the organization and – in long run – may become part of its structure“ (Grieger 2005: 4, Hervorhebung der Verfasserin). Obgleich Grieger selbst keinen eigenen, in sich geschlossenen Ansatz entwickelt, der diese Forschungslücke zu schließen vermag, liegt sein nicht unerheblicher Beitrag darin, auf Basis der Literaturauswertung die Ansprüche an ein
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solches Theoriekonzept vor dem Hintergrund der Defizite der bereits bestehenden Arbeiten herauszustellen und darüber hinaus aufzuzeigen, wie diese fruchtbar füreinander gemacht werden können. Entscheidend ist dabei die Betonung der Verbindung von individuellen und organisationalen Faktoren. Grieger kommt zu dem Schluss, dass es einer Mehr-Ebenen-Analyse bedarf, da er davon ausgeht, dass gewisse Konstellationen, in welchen bestimmte individuelle und organisationale Faktoren zusammenspielen, zu korruptiven Handlungen führen. Er reduziert sie auf drei Faktoren: „personal, organization and environment“ (Grieger 2005: 10), und kommt zu dem Schluss, dass diese Faktoren „are eligible for describing or explaining the emergence and perpetuation on corrupt behavior in organizations and should therefore be treated more accurately“ (2005: 10). Als theoretischen Rahmen, der es ermöglichen soll, die individuelle und die strukturelle Ebene zu verknüpfen, schlägt Grieger die Strukturationstheorie von Anthony Giddens vor und steht damit u. a. in der Tradition von Ortmann, der mit Blick auf Giddens eine korruptive Handlung sowohl als persönliche als auch als soziale Handlung, als Erfahrung und als Ereignis versteht (vgl. Ortmann u. a. 1997: 336ff.). Mit Verweis auf Ortmann führt Grieger weiter aus: „As a personal experience, corrupt interaction means socialization of individuals and internalization of social norms and values. As social action, corrupt interaction means institutionalization and reproduction of structure. Then, the relationship between corrupt organizations and corrupt individuals can be treated as the production and reproduction of social structure as well as of personality structure“ (Grieger 2005: 17). Wie bereits weiter oben angesprochen, lassen sich laut Grieger nur vereinzelt Forschungsbemühungen identifizieren, die das Thema organisationaler Korruption unter der Fragestellung der Normalisierung korruptiven Handelns bearbeiten. Zu den wenigen Ausnahmen gehören Brief, Buttram und Dukerich (2001) sowie Ashforth und Anand (2003), die mit Hilfe institutionentheoretischer Annahmen nach den Mechanismen fragen, die zu einer breiten Akzeptanz von kollektiver Korruption führen können. Vor dem Hintergrund der institutionentheoretischen Ausrichtung der vorliegenden Arbeit sollen im Folgenden kurz die beiden Modelle von Brief u. a. sowie von Ashforth und Anand skizziert werden, denen Grieger eine gegenseitige Anschlussfähigkeit bescheinigt und die, und das ist das Entscheidende, das Potenzial einer institutionalistischen Analyse organisationaler Korruption widerspiegeln (Grieger 2009: 117). Bei Brief, Buttram und Dukerich (2001) geht es um die Frage, wie Zyklen des Fehlverhaltens entstehen, aus welchen Gründen sich diese Kreisläufe kontinuierlich fortsetzen und sich – anstatt als einzelne Ereignisse zu bestehen – mit der Organisationsstruktur verknüpfen, um so Teil des Alltagsgeschäfts zu wer-
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den. Die Argumentation von Brief u. a. geht zum einen auf die Funktion von Rationalitätsprozessen ein, die zu einem unreflektierten Gehorsam führen können. Zum anderen beschreiben die Autoren Prozesse der „Re-Interpretation“ und des „Re-Framing“, mit deren Hilfe moralisch fragwürdiges Verhalten in eine akzeptable und tolerable Handlungsweise uminterpretiert werden können (Brief u. a. 2001 483ff.). Brief u. a. sprechen hier von einer sozial konstruierten Realität, die „provides an interpretation of wrongdoing that justifies, in the minds of organizational members, its continuation“ (Brief u. a. 2001: 484). Nicht zuletzt werden von ihnen Sozialisationsprozesse angesprochen, denen von den Autoren das Potential zugeschrieben wird, von sich aus korrupte Individuen innerhalb der Organisation zu produzieren und dementsprechend einen wichtigen Beitrag zum „perpetuating organizational wrongdoing“ zu leisten (Brief u. a. 2001: 490). Um die aufgeführten Prozesse, die von Brief u. a. unter den drei Oberbegriffen Sanctioning, Compliance und Institutionalization zusammengefasst werden, mit einem angemessenen Modell der Analyse zugänglich zu machen, muss der Fokus laut den Autoren auf die Funktionalität des regelwidrigen Verhaltens gelenkt werden. Anstatt Ressourcen als von Compliancemaßnahmen zu betrachten und darauf aufbauend entsprechende Compliance-Mechanismen zu entwickeln, halten es Brief u. a. für entscheidend, das Modell mit der Hinsicht auf einer„functional disobedience“ auszugestalten, bei welcher es um die Thematisierung von Ungehorsam unter den Organisationsmitgliedern geht und ein kontrollierter Umgang dieses Fehlverhaltens möglich wird. „If an organization is to promote functional disobedience effectively, then the goal of disobeying morally questionable orders must be emphasized by management, methods and procedures for accomplishing this goal must be visibly in place, employees must be rewarded for functional disobedience, support (e. g., training) for accomplishing this goal must be readily available, and, employees generally must feel their personal welfare is protected by management“ (Brief u. a. 2001: 494). Wie allerdings diese Veränderungen innerhalb der Organisation vorgenommen werden sollen, bleibt bei Brief u. a. insofern offen, als sie sich deren Charakterisierung lediglich auf eine Aufzählung beispielhafter Maßnahmen beschränkt, ohne diese hinsichtlich ihres Wirkungspotentials zu verbinden (Brief u. a. 2001: 494ff.). Auch die Autoren Ashforth und Anand (Ashforth/Anand 2003 und daran anknüpfend Anand/Ashforth/Joshi 2004 mit besonderem Fokus auf den Rationalisierungsprozessen) gehen von Korruption als einer normalisierten Organisationspraxis aus und fragen ebenfalls danach, wie korruptive Praktiken normalisiert, in Organisationsstrukturen und -prozesse eingebettet und darüber hinaus von Mitgliedern der Organisation als zulässiges oder gar wünschenswertes Ver-
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halten verstanden werden (vgl. Dombois 2009: 135f.). Ashforth und Anand identifizieren drei Dimensionen des Normalisierungsprozesses: „(1) institutionalization, where an initial corrupt decision or act becomes embedded in structures and processes and thereby routinized; (2) rationalization, where self-serving ideologies develop to justify and perhaps even valorize corruption; and (3) socialization, where naïve newcomers are induced to view corruption as permissible if not desirable“ (Ashforth u. a 2003: 1). Entscheidend ist, dass diese drei Dimensionen oder Säulen, wie sie von Ashforth und Anand bezeichnet werden, sich gegenseitig bestärken und reziprok voneinander abhängen. Die den einzelnen Säulen jeweils zugrunde liegende Komplexität führt die Autoren zu einem Punkt, an dem sie wenige Lösungswege für eine Organisation sehen, in der Korruption bereits institutionalisiert ist. „Corruption, like any practice, is said to be institutionalized when it is stable, endures over time, resists change and is transmitted across generations“ (Ashforth u. a. 2003: 35). Damit wollen die Autoren zwar nicht die Verantwortung von den Individuen nehmen – insbesondere nicht von den „Senior Managers“ – jedoch konstatieren sie, dass „when bad apples produce a bad barrel through institutionalization, the barrel itself must be repaired: only systemic responses can reverse systemic normalization“ (Ashforth u. a. 2003: 37). Jedoch bleibt weitgehend offen, was genau unter diesen „systemischen Antworten“ zu verstehen ist und wie die Prozesse konkret durchbrochen werden können. Ashforth und Anand belassen es bei dem Verweis, dass selbst wenn, bspw. aufgrund eines externen „Schocks“, das Topmanagement zu der Auffassung käme, Korruption innerhalb der Organisation nicht zu tolerieren, dies weiterhin eine extreme Herausforderung bedeuten würde. Vor dem Hintergrund dieser skeptischen Analyse ist es nicht überraschend, dass Ashforth und Anand folgenden Schluss ziehen: „Because of the intransigence of normalized corruption, we strongly believe that corruption is best handled through prevention – through proacitve means of forestalling corruption rather than reactive means of rooting it out“ (Ashforth u. a. 2003: 39, Hervorhebung der Verfasserin). Abschließend gilt es festzuhalten, dass in der vorliegenden Arbeit, ähnlich wie bei Grieger, von einem hohen Potential einer institutionentheoretischen Herangehensweise für die Analyse des Phänomens der organisationalen Korruption ausgegangen wird. Dies sollte bereits an den oben skizzierten Ansätzen sichtbar geworden sein. „Both examples from the literature are outstanding examinations of mechanisms that enable and perpetuate corruption in organized contexts, indicating the efficiency of institutional perspectives on collective corruption“ (Grieger 2005: 24). Grieger weiter folgend, werden ebenfalls Schwachpunkte in den institutionellen Ansätzen gesehen, die jedoch über den von Grieger identifizierten „lack of individualism“ hinausgehen (Grieger 2005: 25).
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Auf die Darstellung der einzelnen Kritikpunkte soll an dieser Stelle verzichtet werden, da sich das anschließende Kapitel ausführlich der Diskussion institutionentheoretischer Ansätze widmet. Dabei gilt es zu zeigen, welche institutionentheoretischen Ansätze sich für eine Analyse einer strukturellen, in die Prozesse der Organisation integrierten Korruption eignen, bzw. worin die jeweiligen Defizite der Ansätze liegen. 3.2 Institutionen als Gegenstand der Organisationstheorie Auf der Suche nach einer geeigneten Organisationstheorie, die das Phänomen der institutionalisierten Korruption, wie sie dem Verständnis der Arbeit entspricht, fassbar und erklärbar zu machen vermag, wird der Fokus, wie bereits angedeutet, auf institutionentheoretische Ansätze gelenkt, da es sich bei dem Untersuchungsgegenstand um ein strukturell verankertes Phänomen handelt. Dabei begegnen dem Betrachter sowohl ökonomische als auch soziologische Modelle, deren Erklärungsgehalt im Folgenden näher analysiert wird, wobei der Schwerpunkt auf den äußerst vielversprechenden Ansätzen des soziologischen Neo-Institutionalismus liegt. Das Kapitel schließt mit einem Ausblick auf die neueren Entwicklungen in der wirtschafts- und unternehmensethischen Diskussion, welche – ebenfalls auf der Suche nach einem geeigneten organisationstheoretischen Ansatz – die Tendenz zeigt, die Lösung in der Zusammenführung der unterschiedlichen Erklärungsmodelle zu vermuten. 3.2.1 Neue Institutionenökonomik Innerhalb der institutionenökonomischen Forschungsbestrebungen lassen sich vornehmlich drei Ansätze identifizieren, zu denen die Theorie der Verfügungsrechte (Property Rights Theory), die Agenturtheorie (Agency Theory) und die Transaktionskostentheorie (Transaction Cost Economics) zählen. Auch wenn sich diese in nicht unerheblichem Maße voneinander unterscheiden, werden im Folgenden die durchaus überwiegenden Gemeinsamkeiten herausgestellt. Gezeigt werden soll damit, worin der grundlegende Erkenntnisgewinn der Ansätze liegt und dass aufgrund der beschränkten Verhaltensannahmen eine Vielzahl nicht zu vernachlässigender Verhaltensweisen ignoriert werden. Wie im anschließenden Kapitel deutlich wird, versuchen die soziologischen NeoInstitutionalisten dieses Defizit wiederum auszugleichen. Die Bedeutung institutionenökonomischer Organisationstheorien liegt vor allem darin, dass sie die Organisationsanalyse gegenüber der Mikroökonomie
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öffnen und die „Wahl organisatorisch-institutioneller Gestaltungsvarianten auf ökonomische Kalküle zurückführen“ (Ebers/Gotsch 2006: 307). Das heißt, dass sich die Neue Institutionenökonomik (im Folgenden auch NIÖ abgekürzt) nach Konzepten der Mikroökonomie richtet und damit wirtschafts- und organisationstheoretische Ansätze zu verbinden versucht. Entscheidend ist, dass die Neue Institutionenökonomik die Grundprämissen der (institutionslosen) Neoklassik weitestgehend übernimmt und an der Annahme der Knappheitsrestriktionen, dem Homo-oeconomicus-Modell samt dessen Rationalitätsprinzips der Nutzenmaximierung und dem methodologischen Individualismus festhält (vgl. Eger/Nutzinger 1999, Erlei/Leschke/Sauerland 1999, Maurer/Schmid 2002). Im Unterschied zur neoklassischen Herangehensweise geht die NIÖ jedoch von einer beschränkten Rationalität der Individuen aus und berücksichtigt in ihrem Modell darüber hinaus die Reibungsverluste, die jedweder Transaktion zugrunde liegen (vgl. Voigt 2002). Dementsprechend liegt es nahe, dass der ökonomische Austausch im Mittelpunkt des Interesses steht und sich die Analyse von Institutionen auf die Verfügungsrechte, Verträge, Hierarchien und Märkte beschränkt (vgl. Ebers/Gotsch 2006: 247). Laut Ebers/Gotsch sind es vier Komponenten, die das Erklärungsmuster der NIÖ bilden: a) Institution, b) Austausch, c) Kosten und d) Effizienz. Diese Komponenten spiegeln sich dementsprechend auch in den folgenden beiden Grundfragestellungen der NIÖ wider: „a) Welche (alternativen) Institutionen haben bei welchen Arten von Koordinationsproblemen des ökonomischen Austauschs die relativ geringsten Kosten und die größte Effizienz zur Folge?“, und weiter unter „b) Wie wirken sich die Koordinationsprobleme, die Kosten und die Effizienz von Austauschbeziehungen auf die Gestaltung und den Wandel von Institutionen aus?“ (Ebers/Gotsch 2006: 247). Das Institutionenverständnis der NIÖ legt dementsprechend seinen Schwerpunkt auf den Aspekt der Steuerung. Es handelt sich um einen auf ein bestimmtes Ziel abgestellten Komplex von Normen, der den Zweck verfolgt, individuelles Handeln in eine bestimmte Richtung zu steuern (vgl. Richter/Furubotn 1996). Die Fokussierung auf die Steuerungs- und Kontrollwirkungen, die sich auf die einzelwirtschaftlichen Effizienzkalküle ausrichten, verweist darauf, dass der Umgang mit Institutionen als Gegenstand eines kostenreduzierenden Managements verstanden wird. An genau diesen Punkten setzt die Hauptkritik an der Neuen Institutionenökonomik an: Aufgrund der gewählten Theorieprämissen werden Institutionen nur unter Steuerungs-, Kontroll- und Anreizaspekten gesehen, so dass andere Gesichtspunkte von Institutionen unberücksichtigt bleiben (vgl. Maurer/Schmid 2002: 20f.). „Die Perspektive der ökonomischen Institutionenanalyse grenzt z. B. Fragen nach dem Zusammenhang von Institutionengestaltung einerseits und
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Verteilungsgerechtigkeit, Ideologien, Macht oder Herrschaft andererseits aus“ (Ebers/Gotsch 2006: 308). Vor dem Hintergrund des Problemgegenstands der organisationalen Korruption, bei der gerade Verfahrensweisen, die bspw. auf Macht, normativen Bindungen und intrinsischer Motivation beruhen, ein entscheidender Faktor sind, wird deutlich, weshalb sich Ansätze aus der NIÖ als wenig fruchtbar für die Erklärung des Korruptionsphänomens erweisen können. An dieser Stelle gilt es zu erwähnen, dass dieses Defizit nicht nur von anderen Fachdisziplinen erkannt und bspw. im Rahmen der unterschiedlichen Ansätze des soziologischen Neo-Institutionalismus zu beheben versucht wird. Vielmehr wird auch innerhalb der Wirtschaftswissenschaften vermehrt der Bedarf gesehen, die Prämissen der NIÖ dahingehend zu erweitern, dass sie für wirtschafts- und unternehmensethische Fragestellungen einen angemessenen theoretischen Rahmen bilden können. Josef Wieland ist ein Vertreter dieser Herangehensweise. Die Frage, inwieweit dieses Vorgehen den entsprechenden Erfolg zu bringen vermag, ist Gegenstand der Theoriediskussion mit der Neuen Organisationsökonomik, die das Resultat der theoretischen Überlegungen von Wieland bildet. Zunächst gilt es jedoch die Ansätze des soziologischen NeoInstitutionalismus näher zu betrachten, um schließlich aufzuzeigen, weshalb in vorliegender Arbeit ein alternativer Zugang über die Institutionentheorie von M. Rainer Lepsius gewählt wird. 3.2.2 Soziologischer Neo-Institutionalismus Ähnlich wie die Neue Institutionenökonomik zeichnet sich auch der soziologische Neo-Institutionalismus durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen aus, die sich in die grobe Unterteilung von makroinstitutionalistischen und mikroinstitutionalistischen Ansätzen einordnen lassen. Während sich die makroinstitutionalistische Herangehensweise vor allem auf die Einflüsse aus der Umwelt der Organisation konzentriert, richtet sich der Blick bei den mikroinstitutionalistischen Ansätzen auf die innerorganisationalen Zusammenhänge, indem die Organisation selbst als Institution verstanden wird. Beiden Perspektiven ist jedoch gemein, dass sie davon ausgehen, dass Organisationen ihre Strukturen entsprechend der Anforderungen und Erwartungen aus der institutionellen Umwelt zu gestalten haben, wobei sich diese nicht nur außerhalb der Organisation wiederfinden lässt, sondern ebenfalls über die Köpfe der Mitglieder in die Organisation hineingetragen wird (vgl. Walgenbach 2006a: 354f.). Die folgenden Ausführungen beziehen sich vornehmlich auf Aufsätze, die bereits eine kritische Auseinandersetzung mit den klassischen Beiträgen von
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Meyer/Rowan (1977/1978), DiMaggio/Powell (1983/1991) sowie Zucker (1977/1983) vorgenommen haben (vgl. Maurer/Schmid 2002, Beschorner 2005a, Senge 2005, Walgenbach 2006a). Dementsprechend ist es nicht das Ziel, eine vollständige und umfangreiche Darstellung der drei Hauptwerke des soziologischen Neoinstitutionalismus wiederzugegeben, vielmehr geht es darum, sein Grundanliegen aufzuzeigen, um in diesem Forschungskontext die eigene Arbeit zu positionieren. Zu Beginn der Ausführungen bedarf es demnach der Darstellung der Grundannahmen des Neo-Institutionalismus, die jeweils kurz hinsichtlich der drei einzelnen Strömungen spezifiziert und voneinander abgegrenzt werden. Die Hauptkritikpunkte beziehen sich im Anschluss daran wiederum auf alle drei Ansätze. Diese werden in Form eines kritischen Ausblicks auf einen bestimmten Trend innerhalb der organisationstheoretischen Forschung aufgegriffen. Dabei handelt es sich um den Versuch, die verschiedenen Ansätze in die Strukturationstheorie von Giddens zu integrieren und damit die Defizite der einzelnen Perspektiven auszuräumen. Allem voran gilt es, die zweifache Bedeutung von Institutionalisierung zu benennen. So meint Institutionalisierung sowohl einen Prozess als auch einen Zustand. „Institutionalisierung als Prozess bezieht sich auf den Vorgang, durch den sich soziale Beziehungen und Handlungen zu Selbstverständlichkeiten entwickeln, die nicht mehr hinterfragt werden“, und weiter meint Institutionalisierung als Prozess ebenfalls jene Handlungen, „durch die soziale Strukturen, Zwänge, Verpflichtungen und Gegebenheiten produziert und reproduziert werden“ (Walgenbach 2006a: 355). Mit Verweis auf die Ausführungen von Lynne Zucker und Paul DiMaggio sowie Walter Powell bezeichnet Institutionalisierung als Zustand „Situationen, in denen die in einer Gesellschaft bestehenden Vorstellungen bestimmen, was welche Bedeutung besitzt und welche Handlungen möglich sind“ (Walgenbach 2006a: 355). Unabhängig davon, ob es sich um makro- oder mikroinstitutionalistische Ansätze handelt, lässt sich für den Neo-Institutionalismus generell sagen, dass er seine organisationswissenschaftliche Aufmerksamkeit auf die gesellschaftlichen Bedingungen und die gesellschaftlich-kontextuelle Einbettung von Organisationen und organisationalen Prozessen lenkt. Damit unterstreicht er die symbolisch und kulturell verankerten Aspekte von Organisationen (Senge 2005: 92) und öffnet den Blick auf symbolische Deutungsmuster. Trotz des Interesses an den Eigenschaften und Wirkungsweisen von Institutionen liegt der Schwerpunkt der Neo-Institutionalisten also offensichtlich auf kognitiven und kulturellen Erklärungen der Organisationsstruktur. Die Ablehnung des Modells eines rational handelnden und autonom entscheidenden Akteurs liegt dementsprechend nahe.
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Des Weiteren führt der Faktor der gesellschaftlichen Einbettung von Organisationen dazu, dass die Bedeutung der Legitimität von Organisationen herausgestellt wird. So spiegeln laut Meyer und Rowan die formalen Strukturen von Organisationen in hohem Maße die Legitimitätsanforderungen der organisationalen Umwelt wider, „die durch Organisationen zeremoniell inkorporiert werden und als solche nicht das Ergebnis eines rationalen Entscheidungsprozesses darstellen“ (Beschorner u. a. 2005a: 29). Der Hinweis auf die unterschiedlichen, durchaus auch widersprüchlichen Anforderungen der Anspruchsgruppen lässt den Betrachter die Komplexität der Netzwerke gesellschaftlicher Organisationen erahnen. Feststeht für alle drei Ansätze, dass von einer erhöhten Legitimität ausgegangen wird, insofern Organisationen die institutionalisierten Elemente in ihre Struktur übernehmen (vgl. Walgenbach 2006a: 366). DiMaggio und Powell greifen diesen Prozess unter dem Gesichtspunkt der Angleichung der Organisationsstrukturen auf. Ihre These ist, dass die „zunehmende Strukturierung und Institutionalisierung eines organisationalen Feldes „zu Isomorphie [führt], das heißt zu einer Strukturgleichheit der Organisationen im Feld“ (Walgenbach 2006a: 369). Dabei identifizieren sie drei Mechanismen: a) Isomorphismus durch mimetische Prozesse, b) Isomorphismus durch normativen Druck und c) Isomorphismus durch Zwang. Während DiMaggio und Powell vor dem Hintergrund der Adaption institutionalisierter Elemente also von tatsächlichen Veränderungen innerhalb der Organisation und der Managementpraktiken ausgehen, werden sich bei Meyer und Rowan lediglich die Strukturen der Organisation ähnlicher, so dass auf der Handlungsebene durchaus erhebliche Unterschiede zwischen den Organisationen aufzufinden sein können. Damit sprechen Meyer und Rowan trotz ihres neoinstitutionalistischen Ansatzes dem Management durchaus Gestaltungsmöglichkeiten zu, während diese bei DiMaggio und Powell zu vernachlässigen sind. Auch Lynne Zucker schätzt die Möglichkeiten von Organisationsgestaltern im Sinne eines reflektierten Umgangs mit institutionalisierten Erwartungen ähnlich wie DiMaggio und Powell als eher gering ein. Als Hauptvertreterin des mikroinstitutionalistischen Ansatzes geht sie davon aus, „dass Organisationen die Quellen institutionalisierter Strukturelemente und Managementpraktiken sind und dass die Organisation schlechthin zur bestimmenden Institution in modernen Gesellschaften geworden ist“ (Walgenbach 2006a: 382). Sie ermöglicht es durch ihren Beitrag, eine Differenzierung von unterschiedlichen Institutionalisierungsgraden vorzunehmen und damit die Frage nach der Beständigkeit bzw. Unbeständigkeit von Verhaltensweisen zu thematisieren. Anzumerken ist, dass sie Organisationen als „cultural engines“ moderner Gesellschaften versteht.
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Bevor zum Abschluss der Ausführungen über den Neo-Institutionalismus auf die Weiterentwicklungen verwiesen wird, werden zunächst die entscheidenden Kritikpunkte ausgeführt. Die beiden Hauptkritikpunkte, die den Vertretern des NeoInstitutionalismus von unterschiedlichen Seiten entgegengesetzt werden, richten sich auf die Vernachlässigung von Interessen und Akteuren (zur kritischen Diskussion ausführlich Walgenbach 2006a: 390ff.). Trotz der in Ansätzen vorhandenen Versuche, Prozesse auf der Mikroebene zu untersuchen (Zucker 1977), findet der Neo-Institutionalismus keine Antwort auf die Fragen, wie Institutionen generiert werden, wie sie sich durchsetzen und welche Motive und Interessen bei der Institutionenbildung entscheidend sind. „Institutionen scheinen in den neoinstitutionalistischen Arbeiten unabhängig von einzelnen Personen zu existieren, die bemüht sind, diese aufrecht zu erhalten“ (Senge 2005: 211). Senge konstatiert weiter, dass die häufig verwendete Rhetorik der Passivität „den analytischen Blick fort von den handelnden Akteuren und fort von den konkreten Machtkonstellationen, Ressourcenausstattungen, Werthaltungen und normativen Vorgaben“ (Senge 2005: 212) führt. Dieser Kritik schließt sich Hiß an, die soziale Mechanismen, wie beispielsweise „Vertrauen, Netzwerke oder auch Macht und Interessen“ vernachlässigt sieht (Hiß 2005: 201). Trotz der Bemühungen von Zucker schafft es der Neo-Institutionalismus nicht, Handlungsprozesse der Akteure in den Analysefokus zu rücken, obgleich Senge neo-institutionalistischen Ansätzen durchaus bescheinigt, dass diese mit handlungstheoretischen Elementen kompatibel seien. Ohne dieser Annahme an dieser Stelle widersprechen zu wollen, sei dennoch auf die Herausforderungen dieses Vorhabens hingewiesen, das, wie die Bemühungen von DiMaggio hinsichtlich der Einführung eines „institutionellen Entrepreneurs“ zeigen, keineswegs von Erfolg gekrönt sein muss. So kommt Stefanie Hiß in ihrer kritischen Diskussion der Hauptvertreter des Neo-Institutionalismus zu dem Schluss, dass es auch DiMaggio nicht überzeugend gelinge, „strategisches Handeln mit den theoretischen Annahmen des Neo-Institutionalismus zu verknüpfen“ (Hiß 2005: 196). Ein Defizit des Neo-Institutionalismus, das neben der handlungstheoretischen Engführung zu benennen und darüber hinaus mit eben dieser eng verbunden ist, liegt in der Vernachlässigung der Institutionalisierungs- und DeInstitutionalisierungsprozesse (Hiß 2005: 200). Wie die Auseinandersetzung mit der Institutionentheorie von M. Rainer Lepsius (siehe Kapitel 5) zeigen wird, weist besagtes Forschungsprogramm keines der beiden Defizite auf, worin die Entscheidung begründet liegt, diese institutionentheoretischen Prämissen für die Analyse des organisationalen Kontextes zugänglich zu machen (siehe Kapitel 6).
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Ein sich abzeichnender Trend innerhalb der Organisationsforschung versucht ebenfalls die benannten Defizite zu beheben und zwar mithilfe der Strukturationstheorie von Anthony Giddens. Ziel ist es, mit der von Giddens selbst als Meta-Theorie bezeichneten Strukturationstheorie das Dilemma des Entwederoder von Strukturabhängigkeit oder Handlungsdetermination aufzulösen und beide Perspektiven zu integrieren. Stellvertretend für diese Bestrebungen innerhalb der Organisationsforschung wird an dieser Stelle auf die Ausführungen von Ortmann, Sydow und Türk (1997a), Ortmann, Sydow und Windeler (1997b) und Ortmann (2008) verwiesen, die in der Strukturationstheorie von Giddens neben der Verknüpfung der Ebenen den Hauptbeitrag des Gidden’schen Werks darin sehen, dass Organisation hier als „reflexive Strukturation“ bestimmt werden kann. Dies bedeutet, dass Organisation in dem Doppelsinn rekursiven Erzeugens („Organisieren“) eines Erzeugnisses („Organisiertheit“, Organisation als soziales System) bearbeitet wird (Ortmann 2008: 38). Denn während Organisationstheorien dazu neigen, entweder „vom institutionellen Kontext, in dem Organisationen bzw. deren Mitglieder handeln, zu abstrahieren, oder dazu, Handeln von und in Organisationen als durch strukturelle Zwänge determiniert zu betrachten“ (Walgenbach 2006b: 404), nimmt die Strukturationstheorie für sich in Anspruch, beiden Perspektiven gerecht zu werden. Festzuhalten bleibt, dass die Bestrebungen der strukturationstheoretischen Ansätze den Wunsch nach einer Meta-Theorie widerspiegeln, die die fragmentierten Ansätze der organisationstheoretischen Forschung zusammenführt und die bislang als unvereinbar gesehenen Dualismen zwar nicht aufzulösen, aber dennoch handhabbar zu machen vermag. Gemeint sind mit solchen Dualismen bspw. Stabilität versus Wandel, Top-down- versus Bottom-up-Verfahren beim organisationalen Wandel, formale versus informale Organisationen sowie die Dualität von Handlung und Struktur (vgl. Beschorner u. a. 2004b). Ebenso wenig wie der Anspruch erhoben wurde, tiefergehend und differenziert die Strukturationstheorie von Giddens darzulegen, wird im Folgenden das Ziel einer umfassenden Darstellung der stark divergierenden kritischen Stimmen verfolgt. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die organisationstheoretischen Bemühungen, die Strukturationstheorie für die Zwecke der Arbeit zu gebrauchen, wobei allerdings im Zuge dessen – und hier liegt der für diesen Kontext entscheidende Kritikpunkt – häufig darauf verzichtet wird, die Konsistenz zwischen den in die Strukturationstheorie zu integrierenden Ansätzen und der eigentlichen Meta-Theorie kritisch zu überprüfen. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass die Komplexität dieser Sozialtheorie dafür gebraucht wird, um sich ihrer, scheinbar willkürlich, durch Übernahme einzelner Erkenntnissen zu bedienen. So zeigt sich, dass bei Forschungsarbeiten „oft nur einzelne Elemente der Strukturationstheorie aufgegriffen wer-
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den“ (Walgenbach 2006b: 424). Unabhängig davon, inwieweit es sich bei der Strukturationstheorie von Giddens selbst um ein in sich konsistentes theoretisches Forschungsprogramm handelt, gilt es an dieser Stelle auf die Herausforderungen hinzuweisen, die mit einer organisationstheoretischen „inhaltlichen Füllung“ der Strukturationstheorie, welcher es laut Organisationstheoretiker wie Ortmann, Sydow, Türk, Walgenbach und Windeler (vgl. Ortmann u. a 1997a; Ortmann u. a. 1997b; Walgenbach 2000; Ortmann/Sydow 2001) bedarf, einhergehen. Die Forschungsarbeiten, vor allem empirische Arbeiten, die seit Mitte der 1990er Jahre Bezug auf die Strukturationstheorie nehmen, zeichnen sich laut Walgenbach vor allem dadurch aus, dass die Strukturationstheorie nicht die alleinige theoretische Basis bildet, sie ebenso wenig auf der Basis der abgeleiteten Hypothesen überprüft wird, sondern lediglich als Interpretationsrahmen verwendet wird (vgl. Walgenbach 2006b: 423f.). Dies bestärkt die Annahme, dass man sich von Seiten der organisationstheoretischen Forschung eher einzelner Elemente der Strukturationstheorie bedient, ohne sie auf ihre Kompatibilität hin systematisch zu überprüfen. Im Gegensatz dazu folgt die Arbeit der Annahme, dass der Erkenntnisgewinn eines theoretischen Konzepts zur Bearbeitung eines Problemgegenstands, wie es das Korruptionsphänomen in Organisationen ist, maßgeblich davon abhängt, ob der gesamte theoretische Rahmen mit den einzelnen Theorieansätzen, die zusätzlich hinzugezogen werden, ein in sich geschlossenes Forschungsprogramm ergibt. Dass diese Annahme gerade im Feld der wirtschafts- und unternehmensethischen Forschung keineswegs durchgängig geteilt wird, zeigen die folgenden Ausführungen. Auch hier geht es weniger um die vollständige Darstellung bestimmter Theorieansätze als vielmehr um die Skizzierung von erkennbaren Entwicklungen innerhalb der wirtschafts- und unternehmensethischen Diskussion, um damit auf den Bedarf einer zukünftigen kritischen Reflexion dieser Entwicklungen hinzuweisen. Dieser Ausblick wird insofern als notwendig erachtet, als es gerade das Ziel dieser Ansätze ist, auf Basis von organisationstheoretischen Überlegungen wirtschafts- und unternehmensethische Fragestellungen bearbeiten zu können, womit sie für die vorliegende Fragestellung zunächst äußerst attraktiv zu sein scheinen. 3.2.3 Organisationstheoretische Herangehensweise an wirtschafts- und unternehmensethische Fragestellungen Ziel der folgenden Ausführungen ist es, die Anschlussfähigkeit verschiedener organisationstheoretischer Ansätze aufzuzeigen, die sich sowohl ökonomischer
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als auch soziologischer Perspektiven bedienen. Während bei ökonomisch verankerten Modellen die Zielsetzung darin liegt, die unterschiedlich entwickelten Institutionentheorien auf eine gemeinsame handlungstheoretische Basis zu stellen, liegt bei den soziologischen Herangehensweisen der Fokus auf dem organisatorischen Umfeld, wobei sich die Grenzen als fließend herausstellen. Hinsichtlich der ökonomischen Bestrebungen lässt sich die Tendenz feststellen, dass Ansätze aus der Evolutorischen Ökonomik solchen aus der NIÖ verstärkt vorgezogen werden (vgl. Eger/Nutzinger, 1999, Beschorner/Pfriem 2000, Beschorner u. a. 2004b). Der Grund dafür liegt in der den Ansätzen der EÖ innewohnenden Dynamik und Anpassungsfähigkeit. Den Fokus auf den Umgang mit Organisationen mit einer extrem offenen und ungewissen Zukunft zu legen, bietet im „Zeitalter der Globalisierung“ äußerst viele Anknüpfungspunkte (vgl. Kirsch 1997, Brunner 1999, Hermann-Pillath 2002). Insgesamt scheint sich in der jüngeren Entwicklung jedoch der gesamte Forschungsschwerpunkt in Richtung Neo-Institutionalismus zu verschieben. So stellen Beschorner und Osmers (2005c) fest, dass noch vor wenigen Jahren Theorieansätze aus dem Neo-Institutionalismus, welche die Einbeziehung von Organisationen in Erklärungsansätze für eine Gesellschaftsanalyse propagieren, weder im deutschsprachigen Raum noch in der internationalen Diskussion zu Überlegungen geführt haben, wie diese für unternehmensethische Ansätze fruchtbar gemacht werden könnten (vgl. Beschorner/Osmers 2005c: 101). Hingegen zeichnet sich heute eine andersartige erkennbare Entwicklung in der aktuellen wirtschafts- und unternehmensethischen Diskussion ab: die Tendenz zu institutionellen Theorieansätzen, die vorwiegend in der Tradition der NeoInstitutionalisten anzusiedeln sind (vgl. Beschorner 2005a, Beschorner 2005c, Beschorner 2006, Judge u. a. 2006, Johansson 2007, Matten/Moon 2008, Sorsa 2008). Aufgrund der gesellschaftlichen Einbettung von Organisationen lenkt der Neo-Institutionalismus, wie bereits ausgeführt, den Blick auf die Frage nach der Legitimität von Organisationen. Offensichtlich liegt hier ein Hauptgrund dafür, weshalb der Neo-Institutionalismus für wirtschafts- und unternehmensethische Fragestellungen so attraktiv zu sein scheint. Der Umgang mit den Erwartungen des organisationalen Umfelds spielt gerade bei der Stakeholder-Thematik eine entscheidende Rolle. Denn elementar ist für die wirtschafts- und unternehmensethische Diskussion natürlich die Frage der Handhabung der widersprüchlichen Anforderungen, die an Wirtschaftsorganisationen gestellt werden. Die konfliktären Erwartungen gehen oftmals mit Dilemmasituationen einher und bedürfen einer Priorisierung der Entscheidungskriterien, nach welchen sich das organisationale Handeln ausrichten soll. Auch hier spielt die Frage nach dem „guten Wirtschaften“, welche ja den Hauptdiskussionsgegenstand der Wirtschafts- und
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Unternehmensethik bildet, eine entscheidende Rolle. Zu erwähnen ist dabei, dass der Neo-Institutionalismus nicht nur die Anpassungsfähigkeit von Organisationen an die Umwelt in die Betrachtung einbezieht und als entscheidendes Überlebenskriterium von Organisationen identifiziert. Vielmehr vermögen Ansätze wie der von Meyer und Rowan (1977) und der von Scott (2002) darüber hinaus die Einflussnahme der Organisation auf die Umwelt und dementsprechend die Möglichkeiten zur Fassadenbildung – im Sinne eines vordergründigen Verhaltens von Organisationen – zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. So entwickelt Nils Brunsson (1989) den Ansatz von Meyer und Rowan weiter und identifiziert ein Phänomen, das er „organizational hypocrisy“ nennt, mit welchem Organisationen den widersprüchlichen Anforderungen begegnen. Letztlich geht es um die Diskrepanz zwischen Kommunikation, Entscheidungen und tatsächlichen Handlungen: „Simply speaking, the organization says one thing, decides something else and does something else again“ (Johansson 2007: 25). Während die Ansicht durchaus geteilt wird, dass der Neo-Institutionalismus nicht zuletzt aufgrund seiner unterschiedlichen Strömungen in vielfältiger Weise für die Wirtschafts- und Unternehmensethik fruchtbar gemacht werden kann, soll kritisch darauf hingewiesen werden, welche Herausforderungen damit einhergehen. An den Forschungsaktivitäten von Beschorner u. a. lässt sich exemplarisch aufzeigen, worin dabei die Gefahr gesehen wird. Nach Beschorner liegt in der Anwendung vom Neo-Institutionalismus eine große Chance, da neoinstitutionalistische Perspektiven den Blick sowohl auf innerorganisationale Zusammenhänge als auch auf das sogenannte „organisationale Feld“ zulassen und damit ermöglicht wird, eine Unternehmensethik zu entwickeln, die sich sowohl als eine „Ethik der Organisation“ als auch als eine „Ethik des organisationalen Feldes“ versteht (Beschorner 2006: 69). Da Beschorner von „Theoriebausteinen“ (Beschorner 2005a: 29) innerhalb des NeoInstitutionalismus ausgeht, gelingt es ihm, die verschiedenen Strömungen des Neo-Institutionalismus je nach Fragestellung zusammenzuführen. Die Idee einer Unternehmensethik, wie er sie oben stehend skizziert, gibt Anlass dafür, dass er darüber hinaus durchaus die Integration der verschiedenen Ansätze als zulässiges Verfahren ansieht. Die Darstellung der Gemeinsamkeiten der drei klassischen Aufsätze des Neo-Institutionalismus hat bereits gezeigt, dass sich bestimmte Annahmen offensichtlich decken. Dennoch besteht aus Sicht der hier vertretenen Position die Gefahr, dass der Rückgriff auf neo-institutionalistische Elemente aufgrund des unterschiedlichen Bedarfs hinsichtlich der jeweiligen Fragestellungen von einer gewissen Willkür bestimmt wird. Plädiert wird deshalb für einen differenzierteren Umgang mit den unterschiedlichen Strömungen des Neo-Institutionalismus
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und ihrer Zusammenführung, um theoretische Inkonsistenzen und empirische Fehlschüsse zu vermeiden. 3.3 Fazit Es wurde hinsichtlich des Themas institutionalisierter Korruption in Unternehmen ein zweifaches Forschungsdefizit ausgemacht. Gezeigt wurde zunächst, dass innerhalb der Korruptionsforschung die Betrachtung der Organisationsebene als solche bereits unzureichend erfolgt und darüber hinaus gerade dem Phänomen der strukturell verankerten Korruption äußerst wenig Aufmerksamkeit zuteil wird. Insofern jedoch institutionentheoretischen Ansätzen für diesen Untersuchungsgegenstand eine erhöhte Problemlösungskapazität zugeschrieben wurde, ging es im zweiten Schritt darum, bestehende Ansätze dahingehend zu überprüfen. Das Ergebnis spiegelt das zweite Forschungsdefizit wider. So haben sich weder Ansätze der Neuen Institutionenökonomik noch des NeoInstitutionalismus als umfassend genug geeignet erwiesen, da sie letztlich nicht in der Lage sind, die Komplexität der Unternehmenswirklichkeit zuzulassen. Bei der NIÖ ist dies vor allem dem reduktionistischen Institutionenverständnis zuzuschreiben, das sich in folgendem Zitat im Hinblick auf die Steuerungsfokussierung widerspiegelt: „Eine wirksame Korruptionsprävention ist konstitutiv darauf angewiesen, durch institutionelle Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass die Fehlanreize korrigiert werden. Durch verbesserte Anreize kann es dann sogar gelingen, das eigeninteressierte Verhalten wirtschaftlicher Akteure für moralische Anliegen in Dienst zu nehmen“ (Pies 2008: 179). Hingegen vermag es der Neo-Institutionalismus nicht, den für die Analyse des Korruptionsphänomens entscheidenden Zusammenhang zwischen individuellem Handeln und institutionellen Strukturen ausreichend zu beleuchten. Dementsprechend kann den Faktoren wie Interessen, strategischen Handlungen und Macht nur unzureichend Relevanz zugeschrieben werden, was für ein Forschungsprogramm, das sich dem Untersuchungsgegenstand der strukturellen Korruption in Organisationen widmet, nicht ausreichend ist (vgl. Kieser 2006: 390). Bevor auf die Hauptmerkmale der eigenen Neu-Konzeptionalisierung eingegangen wird, die als Reaktion auf das vielfach vorhandende Forschungsdefizit einzuordnen ist, gilt es zu begründen, weshalb der Neuen Organisationsökonomik (NOÖ) in der vorliegenden Arbeit solch große Aufmerksamkeit zuteil wird, dass in Teil I eine Theoriekritik dieses Ansatzes vorgenommen wird. Der Grund dafür ist, dass Josef Wieland „paradigmatisch für eine […] institutionentheoretische Herangehensweise zu unternehmensethischen Fragen“ steht.
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„Denn einer modernen Unternehmensethik geht es nicht um den Appell an das Gute im Menschen, sondern vielmehr „um die Schaffung institutioneller Arrangements in der Organisation, in deren Rahmen moralisches Handeln stattfinden kann (Institutionenethik)“ (Beschorner 2006: 73). Die NOÖ gilt damit als der Ansatz für eine institutionentheoretische Herangehensweise an Fragestellungen, die wie in der vorliegenden Arbeit den Umgang von Organisationen mit außerökonomischen Wertbezügen in den Analysefokus rückt. Entscheidend ist also, dass die NOÖ den Blick auf den Handlungskontext von Organisationen lenkt und dabei zum einen über die Annahmen der Neuen Institutionenökonomik hinausgeht und zum anderen gesellschaftstheoretische Erkenntnisse, nicht zuletzt in Form eines differenzierungstheoretischen Fundaments, integriert. Insofern sich in diesem Vorhaben ein erfolgversprechender Zugang für die Bearbeitung der Fragestellung vermuten lässt, bedarf es notwendigerweise seiner eingehenden Betrachtung. Doch auch wenn dem Ansatz von Wieland zunächst ein hohes Maß an Erklärungspotential hinsichtlich des Untersuchungsgegenstands der organisationalen Korruption zugeschrieben wird, zeigt sich in der näheren Auseinandersetzung (Teil I), dass Wieland seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden kann. Dementsprechend bedarf es der Entwicklung eines alternativen Erklärungsmodells (Teil II), und zwar vor dem Hintergrund der Defizitanalyse seines Forschungsprogramms. Dieses alternative Erklärungsmodell lässt sich zwar durchaus einer institutionentheoretischen Herangehensweise zuordnen, unterscheidet sich dabei jedoch stark – wie im Folgenden sichtbar wird – nicht nur vom Ansatz der NOÖ, sondern ebenfalls von den bereits genannten Theorieströmungen. Auch wenn im weiteren Verlauf das Institutionenverständnis der Arbeit nochmals ausführlich dargestellt wird, gilt es bereits in diesem Zusammenhang kurz zu skizzieren, worin besagte Differenzen bestehen und welcher Mehrwert durch eine Neu-Konzeptionalisierung in Anlehnung an die Institutionentheorie von M. Rainer Lepsius erzielt werden soll. Wichtig ist der Hinweis, dass, obwohl es sich bei der Institutionentheorie von Lepsius keineswegs um einen organisationstheoretischen Ansatz handelt, die Arbeit jedoch die These vertritt, dass die grundlegenden Prämissen des Forschungsprogramms durchaus für den organisationalen Kontext fruchtbar gemacht werden können und sollten. Im Gegensatz zu mikroinstitutionellen Ansätzen des Neo-Institutionalismus werden Organisationen nicht als Institutionen verstanden, sondern der Fokus wird auf Prozesse in der Organisation gelegt und es wird davon ausgegangen, dass Institutionalisierungsprozesse von Leitideen innerhalb des organisationalen Kontextes stattfinden. Ein auf Leitideen rekurrierendes Konzept der innerorganisationalen Analyse von Handlungs- und Strukturprozessen lässt die Fokussierung auf durchaus widersprüchliche Rationalitätskriterien und die Frage ihrer
Korruption als Gegenstand einer Organisationstheorie
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Handlungsrelevanz zu, welche für die Bearbeitung des Untersuchungsgegenstands der organisationalen Korruption als elementar erachtet wird (vgl. auch Edeling 2002, wobei er, ähnlich wie Zucker 1977, Organisationen als Institutionen versteht). Ebenfalls im Gegensatz zu den bereits dargestellten Ansätzen verfügt die Institutionentheorie von Lepsius über ein wertbezogenes Institutionenverständnis, das, so die Annahme der Arbeit, unabdingbar für die Analyse des Phänomens der organisationalen Korruption ist. Denn entscheidend für ein organisationstheoretisches Forschungsprogramm, das den Anspruch erhebt, strukturelles korruptives Handeln zu erklären, ist es, Antwort auf die Frage zu finden, welche Wertvorstellungen mithilfe welcher Rationalitätskriterien für eine Vielzahl von Akteuren handlungsrelevant werden. Das Ziel einer Institutionenanalyse muss dementsprechend die Beantwortung dieser Frage sein, wobei dies bedeutet, dass der Blick auf die Institutionalisierungsprozesse von Leitideen über den Weg der Rationalitätskriterien gelenkt werden muss. Wichtig ist, dass eine institutionelle Analyse vor einem solchen Hintergrund nicht von einer fraglosen Geltung institutioneller Formen ausgeht. Im Gegensatz zu den Neo-Institutionalisten, die in ihrer Analyse auf das Bestehen bestimmter Institutionen zurückgreifen, wird bei einer Institutionenanalyse, wie sie hier vorgeschlagen wird, nicht von fixen Ordnungen ausgegangen, „sondern von Ordnungsbehauptungen, nicht von unbefragten Geltungen, sondern von Geltungsansprüchen, nicht von institutionellen Normerfüllung, sondern von Handlungs- und Rollenstilisierungen“ (Rehberg 2002: 53). Ohne die Grundeinsicht, dass soziales Zusammenleben ohne institutionelle Entlastungen nicht möglich wäre, infrage stellen zu wollen, ist es entscheidend, dass die Dynamik von institutionellen Ordnungen nicht aus dem Blick gerät. Diese Gefahr wird sowohl im Neo-Institutionalismus als auch bei der Neuen Institutionenökonomik gesehen. In diesem Kontext wird vielmehr von der „Unwahrscheinlichkeit auf ,Dauer‘ gestellter Ordnungen“ (Rehberg 2002: 51; vgl. auch Rehberg 2003: 383f.) ausgegangen und somit werden die Prozesse der Institutionalisierung und De-Institutionalisierung von Leitideen sowie die Konflikthaftigkeit zwischen den Institutionen einer theoretischen Analyse zugänglich gemacht. So will eine institutionelle Analyse Zugang schaffen zu der Frage, „in welcher Weise es sich dabei um die selektive Durchsetzung aus einer Vielzahl führender Ideen und Deutungskonzepte handelt, die miteinander konkurrieren und umgekämpft sind“, denn, und hier wird wieder auf die Unbeständigkeit von Ordnungen verwiesen, „jede durchgesetzte Leitidee zieht ihren Erfolg aus ihrer (temporären) Herausgehobenheit aus einem Komplex oftmals unvereinbarer Orientierungsmöglichkeiten. Da sie ein Kampfprodukt ist und eine Synthese von Widersprüchlichem,
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Teil I: Theoriekritik werden in ihr oftmals viele der konkurrierenden Sinnsetzungen und Ordnungsentwürfe verleugnet. Aber gerade deshalb ist ihre Geltung nie unbestritten und von unterschiedlichen Situationen und Trägerschichten abhängig“ (Rehberg 2002: 49).
Neben dem Aspekt der Konflikthaftigkeit, die institutionellen Ordnungen zugrunde liegt, gilt es, einen weiteren Faktor der Institutionentheorie von Lepsius zu benennen: den Akteursbezug. Ebenfalls im Gegensatz zu den NeoInstitutionalisten ist und bleibt der Akteur bei Lepsius ein entscheidender Baustein innerhalb seines Forschungskonzepts, da letztendlich nur durch ihn Institutionen handlungsrelevant werden. Ermöglicht wird ihm dies durch einen Rückgriff auf Elemente der verstehenden Soziologie von Max Weber, in dessen Tradition sich M. Rainer Lepsius verortet und dessen Einfluss im Verlauf der Arbeit ausführlich dargestellt wird. Insofern jede Geltung einer Institutionenordnung von der Anerkennungsbereitschaft der Akteure abhängt und jede Ordnung der Legitimation bedarf, sollen diese „Ordnungen“ im Sinne einer Institutionenanalyse „nicht nur von umschriebenen Funktionen her bestimmt werden, sondern auch im Hinblick auf Machtprozesse und Chancenverteilungen sowie auf institutionell erzeugte Belastungen“ (Rehberg 2002: 51). Entscheidend ist, dass davon ausgegangen wird, dass mithilfe der institutionentheoretischen Erkenntnisse von Lepsius gerade auf organisationaler Ebene die institutionellen Mechanismen, die sich auf „diesen Zusammenhang von Geltungsbehauptungen und Durchsetzungsansprüchen einerseits und den je zur Verfügung stehenden Legitimationsreserven andererseits“ (Rehberg 2002: 51) beziehen, in den Analysefokus gestellt werden können. Inwiefern sich diese institutionentheoretischen Besonderheiten im Zuge der Neu-Konzeptionalisierung für die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der institutionellen Korruption fruchtbar machen lassen, wird der zweite Teil der Arbeit zeigen. Abschließend gilt es zu betonen, dass es sich bei der NeuKonzeptionalisierung offensichtlich nicht um die Weiterentwicklung der Neuen Institutionenökonomik oder des Neo-Institutionalismus, sondern um die Ausarbeitung eines alternativen institutionentheoretischen Zugangs handelt, dessen Erkenntnismehrwert nicht zuletzt in der nun folgenden kritischen Auseinandersetzung mit der Neuen Organisationsökonomik sichtbar wird.
Teil I: Theoriekritik
Ziel des ersten Teils dieser Arbeit ist es, die Neue Organisationsökonomik (NOÖ) als das von Josef Wieland auch unter dem Begriff der Governanceethik entwickelte Forschungsprogramm kritisch zu durchleuchten. Es wird zu überprüfen sein, inwiefern der Erkenntnisgewinn, den Wieland mit seinem theoretischen Ansatz zu gewähren verspricht – und zwar hinsichtlich der Fragestellung, korruptives Handeln in Organisationen zu erklären und darauf aufbauend Mechanismen und Strategien zu entwickeln, wie integres Verhalten im organisationalen Handlungskontext ermöglicht bzw. gefördert werden kann –, tatsächlich sichtbar wird. Um die theoretische Konzeption von Josef Wieland in ihren unterschiedlichen Facetten darzulegen, wird eingangs der Blick auf ihre Verortung in der Theorielandschaft gerichtet, indem die beiden Theorieströmungen – die Systemtheorie und die Neue Institutionenökonomik –, deren Einfluss auf die Neue Organisationsökonomik unübersehbar ist, skizziert werden. Vor dem Hintergrund der Kernelemente der NOÖ werden mit dem Fokus auf der Korruptionsthematik die Ausführungen über den Theorieansatz von Wieland abgeschlossen. Gegenstand einer Theoriekritik ist es, ein theoretisches Forschungsprogramms auf seinen Anspruch hin zu analysieren. Als Perspektive, aus der eine solche Analyse vollzogen werden soll, wird hier die strukturalistischindividualistisch verstehende Soziologie (vgl. Schluchter 2006: 267) gewählt. Diese steht für ein an Max Weber anknüpfendes Forschungsprogramm, wobei die dabei verwendeten Begriffe „weberianisch“ bzw. „Weberianismus“ eine sich an Max Weber anschließende Richtung der Soziologie charakterisieren sollen (Schluchter 2003: 45). Es handelt sich also um eine stark an Weber orientierte Perspektive, deren theoretische Bezugspunkte im gegenwärtigen Theoriediskurs über das Werk von Weber zu finden sind. Die Auseinandersetzung mit den interpretativen und explizierenden Analysen der Vertreter dieses Diskurses, insbesondere mit denen von M. Rainer Lepsius, Wolfgang Schluchter und Thomas Schwinn, bilden die Grundlage der Neu-Konzeptionalisierung.
4 Die Neue Organisationsökonomik
Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen bildet die Beobachtung, dass Annahmen aus Theorien der „funktionalen Differenzierung“ gerade in wirtschaftsund unternehmensethischen Ansätzen entweder implizit als gegebene und unumstrittene Beschreibung einer modernen Gesellschaft einbezogen sind oder dass sie explizit unter dem Begriff der Governance diskutiert werden und dabei den Anspruch verfolgen, vor dem Hintergrund der Steuerungsthematik konkrete wirtschaftsethische Probleme analysieren zu können. Der Umstand, dass „es sich hier nicht um eine rein theoretische Diskussion handelt, sondern die Differenzierungsthematik auch ein prominentes, diagnostisches Instrumentarium für gesellschaftliche Problembestände ist“ (Schwinn 2001: 17), macht sie für Wissenschaftler mit einem starken Anwendungsbezug, wie Josef Wieland ihn in seiner Arbeit hat, besonders interessant. Der in seinen frühen Werken formulierte Anspruch, ein „empirisch-analytisches und theoretisches Forschungsprogramm“ zu entwickeln, das „über moralische Tatbestände spricht, ohne sie zu werten“ (Wieland 1993: 27, Hervorhebung der Verfasserin), verweist auf die Praxisrelevanz, die Wieland für seine Forschungstätigkeit reklamiert. Darüber hinaus weist er auf die Genese seiner Wissenschaftsarbeit hin, die ihren Ausgangspunkt nach seinen eigenen Angaben keineswegs in philosophischen Begründungsbemühungen, sondern vielmehr in der wirtschafts- und unternehmensethischen Praxis hat (Wieland 2005a: 51). Die Differenzierungsthematik, die sich bei Wieland in der Frage nach den Integrationsmöglichkeiten der verschiedenen Teilbereiche einer modernen Gesellschaft widerspiegelt, bildet die gesellschaftstheoretische Grundlage all seiner weitergehenden Überlegungen und damit das Fundament seines Forschungsansatzes. Dies führt nicht zuletzt dazu, dass Wieland an alle Theorieansätze der Wirtschafts- und Unternehmensethik den Anspruch formuliert, sich der Aufgabe anzunehmen, Antworten darauf zu finden, wie in modernen, funktional differenzierten Gesellschaften ein Bezug zwischen den einzelnen, autonomen Teilbereichen – in diesem Fall Ökonomie und Moral – hergestellt werden kann. Die Antwort, die Wieland selbst auf diese Frage der Integrationsmöglichkeiten in modernen Gesellschaften gibt, bildet sein Forschungsprogramm, die Neue Organisationsökonomik, das Gegenstand des ersten Teils des vorliegenden Kapitels ist. Daran anschließend wird besagtes Forschungsprogramm, vor dem
Die Neue Organisationsökonomik
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Hintergrund einer individualistisch-strukturalistisch verstehenden Soziologie kritisch diskutiert, um schließlich mögliche Konsequenzen als nicht-intendierte Folgewirkungen aufzuzeigen, welche aus gesellschaftstheoretischen Annahmen resultieren können, die sich auf die funktionale Differenziertheit moderner Gesellschaften berufen. 4.1 Der Umgang mit der Korruptionsproblematik als Gegenstand der wirtschafts- und unternehmensethischen Diskussion: eine Frage gelingender Integration der Teilbereiche differenzierter moderner Gesellschaften? 4.1.1 Die Bezeichnungen: Neue Organisationsökonomik und Governanceethik Bevor die Zielsetzung der Neuen Organisationsökonomik aufgezeigt werden kann, bedarf es vorab einer Klärung der Begriffe Governanceethik und Neue Organisationsökonomik, die zwar ein und dasselbe Forschungsprogramm bezeichnen, jedoch für unterschiedliche Schwerpunkte stehen. Dies ist in der historischen Genese des Ansatzes begründet, von dem Josef Wieland als eine „work in process“ spricht und die sich laut Wieland über viele Jahre hinziehen kann. „Das Forschungsprogramm der Governanceethik versteht sich selbst als Beitrag zur Entwicklung einer Neuen Organisationsökonomik, deren Ziel es ist, Organisationstheorie und Ökonomik miteinander fruchtbar zu verbinden“ (Wieland 2005a: 70). Die Integration der Governanceethik in die Institutionen- und Organisationsökonomik lässt sich dementsprechend als sein ursprüngliches und hauptsächliches Forschungsinteresse benennen. Ungeachtet dessen, dass sich Wieland dem wiederholt kritisierten Defizit seines Ansatzes, der fehlenden Normativität der Governanceethik, in den letzten Jahren verstärkt gewidmet hat (vgl. Wieland 2005a), legen die nachstehenden Ausführungen den Fokus auf den eigentlichen innovativen Beitrag seines Forschungsprogramms, die moralökonomische Analyse der organisationalen Governancestruktur, welches dementsprechend ein organisationsökonomisches ist. So lässt sich der Gegenstandsbereich der Neuen Organisationsökonomik folgendermaßen bestimmen als „die Analyse und Gestaltung der Funktionen und Wirkungen von Moralregimes innerhalb der Führung, Steuerung und Kontrolle von wirtschaftlichen Transaktionen“ (Wieland 2005a: 39). Konkret heißt das für Wieland: „Tugenden, Werte, Moral und Ethik werden in diesem Kontext als individuelle oder organisationale Regeln, Ressourcen und Kompetenzen verstanden, die als Elemente der formalen und informalen Regimes zur Führung, Steuerung
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und Kontrolle von Transaktionen der Organisation und ihren Mitgliedern zur Verfügung stehen“ (Wieland 2005a: 39). Um auch begrifflich eine Distanz zu dem Thema Normativität der Governance aufzubauen, soll im Folgenden weitgehend auf die Bezeichnung Governanceethik verzichtet werden und überwiegend der Begriff der Neuen Organisationsökonomik als Forschungsprogramm von Josef Wieland Verwendung finden. Dies geschieht in dem Wissen, dass einhergehend mit der Ausgrenzung der normativen Begründung seines Ansatzes auf den Anspruch einer umfassenden und vollständigen Darstellung seiner Forschungstätigkeit verzichtet wird. Legitim erscheint diese Vorgehensweise aus zweierlei Gründen: Zum einen besteht keine Gefahr der Fehlinterpretation seiner gesellschafts- und institutionentheoretischen Überlegungen, da mit Blick auf die zeitliche Genese der „Ethik der Governance“ diese Erkenntnisse offensichtlich für sich, in sich schlüssig und problemlösungsrelevant sein müssen. Des Weiteren besteht ebenfalls keine Gefahr einer Verkürzung oder Reduktion des Beitrags von Wieland, da aufgrund der Fragestellung der Arbeit für die kritische Auseinandersetzung mit seinem Werk die gesellschafts- und institutionentheoretischen Aspekte die entscheidenden sind. 4.1.2 Zielsetzung und Anspruch der Neuen Organisationsökonomik Die Zielsetzung der NOÖ lässt sich folgendermaßen bestimmen: Bei der Neuen Organisationsökonomik handelt es sich um einen ökonomischen Ansatz, der die Wirkungszusammenhänge zwischen Individuum, Organisation und Gesellschaft zu berücksichtigen und darüber hinaus diese in ein ökonomisch bearbeitbares Modell zu transferieren versucht. Wieland geht davon aus, dass die innere moralische Haltung von Akteuren einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Transaktionskosten hat, diese also eine ökonomische Relevanz für Unternehmen besitzen muss. Ziel seines Ansatzes ist es, moralische Fragen zu einer kalkulierbaren Größe und damit zu einem ökonomischen Knappheitsproblem zu machen. Durch die Übersetzung moralischer Elemente in eine ökonomische Größe kommt der Gestaltung der Rahmenordnung der Transaktionen eine besondere Bedeutung zu. Im Sinne einer ökonomischen Theorie versucht er also, einen Wirkungszusammenhang zwischen ethischem Verhalten im Unternehmen und dem Rentabilitätsfaktor des Unternehmens herzustellen, und zwar indem er das moralische Entscheidungsdilemma zu einem Kostenfaktor bei Transaktionsprozessen erklärt. Die dahinterliegende Überzeugung ist, dass moralische Ansprüche an ein Unternehmen oder an die einzelnen Mitarbeiter zwar gerechtfertigt sind, aber gemeinhin keine Relevanz für sich beanspruchen können, wenn sie ohne ökonomische Konsequenz für die wirtschaftliche Einheit bleiben. Grundlage
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dieser Überlegungen bildet ein Handlungs- und Entscheidungsmodell, das die Steuerbarkeit von Individuen nicht infrage stellt. Der rational entscheidende Akteur – wenngleich auch nur eingeschränkt rational – bedarf einer Governancestruktur, die die Kosten, welche durch korruptives Verhalten entstehen, reduziert. Dies kann sowohl über Anreiz- als auch über Sanktionsmechanismen geschehen. Entscheidend ist, dass Wieland dem Individuum eine Neigung zum Opportunismus und gleichzeitig auch eine Präferenz für moralisches Handeln zuschreibt. Um dieses Persönlichkeitsverständnis zu beschreiben, wählt er den Begriff „multiple selves“. Tritt der Fall ein, dass die simultan vorhandenen Bedürfnisse sich ausschließen, steht der Akteur vor dem Entscheidungsproblem, bspw. korruptiv zu handeln oder sich integer zu verhalten. Entscheidet sich der Mitarbeiter dafür, sich bestechen zu lassen oder selbst zu bestechen, liegt das dementsprechend an einer unzulänglichen Governancestruktur des Unternehmens, sofern diese nicht auf die Steigerung von integrem Verhalten der Mitarbeiter abzielt. Da der Governancestruktur von Wieland ein Verhalten steuernder Einfluss zugeschrieben wird, bildet sie das Kernelement seines unternehmensethischen Ansatzes. Anknüpfend an die Zielsetzung der NOÖ fasst Wieland den Anspruch seines Forschungshabens unter dem Begriff der „angewandten Unternehmensethik“ zusammen. Dieser bedeutet für Wieland, „Mechanismen oder Strategien zu entwickeln, um integres Verhalten von Mitarbeitern zu fördern, bzw. Erklärungen für Fehlverhalten zu liefern“ (Wieland 1993: 26f). Wieland konzentriert sich demnach auf die Ebene von Organisationen und der sich darin vollziehenden mikroökonomischen Prozesse. Gleichzeitig betont er, keine einseitig organisationsökonomische Betrachtung vorzunehmen, indem er die gesellschaftliche Einbettung von Unternehmen in sein Modell integriert. In der Integration aller relevanten Faktoren spiegelt sich, wie Wieland selbst konstatiert, letztlich sein Anspruch wider: eine Formel zu entwickeln, die auf der einen Seite keine ökonomisch bedingte Komplexitätsreduktion vornimmt, indem sie moralische, psychologische und kulturelle Einflüssen ausspart, die auf der anderen Seite dennoch die Leistungsfähigkeit eines ökonomischen Modells behält, was bedeutet, dass die Ergebnisse der Berechnungen für die unternehmerische Wirklichkeit von Relevanz sind. Bevor die Integration der Moralfaktoren in die Transaktionskostenformel näher beleuchtet wird, gilt es vorab, die theoretischen Grundlagen der NOÖ – sowohl ökonomischer als auch gesellschaftstheoretischer Art – darzustellen.
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Teil I: Theoriekritik
4.1.3 Gesellschaftstheoretische Annahmen der Neuen Organisationsökonomik Das gesellschaftstheoretische Fundament des Forschungsprogramms von Wieland bildet in unverkennbarer Weise die Systemtheorie von Niklas Luhmann. Auch wenn dementsprechend in den folgenden Ausführungen immer wieder auf den Luhmann’schen Einfluss verwiesen wird, ist es nicht die Intention des Textes, im Einzelnen aufzuzeigen und zu prüfen, an welchen Stellen Wieland Luhmann im Luhmann’schen Sinne anwendet, bzw. wo er ihn „falsch“ interpretiert. Trotz des weitgehenden Einflusses systemtheoretischer Elemente lässt sich Wieland nicht als eigentlicher Systemtheoretiker bezeichnen. Vielmehr versucht er handlungstheoretische Erkenntnisse aus der Neuen Institutionenökonomik in einen systemtheoretischen Rahmen zu stellen und damit Mikro- und Makroebene zu verknüpfen. Obgleich einer Verknüpfung der Ebenen nicht die Wichtigkeit und Notwendigkeit abgesprochen werden soll – im Gegenteil verfolgt die NeuKonzeptionalisierung im zweiten Teil der Arbeit gerade das Ziel, die Wirkungszusammenhänge zwischen den Ebenen einer Analyse zugänglich zu machen –, darf dabei nicht vernachlässigt werden, dass sich Theoriefragmente aus unterschiedlichen Theorietraditionen nicht willkürlich zusammenbinden lassen (Schwinn 2003b: 278). Ohne differenziert auf diese Diskussion eingehen zu wollen6, gilt es zumindest auf die grundsätzliche Problematik hinzuweisen, die in der Attraktivität der Systemtheorie begründet ist. Nämlich auf dem „Versprechen, die Makroeffekte nichtintendierter Folgen mit einem eigenständigen Analysemodell erfassen zu können. Damit werden aber Prämissen übernommen, die unvereinbar sind mit der Akteurtheorie“ (Schwinn 2003b: 278). In welcher Weise bei Wieland das Vorgehen – die Anreicherung eines systemtheoretischen Denkmodells durch handlungstheoretische Aspekte – als problematisch erachtet wird, ist unter anderem Gegenstand der kritischen Auseinandersetzung. Um im Folgenden die gesellschaftstheoretischen Einflüsse aufzuzeigen, werden zum einen der differenzierungstheoretische Hintergrund und zum anderen die Rolle von Organisationen vor allem unter dem Aspekt der Steuerungsmöglichkeiten von modernen Gesellschaften dargestellt. 4.1.3.1 Moderne Gesellschaft: funktional differenziert Der Anreiz einer systemtheoretischen Herangehensweise für die Entwicklung einer Unternehmensethik liegt laut Wörz darin begründet, dass „die unterschied6
Zur ausführlichen Diskussion der problematischen Verknüpfung heterogener Theorietraditionen – den Parsons’schen Systemfunktionalismus akteurtheoretisch zu öffnen und den Versuch, systemtheoretische Momente in die Handlungstheorie zu integrieren – siehe Schwinn 2001, 2003b, 2006b etc.
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lichen Themenbereiche von Wirtschaft, Ethik und Moral nicht isoliert nebeneinander stehen bleiben, sondern auf einander bezogen werden können“ (Wörz 1993: 83). Die Teilsysteme können in Verbindung gesetzt werden, weil sie in Form von gesellschaftlichen Ereignissen, das heißt als ökonomische, ethische und moralische Kommunikationen, begriffen werden. Darüber hinaus kann man sie hinsichtlich ihrer Funktionalität analysieren (vgl. Wörz 1993: 83). Im Gegensatz zu Luhmann, der sich gegen eine Moral als System von bestimmten Regeln ausspricht, gehen Wörz und Wieland von einem Moralsystem aus und unterstellen diesem dementsprechend eine Funktionalität für die Gesamtgesellschaft, wie allen anderen Teilsystemen auch. So kann nach Wieland Moral in funktional differenzierten Systemen nur Wirkung zugetraut werden, „wenn sie im Prozess der fortschreitenden Objektivierung personaler Relationen zu Systemstrukturen eine funktionale Rolle übernimmt“ (Wieland 1993: 28). Ausgangspunkt bildet also die Vorstellung, dass sich die Gesellschaft – wobei weder bei Wieland noch bei Luhmann klar wird, was genau unter der Gesellschaft als übergeordnete Instanz verstanden wird7 – aus einzelnen funktionalen Teilsystemen zusammensetzt, zu denen vornehmlich die Teilsysteme Politik, Recht, Religion, Wissenschaft und auch Wirtschaft gehören. Kennzeichen dieser Teilsysteme, die sich als Kommunikationssysteme verstanden wissen wollen, ist der ihnen – und nur ihnen – eigene Leitcode (vgl. Panther 2004b: 5). Demnach sind diese Teilsysteme operativ geschlossen, was so viel heißt wie, dass sie nur Informationen von ihrer Umwelt wahrnehmen, die in der Sprache ihres Leitcodes artikuliert werden. Dass dennoch keine Blindheit gegenüber den Entwicklungen und Einflüssen von außen besteht, ist der Existenz einer sogenannten „strukturellen Kopplung“ zu verdanken. Dabei handelt es sich um Orte, wo Signale der Außenwelt in die Sprache des jeweiligen Systems übersetzt werden (Panther 2004b: 6). Der Ort der strukturellen Kopplung ist bei Wieland das entscheidende Begründungselement für seine Fokussierung auf die Organisation. So sieht er in enger Anlehnung an Luhmann in Organisationen eine ganz eigene Art sozialer Systeme, die insofern privilegiert sind, als sie die einzigen sind, die mit Systemen in ihrer Umwelt kommunizieren können (Luhmann 1997: 834). Durch ihre Fähigkeit, mit anderen sozialen Systemen und in verschiedene andere Teilsysteme hinein zu kommunizieren, können sie, und das ist für Wieland entscheidend, sowohl in das ökonomische Teilsystem hinein kommunizieren als auch moralische Kommunikation betreiben. Damit ist die Unternehmung als Wirtschaftsorganisation nach Wieland der privilegierte Ort struktureller Kopplung zwischen Moralsys7
Ausführlich dazu die umfassende Kritik von Thomas Schwinn und Wolfgang Schluchter an dem Gesellschaftsverständnis der Systemtheorie in Auseinandersetzung mit dem von Max Weber; vgl. Schwinn 2001 und Schluchter 2007.
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tem und Wirtschaftssystem. Diese Zuschreibung einer Art Zwischenposition, die bei Wieland insbesondere Wirtschaftsorganisationen zukommt, begründet er außerdem mit der Unterscheidung von Unternehmen als Organisationen des Funktionssystems Wirtschaft und Unternehmen als Institutionen der Gesellschaft. „Die Beziehung der Institution ,Firma‘ zur ,Gesellschaft‘ kann so interpretiert werden, als ob ein oder mehrere Sozialverträge zwischen den beiden existieren. Jede Firma macht sich durch Standortentscheidungen von ihrem politischen und sozialen Umfeld abhängig, wie auch die Umkehrung dieses Satzes einer Tatsache entspricht“ (Wieland 1996a: 223). Insofern ist es naheliegend, dass die Berücksichtigung des spezifischen Kontextes im Forschungsprogramm von Wieland eine herausragende Rolle spielt. Deshalb hat sich auch Wieland in seinem unternehmensethischen Ansatz mit dem Problem „lokaler und konstitutioneller Gerechtigkeit“ auseinanderzusetzen (ausführlicher unter Kapitel 4.1.5.3). Ein weiteres, für das Forschungsprogramm von Wieland entscheidendes Element seines gesellschaftstheoretischen Verständnisses ist die Gleichwertigkeit unter den Teilsystemen. Selbst das Wirtschafts- und das Moralsystem lassen sich somit nicht in ein hierarchisches Verhältnis zueinander bringen. Aufgrund des Autonomieanspruches der einzelnen Funktionssysteme und deren je eigenen Codierungen und Entscheidungslogiken, die letztlich inkompatibel sind, fehlt ein sogenannter „archimedischer Punkt der Integration“, der eine Hierarchie begründen könnte. Vor diesem Hintergrund lässt sich nachvollziehen, weshalb es Wieland ablehnt, die Ethik der Wirtschaft über- oder unterzuordnen, und damit eine Gewichtung der Teilsysteme im Sinne eines Primats der Ethik oder Wirtschaft vorzunehmen, wie er es anderen Wirtschafts- und Unternehmensethikern, allen voran Peter Ulrich mit seinem Ansatz einer „Integrativen Wirtschaftsethik“, vorwirft (vgl. Wieland 1999). Ob und inwiefern sich sein Appell hinsichtlich einer Gleichberechtigung der Teilbereiche in seinem Forschungsprogramm, das ja „die Integration psychologischer, kultureller oder moralischer Parameter in ökonomisch operierende Theorieansätze“ (Wieland 2005a: 70) verfolgt, tatsächlich widerspiegelt, wird im weiteren Verlauf kritisch zu diskutieren sein. Festzuhalten bleibt, dass sich die funktionale Differenzierung moderner Gesellschaften bei Wieland darin zeigt, dass „Wirtschaft und Moral, Ökonomik und Ethik getrennte und je eigenständigen Logiken gehorchende autonome Handlungs- oder Reflexionsräume für gesellschaftliche Akteure sind“ (Wieland 2005b: 253) und Wirtschaftsorganisationen als Orte struktureller Kopplung aufgrund des „Zugleichseins“ differenter – moralischer und ökonomischer – Kom-
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munikationsweisen den Anknüpfungspunkt für wirtschafts- und unternehmensethische Problemstellungen bieten. 4.1.3.2 Die Steuerungstektonik modernder Gesellschaften und die Rolle von Unternehmen Der zweite Aspekt, der das gesellschaftstheoretische Grundgerüst von Wieland kennzeichnet, greift die Steuerungsthematik auf, die, wie bereits eingangs erwähnt, eng an die Differenzierungsthematik anknüpft. Während allen modernen Gesellschaften gemein ist, dass sie aus verschiedenen Handlungsbereichen, den besagten Funktionssystemen, bestehen, liegt die unterschiedliche Ausgestaltung der Gesellschaften in der differenten Anordnung der Bereiche zueinander begründet (Wieland 2005a: 16). Von Gesellschaft als etwas Ganzem zu sprechen, macht laut Wieland erst dann Sinn, wenn man das jeweilige Ordnungsgefüge in die Betrachtung einbezieht. Die Anordnung der Handlungsbereiche spiegelt das Charakteristikum einer Gesellschaft wider, wobei es sich dabei nicht um etwas Gegebenes handelt. Vielmehr geht Wieland davon aus, dass die Anordnung das „Ergebnis intellektueller Ordnungsbemühungen“ ist, wobei nicht klar wird, wer genau die Träger dieser Bemühungen sind und wo sie sich verorten lassen. Entscheidend ist jedoch, dass Wieland von Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten bezüglich des Ordnungsgefüges einer Gesellschaft ausgeht. So spricht er davon, dass westliche Gesellschaften auf das in den letzten Jahrzehnten offensichtlich gewordene und mit der Globalisierung zusammenhängende politische Institutionendefizit mit einem „New Public Management“ reagiert hätten, im Zuge dessen öffentliche und private Steuerungsregime so aufeinander abgestimmt werden, dass die notwendigen Ressourcen der Problemlösung, Expertise und Durchsetzungsmacht mobilisiert werden können (Wieland 2005a). Wer aber besitzt die entscheidenden Ressourcen und Handlungsoptionen? Wieland kommt zu dem Schluss, dass „moderne Gesellschaften steuerungstechnisch Organisationsgesellschaften sind und dass Unternehmensorganisationen in Zeiten der Globalisierung, also auf unabsehbare Zeit, eine wesentliche gesellschaftliche Steuerungsaufgabe zufällt“ (Wieland 2005a: 15). Er geht sogar soweit, von Unternehmen als „Rückgrat moderner Gesellschaften“ zu sprechen, von deren „Integrität und Effektivität ihrer Dienstleistungen und Güter […] das Gelingen des individuellen Lebens und gesellschaftlicher Wohlfahrt entscheidend [abhängt]“ (Wieland 2005a: 15). Die Begründung hierfür findet Wieland in dem Charakteristikum der „Polylingualität“ von Organisationen. Dieses verweist auf die Fähigkeit von Organisationen, im Gegensatz zum Markt aufgrund parallel existierender Rationalitäten
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multireferentiell operieren zu können. Dies macht sie zum entscheidenden Ort, an dem Verbindungs- und Integrationsmöglichkeiten zwischen den Teilsystemen hergestellt werden sollen. Was auf der einen Seite ein Privileg zu sein scheint, entwickelt sich auf der anderen Seite für Wirtschaftsorganisationen zunehmend zu einer Herausforderung. Denn in dem Maße, wie dem Unternehmen als Adressat moralischer Erwartungen eine verstärkte Verantwortung zugeschrieben wird, steigt die Notwendigkeit für Wirtschaftsorganisationen, polylinguale Diskurse erfolgreich zu generieren. Der wirtschaftliche Erfolg hängt somit in entscheidendem Maße davon ab, wie moralische Sprachcodes in den ökonomischen Kontext integriert werden können. Die Antwort auf die Frage, wie Unternehmen dies leisten können, verspricht Wieland mit seinem Forschungsprogramm zu geben. Eine besondere Rolle wird in diesem Zusammenhang auch das Thema der unterschiedlichen kulturellen Kontexte spielen, in denen sich multinationale Unternehmen bewegen. Denn Wieland geht von einem gesellschaftlichen, also kulturspezifischen Wertdiskurs aus, der auf lokaler Ebene die geltenden Werte bestimmt. So ist es das Ergebnis diskursiver gesellschaftlicher Bewertungen, ob etwas ein „Moralgut“ ist oder nicht (Wieland 2005b: 274). Dementsprechend handelt es sich bei dem entstandenen Wertekonsens aufgrund der immer wieder neu zu entfachenden Debatte über bestimmte Werte nicht um einen statischen Zustand, sondern vielmehr um einen dynamischen Prozess. Neben der dynamischen Komponente besteht für multinationale Unternehmen eine besondere Herausforderung in der Vielzahl von Handlungskontexten mit ihren jeweils unterschiedlichen, lokal spezifischen Wertvorstellungen. Wieland führt in diesem Zusammenhang den Begriff der moralischen Diversifität ein. „Werden moralische Werte im interkulturellen Kontext nicht von allen beteiligten Tauschpartnern akzeptiert, anders gedeutet oder mit anderen Prioritäten versehen, sprechen wir von moralischer Diversifität mit ökonomischen Folgen“ (Wieland 2002b: 108). Entscheidend ist dabei, dass für Wieland lokalspezifische Wertstrukturen nicht im Widerspruch zu einem universell gültigen normativen Wertekanon stehen. So stellt die Kontingenz lokaler moralischer Entscheidungen die globale normative Geltung von Werten nicht infrage. Handlungsentscheidend bleibt allerdings das direkte situative Umfeld. „Der Kontext, die lokale Situation dominiert das Ergebnis des Entscheidungsprozesses, nicht aber dessen normatives „framing“ (Wieland 2005a: 79). Aufgrund seines Interesses an tatsächlichen Handlungs- und Entscheidungsprozessen liegt es dementsprechend nahe, dass Wieland der Letztbegründung von universellen Werten keine weitere Aufmerksamkeit schenkt. Um die gesellschaftstheoretischen Aspekte des Forschungsprogramms der Neuen Organisationsökonomik abzuschließen, gilt es festzuhalten, dass nach Wieland die Stabilität einer modernen Gesellschaft davon abhängt, inwieweit
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und wie erfolgreich Unternehmen als Teil des Funktionssystems Wirtschaft und als gesellschaftliche Institution ihrer Steuerungsaufgabe nachkommen. Damit liegt die Schlussfolgerung nahe, dass es ebenfalls im Interesse der Gesellschaft sein müsste, Wirtschaftsorganisationen in ihrer Steuerungsfähigkeit zu unterstützen. Zugespitzt formuliert lautet die These, dass politische Instanzen ihre sowieso bereits abnehmenden Steuerungsmöglichkeiten eigeninitiativ an Wirtschaftsorganisationen weiter abgeben müssten, um zum Wohle der Gesamtgesellschaft dem entstehenden Steuerungsdefizit entgegenzutreten. Dass diese Annahme aus Sicht differenzierungstheoretischer Überlegungen in Anlehnung an Max Weber einen Fehlschluss bedeutet, wird in der kritischen Reflexion aufgegriffen und diskutiert (siehe Kapitel 4.2). Wielands Plädoyer für eine ökonomische Herangehensweise an die Wirtschafts- und Unternehmensethik ist vor diesem Hintergrund jedenfalls durchaus nachvollziehbar. So bedarf es aus seiner Sicht einer systembezogenen Unternehmensethik, die der Ethik eine ökonomische handlungswirksame Resonanz nachweist und diese für Wirtschaftsakteure übersetzt, um damit einen Beitrag zur Gesamtstabilität von modernen Gesellschaften zu leisten. 4.1.4 Ökonomische Annahmen der Neuen Organisationsökonomik Vor dem Hintergrund des weitgehenden Einflusses der Neuen Institutionenökonomik sollen im Folgenden einerseits die relevanten Elemente des Transaktionskostenansatzes als ein Ansatz der NIÖ dargelegt und zum anderen die darüber hinausgehenden Erweiterungen, die Wieland mit seiner NOÖ vornimmt, aufgezeigt werden. 4.1.4.1 Neue Institutionenökonomik Die Neue Institutionenökonomik bietet für Wieland den ökonomischen Bezugsrahmen für seinen Forschungsansatz. Obgleich die NIÖ wie die neoklassische Ökonomik am Homo-oeconomicus-Modell festhält, wird Erstere durch die Einbeziehung der Wirkungsweise von Institutionen als wichtige Koordinationsmechanismen sozialer Beziehungen in Organisationen einem erheblichen Wandel hinsichtlich der Öffnung der Unternehmen als „black box“ unterzogen. Vor dem Hintergrund, dass „Institutionen […] die Funktion [zugeschrieben wurde], Unsicherheit zu reduzieren, den Zeithorizont der Akteure zu verlängern, Anreize zu geben, sich zu spezialisieren und damit eine vertiefte Arbeitsteilung zu bewirken“ (Voigt 2002: 33), wird deutlich, welch substantielle Verbesserung sich die
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Institutionenökonomen von einer detaillierten Bestimmung von Restriktionen, die auf internen Institutionen beruhen, für die Prognostizierbarkeit ökonomischen Verhaltens versprechen. Das Augenmerk auf die Relevanz von formalen Institutionen wie Verfassungen, Satzungen und Gesetze bei Tauschprozessen zu richten, bedeutet an sich schon eine deutliche Erweiterung des neoklassischen Forschungsprogramms. Informellen Institutionen wie Tabus, Bräuche, Konventionen, Verhaltenskodizes etc. und damit „weichen“ Faktoren wie Fairness- und Gerechtigkeitsvorstellungen einen ebenso großen Einfluss auf Tauschpreise und andere Vertragsinhalte zuzuschreiben, zeigt den durchaus avantgardistischen Charakter der NIÖ, obgleich, wie bereits angesprochen, keineswegs von einer Überwindung der neoklassischen Grundprämissen die Rede sein kann. Das Modell der rationalen Wahl wird innerhalb des Property-RightsAnsatzes als einer der drei Hauptströmungen der NIÖ insofern ausgebaut, als nicht mehr die Güter und Produktionsfaktoren selbst, sondern die Rechte bezüglich dieser Güter und Produktionsfaktoren im Mittelpunkt stehen (vgl. Eger/Nutzinger 1999). Es bleibt an dieser Stelle bei der Erwähnung des Property-Rights-Ansatzes, der in seinen Anfängen von Armen A. Alchian und Harold Demsetz zu Beginn der 1970er Jahre entwickelt und die Jahre darauf von Michael Jensen und William Meckling fortgeführt und ausgebaut wurde. Auch wenn die Transaktionskostentheorie (Transaction Cost Economics) der Ansatz ist, der für das Wieland’sche Theorieverständnis der Entscheidende ist, gilt es die dritte Schule, die Agenturtheorie (Agency Theory) zu benennen, die gerade im Zusammenhang mit der Korruptionsthematik zunehmend Einfluss auf die Überlegungen von Wieland nimmt. Hier steht der Vertrag und seine Rolle in Austauschbeziehungen zwischen einem Auftraggeber (Prinzipal) und einem Auftragnehmer (Agent) im Mittelpunkt (Ebers/Gotsch 2006: 247ff.). Einen ausführlicheren Blick gilt es nun auf den Transaktionskostenansatz zu werfen, dessen Entwicklung maßgeblich dem Wirtschaftswissenschaftler Oliver E. Williamson zugeschrieben wird, der vor allem mit seinen beiden Werken „Markets and Hierarchies“ (1975) und „The Economic Institutions of Capitalism“ (1985) einen hohen Bekanntheitsgrad weit über die Grenzen seines Fachgebiets hinaus erlangt hat. Seine Hauptthese ist, dass ökonomische Institutionen die Einsparung von Transaktionskosten bewirken können und sollen, wobei der Arbeitsvertrag aufgrund seiner Unvollständigkeit neben den traditionell berücksichtigten Reibungsverlusten wirtschaftlicher Transaktionen verstärkt in den Blickwinkel rückt. Die Herausforderung liegt demnach in der Optimierung einer Vertragsgestaltung unter Annahme von asymmetrischer Information zwischen den Vertragspartnern (vgl. Voigt 2002). Ziel einer betrieblichen Organisation muss es demnach sein, eine Struktur – bspw. in Form eines Überwachungssystems – aufzubauen, in der für den Akteur
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die Kosten opportunistischen Verhaltens den eigentlichen Nutzen übersteigen. Offensichtlich wird durch die Opportunitätsannahme das Homo-oeconomicusModell von Williamson noch übertroffen. Die Besonderheit liegt in der gleichzeitigen Aufweichung des Rationalitätsmodells, da von einer unvollkommenen individuellen Rationalität und dementsprechend von eingeschränkt rationalem Verhalten ausgegangen wird (Richter/Furubotn 1996: 4). Während die neoklassische Wirtschaftstheorie von Transaktionskosten von null ausgeht, mit der Konsequenz, dass sich die Institutionen durch Allokationsneutralität auszeichnen, ist der Kerngedanke der NIÖ von Williamson, dass mit jeder Tauschhandlung Kosten entstehen (Informations-, Such-, Verhandlungsund Durchsetzungskosten), deren Höhe von der Art der jeweils gültigen Institutionen abhängen. Festhalten lässt sich an dieser Stelle, dass die Einflüsse der Neuen Institutionenökonomik, vor allem der vertragstheoretisch und transaktionsökonomisch auf die „ökonomische Theorie der Firma“ ausgerichteten „New Economics of Organziation“ (vgl. Wieland 1996a), wie sie Wieland entwickelt, vielfältig und offensichtlich sind. Gleichwohl beansprucht Wieland für sich, eine entscheidende Erweiterung der Ansätze der NIÖ vorzunehmen, indem er sich den eher schwierigen Fällen, welche in der NIÖ „unter ,moral hazard‘, Opportunismus, Vertrauen, Reputation, Status oder ,economics of atmosphere‘ rubriziert werden“ (Wieland 1996a: 1), widmet. Denn letztlich geht es Wieland darum, „Fragen der Wirtschaftsmoral so zu strukturieren, daß sie als moralische ökonomisch behandelbar werden, ohne ihre moralische Identität zu verlieren“ (Wieland 1996a: 36). Wie dies ermöglicht werden soll, ist Gegenstand der nachstehenden Ausführungen. 4.1.4.2 Erweiterung der Neuen Institutionenökonomik Der Stellenwert, den das Thema Kooperation bei Wieland einnimmt, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden und steht im engen Zusammenhang mit der Steuerungsthematik hinsichtlich des Aspekts der Koordination. Da moderne Gesellschaften von Wieland als Organisationsgesellschaften verstanden werden, deren Wirtschaftssysteme sowohl über den Markt als auch über Organisationsbeziehungen gesteuert werden, folgt daraus, dass die Koordinationsleistung der Märkte rekursiv mit der Kooperationsleistung in und zwischen Unternehmen vernetzt ist (Wieland/Becker 2004c: 441). Indem Wieland Kooperation als ein grundlegendes und universalistisches Moment menschlicher Existenz fasst, das sowohl moralische als auch ökonomische, politische und rechtliche Reflexionen über die Integration einer Gesell-
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schaft ermöglicht (Wieland 2006b), legt er damit auch den Fokus auf die Gestaltung von Transaktionen. In Anlehnung an Williamson geht Wieland also davon aus, dass die entscheidende Herausforderung, von der der Erfolg eines Unternehmens abhängt, die Gestaltung einer Transaktion ist, die es so vorzunehmen gilt, dass der Tauschakt mit möglichst wenigen Reibungsverlusten vollzogen wird und damit die Transaktionskosten möglichst niedrig gehalten werden. Aufgrund der Unvollständigkeit von Verträgen lassen sich wirtschaftliche Transaktionen jedoch nicht vollständig koordinieren und überwachen. Besonders problematisch ist das Monitoring von „weichen“ Verträgen, deren Gegenstand nur lose definierbar ist und damit einen großen Handlungsspielraum für den einzelnen Akteur offenhält. Aber auch scheinbar „harte“ Vertragsbestimmungen wie die Festlegung der Arbeitszeit lassen Raum für Interpretation. Wieland führt in diesem Zusammenhang das Beispiel an, dass der Erfolg des gesamten Teams durch das Einzelverhalten bspw. im Sinne von Arbeitsverweigerung – umgangssprachlich kann auch von „Drückebergerei“ gesprochen werden – stark reduziert werden kann. Dennoch ist es vor dem Hintergrund des Wieland’schen Persönlichkeitsverständnisses eines „multiple selves“, das sowohl opportunistische wie moralische Präferenzen in sich trägt, offensichtlich nicht zu vermeiden, dass „jedes Teammitglied […] fast immer die Möglichkeit [hat], seine wahre Leistungsfähigkeit und Leistung innerhalb gewisser Grenzen zu verschleiern und die Wirksamkeit von externen Kontrollmechanismen durch die Kreation neuer Unterlaufungstechniken zu mindern“ (Wieland 1996a: 5). An diesem Beispiel wird deutlich, weshalb die sogenannte „Transaktionsatmosphäre“ an unmittelbarer Relevanz gewinnt. Ausgehend von der Annahme, dass bei ökonomischen Transaktionen mittels hierarchischer Strukturen die Effizienz ihrer Durchführung häufig von der Verfügbarkeit von personalen Werten und den daraus folgenden Leistungen abhängt, spricht Wieland davon, dass in jedem formalen Arbeitsvertrag „neben den expliziten eine Reihe von impliziten Festlegungen und Beschränkungen“ mitlaufen, „die gemeinsam die Grenze bestimmen, innerhalb derer die Leistung eines Teammitglieds überhaupt gesteuert werden kann“ (Wieland 1996a: 5). Dieser implizite Vertrag besteht aus wechselseitigen Zugeständnissen und Zusagen, die wiederum bei jedem der Vertragspartner gerechtfertigte Erwartungen produzieren. Auch wenn ihre Durchsetzung rechtlich kaum mit einem angemessenen Kostenaufwand zu schaffen ist, gelten implizite Verträge in einem gewissen Umfang als verbindlich, vor allem, wenn eine längerfristige Vertragspartnerschaft angestrebt wird. Hinsichtlich der bestehenden Unsicherheit und der gleichzeitigen Relevanz von personalen Werten, die mit der Unvollständigkeit von Verträgen einhergehen, erscheinen Faktoren wie Macht, Autorität und Hierarchie innerhalb eines Organisationssystems in einem anderen Licht. Offensichtlich verändern sich im
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Zuge der wachsenden Bedeutungszuschreibung der Transaktionsatmosphäre auch die Anforderungen an eine organisationale Hierarchie. Autorität ist nun im Gegensatz zum neoklassischen Ökonomieverständnis und dem der NIÖ nicht mehr gleichzusetzen mit Kontrolle und Sanktion, sondern strebt vielmehr eine aktive Einflussnahme auf die atmosphärischen Parameter einer durchzuführenden Transaktion an (Wieland 1996a: 6). Zwar findet Wieland für den Begriff „Transaktionsatmosphäre“ in seinen Ausführungen durchaus Verwendung, letztlich bevorzugt er allerdings eine weniger weiche und unbestimmt klingende Bezeichnung, nämlich den Begriff der Governancestruktur. „Diese Governancestrukturen können Selbststeuerungsregimes von Individuen, informale oder formale Institutionen einer gegebenen Gesellschaft oder die Kooperations- und Koordinationsstrukturen einer gegebenen Organisation sein“ (Wieland 2005b: 259). Auch wenn Wieland Governancestrukturen offensichtlich auf den unterschiedlichen Ebenen ansiedelt, wird im weiteren Verlauf deutlich, dass seine Schwerpunktsetzung auf den innerorganisationalen Governancestrukturen von Unternehmen liegt. Denn für Wieland ist die einzig sinnvolle Herangehensweise bei der Bearbeitung moralischer Probleme in der Wirtschaft, bei der Organisation zu beginnen. Panther sieht gerade in dieser organisationsinternen Fokussierung den Beitrag von Wieland in der Weiterentwicklung institutionenökonomischer Theorieansätze. „Informelle und formale Institutionen sind zweifellos ,bread and butter‘ der institutionenökonomischen Theorien, und individuelle moralisch-ethische Präferenzen werden zwar von vielen Ökonomen in ihrer Wirksamkeit unter modernen Marktbedingungen, kaum jedoch in ihrer Existenz bezweifelt: Es ist die Betonung organisationsinterner Institutionen, welche die Governanceethik auszeichnet.“ (Panther 2004b: 9). Der zentrale Stellenwert, den Wieland den organisationsinternen Koordinations- und Kooperationsmechanismen zuspricht, ist nach Panther die theoretische Innovation der NOÖ aus institutionenökonomischer Perspektive. Im Gegensatz zu Panther wird hier, obgleich die Fokussierung auf die organisationsinternen Steuerungsmechanismen als durchaus bemerkenswertes Element des Wieland’schen Ansatzes zu bezeichnen ist, sein innovativer theoretischer Beitrag – die Erweiterung der Neuen Institutionenökonomik – vor allem in der Berücksichtigung der moralischen Dimension ökonomischer Transaktionen gesehen. Er erweitert das ökonomische Knappheitsproblem, wie es die Neue Institutionenökonomik kennt, folgendermaßen: So bestehe das „ökonomische Problem […] darin, knappe Ressourcen durch organisierte Kooperation unter Wettbewerbsbedingungen zu alloziieren. Ressourcen sind in diesem Zusammenhang
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Güter und Produktionsfaktoren, aber auch moralische Wertungen und Haltungen der Akteure“ (Wieland 2005b: 257). Entscheidend ist, dass Wieland – im Gegensatz zur NIÖ, trotz ihres Aufwerfens moralökonomischer Fragen – nicht an dem Punkt stehen bleibt, Moral als Externalität anzusehen, deren Internalisierung scheinbar unlösbare methodische Schwierigkeiten bereitet (Wieland 1996a: 33). Vielmehr nimmt er diese Herausforderung an und greift die Frage nach der Kalkulierbarkeit von Moral auf, um mit der Idee der Allokation moralischer Güter außerökonomische Ansprüche in eine ökonomische Theorie zu integrieren. Der Grund dafür, dass laut Wieland in der herkömmlichen ökonomischen Theorie, die ja durchaus die Bedeutung von moralischen Gütern anerkennt, moralökonomische Fragen bei Transaktionskostenberechnungen vernachlässigt werden, liegt nicht zuletzt in der fehlenden Marktfähigkeit moralischer Güter. Als Güter, die nicht auf dem Kapitalmarkt handelbar sind, sind sie für den Ökonomen trotz des Wissens über ihre Effekte auf und in ökonomischen Systemen schwer in ökonomische Formeln übersetzbar. Mit der Idee der Allokation moralischer Güter versucht Wieland dieses Transformationsproblem zu lösen, da seines Erachtens der Erfolg eines Unternehmens gerade in der Steigerung der Allokationseffizienz moralischer Güter liegt. So sind implizite Verträge eben nur beschränkt monetär anreizbar und noch viel weniger rechtlich erzwingbar, so dass ihre Wirksamkeit entsprechend stark auf moralische Güter angewiesen ist. Die Idee, die der Allokation moralischer Güter zugrunde liegt, erschließt sich durch eine nähere Bestimmung der Begriffe „wirtschaftliche Güter“, „moralische Güter“ und „Statusgüter“. Wirtschaftliche Güter sind durch Knappheit und Quantifizierbarkeit gekennzeichnet. Ihre Verteilung wird im Gegensatz zu den moralischen Gütern über Marktoperationen gesteuert (vgl. Wieland 1996a: 20). Neben der fehlenden Marktfähigkeit zeichnen sich moralische Güter dadurch aus, dass sie „zusammen und nicht separierbar mit wirtschaftlichen Gütern erworben [werden], weil und insoweit formale Verträge unvollständig sind. […] Ihr systematischer Ort ist die Organisation […] als Netzwerk expliziter und impliziter Verträge. […] Sie haben keinen Preis, aber sie finden ihren Ausdruck in Güterpreisen […]“ (Wieland 1996a: 162). Neben der sachlichen Güterdimension spricht Wieland außerdem noch von einer personalen Dimension, die auf die „moralischen Präferenzen und Fertigkeiten der Mitglieder eines Teams oder der Partner einer Kooperation [verweist]“ (Wieland 1996a: 177). Es handelt sich um Werte wie „Fairneß, Integrität, Aufrichtigkeit, Loyalität, Dignität – kurz: Tugenden und Menschenrechte –, die zwischen Personen in Organisationen oder zwischen kollektiven Akteuren zugewiesen werden“ (Wieland 1996a: 20). Der personale Aspekt bezieht sich dementsprechend sowohl auf individuelle als auch auf kollektive Personen. Wichtig in diesem Zusammenhang und hinsichtlich der Definition von Statusgü-
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tern ist der Faktor der Zuweisung. Die Zuweisung moralischer Güter zwischen individuellen und kollektiven Akteuren vollzieht sich über die Einhaltung von impliziten Verträgen. Indem sie als Achtung oder Missachtung anfallen, bestimmen sie zwar auch den Status von Transaktionspartnern mit. Allerdings unterscheidet sie Wieland von Statusgütern. Mit Statusgütern meint er soziale Statuswerte wie „Achtung, Teamgeist, Vertrauen und Reputation“, die ihrerseits mit der Allokation von wirtschaftlichen und moralischen Gütern zugeteilt und durch Entscheidungen in oder zwischen Organisationen zugewiesen werden (Wieland 1996a: 21). Um den Zuweisungscharakter von Statusgütern und moralischen Gütern an einem Beispiel zu konkretisieren, verweist Wieland auf die Differenz vom moralischen Gut „Ehrlichkeit“ und dem Statusgut „Reputation für Ehrlichkeit“. Eine Person kann durchaus eine Reputation für Ehrlichkeit besitzen, ohne dass sie zwangsläufig in jedweder lokalen Situation eine ausschließlich ehrliche Verhaltensweise an den Tag legt. Mit der Idee der Allokation moralischer Güter lässt sich für Wieland offensichtlich das Problem der Externalität von Moral in ökonomischen Theorieansätzen lösen. Inwiefern sich diese Erkenntnisse für die Transaktionskostenanalyse tatsächlich nutzbar machen lassen, wird im Folgenden ihre Übersetzung in eine ökonomische Formel zeigen, die den Anspruch erhebt, alle moralischen Dimensionen einer Transaktion in die Berechnung mit einzubeziehen. 4.1.5 Kernelemente der Neuen Organisationsökonomik Ausgehend von den angestellten gesellschaftstheoretischen und ökonomischen Annahmen werden nun die Kernelemente des Forschungsansatzes skizziert. Für das Gesamtverständnis gilt es jedoch vorab kurz die Wieland’sche Argumentationslinie zu referieren, die sich als roter Faden durch die nachstehenden Kapitel ziehen wird: Wieland identifiziert als Grundproblem jeglichen wirtschafts- und unternehmensethischen Überlegens die Frage der Integration zwischen den beiden Funktionssystemen Moral und Wirtschaft. Dabei legt er den Schwerpunkt seiner Analyse auf das Thema Steuerung, wobei er auf der gesellschaftlichen, der organisationalen und der individuellen Ebene ansetzt. Der Gegenstandsbereich der Wirtschafts- und Unternehmensethik muss demnach die Wahlentscheidung sein, die individuelle ebenso wie kollektive Akteure hinsichtlich der Ausgestaltung einer Steuerung- also einer Governancestruktur zu treffen haben. Diese hat dann die Realisierung der moralischen Dimension einer Transaktion zum Gegenstand. Konsequenterweise entwickelt Wieland dementsprechend ein Entscheidungsmodell, das den Anspruch erhebt, alle relevanten Moralparameter der Wirtschaft und ihrer Unternehmen zu integrieren. Dieses Entscheidungsmodell
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spiegelt sich in einer ökonomischen Formel Tm wider, die als erstes Kernelement der Neuen Organisationsökonomik näher betrachtet wird und die darauf abzielt, „Steuerungsstrukturen (Institution, Organisation), Steuerungsmodi (Kooperation, Polylingualität) und Steuerungsobjekte (Ressourcen, Güter)“ so zueinander in Beziehung zu setzten, „dass normative Steuerungsziele (Moral einer Transaktion) als Bestandteil des ökonomischen Problems entwickelt werden können, ohne sie dabei in Ökonomie aufzulösen oder die funktionale Differenzierung moderner Gesellschaft zu unterbieten“ (Wieland 2005a: 60, Hervorhebung der Verfasserin). Insofern der Ausgestaltung der organisationalen Governancestrukturen ein innovatives Moment der NOÖ zugrunde liegt, wird dieser Faktor der Transaktionsformel in den Ausführungen hervorgehoben. Als drittes und letztes Kernelement der NOÖ gilt es anschließend, die Bedeutung von Moral, Kultur und Werten als individuelle und organisationale Ressourcen zu bestimmen und die daraus folgenden Konsequenzen hinsichtlich ihrer Aktivierbarkeit von Seiten der Unternehmung aufzuzeigen. 4.1.5.1 Die Integration von Moralfaktoren in die Transaktionskostenformel Die Annahme, die der Fokussierung auf die moralische Dimension einer einzelnen Transaktion zugrunde liegt, lässt sich ebenfalls im gesellschaftstheoretischen Fundament der Neuen Organisationsökonomik finden: So liegt die Einheit und Integration moderner Gesellschaften nach Wieland nicht in einer „Systeme umspannenden Totalität“, sondern im „immerwährenden Aufscheinen und Entschwinden gelingender Simultanität systemischer und daher differenter Entscheidungslogiken in der Governance der Transaktionen einer Gesellschaft“ (Wieland 2005a: 24). Die gelingende Simultanität, die untenstehend noch näher in den Blick gerückt wird, ist der Schlüssel dafür, dass – trotz unterschiedlicher Systemlogiken und deren Sprachcodes – Kooperation in modernen Gesellschaften möglich ist. Für eine gelingende Simultanität, „das Zugleichsein“, das „Zusammenspiel und -wirken differenter Systemlogiken“, bedarf es struktureller Kopplungen, mit denen „die Integration der Gesellschaft als fragmentiertes und temporalisiertes Ereignis auf der Ebene der Organisationssysteme der Funktionssysteme gelingen kann“ (Wieland 2005a: 19). Mit der Betonung der kontextuellen und zeitlichen Begrenzung einer Transaktion rückt Wieland von der Vorstellung ab, dass es eine permanente Integration der Gesellschaft geben könnte. Allerdings erkennt er damit modernen Gesellschaften keineswegs das Potential ab, im Sinne eines kontinuierlichen Lern- und Entwicklungsprozesses auf den verschiedenen Ebenen eine Governancestruktur
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zu gestalten, die gelingende Simultanität in Form von moralökonomischer Kommunikation ermöglicht und fördert. Der mikroanalytische Ansatz, den Wieland verfolgt, impliziert dementsprechend, dass sich alle wirtschafts- und unternehmensethischen Problemfälle mikroanalytisch, nämlich als moralische Dimension distinkter wirtschaftlicher Transaktionen, darstellen lassen. „Es ist dann die diskriminierende Zuordnung von Governancestrukturen zur Steuerung und Kontrolle dieser Transaktionen, die darüber entscheidet, ob moralische Anliegen in der Wirtschaft zum Zuge kommen oder nicht“ (Wieland 2005b: 259). Um die moralische Dimension in die Transaktionskostenanalyse zu integrieren, entwickelt Wieland eine Formel, mit der er beansprucht, „alle relevanten Moralparameter der Wirtschaft und ihrer Unternehmen in ein komparativ arbeitendes Entscheidungsmodell“ (Wieland 2005a: 39f.) einzubeziehen. In diesem Punkt unterscheidet er sich nach eigenen Angaben von den bisherigen institutionalistischen Ansätzen der Wirtschafts- und Unternehmensethik, die sich im Wesentlichen auf die formalen und gelegentlich auch auf die informalen Institutionen einer gegebenen Gesellschaft oder Wirtschaft zur Erklärung ethischen Handelns in der Wirtschaft beschränkt hätten. T m = f (aIS i , b FI i j , cIF i j , dO KK i ) IS: individuelle ethisch-moralische Selbstbindung FI: formale Institutionen, welche ethisch-moralische Ansprüche für eine Vielzahl von Akteuren und Organisationen kodifizieren können IF: informelle Institutionen, die vergleichbar wirken, aber nicht staatlich durchgesetzt werden OKK: die in einer Organisation wirksamen Koordinations- und Kooperationsmechanismen/-routinen Jeder dieser Faktoren kann die moralische Dimension der Transaktion positiv (a, …, d = 1), negativ (a, …, d = -1) oder überhaupt nicht (a, …, d = 0) beeinflussen.
Die Tatsache, dass bei Wieland grundsätzlich alle diese Faktoren als funktional äquivalent gelten, verweist auf den Aspekt der Vergleichbarkeit, der für ihn insofern wichtig ist, als komparative Aussagen über die Wirksamkeit einzelner Moralregime generiert werden können (Wieland 2005b: 259). Außerdem erhebt diese Definition einer Transaktionsanalyse, wie bereits erwähnt, den Anspruch, „vollständig“ zu sein, indem sie alle möglichen Strukturen moralischer Steuerung zu erfassen vermag. Darüber hinaus bezeichnet Wieland sie als „notwendig“, was bedeutet, „dass das Gesamt aller Strukturen moralischer Steuerung in ethischen Entscheidungen immer aktiviert ist“ (Wieland 2005b: 259).
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Vor dem Hintergrund, dass alle Faktoren hinsichtlich ihres Lösungspotentials für die jeweils spezifische Transaktion vergleichbar sind, ist es für die empirische Anwendung der Formel entscheidend, nach welchem Verfahren der moralische Einfluss der Faktoren auf eine Transaktion bestimmt wird. Wieland führt hierfür die Koeffizientenmatrix ein, in der „in einem ersten Schritt festgelegt [wird], welche Wirksamkeit (a…d, -1, 0, 1) von den einzelnen Funktionsargumenten (IS, FI, IF, OKK) im Hinblick auf die moralische Dimension einer Transaktion erwartet wird“ (Wieland 2002b: 109, Hervorhebung der Verfasserin). Mit „erwarten“ ist hier nicht gemeint, dass es sich bei den Koeffizienten um Schätzwerte handelt, sondern lediglich um „auf Plausibilität beruhende Annahmen über die Wirksamkeit des jeweiligen Funktionsarguments“ (Wieland 2002b: 107). Ohne dieses Vorgehen weitergehend problematisieren zu wollen, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Bestimmung der moralischen Dimension der Faktoren mit einer gewissen Willkür und Subjektivität einherzugehen scheint. Umso wichtiger scheinen Ergebnisse aus der Empirie zu sein, die diesem Problem entsprechend entgegenwirken sollen. Dabei ist die Governanceethik methodisch komparativ angelegt, was so viel heißt wie, dass sie „mindestens zwei Steuerungsregimes in diskriminierender Weise hinsichtlich ihrer Eigenschaften, moralisches Handeln zu fördern und unmoralisches Handeln zu vermeiden oder umgekehrt“, vergleicht. „Ihr Kriterium ist dabei die ökonomische und moralische Anreizsensitivität einer Governancestruktur, die über die Effektivität und Effizienz der angestrebten Transaktion entscheidet“ Wieland 2005a: 43). Grundsätzlich lässt sich bezüglich der Bewertung der Faktoren sagen, dass Wieland der Wirksamkeit einer isolierten, auf sich allein gestellten Tugendethik (nur IS als individuelle ethisch-moralische Selbstbindung), unabhängig vom Einfluss des jeweils spezifischen kulturellen Kontextes und der damit einhergehenden mehr oder weniger einflussreichen informellen und formalen Institutionen einer Gesellschaft, skeptisch gegenübersteht. Stephan Panther verwendet hier das Bild von individuellen Tugenden als Bodenschätze, die für eine moralfähige Unternehmung zwar essentiell sind, aber erst durch Investition in entsprechende Organisationsmechanismen zutage gefördert werden können (Panther 2005: 9). Denn moralisches oder tugendhaftes Handeln sozialer Akteure kann sich nach Wieland „nicht durch sich oder an sich selbst oder um seiner selbst willen faktisch ausdrücken und zur Geltung bringen, sondern nur in und mittels seiner Mechanismen der Governance“. Vielmehr brauchen Tugend und Moral, so Wieland weiter, „ein individuelles oder institutionelles Medium, ein organisatorisches Instrumentarium, an das sie sich ankristallisieren können und durch das sie überhaupt erst soziale Relevanz erhalten“ (Wieland 2005a: 69, Hervorhebung
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der Verfasserin). Einmal mehr wird hier deutlich, dass es Wieland um Steuerungsmöglichkeiten und Steuerungsmittel geht. Die bereits ausgeführte elementare Rolle, die Wirtschaftsunternehmen für die Steuerungstektonik moderner Gesellschaften spielen, legt die Konsequenz für Wieland nahe, den Fokus auf die innerorganisationalen Governancestrukturen zu legen, wie im Folgenden näher erläutert wird. 4.1.5.2 Organisationale Governancestrukturen In Anbetracht der Bedeutung der innerorganisationalen Steuerungsstrukturen für Wieland bedarf es im Hinblick auf die Korruptionsthematik in Unternehmen einer näheren Betrachtung dieser Steuerungsmechanismen, die Wieland mit dem Ziel entwirft, integres Verhalten im Unternehmen zu ermöglichen und zu fördern. Die Entwicklung einer Komplexitätszunahme des gesellschaftlichen Umfelds, in welchem sich Unternehmen in legaler und legitimierter Weise zu bewegen haben, bedeutet eine besondere Herausforderung für Unternehmen, da die Bereiche, in denen herkömmliche Anreiz- und Kontrollmechanismen wirksam sind, stetig kleiner werden. Stattdessen gewinnt die Sicherstellung der Verbindlichkeit moralischer Standards im Hinblick auf die Homogenisierung, Integration, Kontrolle und Steuerung der Firma an Bedeutung (Wieland 1993: 12). Voraussetzung hierfür ist die Definition von Organisation als ein kollektiver moralischer Akteur, die Wieland vertragstheoretisch herleitet und die seines Erachtens nicht im Gegensatz zum interessenorientierten Ansatz des methodologischen Individualismus steht. Folglich führt das Unternehmen als Organisationssystem „sowohl eine eigenständige Existenz als personaler kollektiver Akteur […], dem Entscheidungen, Entscheidungskompetenzen und Erwartungen zugerechnet werden können, [und besteht außerdem] auch aus den Handlungen und Entscheidungen individueller Personen“ (Wieland 1996a: 141f.). Die Definition, die besagt, dass Unternehmen in organisierter Weise Entscheidungen herbeiführen können, schließt also ein, dass ihre Mitglieder durchaus über eigene Ziele verfügen und diese auch zu verfolgen versuchen. „Sie können dies aber nur, insofern sie die Unternehmensverfassung und den ethischen Verhaltenskodex und so weiter mit ihren Zielsetzungen und Regelungen über Entscheidungskompetenzen als konstitutionelle Beschränkung ihrer je eigenen Handlungsfreiheit akzeptieren“ (Wieland 1993: 22). Die Konsequenz aus diesen Annahmen liegt auf der Hand: Unternehmen streben mithilfe von unternehmensinternen Verhaltensleitlinien eine Homogenisierung der moralischen Präferenzen ihrer Teammitglieder an, um deren indivi-
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duelle Opportunismusbestrebungen zu reduzieren und ihre Einzelentscheidungen im Sinne der Gesamtziele zu steuern. Eine möglichst reibungslose Teamarbeit soll maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg des Gesamtunternehmens beitragen. An genau diesem Punkt setzt die Idee der Allokation moralischer Güter an (siehe Kapitel 4.1.4.2). So sieht Wieland als wichtige Voraussetzung für eine effiziente und effektive Kooperation zwischen den einzelnen Akteuren die Zusammenführung materieller und immaterieller Ressourcen der Teammitglieder. Dementsprechend bedarf es einer doppelten Allokation: die der wirtschaftlichen und die der moralischen Güter (vgl. Wieland 1996a: 143). Abschließend lässt sich festhalten, dass die Unternehmensführung über Entscheidungsmöglichkeiten verfügt, wie sie die organisationale Governancestruktur ausrichtet und gestaltet. Wie eingangs erwähnt, spricht Wieland dementsprechend innerhalb seiner Ausführungen davon, dass es sich bei der Governanceethik um ein Entscheidungsmodell handelt. Aufgrund der Ausgestaltung der Steuerungsmechanismen besteht ein Spielraum hinsichtlich der erfolgreichen Einflussnahme auf das moralische oder unmoralische Handeln der Mitarbeiter. So hängen „die Effizienz und Effektivität der Realisierung dieser moralischen Erwartungen und Ansprüche in den spezifischen Transaktionen eines Kooperationsprojektes, also die Wirksamkeit der Ermöglichungs- und Beschränkungsfunktion der Moral, […] von der Gestaltung und dem Zusammenwirken der erreichbaren individuellen, institutionellen und organisatorischen Steuerungsregimes“ (Wieland 2005b: 73f.) ab.
Nachdem gezeigt wurde, dass die materiellen und immateriellen Güter eine entscheidende Rolle im Forschungsprogramm von Wieland spielen, soll im nachstehenden Kapitel ausgeführt werden, inwiefern sich Moral, Werte und Kultur als individuelle und organisationale Ressourcen eines Unternehmens entwickeln lassen. Dies geschieht vor allem mit Rückgriff auf die Ergebnisse der Forschungsaktivitäten von Wieland und Becker zur Transaktionskostentheorie und den Ressource-based-Ansätzen in den letzten Jahren (vgl. Wieland 2005a, Wieland 2004a, Wieland 2004b, Wieland/Becker 2000, Wieland/Becker 2004c). 4.1.5.3 Moral, Kultur und Werte als individuelle und organisationale Ressourcen Ausgangspunkt der Wieland’schen Argumentation bildet nach wie vor das Ziel, wirtschafts- und unternehmensethische Problemfälle als Bestandteil des ökonomischen Problems zu entwickeln, das darin besteht, die Knappheit von Ressourcen und Kompetenzen durch Kooperation unter Wettbewerbsbedingungen zu
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überwinden. Zu den Ressourcen einer Organisation gehören laut Wieland unter anderem Tugend, Moralität und Werte, wobei „sowohl die individuellen Akteure als auch deren kollektiver Akteur, die Organisation, als Träger dieser moralischen Ressource fungieren“ (Wieland 2004b: 260). Der Grund dafür, weshalb nach Wieland Moral, Kultur und Werte als für den Erfolg und die Legitimität von Unternehmen als existenzielle Ressourcen bezeichnet werden können, liegt in der Unvollständigkeit der Verträge. Wie gezeigt wurde, entstehen nach Wieland moralische Fragen im Wirtschaftsprozess aufgrund von unvollständigen Verträgen, deren Ursache wiederum in personaler, situationaler und informationaler Unsicherheit gesehen werden kann. Moral wird unter diesen Bedingungen zur elementaren Ressource in Kooperationsprojekten, die unter Wettbewerbsbedingungen gestaltet werden. Es bedarf einer glaubwürdigen moralischen Verbindlichkeit, um Kooperationspartner für bestimmte Transaktionen zu werden. Neben dem Faktor Moral als Ressource benennt Wieland Kultur als weiteren elementaren Einflussfaktor auf wirtschaftliche Kooperationen. Kultur in Form von informalen Institutionen wird von Wieland auf den verschiedenen Ebenen angesiedelt. Er unterscheidet zwischen den Ebenen der Wirtschaftsräume (Wirtschaftskultur), der Branchen (Branchenkultur) und der Unternehmen (Unternehmenskultur), auf denen informale, kulturspezifische Institutionen die Transaktionskosten einer Volkswirtschaft beeinflussen (vgl. Wieland/ Becker 2004c: 442). Wenn Wieland dem Faktor Kultur als informaler Handlungsbeschränkung eine weitreichende Bedeutung in wirtschaftlichen Interaktionsprozessen zuschreibt, ist dies nichts Neues. Vielmehr bezieht er sich auch hier auf die Neue Institutionenökonomik. Das hervorzuhebende Moment ist wiederum die Herausarbeitung der spezifischen und zentralen Rolle von organisationalen Binneninstitutionen in Bezug auf die Nutzbarmachung der Ressource Unternehmenskultur für Organisationen. Wieland richtet seinen Blick also auf die Faktoren Kultur und Moral und damit eng verbunden auf den Aspekt der Werte, und zwar als individuelle und organisationale Ressourcen von Unternehmen. Da Ressourcen erst durch ihre Aktivierbarkeit relevant werden, stellt sich nun die Frage der Aktivierbarkeit und Zugänglichkeit dieser Ressourcen, die für Unternehmen im Hinblick auf die eigene steigende organisationale Komplexität und die zunehmende Komplexität ihres organisationalen Feldes unaufhaltsam an Relevanz gewinnen. Zunächst einmal ist es wichtig herauszustellen, dass die Annahme einer möglichen Aktivierbarkeit von bestimmten Ressourcen zwangsläufig voraussetzt, dass besagte Ressourcen bereits vorhanden sind. Das heißt, dass Wieland davon ausgeht, dass moralische Werte in einer Gesellschaft bevorratet sind, wo-
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bei es sich dabei nicht um ein statisches Wertesystem handelt. Entscheidend ist, dass jede Wirtschaft und jedes Unternehmen von der Verfügbarkeit und Wirksamkeit moralischer Standards einer Gesellschaft abhängt, was dazu führt, dass der Prozess niedergehender tradierter Wertmuster bzw. die Entwicklung neuer Werte in modernen multikulturellen Gesellschaften für Unternehmen durchaus betriebsrelevant werden können (vgl. Wieland 1993: 18). Wieland geht also von der Voraussetzung eines gewissen Maßes an Mindestmoral aus, was bedeutet, dass eine moralische Dimension als solche (also nicht selbst aus dem ökonomischen Kalkül folgend) präsent sein muss, damit der ökonomische Effekt einer Kostensenkung hinsichtlich der Transaktionskosten eintreten kann (Wieland 1993: 25). Denn der ökonomische Vorteil moralfähiger Unternehmen resultiert aus der Verringerung der Opportunismusgefährdung, welche bei Kooperationsbeziehungen immer vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, wie die Ressourcen Moral, Kultur und Werte zugänglich gemacht werden und damit Einfluss auf die Handlungen der einzelnen Akteure bekommen können. Wenig überraschend ist, dass Wieland den Blick auf die Steuerungsstrukturen lenkt und davon ausgeht, dass es moralsensitiver und kultursensibler Governancestrukturen bedarf, um diese Ressourcen zu aktivieren. Das Ausmaß an integrem Verhalten der Mitarbeiter hängt dementsprechend unmittelbar von der Ausgestaltung der formalen und informalen Governancestrukturen ab, die in einem Unternehmen vorgenommen und mit der die Möglichkeit des tatsächlichen Zugriffs einer Organisation auf die angesprochenen individuellen und organisationalen Ressourcen gewährleistet wird. In Bezug auf den Faktor Kultur heißt dies für die Ebene von Unternehmen, dass die kulturelle Identität einer Organisation bestehende Unsicherheiten mildern und damit Transaktionskosten senken kann, sofern Kultur als Ressource mithilfe von organisationsspezifischen informalen Institutionen aktiviert wird. Es liegt also im Interesse von Unternehmen, Werte wie Gemeinsinn, Solidarität, Integrität oder Ähnliches in der Unternehmenskultur als informale Governancestrukturen zu verankern und damit zum Bestandteil der „Corporate Governance“ werden zu lassen. „Entscheidend ist nun, dass dies in modernen kapitalistischen Marktwirtschaften vor allem für Unternehmen gilt, die diese Selbstbindung über entsprechende organisationseigene Routinen erzeugen können. Nur durch sie gelingt es Unternehmen, individuelle tugendethische Selbstverpflichtungen der ihr angehörenden Akteure dauerhaft als Ressource für die Organisation als Ganzes zu erschließen“ (Panther 2004b: 9). An dieser Stelle sei nochmals auf die Herausforderungen eines global operierenden Unternehmens hingewiesen, das, nicht zuletzt aufgrund der Organisie-
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rung von weltweiten Wertschöpfungsketten, mit völlig neuen Formen der Kooperation konfrontiert wird. Damit geht ein völlig neuer Status von kulturellen Kompetenzen einher, die nach Wieland als ökonomische Ressourcen behandelt werden müssen. Nachdem nun deutlich geworden ist, dass die Aktivierung der Ressourcen über moralsensitive Governancestrukturen erfolgen soll, stellt sich die Frage, wie eine erfolgreiche Implementierung dieser Strukturen in ein Unternehmen möglich ist. Wieland spricht an dieser Stelle von einem umfassenden Anreizmanagement, das integriert werden soll. Bevor näher auf das Anreizmanagement eingegangen wird, gilt es, kurz die Unterscheidung zwischen Motiv und Anreiz zu skizzieren, die Wieland vornimmt, um zu zeigen, inwiefern soziale Akteure moralischen Anreizen folgen. Während Motive auf handlungstheoretischer Ebene einzuordnen sind, sind es die Anreize auf strukturtheoretischer Ebene. Es darf nach Wieland nicht der Fehlschluss gezogen werden, moralische Anreize ausschließlich intrinsisch zu definieren. In diesem Fall wäre vielmehr die Rede von Motiven, die den Handlungen zugrunde liegen. Es können verschiedene Motive, ökonomische und rechtliche Erwägungen oder auch eine Mischung aus den Motiven, sein, die Akteure moralischen Anreizen folgen lassen. Selbst wenn ein Akteur aus moralischen Gründen den moralischen Anreizmechanismen nachgeht, heißt das laut Wieland nicht, dass es sich dabei um eine „Befolgung der Moral um ihrer selbst willen“ handelt. Denn „mit naturgemäßen oder habitualisierten Befolgen von moralischen Regeln würde selbst ein Motiv befriedigt, nämlich das, in Einklang mit seiner natürlichen Veranlagung und seinem Habitus zu leben“ (Wieland 2005b: 263). Mit dieser Konstruktion ist es Wieland möglich, die Handlungsmotive von Akteuren in den Hintergrund zu stellen und den Fokus auf die Anreizmechanismen und damit auch auf die Steuerungsstrukturen zu lenken. Während Kontrolle und Sanktionen traditionell in hierarchischen Strukturen als Steuerungsinstrumente Verwendung finden und dementsprechend geläufig in der unternehmerischen Praxis sind, stellt die Implementierung eines umfassenden Anreizmanagements ein Unternehmen vor besondere Herausforderungen. So bedarf es einer Differenzierung zwischen ökonomischen und moralischen Anreizen, da es laut Wieland unzureichend ist, sich als Unternehmen auf ökonomische Anreize zu beschränken. Vielmehr hält es die „Governanceethik […] für plausibel, dass auch moralische, psychologische, soziale oder rechtliche Anreize in Betracht gezogen werden, moralisches Verhalten zu triggern und zu stabilisieren“ (Wieland 2005b: 252). Vor dem Hintergrund, dass Anreize jeder Art grundsätzlich durch eine Ermöglichungs- und eine Beschränkungsfunktion definiert sind, geht es bei moralischen Anreizen speziell um die Förderung des Verzichts auf nicht-regelkonformes Verhalten (Wieland 200b5: 260f.). Im Unterschied zu
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ökonomischen Anreizen, die materieller Natur sind, handelt es sich bei moralischen um „Wertschätzungen, die individuelle und kollektive Akteure selbstreferentiell oder fremdreferentiell zurechnen, weil und insoweit ihr Handeln und Verhalten Werten folgt, deren moralische Legitimität für eine Person in einer Gesellschaft gegeben ist.“ (Wieland 2005: 276). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang zum einen der Verweis auf die Kontextualität von moralischen Überzeugungen, die eine Abhängigkeit von lokalen Gerechtigkeits- und Legitimitätsvorstellungen impliziert. Zum anderen wird eine Voraussetzung, dass es überhaupt zur Befolgung von moralischen Anreizen kommen kann, angeführt: die Annahme, dass es ein menschliches Grundbedürfnis nach Wertschätzung in Form von Fremd- und Selbstachtung gibt. 4.1.5.4
Zusammenfassung der Neuen Organisationsökonomik
In den vergangenen Kapiteln über die Neue Organisationsökonomik sollte deutlich geworden sein, dass Josef Wieland mit seinem Ansatz den Anspruch verfolgt, moralische Werte als effizienten Allokationsmechanismus für Unternehmen theoretisch brauchbar zu machen, ohne sie jedoch zugleich vollständig in der Ökonomie aufgehen zu lassen. Wieland versucht somit, einem von ihm identifizierten Theoriedefizit innerhalb der Ansätze zur Theorie der Firma entgegenzuwirken. Das Theoriedefizit sieht er darin begründet, dass in Anbetracht der Konsequenzen einer Weltwirtschaft, die seines Erachtens zur Entwicklung von Kooperationsökonomien führen, die Frage nach der Steuerung von komplexer werdenden Unternehmen in deren jeweiligem gesellschaftlichen Umfeld unbeantwortet bleibt. Aufgrund der Abhängigkeit von Unternehmen von der Verfügbarkeit und der Wirksamkeit moralischer Standards in der Gesellschaft wird die Forderung nach einer innerorganisationalen Ausrichtung zur Reduktion von Opportunitätskosten, die mit Kooperationsbeziehungen einhergehen, immer dringlicher. Im Zuge der Entwicklung der NOÖ stellt Wieland fest, dass herkömmliche Kontroll- und Anreizmechanismen wie Hierarchie, Entlohnung und Recht an Wirksamkeit verlieren und im Gegenzug dazu die Sicherstellung der Verbindlichkeit moralischer Standards im Hinblick auf die Steuerung der Firma als Organisation an Bedeutung gewinnt (vgl. Wieland 1993: 12). Das Ergebnis der Neuen Organisationsökonomik ist, dass diese Verbindlichkeit moralischer Standards ausschließlich mithilfe einer moralsensitiven Governancestruktur hergestellt werden kann. Denn die Handlungen von Mitgliedern einer Organisation lassen sich nicht allein durch Direktion und Kontrolle, durch Anreize und Sank-
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tionen, sondern grundlegend auch durch Werte – Einstellungen, Haltungen, Überzeugungen – steuern (vgl. Wieland 2005b). Inwieweit es letztlich zur tatsächlichen Befolgung oder Nichtbefolgung moralischer Anreize im Zuge wirtschaftlicher Transaktionen kommt, hängt von der sogenannten Moralsensitivität der gegebenen Governancestruktur ab. Deutlich ist also, dass Wieland den Geltungserfolg einer Institution nach Nützlichkeits- und Effizienzkriterien bemisst. Offen bleibt jedoch – trotz der Beschreibung eines Anreizmanagements –, wie die Gestaltung der Governancestrukturen, wie also die Institutionalisierung besagter Governancestrukturen erfolgen muss, um Wirksamkeit zu entfalten. Offensichtlich bleibt die Frage nach dem Prozess einer erfolgreichen Institutionalisierung bei Wieland unbeantwortet, worin einer der Hauptkritikpunkte dieser Arbeit an der NOÖ gesehen wird. Denn daraus folgt, dass Wieland auch den Aspekt der Handlungsrelevanz von Institutionen nicht bearbeiten kann. Welche Konsequenzen damit einhergehen und wie diesem verkürzten Institutionenverständnis begegnet werden kann, wird in dem Kapitel „Kritische Reflexion der Neuen Organisationsökonomik aus Perspektive einer strukturalistisch-individualistisch verstehenden Soziologie“ diskutiert. 4.1.6 Korruption als Problemgegenstand der Neuen Organisationsökonomik Obgleich das Thema Korruption sicher als einer der Hauptuntersuchungsgegenstände der wirtschafts- und unternehmensethischen Auseinandersetzung zu nennen ist, taucht der Begriff bei Wieland überraschend selten auf. Umso wichtiger ist es, vorab zu betonen, dass korruptives Handeln selbstredend zum Untersuchungsgegenstand von Wieland gehört, indem er es als eine Art von opportunistischem Verhalten versteht und es darüber hinaus mithilfe seines Modells als moralischen Faktor einer spezifischen Transaktion in eine ökonomische Größe zu übersetzen vermag. In den nachstehenden Ausführungen soll gezeigt werden, wie er sich dem Thema Korruption nähert, es bearbeitet und als moralische Dimension einer Transaktion in seine Transaktionsformel eingliedert. Dabei wird wie folgt vorgegangen: Ausgangspunkt bildet die Korruptionsdefinition von Wieland, die er aus zwei Prämissen herleitet und mit der er begründet, weshalb es sowohl eine moralische Pflicht als auch eine ökonomische Notwendigkeit für Unternehmen gibt, sich um ein integres Wirtschaften zu bemühen. Daran anschließend wird die gesellschaftliche Situation skizziert, die gerade in Deutschland dazu zu führen scheint, dass ein Wertediskurs über Korruption in Gang kommt, der laut Wieland die Aufgabe hat, einen bereits dagewesenen gesellschaftlichen Konsens zu erneuern. Vor dem Hintergrund einer wirksamen Korruptionsprävention spielt das
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Thema Wertekonsens für Wieland sowohl auf der gesellschaftlichen als auch auf der organisationalen und der individuellen Ebene eine elementare Rolle, weshalb dieser Aspekt auf allen drei Ebenen näher ausgeführt werden soll. Konkretisiert werden die Ausführungen im Anschluss daran am Beispiel einer Dilemmasituation, die sich bei der Auftragsvergabe eines öffentlichen Trägers für ein Unternehmen im korruptionsfreundlichen Kontext ergeben kann. Es wird gezeigt, wie Wieland mithilfe seines Transaktionsmodells für einen solchen Fall die Wirkungsmöglichkeiten korruptionspräventiver Steuerungsmechanismen als moralische Dimension einer spezifischen Transaktion analysiert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die größten Einflusschancen auf der organisationalen Ebene liegen, weshalb er der Ausgestaltung der organisationalen Governancestruktur einen hohen Stellenwert bei der Korruptionsprävention zugesteht. Dementsprechend geht es im darauffolgenden Abschnitt um die Frage, wie die Koordinations- und Kooperationsmechanismen von Organisationen konstituiert sein müssen, damit sie ihre Wirkung entfalten können, und von welchen Faktoren es abhängt, dass ihnen die für die Legitimität des gesamten Unternehmens notwendige Glaubwürdigkeit von außen zugeschrieben wird. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der für die anschließende kritische Auseinandersetzung mit der Neuen Organisationsökonomik entscheidenden Argumente, wobei als eine Hauptquelle für die gesamten nachstehenden Ausführungen neben den bereits zitierten Grundlagenwerken über die NOÖ der Aufsatz „Korruption durch Selbstbindung?“ (Wieland 2002a) und seine überarbeitete Fassung „Die Governance der Korruption“ (Wieland 2005c) fungieren. Wieland definiert Korruption aus einer vertragstheoretischen Perspektive als „moralisch verwerfliche Praxis einer sittenwidrigen und vertrauensverletzenden Käuflichkeit“, die „als solche nur im Kontext jeweils anerkannter und geltender Werte und Normen einer Gesellschaft bewertet werden kann“ (Wieland 2002a: 80). Dieser Definition von Korruption gehen zwei Prämissen voraus, die Josef Wieland allen weiteren Überlegungen voranstellt. Die erste Prämisse verweist auf die Trennung von Öffentlichem und Privatem, über deren Notwendigkeit seines Erachtens gesellschaftliche Einigkeit besteht. Korruption ist dementsprechend eine „sittenwidrige Käuflichkeit“, als sie „den moralischen Konsens der Gesellschaft über die Trennung von Öffentlichkeit und privater Sphäre und über Fairness und Gerechtigkeit im Wettbewerb verletzt“ (Wieland 2005c: 43). Wieland leitet diese Prämisse aus einer Argumentationslinie von Aristoteles bis hin zur Hobbes’schen Gesellschaftstheorie her (vgl. Wieland 2002a), wobei entscheidend ist, dass er den gesellschaftstheoretischen Aspekt mit seiner Betonung der Integrität von demokratischen Institutionen und Organisationen auf private Transaktionen ausdehnt, die seines Erachtens zur Gesamtheit gesellschaftlicher
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Kooperationen gehören. Auch an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, wie elementar für Wieland gelingende ökonomische Beziehungen für die Gesamtstabilität von Gesellschaften sind. In der zweiten Prämisse greift Wieland den moralischen Konsens einer Gesellschaft über Korruption auf, der das Ergebnis historischer Diskurse ist und der sich in „informellen (sittenwidrige Käuflichkeit, Gerechtigkeit) und formellen Institutionen (Korruptionsgesetz, Wettbewerbsgesetz), die das Spektrum erlaubter individueller Tauschhandlungen und ökonomischen Kooperationen bestimmen“, wiederfindet (Wieland 2005c: 43). Offensichtlich sieht Wieland darin eine gesellschaftliche Debatte über Gerechtigkeitsthemen, die sich in Bedeutungszuweisungen widerspiegeln und die bspw. festlegen, dass „Liebe, Freundschaft, öffentliche Aufträge usw. nicht käuflich sein sollen“ (Wieland 2002a: 80). Entscheidend ist, dass aus diesem Wertekonsens eine informelle und formelle Rahmenordnung hervorgeht, die unter anderem auch für ökonomische Transaktionen und Kooperationen handlungsweisend ist. Aus beiden Prämissen folgert Wieland, dass Wirtschaftsakteure hinsichtlich der Gestaltung ihrer Transaktionen aus moralischen Gründen zur Verantwortung gezogen werden können. Denn zum einen lässt sich sowohl öffentliche als auch private Korruption moralisch bewerten (erste Prämisse) – denn sie verletzt „nicht nur eine Stabilitätsbedingung sozialer Systeme, sondern genauerhin die Regel, dass der Wettbewerb um wirtschaftliche Vorteile eingebettet sein muss in Fairness und Gerechtigkeit“ (Wieland 2002a: 80) –, und zum anderen verweist Wieland auf einen bestehenden gesellschaftlichen Wertekonsens in Bezug auf Korruption (zweite Prämisse). Die Tatsache, dass dieser Wertekonsens wiederum in eine informelle und formelle Rahmenordnung einfließt, macht es auch aus ökonomischen Gründen für Wirtschaftsorganisationen selbst notwendig, ihre Transaktionen so gestalten, dass moralische Integrität sichergestellt wird. Dass es sich dabei von Seiten der Unternehmen um ein Streben nach und nicht um das Erreichen von vollständiger Korruptionsfreiheit handelt, ändert nichts an der Tatsache, dass es zum einen eine moralisch legitime Verantwortungszuschreibung an Unternehmen und zum anderen eine ökonomisch begründete Notwendigkeit für Unternehmen gibt. Darüber hinaus machen die beiden Prämissen deutlich, weshalb es Wieland bei korruptionsspezifischen Fragestellungen vor allem um die Frage von Prävention geht. Dies werden auch die weiteren Ausführungen zeigen. In Deutschland stellt sich die Situation laut Wieland so dar, dass es mehrere Faktoren gibt, die in unterschiedlicher Weise Einfluss auf die Förderung von Integrität innerhalb von ökonomischen Transaktionen nehmen und damit als wirksame Präventionsmechanismen für Korruption identifiziert werden können.
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Neben einer allgemeinen, unspezifischen öffentlichen moralischen Missachtung, die bereits als rahmenordnungsgestaltendes Element aufgeführt wurde, kommt der nationalen Rechtsprechung als Kontroll- und Sanktionsinstrument eine elementare Rolle bei der Korruptionsbekämpfung zu. Obgleich sich ein Wandel der Zuständigkeiten und Einflussmöglichkeiten von nationaler Rechtsprechung und von internationalen Abkommen vollzieht, sieht Wieland also weiterhin einen nicht zu vernachlässigenden Steuerungshebel auf Seiten nationaler Gesetzlichkeiten. Ein interessanter Aspekt, den er in diesem Zusammenhang beleuchtet, betrifft die Relevanz von Wertediskursen. In Folge unzureichender ordnungspolitischer Rahmenbedingungen – sei es aufgrund von Überregulierung oder lückenhafter Gesetzeslage – und in Folge einer Erosion des Konsenses über die Unzulässigkeit von Korruption kommt es laut Wieland zu einem gesellschaftlichen Diskurs über Korruption. Diese Diskussionen, die auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Konstellationen in Gesellschaften geführt werden, dienen dem Zweck, an den schon einmal erreichten Konsens zu erinnern und diesen zu erneuern. Da Wieland dem gesellschaftlichen Konsens nicht zuletzt vor dem Hintergrund seines Einflusses auf informelle und formelle Institutionen eine für die Stabilität einer Gesellschaft elementare Rolle zuschreibt, ist es folgerichtig, dass solchen Wertediskursen eine wichtige Funktion zukommt. Die gegenwärtige Diskussion, die in Deutschland hinsichtlich des Themas Korruption geführt wird, spiegelt laut Wieland genau diesen Prozess der Erneuerung eines Wertekonsenses wider. Bevor anhand eines Beispiels diese allgemeinen Ausführungen konkretisiert werden, gilt es, einen näheren Blick auf die Wertekonsens-Thematik zu werfen, die Wieland sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf organisationaler und individueller Ebene verankert. Wie gezeigt wurde, ist offensichtlich der Wertediskurs auf gesellschaftlicher Ebene ein nicht zu vernachlässigender Faktor hinsichtlich seines Einflusses auf eine umfassende Korruptionsprävention. Dementsprechend nennt Wieland im Hinblick auf das Thema Prävention als erstes Ziel genau dieses „Erinnern und Erneuern als Akt moralischer Sensibilisierung, das heißt die Dauerstellung des moralischen Konsenses“ (Wieland 2002a: 81). Von der gesellschaftlichen Ebene schlägt Wieland unter dem Präventionsaspekt den Bogen zur organisationalen Ebene, genauer gesagt der Ebene von Wirtschaftsunternehmen. Hier sieht er in „genau zugeschnittenen Management- und Kontrollsystemen, deren Kern die Erzeugung von moralischer Aufmerksamkeit und Sensibilität in diesen Organisationen ist“ (Wieland 2002a: 81), seine zuvor definierte Art der Prävention realisiert. Offensichtlich bedarf es auch auf organisationaler Ebene eines eindeutigen
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Konsenses über die Ablehnung von korruptiven Transaktionsarten, der dann bei den Organisationsmitgliedern mithilfe von Managementsystemen durchzusetzen ist. Wieland nennt hier ausdrücklich zwei Mechanismen, nämlich: unternehmensinterne Kontrollsysteme und Sensibilisierung von Mitarbeitern. Dabei wird nicht klar ersichtlich, wie diese genau ineinandergreifen sollen. Sicher ist nur, dass beide zur Korruptionsprävention beitragen sollen. Hinsichtlich des Aspekts der Selbstbindung der einzelnen Akteure an moralische Prinzipien sieht Wieland jedoch durchaus Grenzen der Einflussnahme ordnungspolitischer Maßnahmen oder organisatorischer Kontrolle. Diese Selbstbindung auf individueller Ebene bedarf einer „aktiven Einbindung und des Wollens der wirtschaftlichen Akteure selbst“ (Wieland 2002a: 81). Damit verweist Wieland auch in diesem akteursspezifischen Kontext auf die Notwendigkeit einer Art Wertekonsens, der sich in der Zustimmung bzw. Übereinstimmung hinsichtlich der Ablehnung korruptiven Verhaltens beim Einzelnen widerspiegelt. Aus diesem Grund spricht Detlef Aufderheide auch davon, dass die Governanceethik nicht den ehrgeizigen Anspruch stellt (stellen kann), mit strukturellen Maßnahmen unmoralisches Verhalten zuverlässig zu verhindern, „sondern ,nur‘ moralische Kommunikation zu erleichtern bzw. zu ermöglichen und bessere Voraussetzungen für ,moralisches Verhalten‘ (was im Einzelnen darunter zu verstehen sein mag) zu schaffen“ (Aufderheide 2005: 131). Inwieweit sich Wieland durch diese Interpretation von Aufderheide richtig verstanden sieht, soll hier nicht abschließend diskutiert werden, wichtig ist lediglich, dass Wieland moralische Präferenzen bei den Akteuren – zumindest bei einigen – als gegeben voraussetzt und als notwendig erachtet. An dieser Stelle scheint es sinnvoll, das Akteursverständnis von Wieland nochmals zu rekapitulieren und damit den Übergang zu dem konkreten Beispiel einer korruptiven Dilemmasituation herzustellen. Das Akteursverständnis setzt sich bei Wieland aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen spielt die Orientierung am Eigeninteresse und einer „ex ante nicht auszuschließenden Neigung zum Opportunismus“ (Wieland 1996a: 30) eine gewichtige Rolle. Zum anderen geht er von der Existenz einer moralischen Präferenz aus. Beide Komponenten führt Wieland in dem Begriff „multiple selves“ zusammen, den er für das handelnde Individuum verwendet. Naheliegend ist, dass sich aus diesen widersprüchlichen Bedürfnissen des Akteurs Dilemmasituationen ergeben können, die sich auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen und für Wieland auch lösen lassen. Auf dem Hintergrund der allgemeinen Ausführungen zum Korruptionsverständnis von Wieland und den unterschiedlichen Möglichkeiten der Korruptionsprävention stellt sich nun die Frage, wie er bei der Analyse einer tatsächlichen Dilemmasituation vorgeht. Entsprechend seines Forschungskonzepts wählt
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Wieland auch bei korruptiven wirtschafts- und unternehmensethischen Problemstellungen zum Thema Korruption den Zugang über die Steuerungsthematik, und zwar über die Frage, welche Steuerungsinstrumente und Steuerungsregime hinsichtlich ihrer Wirkung zur Korruptionsprävention am vielversprechendsten sind. Bei dem Beispiel möglichen korruptiven Handelns geht es um die Zahlung eines Beraters, der, zwischengeschaltet zwischen dem Unternehmen als Auftragsbewerber und der Behörde als Auftragsgeber, für die Akquisition eines öffentlichen Auftrags in einem korruptionsfreundlichen Kontext sorgen soll. Vor dem Hintergrund des Wissens, dass es sich bei der Zahlung der Beratergebühr mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen versteckten Bestechungsakt handelt, wird die Entscheidung, ob die Gebühr geleistet wird oder nicht, zu einem Entscheidungsdilemma. Um sich Zugang zu einem solchen korruptiven Fall zu verschaffen, wählt Wieland sein Transaktionsmodell Tm, mit dessen Hilfe er die unterschiedlichen Einflussfaktoren verschiedener Governanceregime auf die Sicherstellung moralischer Integrität, also der Vermeidung korruptiven Verhaltens, gewichten kann. Die Strukturierung der Korruptionsproblematik erfolgt also über die Festlegung von Wirkungsannahmen, die er den Selbstbindungsregimen individueller Akteure (IS), den formalen und informalen Institutionen (FI, IF) einer gegebenen Gesellschaft und den Koordinations- und Kooperationsmechanismen von Organisationen (OKK) zuschreibt. Dabei gewichtet er die Faktoren hinsichtlich ihres positiven, negativen oder neutralen Einflusses auf eine wirksame Korruptionsprävention, die aufgrund ihrer Komplexität immer von mehreren Aspekten abhängt. Korruption speist sich also aus vielen Quellen, so dass „wer sie eindämmen will, auf ein Governanceregime zu setzen hat, das entweder direkt oder indirekt alle vier Argumente [IS, FI, IF, OKK] der Governancefunktion tangiert“ (Wieland 2005c: 46). Wieland stellt daraufhin Mindestanforderungen für die Selbstbindungsstrategien auf, indem er folgende Koeffizientenmatrix entwirft:
Selbstbindung
IS i
FI i j
IF i j
OKK i
a=
b=
c=
d=
0
0
-1
1
Abbildung 2: Koeffizientenmatrix der Selbstbindung (Wieland 2005c: 46)
Der Wert 0 bei IS zeigt, dass Wieland nicht davon ausgeht, dass potentiell vorhandene Selbstbindungsstrategien des Akteurs in einem solchen Kontext Wirkung zeigen werden, weil dies „im Hinblick auf den konkreten Vorgang Tmi
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(öffentlicher Auftrag im korrupten Umfeld) zu einer Situation moralischer Überforderung führen dürfte“ (Wieland 2005c: 46). Gleichzeitig signalisiert der Wert 0 aber auch, dass dem Akteur keine „unkonditionierte Präferenz“ für korruptes Verhalten unterstellt wird. Dieser Aspekt ist insofern interessant, als Wieland der unkonditionierten Präferenz ein anreizgesteuertes Verhalten gegenüberstellt. Handlungsentscheidend sind so die situationellen Anreizstrukturen, die entsprechend ihrer Ausgestaltung für das korruptive Verhalten sowohl förderlich als auch hinderlich sein können. Offensichtlich müssen Akteure zusätzlich zu ihrer Neigung zum Opportunismus und ihrer Präferenz für Moral mit Randbedingungen konfrontiert werden, die so ausgestaltet sind, dass es für den prinzipiell rationalen und eigeninteressierten Akteur ökonomische Gründe gibt, sich für die moralische Option zu entscheiden. Denn obgleich auch Wirtschaftsunternehmen polylinguale Organisationen sind und dementsprechend unterschiedliche Sprachspiele parallel existieren, lässt sich eine ökonomische Leitcodierung erkennen, die besagt, dass sich alle in der „Unternehmung existierenden und relevanten Entscheidungslogiken an ihren ökonomischen Folgen bewerten lassen müssen“ (Wieland 2005b: 46). Umso wichtiger ist es für ein Unternehmen, die ökonomischen Folgen moralischen Handelns zu bestimmen, wobei sich dies aufgrund der moralischen Codierung, die auf einen zeitlich langfristigen Aufbau eines Reputationskapitals abzielt, aus naheliegenden Gründen als schwierig erweist. Festzuhalten bleibt, dass mithilfe der Ausgestaltung der organisationalen Governancestruktur ein Handlungsfeld geschaffen werden muss, das den vermeintlichen Widerspruch zwischen integrem Verhalten und ökonomischem Erfolg ausräumt. Denn dem intrapersonalen Konflikt zwischen dem Moralisten und dem Opportunisten kann nicht mit tugendethischen Ansprüchen begegnet werden, sondern nur über „die Art des Arrangements der institutionellen und organisationellen Beschränkungen, Anreize und Signale“ (Wieland 1996a: 175). Hier gilt es, darauf hinzuweisen, dass im Zuge dieser Argumentation deutlich wird, wie stark das Modell von Wieland konsenstheoretisch ausgerichtet ist – ganz im Gegensatz zu der Neu-Konzeptionalisierung, die auf konflikttheoretischen Annahmen beruht. Bevor der Koeffizient des Faktors OKK näher ausgeführt wird, sind zuvor die informellen und formellen Institutionen hinsichtlich ihres Wirkungsgrades als korruptionspräventive Selbstbindungsstrategie zu bestimmen. Wieland wählt den Wert 0 für das Argument FI. Zwar handelt es sich in seinem obigen Beispiel um ein korruptionsbereites Umfeld, so dass auf gesellschaftlicher Ebene kaum mit Anreizstrukturen zur Korruptionsprävention gerechnet werden kann. Gleichzeitig aber haben internationale Aktivitäten wie die der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) oder der Weltbank laut Wieland nicht zu vernachlässigende ordnungspolitische Rahmenbedingungen geschaffen. „Die-
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se Anreize zur Korruptionsprävention auf der Ebene multinationaler Regelsetzung können von Unternehmen, vor allen Dingen dann, wenn es sich um ,global players‘ handelt, nicht einfach ignoriert werden“ (Wieland 2005c: 47). Bei den informellen Institutionen setzt Wieland hingegen den Wert negativ mit -1 an und begründet dies mit dem Zeitfaktor t = 1 einer spezifischen Transaktion. Er verweist auf den extrem langwierigen Prozess kultureller Veränderung, so dass bei Transaktionen in Ländern mit einer „lebendigen Tradition der archaischen Geschenke- und Gabenökonomien“, denen er eine Kultur der Korruption zuschreibt, keinesfalls mit einem korruptionspräventiven oder neutralen Einfluss gerechnet werden kann. Vor dem Hintergrund, dass der Prozess der Selbstbindung nicht der des individuellen Akteurs, sondern nur der des kollektiven Akteurs sein kann, weist Wieland dem Faktor OKK als einzigem einen positiven Wert = 1 zu. Die Anreize, die dies begründen, liegen, wie bereits erwähnt, einerseits in den sich wandelnden internationalen Ordnungsregeln, andererseits in der sich ändernden öffentlichen Meinung im eigenen Land (vgl. Wieland 2005c: 47). So vollzieht sich ein Wandel hinsichtlich der Erwartungen an Unternehmen in Richtung auf verantwortungsvolles und moralisch integres Handeln. Letztlich gilt es für Unternehmen, den Herausforderungen, die sich aufgrund der sich verändernden gesellschaftlichen Erwartungen ergeben, mithilfe von unternehmensinternen Strukturen zu begegnen, die zur Bewältigung des neuen Komplexitätsgrads durch „Umweltirritationen“ und damit zum Fortbestand des Unternehmens beitragen. Das bedeutet für Wirtschaftsorganisationen, dass die Bekämpfung von korruptivem Handeln innerhalb der Organisation unabdingbar wird. Natürlich sieht Wieland sehr wohl, dass es auf Seiten der Organisationen auch gute Gründe dafür gibt, korruptives Handeln zu ignorieren bzw. indirekt zu fördern, indem Grauzonen geschaffen werden, die dazu verhelfen, die Weiterführung korruptiver Praktiken trotz propagierter Compliance-Richtlinien zu ermöglichen. Wieland begründet diese Anreize zum Opportunismus nicht allein von Seiten der Agentur gegenüber dem Prinzipal, sondern eben auch in umgekehrter Weise mit der Ausweitung der Principal-Agency-Theory. Entscheidend ist, dass Unternehmen als Organisationen durch Prinzipal-Agentur-Beziehungen erster, zweiter, dritter und n-ter Ordnung gekennzeichnet sind und dementsprechend auf sehr unterschiedlichen Ebenen und in verschiedene Richtungen weisende Anreize zum Opportunismus existieren. Ein Unternehmen bspw. als Auftragnehmer kann selbst zum Schädigenden werden, wenn es, aufgrund von falschen unternehmensinternen Anreizstrukturen, seinen Agenten, der mit einer bestimmten Transaktion, nämlich der Bestimmung oder Nicht-Bestimmung besagten Beraters, beauftragt ist, in eine Lage bringt, in welcher die Weiterführung korruptiver Praktiken für einen erfolgreichen Geschäftsabschluss erforderlich ist.
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Es liegt also nahe, dass Wieland die Notwendigkeit betont, „dass die Glaubwürdigkeit der Bindewirkung von Selbstbindungsmechanismen nicht allein durch einen Verhaltensstandard, einen Code of Ethics oder einen Grundwertekatalog sichergestellt werden kann“, sondern dadurch, „wie ernsthaft die Prinzipale ihre Agenten zu integrem Verhalten nicht nur anhalten, sondern auch operational befähigen“ (Wieland 2005c: 52). Dafür ist es allerdings unabdingbar, dass von Seiten des Prinzipals tatsächliches Interesse an einer korruptionspräventiven Ausgestaltung der OKK besteht. Durch den Hinweis auf die amerikanische Gesetzgebung, die ein Unternehmensstrafrecht vorsieht, zeigt Wieland, dass er den Bedarf sieht, mithilfe des Gesetzgebers Unternehmen dazu zu zwingen, als kollektive moralische Akteure Verantwortung für das Handeln ihrer Mitglieder zu übernehmen. So entspricht der von Wieland vorgenommenen Unterscheidung der Moral des kollektiven und des individuellen Akteurs juristisch „die Unterscheidung von Individual- und Organisationsverschulden, so wie wir sie etwa in den amerikanischen Sentencing Guidelines finden“ (Wieland 2005c: 57). An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass es Wieland aufgrund seiner vertragstheoretischen Interpretation von Unternehmen möglich ist, „Firmen als kollektive Akteure zu verstehen, ohne den interessensorientierten Ansatz des methodologischen Individualismus verlassen zu müssen“ (Wieland 1993: 22). Auch wenn die organisationalen Koordinations- und Kooperationsmechanismen von Organisationen als Adressaten für Selbstbindungsregime identifiziert werden konnten und sichergestellt ist, dass das Unternehmen ernsthafte, korruptionspräventive Absichten verfolgt, stellt sich dennoch die konkrete Frage, wie die OKK gestaltet sein müssen, dass die Akteure als „multiple selves“ von korruptiven und korrumpierenden Handlungsweisen absehen. Wie bereits ausgeführt setzt Wieland auf Anreizstrukturen, wobei hinsichtlich des Ziels der Korruptionsprävention der Schwerpunkt auf die Erhellung des Dunkelfeldes bzw. auf die weitgehende Reduzierung von Grauzonen zu legen ist. Durch entsprechende Leitlinien und bestimmte Verfahren (Policies & Procedures) – bspw. Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge, Lieferantenauswahlverfahren oder auch Entlohnungsverfahren im Sinne der Vergabe von Boni – werden Grauzonen so definiert, dass der Agent sowohl integer als auch ökonomisch erfolgreich agieren kann. Neben der Anpassung der Anreizstrukturen ist die Sensibilisierung der Organisationsmitglieder ein entscheidender Baustein, was zeigt, dass Wieland durchaus die individuelle Ebene miteinzubeziehen versucht, allerdings ohne die Verantwortung für Fehlverhalten dort anzusiedeln. Um bei der Korruptionsprävention erfolgreich zu sein, bedarf es eines moralgetriebenen Managementsystems, das in der Lage ist, die Organisationsmitglieder zu sensibilisieren und einen Konsens bezüglich der Ablehnung von korruptivem Handeln zu erreichen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Wieland
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eine möglichst weitgehende Übereinstimmung hinsichtlich der Unternehmenswerte – bspw. des Wertes der Integrität – als notwendig erachtet. Erinnern wir uns hier an die Definition von Prävention „als Akt moralischer Sensibilisierung und Konsensbildung“, die „von rechtsgetriebenen Systemen nur schwerlich erfüllt werden kann“ (Wieland 2005c: 54). Dementsprechend setzt Wieland auf moralgetriebene Wertemanagementsysteme, wobei er selbst aufbauend auf seine theoretischen Erkenntnisse ein solches im „Konstanz Institut für WerteManagement (KIeM)“ für die Praxis entwickelt hat. Ihnen schreibt er die Fähigkeit zu, einen „glaubwürdigen Prozess der Selbstbindung zu starten, der zwar nicht ein sofortiges Versiegen korrupter Praktiken zur Folge hat, wohl aber an deren sukzessiver Eindämmung mitwirken kann“ (Wieland 2005c: 55). Neben der Ausgestaltung von Governancestrukturen hängt die Wirkungsweise darüber hinaus maßgeblich von der Glaubwürdigkeit ab, die solchen Wertemanagementsystemen zugeschrieben wird. Es geht dabei also um die Bindewirkung eben dieser Selbstbindungsmechanismen der OKK. Insofern von Seiten der Unternehmensführung, bzw. weiter gefasst von Seiten der Prinzipale, Agenten nicht nur zum integren Verhalten angehalten, sondern operational befähigt werden, steht einem glaubwürdigen Prozess der Selbstbindung prinzipiell nichts im Wege. Allerdings handelt es sich bei Glaubwürdigkeit um eine Zuschreibung von außen, die von der Organisation selbst nur bedingt hergestellt werden kann. Dass Wieland dennoch den Unternehmen eine positive Einflussnahme zugesteht, wird daran deutlich, dass er die Außenkommunikation als entscheidendes Element für die eigene Glaubwürdigkeit benennt. Der Erfolg eines Wertemanagementsystems, das ja – diese Vorstellung liegt allen Ausführungen von Wieland zugrunde – durchaus ökonomische Relevanz haben muss, hängt also weitgehend davon ab, ob sich positive Effekte im Sinne des Aufbaus eines Reputationskapitals – hierauf zielt die moralische Codierung – einstellen. Und dies ist im Wesentlichen „eine Frage der gesellschaftlichen und ökonomischen Kommunikationsfähigkeit solcher Managementsysteme, die in weiten Sphären der legitimierenden gesellschaftlichen Anerkennung bedürfen, um ökonomische Vorteile zu erbringen“ (Wieland 2005a: 47). Interessant ist, dass Wieland der Außenkommunikation einen maßgeblichen Anteil hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der unternehmerischen Bemühungen zuschreibt, Präventionsmaßnahmen gegen organisationale Korruption wirkungsvoll implementieren zu können. Auch wenn nicht der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass es Wieland ausschließlich um die Außendarstellung geht – nicht zuletzt, da sich publik gewordenes Fehlverhalten negativ auf das Reputationskapital auswirkt –, bleibt dennoch der Eindruck bestehen, dass auch sein Eintreten für branchenweite Vereinbarungen und Standards hinsichtlich ethischer Unternehmensverfassungen im Zusammenhang mit der Außenwirkung zu stehen
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scheint. Denn letztlich bedeutet Außenkommunikation immer auch Krisenkommunikation, die bei einem branchenweiten Zusammenschluss von Unternehmen mit geringeren Kosten zu rechnen hat. Entscheidender Grund für die Implementierung von Branchenkodizes ist tatsächlich der Kostenfaktor, der jedoch von Wieland sehr weit gefasst wird. Schließlich geht es darum, die Benachteiligung moralischen Handelns (zumindest die sich kurzfristig einstellende Benachteiligung) zu reduzieren und „Preise für moralisches Verhalten in der Unternehmung zu senken“ (Wieland 1993: 21). Das heißt, dass die Investitionskosten in die Integrität der Organisation, in die Sensibilisierung der Mitarbeiter, letztlich in das weitreichende Wertemanagementsystem für das Unternehmen auch mittelfristig nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen darf. Die Hoffnung ist, dass eine branchenweite Selbstverpflichtung zumindest ansatzweise vergleichbare Ausgangspositionen unter den Wirtschaftsorganisationen schafft. Abschließend lässt sich bezüglich der Ausgestaltung des Governanceregimes der OKK festhalten, dass die Koordinations- und Kooperationsmechanismen von Organisationen eben nicht nur aus Anti-Korruptionsdokumenten, Verhaltensstandards und Ethikkodizes des kollektiven Akteurs bestehen dürfen, sondern dass diese immer auch im Zusammenhang mit Koordinationsinstrumenten wie Verfahrensregeln so aufeinander abgestimmt werden müssen, dass sie ein glaubwürdiges Regime der Selbstbindung und Prävention abgeben. Nachdem aufgezeigt wurde, wie sich Wieland mit seinem Forschungsansatz dem Thema Korruption nähert, sollen im Folgenden die für die sich anschließende kritische Auseinandersetzung mit der Neuen Organisationsökonomik entscheidenden Argumente zusammenfassend dargestellt werden. Wie ausgeführt wurde, geht Wieland davon aus, dass „moralische Ziele in der Wirtschaft“ nicht durch „moralisches Handeln auf der Grundlage einer moralischen Motivation“ realisiert werden, „sondern durch die Wahl und Gestaltung einer polykontextualen Governancestruktur“ (Wieland 2005a: 39). Zwar bedarf es für eine tatsächliche Realisierung moralischen Handelns neben einer passenden moralsensitiven Governancestruktur auf individueller Ebene sowohl der individuellen Bereitschaft als auch der individuellen Fähigkeit. Jedoch schmälert dies nicht die Aussage, dass letztlich der entscheidende Hebel, um Korruption erfolgreich zu verhindern, in den Anreizstrukturen liegt, nach denen der Akteur sein Handeln ausrichtet und aufgrund derer er dem Opportunisten oder dem Moralisten in sich folgt. Indem in der Neuen Organisationsökonomik die moralische Performance einer Handlung oder Transaktion von der Leistungsfähigkeit ihrer Governance abhängt (Wieland 2005a: 39), schreibt Wieland Organisationen weitreichende Steuerungsmöglichkeiten bezüglich des Verhaltens der Mitarbeiter zu. Wenig
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überraschend ist deshalb, dass Individuen weitgehend von der Verantwortung, bspw. für eine korruptive Transaktion, freigesprochen werden. Es findet also eine Verlagerung der moralischen Dilemmasituationen statt. Obgleich sich der Einzelne in einer bestimmten Situation und bei einer spezifischen Transaktion für oder gegen integres Handeln entscheiden muss, gilt es, das eigentliche moralische Dilemma auf organisationaler Ebene zu bearbeiten. Denn es liegt in der Verantwortung des kollektiven moralischen Akteurs, die systematische Implementierung kodifizierter Wertemanagementsysteme zu vertreten. An dieser Gewichtung von kollektivem und individuellem Akteur ändert sich auch nichts durch den Hinweis, dass das Wertemanagement für eine Form der moralischen Sensibilisierung zuständig sein und damit aktiv in unternehmensinterne Sozialisationsprozesse eingreifen soll. Ebenso wenig ändert sich die Verantwortungszuschreibung an den kollektiven Akteur, wenn Wieland berücksichtigt, dass es natürlich immer Mitarbeiter geben wird, die unabhängig von der Governancestruktur handeln, sei es als tugendethische oder opportunistische Mitarbeiter. Letztlich zählt für ihn die Überlegung, inwiefern für die Mehrzahl der Organisationsmitglieder eine passende Anreizstruktur geschaffen werden kann, die integres Handeln fördert und ermöglicht. Damit wird deutlich, dass Wieland auf die Frage, was auf individueller Ebene bei potentiellen oder tatsächlichen Widersprüchen zwischen den eingeführten moralischen und ökonomischen Anreizen geschieht, keine Antwort geben kann (vgl. Aufderheide 2005). Die fehlende Antwort weist auf ein großes Defizit des theoretischen Ansatzes der Neuen Organisationsökonomik hin, nämlich auf die mangelnde Möglichkeit, Struktur und Individuum, ohne einen der beiden Aspekte zu vernachlässigen, zusammenzudenken. Neben der Diskussion dieses Defizits des Wieland’schen Ansatzes und darüber hinausgehender Kritikpunkte sollen im folgenden Kapitel außerdem die theoretischen Bausteine einer Struktur- und Handlungstheorie aufgezeigt werden, welche zum einen dem Anspruch gerecht werden kann, keine der beiden Komponenten zu vernachlässigen, und die zum anderen der Konflikt- und der Akteursdimension zu ihrem Recht verhilft. Dieses Forschungsprogramm, das an die verstehende Soziologie von Max Weber anschließt, wird die theoretische Grundlage für die Entwicklung eines alternativen Analysemodells bilden, das einen neuen Zugang zur theoretischen Aufbereitung des Themas der organisationalen Korruption aufzeigt.
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4.2 Kritische Reflexion der Neuen Organisationsökonomik aus der Perspektive einer strukturalistisch-individualistisch verstehenden Soziologie Die Perspektive, aus der im Folgenden die Defizite der Neuen Organisationsökonomik bestimmt werden soll, ist eine soziologische. Es wird zu zeigen sein, inwiefern sich eine solche Perspektive für die kritische Diskussion eines unternehmensethischen Ansatzes eignet, der sich letztlich als ein ökonomisches Forschungsprogramm versteht, das nach eigener Aussage in der Lage ist, moralische Faktoren in eine ökonomisch relevante Größe zu übersetzen, ohne dabei eine Art Ökonomisierung der Moral vorzunehmen. Neben der kritischen Betrachtung der Neuen Organisationsökonomik, die zeigt, an welchen Stellen Wieland seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden kann und worin diese Defizite begründet liegen, geht es im zweiten Teil darum, für die Fragestellung entscheidende theoretische Prämissen des weberianischen Forschungsprogramms aufzuzeigen und – indem sie in Verbindung mit den einzelnen thematischen Facetten gebracht werden – den Erkenntnisgewinn einer solchen theoretischen Herangehensweise darzustellen. 4.2.1 Anspruch und Wirklichkeit der theoretischen Erkenntnisse der NOÖ In diesem Kapitel steht die Identifizierung der Defizite des Forschungsprogramms von Josef Wieland im Mittelpunkt der Analyse. Der vielseitige Anspruch, den Wieland an seinen organisationstheoretischen Ansatz stellt und zu erfüllen verspricht, wird anhand von drei Aspekten kritisch beleuchtet. Für jeden der drei Aspekte wird der entsprechende Anspruch definiert und im Anschluss daran gezeigt, inwiefern er diesen nicht zu erfüllen vermag und wo die Gründe in Wielands Theorieansatz dafür zu finden sind. 4.2.1.1 Die Neue Organisationsökonomik: ein Forschungsprogramm als Entscheidungshilfe für moralökonomische Dilemmata Der Anwendungsbezug, den Wieland der Neuen Organisationsökonomik bescheinigt, resultiert aus dem Vorhaben, ein Forschungsprogramm zu entwickeln, das zum einen in der Lage ist, wirtschafts- und unternehmensethische Problemfälle zu erklären, und das zum anderen über das Potenzial verfügt, Entscheidungshilfe in konkreten Dilemmasituationen zu geben. Gerade der Beginn von Wielands wissenschaftlicher Forschungstätigkeit ist geprägt von der Suche nach
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einem solchen Problemlösungsprogramm, das den Zugang zu moralökonomischen Fragestellungen sowohl empirisch-analytisch als auch wissenschaftstheoretisch ermöglicht (vgl. Wieland 1993: 27). Insofern es Wieland vor allem in den ersten Schaffensjahren, aber auch darüber hinaus in erster Linie keineswegs um philosophische Letztbegründungen geht, er sich vielmehr als praxisorientierter Ökonom versteht, plädiert er für eine ökonomische Herangehensweise, da es seines Erachtens weder Probleme noch Lösungen für Probleme in der Wirtschaft gibt, die nicht wirtschaftlich sind (vgl. Wieland 1993: 25, Wieland 2005a: 70). Damit distanziert sich Josef Wieland explizit von anderen wirtschafts- und unternehmensethischen Ansätzen, die seines Erachtens mit hohen tugendethischen Ansprüchen an wirtschaftliche Entscheidungsträger dazu beitragen, bei den Betroffenen „Resignation und Zynismus“ auszulösen, welche im schlimmsten Fall zu einer „Erosion der Moral“ (Wieland 1996a: 90) führen können. Stattdessen lenkt er den Blick auf die organisationalen Möglichkeiten, um integres Wirtschaften zu ermöglichen und zu fördern. Dabei schreibt er den Akteuren ein Mindestmaß an Moralfähigkeit zu, betont aber gleichzeitig, dass der Einzelne nicht allein gelassen werden darf – weder mit seinen tugendethischen Ansprüchen noch mit seinem Eigeninteresse. Vielmehr ist eine Entlastung des Individuums von Seiten des kollektiven Akteurs vonnöten, da es aufgrund der spezifischen Situation innerhalb von Organisationssystemen mit ihren multiplen Logiken und Sprachcodes teilweise zu unauflösbaren Entscheidungsdilemmata kommen kann. In diesem Zusammenhang ist in den vorherigen Ausführungen von einer Verschiebung der Situierung der Dilemmasituation, nämlich von der individuellen auf die organisationale Ebene, gesprochen worden. Der Grund dafür, dass Wieland seinem Anspruch nicht gerecht werden kann, unternehmensethische Problemstellungen, also moralische Dilemmata, in ökonomischen Handlungskontexten zu erklären und zu lösen, liegt in seiner Definition von Organisationen, die durch eine gesellschaftstheoretische Konzeption der Systemtheorie geprägt, ist und seinem Akteurs- und Institutionenverständnis, das der Neuen Institutionenökonomik entnommen ist. So lässt der enorme Einfluss der beiden theoretischen Strömungen Wieland für die Neue Organisationsökonomik folgende Annahmen treffen: a)
Organisationen sind Orte struktureller Kopplung, wo die Integration zwischen den Systemen Ökonomie und Moral möglich wird. b) Individuen lassen sich weitgehend durch Anreizstrukturen steuern. Das innerorganisationale Institutionengefüge ist folglich entscheidend dafür, ob Akteure ihrer moralischen Präferenz oder ihrem opportunistischen Bedürfnis nachgehen.
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Dementsprechend wird der Ausgestaltung der in einer Organisation wirksamen Koordinations- und Kooperationsmechanismen und routinen eine maßgebliche Rolle hinsichtlich der Sicherstellung integrer wirtschaftlicher Transaktionen zugeschrieben.
Das reduzierte Verständnis von Handlungssubjekten geht mit einer Überbewertung der Steuerungsmöglichkeiten mithilfe organisationaler Strukturen einher und verhindert eine tatsächliche Analyse der Wirkungszusammenhänge zwischen Akteur und Struktur. Obgleich Wieland in seiner Formel, mit welcher er die moralische Dimension distinkter wirtschaftlicher Transaktionen darzustellen versucht, nach eigenen Angaben alle relevanten Moralparameter der Wirtschaft und ihrer Unternehmen einzubeziehen beansprucht (Wieland 2005a: 39f.), bedeutet dies keineswegs, dass er so in der Lage ist, die Wirkungszusammenhänge zwischen den einzelnen Parametern analytisch zu berücksichtigen. Vielmehr führen die verkürzten Annahmen von Institution und Individuum sowie von Struktur und Handlung zu einer fehlenden Berücksichtigung von Zusammenhängen und damit zu vereinfachten Lösungsvorschlägen, wie auch der von Wieland konsequent in einen „organisatorischen Imperativ“ umgewandelte kantsche kategorische Imperativ lautet: „Handle so, daß Du die Aktivierung moralischer Güter förderst und gleichzeitig nicht schutzlos wirst gegen Opportunismus“ (Wieland 1996a: 176). Vor diesem Hintergrund ist entscheidend, dass, wie im folgenden Kapitel gezeigt wird, Wieland zwar von einer moralsensitiven Governancestruktur spricht, die sich an diesem „organisatorischen Imperativ“ zu orientieren habe, er aber nicht tiefergehend auf die Chancen und Schwierigkeiten des Implementierungsprozesses eines solchen Steuerungsregimes eingeht. Das Konfliktpotential, das im Umgang mit den widersprüchlichen ökonomischen und moralischen Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten wird, kann von Wieland nicht in angemessener Weise bearbeitet werden, da nach eigenen Angaben nur die moralischen Faktoren zählen, die sich in positiver Weise auf die ökonomische Situation eines Unternehmens auswirken. „Ökonomisch gesehen hat Moral gute und schlechte Konsequenzen, und es sind diese Konsequenzen, die über Gültigkeit ethischer Normen in Wirtschaft und Gesellschaft mitentscheiden“ (Wieland 1993: 29). Feststeht, dass jeder, der in der Wirtschaft handelt, an Unterscheidungen wie Kosten/Ertrag oder Effizienz/Ineffizienz auch im Hinblick auf moralische Fragen auf Dauer nicht vorbeikommt. Offensichtlich ist bei aller Berücksichtigung von moralischen Parametern die jeweilige ökonomische Relevanz ausschlaggebend dafür, welcher Stellenwert ihnen zugeschrieben wird. Damit schafft es Wieland nicht, das Potential, das aus den unterschiedlichen Bedürfnis-
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sen ökonomischer und sozial-moralischer Rationalitätskriterien resultiert, für unternehmensinterne Veränderungsprozesse auszuschöpfen. Sowohl die Frage des Implementierungsprozesses einer Governancestruktur, die mit widersprüchlichen Rationalitätskriterien zu rechnen hat, als auch die Frage nach dem Ort, wo moralische Dilemmata in Wirtschaftsorganisationen bearbeitet werden können, werden in den nachstehenden Ausführungen nochmals unter verschiedenen Gesichtspunkten aufgegriffen. 4.2.1.2 Die Neue Organisationsökonomik als theoretische Grundlage für die Ausgestaltung von organisationalen Governancestrukturen: eine Frage des Institutionenverständnisses Das Hauptergebnis der theoretischen Erkenntnisse aus der Neuen Organisationsökonomik ist, dass es eines umfassenden Anreizmanagements bedarf, das sowohl ökonomische als auch moralische Anreize zu berücksichtigen vermag. Wieland erhebt den Anspruch, dass die NOÖ ein theoretisches Fundament darstellt, das den Umgang mit der Sicherstellung von Verbindlichkeit moralischer Standards im Hinblick auf Homogenisierung, Integration, Kontrolle und Steuerung eines Unternehmens (Wieland 1993: 12) erklären kann. Indem er sich, wie ausführlich hinsichtlich des ökonomischen Einflusses gezeigt, vornehmlich auf Erkenntnisse aus der Transaktionskostentheorie und den Resource-based-Ansätzen bezieht, entwickelt er ein Forschungsprogramm, das die Ausgestaltung der „organisationalen Binneninstitutionen“ in den Mittelpunkt der Analyse stellt. Das Forschungsprogramm zielt darauf ab, die Prämissen dafür zu liefern, dass eine Governancestruktur im Unternehmen implementiert werden kann, die eine effektive und effiziente Kooperation zwischen den Akteuren ermöglicht, indem auf moralsensitive und kultursensible Ressourcen bei kollektiven und individuellen Akteuren zurückgegriffen wird, und die vor allen Dingen für die Mehrzahl der Organisationsmitglieder Handlungsrelevanz entwickeln kann. Des Weiteren verspricht das Forschungsprogramm, vor dem Hintergrund der Annahme einer Kontextualität von moralischen Überzeugungen die damit zusammenhängende Abhängigkeit von lokalen Gerechtigkeitsvorstellungen bei der Analyse mit berücksichtigen zu können. Der Hauptkritikpunkt richtet sich auf den Aspekt des Implementierungsprozesses einer soeben beschriebenen organisationalen Institutionenordnung – denn als solche kann man Wielands Governancestruktur mit Verweis auf den theoretischen Einfluss der Neuen Institutionenökonomik durchaus bezeichnen. Zwar spricht Wieland von einer erfolgreichen Implementierung eines umfassenden Anreizmanagements, das er von der „gelingenden Simultanität der Governan-
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cestruktur“ abhängig macht, dennoch kann er keine Antwort auf die Frage geben, wie der Prozess gestaltet werden muss, so dass Wirksamkeit und Handlungsrelevanz sichergestellt werden. Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf den Aspekt der Kontextualität und stellt infrage, ob es der Neuen Organisationsökonomik aufgrund ihrer theoretischen Prämissen überhaupt gelingen kann, den Einfluss von lokalen Wert- und Legitimitätsvorstellungen in der Weise in das Transaktionsmodell einzubeziehen, dass er angemessen bearbeitbar wird. Der Grund dafür, dass Wieland den Prozess der Implementierung in seinen wissenschaftstheoretischen Abhandlungen weitestgehend ausspart, liegt darin, dass ihm weder sein Akteurs- noch sein Institutionenverständnis Zugang dazu gewährt. Trotz der Annahme des Handelnden als „multiple selve“ gelingt es ihm nicht, das „Konstrukt des eigennützigen Rationalisten“ (Aufderheide 2005: 132) abzulegen. Da rationales Handeln jedoch ausschließlich im Sinne von Zweckrationalität von Wieland bearbeitet werden kann, fehlt ihm ein entscheidender Handlungstyp, nämlich der der Wertrationalität. Welche Einschränkung er damit vornimmt, wird bei der genaueren Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Handlungstypen von Max Weber (siehe Kapitel 4.2.2.2) nochmals thematisiert. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass dieses Akteursverständnis es Wieland ermöglicht, mit einem reduzierten Institutionenverständnis, das auf Anreizmechanismen abzielt, zu arbeiten, was dazu führt, dass Fragen der Institutionalisierungs- und De-Institutionalisierungsprozesse von Wertvorstellungen nicht beantwortet werden können. Worin liegt nun aber konkret das reduktionistische Moment des Verständnisses von Institutionen begründet und was ist die Konsequenz daraus? In Anlehnung an vier Aspekte institutionellen Handelns, die sich an einer Differenzierung von Mateusz Stachura orientieren, werden im Folgenden die entscheidenden Merkmale des Institutionenverständnisses der Neuen Organisationsökonomik spezifiziert. Es handelt sich dabei um den Regel-, Geltungs-, Motivations- und Sanktionsaspekt institutionellen Handelns (vgl. Stachura 2009). Insofern in der Literatur generell zwischen instrumentellen, präskriptiven und konstitutiven Regeln unterschieden wird (vgl. Stachura 2009: 10), lässt sich Wieland ein instrumentelles Regelverständnis von Institutionen zuschreiben. Dabei haben die instrumentellen Regeln folgende Form: „Wenn du p willst, dann solltest du q tun“ (Weber 1988: 334). Weber nennt dies die Zweck-Maximen, deren Unterscheidungsmerkmale zu anderen Regeln zum einen der subjektive Zweck und zum anderen die Zweck-Mittel-Relation sind. Entscheidend ist, dass instrumentelle Regeln niemals ohne subjektiven Zweck angewendet werden. Der instrumentelle Charakter dieser Regeln wird daran deutlich, dass Institutionen immer als Instrumente der Interessen aufgefasst werden.
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Dieser Aspekt spiegelt sich bei Wieland vor allem darin wider, dass es letztlich eben doch darauf ankommt, mithilfe von Steuerungsmechanismen Rahmenbedingungen für den Handelnden zu schaffen, die es ihm ermöglichen, aus ökonomischen Gründen moralisch zu handeln. Unabhängig davon, dass Wieland Steuerungsregimen durchaus eine Beschränkungs- und Ermöglichungsfunktion zuschreibt, liegt die Betonung auf der Funktionalität und Zweckhaftigkeit von Strukturen. Unter dem Geltungsaspekt von praktischen Regeln wird die Frage nach der Geltungsgrundlage angesprochen. Denn insofern es nicht um das Erkennen von Tatsachen, sondern um das Anerkennen von Geltungsansprüchen der Regeln geht, rückt die Frage nach der Grundlage, auf der die Geltungsansprüche anerkannt werden, in den Vordergrund der Betrachtung (vgl. Stachura 2009). Zuvor sei auf den Begriff der „praktischen Regel“ hingewiesen, der hier im Sinne des unter Institutionentheoretikern bestehenden Konsenses verwendet wird. Unter Institutionen werden dementsprechend keine theoretischen, sondern praktische Regeln, keine Beschreibungen des Gegebenen, sondern Forderung des Gesollten verstanden. (Vgl. Stachura 2009). Ganz in der Tradition ökonomischer Forschungsprogramme zeichnet sich auch bei der NOÖ die Geltungsgrundlage praktischer Regeln durch Effizienzund Nützlichkeitskriterien aus. „Dabei spielt es keine Rolle, ob man von einem einsamen Akteur und der individuellen Nützlichkeit oder von mehreren Interaktionspartner und der Pareto-Effizienz der Institutionen ausgeht.“ (Stachura 2009: 14). Offensichtlich gelten Institutionen, weil sie instrumentell wirksam sind. Die Geltung einer Governancestruktur hängt davon ab, inwiefern sie das Ziel, die Senkung der Transaktionskosten, in Form von Kooperationsgewinnen für alle Beteiligten ermöglicht. Insofern als sowohl Individuen als auch Organisationen kooperieren, weil es in ihrem eigenen Vorteilskalkül liegt, sieht Wieland den instrumentellen Nutzen von Institutionen im Ausgleich eben dieses markanten Spannungsfelds zwischen Eigennutz und kollektivem Nutzen (vgl. Wieland 2004b: 262). Damit wird den Institutionen weder ein sinnstiftender noch werteverwirklichender Charakter zugeschrieben, was ein entscheidendes Defizit innerhalb des Institutionenverständnisses von Wieland darstellt. Fraglich ist, wie ein Forschungsprogramm, das es als eigene elementare Leistung ansieht, kulturelle und moralische Parameter in einen ökonomisch operierenden Theorieansatz integriert zu haben, dies tatsächlich leisten kann, wenn darauf verzichtet wird, den Institutionen selbst eine sinnstiftende Wirkung zuzugestehen. Wie zu Beginn des zweiten Teils der Arbeit die Entwicklung eines organisationstheoretischen Ansatzes auf der Basis von Erkenntnissen aus der verstehenden Soziologie zeigen wird, bedarf es eines umfassenden Institutionenver-
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ständnisses, das sich – im Sinne von präskriptiven Regeln – durch einen regulativen und einen konstitutiven Bezug auszeichnet. Der dritte Aspekt, der Motivationsaspekt, ist klar vom Geltungsaspekt des institutionellen Handelns zu unterscheiden. „Selbst wenn wir wissen, dass A die Geltung einer Regel anerkannt hat, wissen wir noch nichts über seine Motive und wir wissen natürlich nicht, wie er handeln wird“ (Stachura 2009: 17). Auf die Frage danach, worin Motive institutionellen Handelns theoretisch bestehen können, findet man bei Wieland – ebenfalls ganz im Sinne der Neuen Institutionenökonomik – lediglich eine Antwort hinsichtlich der zu erwartenden Folgen des eigenen Regelverhaltens oder des der anderen Kooperationspartner. Das Entscheidende bei Wieland, der die Entwicklung der globalen Volkswirtschaft in Richtung einer Kooperationsökonomik zeichnet, ist die Reduktion von Unsicherheit, die aufgrund von unvollständigen Verträgen jeder Kooperation und jeder Transaktion innewohnt. Institutionen haben die Aufgabe der Herstellung von Verhaltenserwartung, das heißt Institutionen stellen notwendige Bedingungen für die Transaktion dar. Dies ist allerdings nicht gleichbedeutend damit, dass Institutionen selbst motivierend sind. Vielmehr motivieren sie Akteure nicht direkt, sondern nur über erwartbare Folgen institutionellen Handelns (vgl. Stachura 2009: 18). Auch der Versuch der Neuen Organisationsökonomik, innere Werte und Moralpräferenzen als individuelle und kollektive moralische Ressourcen einzubeziehen und sie somit der Transaktionskostenanalyse zugänglich zu machen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei Wieland „Institutionen keine ,inneren‘, sondern nur ,äußere‘ Bedingungen des Handelns darstellen, dass sie nur als äußere Restriktionen und Opportunitäten die Motive des Handelns beeinflussen können“ (Stachura 2009: 18/19). Mit dem vierten, dem Sanktionsaspekt, wird ein mit dem Institutionenthema offensichtlich eng verbundener Gesichtspunkt aufgegriffen. Auch bei Wieland scheint es Institutionen ohne Sanktionen nicht geben zu können. Die Herausarbeitung der informalen Governancestrukturen, die über die Werte und inneren Einstellungen von Mitgliedern einer Organisation deren Handlungen steuern sollen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Wieland gleichwohl die Effektivität von Sanktionsmechanismen zur Handlungsdirektion anerkennt. Fraglich ist dies insofern, als auch in der Vorstellung einer Sanktionierung durch instrumentelle Regeln, als welche die Institutionen bei Wieland identifiziert wurden, ein logischer Fehlschluss liegt. So zeichnet sich das Wesen von instrumentellen Regeln gerade dadurch aus, dass man sich an sie hält, weil es nützlich ist und im individuellen Interesse des Akteurs liegt. Eben darauf zielt die Argumentation von Wieland ja auch ab, wenn er von einem umfassenden Anreizmanagement spricht. Hingegen macht es keinen Sinn, Regeln, denen man
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ohnehin aus eigenen Nützlichkeitserwägungen folgen möchte, mit Sanktionen in Verbindung zu bringen und sich damit einen Mehrwert hinsichtlich der Handlungsrelevanz bzw. der Sicherstellung der Verbindlichkeit des Regelwerks zu erhoffen. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Vermutung aufstellen, dass Wieland selbst aufgrund seines Rückgriffs auf Sanktionen einem moralgetriebenen Wertemanagement nur eingeschränkt zutraut, eine Governancestruktur zu schaffen, die es dem Einzelnen ermöglicht, aus Eigeninteresse und ohne einen Nachteil jeglicher Art integer zu handeln. In diesem Fall würde es durchaus Sinn machen, regelwidriges Handeln mit Sanktionen zu ahnden. Festzuhalten ist, dass es bei Wieland aufgrund verkürzter Annahmen bezüglich des Akteurs- und Institutionenverständnisses zu einer fehlenden Berücksichtigung der Komplexität menschlichen Handelns und sozialer Beziehungen kommt. Dies wiederum führt zu einem vereinfachten Lösungsvorschlag, der auf der einen Seite die Notwendigkeit einer erfolgreichen Ausgestaltung einer unternehmensinternen Governancestruktur nach moralsensitiven Kriterien propagiert, ohne auf der anderen Seite den Implementierungsprozess näher zu beleuchten. 4.2.1.3 Die Neue Organisationsökonomik als anwendungsbezogene Unternehmensethik mit Integrationsabsichten für die Gesellschaftsbereiche Moral und Ökonomie Zu Beginn der Ausführungen über die Neue Organisationsökonomik wurde dargestellt, dass Wieland es nahezu als Pflicht wirtschafts- und unternehmensethischer Ansätze sieht, eine Antwort darauf zu finden, wie in modernen, funktional differenzierten Gesellschaften ein Bezug zwischen den verschiedenen autonomen Teilbereichen – in diesem Fall zwischen Ökonomie und Moral – hergestellt werden kann. Die entscheidende Frage der wirtschafts- und unternehmensethischen Diskussion ist also, wo und in welcher Weise die Integration von funktional differenzierten Gesellschaften vollzogen wird (vgl. Wieland 2004b). Wieland stellt sich dieser Frage, indem er „die gesellschaftstheoretische Figur der Verschränkung von Autonomie und Interdependenz“ als den grundlegenden Reflexionspunkt der Governanceethik festlegt. „Einerseits wird damit die funktionale Differenzierung (Trennung) von Ökonomie und Ethik als irreversibel und produktiv akzeptiert, andererseits bildet diese Differenzierung den nicht hintergehbaren Kontext, Interaktionsmöglichkeiten zwischen Ökonomie und Ethik auszuloten und dann zu gestalten“ (Wieland 2005b: 254).
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Wie bereits gezeigt, kommt Wieland zu dem Schluss, dass diese Interaktionsund Kooperationsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Systemen auf der Ebene einzelner Transaktionen zu suchen sind: „Wenn es für diese Integrationsleistung weder einen archimedischen Punkt außerhalb aller Funktionssysteme gibt, gleichsam in einem Super System aller Funktionssysteme, noch es möglich ist, diese Integration in einem der Funktionssysteme allein abzubilden (was, beiläufig erwähnt, die gemeinsame Denkvoraussetzung von Diskursethik und ökonomischen Imperialismus ist), dann bleibt als dritte Variante, die Möglichkeiten und Bedingungen der Kooperation differenter Systemlogiken im Hinblick auf distinkte soziale Transaktionen in Betracht zu ziehen“ (Wieland 2004b: 254).
Dies legt die Schlussfolgerung nahe, dass eine gelingende Integration dieser einzelnen Transaktionen „die fragmentierte Basis und der temporalisierte Vollzug der Integration funktional differenzierter moderner Gesellschaften“ wäre (Wieland 2004b: 254). Wenn Wieland mit seinem Forschungsprogramm – in diesem Fall ist es sicherlich passend, den Begriff der Ethik der Governance anzuführen – der philosophischen Frage nach den „richtigen und angemessenen Handlungen der Menschen“ nachgeht und darüber hinaus die damit verbundene Motivation, „Einfluss auf Verhaltenssteuerung und Verhaltenskoordination der Mitglieder einer Gesellschaft zu nehmen“ (Wieland 2005c: 43), teilt, spiegeln sich seine Integrationsabsichten in der Zielsetzung wider, mithilfe der Einbeziehung moralischer Dimensionen in wirtschaftliche Transaktionen zu einem ökologisch und gesellschaftlich nachhaltigeren Wirtschaften zu gelangen. Im Folgenden soll dargelegt werden, dass Wieland nicht nur seinem Anspruch, eine solche Integrationsleistung zu erbringen, nicht gerecht werden kann, sondern darüber hinaus mit seinem Theorieansatz der Neuen Organisationsökonomik Gefahr läuft, in Form von nicht-intendierten Folgewirkungen eine gegenteilige Wirkung zu erzielen. Wieland überschätzt in seinem Forschungsprogramm, ähnlich wie andere Gesellschaftsmodelle, die von funktionalen Erfordernissen ausgehen, die Interdependenzen der Teilbereiche. Diese vertragen laut Schwinn ein erhebliches Maß an indifferenter Entwicklung (Schwinn 2001: 54). Wenn Wieland von der Konstituierung eines „politisch-ökonomischen Netzwerks“ (Wieland 2005a: 15) spricht, die seines Erachtens mit einer Verschiebung in der Steuerungstektonik moderner Gesellschaften einhergeht, wird deutlich, dass er die Funktionsbereiche in einer starken wechselseitigen Abhängigkeit sieht. Des Weiteren lehnt Wieland eine unterschiedliche Wertigkeit der Bereiche ab, was allerdings dazu führt, dass er das unterschiedliche Ordnungspotential und damit auch den unterschiedlich stark ausgeprägten Geltungskontext der Bereiche unbeachtet lässt.
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Sowohl im Integrationswunsch als auch in der Nicht-Beachtung der Ordnungsfähigkeit der Bereiche liegt der Grund dafür, dass die Neue Organisationsökonomik Gefahr läuft, entgegen ihrem eigenen Anspruch einer ökonomischen Trägergruppe – im Sinne von Interessensvertretern – als Instrument zur Stabilisierung und Ausweitung der ökonomischen Sphäre zu dienen. Wie das nachstehende Kapitel zeigen wird, bedarf es einer Konflikttheorie, die – um mit Weber zu sprechen – die Asymmetrien zwischen den Wertsphären zulässt und die die Unvereinbarkeit der Sphären als unhintergehbare Prämisse setzt und damit nicht Gefahr läuft, aufgrund von Konsens- und Integrationsannahmen von einer Sphäre instrumentalisiert zu werden. Denn es muss davon ausgegangen werden, dass die Trägergruppen der verschiedenen Wertsphären jeweils das Interesse haben, ihren Geltungsbereich auszuweiten, also im Fall von Wirtschaftsvertretern die im ökonomischen Kontext dominierende Leitidee der Rentabilität in nicht-ökonomische Bereiche zu übertragen und somit wirtschaftliche Orientierungen bspw. auch für Politik und Bildungsinstitutionen zu propagieren (vgl. Schwinn 2001: 321). Ob es tatsächlich Anzeichen dafür gibt, dass das Forschungsprogramm von Seiten ökonomischer Vertreter für die Durchsetzung eigener, wirtschaftlicher Interessen verwendet wird, kann an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Hierzu bedarf es in Zukunft vielmehr einer empirischen Überprüfung der tatsächlichen Auswirkungen und Konsequenzen, die die Implementierung von unternehmensinternen Wertemanagementsystemen, wie sie Wieland auf seinen theoretischen Erkenntnissen aufbaut, mit sich bringen. 4.2.2 Die Kernelemente einer konflikttheoretischen Soziologie Im vorangegangenen Kapitel hat sich gezeigt, dass Wieland, obgleich er sich als Ökonom (vgl. Wieland 1993: 25, Wieland 2005a: 70) versteht, dennoch den philosophischen Anspruch teilt, Antwort auf die Frage nach einem „richtigen“ und angemessenen – in diesem Falle wirtschaftlichen – Handeln zu geben. Die in der Neuen Organisationsökonomik vorherrschende Thematisierung von Steuerungsmitteln, -instrumenten und -regimen spiegelt darüber hinaus die Motivation wider, Einfluss auf das Zusammenleben innerhalb einer Gesellschaft zu nehmen. Hervorzuheben ist, dass es Wieland weniger um die Steuerung von Einzelhandlungen geht als vielmehr um die Steuerungsarchitektur einer Transaktion. Der Fokus liegt dementsprechend auf dem Aspekt der Interaktion. Das Interagieren, das soziale Handeln zwischen Akteuren, ist ebenfalls Gegenstand der Soziologie von Max Weber, wobei – wie im Folgenden sichtbar wird – das Verständnis von „sozialem Handeln“ sich maßgeblich von Wielands
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Handlungsbegriff unterscheidet. Gegenstand der nachstehenden Ausführungen ist dementsprechend das weberianische Forschungsprogramm, wobei es nicht um eine umfassende Darstellung desselben geht. Vielmehr sollen die für die Fragestellung entscheidenden Aspekte benannt werden, um damit das theoretische Fundament in seinen Grundzügen zu skizzieren, worauf die eigenen Überlegungen der Arbeit basieren. Dazu gehören neben der Fortführung der kritischen Auseinandersetzung mit den Defiziten der NOÖ vor allem auch die NeuKonzeptionalisierung eines eigenen Forschungsprogramms zur organisationalen Korruption. 4.2.2.1 Mehr-Ebenen-Analyse Die Frage, ob die System- oder die Handlungstheorie den geeigneten Ausgangspunkt für eine soziologische Fragestellung bildet, ist Gegenstand einer jahrelangen Kontroverse. Während für Makroanalysen der Systemfunktionalismus in den Nachkriegsjahrzehnten eine Art monopolartigen Erklärungsanspruch für sich behaupten konnte, verschiebt sich seit einiger Zeit die Diskussionslage, und es wird verstärkt an einer Verknüpfung von Akteur- und Systemtheorie gearbeitet (Schwinn 2003b: 278). Bspw. wird von Handlungstheoretikern wie Jürgen Habermas der Versuch unternommen, systemtheoretische Elemente in seinen Ansatz zu integrieren. Eine andere Art und Weise, mit dieser Herausforderung – der Verknüpfung der Mikro- und Makroebenen – umzugehen, wählen die Neofunktionalisten, die die Absicht verfolgen, Systemfunktionalismus und Handlungstheorie wechselseitig füreinander zu öffnen. Jedoch sieht Schwinn bei den Versuchen, den Systemfunktionalismus handlungstheoretisch zu öffnen, das Dilemma, dass „entweder […] die Handlungsprozesse in einer solchen Weise aufgewertet [werden], daß sich das systemische Ganze mit seinen funktionalen Erfordernissen verflüchtigt, oder aber man […] an letzteren fest[hält] und dadurch das Handeln auf ein Vollzugsorgan der systemischen Erfordernisse [reduziert]“ (Schwinn 2001: 133). Ziel der folgenden Ausführungen soll weniger die grundsätzliche Kritik an solchen Bestrebungen sein, als vielmehr den Blick zu richten auf ein theoretisches Forschungsprogramm, das es vermag, das oben skizzierte Dilemma bei dem Versuch der Verknüpfung von Mikro- und Makroebenen zu überwinden: die Mehr-Ebenen-Analyse als Teil einer strukturalistisch-individualistisch verstehenden Soziologie. Wie zu Beginn der Arbeit bereits festgestellt wurde, nimmt das Forschungsprogramm von Max Weber einen besonderen Stellenwert unter den sogenannten Klassikern ein, da es durch seine „Positionierung jenseits von Subjek-
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tivismus und Objektivismus“ (Schwinn 1993: 365) auch für die gegenwärtige Forschung anschlussfähig wird. Weber setzt sich über den Gegensatz von Handlung und Struktur hinweg, indem er eine „doppelseitige und gegenläufige Perspektive“ zulässt und beiden Ebenen – Handlungs- und Ordnungsebene – ein Eigenrecht zugesteht. „Dies ermöglicht es einem, die jeweiligen Verschränkungen zwischen den Ebenen analytisch in den Blick zu bekommen“ (Schwinn: 1993: 91). Dementsprechend verlangt eine verstehende Soziologie allerdings auch, eben dieses Zusammenspiel aus Handlung, Ordnung und Kultur zu analysieren. Schluchter spricht von einer strukturalistisch-individualistisch verstehenden Soziologie insofern, als „der Ausgangs- und Endpunkt des Erklärungsmodells […] auf der Strukturebene [liegen], während die Handlungserklärung auf der Individualebene erfolgt“ (Schluchter 2007: 304). Handlung und Struktur werden offensichtlich als „Komplementärbegriffe“ bezeichnet, die auf verschiedenen Ebenen liegen. „Sie gelten uns als komplementär im Rahmen eines MehrEbenen-, eines Mikro-Makro-Modells. Handlungen und die ihnen vorgelagerten Handlungsorientierungen gehören auf die Mikroebene, Strukturen und die ihnen vorgelagerten Handlungskoordinationen auf die Makroebene“ (Schluchter 2007: 301f.). Obgleich Weber einem subjekttheoretischen Ansatz folgt, der den Akteur als ein sprach- und handlungsfähiges Subjekt wahrnimmt, geht es ihm weniger um das soziale Handeln als solches, sondern um die soziale Beziehung, „ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer“ (Weber 1980: 13). Wichtig dabei ist, dass das Handeln Konsequenzen hat, die den Erwartungen der Interagierenden entsprechen oder eben auch nicht entsprechen können. „Aufeinander bezogen ist sie [die soziale Beziehung] aber auch dann insofern, als der Handelnde vom Partner (vielleicht ganz oder teilweise irrigerweise) eine bestimmte Einstellung dieses letzteren ihm (dem Handelnden) gegenüber voraussetzt und an diesen Erwartungen sein eigenes Handeln orientiert, was für den Ablauf des Handelns und die Gestaltung der Beziehung Konsequenzen haben kann und meist haben wird“ (Weber 1980: 14). Damit tritt das Paradigma der Interaktion in den Vordergrund, das auf die Differenz von Handelndem und Situation abzielt. Laut Schluchter ergeben sich aufgrund der Handlungsproblematik einer doppelten Kontingenz für den Akteur unterschiedliche Herausforderungen. Die doppelte Kontingenz besteht darin, dass aufgrund des eigenen Handelns beabsichtigte und unbeabsichtigte Folgen auftreten, die beide auf die Situation des Handelnden zurückwirken. Trotz eingeschränkter Bedingungen hat der Akteur die Chance, sein Handeln zu bestimmen, wobei er dafür zwangsläufig die Situation für sich definieren muss. An dieser Stelle wird er mit besagter doppelten Kontingenz konfrontiert und „alles Han-
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deln aber bleibt verstrickt in die Paradoxie der Wirkung gegenüber der Absicht“ (Schluchter 1998b: 349). Schluchter spricht von den drei Problemen: Definitionsproblem, Entscheidungsproblem und Folgenproblem, die der Handelnde zu lösen hat. Offensichtlich hängt die Entscheidung, die das Subjekt trifft, weitgehend davon ab, inwieweit es in seiner freien Wahl eingeschränkt ist. Das bedeutet, dass ein Subjekt seine Handlungsentscheidung umso bewusster treffen kann, je weniger er aufgrund von äußeren oder inneren Zwängen in seiner Freiheit beschnitten ist. Naheliegend ist, dass sich das Handeln damit auch verstärkt den Kategorien von Zweck und Mittel fügt. Allerdings – und das zu betonen ist nicht zuletzt in Abgrenzung auf das Handlungsverständnis von Wieland äußerst wichtig – darf diese teleologische Grundstruktur des Handelns nicht mit dem zweckrationalen Handeln verwechselt werden (vgl. Schluchter 1998b: 350). Bevor näher auf die unterschiedlichen Handlungstypen und das Verständnis von Rationalität bei Weber eingegangen wird, soll an dieser Stelle nochmals die Bedeutung der für das Weber-Programm entscheidenden Mehr-Ebenen-Analyse herausgestellt werden, die es ermöglicht, die Verbindung zwischen dem sozialen Handeln von Akteuren, der Strukturierung von Handlungsräumen und den Sinnzusammenhängen von Handlungsorientierungen – also das Zusammenspiel von Handlung, Ordnung und Kultur – zu analysieren (vgl. Lepsius 2003). Die Methode einer solchen verstehenden Soziologie, um dies abschließend zu erwähnen, zeichnet sich laut Schluchter dadurch aus, dass die Gründe als Ursachen behandelt werden und dabei verstehendes mit beobachtendem Erklären kombiniert wird (Schluchter 2007: 304ff.). 4.2.2.2 Regelgeleitetes Handeln und Handlungskoordination Im vorangegangenen Kapitel wurde das Handlungsproblem der doppelten Kontingenz angesprochen, das Hinweis darauf gibt, mit welcher Komplexität der individuelle Akteur konfrontiert wird. Eine Entlastung des Einzelnen mithilfe von Strukturen zu erreichen, ist keine Neuheit der Neuen Organisationsökonomik, sondern Gegenstand der unterschiedlichsten institutionentheoretischen Ansätze. Das Programm einer organisationalen Institutionenanalyse, wie es in vorliegender Arbeit entwickelt wird, bedarf eines wertbezogenen Institutionenverständnisses. Grundlage dafür bilden die Ausführungen von Max Weber über das regelgeleitete Handeln, die im Folgenden vor dem Hintergrund seiner Handlungs- und Koordinationstheorie im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Letztere zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie zwischen zwei gleichrangigen und rationalisierungsfähigen Handlungsorientierungen und Handlungskoordinationen differenziert. Damit unterscheidet sich die verstehende
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Theorie ebenso sehr von einer Theorie, die ausschließlich den Nutzenkalkulierer in den Fokus rückt, wie von einer, die ausschließlich den habitualisierten Handelnden im Blick hat (Schluchter 2007: 298f.). Ziel des Kapitels ist es also zu zeigen, dass die verstehende Soziologie – im Gegensatz zur Nationalökonomie – zwei Formen rationalen Handelns kennt, die nicht in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen. Denn Weber bricht mit dem ökonomischen Paradigma „nicht mit Hilfe eines hierarchischen Dualismus, sondern mit Hilfe der Dualität von erfolgs- und eigenwertorientiertem, zweck- und wertrationalem Handeln“ (Schluchter 2006: 318). Dabei wird wie folgt vorgegangen: Eingangs gilt es, das Handlungsverständnis von Weber näher zu spezifizieren und die unterschiedlichen Handlungstypen, die Weber als Idealtypen entwickelt, zu benennen. Auf diesem Hintergrund soll der Blick auf das regelgeleitete Handeln geworfen und in diesem Kontext das Rationalitätsverständnis von Weber und die damit zusammenhängende, bereits angesprochene Dualität von erfolgs- und eigenwertorientiertem, zweckund wertrationalen Handeln skizziert werden. Abschließend rückt der Aspekt der Handlungskoordination und darüber hinaus das Thema Herrschaft, das von Weber als eines der wichtigsten Elemente des Gemeinschaftshandelns benannt wird (vgl. Weber 1980: 541ff.), in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Weber versteht den Menschen als Kulturmenschen, der bewusst Entscheidungen trifft und den Willen und die Fähigkeit besitzt, durch die eigene Positionierung dem Leben und der Welt einen Sinn zu verleihen. Sinn ist ein zentraler Begriff bei Weber und besteht in subjektiven Zwecken, Werten, Mitteln, Motiven etc., die das Individuum – bewusst oder unbewusst – mit seinen Handlungen verbindet und die dieses Handeln letztlich erklären“ (Weber 1980: 1f.). Dementsprechend ist laut Weber das eigentliche Handeln das sinnhafte Sich-Verhalten, insofern es – im Gegensatz zum reaktiven Sich-Verhalten – das verstehbare Handeln ist. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die Sinnorientierung so weit routinisiert ist, dass es eher einem reaktiven Verhalten ähnelt und dementsprechend kaum mehr verstehbar ist. Vergleichbar schwer zu fassen wie das Gewohnheitshandeln ist der affektuelle Handlungstyp, der durch seine Spontaneität häufig an die Grenze der Nachvollziehbarkeit rückt. Bei Weber handelt es sich also um eine „Theorie des habitualisierten (gewohnheitsmäßigen), des affektuellen und des regelgeleiteten Handelns“ (Schluchter 2007: 298). Auch wenn Weber seinen Blick auf das regelgeleitete Handeln richtet, darf ihm nicht unterstellt werden, dass er von einem „Vorwalten von rationalen Motiven“ ausgeht, vielmehr liegt der Grund darin, dass das regelgeleitete Handeln – im Gegensatz zu den anderen Handlungstypen – verstehbar ist und somit für die wissenschaftliche Forschung zugänglich wird. Bestimmungsgründe für regelge-
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leitetes Handeln können sowohl zweck- als auch wertrationaler Art. Dies ist im Hinblick auf die Handlungsrelevanz von Institutionen ein entscheidender Faktor. Beide Bestimmungsgründe sind durch ihre Orientierung an Grundsätzen rationalisierungsfähig, wobei ihre jeweilige Leitidee nicht dieselbe ist. Zur Unterscheidung der Leitideen wählt Weber die Kategorien Zweck-Maximen und WertMaximen. Dementsprechend kann Handeln oder soziales Handeln folgendermaßen bestimmt sein: „1. zweckrational: durch Erwartungen des Verhaltens von Gegenständen der Außenwelt und von den anderen Menschen unter Benutzung dieser Erwartungen als ,Bedingungen‘ oder ,Mittel‘ für rational, als Erfolg, erstrebte und abgewogene eigene Zwecke, – 2. wertrational: durch bewussten Glauben an den – ethischen, ästhetischen, religiösen oder wie immer sonst zu deutenden – unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchem und unabhängig vom Erfolg“ (Weber 1980: 12).
Offensichtlich steht neben der Erfolgsorientierung auf gleicher Ebene die Eigenwertorientierung, welche auf eine – mit den Worten Wolfgang Schluchters gesprochen – transzendentale Voraussetzung des Weber’schen Ansatzes verweist: dem menschlichen Glauben an die überempirische Geltung letzter und höchster Wertideen. Werte haben bei Weber offensichtlich etwas mit Geltungsvorstellungen zu tun, die laut Schluchter auf Geltungsstandards und Geltungsansprüche verweisen (Schluchter 1996: 232). Die Verbindung vom Glauben an Werte und Geltungsvorstellungen sowie Geltungsansprüchen wird im Zusammenhang mit der Wertsphären-Thematik und insbesondere auch im Zuge der Entwicklung des Institutionenverständnisses der Arbeit nochmals aufgegriffen, da der Wertbezug bei präskriptiven Regeln nicht zuletzt hinsichtlich der Geltungsgrundlage von Institutionen eine bedeutende Rolle spielt. Sobald Handeln als soziales Handeln Interaktionen hervorruft, man also von sozialer Beziehung sprechen kann, rückt der Aspekt der Handlungskoordination in den Analysefokus. Bei Weber gibt es zwei Koordinationsmöglichkeiten: die, die auf Brauch und Sitte beruht und die, bei welcher Koordinationsregeln bewusst beachtet werden. Auch hier sind für eine wissenschaftliche Untersuchung die Koordinationsarten von Bedeutung, bei denen Koordinationsregeln bewusst beachtet werden. Weber unterscheidet diese in eine interessengeleitete und eine von der Vorstellung der legitimen Ordnung geleitete Konstellation (vgl. Schluchter 2006: 270f.). Die Wirtschaftsordnung als Beispiel für erstere Option ist durch die Interessenlage bedingt, während die Stabilität der Rechtsordnung auf dem Legitimitätsglauben beruht. Eine detaillierte Darstellung der Wirtschaftsordnung und des wirtschaftlichen Handelns innerhalb der Wertsphäre Ökonomie wird nachfolgend thematisiert, wobei nicht außer Acht gelassen werden darf, dass
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Ordnung von Weber immer sowohl als Medium als auch als Resultat des Handelns verstanden wird (vgl. Schluchter 1988a: 74f.). 4.2.2.3 Die Unvereinbarkeit von Wertsphären Vor dem Hintergrund, dass eine Institutionen- und Organisationstheorie die variierenden Ordnungseffekte der Wertsphären berücksichtigen muss (Schwinn 2001: 358), steht den Konsequenzen, die sich aus den Kernelementen einer weberianischen Konflikttheorie ergeben, eine Darstellung der Wertsphären voran. Dabei liegt der Fokus auf dem Aspekt der Unvereinbarkeit der Wertsphären sowie auf dem der Asymmetrien zwischen den Sphären, die keineswegs auf eine unterschiedliche Wertigkeit hinweisen, sondern Zeichen dafür sind, dass die verschiedenen Sphären über je spezifische Ordnungsfähigkeiten verfügen. Wie im Folgenden erkennbar wird, handelt es sich bei den Wertsphären um idealtypische Konstruktionen. Wertsphären definieren sich nach Weber im Sinne der weiter oben angesprochenen Dualität von Handlung und Struktur als „überindividuelle Sinnzusammenhänge […], die von einem dominanten Wert regiert werden. Sie sind als Lebensordnungen institutionalisiert und als Handlungsorientierungen internalisiert“ (Schluchter 2006: 308). Im Unterschied zu den Systemfunktionalisten geht es Weber nicht um die Frage nach der Funktion von Wirtschaft, Politik, Religion etc. für die Gesellschaft. Es stehen vielmehr die Werte, Zwecke und Handlungsstrategien im Mittelpunkt seines Interesses, über die die Akteure die Ordnungen konstituieren (Schwinn 2001: 153). Deshalb werden auch im Folgenden unter diesen Aspekten die einzelnen Wertsphären beleuchtet. Im Vorfeld gilt es jedoch, einige allgemeine Aussagen über die Wertsphärenthematik zu treffen, um damit nicht zuletzt auf die Unterschiede zu den Funktionsbereichen eines systemtheoretischen Gesellschaftsverständnisses hinzuweisen, die trotz einer Differenzierungsthematik auf beiden Seiten fundamental sind. Zunächst einmal wird die sinnhafte Spezialisierung von Schwinn als notwendiges Konstitutionskriterium für jede Sphäre genannt, wobei mit diesem Kriterium nur ein Aspekt der Konstitution von Lebensordnungen erfasst wird (Schwinn 2006a: 40f.). So hat neben der ideellen und kulturellen Dimension jede Teilordnung eine institutionelle und organisationelle Dimension, von der der Prozess der Institutionalisierung der einzelnen Wertsphären abhängt. Entscheidend ist, dass sich dieser Prozess nicht zwangsläufig parallel vollzieht und dass es nicht jedem Sinnkriterium gelingt, „die Stufe der institutionellen und organisatorischen Verfestigung zu erreichen“ (Schwinn 2006a: 41). Trägergruppen mit
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ihren ideellen und materialen Interessen spielen bei diesem Prozess eine elementare Rolle, wie im weiteren Verlauf noch deutlicher wird. Über die Wertsphären wird der Zugang zu bestimmten Sichtweisen der Wirklichkeit geschaffen, wobei nicht festzulegen ist, „welcher Lebens- und Realitätsaspekt durch welche Wertperspektive behandelt werden soll“ (Schwinn 2001: 320). Obgleich eben keine hierarchische Anordnung der Wertsphären möglich ist, bedeutet dies nicht, dass die einzelnen Sphären keinen universellen Deutungs- und Zugriffsanspruch für sich propagieren. Im Gegenteil – sie liegen in einem unauflösbaren Konflikt und konkurrieren um Machtansprüche. Im Kampf um die Ausweitung des eigenen Geltungsanspruches kommt den Trägergruppen der verschiedenen Wertsphären und ihren jeweiligen Strategien eine wichtige Rolle zu. So werden die Werte, die für das Handeln der Akteure orientierungsleitend sind, von den unterschiedlichen Trägergruppen gewichtet, um mithilfe von Institutionalisierungsstrategien die Geltungsgrenzen der jeweiligen Wertsphäre zu verschieben. Laut Schwinn werden damit unweigerlich Ordnungsprobleme hervorgerufen, wobei „Ordnung nicht nur im Sinne der einzelnen Lebensordnungen“ verstanden werden darf, „sondern auch als Abstimmungsbedarf zwischen ihnen“ (Schwinn 2001: 315). Dieser Hinweis auf den Abstimmungsbedarf zwischen den Wertsphären weist bereits darauf hin, unter welchem Leitgedanken sich der Frage der Integrationsmöglichkeiten der Lebensordnungen moderner Gesellschaften genähert werden soll. Entscheidend wird dabei sein, dass bei einer Konstellationsanalyse der Standpunkt festgelegt wird, von welchem aus die zu analysierenden Zusammenhänge betrachtet werden, ohne im Prozess der Analyse die übergeordneten Rahmenbedingungen aus dem Auge zu verlieren. Dementsprechend bedarf es nachfolgend der Darstellung aller entscheidenden Wertsphären, zu denen Ökonomie, Wissenschaft und Politik gehören. Auch wenn Schwinn die Bezeichnung Wertsphäre in Bezug auf das Recht als nur bedingt zulässig erachtet, spielt dieser Bereich im Zusammenspiel mit den anderen Sphären eine wichtige Rolle und soll dementsprechend ebenfalls aufgeführt werden. Denn obwohl Weber keine Hierarchie der Wertsphären untereinander zulässt, sind diese Sphären die für eine Konstellationsanalyse relevanten, da sie über eine gesteigerte Fähigkeit zur Ordnungsbildung verfügen, aufgrund derer sie mit dem durch die jeweils anderen gesetzten strukturellen Kontexte besonders konfrontiert sind (Schwinn 2001: 204). Der Wertsphäre Politik wohnt eine gesteigerte ordnungsbildende Wirksamkeit inne, die sie herrschaftsfähig werden lässt. Ihre Herrschaftsfähigkeit fußt auf dem physischen Zwang, wobei der Gewaltanwendung durch das Legitimationsprinzip Grenzen gesetzt werden. Die entscheidenden Dimensionen für die Ordnungsbildung einer Sphäre bei politischer Macht sind nach Schwinn die
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Erzwingbarkeit, die Monopolisierbarkeit, die Ethisierbarkeit und die Objektivierbarkeit (Schwinn 2001: 184). Anzumerken sei an dieser Stelle, dass es durchaus umstritten ist, ob es sich bei Politik um eine eigene Wertsphäre handelt. Denn selbst wenn sich das Politische zweifellos in einer eigenen Ordnung offenbart, stellt sich die Frage, ob es neben der strukturellen auch eine normative Autonomie hat, ob Politik das Verhalten nicht nur von außen, sondern auch von innen durch Orientierung an einem letzten Wert prägt (Schwinn 1998: 293). Ohne näher auf die drei Typen der politischen Sphären – Machtpolitik, Gesinnungspolitik, Verantwortungspolitik – einzugehen, soll in diesem Zusammenhang lediglich darauf hingewiesen werden, dass es nach Schwinn zu kurz gegriffen wäre, „Politik auf ein bloßes Mittel und auf Struktur zu reduzieren“ (Schwinn 1998: 294). Fragt man nach der Wertsphäre Recht, unterstellt man, dass Recht einen eigenen Wert und eine motivierende Substanz in sich trägt. Dies ist laut Schwinn ebenso wenig der Fall wie bei Brauch und Sitte, bei Konvention, bei Interessenlage oder legitimer Ordnung (Schwinn 2001: 200). Vielmehr handelt es sich bei Recht um einen Koordinations- und Regelungsmechanismus, über den sich bestimmte Regelmäßigkeiten sozialen Handelns unabhängig von ihren Inhalten herstellen lassen. „Es [das Recht] ist kein unmittelbarer sozialer Regelungsmechanismus, sondern die Organisation und Koordination dieser Regeln, eine Meta-Koordination oder sekundäre Vergesellschaftung“ (Schwinn 1998: 312). Dieser „sekundäre Vergesellschaftungsmodus“ macht es notwendig, dass das Recht sowohl innere als auch äußere Garantien benötigt, die vorwiegend von der Legitimität der politischen Ordnung abhängen. Wichtig ist der Hinweis, dass „auch das moderne Recht […] nicht ohne den Bezug auf rechtexterne ethische Quellen aus[kommt]. Menschen- und Freiheitsrechte sind Rechtsgrundsätze, die eine Brückenfunktion zwischen Ethik und Recht erfüllen“ (Schwinn 1998: 313). Während bei Weber keine eindeutige Antwort darauf zu finden ist, ob es sich bei der Ökonomie um eine Wertsphäre handelt, begründet Schwinn den Wertsphärencharakter mit der Unterscheidung zweier Arten des wirtschaftlichen Handelns. Wirtschaftliches Handeln unterscheidet sich insofern von technischem Handeln, als man bei technischem Handeln nach einem für einen bestimmten Zweck geeigneten Mittel sucht, wobei der Zweck selbst außer Frage steht (Schwinn 2001: 186). Bei wirtschaftlichem Handeln hingegen müssen die verschiedenen Zwecke unter Kosten- und Nutzengesichtspunkten verglichen werden. „Die Frage der Dringlichkeit und damit der Verwirklichungsprioritäten zwischen Zwecken kann das ökonomische Allokationsprinzip nicht beantworten. Es gibt lediglich Auskunft auf die Frage, was die Verwirklichung eines Zweckes kostet und in
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welchem Ausmaß dann noch Ressourcen für die Realisierung anderer Zwecke zur Verfügung stehen“ (Schwinn 2001: 186f.).
Dementsprechend handelt es sich beim ökonomischen Prinzip auch nur um ein Auswahlkriterium und nicht um das einzig mögliche. Die Unterscheidung von wirtschaftlichem Handeln in Wirtschaften zur Deckung des Eigenbedarfs und von dem als Erwerbsorientierung zur Gewinnerzielung ist insofern von Bedeutung, als sie zeigt, dass die Wertsphäre Ökonomie durchaus durch divergierende Motivationen für ein bestimmtes Handeln gekennzeichnet ist. Steht das Wirtschaften im Dienste der Bedarfsdeckung, ist es durch zweckrationales Handeln charakterisiert, da der Zweckkatalog klar gekennzeichnet ist. Zielt das wirtschaftliche Handeln hingegen auf Gewinnerzielung ab, so wird das ökonomische Motiv zum Selbstzweck und bekommt einen Eigenwert. Während zweckrationales Handeln zum Zeitpunkt der Zweckerfüllung abgeschlossen werden kann, gilt dies für wertrationales Handeln nicht. Wichtig ist, dass zwar einzelne Handlungen des Rechnens, Bilanzierens, Vergleichens von Kosten und Nutzen zur Gewinnerzielung zweckrational sind, die Gesamtaktivität allerdings eine wertrationale Komponente besitzt (Schwinn 2001: 187f.). Das heißt, dass trotz der strukturellen Dominanz der kapitalistischen Marktordnung und der damit einhergehenden notwendigen Anpassung der Wirtschaftssubjekte an die vorherrschenden Rahmenbedingungen sich Wirtschaften dann nicht als bloßes zweckrationales Handeln verstehen lässt, wenn ein innerer Zwang, „der Wert um seiner selbst willen“, der Antrieb zum Handeln ist. „Wäre dieses aus einer Wertsphäre sich speisende Motiv nicht vorhanden, würde sich die Marktteilnahme auf Bedarfszwecke reduzieren, das heißt Wirtschaften als bloß zweckrationales Handeln“ (Schwinn 1998: 305). Die wirtschaftliche Ordnung gestaltet sich hinsichtlich der beiden verschiedenen Typen wirtschaftlichen Handelns dementsprechend unterschiedlich. Während das bedarfsorientierte Wirtschaften nur begrenzt ordnungsfähiges Potential in sich trägt, differenziert sich eine ökonomische Ordnung gerade durch die Verselbständigung des Gewinnmotivs. Sobald das wirtschaftliche Handeln zum Selbstzweck wird und über einen Eigenwert verfügt, kann ein schrankenloser Tauschprozess auf dem Markt stattfinden (Schwinn 2001: 190f.). Abschließend gilt es, auf die strukturelle Eigendynamik der Wirtschaftssphäre hinzuweisen, die aufgrund der besonderen Eigenschaft des ökonomischen Gutes, nämlich seiner „Kumulations- und Monopolisierungsfähigkeit“ (Schwinn 2001: 195), im Vergleich zu den anderen Wertsphären sehr viel stärker ausgeprägt ist. Während bei den Wertsphären Wissenschaft und Erotik bei jedem neuen Reproduktionszyklus des Handelns mehr die ideellen als die strukturellen Voraussetzungen dominieren, ist „die Geschichte des Marktes […] dagegen die
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Geschichte eines Konzentrations- und Monopolisierungsprozesses wirtschaftlicher Güter und Chancen. Die jeweils neue Realisierung des ökonomischen Gewinnmotivs sieht sich mit wesentlich verhaltensprägenden strukturellen Gegebenheiten konfrontiert“ (Schwinn 1998: 308). Max Webers Metapher des „stahlharten Gehäuses“ des Kapitalismus verweist auf diese strukturellen Zwänge und die damit verbundenen Machtverhältnisse, die sich aus den akkumulierten Wirtschaftsgütern auf dem Markt ergeben. „Genau wie die Wirtschaftssphäre erst dann zu einer Lebensordnung ausdifferenziert, wenn sich das Erwerbsmotiv autonomisiert, Erwerben um des Erwerbens willen getrieben wird, können wir auch erst dann von einer eigenständigen Wissenschaftssphäre sprechen, wenn sich das Wissensmotiv verselbständigt und es sich nach seiner eigenen Logik entwickeln kann“ (Schwinn 1998: 283f.). Insofern die „Autonomisierung des Wissensmotiv“ jedoch ein „äußerst unwahrscheinlicher Vorgang“ (Schwinn 1998: 283) ist, stellt sich die Frage nach der Leistung, auf die sich die Wissenschaftssphäre spezialisiert hat. So liefert die Wertsphäre Wissenschaft sowohl technisches Wissen als auch Wertewissen, wobei Letzteres dem Menschen Hilfestellung dabei bietet, sich selbst über die Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns und über die Konsequenzen der verfolgten Zwecke bewusst zu werden. Aufgrund der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten von Wissen hat die Wissenschaft nur begrenzt ordnungsbildende Kapazitäten. Die aus der Wissenschaft resultierenden Erkenntnisse entfalten erst dann Handlungsrelevanz, wenn sie ökonomisch oder politisch genutzt werden (Schwinn 1998: 286). 4.2.3 Organisationstheoretische Konsequenzen vor dem Hintergrund der Erkenntnisse einer weberianischen Konflikttheorie Ziel des folgenden Kapitels ist es, zu zeigen, dass ein soziologisches Forschungsprogramm, wie es vorab in seinen Kernelementen skizziert wurde, eine vielversprechende Herangehensweise für die Analyse unternehmensethischer Fragestellungen sein kann, auch wenn bzw. gerade weil sie nicht die Begründung von moralischen Postulaten anstrebt. Insofern es ihr um das Bestimmen von sozialen Bedingungen für die Realisierung einer wünschenswerten Moral und um das Aufzeigen von moralischen Folgen von institutionalisierten Rationalitätskriterien in fragmentierten Handlungskontexten geht, kann laut Lepsius von der Soziologie durchaus als von einer Moralwissenschaft gesprochen werden (vgl. Lepsius 2000b). Entscheidend ist, dass der Soziologe keinen Erkenntnisgewinn darin sieht, eine Moralisierung von individuellem Handeln ohne die Analyse von definierten Handlungssituationen vorzunehmen. Denn „moralische Indif-
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ferenz ist nicht nur ein Persönlichkeitsmerkmal, es ist ebenso Ergebnis der sozialen Konstruktion von Handlungskontexten, Verantwortungszurechnung und der Chance, auf Verhaltenszumutungen ohne Risiken für die eigene Existenz reagieren zu können“ (Lepsius 2000b: 21). Der Aufbau des Kapitels orientiert sich an den bereits identifizierten Defiziten der Neuen Organisationsökonomik, wobei gezeigt werden soll, welcher Erkenntnisgewinn durch den Perspektivenwechsel im Sinne einer soziologischen Herangehensweise erzielt werden kann. Dabei handelt es sich – im Unterschied zu der Luhmann’schen Soziologie nicht um eine Gesellschaftslehre, sondern um die „verstehende Betrachtung des sozialen Lebens mit Hilfe eines handlungs-, ordnungs- und organisationstheoretisch begründeten Mehr-Ebenen-Modells“ (Schluchter 2006: 271). 4.2.3.1 Innerorganisationaler und individueller Konflikt im Analysefokus Wie im Kapitel über das Thema Korruption im Kontext der Neuen Organisationsökonomik gezeigt werden konnte, verlagert Wieland die Bearbeitung des Problems auf die Ebene der Organisationsstruktur und distanziert sich somit von jeglichen Ansätzen, die die moralische Dilemmasituation von Individuen in den Vordergrund stellen. Allein der Hinweis, dass die moralische Sensibilisierung der Akteure eine Art Sozialisationsakt sei, gibt eben keine Auskunft darüber, wie Instrumente und Mechanismen auf der individuellen und strukturellen Ebene ineinandergreifen können. Mithilfe eines individualistisch-strukturalistischen Ansatzes wird es hingegen möglich, sowohl auf der Ebene der Organisationsstruktur als auch auf der individuellen Handlungsebene die verschiedenen konfliktbehafteten Situationen zu identifizieren. Es geht darum, zu differenzieren, was als Persönlichkeitsmerkmal bestimmt werden kann und was das Ergebnis der sozialen Konstruktion – wie oben stehend in Anlehnung an Lepsius benannt – von Handlungskontexten und Verantwortungszurechnungen ist. Damit kann dem Handlungskontext einer Wirtschaftsorganisation in seiner Komplexität Rechnung getragen werden und die Mitarbeiter hinsichtlich ihrer jeweiligen Rollen, ihrer Zuständigkeits- und Verantwortungsbereiche und der daraus resultierenden unterschiedlichen Bedürfnisse differenziert werden. Forschungsprogrammen, die in der Überforderung des Einzelnen münden, wie bspw. die tugendethischen Ansätze innerhalb der Wirtschafts- und Unternehmensethik, begegnet Wieland mit einem Ansatz, der zu einer Überschätzung der Steuerungsmechanismen führt. Im Gegensatz dazu wird hier ein Forschungsprogramm verfolgt, das nach den tatsächlichen, individuell auszufüllenden Handlungsspielräumen innerhalb strukturierter Hand-
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lungskontexte fragt und dementsprechend zu keiner der beiden Folgewirkungen führt. Wie im Zuge der Neu-Konzeptionalisierung entwickelt wird, führt die Unterscheidung von unternehmensinternen Trägergruppen und Organisationsmitgliedern – von Experten und Laien – zu einer Matrix, die offenlegt, auf welchen Ebenen welche Konsequenzen gezogen werden müssen, um dem Phänomen der institutionalisierten Korruption innerhalb eines Unternehmens wirkungsvoll zu begegnen. Des Weiteren werden die Ausführungen des zweiten Teils zeigen, dass es gelingt, mithilfe des Konzepts des Wertepluralismus’ das Konfliktpotential, das im Unternehmen aufgrund von unterschiedlich existierenden Rationalitätskriterien besteht, in ein organisationstheoretisches Forschungsprogramm zu integrieren – im Gegensatz zu Wieland. Denn dieser schließt die individuelle Dilemmasituation aus seinen Betrachtungen aus, da er den Widerspruch nicht aufzulösen vermag, einerseits von einem Akteur mit moralischer Identität auszugehen und ihn andererseits als nutzenkalkulierenden Rationalisten zu behandeln. Hingegen lassen sich vor dem Hintergrund der Annahme eines Wertepluralismus selbst in einem stark ausdifferenzierten Geltungskontext, wie es die Wirtschaftsorganisation samt ihrer hochgradig institutionalisierten Leitidee der Rentabilität ist, die verschiedenen Rationalitätskriterien hinsichtlich ihrer Durchsetzungschancen identifizieren und dementsprechend Maßnahmen ergreifen, um eine Stärkung von nicht-ökonomischen Rationalitätskriterien zu erreichen. Ziel ist also nicht die Negierung von Konflikten, sondern der bewusste Umgang mit konfligierenden Interessen und Institutionen innerhalb der Organisation, und zwar in Form einer Unternehmenspolitik als Institutionenpolitik (siehe Kapitel 6.4). Gegenstand einer solchen organisationalen Institutionenpolitik ist es unter anderem, eine Konstellationsanalyse vorzunehmen, um zu einer differenzierten Betrachtung der Ausgangssituation zu gelangen und auf dieser Grundlage aufbauend eine neue handlungsrelevante Institutionenordnung zu entwickeln und zu implementieren. Wie das folgende Kapitel darüber hinaus zeigt, ermöglicht es ein auf Weber zurückzuführendes wertbezogenes Institutionenverständnis, den Blick auf die unterschiedlichen Durchsetzungschancen von Institutionen zu lenken.
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4.2.3.2 Konstellationsanalyse und Institutionalisierungsprozesse auf organisationaler Ebene Obgleich die Konstellationsanalyse bei Weber auf der Ebene der Wertsphären angesiedelt ist, kann auch auf organisationaler Ebene, insofern sie als Ausgangspunkt die Festlegung des Standpunktes beinhaltet, von welchem aus die analysierenden Zusammenhänge betrachtet werden, darauf zurückgegriffen werden. Gemeint ist, dass bei der Frage, wie eine gelungene Koordination der unterschiedlichen Leitideen – denn darin liegt die Herausforderung einer Unternehmenspolitik als Institutionenpolitik – vollzogen werden kann, ohne dabei die übergeordneten Rahmenbedingungen aus dem Auge zu verlieren, eine solche Konstellationsanalyse hilfreich ist. Es geht offensichtlich auch in diesem Zusammenhang um die kontinuierliche Überprüfung von Handlungskontexten und der zugrunde liegenden Wertvorstellungen, wie sie das Weber-Programm laut Lepsius erfordert (vgl. Lepsius 2003). Dies wird ebenfalls in Verbindung mit der Wirksamkeit von Institutionen deutlich, wenn sich bspw. die Frage stellt, wie die Begleitumstände sind und ob hinsichtlich in Konflikt stehender Institutionen die Möglichkeit besteht, andere Institutionen und damit auch andere Wertvorstellungen einzubinden, so dass diese eine Art Vermittlungsfunktion einzunehmen vermögen. Wie dies konkret aussehen kann, ist ebenfalls Gegenstand des zweiten Teils der Arbeit, während an dieser Stelle lediglich auf die Chancen und Möglichkeiten verwiesen werden soll, welche mit einem auf dem Forschungsprogramm von Weber basierenden Institutionenverständnis einhergehen. Institutionen können insofern als Wertverwirklichungsinstanzen bezeichnet werden, als sie – im Sinne des präskriptiven Regelverständnisses – sowohl über einen sinnstiftenden Charakter als auch über einen Regelungsaspekt verfügen. Demnach hängt das Vertrauen in Institutionen immer auch von zwei Faktoren ab. Zum einen ist es auf die Wertvorstellungen gerichtet, die durch die jeweilige Institution vermittelt werden, zum anderen wird einer Institution aufgrund ihres faktischen Funktionierens durch Komplexitätsreduktion Vertrauen zugeschrieben. Komplexitätsreduktion meint hier die Herstellung von Handlungssicherheit und Reduktion von Unsicherheit hinsichtlich des Verhaltens anderer. Im Gegensatz zu dem instrumentellen Regelverständnis von Wieland wird es möglich, das organisationale Institutionengefüge unter dem Aspekt der Durchsetzungsfähigkeit der verschiedenen Institutionen und ihrer jeweiligen Leitideen zu betrachten. Vor dem Hintergrund, dass Institutionen immer durch Akteure, die sich ihnen verpflichtet fühlen, Geltung für sich beanspruchen können, tritt die Frage nach der Legitimationsfähigkeit von Institutionen in den Vordergrund.
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Während Wieland der Prozesshaftigkeit von Institutionen keine weitergehende Aufmerksamkeit zukommen lässt, obgleich er für sich beansprucht, die Implementierung einer moralsensitiven Organisationsstruktur – also einer organisationalen Institutionenordnung – zu erklären, wird das Thema Institutionalisierungsprozesse im Sinne einer Institutionalisierung und De-Institutionalisierung von Rationalitätskriterien ein elementarer Baustein in der Entwicklung des neuen organisationstheoretischen Konzepts sein. Der ständige Kampf um die Ausweitung der eigenen Geltungsgrenzen, der sich in inter- und innerinstitutionellen Konflikten äußert, gibt bereits jetzt Hinweis darauf, dass man sinnvollerweise lediglich von Institutionalisierungsgraden sprechen kann und nicht von einer vollständigen Institutionalisierung. Die Fragen, die man sich nach Lepsius stellen muss, beziehen sich dementsprechend auch auf die Einbindung der verschiedenen Akteure bei dem Prozess der Entwicklung von neuen Institutionen. Zu fragen gilt es bspw., wer welche normativen Erwartungen an die eigenen Partizipationsmöglichkeiten bei einem Institutionalisierungsprozess mitbringt und wie die Reaktion der Akteure mit einem geringen Einfluss hinsichtlich der Neugestaltung der Institutionenordnung sein wird, wenn offensichtlich wird, dass alte Handlungsweisen nicht mehr stimmen. Weiter gilt es zu fragen, welchen Einfluss die Sozialisation und das Alter der Entscheidungsträger für die Entwicklung einer neuen Institutionenordnung hat und wie gewährleistet werden kann, dass durch den Prozess der Institutionalisierung von anderen Leitideen ebenfalls ein Beitrag zur Befriedigung des Einzelinteresses der Akteure geleistet werden kann, da dieser keinen unwesentlichen Einfluss auf die Akzeptanz der neuen Institutionenordnung hat. Nicht zuletzt anhand dieser Fragen, die von Wieland nicht gestellt werden und dementsprechend auch nicht beantwortet werden können, wird deutlich, welchen Erkenntnisgewinn ein weberianisch ausgerichtetes Forschungsprogramm bei der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Rationalitätskriterien eines Unternehmens zu versprechen scheint. Deutlich wird dies auch, wenn es um die Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Institutionenordnungen geht. Während sich die Erfolgskriterien einer wirksamen Governancestruktur in der Neuen Organisationsökonomik an der ökonomischen Effizienz orientieren, geht es bei dem hier verfolgten Ansatz nicht um die Herausstellung von Erfolgs- und Effizienzargumenten, mit denen laut Lepsius die eigentliche Problematik der Institutionenpolitik ignoriert werden würden. Denn das Ziel der Institutionenpolitik „ist nicht die Erhöhung der funktionalen Effizienz einer Leitidee und ihrer Rationalitätskriterien, sondern die Beachtung der Interdependenz verschiedener Leitideen und die Vermittlung ihrer Konflikte“ (Lepsius 1995a: 402). Dass dies auch in dem Kontext einer multinationalen Unternehmung, in welchem die Dominanz ökonomischer Leitideen unbestrit-
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ten ist, von unmittelbarer Relevanz ist, wird das Programm einer organisationalen Institutionenanalyse zeigen. 4.2.3.3 Über die Steuerbarkeit von Ordnungskonstellationen und die Chancen der Integration Den Ausgangspunkt der Neuen Organisationsökonomik als unternehmensethisches Forschungsprogramm bildet die Suche nach Integrationsmöglichkeiten der Funktionsbereiche Ökonomie und Moral. Der Wunsch nach Integration erschließt sich aus der Vermutung, dass der Bedarf vorhanden sei, Lebensbereiche, die bereits über Interdependenzen verfügen, stärker aufeinander zu beziehen. Es wurde weiter gezeigt, dass die Gefahr eines auf diesen gesellschafts- und wirtschaftstheoretischen Annahmen basierenden Theorieansatzes darin besteht, die Konflikte zwischen den Wertsphären zu verharmlosen, um ein Forschungsprogramm zu entwickeln, das sich einer der Sphären – im Fall der NOÖ der ökonomischen Sphäre – zuordnen lässt. Ziel der folgenden Ausführungen ist es, die Konsequenzen aufzuzeigen, welche aus diesen reduktionistischen Annahmen resultieren. Dabei wird zum einen der Fokus auf die weitergehenden Forschungsaktivitäten gelenkt, und zwar darauf, welche Fehlschlüsse bei der Anwendung eines solchen Theorieansatzes zu vermuten sind. Hier soll gezeigt werden, dass die konflikttheoretischen Erkenntnisse einer verstehenden Soziologie verhindern können, dass es zu ähnlichen Fehlschlüssen wie bei der NOÖ kommt. Zum anderen gilt es, die gesellschaftstheoretischen Überlegungen auf organisationstheoretischer Ebene zu konkretisieren und aufzuzeigen, inwiefern einem weberianischen Forschungsprogramm hinsichtlich der Frage nach dem Umgang von Organisationen mit außerökonomischen Wertbezügen ein hohes Erklärungspotential zugeschrieben werden kann. Ein Grund ist sicherlich, dass es den theoretischen Zugang zur Analyse von Institutionalisierungsprozessen und damit der Institutionalisierung nichtökonomischer Leitideen im organisationalen Kontext ermöglicht. Die Betonung bei Wieland liegt auf der Gleichwertigkeit der Systembereiche, um damit zu unterstreichen, dass es – trotz ökonomischen Ansatzes – nicht um die vollständige Auflösung moralischer Elemente innerhalb eines wirtschaftlichen Theoriekonzepts geht. Dieses Herausstellen der Gleichwertigkeit, das sich durchaus mit den Weber’schen Annahmen hinsichtlich der Gleichberechtigung der Wertsphären vereinbaren lässt, führt bei Wieland allerdings dazu, dass er die Asymmetrie zwischen den Lebensbereichen vernachlässigt. Das unterschiedliche Ordnungspotential und die damit zusammenhängenden verschiedenen Entwicklungsmöglichkei-
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ten der Bereiche, einhergehend mit dem ungleichen Kampf um die Ausweitung der Geltungsgrenzen, findet in der Neuen Organisationsökonomik keine angemessene Beachtung. Insofern mit Weber davon ausgegangen wird, dass Wertsphären von sich aus nicht zur Differenzierung, das heißt zur Selbstbescheidung gegenüber den anderen Sphären und schon gar nicht zu einem arbeitsteiligen Kooperationszusammenhang tendieren (vgl. Schwinn 2001: 319), ist jeder Versuch, Wirtschaftsorganisationen ein frei von ökonomischen, nach Nützlichkeitskriterien ausgerichtetem Handeln zu unterstellen, zum Scheitern verurteilt. Dieser These stimmt auch Wieland zu, indem er die ökonomische Effizienz als Messlatte für die Relevanz moralischer Dimensionen einer ökonomischen Transaktion anlegt. Gleichzeitig geht er davon aus, dass sich die Investition in moralische Güter in einer längerfristig ausgelegten Reputationssteigerung zeigen kann, aber nicht zwangsläufig muss. Damit wird die Wirksamkeit moralischer Faktoren davon abhängig, wie diese in ökonomische Größen übersetzt werden können. Im Gegensatz dazu liegt der Betonung der Asymmetrie und der Unvereinbarkeit der Wertsphären die Chance zugrunde, eine Einschätzung darüber zu bekommen, wie die tatsächlichen Einflussbereiche und Eigendynamiken der Wertsphären sind. Vor diesem Hintergrund, nämlich eines Dominanzverhältnisses zugunsten der Ökonomie, lässt sich schlussfolgern, welche Bereiche mithilfe welcher Strategien und Instrumente gestärkt werden müssen. Der Rückgriff auf konflikttheoretische Erkenntnisse verhindert dementsprechend, dass das Forschungsprogramm für die Interessen der Trägergruppe einer Sphäre instrumentalisiert werden kann. Denn es wird offengelegt, von welchem Standpunkt aus eine Konstellationsanalyse vorgenommen wird, so dass es zu keiner irreführenden Fehlinterpretation bei der Anwendung eines auf solchen Annahmen basierenden Forschungsprogramms kommt. Wie der zweite Teil der Arbeit zeigen wird, ist die Annahme, dass Wertsphären immanent keine Schranken haben, sondern vielmehr universelle Deutungs- und Zugriffsansprüche erheben (vgl. Schwinn 2001: 320), gerade auch auf organisationaler Ebene von enormer Bedeutung. Erst vor diesem Hintergrund wird deutlich, um welch komplexes Unterfangen es sich bei der Institutionalisierung anderer, nicht-ökonomischer Leitideen im Handlungskontext einer Wirtschaftsorganisation handelt. Denn obgleich – ähnlich wie bei Wieland – von einer Dominanz der Leitidee der Rentabilität ausgegangen wird, schafft es das Forschungskonzept dieser Arbeit – im Gegensatz zur Neuen Organisationsökonomik –, die Herausforderung für die Unternehmung, die ja gerade darin besteht, dass das, was sich für die gesamte Organisation aus ökonomischen Gründen rechnet, im Einzelfall nicht zwangsläufig ökonomisch optimal und für den ein-
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zelnen Akteur nicht unbedingt erkennbar sein muss, in den Analysefokus zu nehmen. Sichtbar wird, dass die hinter einer Führungsentscheidung bspw. für ein Wertemanagementsystem liegende Erklärung, nämlich aus ökonomischen Gründen Korruption bekämpfen zu wollen, nicht ausreichend dafür ist, auf allen Ebenen die Leitidee der Integrität handlungsrelevant werden zu lassen. Genau diesen Fehlschluss begeht Wieland, indem er die Relevanz der Asymmetrien zwischen den Wertsphären in seinem Forschungsprogramm verkennt. Da Wieland auf allen Ebenen der Organisation mit der Leitidee der Ökonomie argumentiert, kann keine wirkungsvolle Institutionalisierung von Gegenprinzipien (siehe Kapitel 6.3.2.3) erfolgen, vielmehr besteht die Gefahr, die er selbst gerade tugendethischen Ansätzen zur Last legt, dass es zur Überforderung des einzelnen Akteurs kommt. Grund dafür ist, dass die NOÖ nicht in der Lage ist, zwischen den verschiedenen Legitimitätsbegründungen für die Institutionen bei den unterschiedlichen Akteuren hinsichtlich ihrer Rollen und Positionen zu differenzieren. Eine Unternehmensführung als Institutionenpolitik, wie sie im Folgenden entwickelt werden soll, hat im Gegensatz dazu das Ziel, widersprüchliche Rationalitätskriterien erfolgreich zu koordinieren, wobei dies nur mit der Institutionalisierung von Konflikten zusammengehen kann. Festhalten lässt sich an dieser Stelle, dass das Forschungsprogramm der vorliegenden Arbeit im Gegensatz zu Wieland nicht von einem Integrationsbedarf, sondern von einem Abstimmungsbedarf zwischen den Ordnungsbereichen ausgeht. Entscheidend dabei ist, dass es somit lediglich um Kompromisslösungen und nicht um die Erzielung eines Wertekonsenses gehen und die Abstimmung lediglich zeitlich und thematisch beschränkt sein kann. Inwiefern Wertediskussionen vor diesem Hintergrund ein geeignetes Instrument sein können und welche Schwierigkeiten sowohl auf organisationaler als auch auf gesellschaftlicher Ebene mit solchen Diskursverfahren zusammenhängen, wird ebenfalls Gegenstand des zweiten Teils der Arbeit. Entscheidend ist dabei letztlich, ob Wertediskussionen einen geeigneten rationalen Rahmen bilden können, in welchem die jeweiligen Trägergruppen über die Geltungsvorstellungen ihrer zugehörigen Wertsphären verhandeln können. Sicher ist, dass eine grundlegende Akzeptanz bei den Beteiligten, dass keine der Sphären den alleinigen Geltungsanspruch erheben darf, für den Erfolg solcher Abstimmungsprozesse von erheblicher Bedeutung ist. Der Konsens darüber ist allerdings nicht gleichzusetzen mit der Wieland’schen Aussage über die Gleichwertigkeit von Lebensbereichen und einem darüber hinausgehenden Wertekonsens bezüglich spezifischer Fragestellungen.
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Teil I: Theoriekritik Resümee und Ausblick
Die Neue Organisationsökonomik zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie den Einfluss von moralischen Faktoren zu einer relevanten ökonomischen Größe zu machen versucht, was es gerade Wirtschaftsorganisationen ermöglicht, aus wirtschaftlichen Gründen Werte wie Integrität und Vertrauen in die Kostenkalkulation zu integrieren. Die Frage, welche Wirkungsmechanismen zwischen der Handlungs- und der Strukturebene berücksichtigt werden müssen, damit die Ausgestaltung der Governancestruktur in einer Weise erfolgen kann, die es den moralischen Gütern auf personeller und auf organisationeller Ebene möglich macht, handlungsrelevant zu werden, lässt die NOÖ unbeantwortet. Obgleich Wieland der Steuerungsfähigkeit von Handlungen auf der einen Seite also ein starkes Gewicht in seinen Ausführungen zukommen lässt, bleiben nicht-intendierte Wirkungen, trotz ihres kaum zu bestreitenden Einflusses innerhalb von Strukturdynamiken, außerhalb seines Analysefokus’. Im Zuge der kritischen Auseinandersetzung mit der NOÖ sollte deutlich geworden sein, dass es eines akteurszentrierten institutionentheoretischen Ansatzes bedarf, der es vermag, die Wechselwirkungen zwischen den folgenden Ebenen zu analysieren. Und zwar „zwischen dem nicht auf Institutionengestaltung ausgerichteten handelnden Zusammenwirken derer, die sich nur im jeweils gegebenen institutionellen Rahmen bewegen, diesen dabei gleichwohl unter Umständen weitreichend transformieren können, auf der einen Seite und den Bemühungen um Institutionengestaltung auf der anderen Seite“ (Schimank 2003: 259). Mit der Institutionentheorie von Lepsius ist ein Ansatz identifiziert worden, der verspricht, dass damit auch auf organisationaler Ebene die Steuerungsmöglichkeiten der Unternehmensführung vor dem Hintergrund der besagten Wechselwirkungen differenziert beleuchtet werden können. Den Herausforderungen, die mit einem solchen Transfer einer auf der Makroebene situierten Institutionentheorie auf die Mesoebene einhergehen, gilt es bei einem solchen Vorgehen offensiv zu begegnen, was für die nachstehende Neu-Konzeptionalisierung bedeutet, dass auf mögliche Schwachstellen hingewiesen wird, ohne damit das gesamte Vorgehen des Transfers infrage zu stellen. Abschließend wird mit den drei „Aggregationsproblemen“, die Schwinn für das Zusammenwirken der Sphären feststellt, ein Ausblick auf den zweiten Teil der Arbeit vorgenommen, da die damit einhergehenden Fragen sowohl auf gesellschaftlicher Ebene als auch im organisationalen Kontext in jeweils angepasster Weise gestellt werden sollen. Schwinn identifiziert folgende Aggregationsprobleme:
Die Neue Organisationsökonomik
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„Wertvermittlung: Wie ist angesichts des Polytheismus der Werte eine Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Geltungsansprüchen möglich? Institutionelle Koordination: Wie werden die einzelnen Leitideen in einem Ensemble mehrerer Institutionen konkretisiert und welche Spannungen und Dynamiken entstehen aus dieser Konstellation? Soziale Integration: Was sind die Erwartungen der Laien an die Institutionen und wie werden die Institutionen durch deren Bedürfnisse mitbestimmt?“ (Schwinn 2006a: 57f.)
Dass auf organisationaler Ebene mit diesen Aggregationsproblemen nicht nur gearbeitet werden kann, sondern dass damit eine neue Sichtweise auf den organisationalen Handlungskontext möglich wird, gilt es unter anderem in Teil II der Arbeit zu zeigen.
Teil II: Neu-Konzeptionalisierung
Ziel des zweiten Teils der Arbeit ist es, einen organisationstheoretischen Ansatz zu konzeptionalisieren, der Antwort auf die Frage gibt, wie in einem ökonomischen Handlungskontext bestimmte, nicht-ökonomische Rationalitätskriterien zur Geltung gelangen können. Vor diesem Hintergrund, so die Annahme, kann Korruption als organisationales Phänomen, als institutionalisiertes korruptives Handeln in Organisationen, der Analyse zugänglich gemacht werden. In der Bezeichnung Institutionalisierung einer Leitidee der Integrität wird bereits deutlich, auf welchen theoretischen Eckpfeilern die Neu-Konzeptionalisierung ruht. Das Programm von Max Weber bildet, wie bereits ersichtlich wurde, den theoretischen Rahmen, in welchem das gesamte Vorhaben eingebettet ist, und das dementsprechend nicht den Anspruch verfolgt, einen direkten Beitrag zur Weberforschung zu leisten. Vielmehr werden einzelne Aspekte des Programms auf den Fall der strukturell verankerten Korruption in Organisationen angewendet. Den entscheidenden theoretischen Baustein für die Neu-Konzeptionalisierung bildet jedoch die Institutionentheorie von M. Rainer Lepsius, die durchaus als „weberianisch“ im Sinne einer an Weber anschließenden Soziologie bezeichnet werden kann. In dem Transfer dieser institutionentheoretischen Erkenntnisse, die auf der Makroebene konstituiert sind, auf den organisationsspezifischen Kontext liegt die Hauptherausforderung und gleichzeitig die große Chance dieser Neu-Konzeptionalisierung. Mit dem Programm einer Institutionenanalyse sollen dementsprechend eingangs die Grundprämissen der Institutionentheorie von Lepsius skizziert werden. Sie bilden die theoretische Grundlage für alle weiteren Ausführungen. Im Anschluss daran wird der Transfer auf die Organisationsebene unternommen und ein Programm der organisationalen Institutionenanalyse entwickelt. Vor dem Hintergrund der aus dem Transfer gewonnenen Erkenntnisse wird anschließend der Blick auf die Korruptionsthematik gelenkt, um anhand dieses Beispiels die theoretischen Überlegungen zu konkretisieren und zu exemplifizieren.
5 Das Programm einer Institutionenanalyse
Teil II: Neu-Konzeptionalisierung 5.1 Das Institutionenverständnis der Arbeit Insofern für die Neu-Konzeptionalisierung einer organisationstheoretischen Fragestellung ein Zugang über Institutionen und Institutionalisierungsprozesse gewählt wird, bildet das Institutionenverständnis der Arbeit eine wichtige Rolle für die weiteren Überlegungen. Auch hierfür wird Bezug auf das Forschungsprogramm einer verstehenden und erklärenden Soziologie genommen, die die Relevanz von Institutionen insofern anerkennt, als eine „endgültige Erklärung sozialen Handelns […] neben Annahmen über Gründe, Motive, Zwecke, Restriktionen oder Opportunitäten auch Annahmen über Institutionen zwingend voraus[setzt]“ (Stachura 2009: 8). Entscheidend ist jedoch, dass dafür ein präskriptives Regelverständnis notwendig ist, das laut Mateusz Stachura einen Wertbezug ermöglicht und gleichzeitig den regulativen Charakter in sich trägt. Um die besonderen Merkmale von präskriptiven Regeln herauszustellen, bedarf es einer Abgrenzung zu den instrumentellen und konstitutiven Regeln, wie dies bereits in der kritischen Reflexion mit Fokus auf die instrumentellen Regeln in Ansätzen durchgeführt wurde. Vor dem Hintergrund dieser Differenzierung gilt es im Anschluss daran, eine Definition von Institutionen im Sinne Lepsius festzulegen, die für den gesamten Teil II, also gerade auch für den Transfer auf die Organisationsebene, maßgeblich ist. Die Notwendigkeit, die Mehr-Ebenen-Analyse einzubeziehen, wird hier wie auch an anderer Stelle betont. Da in der gesamten Arbeit zwischen den verschiedenen Ebenen gewechselt und dabei gleichzeitig mit Begrifflichkeiten weitergearbeitet wird, die in einem anderen Kontext bereits verwendet wurden, ist es unbedingt notwendig, fortwährend den jeweiligen Analyserahmen vor Augen zu haben. So gilt es bspw. bei den Institutionen zu differenzieren, ob sie auf der Makroebene, also in Form einer äußeren Institutionenordnung, betrachtet werden oder ob die innere Institutionenordnung, die interne Organisationsstruktur, gemeint ist. Die grobe Unterteilung in instrumentelle, präskriptive und konstitutive Regeln (vgl. Stachura 2009: 10f.) gibt einen Hinweis auf die Unterschiedlichkeit dessen, was gemeinhin unter Institution im Sinne der Forderung eines Gesollten gefasst wird. Während bei den instrumentellen Regeln der Zweck – sowohl der subjektive Zweck als auch die Zweck-Mittel-Relation – im Vordergrund steht,
Das Programm einer Institutionenanalyse
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rücken konstitutive Regeln den Fokus auf den Ermöglichungsaspekt. In Abgrenzung zu den instrumentellen Regeln kommen präskriptive Regeln nicht aufgrund eines subjektiven Zwecks zur Geltung. Vielmehr ist es die objektive Bedingung, die über die Anwendung einer präskriptiven Regel entscheidet. Die Definition der Situation, in welcher eine Regel zur Geltung kommt, hängt dementsprechend nicht von der subjektiven Wahrnehmung des Einzelnen ab und läuft somit nicht Gefahr, in Abhängigkeit zu den persönlichen Präferenzen der Akteure zu treten. Während die Neue Organisationsökonomik aufgrund des instrumentellen Verständnisses von Institutionen gerade auf die Aktivierung von individuellen Anreizmechanismen zur Einhaltung von Regeln setzt, sieht der weberianische Ansatz in der Verwechslung von situativem mit subjektiven Anlass einen weitreichenden Fehlschluss. Die Besonderheit des Verständnisses von präskriptiven Regeln besteht weiter darin, dass sie neben dem regulativen Anspruch zugleich einen konstitutiven Bezug haben. Stachura veranschaulicht diesen Aspekt am Beispiel abweichenden Verhaltens, das mit Blick auf die Korruptionsthematik besonders Bedeutung gewinnt. „Präskriptive Regeln sind eben präskriptiv, weil die Abweichung von dieser Regel auch nützlich sein kann. […]. Im Unterschied dazu ist die Abweichung von einer konstitutiven Regel an sich sinnlos, da diese den gegebenen Handlungssinn erst konstituiert“ (Stachura 2009: 12). Der weberianische Ansatz steht für die Sinnhaftigkeit von Regeln und gleichzeitig auch für die regulative Funktion von Institutionen. Diesen Spagat kann er mithilfe der Einführung des Aspekts der Wertverwirklichung im Handeln leisten. Das sinnstiftende, konstitutive Element von Institutionen ist – im Gegensatz zur Annahme der NeoInstitutionalisten – jedoch kein konventionell festgelegter, sondern bezieht sich vielmehr auf übergeordnete Werte. Stachura fasst dies in den Begriff der Wertverwirklichungsinstanzen als Bezeichnung für Institutionen. Wie im Verlauf der Arbeit weitergehend ausgeführt wird, nimmt M. Rainer Lepsius ebenfalls mit Bezug auf Weber diesen Aspekt in sein Programm der Institutionenanalyse auf. So sind es „die Institutionen, über die Wertvorstellungen handlungsrelevant werden“ (Lepsius 1995b: 328). Genau in diesem Wertbezug von Institutionen liegt der fundamentale Unterschied zu Wielands instrumentellem Institutionenverständnis, ohne den jedoch – so die Grundannahme der Arbeit – keine umfassende Institutionenanalyse möglich ist. Der Wertbezug bei präskriptiven Regeln spielt auch hinsichtlich der Geltungsgrundlage von Institutionen eine bedeutende Rolle. Während in der Neuen Organisationsökonomik mit Rückbindung an die Neue Institutionenökonomik Institutionen dann gelten, wenn sie effizient und nützlich sind, unabhängig davon, ob es sich dabei um den Nutzen des Einzelnen oder der Transaktionspartner handelt, haben Institutionen im Sinne präskriptiver Regeln eine eigenständige
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Teil II: Neu-Konzeptionalisierung
Geltungsgrundlage, die „nicht von Erkenntnis- oder Nützlichkeitswerten abgeleitet werden muss“ (Stachura 2009: 17). Auch die Frage, aus welchen Motiven Akteure sich institutionenkonform verhalten, beantwortet der weberianische Ansatz mit Verweis auf die Wertbezogenheit von Institutionen: „Es ist die Geltungsvorstellung selbst, die Akteure zum institutionellen Handeln motivieren kann“ (Stachura 2009: 20). Die Fähigkeit wertbezogener Handlungsregeln, Akteure zu motivieren, ohne dabei auf externe Motivationen angewiesen zu sein, weist auf den Autonomiegrad einer Institution hin, der wiederum hinsichtlich der Frage der Durchsetzungsfähigkeit von institutionalisierten Leitideen eine entscheidende Rolle spielt (siehe Kapitel 7.3.2). Für den Moment gilt es festzuhalten, dass vor dem Hintergrund dieser Geltungsvorstellung die unmittelbare Steuerungsfähigkeit von Handlungen mithilfe von Institutionen weitaus kritischer eingeschätzt wird, als dies aufgrund des Institutionenverständnisses von Wieland der Fall ist. Diese Skepsis bleibt erhalten, auch wenn Lepsius den Sanktionen durchaus einen entscheidenden Einfluss bzgl. der Handlungsrelevanz von Institutionen zuschreibt. So lässt sich die Notwendigkeit von Sanktionen bei präskriptiven Regeln darin begründen, dass hier eine „Regelverletzung nicht zwingend selbstschädigend oder sinnlos“ sein muss. „Dies hängt damit zusammen, dass die Werturteile, die durch regulative Regelanwendung generiert werden, akteursrelativ sein können“ (Stachura 2009: 21). Bei dem Versuch, sich einem umfassenden und vielschichtigen Institutionenverständnis anzunähern, gilt es an dieser Stelle, den Aspekt des bereits mehrfach angeführten Wertbezugs von Institutionen nochmals zu unterstreichen und die Ergebnisse der Ausführungen in folgender Definition zusammenzuführen: „Idealtypisch sollen als ,Institutionen‘ solche ,Sozialregulationen‘ bezeichnet werden, in denen Prinzipien und Geltungsansprüche einer Ordnung symbolisch zum Ausdruck gebracht werden. […] Institutionen sind somit Vermittlungsinstanzen kultureller Sinnproduktion, durch welche Wertungs- und Normierungsstilisierungen verbindlich gemacht werden“ (Rehberg 1994: 56).
In seiner Institutionentheorie geht M. Rainer Lepsius der Frage nach, wie Wertvorstellungen über Institutionen handlungsrelevant werden. Auf Grundlage des entwickelten Institutionenverständnisses, das Institutionen offensichtlich im Gegensatz zur Neuen Organisationsökonomik ein hohes Maß an Komplexität zuschreibt, wird eben dieser Frage im Folgenden nachgegangen. Dabei wird der Komplexität insofern Rechnung getragen, als die Institutionenordnung, also das Zusammenspiel von Institutionen, Prozessen der Institutionalisierung und Deinstitutionalisierung von Leitideen sowie der Institutionalisierungsgrad von Ratio-
Das Programm einer Institutionenanalyse
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nalitätskriterien und die Wirkungskraft von Institutionen, in Augenschein genommen werden. 5.2 Institutionenanalyse Da das Bedeutungsfeld von Institutionen, das von Verhaltensregelmäßigkeiten, Ordnungsformen, Verfahrensweisen über Sinnzusammenhänge bis zu gedachten Ordnungen reicht, nur bedingt einzugrenzen ist, sollte der Zugang zu einer Institutionenanalyse nach Lepsius allein über eine konkrete Problemstellung erfolgen. Die Problemstellung dieser Arbeit wird demnach wie folgt umschrieben: Organisationstheoretische Ansätze – nicht dagegen Ansätze der Neuen Institutionenökonomik, des Neo-Institutionalismus oder der Neuen Organisationsökonomik – vermögen es, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie das Phänomen der institutionalisierten Korruption im organisationalen Kontext zugänglich gemacht werden kann. Der Grund dafür ist, so die Annahme der Arbeit, dass keiner der anderen Ansätze über ein wertbezogenes Institutionenverständnis verfügt und damit keine Möglichkeit besteht, Institutionalisierungsprozesse von Leitideen über den Weg der Rationalitätskriterien in den Analysefokus zu stellen. Gerade diese Institutionalisierungsprozesse sind jedoch Gegenstand einer Institutionenanalyse, deren Ziel es ist, Antwort auf die Frage zu erhalten, welche Wertvorstellungen mithilfe welcher Rationalitätskriterien für eine Vielzahl von Akteuren handlungsrelevant werden. Ihre Durchführung auf organisationaler Ebene wird als entscheidend für die Bearbeitung der Fragestellung erachtet. Bevor nachgezeichnet wird, wie die Institutionenbildung mithilfe des Eigenschaftsraums von Institutionen verläuft und wie aufeinander bezogenen Prozesse, die für die Entwicklung der Handlungsrelevanz einer Leitidee entscheidend sind, von Lepsius definiert werden, dient das folgende Kapitel dazu, die dafür notwendige Verständnisgrundlage zu schaffen. 5.2.1 Akteurs- und Rationalitätsverständnis Im Gegensatz zu den Neo-Institutionalisten liegt bei Lepsius der Ausgangspunkt seiner Institutionentheorie beim Akteur, weshalb er die die Existenz von irgendwelchen Institutionen nicht einfach vorausgesetzt. Vielmehr handeln bei ihm Institutionen immer nur durch Akteure, die sich den jeweiligen Leitideen der Institutionen verpflichtet fühlen. Entscheidend ist, dass bei Lepsius das Subjekt nicht lediglich ein (Neben-)Produkt von Institutionskonstellationen ist. Auch für
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vorliegenden Ansatz gilt aus diesem Grund die „Unhintergehbarkeit des Subjekts“ (Schwinn 1993: 24), die in einer durchdachten Subjektkonzeption die Voraussetzung für eine adäquate Handlungs- und Ordnungskonzeption sieht. Offensichtlich bezieht sich Lepsius auf das Akteursverständnis von Weber, der das Subjekt als den einzigen Träger sinnhaften Sichverhaltens konzipiert. Dementsprechend konzentriert sich das Interesse Webers auf den subjektiv gemeinten Sinn (Weber 1980: 2). „,Handeln‘ soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. ,Soziales‘ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ (Weber 1980: 1)
Dabei darf nicht der Fehlschluss gezogen werden, dass für ein Verständnis des anderen allein die Kenntnis des typisierten Sinns ausreichend ist. Vielmehr ist dieser in den vom Akteur verwendeten Kontext einzuordnen (vgl. Schwinn 1993: 29). Das historische Eingebettetsein des Subjekts, das den Weber’schen Ausführungen zugrunde liegt, wird auch von Lepsius vorausgesetzt. Benennt er doch als Kern der Institutionenbildung neben dem Faktor Rationalitätskriterien den der Geltungskontexte und legt damit den Fokus auf die Handlungssituation, in der sich der einzelne Akteur befindet. Die Akzentuierung des Akteurs findet sich bei Lepsius vor allem auch in seinen späteren Werken, insbesondere in seinem Aufsatz „Eigenart und Potenzial des Weber-Paradigmas“ aus dem Jahre 2003, in welchem er bewusst aus einer institutionentheoretischen Perspektive den Blick auf die Akteursebene lenkt. Neben dem Akteursverständnis ist es notwendig, einen weiteren für die Institutionenbildung elementaren Aspekt greifbar zu machen: die Rationalitätskriterien. Die Schwierigkeit liegt darin, dass es sich bei den Rationalitätskriterien um ein theoretisches Konstrukt handelt, worunter zunächst einmal alles, was als rational wahrgenommen wird, gefasst wird. Für ein besseres Verständnis dienen die folgenden Beschreibungen der Funktionen und Aufgaben der Rationalitätskriterien. Denn diese lassen sich nur in Verbindung mit den Leitideen betrachten, in deren Dienste Rationalitätskriterien insofern stehen, als sie zur Verwirklichung von Leitideen beitragen (Lepsius 1997: 59). Im Prozess der Institutionalisierung von Rationalitätskriterien werden Leitideen konkretisiert und handlungsrelevant. Wichtig ist dabei, dass kaum der gesamte Inhalt einer Leitidee durch die ausgebildeten Rationalitätskriterien abgedeckt werden kann und somit wiederum die Situation, in der bestimmte Leitideen handlungsrelevant werden, begrenzt ist. Erneut tritt der Geltungskontext in den Fokus, als die Wirksamkeit der
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Rationalitätskriterien an die Strukturierung einer Handlungssituation gebunden ist. Auch an dieser Stelle ist es wichtig, ein weberianisches Verständnis von Rationalität und Rationalisierung mithilfe der Weber-Interpretation von Schluchter zu streifen, um den Hintergrund transparent zu machen, vor dem Lepsius seine Gedanken zur Ausbildung von Rationalitätskriterien entwickelt. Weber betont die methodische Gleichrangigkeit der rationalen Begriffe und Regeln zum einen auf der Seite des Beobachters – seien sie nun wert- oder zweckrationaler Natur – und zum anderen den subjektiven Charakter der Gründe auf der Seite des Teilnehmers – seien sie nun wert- oder zweckrationaler Natur (Schluchter 2003: 59). Diese Deutung widerspricht Weber-Kritikern wie Habermas und Luhmann, die aus verschiedenen Gründen eine Vorherrschaft des Rationalen im Leben im Sinne einer Zweckrationalität hinter Webers Ausführungen vermuten. Wie in Kapitel 4.2.2.2 bereits ausgeführt, spricht sich Schluchter in Bezug auf diese Kritik für eine „Nichtreduzierbarkeit wertrationaler auf zweckrationale Orientierungsstandards“ aus, womit die Differenz zwischen regelgeleitetem Handeln nach Zweck-Maximen und einem solchen nach Norm-Maximen an elementarer Bedeutung gewinnt (vgl. Schluchter 2003: 63). Zweck und Wert würden zwei Handlungsorientierungen bezeichnen, die in verschiedenen Handlungsmaximen gründen: technische Regeln und normative Regeln. Während die Erfolgsorientierung sich mit technischen Regeln verbinden lässt, gehören die normativen Regeln zur Eigenwertorientierung. Wertrationalität ist damit ebenso wenig ein defizienter Modus von Zweckrationalität wie umgekehrt. Vielmehr sind beide Orientierungen rationalisierungsfähig und keine der beiden auf die andere reduzierbar. Schluchter fordert in diesem Zusammenhang einen umfassenden Rationalitätsbegriff, der „Erfolgs- und Eigenwertorientierung als rationalisierungsfähige Handlungsorientierungen nicht reduktionistisch behandelt […]“ (Schluchter 2003: 66). Entscheidend ist, dass der Wertbezug von Institutionen also nicht im Widerspruch zur Annahme steht, dass die Institutionalisierung von Leitideen über Rationalitätskriterien erfolgen muss. Denn im Gegensatz zu den meisten Vertretern ökonomischer Ansätze lassen sich im weberianischen Ansatz nicht nur teleologische Relationen zwischen Mitteln und Zielen des Handelns rationalisieren. Vielmehr stellen wertrationale Handlungsorientierungen eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung sozialer Ordnungen dar (vgl. Schwinn 2001; Stachura 2009).
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5.2.2 Eigenschaftsraum von Institutionen Im Folgenden geht es um den Verlauf der Institutionenbildung, die Lepsius mithilfe des sogenannten Eigenschaftsraums von Institutionen beschreibt. Dieser fasst verschiedene aufeinander bezogene Prozesse, die ausschlaggebend dafür sind, ob eine Leitidee handlungsrelevant wird. Der Eigenschaftsraum beinhaltet fünf Prozesse, wobei die beiden aufeinander bezogenen Prozesse der Ausbildung von Rationalitätskriterien und der Ausdifferenzierung von Geltungskontexten den Kern der Institutionenbildung bilden (Lepsius 1997: 62). Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass im organisationalen Kontext die nachstehenden Prozesse nicht zuletzt bei der Entwicklung von Leitfragen für eine organisationale Konstellationsanalyse die konzeptionelle Basis darstellen. 5.2.2.1 Ausbildung von Rationalitätskriterien Ausgehend von der Überlegung, dass sich das individuelle Handeln nicht unmittelbar an Wertvorstellungen und Leitideen orientieren kann, bedarf es nach Lepsius deren Konkretisierung in Form von Rationalitätskriterien. Ziel des Prozesses besagter Ausbildung von Rationalitätskriterien ist demnach die Herausbildung einer praktizierbaren Verhaltensorientierung, die auf einer Leitidee basiert. Es geht also darum, Verhaltensnormen zu institutionalisieren, die – und das ist entscheidend – durch ihre Befolgung dem jeweiligen Handelnden das Gefühl vermitteln, rational zu handeln. Rational zu handeln darf hierbei nicht auf den im Alltagsverständnis dominierenden Aspekt der Zweckrationalität beschränkt werden. Mit Verweis auf die bereits oben angestellten Ausführungen zum Rationalitätsverständnis gilt es, im Sinne von Schluchter einen umfassenderen Rationalitätsbegriff anzusetzen. Das Orientierungsmodell, das dem Individuum Kriterien zur Verfügung stellt, um in einer Situation beurteilen zu können, welches Handeln bspw. „edel“ und „gut“ ist, verselbständigt sich insofern, als die persönliche Motivation oder Interessenlage des Einzelnen in den Hintergrund tritt. „Im Prozeß der Institutionalisierung einer Wertvorstellung werden aus Ideen Handlungsmaximen mit Anspruch auf Gültigkeit gegenüber ganz verschiedenen Menschen mit je eigenen Motiven und Interessen“ (Lepsius 1997: 58). Wichtig ist, dass bestimmte Leitideen durch die Ausbildung von Rationalitätskriterien konkretisiert werden, wobei die Handlungssituation maßgeblich entscheidend dafür ist, ob die Rationalitätskriterien letztlich handlungsrelevant werden. Dieser Aspekt wird in der zweiten Dimension des Eigenschaftsraums von Institutionen näher beleuchtet.
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5.2.2.2 Ausdifferenzierung von Geltungskontexten Bildlich gesprochen umfasst diese Dimension die Vorstellung, dass die ausgebildeten Rationalitätskriterien nicht im luftleeren Raum schweben und von den Individuen nicht als Verhaltensnormen durch ihrer bloße Existenz akzeptiert werden. Vielmehr hängt ihre Legitimationskraft von einem definierten Handlungskontext ab, der sich von anderen Handlungskontexten klar abgrenzen lässt. Nur so kann die Geltung anderer Normen ausgeschlossen werden und die Verhaltensnorm, die Ergebnis einer durch die Ausbildung von Rationalitätskriterien anwendbaren Leitidee ist, Handlungsrelevanz für sich beanspruchen. Im Umkehrschluss heißt das, dass ein Handlungskontext durchaus so definiert sein kann, dass er die Verhaltensorientierung an anderen Rationalitätskriterien nicht zulässt. Ist dies der Fall, wird die Befolgung solcher Rationalitätskriterien nicht als „rational“ wahrgenommen. Dieser Aspekt wird im Zusammenhang mit der Frage nach der Geltungskraft von unterschiedlichen Rationalitätskriterien innerhalb eines stark begrenzten Handlungskontextes einer Organisation besonders relevant. Zunächst bleibt festzuhalten, dass die Ausdifferenzierung von Geltungskontexten entscheidend für die Orientierungskraft ist, die eine Leitidee zu entwickeln vermag. Aufgrund der unmittelbaren Abhängigkeit des Institutionalisierungsgrads einer Wertvorstellung vom Grad der Diffusität einer Handlungssituation ist, laut Lepsius, mit jeder Institutionalisierung eine „soziale Fragmentierung der Lebenswelt“ (Lepsius 1997: 59) verbunden. 5.2.2.3 Sanktionsmacht der Institution Ein weiterer Faktor, von dem der Erfolg der Institutionalisierung einer Leitidee abhängt und der bereits eingangs in Bezug auf das Institutionenverständnis benannt wurde, ist die Sanktionsmacht, die eine Institution entwickeln kann. Ausgehend von der Annahme, dass jede Form der Verhaltensregulierung, um Geltung zu beanspruchen, über Sanktionsmechanismen verfügen muss, die regelwidriges Verhalten zu ahnden vermögen, wird ihre Analyse zum Gegenstand von Institutionalisierungsprozessen. Die Form und Stärke, die ein Handlungskriterium gegenüber anderen, ihm möglicherweise widersprechenden Kriterien entwickelt, verweist auf die Sanktionskraft, mit der sich eine Leitidee behaupten kann (Lepsius 1995a: 395f). Die Frage, inwieweit die Sanktionsmacht von der Verfügbarkeit von Ressourcen abhängt, die der Trägerschaft einer zu institutionalisierenden Leitidee zur Verfügung stehen, erfährt im organisationalen Kontext aufgrund der vorhandenen Machtstrukturen und der klaren Dominanz einer insti-
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tutionalisierten Leitidee der Rentabilität eine besondere Brisanz und wird ausführlich zu diskutieren sein. 5.2.2.4 Externalisierung von Kontingenzen Wie in den vergangenen Abschnitten ausgeführt, bedarf es für einen hohen Grad der Institutionalisierung einer Leitidee eines möglichst homogenen, wenig diffusen und abgrenzbaren Handlungskontextes, in welchem die ausgebildeten Rationalitätskriterien Wirkung im Sinne von Orientierung gebenden Verhaltensnormen entfalten können. Je höher der Grad der Institutionalisierung einer Leitidee ist, desto dominierender werden die entsprechenden Handlungsstrukturierungen, was zu einer verengten Problembearbeitung führt. Konkret heißt das, dass die Akteure innerhalb der Institutionen nur noch solche Probleme definieren und dementsprechend auch bearbeiten, die sich mit Hilfe des vorherrschenden Rationalitätskriteriums lösen lassen. Problemfelder, die auf Rationalitätskriterien anderer Art basieren und die die Homogenität der Handlungsorientierung innerhalb eines spezifischen Kontextes stören würden, werden externalisiert. Dieser Mechanismus ermöglicht einen reibungslosen Umgang mit intendierten und nichtintendierten Folgeproblemen und verleiht einer institutionalisierten Leitidee eine höhere Wirkungskraft. „Eine institutionalisierte Leitidee ist um so wirkungsvoller, je mehr es ihr gelingt, die Kontingenzen, die mit ihrer Geltung verbunden sind, erfolgreich zu externalisieren und sich gegen die daraus entstehende Opposition zu immunisieren“ (Lepsius 1996: 61). Lepsius geht davon aus, dass – selbst wenn sich keine anderen Institutionen finden lassen, die die externalisierten Folgeprobleme auffangen können – einer erfolgreichen Ausgliederung besagter Kontingenzen nichts im Wege steht. In einem solchen Fall greifen die sogenannten „nichtinstitutionellen Verhaltensstrukturen“. 5.2.2.5 Strukturierung des Konfliktpotentials zwischen Institutionen Die letzte Dimension nimmt einen außerhalb der Institutionen liegenden Aspekt in den Blick: das Konfliktpotential zwischen Institutionen. Während bislang der Fokus auf dem Institutionalisierungsprozess an sich lag, greift diese Dimension eine neue Perspektive auf. Institutionen stehen hier in einem konfliktären Verhältnis zueinander und müssen sich fortwährend gegeneinander behaupten, um nicht an Handlungsrelevanz einzubüßen. Das Konfliktpotential zwischen den Institutionen beruht auf den sich überschneidenden Handlungskontexten und den in ihnen ausgebildeten Rationalitätskriterien, die in Opposition zueinander ste-
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hen. Lepsius geht von Vermittlungsstrukturen aus, die bei Konflikten zwischen Institutionen an Bedeutung gewinnen. Vor dem Hintergrund des Transfers auf die organisationale Ebene wird dieser Aspekt besonders relevant, da es bei dem Versuch, Institutionenpolitik als Unternehmenspolitik zu verstehen, gerade um die Koordination und den Umgang mit Konflikten geht. Die Darstellung des Eigenschaftsraums soll mit einem Zitat von Lepsius schließen, das alle Komponenten nochmals in einer Definition von Institution zusammenführt: So wird Institution als Ordnung verstanden, „die sich auf angebbare Leitideen bezieht, zu deren Verwirklichung sie spezifische Rationalitätskriterien ausbildet, an denen sich das Handeln innerhalb von abgrenzbaren Handlungsfeldern regelmäßig orientiert. Diese Rationalitätskriterien gelten in strukturierten Handlungskontexten, innerhalb derer sie durch Sanktionsmittel tatsächlich Geltung ausüben. Die Individuen, die in derartigen institutionell differenzierten und organisatorisch strukturierten Handlungskontexten stehen, haben spezifische Verhaltenserwartungen und externalisieren die Folgen ihres Handelns aus ihrem Verantwortungsraum in andere institutionalisierte Handlungskontexte“ (Lepsius 2000: 31).
5.2.3 Legitimität und „Moralität“ von Institutionen Während bereits die Handlungsproblematik im Zusammenhang mit dem Problem der doppelten Kontingenz – der Verstrickung des Handelnden in die Paradoxie der Wirkung gegenüber der Absicht (vgl. Schluchter 1988b: 349) – thematisiert wurde, liegt im Folgenden der Fokus auf dem Spannungsverhältnis zwischen Individualmoral und institutionalisierten Verhaltensstrukturierungen. Dabei werden an dieser Stelle zunächst die Überlegungen von Lepsius, die sich weiterhin auf die Makroebene konzentrieren, skizziert, um anschließend, mit dem Transfer auf die Organisationsebene, besagtes Spannungsverhältnis nochmals unter organisationsspezifischen Bedingungen zu analysieren. Die Erkenntnisse, die aufgrund des Transfers gewonnen werden, gilt es schließlich in Bezug zu den Besonderheiten der Korruptionsthematik zu setzen und kritisch zu reflektieren, da in diesem Kontext die Frage nach der moralischen Verantwortung des Individuums innerhalb institutionalisierter Handlungskontexte von weitreichender Bedeutung ist. Entscheidend ist aus soziologischer Perspektive, dass die Struktur der Institutionenordnung selbst über eine moralische Dimension verfügt, die es zu benennen und deren Konsequenzen es zu erkennen gilt. Wie nachfolgend deutlich wird, steht diese Argumentation in keinem Widerspruch dazu, dass es letztlich
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Individuen sind, die moralisch oder unmoralisch handeln und dass Institutionen allein durch Individuen wirksam werden. Um die Frage nach der persönlichen Verantwortung des Einzelnen innerhalb eines institutionalisierten Handlungskontextes zu beantworten, bedarf es keiner moralisierenden Analyse des individuellen Verhaltens. Vielmehr gilt es, die Institutionenordnung zu thematisieren, da über Institutionen Verhaltenschancen strukturiert werden. So bestimmen Institutionen „das Verhalten in Handlungskontexten strukturell, aber auch kognitiv. Sie [die Institutionen] definieren die Situation, geben ihr einen Sinn, beschränken die Optionen und fixieren das Handlungsziel“ (Lepsius 1999: 118). Individuen orientieren sich demnach an institutionalisierten Verhaltensweisen, sie begeben sich in einen definierten Ordnungsrahmen, der aufgrund seiner Wertbezogenheit legitimiert ist. Damit ist die Richtigkeit des eigenen Handelns ebenfalls garantiert. Offensichtlich bedeutet das Agieren innerhalb einer legitimierten Ordnung, die wiederum für die moralische Integrität des Handelns steht, für den Einzelnen eine erhebliche Entlastung hinsichtlich der Notwendigkeit zur moralischen Selbstreflexion über mögliche Konsequenzen des eigenen Handelns. Die Legitimität der Institutionenbildung liegt also in dem Anspruch, Wertvorstellungen und Leitideen handlungsrelevant werden zu lassen. Sowohl die bestehenden Sanktionsmittel als auch der Grad der „verinnerlichten Verhaltensgewöhnung“ sind Faktoren, die dazu beitragen, dass sich eben diese Leitideen auf der Akteursebene durchsetzen und sich individuelle Handlungen daran orientieren. Ein gewisses Maß an Autonomie erlangt eine Institution durch die im vorherigen Kapitel angesprochene Externalisierung von Folgeproblemen, wobei der Kampf um die Vorherrschaft des eigenen Geltungsanspruches gegenüber dem anderer Institutionen ein fortlaufender Prozess ist. Was passiert allerdings, wenn die Legitimität von Institutionen infrage gestellt wird und es im Extremfall zu einem Zusammenbruch einer Institutionenordnung kommt? Zum einen muss das Individuum sein Verhalten an neuen Normen ausrichten, ohne sich dabei bereits wieder in einem institutionalisierten Handlungskontext zu bewegen. Zum anderen wird es mit einer Neubewertung des eigenen Handelns innerhalb der ehemals bestehenden Institutionenordnung konfrontiert. Dies bedeutet insofern eine enorme Herausforderung für den Einzelnen, als dieser sich einer Verantwortungszuschreibung durch Dritte ausgesetzt sieht, die er selbst aufgrund seines institutionenkonformen Handelns nicht als legitim erachtet. So sieht er subjektiv seine Verantwortung lediglich für sein eigenes Handeln und nicht für die Strukturierung des institutionellen Handlungskontextes. Ungeachtet dessen, dass der Einzelne nicht für die Gestaltung einer Institutionenordnung und deren Wertbegründung verantwortlich gemacht werden kann, bleibt die Frage offen, inwieweit sich der Einzelne über die etwaigen Konsequenzen seines eigenen Tuns oder Unterlassens bewusst ist und ob er einen
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möglichen ethischen Konflikt seines institutionenkonformen Handelns wahrnehmen kann. Gestalten sich die Handlungsspielräume des Einzelnen, sei es aufgrund von fehlenden Ressourcen und Kompetenzen oder zu hohen Sanktionsandrohungen, als zu eng, bleibt die Frage nach Alternativen, mit denen dem Spannungsverhältnis von Individualmoral und institutionalisierten Verhaltensstrukturierungen begegnet werden kann. Diese lassen sich als Gestaltungsoptionen auf der Ebene der Institutionenordnung situieren. Der Fokus richtet sich dementsprechend auf die „Moralität“ von Institutionen. Angenommen wird, dass in der Veränderungsfähigkeit von Institutionenordnungen der Hebel dafür liegt, die „moralischen Bürden“, die Institutionen den Individuen auflasten, zu begrenzen. Diese Veränderungsfähigkeit spiegelt sich im Zusammenspiel von unterschiedlichen Institutionen und dem stetigen Kampf um die Ausweitung ihrer Kompetenz- und Geltungsräume wider. Konkret geht es um die Institutionalisierung eines Gegenprinzips, das die Dominanz von legitimierenden Leitideen über den Geltungsrahmen der Institution hinaus zu verhindern vermag (Lepsius 1999: 122). Denn „Institutionen haben die Tendenz, die sie legitimierenden kulturellen Leitideen gegen Kritik zu schützen, ihre Interpretation und Konkretisierung in spezifischen Rationalitätskriterien ihrer Handlungsstrukturen selbst zu kontrollieren“ (Lepsius 1999: 122). Die Institutionalisierung eines Gegenprinzips, das die Aufrechterhaltung der in Spannung zueinander stehenden verschiedenen kulturellen Leitideen gewährleistet, ist somit eine wirksame Strategie, um einer Herauslösung der Leitideen aus den umgreifenden Kulturideen zu begegnen. Darüber hinaus wird damit das Bestreben, die Geltung einer Leitidee gegenüber anderen Wertvorstellungen zu maximieren, ebenfalls beschränkt. Dass die Institutionalisierung von Gegenprinzipien auch auf organisationaler Ebene eine wirksame Strategie einer erfolgreichen Unternehmenspolitik im Sinne einer Institutionenpolitik zu sein vermag, wird in den nachfolgenden Ausführungen gezeigt. Es wird zu diskutieren sein, welche Rolle in diesem Kontext neben der Pluralität von Wertvorstellungen den individuell einklagbaren Grundrechten zukommt, denen Lepsius auf gesellschaftlicher Ebene eine zentrale Bedeutung zuweist, da sie für alle Institutionen und für die Institutionenordnung als Ganze gilt und die moralischen Dilemmata durch universalisierte Normen für den Einzelnen mildern soll. Kann weder das eine noch das andere gewährleistet werden, hat dies für die Gesellschaft weitreichende Folgen, die Lepsius wie folgt beschreibt: „In Institutionenordnungen, in denen die Repräsentation von unterschiedlichen Wertvorstellungen vermindert ist, politische Institutionen übermächtig und freie und
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Teil II: Neu-Konzeptionalisierung öffentliche Diskurse nicht möglich sind, entsteht eine moralische Indifferenz gegenüber dem Gemeinwesen. Handlungsbeschränkungen werden auch dort antizipiert, wo sie nicht bestehen oder von den politischen Autoritäten nicht durchgesetzt werden würden“ (Lepsius 1999: 124f.).
Die Ausführungen lassen sich abschließend in der These zusammenführen, dass das Spannungsverhältnis von Individualmoral und institutionalisierter Verhaltensstrukturierung nicht über die Moralisierung des individuellen Handelns aufgelöst werden kann. Daraus erschließt sich die Annahme, dass es gerade im unternehmerischen Kontext einer differenzierten Analyse der Struktur der Institutionenordnung bedarf, der selbst eine moralische Dimension zugeschrieben wird, um nicht Gefahr zu laufen, institutionalisierte Verhaltenssituationen durch moralische Appelle zu verkennen (vgl. Lepsius 1999: 119). 5.3 Resümee Auf der Grundlage eines wertbezogenen Institutionenverständnisses ist gezeigt worden, wie M. Rainer Lepsius Institutionen zum Gegenstand eines Problemlösungsprogramms macht, das sich insbesondere durch einen Akteursbezug und durch die Berücksichtigung von Institutionalisierungs- und DeInstitutionalisierungsprozessen auszeichnet. Indem Lepsius als entscheidenden Prozess der Institutionalisierung die Vermittlung zwischen Ideen und Verhaltensstrukturierungen identifiziert, ermöglicht sein Ansatz die Auseinandersetzung mit der Frage, wie Ideen zu Handlungsmaximen werden, die wiederum Anspruch auf Gültigkeit haben (Lepsius 1997: 58). In diesem Erkenntnisgewinn, den sein Programm im Gegensatz zu den Ansätzen der Neuen Institutionenökonomik, des Neo-Institutionalismus und auch dem Ansatz der Neuen Organisationsökonomik gewährt, liegt die Begründung dafür, die Herausforderung zu wagen, Elemente eines auf die Makroebene konzipierten Theorieprogramms auf die Mesoebene von Organisationen zu übertragen. Dass dieser Transfer ein schwieriges Unterfangen ist, bei dem die Gefahr besteht, dem ursprünglichen Theoriekonzept nicht gänzlich gerecht zu werden, wird vor dem Hintergrund der vielversprechenden Ergebnisse für die organisationstheoretische Diskussion wissentlich in Kauf genommen. Um dies zu unterstreichen, gilt es, an dieser Stelle nochmals auf den Anspruch des Vorhabens zu verweisen. Demnach ist es nicht das Ziel, zu prüfen, inwieweit sich das gesamte Werk von Lepsius auf die Organisationsebene übertragen lässt. Vielmehr gilt es, seine Überlegungen hinsichtlich der Rolle von Institutionen als Wertverwirklichungsinstanzen, wie Stachura Institutionen vor dem Hintergrund eines präskriptiven Regelverständnisses bezeichnet, als Grund-
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lage dafür zu nehmen, regelgeleitetes Handeln und damit auch die Wirkungsmechanismen zwischen den Handlungen der Organisationsmitgliedern und den Organisationsstrukturen der Analyse zugänglich zu machen. Damit soll der Versuch einer Neu-Konzeptionalisierung eines organisationstheoretischen Ansatzes unternommen werden, die für sich beansprucht, einen Beitrag zur Lösung von Problemen leisten zu können, die in den sich widersprechenden Rationalitätskriterien begründet sind.
6 Das Programm einer organisationalen Institutionenanalyse
Im Folgenden soll das Programm einer Institutionenanalyse von M. Rainer Lepsius für den organisationalen Kontext entwickelt werden. Die Institutionentheorie von Lepsius stellt den Prozess der Institutionalisierung und DeInstitutionalisierung von Leitideen in den Vordergrund ihrer Betrachtung und verspricht somit, einen analytischen Blick auf die handelnden Akteure zu gewähren. Entscheidend für die weiteren Ausführungen sind die Annahmen, dass in Organisationen trotz der Dominanz einer hochgradig institutionalisierten Leitidee unterschiedliche Rationalitätskriterien existieren und Prozesse der Institutionalisierung und De-Institutionalisierung von Leitideen zum Gegenstand der Unternehmenspolitik gemacht werden können. Es wird also von einer innerorganisationalen Institutionenordnung ausgegangen, die in Form einer Institutionenpolitik zum Gegenstand der Unternehmensführung gemacht werden soll. 6.1 Organisationsverständnis Wie zu Beginn der Arbeit ausgeführt, steht die Organisation als multinationale Unternehmung im Mittelpunkt der Betrachtung. Zwei Aspekte, die mit einem der Hauptmerkmale, der Internationalität der Unternehmen, verbunden sind, gilt es an dieser Stelle aufzugreifen und den anschließenden theoretischen organisationsspezifischen Ausführungen voranzustellen: a) den international agierenden Unternehmen bietet sich die Chance, aufgrund der Wahlfreiheit hinsichtlich der Standorte und Produktionsstätten diese nach Kriterien der optimalen Rahmenbedingungen betreffend der Gesetzeslage, der vorhanden Regulationsmechanismen und der Stabilität der Infrastruktur etc. auszusuchen und zu wechseln. Gleichzeitig bedeutet das für Unternehmen, b) mit den besonderen Herausforderungen unterschiedlicher kultureller Handlungskontexte umzugehen. So können „multinationale Unternehmen, die in verschiedenen Kulturkreisen agieren, auch mit unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen, nicht nur zur Rationalität, konfrontiert werden“ (Hiß 2005: 166).
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Das Organisationsverständnis der Arbeit, wie es im Folgenden ausgeführt wird, findet seinen Ausgangspunkt in der Definition von Rehberg, die bereits zu Beginn der Arbeit angeführt wurde, um im Zusammenhang mit der Entwicklung einer soziologischen Perspektive den spezifischen Kontext von Organisationen darzulegen (siehe Kapitel 2.2.1). Damit sollen Organisationen als „formale Zusammenschlüsse von Mitgliedschaftsgruppen im Kontext zweckorientierter Aufgabenerfüllung (mit Mitgliedschaftsregeln, Organen und Instanzen, Normierungs-, Führungs- und Verwaltungskompetenzen etc.) verstanden [werden]“ (Rehberg 2002: 49). Weiter wird davon ausgegangen, dass die Produktion in Unternehmen sich hierarchischer Organisationsverfahren bedient, wobei es sich dabei durchaus um unterschiedliche Ausprägungen handeln kann. So ist es eine andere Frage, ob es sich um steile oder flache Hierarchien handelt und inwieweit die Hierarchie- und Autoritätsbeziehung Zwangselemente enthält (Weise 2005: 322). Gerade multinational agierende Unternehmen mit weitverzweigten und komplexen Wertschöpfungsketten bedienen sich durchaus sogenannter Ford’scher Elemente im Sinne einer Nutzung der Fließbandfertigung, die die Massenproduktion ermöglicht. Da dies aber nicht ausschließlich der Fall ist, kann von keiner vollständig zwanghaften Durchsetzung von Ideen ausgegangen werden, so dass unstrittig ist, dass der Koordinationsaspekt zweifelsohne ebenfalls eine elementare Rolle bei der Unternehmensführung spielt. Ob das Verständnis von Befehl oder das der Partizipation überwiegt, ist nicht nur abhängig von Variablen wie der Größe, der Struktur und der Branchenzugehörigkeit der Unternehmung, sondern kann sich durchaus auch innerhalb eines Unternehmens von Organisationseinheit zu Organisationseinheit unterscheiden. Unabhängig von diesen unterschiedlichen Ausprägungen bleibt festzuhalten, dass allen Organisationen gemein ist, dass sie „arbeitsteilige Veranstaltungen“ sind, wobei „eine organisierte Arbeitsteilung […] immer die Berücksichtigung mehrerer Kriterien im Hinblick auf die Erzielung eines bestimmten Ergebnisses oder Erfolges [erfordert]“ (Schwinn 2001: 357). Dabei geht es, so Schwinn weiter, „um die selektive Einbeziehung heterogener Kriterien in die Leitorientierung einer Organisation, die ihr durch ihre Zugehörigkeit zu einem bestimmten institutionellen Feld auferlegt wird und die die Erfolgskriterien festlegt“ (Schwinn 2001: 357). Im Fall der Unternehmung ist es offensichtlich, dass die ökonomische Effizienz und die Gewinne hochgradig für eine gesellschaftliche Legitimation notwendig sind. Wie im nachstehenden Kapitel ausführlicher beschrieben, wird darüber hinaus die sich im Neo-Institutionalismus wiederfindende Annahme geteilt, dass die Legitimität von Wirtschaftsorganisationen außerdem von gesellschaftlichen Anforderungen aus anderen, nicht-ökonomischen Bereichen der äußeren Institutionenordnung abhängt. Der Neo-Institutionalismus
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versucht mit den bereits genannten Mechanismen wie denen des Isomorphismus (siehe Kapitel 3.2.2), Antworten auf die Frage zu finden, wie die Reaktionen von Organisationen ausfallen, um ihre Überlebensfähigkeit zu sichern. Dabei fokussiert er seine Betrachtungen „auf den Einfluss exogener Faktoren und die organisationale Konformität mit diesen Umwelterwartungen“ (Hiß 2005: 200). Im Unterschied dazu wird nachfolgend der Blick auf die innere, organisationale Institutionenordnung gelenkt, um Erkenntnis darüber zu erlangen, welche Optionen der Unternehmensführung in diesem Prozess zur Verfügung stehen. Im Vorfeld des Transfers der Institutionentheorie von Lepsius von der Makro- auf die Mesoebene bedarf es zunächst einer eingehenderen Auseinandersetzung mit der Wirkungsweise der exogenen Faktoren, mit denen Unternehmen konfrontiert werden. 6.2 Rückkopplung externalisierter Folgewirkungen Der Geltungsbereich von ökonomischen Rationalitätskriterien ist laut Schwinn im liberalen Kapitalismus sehr weit gezogen. Dies hat verschiedene Gründe, die sich in der ordnungsbildenden Kraft der ökonomischen Wertsphäre und den damit zusammenhängenden Konstellationswirkungen der institutionalisierten Bereiche verorten lassen. So konnten die durch eine „forcierte Ökonomisierung“ erzeugten Probleme im historischen Rückblick bislang durch Politik (Sozialpolitik, Demokratie) aufgefangen werden (Schwinn 2001: 321). Im Zuge der Durchsetzung von sozialen Standards seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden Auseinandersetzungen zwischen den Trägern sozialstaatlicher Institutionen und Vertretern ökonomischer Interessen statt. „Die Geltendmachung sozialer Standards in der unternehmerischen Kostenstruktur bedarf der ständigen Stützung und Aufrechterhaltung dieser Standards durch entsprechende Interessengruppen und korrespondierende Organisationen […]“ (Schwinn 2001: 119). Gleichzeitig ist dabei für Unternehmen entscheidend, dass „sozialmoralische Wertpostulate [nicht] in ökonomische Institutionen eindringen, sondern durch eine Anzahl von institutionellen Erfindungen ökonomisches Handeln von allzu direkten solidarischen Zumutungen frei gehalten wird.“ (Schwinn 2001: 329). Durch die institutionelle Trennung kann ein Unternehmen den sozialmoralischen oder rechtlichen Ansprüchen in kontrollier- und kalkulierbarer Weise begegnen. Ziel der folgenden Ausführungen ist es, gesellschaftliche Veränderungen aufzuzeigen, die darauf hinweisen, dass sich Unternehmen verstärkt in der Position sehen, mit ehemals externalisierten Folgewirkungen konfrontiert zu werden. Durch die Rückkopplung von Folgewirkungen des eigenen Wirtschaftens wird der Verantwortungsbereich des Unternehmens aufgrund der Außenzuschreibung
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von seinen sogenannten Stakeholdern neu definiert, was dazu führt, dass es für Unternehmen zunehmend schwerer wird, besagten sozialmoralischen und rechtlichen Ansprüchen in kalkulierbarer Weise zu begegnen. Die in der Politik, der Wissenschaft und vor allem auch in der Wirtschaft geführten Debatte der letzten Jahre über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, ihre Corporate Social Responsibility (CSR), spiegelt diesen Prozess wider. Insofern stellt sich die Frage, ob für Unternehmen die Veränderung ihres institutionellen Umfelds letztlich grundlegend etwas an der für sie entscheidenden institutionellen Konstellation verändert hat. Oder anders ausgedrückt: Können Unternehmen weiterhin die Folgen ihres Handelns auf Institutionen außerhalb ihres Geltungskontextes ausgliedern, ohne dass dadurch ihre Legitimität infrage gestellt wird? Stefanie Hiß kommt in ihrer soziologischen Untersuchung zu dem Schluss, dass das unternehmerische Bestehen am Markt nicht primär von ökonomischer Effizienz abhängig ist und es auch keiner moralischen Überzeugung bedarf. „Vielmehr ist die gesellschaftliche Legitimation unternehmerischen Handelns durch CSR von zunehmender Bedeutung“ (Hiß 2005: 17). Mit Rückgriff auf den Neo-Institutionalismus stellt Hiß die These auf, dass multinationale Unternehmen sich mit ihrem freiwilligen CSR-Engagement legitimieren, weil sie auf Mythen der CSR reagieren. Handlungsleitend für Unternehmen sei demnach der gesellschaftlich erzeugte Zwang – die Wirkmacht von Mythen (Hiß 2005: 307). Denn Organisationen, so die Annahme, „legitimieren sich, indem sie die von der gesellschaftlichen Umwelt an sie herangetragenen institutionalisierten Regeln, die die Funktion von Mythen übernehmen, in ihre Formalstrukturen integrieren“ (Hiß 2005: 17). Inwieweit CSR-Maßnahmen als Gegenstand einer Managementstrategie überhaupt mehr als eine „Feigenblatt“-Funktion übernehmen, ist letztlich eine empirische Frage, wobei es abhängig davon, wie das CSR-Thema in Unternehmen bearbeitet wird, laut Markus Pohlmann gute Gründe dafür gibt, davon auszugehen, „dass mit dem Grad, in dem die Ansprüche und Interessen der Stakeholder organisiert sind und als moralische ,Risiken‘ wahrgenommen werden, auch die Bereitschaft steigt, moralische Standards beim Wirtschaften mit zu beachten“ (Pohlmann 2008: 170). Die zunehmend organisierte Zivilgesellschaft spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle ein, wobei ihre Legitimation vor dem Hintergrund eines fehlenden politischen Mandats, wie eingangs angesprochen, ebenso umstritten ist wie die von Unternehmen als politische Akteure (vgl. Kapitel 2.1.1). Da es keine einheitliche Definition von NGOs gibt, lässt sich ihre zahlenmäßige Entwicklung zusätzlich zu den anderen, organisatorischen Schwierigkeiten nur schwer bestimmen. Während die Vereinten Nationen erstmals in den
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1950er Jahren NGOs als „any international organization which is not established by intergovernmental agreement“ (United Nations 1950: Artikel 71) definiert, spricht Martens von NGOs als „formal (professionalized) independent societal organizations whose primary aim is to promote common goals at the national or the international level” (Martens 2002: 282). Selbst wenn man wie die Union of International Associations (UIA) über einen sehr differenzierten Kriterienkatalog verfügt, der bspw. beinhaltet, dass NGOs auf eine private Initiative hin gegründet sein und mindestens in drei Staaten tätig sein müssen, lässt sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein deutlicher Zuwachs an NGOs verzeichnen. So stieg ihre Anzahl weltweit laut UIA von 176 im Jahr 1909 auf 7.306 im Jahr 2004 (vgl. bpb 2009a). Wird der Begriff „NGO“ weiter gefasst und werden alle privaten Akteure und Interessengruppen einbezogen, erhöhte sich die Zahl im Jahr 2004 laut Bundeszentrale für politische Bildung auf über 20.000 (vgl. bpb 2009b). Unabhängig davon, wie eng das Verständnis von NGOs gefasst wird, lässt sich ein erheblicher Zuwachs an organisierten zivilgesellschaftlichen Interessensgruppen feststellen. Indem durch das nationale und internationale Engagement umwelt- und sozialpolitische Probleme verstärkt auf die öffentliche Agenda gelangen, steigt also der Bedarf bei Unternehmen, sich mit der CSR-Thematik in irgendeiner Weise auseinanderzusetzen. Das heißt, dass sich der Druck auf Unternehmen erhöht, bislang unbeachtete oder vernachlässigte Folgewirkungen des eigenen Wirtschaftens in den eigenen Problembearbeitungskontext zurückzuintegrieren. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass sich die Externalisierung von Folgeprobleme des eigenen organisationalen Handelns in die Zuständigkeiten anderer institutionalisierter Bereiche nicht zuletzt „durch die Effizienz des wirtschaftlichen Handelns, die steigende Produktivität und das wachsende Volkseinkommen“ (Lepsius 1997: 64) legitimieren lässt, wird in den kommenden Jahren von besonderem Interesse sein, der Frage nachzugehen, welche Auswirkungen die derzeitige Entwicklung des Wirtschafts- und Finanzsystems hinsichtlich des Rückkopplungs-Prozesses haben wird. Entscheidend ist dabei, ob das Thema des verantwortlichen Wirtschaftens durch die gegenwärtige Krise, die sich seit dem Zusammenbruch der Bank „Lehman Brothers“ am 15. September 2008 von einer Finanz- und Kapitalmarktkrise zu einer gesamtwirtschaftlichen Krise entwickelt hat, dem maßgeblich durch zivilgesellschaftliche Akteure forcierten öffentlichen Diskurs über Sozial- und Umweltstandards in die Hände spielt oder ob aufgrund der wirtschaftlichen Instabilität ökonomische Effizienz und Erfolg wieder verstärkt als Legitimitätskriterium von Unternehmen in den Vordergrund tritt. Festzuhalten gilt für diesen Kontext, dass ehemals externalisierte Folgeprobleme unternehmerischen Handelns in verstärktem Maße in Unternehmen rückgekoppelt werden und Wirtschaftsorganisationen ihre Unternehmenspolitik
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diesen Entwicklungen anpassen müssen. Sowohl der Frage, wie sich diese „Rückkopplung“ im Zusammenhang mit Korruption für Unternehmen analysieren lässt, als auch der Frage nach einer Form einer Unternehmensführung, die sich eben diesen Herausforderungen zu stellen vermag, wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgegangen. Im folgenden Kapitel geht es um die Konsequenzen, die sich für Unternehmen aus einer Zunahme der aufgezeigten Rückkopplungseffekte ergeben. Werden bspw. Unternehmen vermehrt in Konkurs gehen, da aufgrund von überhöhten sozialen und ökologischen Forderungen an ein Unternehmen das Rentabilitätskriterium außer Kraft gesetzt und die Parameter ökonomischen Handelns in einer Weise verändert werden, die es der Organisation nicht mehr erlaubt, rational fortzufahren?“ (Vgl. Schwinn 2001: 118) 6.3 Über den Konflikt zwischen institutionalisierten Leitideen in Organisationen und der Geltungschance von nicht-ökonomischen Rationalitätskriterien Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Veränderungen des organisationalen Umfelds, der äußeren Institutionenordnung, wird nun der Blick auf die innerorganisationalen Prozesse gelenkt. Der skizzierte Prozess sich verändernder, von außen zugeschriebener Ansprüche an Unternehmen führt zu der Frage, wie von Seiten des Managements darauf reagiert werden kann. Um sich dieser Frage zu nähern, bedarf es zunächst einer Konkretisierung des Problems. Dafür wird die unternehmensspezifische Konstellation unter dem Gesichtspunkt verschiedener, parallel existierender Rationalitätskriterien dargelegt und der Schwerpunkt auf das Konfliktpotential gelegt, das damit dem wirtschaftlichen Handeln zugrunde liegt. Im Anschluss daran werden die Handlungsoptionen von Unternehmen mit Rückgriff auf Annahmen aus den institutionentheoretischen Ausführungen aus dem vorherigen Kapitel aufgezeigt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung einer Unternehmensstrategie, der sogenannten Institutionalisierung von Gegenprinzipien, und auf der Begründung dessen, dass mit dieser ein erfolgreicher Umgang mit konfligierenden Rationalitätskriterien möglich zu sein scheint. Mit den Konsequenzen, die sich für ein Unternehmen daraus ergeben, nämlich Unternehmensführung als Institutionenpolitik zu verstehen, werden die organisationstheoretischen Überlegungen abgeschlossen, bevor es im Anschluss daran um die Konkretisierung der Ergebnisse anhand der Korruptionsthematik geht.
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6.3.1 Unterschiedliche Rationalitätskriterien in Wirtschaftsorganisationen und dennoch kein „Rationalitätsmix“ Organisationen zeichnen sich durch Arbeitsteilung aus und richten sich – je nach Zugehörigkeit zu einer Wertsphäre – vornehmlich nach einer dominierenden Leitidee. Insofern lässt sich eine Organisation, die wirtschaftlich tätig ist, auch als ein Ort der ökonomischen Wertsphäre bezeichnen, in welchem sich Wirtschaft institutionalisiert hat. Die Dominanz einer Leitidee, wie zum Beispiel im Fall der Universität die Leitidee der Wissenschaftlichkeit, bedeutet nicht, dass nicht verschiedene Leitideen und deren Rationalitätskriterien ebenfalls innerhalb einer Organisation existent sind. Gerade die Universität ist laut Lepsius aus institutionenanalytischer Sicht eine besonders interessante Einrichtung, da sie gegensätzliche Rationalitätskriterien wie Lehre und Forschung zu verknüpfen hat. Für die Wirtschaftsorganisation, wie sie für die vorliegende Arbeit relevant ist, gilt dies in ähnlicher Weise. Auch in einem Unternehmen sind mehrere Rationalitätskriterien präsent und der Erfolg der Organisation hängt davon ab, wie sich die unterschiedlichen Rationalitätskriterien im Hinblick auf die dominante Leitidee koordinieren lassen. Um im Sinne der Leitidee der Wirtschaft rational handeln zu können, bedarf es einer Unternehmensführung, die in der Lage ist, rechtliche, sozialmoralische und ökologische Normierungen in Preisgrößen zu übersetzen. Das heißt, dass unabhängig davon, wie sich die Kontextbedingungen weiter verändern, die Rentabilitätsorientierung mittels Kostenrechnung, PreisMengen-Kalkulation und Absatzplanung ihre Geltung nicht verlieren wird (vgl. Lepsius 1989: 216). Dies bedeutet ferner, dass – sofern die Veränderung der Parameter, an denen sich wirtschaftliches Handeln orientieren muss, nichts an dem ökonomischen Rationalitätskriterium selbst ändert – es weder zu Rationalitätsmischungen oder -interpenetrationen noch zu dem von Münch propagierten „Rationalitätsmix“ kommt (Schwinn 2001: 117). Auch die Tatsache, dass der einzelne Mitarbeiter, insbesondere die Unternehmensführung, in der Lage sein muss, zwischen handlungsleitenden Sinnkriterien zu wechseln, steht keineswegs für eine Vermischung von Rationalitäten. Wichtig ist es, aus institutionenanalytischer Sicht die variierende gesellschaftliche Legitimationskraft der Rationalitätskriterien zu differenzieren. Dabei muss nicht zwangsläufig das Rationalitätskriterium, das bspw. wegen der grundgesetzlichen Verankerung seiner Leitidee wie im Fall der Wissenschaftlichkeit maßgeblich zur gesellschaftlichen Legitimation einer Organisation wie der Universität beiträgt, auch gleichzeitig dasjenige Rationalitätskriterium sein, welches letztlich die höchste Geltungskraft in Form von Handlungsrelevanz entwickeln kann. Von der Geltungskraft eines Rationalitätskriteriums auf seine gesellschaftliche Legitimationskraft zu schließen, wäre also ebenso ein Fehlschluss wie in
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umgekehrter Weise von der gesellschaftlichen Legitimation auf die Geltung eines Kriteriums. Im Fall von Unternehmen lässt sich konstatieren, dass die Rationalitätskriterien der Wirtschaftlichkeit hochgradig institutionalisiert und damit auch handlungsrelevant sind und dass sie gleichzeitig auch diejenigen sind, über die die gesamtgesellschaftliche Legitimation des Unternehmens definiert wird. Dies schließt an Schwinn an, der „am motivierenden Anfang und Ende der ökonomischen Handlungsketten […] immer das Gewinnmotiv“ (Schwinn 2001: 191) situiert. Auch die bislang umfassende und weitestgehend erfolgreiche Externalisierung von Folgeproblemen des eigenen organisationalen Handelns in die Zuständigkeiten anderer institutionalisierter Bereiche, die nicht zuletzt ihre Legitimität in der Zunahme an wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Wohlstand findet, wird in Bezug auf die letzten Jahrzehnte nicht grundsätzlich infrage gestellt, wobei anzumerken ist, dass mögliche Konsequenzen, die sich aus der aktuellen Situation einer Wirtschaftskrise ergeben, wie sie im vorangegangenen Kapitel angesprochen wurde, sich in dieser Einschätzung noch nicht widerspiegeln. Dennoch drängt sich mit Verweis auf die oben skizzierten aktuellen Entwicklungen – nicht zuletzt die steigende Einflussnahme zivilgesellschaftlicher Akteure – die Frage auf, in welchem Maße auch zukünftig die gesellschaftliche Legitimation der Unternehmung in erster Linie über ökonomische Rationalitätskriterien gesteuert wird. Denkbar ist, dass die Zunahme an sozialen Standards, die in Unternehmen hereingetragen werden, Unternehmen am rationalen Weiterführen des Betriebs hindern und damit die ökonomischen Effizienzkriterien den rechtlichen, sozialmoralischen oder ökologischen untergeordnet werden. Im Extremfall würde sich dann eine Entwicklung abzeichnen, bei der die gesamtgesellschaftliche Legitimation einer Vielzahl von Wirtschaftsorganisationen in immer stärkerem Maße von anderen Rationalitätskriterien als von denen der Wirtschaftlichkeit abhängig wird und diese letztlich auch über die Existenz einer Organisation entscheiden könnten. Aufgrund des hohen Institutionalisierungsgrades der ökonomischen Ordnung (siehe Kapitel 4.2.2.3), die sowohl der Verselbständigung des Gewinnmotivs als auch der damit verbundenen besonderen Fähigkeit zur Ordnungsbildung zugeschrieben werden kann, ist eine Entwicklung in dieser extremen Ausprägung nicht absehbar. Vielmehr lässt die Eigengesetzlichkeit der ökonomischen Sphäre im Hinblick auf eine „ausgeprägte strukturelle Dynamik und [die] Verfügung über herrschaftsfähige Zwangsmittel“ (Schwinn 2001: 204) darauf schließen, dass die Leitidee der Wirtschaftlichkeit für Organisationen, trotz aller Rückkopplungseffekte, als die dominierende bestehen bleibt. Dies ist der Grund dafür, dass für das einzelne Unternehmen die Herausforderung in den Vorder-
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grund rückt, widersprüchliche Rationalitätskriterien unter dem Primat der ökonomischen Leitidee erfolgreich koordinieren zu können. Vor dem Hintergrund des Gesagten wird deutlich, unter welchen Prämissen wirtschaftliches Handeln in Organisationen vollzogen wird und wie viel Konfliktpotential durch die Tatsache, dass „ökonomische Effizienzkriterien mit sozialpolitischen und ökologischen Gesichtspunkten in einem spannungsvollen Verhältnis“ (Schwinn 2001: 57) liegen, begründet ist. Wie Schwinn weiter ausführt, ist es für den Unternehmer notwendig, die veränderten Parameter in sein wirtschaftliches Handeln, also in seine Kostenrechnung, zu übersetzen, um seine Organisation im Markt erfolgreich führen zu können. Entscheidend ist nun, dass in diesem Zusammenhang die Frage offen bleibt, wie die Unternehmensführung eines Großkonzerns die Organisation in die Lage versetzen kann, intern eine Veränderung der Verhaltensweisen der Mitarbeiter zu erzielen, wenn dies aus Rentabilitätsgründen für die gesamte Organisation als notwendig erachtet wird. Mit Bezug auf die Umsetzung von CSR-Maßnahmen durch das Management weist Pohlmann genau auf diesen ungeklärten Aspekt hin. „Die Frage ist, inwieweit und wie dies, wenn es gewollt ist, durch das Management umgesetzt werden kann“ (Pohlmann 2008: 170). Insofern jedes CSRManagement mit der Kultur einer Organisation konfrontiert wird, sieht er die Wirksamkeit maßgeblich in der Abhängigkeit von einem kulturellen Wandel der Organisation, wobei sich dieser, wie Pohlmann zu bedenken gibt, der einfachen Entscheidbarkeit entzieht (Pohlmann 2008: 171). Dieser Aspekt tritt im Fall der Korruptionsthematik insofern verstärkt zutage, als es sich bei der Frage nach integrem oder korruptionsfreiem Wirtschaften, wie eingangs aufgezeigt, trotz verschärfter Gesetzesregelung nicht um eindeutig und klar definierte Richtlinien, sondern um zahlreiche Grauzonen handelt. Dagegen sind bei dem von Lepsius zitierten Beispiel der veränderten Umweltgesetzgebung, die Unternehmen aufgrund von Sanktionsmechanismen zur Einhaltung von ökologischen Standards zu zwingen vermag, denkbare Verfahrensweisen der Organisation insofern verhältnismäßig einfach vorstellbar, als es sich bei den in der Umweltgesetzgebung verankerten Regelungen um „harte“ Richtlinien und Kennwerte, wie zum Beispiel die Reglementierung des CO2-Ausstoßes, handelt. In diesem Fall können Geschäftsprozesse relativ problemlos an neue, vom Gesetzgeber vorgeschriebene Vorgaben angepasst werden. Ob das Management die veränderten Parameter persönlich als „gut“ oder „schlecht“ bewertet, spielt höchstens bei der Ausgestaltung der Umsetzungsmöglichkeiten eine Rolle. Denn es bleibt der Unternehmensleitung freigestellt, die Richtwerte orientiert am Minimum einzuhalten oder die veränderten Rahmenbedingungen als Anlass dafür zu nehmen, unternehmensweit ein umfassendes Umweltprogramm zu implementieren.
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Wenn aus gesamtorganisatorischen ökonomischen Gründen korruptives Handeln innerhalb einer Unternehmung auf allen Ebenen unterbunden werden soll, führt dies zu weitaus größeren Herausforderungen für die Unternehmensführung als im Fall der Umweltgesetzgebung. Dies erkennt auch Wieland und sieht gerade darin den Mehrwert seines organisationstheoretischen Ansatzes. Dementsprechend sollen in der Neuen Organisationökonomie die organisationsinternen Prozesse im Hinblick auf „weiche“, deshalb aber nicht weniger ökonomisch relevante Einflussfaktoren theoretisch zugänglich gemacht werden. Wieland entwickelt dazu eine Transaktionsformel, die den Anspruch erhebt, nicht zuletzt Moralfaktoren integrieren zu können. Dass er seinem Anspruch nicht gerecht werden kann und dass der Grund dafür nicht zuletzt in seinem reduktionistischem Institutionenverständnis zu finden ist, ist bereits ausführlich dargelegt worden. Inwiefern mithilfe eines wertbezogenen Institutionenverständnisses eine organisationstheoretische Perspektive der unternehmensinternen Prozesse ermöglicht wird, die einen effektiven Umgang des Managements mit den unterschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Rationalitätskriterien erlaubt, wird im weiteren Verlauf zu zeigen sein. Der Begriff der Effektivität soll hier nicht auf ökonomische Kriterien reduziert verstanden werden. Vielmehr geht es um die Überlebensfähigkeit von Wirtschaftsorganisationen, die, wie bereits ausgeführt, über gesellschaftliche Legitimität verfügen müssen. Dafür, so die Annahme, bedarf es einer erfolgreichen Koordination der widersprüchlichen Rationalitätskriterien und damit eines offensiven Umgangs mit den damit zusammenhängenden Konflikten. Im Vorfeld werden im folgenden Kapitel zunächst die verschiedenen Optionen für Vorgehensweisen von Unternehmen aufgezeigt, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Strategie der Institutionalisierung von Gegenprinzipien die vielversprechendste ist. 6.3.2 Konsequenzen für und strategische Maßnahmen von Organisationen Ziel der folgenden Ausführungen ist es, zu zeigen, dass die Existenz einer Organisation maßgeblich von der erfolgreichen Koordination der widersprüchlichen Rationalitätskriterien innerhalb des organisationalen Kontextes abhängt. Dabei ist die oberste Prämisse, dass bspw. die Leitidee der Rentabilität in einer Wirtschaftsorganisation nicht durch andere Forderungen überladen werden darf, so dass ein rationales Handeln als Teil der ökonomischen Sphäre nicht mehr möglich wäre. Da es zu keiner Vermischung von Rationalitäten kommt, verändert sich letztlich der Geltungsbereich bzw. der Geltungsumfang der Rationalitätskriterien. Schwinn veranschaulicht dies am Beispiel von Sozialstandards:
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Teil II: Neu-Konzeptionalisierung „Soziale Standards in Unternehmen bewirken, daß der Faktor menschliche Arbeitskraft nicht vollständig ökonomischen Kriterien unterworfen wird: längere Pausen und Urlaub sowie frühere Verrentung schränken den Geltungsbereich des ökonomischen Rationalitätskriteriums zum Beispiel zeitlich ein“ (Schwinn 2001: 117).
Lepsius spricht vom Sozialstaat als Gegenprinzip zum liberalen Kapitalismus, der sich offensichtlich bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einigen Nationalstaaten mit der Ausgestaltung der Sozialstandards institutionalisiert hat. Insofern werden seit jeher die strategischen Entscheidungen von Unternehmern unter anderem durch den Kampf gegen die Einschränkung des Geltungsbereichs der ökonomischen Rationalitätskriterien beeinflusst. Gemein ist den Wirtschaftsorganisationen, dass sie sich allein aufgrund des Drucks von außen bzw. aufgrund des Drohpotentials, das in Form von organisierten Interessensgruppen oder Gesetzesbeschlüssen hinter den sozialen und ökologischen Kriterien steht, der Themen wie Produktionsbedingungen und Arbeitslosigkeit annehmen. Wie sie jedoch auf die Zuschreibung neuer Verantwortlichkeiten reagieren, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, zum Beispiel von ihrer Branchenzugehörigkeit, ihrer Unternehmensgröße und der Größe ihres Handlungs- und Wirkungsbereichs. So definieren sich die Risikofelder für Textilunternehmen anders als die von Chemie- oder Bauunternehmen. Während Arbeitsstandards und Menschenrechte bei den Produktionsstätten der Zulieferer nicht zuletzt aufgrund der in diesen Themenfeldern agierenden Vielzahl von NGOs und dem den Themen zugrunde liegenden Skandalisierungspotential zum Hauptgegenstand für Textilunternehmen geworden sind, ist bspw. der Umgang mit sogenannter „grüner Gentechnik“ von Chemiekonzernen und die Wirksamkeit von Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen bei Bauunternehmen Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Die folgenden drei Strategien – die Negierung von Verantwortungszuschreibungen, die interne Externalisierung und die Institutionalisierung von Gegenprinzipien – nehmen Bezug auf die institutionentheoretischen Ausführungen der letzten Kapitel und sollen die Breite der Handlungsoptionen von Unternehmen widerspiegeln, wie mit den zunehmenden und vor allem wandlungsfähigen und kulturell abhängigen Ansprüchen gesellschaftlicher Akteure umgegangen wird.
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6.3.2.1 Negierung von Verantwortungszuschreibungen Im ersten Fall der Negierung von Verantwortungszuschreibungen werden die Anforderungen, die von außen an ein Unternehmen herangetragen werden, ignoriert und es wird darauf spekuliert, dass der Druck und die Sanktionsmacht der Öffentlichkeit oder der Gesetzgebung verhältnismäßig gering sind. Die Unternehmensführung kalkuliert in ihrem Risikomanagement bewusst einen Reputationsschaden oder eine finanziellen Schaden aufgrund von Strafkosten ein und schätzt die Kosten und den Aufwand einer innerbetrieblichen Auseinandersetzung mit den rückgekoppelten Folgewirkungen höher ein. Die Organisation leistet dabei im Extremfall nicht nur Widerstand gegen die Legitimitätsansprüche der Öffentlichkeit oder gegen die Legalitätsanforderungen der Justiz, sondern fährt mit der Externalisierung der Folgewirkungen des eigenen Wirtschaftens fort. Besonders attraktiv ist diese Negierungs-Strategie bislang für international agierende Unternehmen, die sich bspw. mit der Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland sowohl dem direkten Druck einer sensibilisierten Öffentlichkeit als auch der Strafverfolgung der nationalen Behörden weitgehend entziehen können. Diese Art des Leistungsentzugs von Unternehmen ist nach Schwinn allerdings nur so lange möglich, wie die erhebliche Asymmetrie auf globaler Ebene zwischen den verschiedenen Wertsphären bestehen bleibt. „Diese aus ungleichmäßigen Globalisierungsgeschwindigkeiten der einzelnen differenzierten Bereiche sich ergebenden Dominanz- und Prioritätsverhältnisse zugunsten der Ökonomie würden erst dann wieder ausgeglichen werden, wenn die anderen Ordnungen sich ebenfalls auf der internationalen Ebene etablierten“ (Schwinn 2001: 385). Diesbezüglich zeigt sich eine Entwicklung, dass eine solche Etablierung durchaus mithilfe von groß angelegten Stakeholderdialogen angestrebt wird, deren Ergebnisse bspw. in der Norm ISO 26000 festgelegt werden sollen. Der im Jahr 2005 gestartete Prozess soll im Jahr 2010 mit der Verabschiedung dieser Norm beendet werden. Unter der ISO 26000 sollen bereits existierende Standards aus dem Bereich CSR wie die UN-Deklaration der Menschenrechte oder die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zusammengeführt werden. Insofern es sich bei der ISO 26000 um eine nicht zertifizierbare und damit auch nicht überprüfbare Norm handelt, die definieren soll, was gesellschaftlich verantwortliches Handeln ausmacht, und sie es bei Empfehlungen belässt, wie SR (Social Responsibility) in Organisationen – wobei explizit nicht ausschließlich auf Wirtschaftsorganisationen Bezug genommen wird – implementiert werden sollte, wird der Durchsetzungs- und Wirkungsgrad dieser Norm als sehr eingeschränkt angenommen (ISO SR 2008 April). Inwieweit sich rechtlich und politisch einheitliche Rahmenbedingungen beim Thema Korruption bereits durchgesetzt haben und welchen Wirkungsgrad
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diese Initiativen zu entfalten versprechen, wird zu einem späteren Zeitpunkt thematisiert (siehe Kapitel 7.1). 6.3.2.2 Interne Externalisierung Die Bezeichnung der zweiten möglichen strategischen Reaktion von Organisationen im Umgang mit widersprüchlichen Kriterien, die interne Externalisierung, verweist auf ein Verfahren, bei welchem innerhalb der Organisation geschlossene Handlungskontexte geschaffen werden. Der Erfolg dieser Strategie liegt in der Differenzierung der Zuständigkeiten auch auf organisationaler Ebene. Pohlmann spricht davon, dass Organisationen auf Anforderungen in Form von gesellschaftlichen Herausforderungen, die sie nicht mehr ignorieren können, mit „interner Differenzierung“ und damit „mit einer Vermehrung von Entscheidungen reagieren“ (Pohlmann 2008: 170). Im Sinne einer arbeitsteiligen Organisation werden Organisationseinheiten geschaffen, die vornehmlich für die Auseinandersetzung bspw. mit ökologischen oder sozialmoralischen Kriterien zuständig sind. Zwar ist hier eine erfolgreiche Institutionalisierung besagter Rationalitätskriterien möglich, allerdings besteht abhängig von der Ressourcen-, Sanktions- und Kompetenzverteilung die Gefahr, dass der Wirkungsgrad der Einheit auf ihren geschlossenen Problembearbeitungskontext beschränkt bleibt. Hinter der internen Externalisierungs-Strategie können zweierlei Motivationen der Unternehmensführung liegen: Auf der einen Seite kann der Einrichtung einer solchen Organisationseinheit die Funktion eines „Feigenblatts“ für die externe Kommunikation zugeschrieben werden. Hier besteht nicht der Anspruch, dass der Geltungsbereich von bspw. sozialmoralischen Rationalitätskriterien über die Grenzen der Einheit hinaus ausgeweitet wird. Insbesondere bei CSR-Abteilungen oder CSR-Stabsstellen, die sich der umfassenden Thematik der Unternehmensverantwortung widmen und dementsprechend durchaus ein Sammelsurium von sich widersprechenden gesellschaftlichen Anforderungen bearbeiten, lässt sich vermehrt eine solche Motivation erkennen. Für diese Annahme sprechen Indikatoren wie die Art der Einbettung der Abteilung in die Organisationsstruktur – bspw. wenn CSR-Bereiche an die Kommunikationsabteilung angegliedert werden –, wie die Kompetenzzuweisung – so sind CSR-Beauftragte oftmals nicht mit Weisungsbefugnis oder anderen Sanktionsmechanismen ausgestattet – oder auch wie die Ressourcenverteilung – so koordinieren CSR-Stabsstellen mit wenigen Mitarbeitern die CSRAktivitäten für einen international agierenden Konzern. In diesen Fällen ist die Funktion einer solchen Organisationseinheit allein auf seine Existenz beschränkt, auch wenn dies nicht zwangsläufig unerheblich für die Organisation sein muss.
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Dies wird am Beispiel des Dow-Jones-Sustainability-Indexes (DJSI) deutlich, der seit dem Jahr 1999 Unternehmen hinsichtlich der Nachhaltigkeit ihres Wirtschaftens bewertet. Hier nimmt die Selbsteinschätzung und Selbstdarstellung des Unternehmens, die per quantitativer Erhebung abgefragt wird, aus methodischen Gründen einen entscheiden Einfluss auf die Bewertung. Offensichtlich tritt damit der Fall ein, dass – wie im Neo-Institutionalismus propagiert – die „Legitimation unternehmerischer Strategien fernab der tatsächlichen zweckrationalen Eignung der vorgenommenen Maßnahmen oder der gegründeten Abteilungen für die Unternehmen wichtig ist“. Denn solche Maßnahmen, so Pohlmann weiter „werden auf diese Weise an gesellschaftliche Mythen und Moden gekoppelt, die sie für ihren Rationalitätsnachweis nutzen“ (Pohlmann 2008: 170). Auf der anderen Seite kann die Organisationseinheit durchaus mit dem Ziel eingerichtet werden, die gesamten Geschäftsprozesse zu analysieren und den Geltungsbereich der ökonomischen Leitidee mithilfe von ökologischen oder sozialen Richtlinien zu begrenzen, wobei das Management dabei vor großen Herausforderungen steht, wie Pohlmann in Bezug auf die Sicherstellung von Legalität bereits konstatiert (vgl. Pohlmann 2008: 170). Mit Blick auf die wirkungsvollen Rechts- und Complianceabteilungen sowie die Umwelt- und Nachhaltigkeitsabteilungen kann dies jedoch tatsächlich ein erfolgreicher Weg für Unternehmen sein, sich zumindest bestimmten gesellschaftlichen Anforderungen zu stellen. Dies führt zwangsläufig zu der Frage, inwiefern die Bezeichnung interne Externalisierung dieses strategische Vorgehen noch wirklich treffend beschreibt. Die Arbeit geht trotz des gesamtorganisatorischen Einflusses, den insbesondere Rechts- und Nachhaltigkeitsabteilungen durchaus verzeichnen können, von der Annahme aus, dass es sich hierbei lediglich um eine eingeschränkte Wirkungskraft handelt, die auf eine bestimmte Art limitiert ist. Denn selbst der Einfluss, der vordergründig bis in alle Arbeitsprozesse der Organisation reicht, beschränkt sich auf die Durchsetzungsfähigkeit von „harten“ Zielvorgaben. So wird der Geltungsbereich der dominierenden Leitidee durch umwelttechnische Auflagen der Abfallentsorgung ebenso eingeschränkt wie durch das Gesetz zur Regelung der Elternzeit. In beiden Fällen dient die Rechts- oder Umweltabteilung als Übersetzungseinheit, die die Rahmenbedingungen für das organisationsinterne Handeln definiert. Festzuhalten ist, dass sich durch die definierten Verantwortungsträger bestimmte ökologische und soziale Kriterien im Hinblick auf die Erzielung des ökonomischen Erfolgs als die Leitorientierung eines Wirtschaftsunternehmens selektiv berücksichtigen lassen. Entscheidend für die Fragestellung der Arbeit ist allerdings, dass damit nicht die Situationen berücksichtigt werden, die beim Thema Korruption zur
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Geltung kommen. Situationen, in denen keine klaren Rahmenbedingungen für das Handeln des Einzelnen definiert sind, bei denen keine Kennzahlen über integres oder nicht-integres Verhalten existieren, zeichnen sich bis zu einem gewissen Grad durch einen überall vorhandenen Grauzonenbereich aus und lassen einen weiten Interpretations- und damit auch Handlungsspielraum zu (siehe auch Kapitel 2.1). Gemeint sind Konfliktfälle, bei denen im Gegensatz zu Routineoperationen Entscheidungs- und Problemdefinitionskompetenz nicht Hand in Hand gehen, sondern „die sich einer institutionellen Bearbeitung (noch) nicht glatt fügen oder für die überhaupt erst nach einer entsprechenden Institutionalisierung gesucht werden muß“ (Schwinn 2001: 336). In einem solchen Konfliktfall muss der Akteur zwischen verschiedenen Rationalitätskriterien abwägen, um in einem bestimmten Handlungskontext rational zu handeln. Neben ökonomischen Rationalitätskriterien sollen dann rechtliche, sozialmoralische, wissenschaftliche oder auch ästhetische Kriterien in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Dieses Abwägen impliziert eine persönliche Bewertung, die aus Sicht der Organisation ein hohes Risiko in sich birgt. Bei Wieland kommen hier die moralischen Anreizstrukturen ins Spiel, mit deren Hilfe er das Individuum zum Handeln im Sinne der Organisation bewegen möchte. Welche Möglichkeiten der Organisation vor dem Hintergrund eines weberianischen Institutionenverständnisses bleiben, wird die dritte Strategie, die Institutionalisierung eines Gegenprinzips, aufzeigen. Zunächst bleibt jedoch festzuhalten, dass selbst die Organisationseinheiten, die über eine gewisse Wirkungsmächtigkeit in den gesamten Geschäftsprozessen verfügen, diese nicht in allen Handlungssituationen, insbesondere nicht in Dilemmasituationen auf individueller Ebene, durchsetzen können. Insofern bleibt die Bezeichnung internalisierte Externalisierung weiterhin zutreffend und die Frage offen, ob eine Form der Koordination der widersprüchlichen Rationalitätskriterien im organisationalen Kontext möglich ist, die auch die Konfliktfälle miteinschließt. 6.3.2.3 Institutionalisierung von Gegenprinzipien Mit der dritten Strategie, der Institutionalisierung von Gegenprinzipien, sollen organisationale Prozesse aufgezeigt werden, mit deren Hilfe eine solche Konflikte umfassende und damit erfolgreiche Koordination möglich wird. Die Verfahren zielen darauf ab, durch die Institutionalisierung von Gegenprinzipien auf der Ebene der Unternehmung das Spannungsverhältnis zwischen den verschiedenen Leitideen nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu benennen und zu verstärken, um somit auch Konfliktfälle sichtbar und der institutionellen Bearbeitung zugänglich zu machen. Durch eine institutionelle Trennung auch auf organisationaler Ebene
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sollen die verschiedenen Anforderungen für die Unternehmensführung handhabbar gemacht werden. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Überlegungen, die Schwinn hinsichtlich institutioneller Mechanismen auf gesellschaftlicher Ebene konstatiert. So ermöglichten Institutionen, dass sich für das sozialmoralische Wertpostulat eigene Bearbeitungsstandards und -verfahren entwickelt haben, die es erlauben, materiale Forderungen an unternehmerisches Handeln in einer für dieses kontrollier- und kalkulierbaren Weise zu adressieren (Schwinn 2001: 329). Im ersten Teil des Kapitels (a) wird ein Katalog an Leitfragen entwickelt, mit dessen Hilfe eine organisationale Konstellationsanalyse durchzuführen ist. Erst wenn für eine Organisation definiert werden kann, an welchen Stellen und in welchen Prozessen besonders die Gefahr besteht, die Dominanz der ökonomischen Rationalitätskriterien uneingeschränkt zuzulassen, kann der Versuch unternommen werden, durch eine aktive Neugestaltung der Institutionenordnung ein Gegengewicht durch die Institutionalisierung von Gegenprinzipien zu erreichen. Der zweite Teil des Kapitels (b) zielt darauf ab, Trägergruppen als entscheidende Einflussgröße bezüglich der Durchsetzungsfähigkeit von Leitideen für den organisationalen Kontext zu begründen. Anhand eines institutionalisierten Diskursverfahrens soll gezeigt werden, wie mögliche Trägergruppen in Wirtschaftsorganisationen zum Einsatz kommen können und welchen Beitrag sie damit zu leisten vermögen. (a) Organisationale Konstellationsanalyse Wie bereits gezeigt, liegt die besondere Herausforderung für Unternehmen in dem hohen Institutionalisierungsgrad der Leitidee der Wirtschaftlichkeit begründet, welcher die Institutionalisierung von Gegenprinzipien extrem erschwert. Denn je höher der Grad der Institutionalisierung einer Leitidee ist, desto dominierender werden die entsprechenden Handlungsstrukturierungen, was wiederum zu einer verengten Problembearbeitung führt. Dies bedeutet, dass Folgewirkungen des eigenen Handelns, die nicht mit den vorherrschenden Rationalitätskriterien bearbeitet werden können, aus dem Handlungskontext verbannt werden. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen und anderen nicht-ökonomischen Rationalitätskriterien gerade in Konfliktsituationen eine realistische Geltungschance einzuräumen, bedarf es also einer erfolgreichen Institutionalisierung sozialmoralischer Leitideen. Diese Institutionalisierung von Gegenprinzipien kann sich sowohl in einer Stärkung von bereits vorhandenen Leitideen als auch in der Institutionalisierung von neuen Leitideen widerspiegeln. Entscheidend ist, dass – im Unterschied zur zweiten Strategie der „internen Externalisierung“ – sichergestellt wird, dass, auch wenn die dominierende Leitidee der Wirtschaftlichkeit für die
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gesamte Organisation bestehen bleibt, in einzelnen Handlungssituationen rationales Handeln durch nicht-ökonomische Rationalitätskriterien definiert wird. Um diese einzelnen Handlungssituationen genauer spezifizieren zu können und vor dem Hintergrund der Annahme, dass es sich bei Organisationen um einen Kontext handelt, in welchem Leitideen über Rationalitätskriterien institutionalisiert und de-institutionalisiert werden können, bedarf es einer organisationalen Konstellationsanalyse, die auf der Institutionentheorie von Lepsius beruht. Sie soll mithilfe eines Fragenkatalogs Zugang zu den verschiedenen Hierarchieebenen und Handlungskontexten verschaffen. Dementsprechend basieren die folgenden Fragen, die als Leitfaden für eine solche Konstellationsanalyse dienen, auf dem bereits diskutierten Eigenschaftsraum von Institutionen. i. Welches Handeln gilt in welchen Situationen als „rational“ und wird dabei durch welche Leitidee legitimiert? ii. Bis zu welchem Grad lässt sich der Geltungskontext eines Rationalitätskriteriums aus anderen Handlungssituationen ausgliedern, um somit handlungsrelevant zu werden? iii. Welche Sanktionsstrukturen bekräftigen die Geltung welches Rationalitätskriteriums? Welche Mechanismen gibt es, ein wenig sanktionierbares Rationalitätskriterium im organisationalen Kontext zu stärken? iv. Welche Optionen gibt es, beabsichtigte oder unbeabsichtigte Folgewirkungen, die aufgrund der eingeschränkten Problembearbeitungsmöglichkeiten entstehen, aus dem Geltungskontext auszugliedern? Wie wird mit diesen externalisierten Folgewirkungen umgegangen? v. Wie lassen sich Vermittlungsstrukturen zwischen Institutionen gestalten, um die innerorganisationalen Institutionenkonflikte in für eine Organisation konstruktiver Weise auszutragen? Die organisationale Konstellationsanalyse hat zum Ziel, mithilfe des Fragenkatalogs die sogenannte organisationale Institutionenordnung zu bestimmen, um damit auf den unterschiedlichen Ebenen das Konfliktpotential widersprüchlicher Rationalitätskriterien identifizieren zu können. Dies wird am Beispiel der Analyse institutionalisierter Korruption exemplarisch dargestellt. (b) Trägergruppen und ihre Rolle hinsichtlich der Durchsetzungsfähigkeit von Leitideen Den folgenden Ausführungen wird die Prämisse zugrunde gelegt, dass es für die Institutionalisierung anderer, nicht-ökonomischer Leitideen entsprechender Trägergruppen bedarf, die die kontinuierliche Unterstützung der entsprechenden Rationalitätskriterien gewährleisten. Hintergrund dafür ist die Annahme, dass
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auch im organisationalen Kontext Leitkriterien keine selbstaktiven Ordnungskräfte sind und Professionsinteressen, Klientelinteressen und rechtliche Fixierungen zu ihren wichtigsten Stabilisatoren gehören (Schwinn 2001: 119). Neben den formalen Regeln sind institutionalisierte Interessensgruppen notwendig, die als Trägergruppen einer Leitidee fungieren. Als ein Element der Strategie der Institutionalisierung von Gegenprinzipien wird im Folgenden die Frage, wie Trägergruppen innerhalb von Wirtschaftsunternehmen organisiert werden können, diskutiert. Dabei gilt es, insbesondere die Rolle des oberen und mittleren Managements in den Fokus der Überlegungen zu stellen, da aufgrund der spezifischen Macht- und Autoritätsverhältnisse in Organisationen davon ausgegangen wird, dass die sogenannten Trägergruppen auf der Führungsebene organisiert werden müssen, um entscheidenden Einfluss auf die Durchsetzungsfähigkeit von Leitideen zu haben. Die verschiedenen Aspekte, die mit der Implementierung von Trägergruppen innerhalb einer Unternehmung einhergehen, sollen in einem zweistufigen Verfahren dargestellt werden. Zunächst soll die strukturelle Dimension, bei der es um die Ausdifferenzierung von Zuständigkeiten geht, aufgezeigt werden. Trägergruppen werden hier über ein institutionalisiertes Diskursverfahren organisiert und in die Lage versetzt, ihrem Auftrag gerecht zu werden und die Verantwortung zu übernehmen, nicht-ökonomischen Rationalitätskriterien zur Geltung zur verhelfen. Mit der zweiten Stufe wird die individuelle Ebene der Führungskräfte angesprochen, auf der trotz Ausdifferenzierung durch organisierte Trägergruppen Dilemmasituationen bestehen bleiben. Es wird argumentiert, dass es einer Selbstverpflichtung von Führungskräften bedarf, deren Ausgestaltung in Abhängigkeit des Handlungskontextes vorgenommen wird. Institutionalisierte Diskursverfahren Hintergrund für das Wirkungspotential, das dem Diskursverfahren zugeschrieben wird, ist die Annahme, dass es auch auf der organisationalen Ebene um Aushandlungsprozesse hinsichtlich der Grenzziehung zwischen unterschiedlichen sozialen Handlungsbereichen mit jeweils anderen Sinnkriterien geht. Die Rolle von Trägergruppen ist dabei insofern elementar, als diese Grenzziehungsprozesse, wie sie Schwinn für die gesellschaftliche Ebene konstatiert, „keinem objektiven Systemgeschehen [gehorchen], sondern […] abhängig von den Strategien der Trägergruppen dieser Sinnkriterien […] und damit Gegenstand sozialer Auseinandersetzung [sind]“. Daran anknüpfend führt Schwinn weiter aus, dass dort, „wo der eine noch die Anwendung ökonomischer Rationalitätskriterien sehen möchte, […] der andere eher politische oder sozialmoralische Kriterien [präferiert]“ (Schwinn 2001: 150).
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Übertragen auf den Unternehmenskontext wird die Schlussfolgerung gezogen, dass es organisierter Trägergruppen auch innerhalb dieses relativ geschlossenen Handlungsfelds bedarf, die zur Geltung nicht-ökonomischer Sinnkriterien beitragen. Um welche nicht-ökonomischen Rationalitätskriterien handelt es sich, für deren Stärkung sich Trägergruppen aus der Führungsebene einsetzen sollen? Als nicht-ökonomische Rationalitätskriterien lassen sich neben rechtlichen und wissenschaftlichen Kriterien insbesondere die sozial-moralischen hervorheben, da deren Existenz in Dilemma-Situationen wichtig für die Handlungsentscheidung ist. Ohne die Notwendigkeit der Berücksichtigung der anderen nichtökonomischen Kriterien zu negieren, sind es die sozial-moralischen, auf die der Fokus gelegt wird. Denn der Frage, was wirtschaftlich machbar und ökonomisch rentabel ist, folgt bislang die Frage, was rechtlich vertretbar ist, wohingegen die Frage, inwiefern wirtschaftliches Handeln sozial-moralisch legitimierbar ist, erst im Zuge einer Ausweitung des Verantwortungsbereichs von Unternehmen in den Vordergrund rückt. Wie lassen sich jedoch Trägergruppen von bestimmten Leitideen wie bspw. die der Gleichberechtigung organisieren, damit sie auf der einen Seite nicht losgelöst von den Geschäftsprozessen des Unternehmens sind, auf der anderen Seite über ausreichend Freiheit und Unabhängigkeit verfügen, um ihrem Auftrag nachzukommen? Welcher Zusammensetzung bedarf es? Ist die Zugehörigkeit zu einer solchen organisierten Trägergruppe zeitlich begrenzt, basiert sie auf Freiwilligkeit oder auf Zwang und welcher Rekrutierungsprozess liegt ihr zugrunde? Mit welchen Kompetenzen, Ressourcen und Sanktionsmechanismen sind sie ausgestattet? Wie ist ihre Zielvorgabe definiert? All diese Fragen hängen eng mit den Strukturen der Organisation zusammen und können damit nur organisationsspezifisch zufriedenstellend beantwortet werden. Generell lässt sich aber durchaus festhalten, dass es notwendig ist, eine organisationsübergreifende Strategie für die Institutionalisierung der Trägergruppen vor allem hinsichtlich ihrer Funktions- und Arbeitsweise festzulegen, da es sich auf organisationaler Ebene um eine aktive Implementierung von besagten Interessensgruppen und nicht um einen selbst gesteuerten Entwicklungsprozess handelt Die diskursive Auseinandersetzung ist ein solches Verfahren, das bei Grenzziehungsprozessen der Geltungskontexte von Rationalitätskriterien in Organisationen angewandt werden kann. Mit dem Verweis auf die Geltungskontexte soll an dieser Stelle als Randnotiz angeführt werden, dass es auch bei dem Diskursverfahren nicht um die Vermischung von Rationalitäten geht. So bedeutet das „Einbeziehen von heterogenen Werten in die formalen Bereiche […] nicht ein Aufweichen von deren basalen Wertorientierungen und methodischen
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Standards, sondern eine Neufestlegung von deren Geltungsbereich im Hinblick auf ein material gewünschtes Ergebnis“ (Schwinn 2001: 328). Ziel eines institutionalisierten Diskursverfahrens ist es vielmehr, schwache bspw. sozial-moralische Rationalitätskriterien in bestimmten Problemfällen in einem Kontext einer hochgradig institutionalisierten Leitidee der Rentabilität zu stärken und einen erweiterten Geltungsbereich anzustreben. Entscheidend dafür ist, dass die ausschließliche Priorisierung des Rationalitätskriteriums der Wirtschaftlichkeit durch die Stärkung des sozial-moralischen Kriteriums hinsichtlich der definierten Problemstellung aufgehoben und der Aushandlungsprozess tatsächlich ergebnisoffen gestaltet wird. Schwinn spricht auf gesellschaftlicher Ebene von Verhandlungsarenen, die „zu einzelnen Problemen punktuell, vorübergehend und informell eingesetzt werden oder zu einer dauerhaften intermediären Institutionalisierung gerinnen“ (Schwinn 2001: 372). Das unternehmensinterne Verfahren bedarf einer intermediären Institutionalisierung, wobei dies nicht im Widerspruch zu einer problemspezifischen Akzentuierung steht. Ausgehend von dem existierenden Spannungsverhältnis zwischen den verschiedenen Rationalitätskriterien, zielt die Institutionalisierung eines Diskurses also darauf ab, durch ein durch bestimmte Prämissen festgelegtes Verfahren dem Aushandlungsprozess hinsichtlich der Frage, welches Rationalitätskriterium in einer bestimmten Situation zur Geltung kommen soll, eine zeitlich und räumlich festgelegte Form zu geben. Damit soll dem Verfahren eine gewisse Stabilität und vor allem Legitimität verliehen werden, wobei dies nicht bedeutet, dass in bestimmten regelmäßigen Abständen zwangsläufig solche Diskursrunden einberufen werden müssen. Wichtig ist stattdessen, dass in konkreten Problemfällen automatisch das Verfahren einer diskursiven Auseinandersetzung zum Einsatz kommt, um sicherzustellen, dass das Ziel, die Durchsetzungschancen nichtökonomischer Leitideen an den entscheidenden Stellen der Geschäftsprozesse zu vergrößern und den Geltungskontext sozial-moralischer Rationalitätskriterien punktuell und situativ zu erweitern, nicht infrage gestellt wird. Festhalten lässt sich, dass für eine erfolgreiche Institutionalisierung von Gegenprinzipien die Organisation von Trägergruppen als ein notwendiges Element und das diskursive Verfahren als Instrument, um schwachen, bspw. sozialmoralischen Rationalitätskriterien Geltung zu verleihen, identifiziert wurden. Entscheidend für die erfolgreiche Institutionalisierung eines solchen Verfahrens ist unter anderem die Art und Weise der Organisation der Trägergruppen. Demnach müssen Trägergruppen mit umfangreichen Ressourcen, zu denen finanzielle ebenso wie personelle gehören, ausgestattet sein. Der Kompetenzbereich muss so weit gesteckt sein, dass die erarbeiteten Lösungen mithilfe von Sanktionsmitteln in den jeweiligen Geschäftsbereichen durchgesetzt gesetzt werden können. Die Legitimationsfähigkeit der Trägergruppen hängt eng mit dem Institutionalisie-
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rungsgrad des gesamten diskursiven Verfahrens zusammen und trägt somit entscheidend dazu bei, dass diese Verhandlungsarenen zur tragenden Säule einer neuen legitimierten Institutionenordnung werden können. Selbstverpflichtung von Führungskräften Bei oben ausgeführtem Diskursverfahren spielt der strukturelle Kontext eine entscheidende Rolle, da das Verfahren darauf abzielt, auch auf der Ebene der Führungskräfte Entlastung für den Einzelnen zu erreichen. Dies kann insoweit erreicht werden, als bis zu einem gewissen Grad der organisatorisch vorhandenen parallelen Existenz von kontradiktorischen Leitideen mithilfe von Rollendifferenzierung in Form von unterschiedlichen Trägergruppen begegnet wird. Da das Handlungsfeld von Mitarbeitern in Führungspositionen auch im Fall organisierter Trägergruppen nicht vollständig homogen strukturiert ist, existieren jedoch weiterhin Situationen, in denen der Konflikt zwischen den Rationalitätskriterien von den Akteuren individuell ausgetragen werden muss. In Bezug auf Wirtschaftsorganisationen wird nachfolgend die Frage der Selbstverpflichtung von Führungskräften zu diskutieren sein, da die Realisierungschancen von spezifischen Wertbeziehungen innerhalb von Unternehmen insbesondere vom Verhalten der Führungskräfte abhängen. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach dem tatsächlichen Handlungsspielraum, der den Akteuren gegeben ist: Welcher strukturellen und persönlichen Bedingungen bedarf es, dass sich der Einzelne tatsächlich frei zwischen den Rationalitätskriterien entscheiden kann. Welcher persönliche Freiheitsgrad und welche individuelle Kompetenz müssen mit welchen Ressourcen und Strukturen gekoppelt sein, damit dies möglich ist? Auf die Differenzierung in die strukturelle und die individuelle Ebene, die offensichtlich in die Analyse einzubeziehen ist, wird in den gesamten Ausführungen verwiesen. Hintergrund der folgenden Ausführungen sind Überlegungen, die Lepsius in Bezug auf Webers Appelle in „Wissenschaft als Beruf“ anstellt und die die universitäre Situation aufgreifen, die als Handlungssituation eben nicht homogen auf die Verwirklichung der Rationalitätskriterien von Wissenschaft ausgerichtet sein kann (Lepsius 1995b: 31f.). Lepsius konstatiert, dass, je weniger ein Rationalitätskriterium aus den Sanktionsstrukturen des Handlungskontextes selbst bekräftigt wird, es umso stärker verinnerlicht werden muss. Die Überhöhung des Berufs des Wissenschaftlers wird vor diesem Hintergrund insofern verständlich, als Weber im Zusammenhang der Lehrenden an Universitäten für die Stärkung der Verhaltensgeltung von Rationalitätskriterien der Wissenschaft und Forschung gegenüber den Kriterien der Lehre und Ausbildung eintritt und die Verwirklichung der Rationalitätskriterien der Wissenschaft aufgrund der diffusen
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Handlungssituation vornehmlich durch eine starke Selbstverpflichtung des Wissenschaftlers erfolgen kann. Lepsius geht davon aus, dass die Realisierungschancen von spezifischen Wertbeziehungen in allen derartigen Verhaltenssituationen – nicht nur in der Universität – auf dem Verhalten von Individuen ruhen (Lepsius 1995b: 332), weshalb der „Führung“ und damit auch den Rekrutierungsmechanismen und der Personalauswahl eine wichtige Rolle zukommt. Vor diesem Hintergrund stellt sich hinsichtlich der Selbstverpflichtungsthematik von Führungskräften im ökonomischen Kontext die Frage nach den Bedingungen, die notwendig sind, um eine solche bei Managern implementieren und wirksam machen zu können. Eine entscheidende Prämisse ist das Berufsverständnis. Da im nachfolgenden Kapitel ausführlich auf diesen Aspekt eingegangen wird und darüber hinaus ein eigenes Konzept eines „institutionellen Entrepreneurs“ entwickelt wird (siehe Kapitel 6.4.3), gilt es, in diesem Zusammenhang bereits auf die Frage des Berufsethos bei Managern einzugehen. So hat sich, obgleich der Tätigkeitsbereich von Mitarbeitern des mittleren und oberen Managements immer stärker unternehmerische Kompetenzen erfordert, bislang noch kein eigener Berufsstand des Managements und damit auch noch kein eigenes Berufsethos herausgebildet. Nachdem aufgrund von verschiedenen Skandalen und Affären das als „Manager“ bezeichnete Führungspersonal in den letzten Jahren – insbesondere bei Managern von Banken im Zuge der Finanzkrise im Jahr 2008 – stark an Reputation eingebüßt hat, lassen sich durchaus Aktivitäten verzeichnen, die auf eine Entwicklung eines eigenen Berufsstands hinzuwirken versuchen. Angesetzt wird beispielsweise in der vorberuflichen Sozialisation, indem von Wirtschaftsabsolventen ein hippokratischer Eid in Form eines moralischen Kodexes abverlangt wird. So schreibt die „Financial Times Deutschland“: „In Zeiten, in denen die Manager mitverantwortlich für das Chaos an der Börse gemacht werden, wollen Jungmanager die Ehre des Berufs retten. Den Eid haben die Young Global Leaders (YGL), eine vom World Economic Forum ernannte Gruppe von jungen Führungskräften aus aller Welt, entwickelt. In Deutschland werden die diesjährigen Studienbeginner der European Business School (EBS) in Hessen die ersten sein, die das Gelöbnis ablegen können“ (FTD: September 2009). Eng verbunden mit der Thematik eines speziellen Manager-Berufsethos’ ist die Frage nach der moralischen Sensibilität, die neben dem individuellen Freiheitsgrad erheblichen Einfluss auf die Wahl des handlungsleitenden Rationalitätskriteriums in Konfliktsituationen hat. Gerade unter dem Druck eines hochgradig institutionalisierten Rationalitätskriteriums der Wirtschaftlichkeit bedarf es eines hohen Maßes an moralischer Sensibilität, um die Konfliktsituationen
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überhaupt wahrnehmen zu können. Dies wäre die Voraussetzung dafür, den sozial-moralischen Rationalitätskriterien ohne vorhandene Sanktionsmechanismen aufgrund einer verinnerlichten Haltung zur Geltung zu verhelfen. Inwieweit moralische Sensibilität als antrainierbar erachtet wird und somit als Teil der Personalentwicklung im organisatorischen Kontext ausgebildet werden kann oder ob sie als individuell vorhandene oder eben nicht-vorhandene Kompetenz zum Auswahlkriterium für die Führungskräftekarriere erhoben werden soll, ist für diesen Zusammenhang zu vernachlässigen. Entscheidend ist, dass der Faktor einer moralisch sensiblen Persönlichkeit einhergehend mit einem hohen Grad an Selbstreflexion in institutionell ungeregelten Konfliktfällen von erheblicher Bedeutung ist. Festhalten lässt sich an dieser Stelle, dass sowohl die organisationale Konstellationsanalyse als auch die Institutionalisierung von Trägergruppen Hinweis darauf gibt, welchen Herausforderungen sich ein Unternehmen zu stellen hat, das die erfolgreiche Koordination von sich widersprechenden Rationalitätskriterien als entscheidenden Beitrag für den gesamten Unternehmenserfolg definiert. Offensichtlich sind auf der Führungsebene die strukturelle und die individuelle Ebene eng verzahnt, so dass die organisationalen Konsequenzen aus der Kombination der beiden Erkenntnisbereiche gezogen werden müssen. Anwendung werden die bislang noch abstrakten Ergebnisse im Zuge der näheren Auseinandersetzung mit dem Korruptionsphänomen finden, wobei dafür im Vorfeld zunächst der Blick auf die Konsequenzen für die Führungskräfte ebenso wie für die Mitarbeiter gelenkt werden muss. 6.4 Unternehmensführung als Institutionenpolitik Die drei vorab dargelegten Strategien, mit denen Organisationen auf die Anforderungen aus der äußeren Institutionenordnung reagieren, stehen für jeweils unterschiedliche Managementstrategien. Da sowohl die Strategie der Negierung von Verantwortungszuschreibungen als auch die der internen Externalisierung keiner von den üblichen Maßnahmen abweichenden Reaktionen aus dem Management bedarf, hingegen im Fall der Institutionalisierung von Gegenprinzipien das der Arbeit zugrunde liegende wertbezogene Institutionenverständnis die Analyse neuer Verhaltensstrategien ermöglicht, werden im Folgenden ausschließlich die Konsequenzen für das Management und die entsprechenden Maßnahmen für die Belegschaft, was die dritte Strategie betrifft, betrachtet.
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Exkurs zum Diskursverständnis Da in den folgenden Ausführungen wiederholt die Begriffe Diskurs, Wertdiskurs, Verhandlungsarenen, Diskurs mit außenstehenden Dritten, diskursive Auseinandersetzung in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet werden, bedarf es an dieser Stelle einer grundsätzlich Klärung, in welchem Zusammenhang diese Begriffe stehen und wie sie im Kontext dieser Arbeit verwendet werden. Der Begriff Diskurs oder diskursiv soll den Aushandlungscharakter und die Ergebnisoffenheit von Diskussionen und Entscheidungsprozessen in den Vordergrund stellen, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine bilaterale Kommunikation oder um eine Diskussionsrunde mit mehreren Teilnehmern handelt. Bei dem „Diskurs mit außenstehenden Dritten“ handelt es sich um einen bilateralen Austausch, der jedoch ebenfalls darauf abzielt, zwischen bestimmten Interessen und Leitideen abzuwägen und zu einer handlungsrelevanten Entscheidung zu kommen. Bei der Diskussionsrunde, dem „institutionalisierten Diskursverfahren“, die hier auch als „Verhandlungsarena“ bezeichnet wird, treten Vertreter von Trägergruppen bestimmter Leitideen zusammen, um sich hinsichtlich spezifischer Probleme in organisierter Weise in den Kommunikationsprozess zu begeben. Entscheidend ist hier, dass auf der organisationalen Ebene nicht zwischen Verhandlungsarenen und institutionalisierten Diskursverfahren unterschieden wird und davon ausgegangen wird, dass beiden das Potential zur Entscheidungsfindung in Form eines Kompromissprodukts zugeschrieben werden kann. Im Gegensatz dazu bedarf es auf gesellschaftlicher Ebene, wie es in Kapitel 7.3 der Fall sein wird, einer solchen Unterscheidung, um auf die Herausforderungen solcher Verfahren verweisen zu können. Während dem sogenannten „Wertdiskurs“ oder auch „Wertdiskurs-Verfahren“ aufgrund seiner fehlenden Legitimation kein Potential für eine tatsächliche Entscheidungsfindung mit entsprechenden Konsequenzen zugeschrieben wird, werden in Abgrenzung dazu bei „Verhandlungsarenen“ Machtasymmetrien zwischen den Beteiligten berücksichtigt und anstelle des Ideals eines machtfreien Diskursraums eine praktikable und realitätsnahe Vorgehensweise gewählt. Abschließend bleibt der Verweis auf die Wertdiskussion bei Weber, die Wertkonflikte nicht löst und auch keine Institution der Versöhnung ist. „Aber sie macht es möglich, daß sich der Kampf der Götter in einem rationalen Rahmen vollzieht“ (Schluchter 1996: 254), und das ist ein Beitrag, der in seiner Wichtigkeit nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
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6.4.1 Gegenstand von Unternehmensführung: die Koordination von widersprüchlichen Interessen und Leitideen Mit Rückgriff auf bereits getroffene Prämissen bspw. hinsichtlich des Organisationsverständnisses der Arbeit wird im Folgenden das Konzept der Unternehmensführung als Institutionenpolitik entwickelt. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen hochgradig arbeitsteilig organisierte, multinational agierende Unternehmen, die sich durch eine klare hierarchische Befehlsstruktur auszeichnen. Trotz des längst überwundenen Leitbildes einer Arbeits- und Organisationsgestaltung als eine „wohl durchdachte reibungslos funktionierende Maschine“, in der der Faktor Arbeit durch materielle Anreize (Lohngestaltung) und regelmäßige Kontrollen (Überwachung) eingespannt war“ (Badura 2002: 376), werden in Unternehmen, so Badura weiter, durch die Verteilung von Weisungsbefugnissen auf allen Hierarchieebenen Sanktionsmechanismen implementiert, die ein zielgerichtetes Handeln garantieren sollen. Da an anderer Stelle bereits auf das der Arbeit zugrunde liegende theoretische Organisationsverständnis eingegangen wurde, soll an dieser Stelle der Hinweis darauf genügen. Vielmehr gilt es, den Blick auf die für eine erfolgreiche Institutionalisierung von Leitideen entscheidenden Akteursebenen zu lenken und zwischen zwei Hauptakteursgruppen zu unterscheiden: die Gruppe der Führungskräfte und die Gruppe der Mitarbeiter (im Folgenden u. a. auch als Belegschaft bezeichnet). Das für diesen Kontext bemerkenswerte Charakteristikum für die Gruppe der Führungskräfte ist der strategische Aspekt ihrer Tätigkeit. Unabhängig von der Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Geschäftsbereich und unabhängig von der Situierung auf der jeweiligen Managementebene zeichnet sich die Gruppe der Führungskräfte dadurch aus, dass sie in ihrem Handlungsfeld strategische Entscheidungen zu treffen hat. Die auf Vorstandsebene getroffene Gesamtstrategie wird von den Führungskräften auf die operative Ebene transportiert und damit umsetzbar gemacht. Hingegen gilt aufgrund der hierarchischen Organisationsstruktur für die Mitarbeiter jedweder Geschäftsbereiche, dass der Fokus auf der Umsetzung und nicht auf der Reflexion von Vorgaben liegt. Die Entlastung, die aus einer legitimierten unternehmensinternen Institutionenordnung für die Mitarbeiter resultiert, ist, wie nachfolgend noch ausgeführt wird, dementsprechend für die Belegschaft von elementarer Bedeutung. Um Unternehmensführung als Institutionenpolitik zu verstehen, bedarf es eines Organisationsverständnisses, das der Prämisse folgt, dass trotz einer hierarchischen Organisationsstruktur eine effektive Unternehmensführung die Unterdrückung entgegengesetzter Interessen und die zwanghafte Durchsetzung von
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Ideen verhindert. Dies gilt es insofern zu betonen, als in dieser Prämisse einer der entscheidenden Unterschiede zur Neuen Organisationsökonomik begründet ist. Denn Wieland hält an einer zwanghaften Durchsetzung des Interesses der Unternehmung fest und zielt auf eine Harmonisierung der Individualinteressen mit den Organisationsinteressen ab. An diesem Vorhaben ändert sich auch nichts, selbst wenn das Ziel mithilfe einer moralsensitiven Governancestruktur zu erreichen versucht wird. Im Unterschied dazu wird hier davon ausgegangen, dass der Erfolg einer Unternehmensführung, die sich mit den bereits benannten Herausforderungen konfrontiert sieht, in der problemlösungsorientierten Koordination der innerorganisational kollidierenden Interessen liegt. Wie ebenfalls bereits ausgeführt, ist für die Institutionalisierung von Gegenprinzipien eine unternehmensinterne, organisationale Konstellationsanalyse notwendig, die das Unternehmen, das trotz seiner arbeitsteiligen Organisation als relativ geschlossenes Handlungsfeld charakterisiert wird, einer differenzierten Betrachtung zugänglich macht. Die Leitfragen, die im vorherigen Kapitel in diesem Zusammenhang entwickelt wurden, werden auch im Folgenden dazu dienen, einzelne Handlungskontexte hinsichtlich der verschiedenen Leitideen und kollidierenden Rationalitätskriterien zu analysieren. Dies ist auch der erste Schritt, den es von Führungskräften einer Organisation zu machen gilt, in der sich die Unternehmensleitung zum Ziel gesetzt hat, Gegenprinzipien zum Rentabilitätsprinzip zu institutionalisieren. Denn ohne eine Bestandsaufnahme der Ausgangssituation samt Explikation der Problemfelder lässt sich keine organisationale Institutionenordnung verändern bzw. neu generieren, die dem Anspruch gerecht wird, einen entscheidenden Beitrag zur Gesamtstabilität des Unternehmens zu leisten. Wichtig ist es hervorzuheben, dass für diesen Schritt auf der Führungsebene normative Entscheidungen getroffen werden müssen, und zwar hinsichtlich der Fragen, welche Leitideen als Gegenprinzip zum Rentabilitätsprinzip institutionalisiert werden sollen und welche Gewichtung diese erfahren. Dies schließt an die Ausführungen von Lepsius an, der auf gesellschaftlicher Ebene für die Institutionenpolitik konstatiert, dass „normative Entscheidungen zu fällen [sind], eine Willensbildung nach bloß funktionaler Effizienzvermutung verfehlt die Reflexion der Wertbeziehungen, die eine Institutionenordnung repräsentiert“ (Lepsius 1995a: 402). Abhängig von verschiedenen Faktoren wie die branchenspezifische Zuschreibung der extern an das Unternehmen herangetragenen Anforderungen, die Größe und des Tätigkeitsfeldes des Unternehmens etc., muss die einzelne Organisation durch ihre strategische Ausrichtung definieren, wie die neue interne Institutionenordnung gestaltet werden muss, um erfolgreich sein. Erfolgreich meint hier die gelungene Koordination der unterschiedlichen Leitideen und nicht
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die Erhöhung von Erfolgs- und Effizienzargumenten, mit der die eigentliche Problematik der Institutionenpolitik ignoriert werden würde. Denn das Ziel der Institutionenpolitik „ist nicht die Erhöhung der funktionalen Effizienz einer Leitidee und ihrer Rationalitätskriterien, sondern die Beachtung der Interdependenz verschiedener Leitideen und die Vermittlung ihrer Konflikte“ (Lepsius 1995a: 402). Dabei steht Institutionenpolitik für die bewusste Einflussnahme auf den Grad und die Richtung einer bestimmten Leitidee, die institutionalisiert oder deinstitutionalisiert wird (vgl. Lepsius 1995a: 400). Die Unternehmensleitung hat demnach die Aufgabe, mithilfe von verschiedenen Verfahren aktiv in die Institutionalisierungs- und De-Institutionalisierungs-Prozesse des Unternehmens einzugreifen. Dazu gehört, dass die Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass jegliche Handlungen und Entscheidungen, die sich auf die erforderlichen Rationalitätskriterien stützen, als „rational“ im Sinne des Vollzugs der gewünschten Leitidee gelten. Denn die „Befolgung [der Rationalitätskriterien] in einer angebbaren Handlungssituation gilt als ,rational‘ für die Verwirklichung einer legitimierten Leitidee“ (Lepsius 1997: 58). Zusammenfassen lassen sich die ausgeführten Überlegungen in der folgenden Annahme, auf die sich die weiteren Ausführungen beziehen werden: Die Legitimität eines Unternehmens, seine organisationale Stabilität und damit auch sein Erfolg als wirtschaftlich tätige Organisation hängt entscheidend davon ab, ob im Prozess der Institutionalisierung einer „neuen“ Institutionenordnung, und zwar in Form der oben ausgeführten Institutionalisierung von Gegenprinzipien, die kollidierenden Interessen gleichzeitig im Sinne einer erfolgreichen Koordination berücksichtigt werden können. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, inwiefern sich Unternehmensführung als Institutionenpolitik definieren lässt. Entsprechend der unterschiedlichen Rollenbestimmungen und Verantwortungsbereiche der beiden Hauptakteursgruppen ergeben sich verschiedene Konsequenzen struktureller und individueller Art. 6.4.2 Rollendifferenzierung: Führungskräfte und Belegschaft Für die Analyse der unterschiedlichen Bedürfnisse der beiden Hauptakteursgruppen bedarf es eines kurzen Rückblicks auf das Kapitel zur Legitimität und „Moralität“ von Institutionen. Ausgangspunkt bildet die Tatsache, dass sich Individuen an institutionalisierten Verhaltensweisen orientieren. Damit wird das Agieren in einer legitimierten Ordnung für den Einzelnen zur Entlastung, da die Richtigkeit des Handelns gewährleistet ist. Auch wenn sich Führungskräfte von
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Unternehmen zweifelsohne ebenfalls in einem definierten Ordnungsrahmen bewegen und sich demnach an institutionalisierten Verhaltensweisen orientieren, definiert sich ihr Führungsanspruch gerade auch aus der Verantwortung, legitimierte Institutionen zu hinterfragen und gegebenenfalls eine neue Institutionenordnung aktiv mitzugestalten. Für die Organisationsmitglieder hingegen, die keine strategischen Entscheidungen treffen und die damit auch nicht zwangsläufig Reflexionen über die Institutionenordnung anzustellen haben, ist die Entlastung durch die Institutionenordnung von umso größerer Bedeutung. Auch wenn die Mitarbeiter damit nicht vollständig von der Notwendigkeit zur moralischen Selbstreflexion über mögliche Konsequenzen ihrer Entscheidungen freigesprochen werden, steht dennoch die legitimierte Institutionenordnung weitgehend für die Integrität ihres Handelns. Insofern der Struktur der Institutionenordnung selbst eine moralische Dimension zugeschrieben werden kann, werden Appelle an moralisches Verhalten auf der Ebene der Mitarbeiter als wenig erfolgversprechend tituliert und der Gestaltung der Institutionenordnung der Organisation verstärkte Beachtung geschenkt. Die Verantwortung für eben diese Ausgestaltung der Organisationsstruktur liegt in den Händen der Führungskräfte, bei denen dementsprechend in weitaus größerem Maße die persönlichen Kompetenzen eine Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, zu identifizieren, welche Erfolgskriterien für die Institutionalisierung einer neuen Leitidee im organisationalen Umfeld elementar sind und welche unterschiedlichen Konsequenzen für die beiden Gruppierungen „Führungskräfte“ und „Belegschaft“ in ihrem jeweiligen situativen Kontext daraus folgen (siehe Abbildung 3).
Führungsebene
Mitarbeiterebene
Konsequenzen auf struktureller Ebene
Konsequenzen auf individueller Ebene
Organisierte Trägergruppen Institutionalisierte Diskursverfahren Diskursverfahren mit „außenstehenden Dritten“
Kompetenzen: moralische Sensibilität, (Selbst-) Reflexionsfähigkeit, Sensorium für alle Sphären Selbstverpflichtung und Selbstbegrenzung Berufsethos Manager: „institutioneller Entrepreneur“
Legitimitätsfähigkeit der inneren Institutionenordnung (IO) Sanktionsfähigkeit der inneren IO Leistungsfähigkeit der inneren IO
Abbildung 3: Erfolgskriterien für Institutionalisierung von Gegenprinzipien (eigene Darstellung)
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Offensichtlich liegen die gestalterischen Elemente auf der Ebene der Führungskräfte, während sich die innere Institutionenordnung zwar durch die Mitarbeiter als Handelnde in Institutionen bestätigt, aber nicht zielgerichtet verändert wird. Insofern ist es notwendig, zunächst die Rolle der Führungskräfte auf den beiden Ebenen – der strukturellen und der individuellen – zu spezifizieren. Trotz möglicher Redundanzen zu den vorherigen Kapiteln sollen in diesem Zusammenhang nochmals alle Aspekte, die in der Matrix aufgeführt werden, einzeln benannt werden. 6.4.3 Der institutionelle Entrepreneur und die Rolle von Führungskräften Um ihrer Rolle als Führungskraft auf individueller Ebene gerecht werden zu können, die es nicht zuletzt notwendig macht, dominierende Leitideen zu identifizieren und schwache Rationalitätskriterien zu stärken, bedarf es einer hohen Selbstreflexion, gepaart mit einem ausgeprägten Sensorium für die verschiedenen Wertsphären sowie eines hohen Maßes an moralischer Sensibilität. Mit Rückgriff auf den von DiMaggio (1988: 12) eingeführten Begriff des institutionellen Entrepreneurs, soll im Folgenden ein eigenes Verständnis eines idealtypischen Managers entwickelt werden, der sowohl über oben genannte persönliche Fähigkeiten verfügt, als auch die Verantwortung, die sich aus diesem Rollenprofil ergibt, aktiv übernimmt. Dabei werden hier die Überlegungen von DiMaggio bezüglich dessen Verständnis eines „institutionellen Entrepreneurs“ aufgegriffen und weitergeführt. Die Intention von DiMaggio, einen strategischen Akteur wie den institutionellen Entrepreneur in sein Theoriekonzept einzubinden, liegt in der bereits früh an ihn herangetragenen Kritik begründet, den Faktor Interessen in seinem Ansatz zu vernachlässigen. Er schreibt dem Akteur ein Interesse an der Ausgestaltung von institutionalisierten Strukturen zu und stattet ihn mit Ressourcen aus, mit denen er diese beeinflussen vermag. „Durch die erfolgreiche Beeinflussung institutionalisierter Strukturen kann sich der Entrepreneur legitimieren und sogar institutionalisieren. Damit erhält er einen Grad an Autonomie, der es ihm umfassender ermöglicht, bestehende Institutionen infrage zu stellen, De-Institutionalisierungsprozesse zu forcieren und Wandel gemäß seinen Interessen zu beeinflussen“ (Hiß 2005: 196). Die Bezeichnung des institutionellen Entrepreneurs soll, wie eingangs beschrieben, die Kombination aus Fähigkeiten, die Unternehmern – jedoch nicht zwangsläufig Managern – zugeschrieben wird, in Bezug zu der institutionellen Eingebundenheit der Akteure setzen, wobei hier explizit die innere Institutionenordnung im Fokus steht. Dementsprechend wird zunächst mithilfe eines Rück-
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griffs auf das Persönlichkeitsverständnis von Weber und der damit zusammenhängenden verantwortungsethischen Maxime eine Grundlage für ein Berufsbild eines institutionellen Entrepreneurs geschaffen, um im Anschluss daran ein weiteres Diskursverfahren einzuführen, das darauf abzielt, vor dem Hintergrund des erweiterten Verantwortungsbegriffs eine persönliche Entlastung der Führungskraft auf struktureller Ebene zu ermöglichen. 6.4.3.1 Persönlichkeit und Verantwortung Gerade da das Berufsethos, wie es Ärzte, Juristen oder auch Unternehmer im Sinne des „ehrbaren Kaufmanns“ kennen, nicht direkt auf den Beruf des Managers übertragbar ist, stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage sich ein Berufsbild eines institutionellen Entrepreneurs für das Management entwerfen lässt. Der nachstehende Exkurs zur Verantwortungsethik bei Weber verfolgt lediglich das Ziel, eine Richtung aufzuzeigen, wie sich einer Neukonzeption des Managerberufs theoretisch genähert werden könnte. Es wird dementsprechend nur ansatzweise aufgezeigt, wie sich der Begriff Verantwortungsethiker, der „kritisch-ethische Rationalist“ (Schluchter 1980: 58), auf das Management als eine entscheidende Trägergruppe der ökonomischen Wertsphäre übertragen lassen könnte. Voraussetzung dabei ist, dass mit Weber davon ausgegangen wird, dass von einem sogenannten Kulturmenschen verlangt werden kann und muss, dass er, eben weil er nicht ausschließlich Wissenschaftler, Unternehmer oder Politiker ist, zu den Problemen und Fragestellungen dieser Welt Stellung bezieht. Exkurs zur Verantwortungsethik bei Weber Die Grundlage der Verantwortungsethik bilden pluralistische und konflikttheoretische Prämissen hinsichtlich Wertvorstellungen und Ordnungsansprüchen. Das Handlungssubjekt, der Kulturmensch, der nach Weber sein Leben bewusst führen sollte, verfügt in der entzauberten Moderne über ein hohes Maß an Freiheit und Autonomie. Neben dem individualistischen Ausgangspunkt des kantschen Freiheitsgedanken ist für die Persönlichkeitstheorie von Weber entscheidend, dass immer auch die „moralische Selbstbeschränkung der negativen Freiheit“ (Bienfait 1999: 250) mitgedacht wird (siehe auch Kapitel 4.2.2.1). Denn „Freiheit als Selbstgesetzgebung und Selbstbestimmung, gelebt in der persönlichen Entscheidung für bestimmte Werte und entsprechende Handlungen, ist die eigentliche Ressource eines sinnhaften Lebens“ (Bienfait 1999: 138). Seiner aufgeklärten Denkungsart entsprechend sieht Weber das Handlungssubjekt in der moralischen Pflicht zur Selbstbeherrschung und Selbstbegrenzung. Diese resul-
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tiert entweder aus der Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren und sich selbst gegenüber über das eigene Tun und seiner Sinnhaftigkeit Rechenschaft ablegen zu können, oder aus dem Diskurs mit anderen Personen. Dieses verfahrenstheoretische Element einer Wertdiskussion verweist auf das dialogische Prinzip der kritischen Prüfung, durch welches sich die formale Verantwortungsethik von der kantschen formalen Gesinnungsethik, die dem monologischen Begründungsprinzip folgt, unterscheidet. Dabei geht es bei der Wertdiskussion nicht darum, einen Wertekonsens – im Sinne der Habermas’schen Diskursethik – herzustellen. Vielmehr bildet sie „dasjenige Medium, durch das hindurch sich dieser Kampf [der Götter] rational vollziehen kann. Rational heißt, daß Überzeugungen mit guten Gründen objektiviert werden“ (Schluchter 1988 Bd. I: 310). Der Kampf der Götter steht für den Wertepluralismus. Die Paradoxien auszuhalten und eine sorgfältige Güterabwägung vorzunehmen im Sinne der verantwortungsethischen Maxime: „Handle gemäß deiner besten Überzeugung von deiner Pflicht und darüber hinaus so, daß du nach bestem Wissen und Gewissen die (voraussehbaren) Folgen deines Handelns auch verantworten kannst“ (Schluchter 1988a: 253), ist das, was Weber von einem aufgeklärten Kulturmenschen erwartet, der über eine Persönlichkeit verfügt. Denn „die moralische Persönlichkeit ist gefordert“, so Agathe Bienfait, „ihre Selbstbestimmung und Identität ohne die Hilfe objektiver Ordnungsinstanzen gegenüber der Heterogenität von Werten, Ordnungen und Mächten zu behaupten“ (Bienfait 1999: 138). Deutlich wird, dass der Freiheitsbegriff bei Weber ambivalent ist und grundsätzlich mit einer gewissen Schuldhaftigkeit in Verbindung gebracht wird, da aufgrund des Zurechnungsproblems der Folgen seines Handelns jede bewusste Entscheidung im Zuge der Ausführung an der „Paradoxie der Folgen“ (vgl. Bienfait 2006: 167) scheitern kann. Festzuhalten bleibt, dass das Ethikverständnis von Weber ebenso wenig mit der Gesinnungsethik, die die moralische Angemessenheit einer Handlung über deren Effizienz stellt, einhergeht wie mit der Anpassungsethik, die im Gegensatz dazu die moralische Angemessenheit der Effizienz unterordnet. Mit der Verantwortungsethik versucht Weber „zwischen moralischer Angemessenheit und Effizienz mit Rücksicht auf die vorgegebenen Bedingungen einen spannungsreichen Ausgleich herzustellen“ (Schluchter 1980: 39). Der Exkurs zur Verantwortungsethik bei Weber unterstreicht die zwei Aspekte aus der Matrix (siehe Abbildung 3): Selbstbegrenzung durch einen ehrlichen inneren Diskurs sowie Selbstbegrenzung durch den Diskurs mit außenstehenden Dritten, bei denen der eine auf der individuellen und der andere auf der strukturellen Ebene verankert ist. Entscheidend für verantwortungsethisches Handeln ist demnach die persönliche Fähigkeit zur Selbstreflexion, die das eigene Handeln infrage zu stellen vermag. Einen ehrlichen inneren Diskurs über das
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eigene Tun zu führen erfordert neben einem hohen Grad an Selbstreflexion ein ausgeprägtes Maß an moralischer Sensibilität. Auch wenn für den zweiten Aspekt, Selbstbegrenzung durch den Diskurs mit anderen Personen zu ermöglichen, ebenfalls eine gewisse Fähigkeit zur Selbstreflexion vorausgesetzt werden muss, stellt dieses Verfahren keine annähernd so hohen Anforderungen an den Einzelnen. 6.4.3.2 Strukturelle Entlastung durch den Diskurs mit außenstehenden Dritten Auch wenn es in den folgenden Ausführungen um ein diskursives Verfahren geht, unterscheidet dies sich sowohl bezüglich der Zielsetzung als auch des Vorgehens grundlegend von dem bereits ausgeführten institutionalisierten Diskursverfahren, das auf struktureller Ebene in Organisationen verankert ist und nicht zuletzt zur Organisation und Funktion der Trägergruppen beiträgt (siehe Kapitel 6.3.2.3). In letzterem Fall geht es schließlich um die Lösung von spezifischen Problemstellungen, die jedoch auf andere Geschäftsbereiche übertragen werden können und vor allem darauf ausgerichtet sind, in die Arbeitsprozesse integriert zu werden. Das heißt, dass die aus Führungskräften der unterschiedlichen Geschäftsbereiche bestehenden Trägergruppen in Blick auf bestimmte Fragestellungen zusammengestellt werden, um in einem standardisierten diskursiven Verfahren Lösungen zu erarbeiten. Damit soll sichergestellt werden, dass Fälle, die bspw. hinsichtlich der Gleichberechtigungsthematik oder aus Solidaritätsgründen sensibel oder umstritten sind, sowohl unter dem Aspekt des wirtschaftlich Möglichen als auch des rechtlich Zulässigem sowie des sozial-moralisch Vertretbaren erörtert werden. Im Gegensatz dazu geht es in diesem Kontext um ein diskursives Verfahren, das speziell zur Entlastung von Führungskräften dient, die sich in einer persönlichen Dilemmasituation befinden. Ausgegangen wird von der Annahme, dass gerade Führungskräfte, die die Rolle eines institutionellen Entrepreneurs verantwortungsvoll auszufüllen versuchen, aufgrund der Sensibilisierung für bestimmte Themen und Konflikte verstärkt in Situationen geraten, in denen sie individuelle Unterstützung benötigen. Hierfür bietet sich der Diskurs mit außenstehenden Dritten an, der mit einem sogenannten Ombudsmann8 geführt wird. Entscheidend ist, dass der Ombudsmann das Unternehmen und den Handlungskontext der Führungskräfte ausreichend kennt und gleichzeitig außerhalb der üblichen Ab8 Der Begriff Ombudsmann wird gewöhnlich im korruptionsspezifischen Kontext – so auch in Kapitel 7 – verwendet. Der Grund, weshalb seine Verwendung hier ohne Korruptionszusammenhang ebenfalls als sinnvoll und legitim erachtet wird, liegt in seinen Hauptcharakteristika: Neutralität und Unabhängigkeit.
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hängigkeitsverhältnisse steht. Wichtig ist außerdem, dass es sich bei den Diskussionsfällen nicht ausschließlich um die Hilfe bei anstehenden Entscheidungen handelt, sondern gerade auch strukturell bedingte Probleme zur Sprache kommen können. Ausgehend von der Annahme, dass zur Institutionalisierung eines Gegenprinzips, das auf einer neuen Leitidee beruht, der Freiheits- und Unabhängigkeitsgrad der Akteure, insbesondere der Führungskräfte, von erheblicher Bedeutung ist, gilt es, Entscheidungsprozesse so zu organisieren, dass sie tatsächlich ergebnisoffen sind und Anreiz- und Sanktionsmechanismen wie die individuelle Bonus- und Malus-Zahlung sowie Karrierechancen generell nicht in einer Weise vorherrschen, die die Freiheit zur Entscheidungsfindung bereits auf struktureller Ebene einschränken. Solcher Art Widersprüche zwischen Handlungsanforderungen und Handlungsmöglichkeiten sind dementsprechend ebenfalls Gegenstand des Diskurses mit außenstehenden Dritten, um möglichst frühzeitig einen Handlungskontext zu schaffen, wie er für eine erfolgreiche Institutionalisierung von Gegenprinzipien erforderlich ist. Abschließend bleibt nochmals darauf hinzuweisen, dass der Rolle des Ombudsmanns, die sich in der Korruptionsthematik verorten lässt, in vorliegendem Kontext ein thematisch weit gefasster Zuständigkeitsbereich zugeschrieben wird. Hinsichtlich der Besonderheiten, die sich im Bezug auf das Korruptionsphänomen ergeben, wird der Ombudsmann jedoch im Zusammenhang damit nochmals zur Sprache kommen. Die Herausforderungen, die sich für einen institutionellen Entrepreneur im Zuge des Institutionalisierungsprozesses von Gegenprinzipen stellen, sind offensichtlich vielschichtig und umfassend. Die Verantwortung, die damit gegenüber der Belegschaft einhergeht und die daraus resultierenden Konsequenzen sind vornehmlich struktureller Art und werden in den nachstehenden Ausführungen thematisiert. 6.4.4 Verantwortung und Handlungsspielraum von Mitarbeitern Im Folgenden soll der Blick weg von der Führungselite des Unternehmens hin auf die Belegschaft gelenkt werden. Aus den Ausführungen zur „Legitimität und „Moralität“ von Institutionen“ lässt sich schlussfolgern, dass sich bei den Mitarbeitern der Fokus aufgrund der hierarchischen Organisationsstruktur auf die moralische Entlastung der Individuen durch Institutionen hin verschiebt, während die moralische Sensibilisierung ins Hintertreffen gerät. Dementsprechend wird hier besonders die Gestaltung der Organisationsstruktur in den Vordergrund gestellt, da in Form einer innerorganisationalen Institutionenordnung die morali-
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sche Entlastung der Mitarbeiter durch legitimierte Institutionen gewährleistet werden soll. Der Frage, ob und in welchem Umfang eine interne Institutionenordnung, die mit diskursiven Verfahren das Spannungsverhältnis zwischen den verschiedenen Leitideen offenlegt, die moralische Sensibilität des einzelnen Akteurs zu stärken vermag, wird dagegen nicht weiter nachgegangen. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass ein von Führungskräften vorgelebtes Verhalten, in diesem Fall die offensive Auseinandersetzung mit existierenden Konflikten zwischen Interessen, die Sensibilität und Reflexionsfähigkeit der Mitarbeiter hinsichtlich daraus resultierender Dilemma-Situationen bis zu einem gewissen Grad zu stärken vermag und darüber hinaus, wie nachstehend ausgeführt, die Legitimität der Institutionenordnung untermauert. Nicht zu vernachlässigen sind in diesem Zusammenhang die individuellen Konsequenzen für den Einzelnen durch eine Umgestaltung der Institutionenordnung, die im Extremfall von diesem als Zusammenbruch einer bestehenden Ordnung wahrgenommen werden kann. Dieses Thema, das des Umgangs des Mitarbeiters mit einer Situation, in der er sein eigenes Verhalten an neuen Normen auszurichten und seine begangenen Handlungen rückblickend neu zu bewerten hat, wird im Kontext der Korruptionsthematik diskutiert. 6.4.4.1 Legitimität und Kommunikation Das Thema Legitimationsfähigkeit einer neuen Institutionenordnung beinhaltet zwei Aspekte, die sich ebenfalls der strukturellen und der individuellen Ebene zuordnen lassen. Zum einen wird von einer legitimationsfördernden Selbstverstärkung einer Ordnung ausgegangen und zum anderen wird den Trägergruppen eine Rolle als Zuschreibungsinstanz für Legitimität beigemessen. Bei Ersterem liegt der Fokus auf der Anerkennungsbereitschaft einer Ordnung von Seiten der Handelnden, die einer Legitimation bedarf. Nach Rehberg beziehen sich institutionelle Mechanismen „auf genau diesen Zusammenhang von Geltungsbehauptungen und Durchsetzungsansprüchen einerseits und den je zur Verfügung stehenden Legitimationsreserven andererseits“ (Rehberg 2002: 51). Dieser Aspekt kommt vor allem in bereits bestehenden Institutionenordnungen zum Tragen, während die Rolle der Trägergruppen gerade bei dem Prozess der Durchsetzung und Institutionalisierung von Gegenprinzipien entscheidend und damit auch für diesen Kontext von besonderer Bedeutung ist. Wie bereits ausgeführt, ist es vor dem Hintergrund der Stärkung von schwachen Rationalitätskriterien für Führungskräfte unerlässlich, dass sie mit ihrer Interpretation von Leitideen und den dadurch gewonnenen Rationalitätskriterien einen hohen Geltungsanspruch verfolgen. Um diesen durchsetzen zu können,
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versuchen Trägergruppen, in eine Position zu kommen, „in der sie als alleinige Instanz der Verleihung und des Entzuges von Legitimität betrachtet werden“ (Bachmann 2009: 85). Bachmann begründet dies insofern, als ein „Akteur, der in seinem Handeln die jeweiligen Rationalitätskriterien berücksichtigt und Entscheidungsregeln befolgt, weil er sie als legitim erachtet, […] damit zugleich auch einen Anspruch auf Legitimität [stellt]“ (Bachmann 2009: 85f.). Die besondere Herausforderung für Führungskräfte in Wirtschaftsorganisationen liegt darin, zu entscheiden, welche Legitimitätsbegründung bei der breiten Masse der Mitarbeiter am ehesten Akzeptanz zu finden verspricht. Denn es wird nicht davon ausgegangen werden, dass den sphärenspezifischen Werten ein ausreichendes Maß an Legitimationsfähigkeit zugeschrieben werden kann. So würden sphärenspezifische Werte im Schatten eines kulturspezifischen, sphärenübergreifenden „Gemeinwohls“ stehen, aus dem sie nicht vollständig heraustreten können (Schwinn 2001: 322). Zu den sphärenübergreifenden Werten, die sich im okzidentalen Kulturkreis nach Schwinn herausgebildet haben, gehören unter anderem die Grundrechte, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verträglichkeit. „Schaut man sich an, wie Experten ihr Handeln gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigen, stellt man fest, daß sie selten die spezifischen Sinnkriterien und Motive ihres Bereichs in den Vordergrund stellen: Ein Unternehmer, der rationalisiert, begründet dies nicht, indem er bloß auf sein Gewinnmotiv verweist, sondern damit daß eine ausbleibende Rationalisierung noch mehr Arbeitsplätze kosten würde […]“ (Schwinn 2001: 322).
Auch für die internen Interessensgruppen ist es in bestimmten Fällen notwendig, strategische Entscheidungen mithilfe sphärenübergreifender Werte zu legitimieren. Allerdings müssen sich die Führungskräfte immer wieder neu der Frage stellen, welche Legitimitätsbegründung in welchem situativen Kontext den höchsten Grad an Akzeptanz von Seiten der Mitarbeiter findet. Denn letztlich hängt eine erfolgreiche Institutionenbildung maßgeblich davon ab, ob es gelingt, die Ziele und Aufgaben des Unternehmens für die Belegschaft in ihrer Heterogenität als nützlich und akzeptierbar zu präsentieren. Dies führt zu dem zweiten Themenfeld: die Kommunikation. Offensichtlich liegt eine entscheidende Aufgabe des Managements in einer angemessenen internen Kommunikation, deren Erfolg auf der Übersetzungsleistung der Trägergruppen beruht. Denn während auf der gesellschaftlichen Ebene nicht zwangsläufig „jene Ordnungsträger, die Laieninteressen ignorieren und verletzen oder Probleme produzieren […] die Instanzen [sind], an die die Externalitäten wieder rückadressiert werden“ (Schwinn 2001: 322), stellt sich auf organisationaler Ebene eine andere Situation dar. Hier liegt es nahe, das Ignorieren der Mitarbei-
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terinteressen direkt in die Verantwortung der Unternehmensleitung zu übertragen. Dementsprechend lässt sich ein verstärktes Interesse auf Seiten der Unternehmensführung aufzeigen, die Legitimitätsbegründung so zu wählen, dass sie die Anerkennungsbereitschaft der Mitarbeiter trifft und damit bestenfalls zu einer legitimationsfördernden Selbstverstärkung der Institutionenordnung beiträgt. Abschließend bleibt anzumerken, dass die Übersetzungsleistung von Führungskräften auch die Priorisierung und damit punktuelle Negierung von Ansprüchen anderer Leitideen erfordert. Denn „jede durchgesetzte Leitidee zieht ihren Erfolg aus ihrer (temporären) Herausgehobenheit aus einem Komplex oftmals unvereinbarer Orientierungsmöglichkeiten. Da sie ein Kampfprodukt ist und eine Synthese von Widersprüchlichem, werden in ihr oftmals viele der konkurrierenden Sinnsetzungen und Ordnungsentwürfe verleugnet“ (Rehberg 2002: 49, Hervorhebung der Verfasserin). Mit dieser Betonung soll einmal mehr auf den wichtigen Aspekt des Konflikts zwischen Institutionen hingewiesen und die Tatsache unterstrichen werden, dass Trägergruppen fortwährend um die Geltungsgrenzen ihrer Leitideen zu kämpfen haben und es sich bei den Ergebnissen der Aushandlungsprozesse lediglich um Kompromissprodukte handeln kann. 6.4.4.2 Sanktion und Kontrolle Der zweite Themenbereich, der die strukturellen Konsequenzen für die Mitarbeiterebene in die Betrachtung einbezieht, geht auf die Frage ein, welche Sanktionierungsmechanismen dazu beitragen, dass die Lösungen, die in den Verhandlungsarenen, also bei den diskursiven Auseinandersetzungen, erarbeitet werden, in den Geschäftsprozessen durchgesetzt werden. Wie wird sichergestellt, dass der Rahmen für einen spezifischen Problemzusammenhang, der bislang von rechtlichen und wirtschaftlichen Rationalitätskriterien dominiert wurde und in dem jetzt die sozial-moralische Komponente stärker gewichtet werden soll, tatsächlich handlungsrelevant wird? Diese Fragen stellen sich vor dem Hintergrund, dass die Möglichkeit der Durchsetzung (zumindest zeitlich begrenzt) einer Handlungsorientierung von der potenziellen Sanktionierung abweichender Handlungsorientierungen abhängt (vgl. Bachmann 2009: 79). Entscheidend ist, dass im Prozess der Institutionalisierung Sanktionsinstanzen eingerichtet werden, die sich ebenfalls auf den beiden Ebenen – der individuellen und der strukturellen – verorten lassen. Bachmann unterscheidet die Normativen, vor allem die Trägergruppen der Institutionalisierung, von Regulativen, die zumeist über die Formen der Koordination dieser Handlungsorientierungen bereitgestellt werden (Bachmann 2009: 79). „Trägergruppen vermögen es, den Geltungsanspruch von spezifischen durch Interpretation der obersten Werte gewonnenen Rationalitäts-
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kriterien und Entscheidungsregeln gegenüber anderen Interpretationsmöglichkeiten durchzusetzen“ (Bachmann 2009: 85). Solange die Führungskräfte mithilfe der weiter oben ausgeführten Verfahren, Instrumente und Kompetenzen sozialmoralischen Rationalitätskriterien neben ökonomischen und rechtlichen zur Geltung verhelfen können, liegt die normative Dimension der Sanktionierung in ihrer Verantwortung. Die zweite von Bachmann angesprochene Dimension der Sanktionierung, die regulative, „bezieht sich auf den Prozess des Organisierens, in dem institutionalisierte Handlungsorientierungen vor allem über die in ihnen inkorporierten Entscheidungsregeln koordiniert werden“ (Bachmann 2009: 86). Das bedeutet, dass bspw. die Geschäftsprozesse dahingehend zu überprüfen sind, ob neben dem rechtlich Zulässigen und wirtschaftlich Möglichen auch die sozialmoralische Angemessenheit berücksichtigt werden kann. Entscheidend ist nicht zuletzt die Sicherstellung des Zugangs zu Ressourcen, die die Sanktionsmacht der Trägergruppen insoweit stärken, dass sie nicht – aufgrund ihres horizontalen Zuständigkeitsbereichs – im Konflikt mit den vertikal verlaufenden Hierarchien der Geschäftseinheiten systematisch daran gehindert werden, das Verhalten von Mitarbeitern zu kontrollieren und Regelwidrigkeiten wirkungsvoll zu ahnden. Hier sind Maßnahmen von der obersten Ebene der Unternehmensführung notwendig, von denen letztlich abhängt, ob bestimmte Rationalitätskriterien tatsächlich eine Stärke entwickeln können, um sich gegen widersprechende Kriterien durchzusetzen. Das Signal, das ein solches Vorgehen bewirkt, schließt an das Thema Legitimität an, da sich die Trägergruppen selbst somit maßgeblich in ihrer Zielsetzung durch die Gestaltung ihres Handlungskontextes bestärkt sehen und diese Prioritätensetzung ebenso für die Belegschaft offensichtlich ist. 6.4.4.3 Zweckmäßigkeit und Leistung Neben der Frage der Legitimitäts- und der Sanktionsfähigkeit von Institutionen spielt für die erfolgreiche Institutionalisierung einer neuen Institutionenordnung der Leistungsbezug eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Gerade weil im Verlauf der Arbeit wiederholt die Wertbezogenheit des hier zugrunde liegenden Institutionenverständnisses hervorgehoben wurde, soll an dieser Stelle auf die Zweckmäßigkeit von Institutionen hingewiesen werden. Die zweckrationale Komponente steht dabei nicht im Widerspruch zur Wertbezogenheit, vielmehr verweist sie darauf, dass Institutionen zwar einerseits einen ideellen Bezug – nämlich die Wertsphären, die als ideeller Unterbau der institutionellen Ordnung
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gelten – haben, dass sie andererseits jedoch ihren Trägern außerdem etwas bieten und damit einen Leistungsbezug aufweisen müssen. Entscheidend für den Mitarbeiter ist, inwiefern sich eine Handlung, die aufgrund der punktuellen Dominanz, bspw. der Leitidee der Solidarität, als rationale Handlung gilt, gerade weil sie sich nach nicht-ökonomischen Kriterien ausrichtet, auch im Nachhinein als rational erweist. Gemeint ist damit, dass, wenn aufgrund von strukturellen Bedingungen ein solches Verhalten rückwirkend in irgendeiner Weise abgestraft oder sanktioniert wird, die Institutionenordnung also nicht nachhaltig in der Lage ist, das Handeln zu legitimieren, sie ihre Zweckmäßigkeit verfehlt, zur Entlastung des einzelnen Mitarbeiters beizutragen. Die Herausforderung liegt darin, dass es sich bei der Institutionalisierung von Gegenprinzipien nicht um die Ablösung einer Leitidee durch eine andere handelt, sondern die Aufrechterhaltung der in Spannung zueinander stehenden Leitideen angestrebt wird. Das bedeutet, dass es umso wichtiger ist, die Ergebnisse aus den Aushandlungsprozessen der Trägergruppen in einer Weise aufzubereiten, dass sie für die Mitarbeiter nachvollziehbar und umsetzbar sind. Hier soll der Hinweis auf die elementare Rolle der Kommunikationsweise der Führungskräfte aus Kapitel 6.4.4.1 genügen. 6.5 Resümee Mit dem Transfer der Institutionentheorie von M. Rainer Lepsius auf die organisationale Ebene wurde das Ziel verfolgt, die Organisation selbst, im Sinne innerorganisationaler Institutionalisierungs- und De-Institutionalisierungsprozesse von Leitideen, einer institutionentheoretischen Analyse zugänglich zu machen. Auch wenn der Einfluss der äußeren Institutionenordnung neben der Leitorientierung und damit den Erfolgskriterien der Organisation gerade auch unter dem Aspekt der sich wandelnden Ansprüche der Stakeholdergruppen durchaus berücksichtigt wurde, lag der Schwerpunkt der Ausführungen auf den innerorganisationalen Wirkungszusammenhängen. Deutlich wurde, wo die Einflussmöglichkeiten und -begrenzungen des Managements hinsichtlich der Frage liegen, wie bei einer Vielzahl von Mitarbeitern bestimmte Verhaltensänderungen erzielt werden können. Obgleich Sanktionsund Kontrollmechanismen dabei durchaus eine Rolle spielen, greift offensichtlich die Idee der Verhaltenssteuerung durch Anreiz- und Kontrollstrukturen, wie sie letztlich Wieland verfolgt, zu kurz. Stattdessen gilt es die Komplexität der Wirkungszusammenhänge zuzulassen, ohne dabei den Blick auf die Konsequenzen für die Handlungsakteure zu vernachlässigen. Gezeigt wurde, dass dieser Herausforderung mithilfe einer
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organisationalen Konstellationsanalyse erfolgreich begegnet werden kann, die sich einerseits in Leitfragen, die sich eng an den Eigenschaftsraum von Institutionen bei Lepsius orientieren, konkretisiert und andererseits den Zugang zu den verschiedenen Verantwortlichkeiten aufgrund der Differenzierung der Ebenen und Rollen ermöglicht. Der entscheidende Erkenntnisgewinn, der durch diesen institutionentheoretischen Analysezugang erreicht wurde, liegt nicht zuletzt in dem konstruktiven Umgang mit der Konflikthaftigkeit, die aus den unterschiedlichen Leitideen resultiert. Im Gegensatz zu den Harmonisierungsbestrebungen, wie sie bei Wieland sichtbar wurden und die letztlich darauf abzielen, Unternehmensziele mit denen der Mitarbeiter möglichst weitgehend aneinander anzugleichen, macht der vorliegende Ansatz die Konflikthaftigkeit als Grundprämisse zum Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen. Bspw. weisen die durchaus auf Kosten anderer Interessen gehenden Lösungen von Aushandlungsprozessen darauf hin, dass es sich bei allen Ergebnissen um Kompromissprodukte handelt, die zeitlich und räumlich begrenzt sind und damit immer wieder zum Gegenstand von diskursiven Auseinandersetzungen werden können. Auch wenn der Charme einer Transaktionsformel, die alle moralischen Faktoren einschließt, aus Gründen der Übersichtlichkeit und Praktikabilität unbestreitbar ist, wird hier offensichtlich ein Analysekonzept propagiert, das nicht Gefahr läuft, die Komplexität der Wirkungszusammenhänge zu ignorieren. Dass dies keinesfalls mit einer Abstraktionshöhe gleichzusetzen ist, für die die unternehmerische Wirklichkeit ohne Relevanz bleibt, werden die folgenden Ausführungen zeigen, die die gewonnen Erkenntnisse am Beispiel der Korruptionsthematik veranschaulichen.
7 Korruption als Gegenstand einer organisationalen Institutionenanalyse
Ausgangspunkt der Arbeit bildete die Annahme, dass man sich dem Korruptionsphänomen innerhalb des organisationalen Kontextes mithilfe eines institutionentheoretischen Ansatzes nähern müsse, wobei dieser, wie die kritische Diskussion der unterschiedlichen Ansätze neuer Institutionentheorien gezeigt hat, auf einem wertbezogenen Institutionenverständnis zu basieren hat. Nachdem in den vorangegangen Kapiteln Elemente aus der Institutionentheorie von M. Rainer Lepsius auf die Ebene der Organisation transferiert wurden, werden diese Erkenntnisse nun für eine Analyse des Korruptionsthemas angewandt. Das Thema gilt es insofern einzugrenzen, als nur das institutionalisierte korruptive Handeln im organisationalen Kontext zum Gegenstand der Betrachtung gemacht wird. 7.1 Wirtschaftliches Handeln unter veränderten Rahmenbedingungen: eine Frage von Integrität und Legitimität? Mit der in der Arbeit vorgenommenen Fokussierung auf die Wirtschaftsorganisation als multinationales Unternehmen bedarf es, wie im Kapitel „Rückkopplung externalisierter Folgewirkungen“ aufgezeigt wurde, neben der Betrachtung des nationalen der des internationalen Kontextes. Auf nationaler Ebene lässt sich festhalten, dass die Leitideen der Gerechtigkeit und der Solidarität weitgehend aus dem Geltungsbereich der institutionalisierten Kriterien der Wirtschaftlichkeit ausgeschieden sind. Sozialversicherungssysteme, Arbeitsschutz- und Umweltschutzgesetzgebung fangen die externalisierten Folgen wirtschaftlichen Handelns auf. Allerdings geht dies, wie gezeigt wurde, mit der Verschiebung der Grenzen des Geltungsbereichs ökonomischer Rationalitätskriterien einher. Unternehmen reagieren auf diese Einschränkung des Geltungsbereichs, die in Form von Auflagen hinsichtlich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der Festschreibung eines Mindestlohns, von Regelungen zur Elternzeit oder energieeffizienten Produktionsabläufen Wirkung erlangt, nicht zuletzt durch Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland, also durch Androhung von Leistungsentzug. So haben laut Schwinn gerade global agieren-
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de Unternehmen von den unterschiedlichen Globalisierungsgeschwindigkeiten der einzelnen differenzierten Bereiche und den damit einhergehenden DominanzVerhältnissen zugunsten der Ökonomie profitiert (Schwinn 2001: 385). Auch wenn diese Asymmetrie zwischen den Bereichen zweifelsohne weiterhin besteht, weisen internationale Abkommen darauf hin, dass zumindest die Notwendigkeit erkannt wird, verstärkt einheitliche internationale politische, rechtliche, sozialstaatliche und ökologische Rahmenbedingungen zu schaffen, die den ökonomischen Trägern „Droh- und Entzugsmöglichkeiten durch Verlagerung ihrer Leistungen [nehmen] und […] es [ermöglichen], durch mehr oder weniger einheitliche institutionelle Bedingungen den Wildwuchs ökonomischer Ansprüche zurückzuschneiden“ (Schwinn 2001: 385). Als Beispiel lässt sich hierfür die United Nations Convention against Corruption (UNCAC) nennen, die die Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Resolution 58/4 im Oktober 2003 verabschiedet hat, was als wichtiger Schritt innerhalb der internationalen Bestrebungen zur globalen Korruptionsbekämpfung gilt. „The UN Convention against Corruption marked a new milestone in the fight against this global problem. It is the first worldwide legal instrument of its kind and it addresses both the demand and supply side of corruption“ (UNODC u. a. 2006: 7). Diese Entwicklung darf dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich generell die Umsetzung dieser Beschlüsse, die maßgeblich mithilfe internationaler intermediärer Institutionen zwischen Nationalstaaten getroffen werden, aufgrund eines eingeschränkten Monitorings, fehlender Sanktionsmechanismen und einem Legitimitätsdefizit als schwierig erweist und sie bislang nur eingeschränkte Handlungsrelevanz entwickeln können. Die Schwierigkeiten, mit denen die Bestrebungen für eine länderübergreifende Regulierung konfrontiert werden, hängen nicht zuletzt mit den unterschiedlichen Länderinteressen zusammen. Die Tatsache, dass Deutschland bislang nicht die notwendigen Reformen zur Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption durchgeführt hat, die es erfordern würde, dass die Regelung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung in § 108e StGB verschärft werden müsste, ist nur ein Beispiel dafür. Auf die unterschiedlichen Interessen in Bezug auf internationale Regulierungen für multinationale Unternehmen nimmt auch Simeon Obidairo in seinen Untersuchungen über die Wirksamkeit der durch die Vereinigten Nationen und der OECD initiierten Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen Bezug und kommt zu dem Schluss, dass „the current framework of multilateral efforts to curb transnational bribery by corporations is unable to tackle the problem of transnational bribery by corporations effectively“ (Obidairo 2005: 65). Die Frage, inwiefern Maßnahmen der OECD in Deutschland Wirksamkeit entfalten können und die OECD ihrem Anspruch gerecht werden kann, maßgeblich zur Gestaltung einer
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internationalen Rahmenordnung beizutragen, wird in Kapitel 7.3.3 am Beispiel der Rolle von nationalen Kontaktstellen näher diskutiert. An dieser Stelle gilt es, zunächst die nationale Gesetzeslage als wichtigen Faktor der Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen. Dabei stellt sich heraus, dass die Differenzierung zwischen nationalen und internationalen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Korruptionsthematik insofern besonders interessant ist, als bis vor einigen Jahren Unternehmen aufgrund der Gesetzeslage geradezu darin bestärkt wurden, Bestechungsgelder zu zahlen, um Aufträge für sich zu gewinnen. Durch die Absetzbarkeit von Bestechungsgeldern wurde das Argument des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit von deutschen Unternehmen auf dem internationalen Markt, das auch die Grundlage für die angesprochenen „Droh- und Entzugsmöglichkeiten von Leistungen“ für Wirtschaftsträger bildet, von Seiten der Rechtsprechung übernommen. Offensichtlich war es zu diesem Zeitpunkt der ökonomischen Trägerschicht gelungen, ihren Handlungsmodus in den rechtlichen Bereich hineinzutragen. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass bei einer expansiven Verfolgung solcher Handlungsund Deutungsstrategien Folgeprobleme entstehen, die durch die ökonomische Trägerschicht gerade nicht mehr bewältigt werden können, sondern vielmehr so lange externalisiert werden, bis diese durch Druck von außen gezwungen wird, sich mit den Folgen ihres Handelns auseinanderzusetzen. Dementsprechend lässt sich die veränderte Gesetzeslage, die Abschaffung des Steuerentlastungsgesetzes im Jahre 1999, als ein Versuch werten, ehemals externalisierte Folgewirkungen zurück in den Problembearbeitungsbereich von Unternehmen zu integrieren. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Entwicklungen auf internationaler und nationaler Ebene sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass internationale Bestrebungen der nationalen Entwicklung vorangingen. Die Abschaffung des Steuerentlastungsgesetzes im März 1999 und vorab die Entscheidung, die Bestechung ausländischer Amtsträger unter Strafbestand zu stellen, ist insofern auf internationale Übereinkommen zurückzuführen, als das Internationale Bestechungsgesetz (IntBestG) vom 10. September 1998 das Übereinkommen der OECD über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 17. Dezember 1997 in nationales Recht umsetzt. Geregelt wird darin die Gleichstellung von ausländischen und inländischen Amtsträgern bei aktiven Bestechungshandlungen im internationalen Geschäftsverkehr (Art. 2 § 1). Zudem wird ein neuer Straftatbestand gegen die Bestechung von Abgeordneten eines ausländischen Staates und Mitgliedern einer parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation im internationalen Geschäftsverkehr (Art. 2 § 2) eingeführt (vgl. Business Keeper 2008). Somit kann die Vereinheitlichung von globalen Rahmenbedingungen ökonomischen Handelns hinsichtlich der Korruptionsthematik bereits Auswirkungen
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auf die Wirtschaftsakteure verzeichnen, die bislang das höchste Maß an Drohpotential hinsichtlich eines potentiellen Leistungsentzugs aufgrund der Möglichkeit zur flexiblen Standortwahl für sich beanspruchen konnten. Die öffentliche Sensibilisierung bezüglich des Themas Korruption in Unternehmen und seine Skandalisierung in den Medien spiegelt diese Entwicklung insofern wider, als Unternehmensführungen weder mithilfe des Arguments der „kulturellen Besonderheiten“ der Heimatländer von Geschäftspartnern, noch aufgrund des Verweises auf Bestechung als „Kavaliersdelikt“ von Seiten der Öffentlichkeit von der Verantwortung freigesprochen werden, ihre Organisation integer zu wirtschaftlichem Erfolg führen zu müssen. Der damit einhergehende Druck auf Unternehmen wird insofern verstärkt, als die Transparenz von globalen Wertschöpfungsketten und damit die Offenlegung der Geschäftstätigkeiten im Ausland verstärkt auf die Agenda von Nichtregierungsorganisationen wie Transparency International (TI) geraten. Sichtbar wird auch hier, dass Unternehmen nicht ausschließlich durch ihren wirtschaftlichen Erfolg legitimationsfähig sind. Vielmehr definiert sich ihre Legitimationsfähigkeit im Kontext eines sozial-ökologischen Kapitalismus aus der Kombination von verschiedenen Faktoren. So kommt hinsichtlich des Korruptionsthemas der Faktor Integrität zum wirtschaftlichen Erfolg hinzu, der zur Legitimität eines Unternehmens beizutragen hat. Die Beschreibung der korruptionsspezifischen Rahmenbedingungen für multinationale Unternehmen soll allerdings nicht über den Sachverhalt hinwegtäuschen, dass es sich bei Korruption trotz gesetzlicher und zivilgesellschaftlicher Bemühungen um ein Thema handelt, das weiterhin über einen äußerst großen Grauzonenbereich verfügt. Dem Interpretationsspielraum, wann korruptives Handeln vorliegt, sind sowohl auf individueller als auch auf struktureller Ebene, in und außerhalb von Organisationen, bislang kaum Grenzen gesetzt, weshalb es umso wichtiger sein wird, den Ausgangspunkt der Überlegungen auf den Aspekt der Integrität zu legen. Gerade die Faktoren der variierenden Interpretationsmöglichkeiten und der damit einhergehenden Bandbreite an Rechtfertigungsoptionen geben Hinweis auf die erschwerten Bedingungen für Unternehmen im Umgang mit institutionalisierter Korruption als Teil der Organisationsstruktur. Umso mehr wird deutlich, wie wenig eine Governancestruktur wie bei Wieland, die ausschließlich über innerorganisationale Anreiz- und Kontrollmechanismen individuelles Handeln zu steuern anstrebt, dazu beitragen kann, korruptives Handeln zu verhindern, und wie sehr es eines Problemlösungsprogramms bedarf, das auf einem umfassenderen Institutionenverständnis beruht. Im Verlauf des zweiten Teils der Arbeit wurde ein solches Modell einer Institutionenanalyse entworfen, das der Prämisse der Konflikthaftigkeit zwischen
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divergierenden Interessen folgt und das aufgrund eines wertbezogenen Institutionenverständnisses für sich beansprucht, Antwort auf die Frage zu geben, welche Wertvorstellungen mithilfe welcher Rationalitätskriterien für eine Vielzahl von Akteuren handlungsrelevant werden (vgl. Lepsius 1996: 57/58). Vor diesem Hintergrund sollen nun die Möglichkeiten einer Institutionalisierung der Leitidee der Integrität im Unternehmen erörtert werden. 7.2 Institutionalisierte Korruption als Gegenstand von Unternehmensführung Anknüpfend an die dargelegte Strategie der Institutionalisierung von Gegenprinzipien, sollen im Folgenden die Maßnahmen für den korruptionsspezifischen Kontext im Sinne einer Institutionalisierung der Leitidee der Integrität ausgeführt werden. Diesen geht eine kurze Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes der institutionalisierten Korruption mit Rückgriff auf die in Kapitel 2.3 entwickelte Definition voraus. Diese zeichnet sich je nach Institutionalisierungsgrad dadurch aus, dass sie in einzelnen oder mehreren Bereichen des Unternehmens zum Teil der Organisationsstruktur geworden ist. Ein hoher Institutionalisierungsgrad korruptiven Handelns auf organisationaler Ebene verweist auf eine kollektive Devianz, die mit den Faktoren Normalität und Akzeptanz des korruptiven Beziehungsgeflechts verbunden und damit auch an die Entwicklung eigener Sanktionsinstrumenten und Rekrutierungsmechanismen gekoppelt ist. Enge Beziehungskonstellationen und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Beteiligten erschweren für einzelne Akteure den Austritt aus dem korruptiven Netzwerk. Aus institutionentheoretischer Sicht ist nicht zuletzt entscheidend, dass die Normalität des korruptiven Beziehungsgeflechts einhergeht mit institutionalisierten Verhaltensnormen, die maßgeblich dafür sind, dass der Einzelne rational handelt, indem er sie befolgt. Sie gelten für einen weitgehend ausdifferenzierten Geltungskontext, der aufgrund der Illegitimität und der teilweise auch Illegalität des Tuns außerhalb dieses bestimmten Kontextes über wirksame Sanktionsmechanismen verfügt und in dem sich letztlich eine Subkultur entwickeln kann. Aufgrund des Charakteristikums von Korruption als „opferlosem“ Delikt werden die Folgewirkungen des nicht-integren Verhaltens problemlos auf andere Institutionen oder Akteure externalisiert. Die mit der Verletzung des Ausschreibeprozesses bei der Auftragsvergabe zusammenhängende Schädigung anderer Mitbewerber und letztlich auch des Wettbewerbs ans sich bleibt für nicht-integre Akteure zunächst ohne Folgekosten. Erst durch das Transparent-Werden solcher Handlungsweisen und das Aufbrechen der Beziehungsstrukturen könnten die
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externalisierten Folgewirkungen an die Akteure zurückadressiert werden, wobei dies im spezifischen Fall von Korruption aufgrund der „fehlenden Opfer“ und vor allem der vorhandenen Grauzonen kaum möglich ist. Wie unter diesen Bedingungen dennoch eine Verhaltensänderung bei institutionalisiertem korruptivem Verhalten in Unternehmen erzielt werden kann, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. Ähnlich wie in den vorangegangenen Kapiteln soll auch hier eine Unterteilung zwischen den Hierarchieebenen vorgenommen werden, da in Bezug auf die Übernahme von Verantwortung gerade das Thema „strategische Ignoranz“ in den Vordergrund rückt. Ashforth und Anand (2003) bezeichnen hiermit eine Verhaltensweise auf der Führungsebene, die diese davor schützt, direkt für Verfehlungen verantwortlich gemacht zu werden. Insofern gilt es zunächst, die spezifischen Bedingungen der Führungsebene und anschließend die der Mitarbeiterebene vor allem unter dem Aspekt der Verantwortlichkeiten und Handlungsmöglichkeiten zu betrachten. 7.2.1 Führungsebene: der institutionelle Entrepreneur Mit Bezug auf die Annahme, dass „Werte und Leitideen […] für ihre verhaltenswirksame Konkretisierung der Institutionalisierung [bedürfen]“ (Schwinn 2001: 323), wurde in den vorherigen Kapiteln gezeigt, welche Konsequenzen es für Wirtschaftsorganisationen hat, wenn sie sich für die Institutionalisierung von neuen bzw. die Stärkung von schwach institutionalisierten Leitideen entscheiden. Vor diesem Hintergrund gilt es nun im Folgenden, den Transfer zur Korruptionsproblematik zu machen und der Frage nachzugehen, wie eine Unternehmensführung, die sich in ihrer Organisation mit strukturell verankerter Korruption konfrontiert sieht, dieser mithilfe der Institutionalisierung von Gegenprinzipien zu begegnen vermag. Die Besonderheiten der Leitidee der Integrität, die aufgrund der Korruptionsthematik bspw. im Vergleich zur Leitidee der Solidarität oder der Gleichberechtigung erschwerend hinzukommen, werden – teils bereits benannt, teils noch unerwähnt – als Hintergrundfolie für die nachstehenden Ausführungen nochmals zur Sprache kommen. Im ersten Schritt der Argumentation werden zunächst die Voraussetzungen des organisationsspezifischen Kontextes noch einmal benannt und dabei die Geltungsgrenzen von Sinnkriterien thematisiert. Im Anschluss daran wird der Prozess einer Neugestaltung einer organisationalen Institutionenordnung am Korruptionsbeispiel entwickelt, wobei auch hier die organisationale Konstellationsanalyse den Ausgangspunkt bildet. Sowohl die individuelle Ebene als auch die strukturelle Ebene werden in Form persönlicher Fähigkeiten der einzelnen
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Führungskräfte und in Form institutionalisierter Verfahren der organisierten Führungskräfte in ihrer Rolle als Vertreter von Trägergruppen zur Sprache kommen. Das Berufsbild eines Managers als institutioneller Entrepreneur, wie er bereits entwickelt wurde, spiegelt sich auf beiden Ebenen wider. Der Implementierung einer legitimierten Leitidee, die über Handlungsrelevanz verfügt, liegt, wie im Verlauf der letzten Kapitel sichtbar geworden ist, ein komplexer Wirkungszusammenhang zugrunde. Deshalb kann der Versuch, eine Institutionenpolitik als Unternehmenspolitik zu entwickeln und sie damit zum Gegenstand einer erfolgreichen Unternehmensführung zu machen, keinesfalls mit den ebenfalls institutionentheoretisch begründeten Managementaufgaben von Wieland verglichen werden. Wie in der kritischen Auseinandersetzung mit der Neuen Organisationsökonomik gezeigt, sieht dieser das Managen von Werten in Form einer moralsensitiven Governancestruktur des Unternehmens als effektivstes Mittel zur Vermeidung von korruptivem Handeln im Unternehmen. Begründet wird dies in der ausgeprägten Wirkungskraft von unternehmensinternen Institutionen, die eine Steuerung individuellen Verhaltens ermöglicht. Im Gegensatz dazu soll unter der Bezeichnung Unternehmensführung als Institutionenpolitik der Fokus auf die Komplexität der Wirklichkeit und die Dynamik von Institutionalisierungs- und De-Institutionalisierungsprozessen gelegt werden. Entscheidend ist dabei die Frage, wie es die Unternehmensführung vermag, in einem letztlich gleichbleibenden Handlungsfeld – gemeint ist damit die Wirtschaftsorganisation samt ihrer Leitorientierung und den damit zusammenhängenden Erfolgskriterien – die Leitidee der Integrität handlungswirksam werden zu lassen. Mit welchen Herausforderungen ein solches Vorhaben verbunden ist, wird vor dem Hintergrund deutlich, dass sich diese Organisationen bis vor wenigen Jahren in einem gesellschaftlich normativen Rahmen bewegt haben, in welchem korruptive Handlungen wie Steuerhinterziehung, Schwarze Kassen, Verletzung der Ausschreibungspflicht etc. unter die Kategorie „Kavaliersdelikt“ fielen, und sie darüber hinaus in einem Gesetzesrahmen agiert haben, in welchem ausländische Geschäftstätigkeiten mithilfe von Bestechungsgeldern vollzogen werden durften. Beantwortet wird die Frage mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Verschiebung von Geltungsgrenzen, die in den Verantwortungsbereich von Führungskräften fällt. Diese Antwort stützt sich auf die bereits begründeten institutionentheoretischen Annahmen, zu denen die Grundprämisse gehört, dass die bloße Existenz einer Leitidee nicht unbedingt ihre Handlungsrelevanz bedeutet. Ebenfalls grundlegend ist die Annahme, dass, auch wenn die Rationalitätskriterien, die sich aus der Leitidee der Rentabilität herausgebildet haben, die in einem wirtschaftlichen Handlungsfeld dominierenden sind, dies nicht gleichbedeutend
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ist mit dem Fehlen von parallel existierenden Rationalitätskriterien, die andere Leitideen verwirklichen können. Angekommen beim Aspekt der Grenzziehungen, lässt sich festhalten, dass bei einer Unternehmenspolitik, sofern sie sich als die Koordination und die Vermittlung von institutionalisierten Leitideen versteht, die aktive Gestaltung von Grenzziehung in den Verantwortungsbereich der Führungskräfte fällt. Dabei gilt, dass, auch wenn die dominierende Leitidee der Rentabilität bestehen bleibt, deren Geltungskontext aufgrund der verschobenen Grenzziehung verkleinert wird. Denn während bislang das ökonomisch Machbare entscheidend war, zielt die Verschiebung darauf ab, das ökonomisch Machbare, das rechtlich Vertretbare und das sozial-moralisch Akzeptable als Entscheidungsfaktoren zuzulassen. Um diese bislang noch sehr abstrakten Erkenntnisse zu konkretisieren, werden im Folgenden die einzelnen Schritte skizziert, die es auf Seiten der Führungsebene zu machen gilt, und diese darüber hinaus anhand von einzelnen Beispielen aus der Unternehmenspraxis veranschaulicht. Ausgangspunkt einer Neugestaltung der organisationalen Institutionenordnung bildet die organisationale Konstellationsanalyse, mit der eine Explikation der korruptionsanfälligen Problemfelder möglich wird. In einer Art Bestandsaufnahme gilt es zu prüfen, in welchen Situationen nicht-integres Handeln, sei es in Form von aktiver Bestechung oder passiver Duldung von korruptivem Verhalten, als rational gilt und durch welche Leitidee diese Form der Interaktion legitimiert wird. Gerade in Bezug auf die Korruptionsthematik bedarf es einer eingehenden Analyse der vorhandenen Sanktionsstrukturen und der Identifikation derjenigen Rationalitätskriterien, deren Geltung durch diese Sanktionsstrukturen bekräftigt wird. Es müssen die Geltungskontexte erfasst werden, die sich innerhalb des Unternehmens so stark ausdifferenzieren können, dass innerhalb dieser Handlungskontexte die Legitimationskraft von Rationalitätskriterien der Rentabilität in der Weise dominiert, dass die Geltung von anderen Normen ausgeschlossen werden kann. Solche in sich geschlossenen Handlungsräume können sich zu kriminellen Subkulturen entwickeln, die sich durch eine bereits diskutierte Umformung der allgemeinen Wertvorstellungen auszeichnen und es nicht zuletzt vermögen, eigene Sanktions- und Rekrutierungsmechanismen zu entwickeln. Entscheidend ist es, im Zuge einer organisationalen Konstellationsanalyse die Bereiche zu identifizieren, in denen trotz eines konformen Verhaltens der kommunizierten Unternehmenswerte die erbrachte Leistung des Mitarbeiters nicht ausreichend ist, um bestimmte Karriereziele verfolgen zu können. In solchen Fällen, in denen der strukturelle Kontext regelkonformes Verhalten und Zielerreichung, bspw. eines bestimmten Umfangs an Auftragsakquise, nicht zulässt, besteht besonders die Gefahr, dass sich besagte Subkulturen bilden. Gerade diese Kontexte, die keine Verhaltensorientierung an bspw. sozial-
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moralischen Rationalitätskriterien zulassen, stehen im Fokus der Neugestaltung der Institutionenordnung, da es vor allem in diesen Bereichen einer Institutionalisierung von Gegenprinzipien bedarf, die in Entscheidungsprozessen auch andere Rationalitätskriterien handlungsrelevant werden lassen. Offensichtlich besteht im Zuge der Neukonzeptionalisierung die Notwendigkeit, dass auf Seiten der Unternehmensführung normative Entscheidungen getroffen werden, denen ein Abwägen zwischen ökonomischer Zweckrationalität und sozialmoralischen Vorstellungen vorausgeht. Denn bei einem rein nach funktionalen Effizienzvermutungen getroffenen Entscheidungsfindungsprozess würde die Reflexion der Wertbeziehungen, die eine Institutionenordnung repräsentiert, außen vor gelassen. Bevor die Führungskräfte mit Hilfe von unterschiedlichen Verfahren aktiv in die Institutionalisierungs- und De-Institutionalisierungsprozesse innerhalb des Unternehmens eingreifen können, muss also unter normativen Gesichtspunkten abgewogen werden, an welchen Stellen und in welchem Umfang die Geltungsgrenzen des Rentabilitätskriteriums enger gefasst werden müssen, um den schwach institutionalisierten Leitideen in bestimmten Situationen mehr Handlungsrelevanz zu ermöglichen. Mit diesen einzelnen wertbezogenen Entscheidungen legt die Unternehmensführung gesamtstrategisch fest, inwiefern der Leitidee der Integrität letztlich Geltungschancen eingeräumt und ihr damit die Möglichkeit zur Institutionalisierung gegeben wird. Nachdem nun die Bedingungen und Herausforderungen einer organisationalen Konstellationsanalyse benannt worden sind, die den Ausgangspunkt einer Neu-Konzeptionalisierung der unternehmensinternen Institutionenordnung bildet, gilt es im Folgenden die Konsequenzen für die Führungskräfte auf individueller und struktureller Ebene zu verorten. Mit der Entwicklung einer Unternehmensführung als Institutionenpolitik verlagert sich der Verantwortungsbereich von Führungskräften und erfordert nicht zuletzt spezifische persönliche Kompetenzen, die zunächst unter die Begriff Selbstreflexion und moralische Sensibilität gefasst werden sollen. Damit wird das Berufsbild der institutionellen Entrepreneurs aufgegriffen, die im Zusammenhang mit der Korruptionsthematik von Misangyi u. a. definiert wurden als „social actors“, „who use the resources available to them to actively define, justify, and push the theory and values underpinning the practices of a new institutional order, which in this case includes a new, non-corrupt sense of identity” (Misangyi u. a. 2006: 4). Um dieser Rolle gerecht werden zu können, muss die Führungskraft über ein ausgeprägtes Sensorium für die Bewertung von Situationen haben, um zwischen integrem und nicht-integrem Handeln unterscheiden zu können. Schließlich ist es nicht zuletzt eine Frage der Angemessenheit und damit der persönlichen Einschätzung, wo in einer bestimmten Situation die Grenze zwischen integ-
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rem Wirtschaften und einer korruptiven Handlung gezogen wird. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass jede Führungskraft über ein ausreichendes Maß an moralischer Sensibilität verfügt bzw. dass diese Art von individuellen Ressourcen in allen Entscheidungssituationen abgerufen werden können. Umso wichtiger ist der Hinweis, der im Exkurs zur Verantwortungsethik von Weber bereits aufgeführt wurde, dass es neben dem inneren auch den Diskurs mit „außenstehenden Dritten“ gibt, um sich über das eigene Tun und dessen Sinnhaftigkeit Rechenschaft ablegen zu können. Dieser Austausch mit einem sogenannten Ombudsmann ist nicht zu verwechseln mit dem Verfahren der diskursiven Auseinandersetzung, wie sie weiter unten aufgeführt wird. Auch übersteigt die Funktion des Ombudsmanns für Führungskräfte insofern die des Ombudsmanns für die gesamte Belegschaft, da ihm stärker die Rolle eines Supervisors zugeschrieben wird und nicht ausschließlich die des Ratgebers in Dilemmasituationen. Da es, um zu dem angestrebten Verhalten unter der verantwortungsethischen Maxime zu kommen, einer Reflexion des eigenen Handelns bedarf, zielt das Verfahren darauf ab, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass Führungskräfte nach folgendem Prinzip zu handeln vermögen: „Handle gemäß deiner besten Überzeugung von deiner Pflicht und darüber hinaus so, daß du nach bestem Wissen und Gewissen die (voraussehbaren) Folgen deines Handelns auch verantworten kannst“ (Schluchter 1988a: 253). Abschließend, was die individuelle Ebene in Bezug auf die Führungskraft in ihrer Rolle als institutioneller Entrepreneur und ihre ethische Verantwortung betrifft, soll die Ambivalenz, die dem Freiheitsbegriff von Weber innewohnt, in Erinnerung gerufen werden. Der Freiheitsbegriff wird von Weber grundsätzlich mit einer gewissen Schuldhaftigkeit in Verbindung gebracht. Insofern wir der Ambivalenz des Freiheitsbegriffs bei Weber folgen, geht mit diesem hohen Maß an Freiheit eine große Verantwortung über das eigene Tun einher, die sich in der verantwortungsethischen Maxime widerspiegelt. Dementsprechend wichtig ist es, dass dem institutionellen Entrepreneur ein hoher Freiheitsgrad und ein großer Handlungsspielraum zugeschrieben wird, so dass er in die Lage versetzt wird, seiner Aufgabe der aktiven Mitgestaltung der Institutionenordnung gerecht werden zu können. Mit der Zunahme an Freiheit und Gestaltungskompetenz nimmt gleichzeitig die Verantwortung für den Angehörigen aus dem Management zu. Während für jeden Unternehmer, der als Inhaber für den eigenen Betrieb haftet, diese Koppelung zum Selbstverständnis gehört, bedarf es diesbezüglich einer Sensibilisierung von Managern in Aktiengesellschaften. Ziel ist es, Freiheit und Verantwortung zusammenzudenken, ein Gedanke, der bislang nicht zuletzt aufgrund der hohen Personalfluktuation auf Managementebene und der Abhängigkeit von
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den Quartalszahlen im Widerspruch zu dem tatsächlichen Kontext der Handlungsbedingungen von Unternehmen zu stehen scheint. Deshalb ist es, solange langfristiges und nachhaltiges Wirtschaften zwar gefordert, aber an der Börse nicht zwangsläufig honoriert wird, umso wichtiger, die Frage der Verantwortung unter dem Aspekt des Adressaten zu thematisieren. Auch unter diesem Aspekt wird die Notwendigkeit der Ausbildung eines auf einer verantwortungsethischen Maxime basierenden eigenen Managerethos offensichtlich, ohne den Bedarf an Veränderung von Rahmenbedingungen bspw. auf der Ebene der Rechtsprechung in Abrede zu stellen. Als Beispiel lässt sich hier das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs anführen, der auf die jüngsten Korruptionsvorfälle von Großunternehmen im August 2008 mit der Entscheidung reagiert, dass allein das Führen von Schwarzen Kassen bereits den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) gegen Unternehmen erfüllt (BGH, Urteil vom 29.08.2008 – 2 StR 587/07), und der damit einen neuen Weg bei der Strafverfolgung von korruptiven Handlungen in Unternehmen einschlägt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Führungskräfte über den persönlichen Diskurs als Hilfe zur Selbstreflexion hinaus strukturell entlastet werden können, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Hier kommen die Trägergruppen in ihrer Funktion zur Stärkung der Durchsetzungskraft von Leitideen und darüber hinaus das bereits ausgeführte institutionalisierte Diskursverfahren innerhalb solcher organisierter Trägergruppen zum Tragen. Dieses Verfahren hat die Funktion, einen festgelegten Rahmen für einen problemspezifischen Austausch unter ausgewählten Führungskräften zu bilden. Es geht also nicht in erster Linie darum, die Persönlichkeit von Managern als moralisch sensible Personen zu verändern. Die zugrunde liegende Annahme ist vielmehr, dass es eines standardisierten und institutionalisierten innerorganisationalen Verfahrens bedarf, in dem Raum für den offenen Diskurs geschaffen wird und korruptionsanfällige Vorgänge unter den Fragen des wirtschaftlich Machbaren, des rechtlich Durchsetzbaren und des sozial-moralisch Vertretbaren analysiert und praktikable Lösungen erarbeitet werden können. Bei konkreten Korruptionsvorfällen ermöglicht das Diskursverfahren die Reflexion des Handelns der Führungskräfte und garantiert somit die ständige Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln und dem anderer unter dem Gesichtspunkt des integren Wirtschaftens. Nach sozial-moralischen Rationalitätskriterien eine Entscheidung zu fällen, wird somit in einem institutionalisierten Verfahren legitimiert und forciert und bildet damit ein Kriterium für die erfolgreiche Institutionalisierung der Leitidee der Integrität. Anzumerken sei hier, dass solche Verhandlungsarenen durchaus auch auf der Ebene der Geschäftspartner implementiert werden können, um bspw. die Lieferantenkette hinsichtlich der Compliance-Aspekte zu beleuchten. Dabei
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muss es sich gerade im internationalen Kontext aufgrund der kulturell bedingten unterschiedlichen Vorstellungen von integrem Wirtschaften um ein längerfristig angelegtes Verfahren handeln. Die Frage, inwiefern die damit verbundenen Zusatzkosten durch Kosteneinsparungen aufgrund des Verzichts auf „Vermittlungs“ und Bestechungsgelder bei einer Einigung im Sinne einer Integritätsvereinbarung gegengerechnet werden können, kann in diesem Kontext nicht beantwortet werden. Die Konsequenzen eines solchen Verfahrens werden jedoch unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Leistung für die Belegschaft nochmals aufgegriffen. Entscheidend ist, dass die Trägergruppe der Leitidee der Integrität, die bspw. unter dem Begriff „Arbeitskreis Korruption“ im Unternehmen organisiert werden kann, von Seiten der Belegschaft ausreichend Legitimation zugeschrieben wird. Diese ist abhängig von den vorhandenen Ressourcen und Sanktionsmöglichkeiten, wie im Folgenden aufgezeigt wird. 7.2.2 Mitarbeiterebene Der Frage, wie sich das Spannungsverhältnis zwischen Individualmoral und institutionalisierten Verhaltensstrukturierungen auf organisationaler Ebene gestaltet, kommt im Hinblick auf die Korruptionsthematik eine besondere Bedeutung zu. Ohne Individuen von ihrer persönlichen Verantwortung freizusprechen, wurde gezeigt, dass die moralisierende Analyse des individuellen Verhaltens wenig vielversprechend ist, während über die Gestaltung der Institutionenordnung eine tatsächliche Verhaltensänderung bei einer maximalen Anzahl von Akteuren bewirkt werden kann. Für ein Unternehmen, das sich, unabhängig der Höhe des Institutionalisierungsgrads, durch institutionalisiertes korruptives Verhalten, wie es im Vorfeld definiert wurde, auszeichnet, lässt sich festhalten, dass die bestehende Institutionenordnung zumindest für einen Teil der Mitarbeiter korruptives Handeln zugelassen oder sogar gefördert hat. Daraus folgt, dass durch die Institutionalisierung der Leitidee der Integrität die bestehende Ordnung und damit auch das eigene Handeln dieser Akteure infrage gestellt werden. Im Fall des stark involvierten Mitarbeiters kann die Umgestaltung der alten Institutionenordnung subjektiv als „Zusammenbruch“ wahrgenommen werden. Insofern sich institutionalisierte Korruption gerade dadurch auszeichnet, dass aufgrund von gruppenspezifischen Normen korruptives Handeln trotz des Wissens um den Regelverstoß, wenn nicht als unhinterfragbare Selbstverständlichkeit, doch zumindest als rechtfertigbare Notwendigkeit wahrgenommen wird, steht der Mitarbeiter in einem solchen Fall vor der Herausforderung, sein eigenes Verhalten an neuen Normen auszurichten und seine begangenen Handlungen rückblickend neu zu
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bewerten. Denn sobald der Handlungsrahmen, der korruptives Handeln akzeptiert und gefördert hat, nicht mehr existiert, sind auch bestimmte Rechtfertigungsmechanismen nicht mehr funktionstüchtig. In diesem Fall liegt die Herausforderung bei der Neugestaltung einer Institutionenordnung vor allem darin, den Mitarbeitern eine Verhaltensänderung zuzugestehen, ohne ihre Handlungsweisen nachträglich zu legitimieren. Eine vorübergehende Immunitätsregelung ist ein Verfahren, das gerade bei solchen initiierten Veränderungsprozessen der Organisationskultur, welche die innere Institutionenordnung widerspiegelt, zum Einsatz kommt. Im Gegensatz könnte allerdings die Immunitätsregelung auf der Führungskräfteebene zu einem gegenteiligen Effekt führen, da sie die Legitimationsfähigkeit der Trägergruppen infrage stellen würde. Vor dem Hintergrund der entscheidenden Rolle, die diese bei der Durchsetzung von neuen Leitideen spielen, würde der Austausch von Managern aus den gefährdeten Bereichen als alternativlos erachtet. Unter der Voraussetzung, dass für den Mitarbeiter die Glaubwürdigkeit der Trägergruppe der Leitidee der Integrität ebenso entscheidend ist wie die strukturellen Handlungsbedingungen, die integres Handeln als rationales Handeln bestimmen, werden im Folgenden die daraus resultierenden Konsequenzen in ihren unterschiedlichen Dimensionen aufgezeigt. Dies geschieht anhand der Themenblöcke aus den Ausführungen über die Unternehmensführung als Institutionenpolitik, zu denen „Legitimität und Kommunikation“, „Sanktion und Kontrolle“ und „Zweckmäßigkeit und Leistung“ gehören und die an Praxisbeispielen konkretisiert werden. 7.2.2.1 Legitimität und Kommunikation Aufgrund der Tatsache, dass das Agieren innerhalb einer legitimierten Ordnung den Einzelnen weitgehend von der Notwendigkeit zur moralischen Selbstreflexion über mögliche Konsequenzen des eigenen Tuns entlastet, liegt hier im Folgenden der Fokus auf der Frage nach der Legitimitätsbegründung einer neuen Institutionenordnung. Da die Beantwortung dieser Frage zweifelsohne hochgradig von dem situativen Kontext abhängt, in welchem sich die Organisation befindet, soll an dieser Stelle nochmals kurz auf die Funktion einer organisationalen Konstellationsanalyse verwiesen werden. Vor dem Hintergrund, dass die Erkenntnis über das Ausmaß der korruptiven Handlungen im Unternehmen zu den wichtigen Faktoren gehört, die Einfluss auf die Legitimitätsbegründung von Seiten der Führungskräfte haben, ist also eine organisationale Konstellationsanalyse unvermeidbar, da sie einen differenzierten Blick auf die Handlungs- und Strukturebene
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des Unternehmens ermöglicht und es aufgrund des wertbezogenen Institutionenverständnisses vermag, nach Rationalitätskriterien und deren Geltungskontexten zu fragen. Mithilfe der Leitideen, die an anderer Stelle entwickelt wurden, können Antworten hinsichtlich des Institutionalisierungsgrads des korruptiven Netzwerks gefunden werden, die Hinweis darauf geben, welche Akteure auf welchen Ebenen und in welchen Geschäftsprozessen vornehmlich darin involviert sind. Von hoher Relevanz ist dabei unter anderem, ob institutionalisierte korruptive Handlungen innerhalb des Unternehmens lediglich vermutet werden oder bereits Gegenstand von Compliance-Untersuchungen wurden und welche Faktoren – innere und/oder äußere Einflüsse – zu der Auseinandersetzung mit der Korruptionsthematik geführt haben. Unabhängig von dem situativen Kontext gilt jedoch die Annahme, dass den sphärenspezifischen Werten kein ausreichendes Maß an Legitimationsfähigkeit zugeschrieben werden kann, so dass sich die Frage stellt, welche sphärenübergreifenden Werte zur Legitimierung der Institutionalisierung der Leitidee der Integrität bei den Mitarbeitern führen können. Denn entscheidend hinsichtlich des Erfolgs einer solchen Institutionalisierung ist, inwieweit die Legitimitätsbegründungen für eine Mehrzahl der Mitarbeiter akzeptabel sind. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Korruption weiterhin um ein stark tabuisiertes Thema mit einem hohen Stigmatisierungspotential handelt, wird deutlich, wie schwierig sich die Suche nach Legitimitätsbegründungen gestalten kann, die den Eindruck vermeiden, eine gesamte Belegschaft unter eine Art Generalverdacht zu stellen. An der Art der Legitimitätsbegründung gegenüber der Öffentlichkeit werden die Besonderheiten hinsichtlich der Mitarbeiterkommunikation deutlich. So kann das Unternehmen in der externen Kommunikation seinen Umgang mit Korruption durch die Institutionalisierung einer Leitidee der Integrität in Form einer „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber korruptivem Handeln, mit dem Verweis auf die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung, problemlos begründen. Selbst wenn sich also eine Organisation aus Rentabilitätsgründen die Institutionalisierung einer Leitidee der Integrität zum Ziel für die gesamte Unternehmung gesetzt hat, wird die Begründung also nicht der bloße Hinweis auf ökonomische Gründe sein. Vielmehr wird eine Argumentation verfolgt, die bspw. darauf abzielt, dass unter keinen Umständen aufgrund von Bestechung oder Geldwäsche korrupte Regime unterstützt und damit Demokratie und Menschenrechte unterlaufen werden dürfen. Gegenüber den Mitarbeitern in der internen Kommunikation stellt sich die Legitimitätsbegründung insofern schwieriger dar, als der Konflikt zwischen sich potentiell widersprechenden Werten individuell von den Mitarbeitern ausgehalten werden muss. Aus diesem Grund gilt es, die mittlerweile in nahezu allen multinationalen Unternehmen eingeführten Unternehmenswerte, die letztlich auf
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sphärenübergreifende Werte wie soziale Gerechtigkeit, Grundrechte und ökologische Verträglichkeit (vgl. Schwinn 2001: 322) zurückgreifen, in Bezug zur Korruptionsthematik zu setzen, um damit eine Legitimitätsbegründung für integres Wirtschaften zu schaffen, die für den organisationalen Kontext Relevanz entfalten kann. Dafür ist es notwendig, interne strukturelle und individuelle Konsequenzen eines existierenden Netzwerks der Korruption in Form von parallel existierenden kriminellen Subkulturen aufzuzeigen und den Widerspruch zu Unternehmenswerten offenzulegen. So lassen sich bspw. persönliche Bereicherung – ob materieller oder immaterieller Art –, die mit jeder korruptiven Handlung einhergeht, oder Abhängigkeitsstrukturen, die innerhalb eines korruptiven Netzwerks zusätzlich zu den existierenden Hierarchieebenen geschaffen werden, nicht mit Unternehmenswerten wie Höchstleistung, Erneuerungsfähigkeit, Respekt und Verantwortung vereinbaren. Naheliegend ist, dass das Transparent-Machen dieser Widersprüche zwar zur Legitimitätsbegründung einer Leitidee der Integrität dienlich, aber nicht ausreichend ist. Vielmehr muss sich die Priorisierung besagter Leitidee auf organisationaler Ebene widerspiegeln, um die Anerkennungsbereitschaft von Seiten der Mitarbeiter zu gewinnen. Die Verankerung der Korruptionsthematik auf der Vorstandsebene durch das Einrichten eines neuen eigenen Vorstandsbereichs für Compliance-Angelegenheiten verweist nicht nur auf das Maß an Relevanz der Thematik und den Grad an Ernsthaftigkeit, mit dem das Thema innerhalb der Unternehmenspolitik verfolgt wird. Darüber hinaus wird es auf Seiten der Führungsebene erschwert, „strategische Ignoranz“ (Ashforth/Anand 2003) auszuüben und die Verantwortung für Verfehlungen auf die untergeordneten Beschäftigen abzuwälzen. Abschließend bleibt anzumerken, dass es bei einer angemessenen Kommunikation für die Durchsetzung der Leitidee der Integrität von Seiten der Führungskräfte durchaus zu einer punktuellen Negierung von Ansprüchen anderer Leitideen kommen kann. Dabei liegt es im Ermessungsspielraum der Unternehmensführung, zu entscheiden, ob eine Thematisierung widersprüchlicher Rationalitätskriterien oder eben die Kommunikation einer dominierenden Leitidee, bspw. als das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses zwischen Trägergruppen, wenngleich auch nur als punktuelles Kompromissprodukt, als zielführender eingeschätzt wird.
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7.2.2.2 Sanktion und Kontrolle Mehrfach wurde im Verlauf der Arbeit bereits die Sanktionsmacht von Institutionen angesprochen und auf den Aspekt der Notwendigkeit von Sanktionen eingegangen. Es wurde gezeigt, inwiefern sich präskriptive Regeln von instrumentellen und konstitutiven Regeln unterscheiden und dass eine Regelverletzung im Falle von präskriptiven Regeln nicht zwangsläufig selbstschädigend oder sinnlos sein muss. Dieser Aspekt ist gerade hinsichtlich der Korruptionsthematik von besonderem Interesse. Denn offensichtlich ist die Annahme von Bestechungsgeldern oder die Anlage von schwarzen Konten vor dem Hintergrund der Unternehmensrichtlinien „verwerflich“ oder „unangemessen“, aber nicht zwangsläufig sinnlos. So kann unter bestimmten Umständen bspw. aus ganz persönlichen Motiven oder aus der Überzeugung heraus, damit für die Organisation etwas „Gutes“ zu tun, dieses verwerfliche oder unangemessene Handeln für Mitarbeiter Anreiz dafür sein, bestimmte Regeln wissentlich zu übertreten. „Dies hängt damit zusammen, dass die Werturteile, die durch regulative Regelanwendung generiert werden, akteursrelativ sein können“ (Stachura 2009: 21). Im Fall institutionalisierten korruptiven Handelns stellt sich die Situation insofern als besonders schwierig dar, als einerseits die Regelwidrigkeit des eigenen Handelns bspw. bei der Zahlung von Bestechungsgeldern vom einzelnen Akteur durchaus grundsätzlich anerkannt wird, dies andererseits nicht mit einem abweichenden Verhalten gleichzusetzen ist, da die strukturell verankerte korruptive Subkultur dieses Verhalten fordert und legitimiert. Dem Mitarbeiter werden in diesem Fall bereits Werturteile für das Übertreten von Regeln vorgegeben, auf die er je nach eigenem Wertempfinden zurückgreifen kann. Entscheidend ist, dass es aufgrund der durchaus vorhandenen Sinnhaftigkeit und Nützlichkeit, die eine Regelübertretung für den Mitarbeiter bedeuten kann, Sanktionsmechanismen bedarf, die diesen Regelverletzungen vorzubeugen vermögen. Dabei werden in Anlehnung an Stachura Sanktionen als stabilisierende Mechanismen verstanden, die vor allem dann greifen, wenn die Eigenmotivation versagt (Stachura 2009: 24). Sanktionsmechanismen und Kontrollstrukturen sind im Unternehmen eng miteinander verzahnt und sollen insofern nachfolgend gemeinsam an Beispielen aus der Praxis konkretisiert werden. Grundsätzlich liegt es in der Verantwortung der Führungskräfte, die Geschäftsprozesse unter dem Gesichtspunkt zu kontrollieren, inwiefern der Handlungsrahmen des Einzelnen bspw. die Einhaltung von Kartell- und Antikorruptionsrechten überhaupt zulässt. Zu überprüfen ist zum Beispiel, inwiefern eine ordentliche Ausschreibung hinsichtlich der zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen durchführbar ist oder wie konsequent Verfahren wie das sogenannte „Vier-Augen-Prinzip“ bei der Vergabe von Auf-
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trägen aufgrund von personellen, finanziellen und zeitlichen Ressourcen praktizierbar sind. Ein weiterer damit verbundener Aspekt ist die Überprüfung der Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitern. Hier gilt es, auf die Ausgewogenheit von sogenannten „weichen“ und „harten“ Erfolgsfaktoren zu achten, um ein Übergewicht an Rentabilitätskriterien für die Beurteilung der Mitarbeiter zu vermeiden und damit Gefahr zu laufen, integres Handeln als „add on“ und nicht als karriereentscheidendes Element zu institutionalisieren. Ein sanktionsmächtiger Baustein einer neuen organisationalen Institutionenordnung kann die Einrichtung eines unternehmensinternen Disziplinarausschusses sein, der über die existierenden Rechtsmittel hinaus Sanktionen wie Gehaltskürzungen, Versetzungen, sonstige Karrierenachteile bis hin zur Entlassung gegenüber Mitarbeitern verhängen kann. Allerdings darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Sanktionsmechanismen lediglich in der Hierarchie von oben nach unten zur Wirkung gelangen. Vielmehr lässt sich in Form von Führungskräftebeurteilungen von Seiten der Mitarbeiter eine stärkere Gewichtung von Compliance-Aspekten vornehmen, so dass Bonusprogramme von Führungskräften und die generelle Karriereentwicklung zwangsläufig von ihrem Umgang mit dem Thema Korruption abhängen. Als letzter, jedoch nicht weniger relevanter Baustein einer neuen organisationalen Institutionenordnung ist die Sicherung der Funktionstüchtigkeit von Kontrollorganen zu nennen. Das als „deutsche Krankheit“ bezeichnete Verfahren eines nahezu automatischen Wechsels vom Posten des Vorstandsvorsitzenden zum Chef des Aufsichtsrats unterläuft die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats in hohem Maße. Um unternehmensinterne Kontrollorgane davor zu schützen, in solcher Weise konterkariert zu werden, gilt es, wie im Folgenden näher ausgeführt wird, unabhängig von der Einrichtung des Ombudsmanns speziell für Führungskräfte, für die gesamte Belegschaft ein anonymes Meldeverfahren zu institutionalisieren, da allein durch die Erhöhung von Transparenz in allen Geschäftsprozessen und Transaktionen dieses Risiko begrenzt werden kann. 7.2.2.3 Zweckmäßigkeit und Leistung Die Frage nach der Zweckmäßigkeit von Institutionen steht, wie bereits ausgeführt wurde, nicht im Widerspruch zu einem wertbezogenen Institutionenverständnis. Vielmehr lässt sich der Leistungsbezug einer Institutionenordnung als ein nicht unerheblicher Faktor bei der erfolgreichen Institutionalisierung der Leitidee der Integrität bestimmen. Die entscheidende Leistung einer organisationalen Institutionenordnung, die sich der Institutionalisierung einer solchen Leitidee verschrieben hat, liegt in der moralischen Entlastung der Mitarbeiter. Diese
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besteht in dem Schutz vor einer unternehmensinternen Parallelkultur, die sich wie im Fall der institutionalisierten Korruption durch eine Umkehrung der Bewertungsmaßstäbe von konformem und abweichendem Verhalten auszeichnet. Denn während sich korruptives Handeln grundsätzlich durch einen gewissen Grad an Exklusivität und Geheimhaltung auszeichnet, ist dies innerhalb der gebildeten kriminellen Subkulturen nicht der Fall. Vielmehr ist ein Hauptcharakteristikum eine von den Akteuren wahrgenommene Normalität, die zwar durchaus als problematisch empfunden werden mag, aufgrund der Orientierungssicherheit jedoch, die die institutionalisierte Korruption durchaus bietet, es dem Einzelnen erschwert, sich innerhalb dieses Netzwerks der korruptiven Handlungen zu verweigern. Die Zweckmäßigkeit der neuen Institutionenordnung muss dementsprechend in der Vermeidung von Dilemma-Situationen durch strukturelle Veränderungen bestehen. Neben den üblichen Maßnahmen wie Job-Rotation lässt sich hier auch eine weitergehend veränderte Personalpolitik denken. Innerhalb deutscher Unternehmen wird häufig in Wachstumsmärkten der Länder wie China, Indien oder Saudi-Arabien auf ein deutsches oder internationales TopManagement gesetzt, das bezüglich der erfolgreichen Auftragsakquisition in einer unmittelbaren Abhängigkeit zu landeskundigen Mittelsmännern steht. Denn die Verweildauer von Managern aus der oberen Führungsebene beläuft sich für gewöhnlich nicht länger als drei oder vier Jahre, so dass wenig Gelegenheit zum Aufbau von intensiven und tragfähigen Kontakten zu Auftraggebern wie Staatskonzernen, Regierungsstellen oder Behörden besteht. Weit verbreitet ist dementsprechend die Beauftragung von sogenannten „Beratern“, ohne deren Beziehungsgeflecht in die Amtsstuben des jeweiligen Landes hinein und ohne deren Wissen über lokale Gegebenheiten und Vorlieben ein erfolgreicher Geschäftsabschluss nicht denkbar zu sein scheint. Offensichtlich handelt es sich hierbei um extrem korruptionsanfällige Geschäftsbeziehungen, bei denen der Wert der eigentlichen Transaktionsleistungen schwer zu normieren ist. Mit einer veränderten Personalpolitik, die den verstärkten Einsatz eines einheimischen Top-Managements dem von deutschen oder internationalen Führungskräften vorzieht, können Abhängigkeiten zu den sogenannten Vermittlern beendet werden, ohne dass damit der Zugang zu den lokalen Aufraggebern gefährdet ist. Gerade für multinationale Unternehmen, deren Struktur immer noch die Wurzeln eines deutschen Traditionsunternehmens widerspiegelt, kann eine solche Veränderung der Organisationsstruktur durchaus einer Art „Palastrevolution“ gleichkommen. Dies steht allerdings nicht im Widerspruch zur Notwendigkeit eines solchen strukturell weitgehenden Veränderungsprozesses. Um dieses Beispiel abzuschließen, soll durchaus kritisch angemerkt werden, dass auch wenn einer solchen Umstrukturierung ein hohes Maß an Zweckmäßig-
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keit für die erfolgreiche Institutionalisierung der Leitidee der Integrität im organisationalen Kontext zugeschrieben wird, nicht darüber hinweggesehen werden darf, dass das Problem der Bestechlichkeit von Seiten der Amtsträger selbst damit zunächst nicht gelöst werden kann. Vor diesem Hintergrund lassen sich den bereits angesprochenen institutionalisierten Diskursverfahren, bei denen Teilnehmer aus der gesamten Wertschöpfungskette an den Verhandlungsarenen beteiligt werden, eine erhöhte Chance zur Einigung bei bestimmten Problemstellungen zuschreiben. Entscheidend ist, dass, auch wenn aus solchen Aushandlungsprozessen bspw. in Form von Integritätsvereinbarungen Ergebnisse fließen können, denen sicherlich ein höheres Maß an Verbindlichkeit unterstellt werden kann, keinesfalls die Tatsache vernachlässigt werden darf, dass es sich dabei um ein punktuelles und fragiles Kompromissprodukt handelt. Ansonsten besteht die Gefahr, die Prämisse des Wertepluralismus’ und der einhergehenden Konflikthaftigkeit von Interessen auf Kosten von Harmonisierungsbestrebungen zu opfern. Obgleich solche strukturellen Verfahrensänderungen eine vielversprechende Leistungsfähigkeit für die Entlastung des Einzelnen in Bezug auf eine moralische Urteilsfindung versprechen, können damit Dilemma-Situationen nicht vollständig aufgelöst werden. Für diese Fälle bedarf es als Gegenstand einer neuen Institutionenordnung der Einrichtung sogenannter „Help Desks“, die als eine Art Übersetzungsdienst für Mitarbeiter fungieren. Mit der Hilfe von ComplianceExperten werden konkrete Vorfälle und anstehende Entscheidungsprozesse analysiert und Lösungen für Situationen gesucht, die sich durch konfligierende Rationalitätskriterien auszeichnen. Auch hier gilt der Verweis auf die zeitlich und räumlich beschränkte Problemlösung, wobei der Mehrwert eines solchen Verfahrens, neben der Entlastung des Einzelnen, maßgeblich in der Sensibilisierung der Akteure und der Steigerung ihrer Reflexionsfähigkeit zu finden ist. Abschließend soll der bereits mehrfach genannte Ombudsmann angeführt werden, der in diesem Zusammenhang, im Unterschied zu seiner Funktion als Supervisor für Führungskräfte (siehe Kapitel 6.4.3.2), als Anlaufstelle für sogenannte „Whistleblower“ oder auch Hinweisgeber fungiert. Die Institutionalisierung eines solchen anonymen Meldeverfahrens als Baustein einer neuen Institutionenordnung verfügt über eine hohe Zweckmäßigkeit für die Mitarbeiter, da ihnen so die Möglichkeit eingeräumt wird, in einem geschützten Raum Vorfälle aus dem unmittelbaren Tätigkeitsumfeld anonym zu melden, ohne damit die unternehmensinterne Verfolgung von korruptivem Handeln zu behindern. Die Hauptleistung solcher anonymen Meldeverfahren liegt jedoch in der Legitimitätssteigerung der gesamten Institutionenordnung. Denn sie bieten dem einzelnen Mitarbeiter einen Handlungskontext, in welchem sichergestellt ist, dass die Betrachtung von Transaktionen unter sozial-moralischen Gesichtspunk-
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ten als rational gilt. Auch wenn dieser Handlungskontext begrenzt ist, trägt er entscheidend dazu bei, dass die Glaubwürdigkeit des gesamten Vorhabens und damit auch seine Akzeptanz auf Seiten der Mitarbeiter wachsen. 7.2.3 Fazit Ziel des Kapitels war es zu zeigen, wie dem Phänomen der institutionalisierten Korruption im Unternehmen begegnet werden kann, ohne dabei der Gefahr zu erliegen, Widersprüchlichkeiten zwischen der Leitidee der Rentabilität und der Leitidee der Integrität zu negieren und entweder ausschließlich der Organisationsstruktur oder den Individuen die Verantwortung für Fehlverhalten anzulasten. Mithilfe der Differenzierung zwischen den Hierarchieebenen und den damit zusammenhängenden unterschiedlichen Möglichkeiten der Verantwortungszuschreibung wurde begründet, weshalb eine „one fits all“-Lösung der Komplexität der Unternehmenswirklichkeit nicht gerecht werden kann. Durch die Berücksichtigung der Handlungs- und Strukturebene und der gegenläufigen Wirkungsprozesse konnte ein Einblick in die Abhängigkeiten eines korruptiven Beziehungsgeflechts gewährt werden. Offensichtlich hat eine Bandbreite an Faktoren Einfluss auf die erfolgreiche Institutionalisierung von anderen Leitideen, wobei es sich dabei, wie mehrfach betont, nicht um einen abgeschlossenen Prozess handelt, sondern um einen fortwährenden Kampf um die Grenzziehung von Geltungskontexten und deren Leitideen. Konkrete Konsequenzen – sowohl für die Führungskräfte als auch für die Belegschaft – sind exemplarisch an Fällen aus der praktischen Unternehmenswirklichkeit ausgeführt worden mit dem Ziel, die theoretischen Überlegungen zu veranschaulichen und die Vielfalt an strategischen Maßnahmen einer Unternehmenspolitik als Institutionenpolitik aufzuzeigen. Damit wendet sich die Blickrichtung von der organisationalen Ebene auf das Umfeld der Organisation, das es, ebenfalls in Form einer Institutionenanalyse, hinsichtlich seines korruptionsfördernden und korruptionshemmenden Einflusses näher zu bestimmen gilt. 7.3 Die Umgestaltung der äußeren Institutionenordnung zu einem korruptionshemmenden organisationalen Umfeld „Individuals and organizations alike are embedded within both organizational and wider institutional environments, and are subject to not only formal but informal pressures rooted in their institutional environments and cognitive com-
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munities” (Misangyi 2006: 10). Gerade weil hier bisher der Schwerpunkt auf innerorganisationale Prozesse gelegt wurde, gilt es, in diesem Kapitel nochmals den Blick auf die Makroebene zu richten, um nicht Gefahr zu laufen, den Aspekt der „Embeddedness“ von Organisationen und ihren Akteuren auszublenden. Nicht zuletzt diese Eingebundenheit von Unternehmen in ihren gesellschaftlichen Kontext legt es nahe, Korruption als gesellschaftliches Problem auf den verschiedenen Ebenen anzugehen. Neben den innerorganisationalen Maßnahmen, so die Annahme der Arbeit, bedarf es also auch auf gesellschaftlicher Ebene Verfahren, die sich der Lösung dieses Problems widmen. Ziel des Kapitels ist es, vor dem Hintergrund einer eng vernetzten globalisierten Welt mit Rückgriff auf die Erkenntnisse aus den vorhergegangenen institutionentheoretischen Ausführungen die Bedingungen, unter denen sich solche Verfahren vollziehen, zu analysieren und darüber hinaus einige damit verbundene Chancen und Gefahren zu benennen. Den Ausführungen vorweggestellt sei der Hinweis, dass der Institutionenbegriff im Folgenden weiterhin im Sinne eines wertbezogenen Verständnisses verwendet wird, es sich dabei allerdings um Institutionen auf der gesellschaftlichen und nicht auf der innerorganisationalen Ebene handelt. Da sich Korruption als ein gesellschaftliches Problem identifizieren lässt und an solchen Problemlagen die Konflikte zwischen den Wertsphären zutage treten, besteht die Notwendigkeit einer Politik als Institutionenpolitik, die den Umgang mit Konflikten zwischen den Wertsphären zum Gegenstand hat. Deren Unvereinbarkeit und die damit einhergehenden Konflikte bilden den Ausgangspunkt und den roten Faden des Kapitels. Eine Institutionenpolitik, die zur Lösung des gesellschaftlichen Problems der Korruption beitragen soll, erhebt dementsprechend nicht den Anspruch, die widersprüchlichen Interessen der Trägergruppen der verschiedenen Wertsphären aufzuheben, sondern mithilfe von Verfahren zu vorläufigen Kompromissprodukten zu gelangen, selbst auf die Gefahr hin, dass gegebenenfalls mit der Generierung solcher Kompromisse neue Konflikte entstehen. Denn eine Institutionenreform, die von dem Bestreben zur Konfliktlösung motiviert ist, vermag im Ergebnis ihrerseits durchaus wieder andere Konflikte hervorzurufen (Lepsius 1977: 22f.). Das heißt: Institutionelle Differenzierung geht immer auch mit der Generierung von neuen Konflikten einher. Somit liegt die Herausforderung einer Modernisierungspolitik als Institutionenbildung darin, sich darauf einzulassen, „die gewollten oder zu tolerierenden Konflikte explizit zu benennen und ihrerseits zu institutionalisieren“ (Lepsius 1977: 23). Mithilfe einer Konstellationsanalyse auf gesellschaftlicher Ebene, die die Unvereinbarkeit der Wertsphären als gegeben annimmt, ist es zunächst das Ziel, zu zeigen, dass gerade bei einer Problemlage wie der Korruption, der aufgrund
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ihrer Wortbedeutung als solcher bereits Schlechtes, Unmoralisches und Zerstörerisches zugeschrieben wird, keineswegs ein wertsphärenübergreifender Konsens bezüglich des Umgangs mit dieser Problemlage und den daraus folgenden Konsequenzen zu erwarten ist. Vielmehr kämpfen auch hier – trotz der scheinbar gesellschaftsübergreifenden Ächtung und Tabuisierung – die verschiedenen Wertsphären um ihren Geltungsanspruch und die Legitimität ihrer Ordnungsvorstellungen, wobei es die jeweiligen Trägergruppen sind, die den Kampf der intraund interinstitutionellen Konflikte ausfechten. Im Anschluss an die Darstellung der Konfliktbeladenheit der Konstellation, die gerade in einer globalisierten Rahmenordnung nicht genug betont werden kann, liegt der Fokus auf der Frage, wie, trotz dieser Bedingungen, Lösungsverfahren für die Problemlage der Korruption aussehen könnten. Vor dem Hintergrund des Gesagten impliziert die Vorstellung eines problemlösenden Verfahrens, dass trotz des Konflikts zwischen den Werten eine konstruktive Vermittlung möglich ist. Sogenannten Verhandlungsarenen wird eine solche Wertvermittlungskompetenz bis zu einem gewissen Grad zugeschrieben, wobei es einer genaueren Analyse ihrer tatsächlichen Möglichkeiten bedarf. Am Beispiel eines Verfahrens der OECD werden im letzten Kapitel die getroffenen Annahmen konkretisiert und kritisch beleuchtet, ohne dass dabei der Anspruch besteht, die Kompetenzen und Wirkungsmöglichkeiten der OECD umfassend darzustellen und zu bewerten. 7.3.1 Die Konflikthaftigkeit des Handlungsrahmens von Unternehmen Bereits im Zuge der Theoriekritik wurde die Unvereinbarkeit der Wertsphären in den Fokus gerückt und die Asymmetrie zwischen den Bereichen hinsichtlich der ordnungsbildenden Dimensionen erörtert. Wichtig für die folgenden Ausführungen ist es, nochmals herauszustellen, dass die Wertsphären im ständigen Kampf um den eigenen Geltungsbereich und damit auch im Konkurrenzkampf um die jeweiligen Akteure stehen und welche Rolle die Trägergruppen als Interessensgruppen dabei spielen. Dementsprechend werden im ersten Schritt, vor dem Hintergrund dieser Konflikthaftigkeit, die unternehmerischen Reaktionen in Form von CSR- oder Corporate-Citizenship-Maßnahmen als Teil der Ausdehnung des ökonomischen Geltungskontextes identifiziert. Im zweiten Schritt werden die Trägergruppen nicht-ökonomischer Ordnungskriterien in die Betrachtung einbezogen und ihre Einflussmöglichkeiten anhand von zwei Phasen aufgezeigt: (a) der Sensibilisierung der Öffentlichkeit mithilfe von Massenmedien und (b) die Teilnahme an Aushandlungsprozessen
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zur Ausgestaltung von Rahmenbedingungen. Die zweite Phase wird darüber hinaus in den darauffolgenden Kapiteln ausführlich zur Sprache kommen. Insofern Werte orientierungsleitend für das Handeln der Individuen sind, liegt es im Interesse der Trägergruppen, die Geltungsgrenzen ihrer präferierten Wertorientierungen auszuweiten. Dabei hängen die Durchsetzungschancen bei der Institutionalisierung von neuen Ordnungskriterien weitgehend von der Organisation der sie vertretenden Interessengruppe ab, ebenso wie die Stabilität und Dauerhaftigkeit überwiegend von der rechtlichen Fixierung dieser Leitkriterien. Für die Wertsphäre der Ökonomie als den für die Arbeit interessanten Gesichtspunkt, von welchem aus die Wirkungszusammenhänge betrachtet werden sollen, bedeutet dies, dass ihre Trägergruppen, bspw. Unternehmer, ihren Handlungsmodus in andere Bereiche hineinzutragen versuchen. Das heißt, dass wirtschaftliche Orientierungen auch als zielführend für politische Entscheidungsprozesse propagiert werden und dass keinesfalls von einer freiwilligen Zurücknahme des eigenen Geltungsbereichs die Rede sein kann. Weder eine auf die Geschäftsprozesse ausgerichtete CSR-Strategie innerhalb eines Unternehmens, noch offensive, im gesellschaftlichen Umfeld des Unternehmens betriebene Maßnahmen, welche das Unternehmen als verantwortungsvollen Bürger, Corporate Citizen (CC), mit seinen Rechten und Pflichten in den Vordergrund rücken, können darüber hinwegtäuschen, dass sich die Wertsphäre der Ökonomie weiterhin auf die Leitidee der Rentabilität beruft. Vielmehr hat sich an der ökonomischen Rationalität nichts verändert und die formale Operationsweise ist weitgehend indifferent gegenüber materialen Imperativen, unabhängig davon, dass sich sozialpolitische und ökologische Rahmenbedingungen des kapitalistischen Wirtschaftens gewandelt haben (vgl. Schwinn 2001: 327). Die zahlreichen auf Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung basierenden Initiativen, die von einigen Unternehmen als Antwort auf die an sie herangetragene Zuschreibung einer gesellschaftlichen Verantwortung ins Leben gerufen werden, sind vielmehr ein Indikator dafür, wie die ökonomische Wertsphäre um ihren Geltungskontext kämpft. Denn solange Unternehmen die Agenda der CSR-Diskussion mitgestalten, besteht für sie die Sicherheit, dass aufgrund der existierenden gesellschaftlichen Wertmaßstäbe, die derzeit und wohl auch in absehbarer Zukunft von ökonomischen Kriterien dominiert werden, der ökonomische Handlungsmodus bei den Vertretern anderer Trägergruppen weiterhin Gehör findet. Solange die freiwilligen Eigeninitiativen von Unternehmen nicht in rechtlich verbindliche Normen überführt werden, die beispielsweise in Form eines Unternehmensstrafrechts mithilfe von weitreichenden Sanktionierungsmöglichkeiten durchgesetzt werden können, werden die sozialpolitischen Rahmenbedingungen weiterhin von Unternehmen maßgeblich mitgestaltet, was – wie deutlich geworden sein sollte – zu keinem Ergebnis führen kann, das an der ungleichen Entwicklung der Bereiche
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grundsätzlich etwas zu ändern vermag. Vielmehr besteht sogar die Gefahr des gegenteiligen Effekts einer nicht-intendierten Folgewirkung, nämlich dass der Geltungsraum des wirtschaftlichen Handelns unter ökonomischen Rentabilitätskriterien weiter ausgedehnt wird. Die Tatsache, dass nicht die Akzeptanz des Eigenwerts einer anderen Wertsphäre ausschlaggebend ist für das Bestrebens eines Unternehmens, nachhaltig zu wirtschaften, sondern der Druck, der aufgrund von rechtlichen Rahmenbedingungen sowie aufgrund des Drohpotentials von Seiten organisierter Interessensvertreter, den sogenannten Stakeholdern, aufgebaut wird, steht nicht im Widerspruch dazu, dass auf der Akteursebene durchaus die Einsicht und die Motivation des Einzelnen für die Überführung dieser Rahmenbedingungen in organisationale Maßnahmen und damit auch ihre Wirkungsmächtigkeit entscheidend sein kann. Dies schließt sowohl den innerorganisationalen Kontext mit Verweis auf den institutionellen Entrepreneur als auch den außerorganisationalen ein. In diesem Zusammenhang gilt es, nochmals auf den Einfluss organisierter Interessengruppen hinzuweisen, die eine maßgebliche Rolle spielen, bspw. als wissenschaftliche Expertengruppen in spezialisierten Forschungseinrichtungen zur Unterstützung bei der Durchsetzung ökologischer Standards oder als Parteien, die sich für ökologische Inhalte einsetzen. Diese Interessengruppen sind bis zu dem Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung, bis sich ihre Forderungen in Form von rechtlich sanktionierbaren Gesetzen wiederfinden. Im Hinblick auf die internationalen Handlungsfelder von Wirtschaftsorganisationen, wie sie für die Arbeit von Bedeutung sind, ist der Druck, der durch organisierte Trägergruppen anderer Wertsphären entsteht, ein entscheidender Faktor. Denn insofern das rechtliche Potential im internationalen Kontext an sich schon begrenzt ist, bedarf es umso mehr einer ständigen Präsenz der entsprechenden Interessengruppen und von deren korrespondierenden Organisationen, die die andauernde Auseinandersetzung mit sozialpolitischen und ökologischen Kriterien gewährleisten. Sonst besteht die Gefahr, dass, sofern „die Stützung und Verfolgung sozialer Standards durch entsprechende Trägergruppen und organisationen weg[fällt] oder […] diese an Einflußpotential [verlieren], […] je nach dem rechtlichen Restpotential, auch die Möglichkeit, diesem Kriterium in anderen Ordnungskontexten Geltung zu verschaffen, [verschwindet oder sich minimiert]“ (Schwinn 2001: 119). Aufgrund einer fehlenden einheitlichen globalen Gerichtsbarkeit stellt sich also umso mehr die Frage nach der Möglichkeit bezüglich des Drohpotentials, das Trägergruppen anderer Wertsphären auch auf globaler Ebene aufbauen können, um notwendig gewordene internationale Standards zur Korruptionsbekämpfung durchzusetzen. Inwieweit eine Trägergruppe ein ausreichend großes Droh-
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potential entwickeln kann, hängt weitgehend von der Organisation der Interessensgruppen ab. Um die Möglichkeiten und Maßnahmen dieser Trägergruppen näher zu beleuchten, gilt es, zwei Phasen zu unterscheiden, in denen sich die jeweiligen Akteursgruppen unterschiedlicher Strategien bedienen: Die erste Phase (a) besteht darin, überwiegend mithilfe der Massenmedien eine Öffentlichkeit für einen Problemzusammenhang herzustellen, um somit die Thematik in gesellschaftliche Institutionen der Politik, des Rechts und der Wissenschaft hineinzutragen. In dieser Phase spielen intermediäre, international organisierte Interessensgruppen in Form von Nichtregierungsorganisationen eine entscheidende Rolle, da sie in einer weltweit dominierenden kapitalistischen Wirtschaftsführung aufgrund ihrer globalen Aktivitäten am ehesten eine Art Gegengewicht zu den eng vernetzten Wirtschaftsakteuren bilden können. In Bezug auf das Korruptionsthema lässt sich Transparency International (TI) als ein Beispiel dafür nennen, wie sich eine heterogene Gruppe von Individuen vereint im Interesse am globalen Kampf gegen Korruption in einer weltweit tätigen NGO organisiert, um mithilfe der Sensibilisierung der Öffentlichkeit Druck auf die Institutionen der verschiedenen Wertsphären auszuüben. Der zweiten Phase (b), in der es um die tatsächliche Entwicklung und Durchsetzung von Standards geht, liegt die Annahme zugrunde, dass es einer über die Wertsphären hinausgehenden Zusammenarbeit der jeweiligen Institutionen bedarf, um Problemzusammenhänge zu lösen. Als ein solches Beispiel lässt sich der bereits angesprochene Stakeholder-Dialog zur ISO 26000 nennen, bei dem in einem jahrelangen Prozess Dialoge hinsichtlich bestimmter, CSRspezifischer Themen geführt werden mit dem Ziel, trotz der unterschiedlichen Interessen und Ansprüche ein gemeinsames Verständnis von gesellschaftlicher Verantwortung von Organisationen zu entwickeln. Diese Phase ist aufgrund der konkurrierenden Machtansprüche und universellen Deutungsansprüche der Wertsphären von hohem Konfliktpotential gekennzeichnet. Im Hinblick auf die Problemlage der Korruption rückt im folgenden Kapitel diese zweite Phase in den Analysefokus. Ziel ist es, ein Verfahren darzustellen, das sich dem Problem durchaus lösungsorientiert nähert, dabei aber nicht aufgrund von Harmonisierungsbestrebungen auf ein vermeintliches Konsensmodell hinausläuft, das die tatsächlich existierende konfliktäre Konstellation negieren würde. Vielmehr wird zu zeigen sein, dass das Ergebnis eines solchen Verfahrens lediglich eine Art Kompromissprodukt sein kann und nicht das Ziel der Herstellung einer dauerhaften Konfliktfreiheit verfolgt wird.
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7.3.2 Chancen einer Wertvermittlung Ausgangspunkt der Überlegungen bildet also die Annahme, dass Korruption, wie andere Problemlagen – bspw. Arbeitslosigkeit, Drogen- oder Umweltprobleme – ebenfalls über ein beträchtliches Konfliktpotential verfügt. Denn, wie Schwinn anmerkt, begegnen sich einzelne Wertperspektiven selten abstrakt oder losgelöst von jeglicher inhaltlicher Problematik. Vielmehr entstehen Spannungen zwischen den Wertsphären dadurch, dass ihre Perspektiven und Ansprüche bezogen auf konkrete Problemlagen aufeinandertreffen (Schwinn 2001: 325). In dem Disput zwischen den Trägergruppen der verschiedenen Bereiche können die Spannungen zutage treten, wobei das vorhandene Konfliktpotential solcher Auseinandersetzungen der Tatsache geschuldet ist, dass sich die Perspektiven der Akteure aufgrund ihrer jeweiligen Wertsphärenzugehörigkeit fundamental unterscheiden. Führt man sich vor Augen, dass der Blick auf die Welt jeweils ein vollkommen anderer ist, stellt sich die Frage, ob eine Vermittlung zwischen diesen Werten überhaupt möglich ist und damit auch, wie dem Korruptionsproblem auf gesellschaftlicher Ebene begegnet werden kann. Offensichtlich besteht die Notwendigkeit, trotz des spannungsreichen Kontextes Verfahren zu finden, bei denen verschiedene Institutionen mit ihren jeweils unterschiedlichen Leitideen an der Lösung des Problems beteiligt sind. Das heißt, dass es letztlich um die Koordination von Institutionen im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel geht, wobei, ähnlich wie im organisationalen Kontext, gilt, dass eine „Koordination über interinstitutionelle Leistungsbezüge […] nicht [heißt], daß die legitimen Indifferenzen zwischen den Bereichen einer erfolgsorientierten Zusammenarbeit im Hinblick auf die Lösung eines Problems geopfert werden dürfen“ (Schwinn 2001: 360). Offensichtlich handelt es sich um eine Gratwanderung bei der Suche nach einer pragmatischen Lösung für eine bestimmte Problemlage, wobei konfliktäre Konstellationen zuzulassen sind und die Frage nach den Zugriffsrechten und Kompetenzen der einzelnen Sphären Politik, Recht, Wissenschaft und Ökonomie immer wieder neu gestellt werden muss. In den folgenden Ausführungen wird, ausgehend von der Darstellung des Wertdiskurs-Verfahrens, das Konzept der Verhandlungsarena nochmals differenzierter in den Blick gerückt, das sich auf der einen Seite weitgehend dem Wertdiskurs-Verfahren anschließt, das andererseits aufgrund seines pragmatischen Ansatzes die Schwäche des Verfahrens, nämlich die Unzulänglichkeit, keine Entscheidungen treffen zu können, ausgleicht. Vorab gilt anzumerken, dass, auch wenn bereits im organisationalen Kontext der Wertdiskurs als Teil der Strategie der Institutionalisierung von Gegenprinzipien (siehe Kapitel 6.3.2 und Kapitel 6.4) als ein sinnvolles Verfahren für den inner-organisationalen Kontext entwickelt wurde, es aufgrund der auf gesellschaftlicher Ebene unterschiedlichen
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Bedingungen im Folgenden einer weiteren Auseinandersetzung mit den Prämissen bedarf, unter denen ein solcher Diskurs zwischen den Wertsphären stattfinden kann. Für die Differenzierung der Diskurs-Begriffe sei an dieser Stelle nochmals auf den Exkurs zum Diskursverständnis hingewiesen. Nachdem es, wie in der ersten Phase (a) beschrieben, gelungen ist, dass ein Problem über die verschiedenen Ebenen der Öffentlichkeit schließlich auf die diskursive Agenda gesetzt und von Seiten der Träger der unterschiedlichen Institutionen als ein Gemeinsames identifiziert wurde, können sich ihm die Vertreter der Wertsphären mit ihren jeweils entsprechenden Bearbeitungsperspektiven nähern. Unabhängig davon, ob es sich bei den Beteiligten um Laien oder Experten handelt – die entsprechenden Vor- und Nachteile sind sicherlich erwägenswert, sollen aber hier nicht diskutiert werden – bedarf es eines Arrangements, das durch gleichmäßige Rechte- und Ressourcenverteilung mögliche Machtasymmetrien weitestgehend ausräumt. Die Kriterien für die Auswahl der Diskursbeteiligten bestimmen maßgeblich die Legitimationsfähigkeit des Diskurses. Wichtig ist der Hinweis, dass der Träger solcher Diskurse kein demokratisches Mandat hat und die Zusammensetzung – trotz möglicher sachlicher Nachvollziehbarkeit – letztlich willkürlich ist. Dementsprechend können solche Diskurse auf gesellschaftlicher Ebene (im Gegensatz zur organisationalen Ebene) auch keine Entscheidungsgremien ersetzen, sondern übernehmen vielmehr Aufgaben der kritischen Reflexion und Beratung (Schwinn 2001: 344). Wenn nun Diskurse keine Entscheidungen über politische und ökonomische Maßnahmen oder rechtliche Rahmenbedingungen treffen können, stellt sich die Frage, wie ihr Beitrag in Form einer kritischen Reflexion letztlich aussieht. Schwinn sieht ihre Leistung darin, dass es Diskursen möglich ist, Bearbeitungsund Leistungsgrenzen einzelner Sphären genauer herauszustellen. So können Diskurse dabei helfen, Grenzlinien zu markieren, die die willkürlichen wechselseitigen Bezugnahmen der Träger dieser institutionellen Bearbeitungskriterien einschränken (Schwinn 2001: 346). Damit wird auch an dieser Stelle deutlich, dass an der Konfliktträchtigkeit der Wertsphären festgehalten wird. Das Wertvermittlungspotential von Diskursen, die integrativen Leistungen, „liegen nicht in einer konsensuellen Zähmung des Wertstreits, sondern in einer ,Präzisierung des Nichtwissens und des Wertdissens‘“ (Schwinn 2001: 438). Ob und inwiefern eine Vermittlung zwischen diesen Werten überhaupt möglich ist, hängt letztlich davon ab, ob sich die Beteiligten auf das Postulat einigen können, dass keine einzelne Wertsphäre einen umfassenden Geltungsanspruch für sich erheben kann (Schwinn 2001: 331). Unter dieser Voraussetzung hat der Diskurs das Potential einer Wertvermittlungsinstanz, ohne dabei integrierend über den Sphären zu walten. Abschließend bleibt noch anzumerken, dass der sphärenspezifische insti-
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tutionelle Kontext, in welchem das diskursive Verfahren stattfindet, für dessen Vermittlungschancen keine unwesentliche Rolle spielt. Wenn mithilfe von Diskursen keine Entscheidungen getroffen werden können, es vielmehr bei einer kritischen Reflexion bleibt, stellt sich im Zusammenhang des Korruptionsproblems die Frage nach ihrer Problemlösungskapazität und Praktikabilität, was Zeit und Kosten solcher Verfahren betrifft. Hier kommt das Konzept der Verhandlungsarenen zum Tragen, da mit Schwinn davon ausgegangen wird, dass, um Entscheidungen herbeizuführen, Diskurse Verhandlungen weichen müssen (Schwinn 2001: 346). Im Unterschied zu Diskursen, die sich möglichst weitgehend von jeglichen Macht- und Interessenslogiken zu befreien versuchen, indem sie den Beteiligten einen gleichberechtigten Status verleihen, werden nun bei Verhandlungen zur Entscheidungsfindung die Machtasymmetrien zwischen den vertretenen Interessensgruppen mit einbezogen. Zwar werden auch bei Verhandlungen Argumentationen ausgetauscht, allerdings vollzieht sich die Argumentation „im Schatten der Macht“. Offensichtlich weicht damit dem Ideal eines machtfreien Diskursraums eine praktikable, pragmatische und realitätsnahe Vorgehensweise. Das heißt jedoch nicht, dass das Ziel nicht weiterhin eine nach bestimmten Kriterien möglichst ausgewogene Zusammensetzung der Beteiligten ist und nicht an Diskursregeln festgehalten wird. Vielmehr geht es um die Anerkennung dessen, dass jeder Teilnehmer in seiner Rolle als Vertreter einer bestimmten Interessensgruppe nur über einen gewissen Handlungsspielraum verfügt. Dieser hängt davon ab, inwieweit er die zu tragenden Folgekosten einer Entscheidung bei seiner von ihm vertretenen Interessensgruppe durchsetzen und Akzeptanz und Zustimmung erzielen kann. So wird bspw. eine Aussage wie „Korruption lässt sich mithilfe von Transparenz wirksam bekämpfen, weshalb Ausschreibungsprozesse generell von einem externen und neutralen Monitoring begleitet werden müssen“ von Seiten des unternehmerischen Lagers kaum uneingeschränkte Zustimmung erfahren, da dies für Unternehmen erhöhte Transaktionskosten und vor allem einen weitgehenden Eingriff in die unternehmensinternen Geschäftsprozesse bedeutet. Da der Diskursbeteiligte vor seiner eigenen Organisation eine solche selbst auferlegte Hürde rechtfertigen muss, liegt es nahe, dass er zu möglichst wenigen Zugeständnissen dieser Art bereit sein wird. Zu welchen Kompromissen es dennoch kommen kann, hängt von der Konflikt- und Sanktionsfähigkeit der Beteiligten, also von der Machtverteilung zwischen den Verhandlungsführern bzw. den ihnen zugehörigen Herkunftsorganisationen ab. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass bei Verhandlungen „der Kompromißzwang […] zu[nimmt], weil trotz verbleibender Konsensdefizite Handlungskosten durch Verhandlungsmacht auferlegt werden können“ (Schwinn 2001: 346).
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Festhalten lässt sich, dass Verhandlungsarenen auf der einen Seite durchaus Wertvermittlungskompetenzen zugeschrieben werden können, auch wenn diese in einem zeitlichen und räumlich vorläufig definierten Kompromissprodukt resultieren. Auf der anderen Seite gilt es jedoch, vor dem Hintergrund der aufgezeigten Machtasymmetrien den Beitrag dieser Verhandlungsarenen für die Gestaltung einer Institutionenordnung zu reflektieren, die zum Ziel hat, auf nationaler und internationaler Ebene Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Geltung anderer, nicht-ökonomischer Rationalitätskriterien ermöglichen. Bei einer solchen Reflexion geht es in erster Linie um die Durchsetzungsfähigkeit von Institutionen, für deren Interessen die Diskursteilnehmer in einer entsprechenden Verhandlung einzustehen haben. Um diese Durchsetzungsfähigkeit und die Interdependenzen zwischen den Institutionen genauer analysieren zu können, hat Lepsius eine Differenzierung von verschiedenen Allokationsproblemen vorgenommen, die sich auf die Strukturierung und Ordnung des gesamten institutionellen Systems einer Gesellschaft bezieht (Rieger 1992: 51): die Kompetenzallokation, die Ressourcenallokation, die Legitimierungsallokation und die Kontrollallokation (Lepsius 1977). Vor dem Hintergrund der Annahme, dass es für die Antwort auf die Frage des Umgangs mit den Machtasymmetrien innerhalb von Verhandlungen einer Analyse der bestehenden Institutionenordnung samt der unterschiedlichen Durchsetzungschancen der Institutionen bedarf, wird im Folgenden skizziert, anhand welcher Kriterien eine solche Analyse möglich ist. Der Anspruch, der dabei verfolgt wird, ist einerseits zu unterstreichen, dass der Aspekt der unterschiedlichen Durchsetzungschancen von Institutionen nicht zu vernachlässigen ist und andererseits die Komplexität dieses Vorhabens aufzuzeigen. Der Umfang eines solchen Vorhabens, um welches es sich bei der Analyse der Durchsetzungsfähigkeit von Institutionen handelt, wird deutlich, wenn man die Untersuchungsergebnisse von Schwinn in Augenschein nimmt – mit dem Wissen, dass eine solche Analyse, wie Schwinn sie für den Bereich Wissenschaft anstellt, auch für die Bereiche Wirtschaft, Politik und Recht vorgenommen werden müsste. Im Gegensatz zu Lepsius verzichtet Schwinn in seinen Ausführungen auf die Kontrollallokation, die die Formen der Konfliktaustragung zwischen Institutionen und die Art der dafür zugelassenen Sanktionsmittel regeln soll. Die folgende Darstellung folgt der Argumentation von Schwinn, in welcher er darauf verweist, dass die Kontrollallokation bereits in anderen, insbesondere in der Kompetenzallokation enthalten sei (Schwinn 2001: 361). Die entscheidenden Allokationsprobleme lassen sich demnach wie folgt bestimmen: Die Ressourcenallokation regelt die Verfügbarkeit der Mittel zur Durchsetzung von Kompetenzen. Die Kompetenzallokation bestimmt den Grad der Autonomie einer Einrichtung gegenüber anderen Institutionen. Die Regelung von Rechtfertigungskri-
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terien für die Kompetenzausübung einer Institution nimmt die Legitimationsallokation vor (Lepsius 1977: 26ff.). Vor dem Hintergrund der exemplarischen Durchführung eines Abstimmungsprozesses über das Zusammenspiel von Ressourcen-, Kompetenz- und Legitimationsallokation am Beispiel von Wissenschaft durch Thomas Schwinn (Schwinn 2001: 362ff.) lassen sich Überlegungen für den Wirtschaftsbereich anstellen, die bspw. die grundsätzliche Wertschätzung von Wirtschaft betreffen und danach fragen, ob diese Wertschätzung der Ressourcenallokation entspricht. Des Weiteren wäre die Frage nach der Verfügungsgewalt von Wirtschaft über die Verteilung und die Kontrolle von Mitteln zu stellen. Das Maß an Autonomie, über welches Wirtschaft verfügt, wäre über den Aspekt der Handlungsfreiheit gegenüber den Verhaltensansprüchen von außen zu bestimmen. Weiter wäre zu fragen, ob Wirtschaft auf zusätzliche Legitimationsquellen, bspw. das Anbieten von außerökonomisch nützlichen Leistungen, angewiesen ist oder ob sie für sich bereits über hinreichend unmittelbare Machtmöglichkeiten verfügt. Zu erörtern wäre außerdem, ob Wirtschaft über genügend eigene finanzielle Ressourcen und über eine ausreichend legitimationsstarke Wertbasis verfügt, um korrespondierende Institutionen absichern zu können. Bereits diese Fragen spiegeln die Komplexität eines solchen Vorhabens wider, wobei es, wie eingangs erwähnt, notwendig ist, den Abstimmungsprozess ebenfalls in den Bereichen Recht und Politik durchzuführen, um zu einem umfassenden Bild von der Durchsetzungsfähigkeit der jeweiligen Institutionen zu gelangen. Im Bewusstsein dieser Überlegungen lässt sich eine Ausgestaltung der Verhandlungsarenen vornehmen, die nicht Gefahr läuft, die Machtasymmetrien bei den Diskursbeteiligten zu ignorieren. Vielmehr können die Art und der Kontext der Verhandlung an den jeweiligen spezifischen Problemfall angepasst werden und bspw. als einmalige Verhandlungsarena oder als zwischeninstitutionelles Verhandlungsgremium (vgl. Schwinn 2001: 440) eingerichtet werden. Der Vorteil eines institutionalisierten Verhandlungsgremiums liegt in der Gewährleistung von Stabilität und Dauerhaftigkeit dieser intermediären Institution. Nachteilig kann sich eine solche Konstellation auf die Flexibilität der Ausgestaltung der Verhandlungsweisen und der Einsetzung bei Problemfällen auswirken. Welche Form im Hinblick auf die Problemlage der Korruption die zu bevorzugende ist, kann in diesem Kontext nicht abschließend geklärt werden. Im Zuge der exemplarischen Darstellung eines Verhandlungsverfahrens als intermediäre Institution werden jedoch im Folgenden die Vor- und Nachteile nochmals kritisch reflektiert.
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7.3.3 Die nationalen Kontaktstellen der OECD als Beispiel für eine intermediäre Institutionenbildung Mit Blick auf die öffentliche Diskussion über das Thema Korruption, die in unterschiedlichsten Facetten in den Massenmedien geführt wird, sowie in Anbetracht der zahlreichen Arbeitsgruppen der Städte und Kommunen, der Initiativen von Seiten der UN, der Europäischen Kommission, der OECD und der zivilgesellschaftlichen Akteure wie Transparency International kann man durchaus davon sprechen, dass dem Thema Korruption der Sprung auf die „diskursive Agenda“ gelungen ist. Was gehört aber letztlich dazu, dass tatsächlich ein institutionalisiertes Verhandlungsverfahren in dieser Problemlage erfolgt und welches Ergebnis kann davon erwartet werden? Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Rückkopplungseffekte, die Unternehmen vor die Herausforderung stellen, einen sinnvollen Umgang mit ehemals externalisierten Folgewirkungen zu finden, kommt Verhandlungsgremien die Aufgabe zu, Rahmenbedingungen zu schaffen, die durch die Forcierung von bestimmten Rückkopplungseffekten Unternehmen zu einem integeren Wirtschaften bringen. Aufgrund der Komplexität von Ordnungskonstellationen, die keine umfassende Steuerung zulassen, besteht die Notwendigkeit, Verfahren zu entwickeln, die den Umgang vor allem auch mit den nicht-intendierten Folgewirkungen ermöglichen. Schwinn verweist an anderer Stelle auf die Rolle von zwischeninstitutionellen Verhandlungsgremien. „Es müssen Verfahren gefunden werden, über die nichtgewollte Wirkungsketten, die von einer Institution oder durch das Zusammenwirken mehrerer ausgelöst werden, wieder an diese rückadressiert werden, in der Absicht, institutionelles Handeln entsprechend zu verändern, oder es müssen solche Folgen von einer anderen als der Verursacherinstitution aufgefangen werden“ (Schwinn 2001: 440). Als ein solches Verfahren in Form eines zwischeninstitutionellen Verhandlungsgremiums soll im Folgenden die Nationale Kontaktstelle9 der Bundesrepublik hinsichtlich ihrer Wirkungsmöglichkeiten analysiert werden. Eingangs werden dementsprechend der Anspruch und die Zielsetzung der OECD-Leitsätze dargelegt, um anschließend die Rolle der nationalen Kontaktstellen auszuführen, die mit dem Ziel, die Durchsetzung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zu fördern, eingerichtet wurden. Die Institutionali-
9 Mit den großgeschriebenen Lettern bei der Bezeichnung Nationaler Kontaktstelle oder auch NKS ist die spezifisch deutsche Kontaktstelle gemeint, während generell von – kleingeschrieben – nationalen Kontaktstellen die Rede sein wird, wenn es sich dabei um keine länderspezifische Einrichtung handelt.
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sierung der Nationalen Kontaktstelle in Deutschland wird unter dem Aspekt ihrer Einfluss- und Wirkungsmöglichkeiten abschließend kritisch zu diskutieren sein. Für die gesamten Ausführungen gilt, dass aufgrund der Fragestellung besonders die korruptionsspezifischen Inhalte der Leitsätze von Bedeutung sein werden. 7.3.3.1 Die OECD-Leitsätze als internationales Rahmenabkommen zur Begrenzung des „ökonomischen Wildwuchses“? Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat bereits im Jahr 1976 Richtlinien für das Verhalten von multinationalen Unternehmen beschlossen, wobei diese Empfehlungen im Jahr 2000 als Resultat eines umfangreichen Dialogs zwischen Vertretern von OECD-Regierungsländern, Nicht-Mitgliedsländern, Unternehmen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen verabschiedet wurden. Neben den inhaltlichen Veränderungen der Leitsätze, wozu das für diesen Kontext entscheidende, neu hinzugekommene Kapitel VI. Bekämpfung der Korruption (OECD 2000: 27f.) gehört, gilt es hervorzuheben, dass insbesondere die Verfahren zur Umsetzung der Leitlinien in der überarbeiteten Version stärker gewichtet werden. Wichtig ist, dass es sich bei den Leitsätzen, die laut selbst definiertem Anspruch das gemeinsame Wertverständnis der beteiligten Regierungen widerspiegeln, nicht um rechtsverbindliche Rahmenabkommen, sondern um politische Empfehlungen handelt, die sich an Unternehmen richten (vgl. OECD 2000: 17). Im Gegensatz dazu sei das OECD-Übereinkommen über die Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr genannt, das als Teil der Schaffung eines internationalen Regulierungsrahmens auf nationaler Ebene zu einer Gesetzesänderung geführt und damit Rechtsgültigkeit erlangt hat. Die Intention der Leitsätze ist es hingegen, mithilfe von Grundsätzen und Maßstäben für „gute“ Praktiken, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihren Beitrag in Form eines ökonomischen, ökologischen und sozialen Fortschrittes zu leisten. Das Prinzip der Freiwilligkeit wird ebenso wenig infrage gestellt wie das Bekenntnis dazu, Unternehmen einen entscheidenden Anteil an der Steigerung des gesellschaftlichen Wohlergehens und des Lebensstandards zuzuschreiben. Insofern geht es um die im Verlauf der Arbeit mehrfach angesprochene, faktische Gestaltung der Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns. Es wird zu diskutieren sein, inwiefern die OECD-Leitsätze als ein internationales Rahmenabkommen tatsächlich anderen, nicht-ökonomischen Rationalitätskriterien zur Wirksamkeit verhelfen können. Entscheidend dabei dürften die Verfahren zur Umsetzung der Leitsätze wie die Einrichtung von nationalen Kontaktstellen
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sein, deren Rolle im nachstehenden Kapitel ausgeführt wird. Vorab gilt es jedoch noch einen Blick auf die korruptionsspezifischen Elemente innerhalb der Leitsätze zu werfen. Unter besagtem Kapitel VI. Bekämpfung der Korruption werden sechs Empfehlungen ausgesprochen, die jedwede Gewährung von direkter und indirekter Bestechung oder Vorteilsgewährung sowie jegliche Forderungen solcher Handlungen ablehnen. Geschäftsfremde Zahlungen, die Vergütung nichtlegitimer Dienstleistungen, werden ebenso thematisiert wie der Aufruf zur innerund außerbetrieblichen Transparenz, die Sensibilisierung der Mitarbeiter und die Sanktionierung von unternehmensinternem Fehlverhalten, das Einführen von umfassenden Managementkontrollsystemen sowie das Thema der politischen Einflussnahme durch illegale Spenden. Hintergrund dieser Empfehlungen ist die Annahme, die sich in Teil 3 der Leitlinien in dem Kapitel „Erläuterungen zu den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen“ (vgl. OECD 2002: 41ff.) finden lässt, mit der davon ausgegangen wird, dass sich Bestechung und Korruption nicht nur negativ auf demokratische Institutionen und eine „gute“ Unternehmensführung auswirken, sondern auch die Anstrengungen zur globalen Armutsbekämpfung beeinträchtigen. „So wird insbesondere durch die Umlenkung von Mitteln mit Hilfe korrupter Praktiken das Streben der Bürger nach einer Steigerung ihres wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wohlergehens untergraben“ (OECD-Leitsätze 2000: 53). Übereinstimmung herrscht außerdem bezüglich der wichtigen Rolle, die Unternehmen bei der Bekämpfung eben dieser Praktiken zugeschrieben werden kann. Folgerichtig ist, dass die Teilnehmerstaaten, um diesen Empfehlungen zur Gültigkeit im betrieblichen Alltag zu verhelfen, nationale Kontaktstellen eingerichtet haben. Ihre Rolle soll im Folgenden erörtert werden unter Berücksichtigung der Fragestellung, inwieweit die NKS der Bundesrepublik als ein zwischeninstitutionelles Verhandlungsgremium als Teil einer Institutionenordnung aktiv werden kann, welche das Korruptionsphänomen als Problem und Korruptionsbekämpfung als Ziel definiert hat. 7.3.3.2 Die Rolle der nationalen Kontaktstellen Die Aufgabe von nationalen Kontaktstellen besteht laut OECD-Beschluss darin, „die Umsetzung der Leitsätze zu fördern, Anfragen zu beantworten sowie mit den beteiligten Parteien alle Fragen zu erörtern, die unter die Leitsätze fallen, um so zur Lösung der auf diesem Gebiet möglicherweise auftretenden Probleme beizutragen und zwar unter gebührender Berücksichtigung der im Anhang zu diesem Beschluss enthaltenen verfahrenstechnischen Anleitungen“ (OECD 2000: 34).
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Dabei soll sich die Arbeit der nationalen Kontaktstellen zunächst auf die nationale Ebene beschränken und nur bei Bedarf eine Zusammenarbeit zwischen den Ländern angestrebt werden. Um den Austausch unter den nationalen Kontaktstellen dennoch zu gewährleisten, findet ein jährliches Treffen statt. Die institutionelle Verankerung der nationalen Kontaktstellen wird länderspezifisch unterschiedlich gehandhabt und unterliegt lediglich zwei Prämissen: Zum einen sollte sie entweder aus einem hohen Regierungsbeamten oder aus einer öffentlichen Dienststelle unter Leitung eines hohen Beamten bestehen, wobei auch eine Alternativlösung vorgeschlagen wird, die eine Institutionalisierung der Kontaktstelle als gemeinsames Organ, bestehend aus Vertretern mehrerer staatlicher Stellen vorsieht. Zum anderen sollen aktive Beziehungen mit Vertretern der Wirtschaft, der Arbeitnehmerorganisationen und anderen interessierten Parteien gepflegt werden, da man sich hieraus einen Beitrag zur Unterstützung der wirksamen Anwendung der Leitsätze erhofft. Als Schlüsselkriterien der Arbeit der nationalen Kontaktstellen werden Sichtbarkeit, Zugänglichkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht genannt. Ein Instrument zur Herstellung von Transparenz ist die jährliche Berichterstattung, die gegenüber dem Ausschuss für internationale Investitionen und multinationale Unternehmen, dem sogenannten Committee on International Investment and Multinational Enterprises (CIME), geleistet werden muss. Neben der Auslegung der Leitsätze liegt der Schwerpunkt der Arbeit des Ausschusses in der Durchführung von unterschiedlichen Formen des Stakeholderdialogs, um damit die Wirksamkeit der Leitsätze zu erhöhen. In einem Bericht an den Rat fließen die Ergebnisse aus den Meinungsaustauschrunden zusammen, so dass anfallende Fragen in Bezug auf die Leitsätze von Seiten der verschiedensten Akteure behandelt werden, zu denen die nationalen Kontaktstellen, andere beratende Organe sowie gegebenenfalls Nichtregierungsorganisationen sowie Stellungnahmen von Nichtteilnehmerstaaten gehören. Offensichtlich wird den Ergebnissen eines solchen Dialogs mit einer heterogenen Gruppe von Stakeholdern sowohl für die Arbeit der nationalen Kontaktstellen als auch für die des Ausschusses für internationale Investitionen und multinationale Unternehmen ein hoher Stellenwert beigemessen. Inwieweit aus diesem Grund von nationalen Kontaktstellen bereits als Verhandlungsgremium gesprochen werden kann, wird anhand der „Anwendung der Leitsätze in besonderen Fällen“ (OECD 2000: 38f.) im Folgenden mit Blick auf die Annahme diskutiert, dass „zwischeninstitutionelle Verhandlungsgremien an Bedeutung gewinnen, da sie die Träger der jeweiligen Ordnungen über negative Externalitäten bzw. über den erwarteten Output aufklären sollen“ (Schwinn 2001: 440).
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Hinter der sperrigen Bezeichnung „Anwendung der Leitsätze in besonderen Fällen“ verbirgt sich ein Verfahren, das in bestimmten Fällen – bei nichtintegren wirtschaftlichen Handlungen von Unternehmen – zum Einsatz kommt und das nachstehend als zwischeninstitutionelles Verhandlungsgremium für nationale Kontaktstellen begründet wird. Den nationalen Kontaktstellen obliegt es, bei bspw. von Nichtregierungsorganisationen gemeldeten Vorfällen über Verfehlungen von Seiten der Unternehmen eine Evaluation durchzuführen, um abzuwägen, ob in dieser Angelegenheit eine eingehendere Prüfung gerechtfertigt erscheint. Sofern dies der Fall ist, tritt die nationale Kontaktstelle als Problemfindungsinstanz in der Rolle eines Mediators zwischen den Parteien auf, um eine informelle Lösung zu ermöglichen. „In cases where they do the NCP (National Contact Point) must attempt to mediate a solution between the parties, publish the results of its mediation efforts (even if no agreement is reached) and, where appropriate, make recommendations to the company on how to change its practices to comply with the Guidelines“ (Transparency International 2008: 2). TI, als Nichtregierungsorganisation zur Bekämpfung von Korruption, betont also die Möglichkeit der Verabschiedung einer Resolution, die auf Seiten der nationalen Kontaktstelle erstellt werden kann, denn „this dispute resolution facility is important because a common weakness of voluntary codes of conduct is the absence of internal – much less external – oversight mechanisms aimed at corrective actions” (TI 2008: 2). Gemäß den Schlüsselkriterien, zu denen der Faktor Transparenz gehört, wird auch von der Öffentlichkeit ein Höchstmaß an Transparenz von Seiten der nationalen Kontaktstellen gefordert. Allerdings lässt dies insofern einen Interpretations- und damit auch einen Handlungsspielraum für die Kontaktstellen offen, als in dem Kapitel „Erläuterungen zu den Umsetzungsverfahren der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“ (OECD 2000: 61ff.) eingeräumt wird, dass in besonderen Fällen die Wahrung der Vertraulichkeit dem Schlüsselkriterium der Transparenz vorrangig sein kann. Das Beschwerdeverfahren zeichnet sich durch eine Bandbreite von Dialogmöglichkeiten aus. Ob unter den Begriffen von Stakeholder-Dialogen, ExpertenRunden oder bilateralen Fachgesprächen, die nationalen Kontaktstellen können den Rat der zuständigen Behörden, von Vertretern der Wirtschaft, Arbeitnehmerorganisationen bzw. von anderen nichtstaatlichen Organisationen sowie einschlägigen Experten einholen, um zu einer Lösung des an sie herangetragenen Vorfalls beizutragen. Festhalten lässt sich, dass die Wirkungsweise der nationalen Kontaktstellen in vielfältiger Hinsicht durch dialogische Elemente unterstützt werden soll und dass gerade bei Problemfällen, der sogenannten „Anwendung der Leitsätze in besonderen Fällen“, dem kommunikativen Austausch ein hohes Lösungspotenti-
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al zugeschrieben wird. Nicht umsonst wird in den verfahrenstechnischen Anleitungen von der nationalen Kontaktstelle als „Diskussionsforum“ gesprochen. Offen bleibt die Frage nach der tatsächlichen Problemlösungskapazität solcher Verfahren. Ihr soll am Beispiel der deutschen Kontaktstelle (NKS) im Folgenden nachgegangen werden. 7.3.3.3 Kritische Betrachtung der Wirkungsmöglichkeiten der Nationalen Kontaktstelle als intermediäres Verhandlungsgremium In Deutschland ist die NKS im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in der Abteilung für Auslandsinvestitionen angesiedelt. Innerhalb des regelmäßig tagenden Arbeitskreises „OECD-Leitsätze“ sind darüber hinaus Vertreter der Ressorts der Bundesregierung, der Sozialpartner, der Wirtschaftsverbände sowie der Nichtregierungsorganisationen eingebunden. Auf entsprechende Aufforderung hin wird der Bundestag mündlich oder schriftlich über die Aktivitäten und laufenden Verfahren unterrichtet. Allerdings nimmt das Parlament ansonsten bislang keine aktive Rolle bei der Umsetzung und Verbreitung der OECDLeitsätze ein. Die große Stärke der institutionellen Verankerung der NKS innerhalb eines Ministeriums liegt zunächst einmal darin, dass die Verantwortlichkeiten klar zugewiesen werden können und dass damit Dauerhaftigkeit und Stabilität bei den institutionalisierten Verfahren gewährleistet sind. Allerdings bedeutet die Zugehörigkeit zu einem Ministerium noch nicht, dass damit eine zentrale Steuerungsinstanz vorhanden wäre, wie sie Schwinn als notwendig erachtet, um nichtintendierte Wirkungen überhaupt auffangen zu können. Eine solche Instanz würde sich stellvertretend konfliktbesetzter Folgen und Wirkungen annehmen, obwohl sie diese nicht in Gang gesetzt hat, und könnte diese mit dem nötigen Drohpotential wieder an die entsprechenden Verursacher rückadressieren (Schwinn 2001: 440). Der Grund dafür, dass die NKS in Deutschland dazu nicht in der Lage ist, ist zum einen in der fehlenden politischen Durchsetzungskraft zu suchen. Da die OECD-Leitsätze nicht juristisch einklagbar sind, fehlt der NKS die Möglichkeit, wirkungsmächtige Sanktionen zu verhängen. Zum anderen verschärft der Umstand, dass die NKS sich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Ministerium für Wirtschaft und Technologie außerdem in einem grundsätzlichen Interessenskonflikt befindet, die Situation der eingeschränkten Sanktionsmöglichkeiten. Denn es ist fraglich, welche Wirkung eine Resolution entfalten kann, die bei ungelösten Beschwerdeverfahren als letzte Handlungsoption von Seiten der NKS initiiert werden kann, wenn diese als Einrichtung wiederum an ein Ministerium ange-
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bunden ist, das sich durch eine Dominanz der Leitidee der Rentabilität auszeichnet. Vielmehr scheint die Resolution aufgrund einer solchen institutionellen Verankerung an Einflusspotential einzubüßen und nicht als wirkungsmächtiges Sanktionsmittel zum Einsatz kommen zu können, um Druck auf Unternehmen auszuüben und damit eine Verhaltensänderung zu bewirken. Die Ausführungen geben bereits einen ersten Hinweis auf die Schwächen des Verfahrens. Demnach ist die NKS in Deutschland, aufgrund ihrer sphärenspezifischen Verortung im Politischen, nicht in einer Weise konzipiert, eine möglichst hohe Vermittlungschance bei Problemfällen zu erreichen. In Bezug auf den für die Arbeit relevanten Problemfall der Korruption stellt sich also die Frage, wie die Nationale Kontaktstelle institutionalisiert, mit welchen Ressourcen und Instrumenten sie ausgestattet und wie das Beschwerdeverfahren organisiert werden muss, dass ihm eine höhere Vermittlungschance zugeschrieben werden kann. Hier gewinnen die Möglichkeiten der Legitimitätszuschreibung vor dem Hintergrund des sphärenspezifischen Kontextes und die Glaubwürdigkeit des Verfahrens im Hinblick auf den Umgang mit Machtasymmetrien entscheidende Bedeutung. Dem hinsichtlich der Vermittlungschancen eines Diskurses als Erfolgsfaktor identifizierten sphärenspezifischen institutionellen Kontext wird auch bei der Institutionalisierung einer NKS eine entscheidende Rolle beigemessen. Die Wertsphäre der Politik scheint durchaus der passende Rahmen zu sein, wobei eine interministerielle Verantwortung gewährleistet würde, dass die NKS, die im Konfliktfall für den Interessensausgleich zwischen Wirtschaft und Gesellschaft sorgen und somit ihrem Wertvermittlungsanspruch gerecht werden soll, keiner einzelnen Interessensgruppe verpflichtet ist. Auch aus ressourcentechnischen Gründen ist eine interministerielle Lösung zu bevorzugen, weil ein einziges Ressort weder fachlich noch materiell in der Weise ausgestattet ist, dass die Bandbreite an Themen, die die Leitsätze der OECD abbilden, angemessen behandelt werden können. Über die Frage der Ressourcenallokation wird hier also das Thema der Kompetenzallokation angesprochen, das den Grad der Autonomie der Nationalen Kontaktstelle bestimmt und entscheidend zu ihrer Durchsetzungskraft beiträgt. Ebenso bedeutsam ist die Frage der Legitimation, da diese die Durchsetzungschancen der Empfehlungen der NKS ebenfalls maßgeblich beeinflusst. Da die NKS keine Institutionalisierung im Bereich des Rechts erfährt, es sich bei ihren veröffentlichten Resolutionen dementsprechend um Hinweise ohne rechtsverbindlichen Charakter handelt, bedarf es einer Legitimitätszuschreibung von Seiten der Politik, um die Durchsetzungskraft der Rechtfertigungskriterien für die Kompetenzausübung der NKS zu gewährleisten. Dies kann ausschließlich über eine parlamentarische Einmischung erfolgen, wobei es keiner näheren Erläuterung bedarf, dass der Einfluss des Bundestags hinsichtlich
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der Erhöhung des Grads an Autorität und Legitimation der NKS dennoch solange eingeschränkt bleibt, wie die Gesetzgebung davon nicht betroffen ist. Da aufgrund der begrenzten Sanktionsmacht der NKS die Ergebnisse eines ungelösten Beschwerdeverfahrens in Form einer Resolution ebenfalls nur in der Weise Wirkung entfalten können, wie sie auf Akzeptanz bei den Beteiligten stoßen, gilt es umso mehr, die Möglichkeiten der ersten Phase des Beschwerdeverfahrens auszunutzen. Hier steht der Diskurs im Mittelpunkt, der angestoßen durch eine dritte, meist zivilgesellschaftliche Interessensgruppe mithilfe der Vermittlung der NKS zur Problemlösung führen soll. Aufgrund der mehrfach beschriebenen Unlösbarkeit des Wertkonflikts kann eine solche Lösung jedoch nicht in einem Konsens, sondern lediglich in einem Kompromiss bestehen. Entscheidend ist, dass sich diese Prämisse in der institutionellen Verankerung der NKS widerspiegelt. Elementar ist außerdem, dass es sich um eine interministeriell angegliederte Einrichtung handeln soll und dass sich darüber hinaus – je nach Problemzusammenhang – in der Zusammensetzung der Diskursbeteiligten die vorhandenen Interessensgruppen aus den unterschiedlichen Wertsphären wiederfinden. Beide Faktoren tragen dazu bei, dass die Voraussetzung für einen Erfolg geschaffen wird, nämlich die Einigung aller Teilnehmer auf das Postulat, dass keine der Sphären einen umfassenden Geltungsanspruch erheben kann. Die Heterogenität der Teilnehmer gewährleistet außerdem, dass die Vertreter der verschiedenen Sphären als Träger ihrer institutionellen Bearbeitungskriterien diese nicht willkürlich auf andere Geltungsbereiche ausweiten. Gemeint ist damit, dass durch Grenzziehung verhindert wird, dass zum Beispiel das Rentabilitätskriterium aufgrund eines personellen Übergewichts oder anderer Machtasymmetrie die Geltungsgrenzen der Ökonomie überschreitet. Aufgrund der interministeriellen Verankerung der Nationalen Kontaktstelle kann gewährleistet werden, dass – selbst wenn keine Vertreter von Nichtregierungsorganisationen am Diskurs beteiligt werden – die vertraulichen Anhörungen in einem Rahmen stattfinden, der den Wertkonflikt nicht negiert, sondern die Problemlösung unter Akzeptanz der Konflikthaftigkeit der Wertsphären sucht. Letztlich geht es auch hier darum, sich der eingangs beschriebenen Herausforderung der Modernisierungspolitik als Institutionenpolitik (siehe Kapitel 7.3) zu stellen, die darin liegt, „die gewollten oder zu tolerierenden Konflikte explizit zu benennen und ihrerseits zu institutionalisieren“ (Lepsius 1977: 23). Die Glaubwürdigkeit der NKS hinsichtlich ihres Anspruchs, einen Interessensausgleich zwischen Wirtschaft und Gesellschaft herzustellen, hängt also maßgeblich davon ab, ob sich in ihr als intermediäres Verhandlungsgremium mit dem ihr zugrunde liegendem Diskursverfahren die Institutionalisierung des Konflikts zwischen den Werten widerspiegelt.
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Bleibt sie hingegen bei ihrem derzeitigen Vorgehen, im Wertekonsens die Problemlösung zu suchen und damit über die Diversität der Wertsphären hinwegzutäuschen, besteht die Gefahr, dass die OECD-Leitsätze aufgrund der Machtasymmetrie zwischen den Wertsphären zugunsten der ökonomischen Sphäre von dieser instrumentalisiert werden. In diesem Fall ist anzunehmen, dass sich nichtintendierte Folgewirkungen einstellen, bspw. in Form von Nicht-Akzeptanz des Gremiums von Seiten der Nichtregierungsorganisationen und der Öffentlichkeit, was zu seiner völligen Wirkungslosigkeit führen kann. Denn ohne das Beschwerdeverfahren, das von Interessensgruppen außerhalb der Regierungsressorts angestoßen wird, verlieren die OECD-Leitsätze ihr einziges Instrument, das über ein gewisses Maß an Drohpotential verfügt. Ist dies der Fall, lassen sich die OECD-Leitsätze einreihen in die Vielzahl von freiwilligen Selbstverpflichtungen und Codes of Conducts von Seiten der Unternehmen, die aufgrund ihrer Wertsphärenzugehörigkeit, wie bereits beschrieben, keinen Beitrag hinsichtlich einer internationalen Rahmenordnung zur Bändigung des „Raubtier-Kapitalismus“ und zur Stärkung anderer, nicht-ökonomischer Rationalitätskriterien leisten können. 7.3.4 Fazit Gegenstand des Kapitels ist es gewesen, Bedingungen aufzuzeigen, mit denen sich nationale und internationale Bestrebungen konfrontiert sehen, die das Ziel haben, eine globale Rahmenordnung zu schaffen, die auf Unternehmen in korruptionshemmender Weise wirkt, also Folgekosten korruptiven Wirtschaftens in Unternehmen rückkoppelt. Allen Ausführungen lag die Annahme der Konflikthaftigkeit der Wertsphären zugrunde, die, sofern sie keine Berücksichtigung findet, zu nicht-intendierten und der Zielsetzung entgegengerichteten Folgewirkungen führen kann. Korruption wurde als gesellschaftliches Problem definiert, was dazu führt, dass sich in der Auseinandersetzung mit der Lösung des Problems die verschiedenen Sphären mit ihren jeweils unterschiedlichen Rationalitäten begegnen. So liegt in der punktuellen Wertvermittlung das Lösungspotential eines gesellschaftlichen Problems. Um sicherzustellen, dass es zu einer solchen Wertvermittlung trotz der ungleichen Machtverhältnisse zwischen den Vertretern der jeweiligen Bereiche kommen kann, wurde auf die Bildung intermediärer Institutionen verwiesen, wobei ihr Erfolg von unterschiedlichen Faktoren abhängt. Am Beispiel der OECD wurde deutlich, welches die Faktoren sind und wie wichtig es ist, diese für die Ausgestaltung einer intermediären Institution zu berücksichtigen,
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um das entsprechende Ziel zu erreichen, nämlich Druck auf die Unternehmen auszuüben, die sich korruptiver Verhaltensweisen bedienen. 7.4 Organisationale Korruption als Gegenstand einer institutionentheoretischen Analyse: ein Resümee Der zweite Teil dieser Arbeit bestand in der Neu-Konzeptionalisierung eines organisationstheoretischen Ansatzes, der Antwort auf die Frage nach der Institutionalisierbarkeit von nicht-ökonomischen Leitideen im Kontext von Wirtschaftsorganisationen zu geben verspricht, wobei vorliegendes Kapitel den Anspruch verfolgte, die Konsequenzen einer solchen organisationstheoretischen Konzeption am Beispiel des Phänomens der institutionalisierten Korruption aufzuzeigen. Ausgangspunkt bildete dabei die Prämisse, dass moralische Indifferenz nicht nur als Persönlichkeitsmerkmal zu bestimmen ist, sondern darüber hinaus das Ergebnis des Zusammenspiels aus der sozialen Konstruktion von Handlungskontexten, von Verantwortungszurechnungen und – das gilt es im Anbetracht der ausgeprägten Autoritäts- und Abhängigkeitsverhältnisse innerhalb des organisationalen Kontextes besonders hervorzuheben – von Chancen, auf Verhaltenszumutungen ohne Risiken für die eigene Existenz reagieren zu können. Die Existenz des damit zusammenhängenden Spannungsverhältnisses von Individualmoral und institutionalisierten Verhaltensstrukturierungen diente dementsprechend als Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Unternehmenspolitik als Institutionenpolitik, die die Koordination konfligierender Interessen und Rationalitätskriterien zum Gegenstand hat. Mit diesem Forschungsprogramm konnte gezeigt werden, wie sich ein erfolgversprechender Umgang von Unternehmen mit institutionalisierter Korruption darstellt, der weder Gefahr läuft, die Organisationsstrukturen – ähnlich wie bei Wieland – hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und Steuerbarkeit zu überfordern, noch bei dem das Risiko besteht, dass die persönlichen Kapazitäten der Organisationsmitglieder überschätzt werden. Vielmehr wurde mithilfe des Programms einer organisationalen Institutionenordnung die Berücksichtigung der Wirkungszusammenhänge auf und zwischen den innerorganisationalen Ebenen und damit eine differenzierte Zuschreibung von Verantwortlichkeiten bei Mitarbeitern und Führungskräften in Abhängigkeit zu den jeweiligen Handlungskontexten möglich. Neben der Antwort auf die Fragen, wie Unternehmen intern auf institutionalisierte korruptive Verhaltensweisen reagieren können, welche Maßnahmen es zu ergreifen gilt und unter welchen legitimatorischen und funktionalen Prämissen
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diese wirksam werden können, zielte das Kapitel außerdem darauf ab, das organisationale Umfeld im Hinblick auf korruptionsfördernde oder -hemmende Einflüsse zu analysieren. Dabei wurde der Schwerpunkt auf die Gestaltung der internationalen Rahmenordnung gelegt, da ihr in Bezug auf ihre Einflussmöglichkeiten auf multinationale Unternehmen vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Globalisierung eine elementare Rolle zugeschrieben wird. Korruption wurde hierfür als gesellschaftliches Problem definiert, das einer Zusammenarbeit der Institutionen unterschiedlicher Sphären benötigt. Entscheidend dabei ist, dass eine solche Zusammenarbeit aufgrund des Wertepluralismus’ ein äußerst schwieriges Unterfangen ist, bei dem die Gefahr besteht, trotz eines gemeinsam definierten Erfolgsziels der Korrruptionsbekämpfung auf den verschiedenen Ebenen, zu vermeintlichen Lösungen zu kommen, die sich in ihrer Wirkungsweise als gegenteilig erweisen. Um dieses Risiko zu verringern, bedarf es der grundsätzlichen Anerkennung der Konflikthaftigkeit der Konstellation und der Akzeptanz, dass, indem verschiedene Interessen- und Wertsphären berührt werden, Kompromisse notwendig sind, die sich darüber hinaus institutionell niederschlagen müssen, um wirksam zu sein. Dass nationale Kontaktstellen, wie sie von der OECD in den Mitgliedsländern eingerichtet worden sind, in Form von intermediären Institutionen für die Kompromissfindung durchaus eine wichtige Rolle spielen können, konnte ebenso aufgezeigt werden, wie die Tatsache, dass der tatsächliche Einfluss und die Legitimität einer solchen Instanz maßgeblich davon abhängt, wie diskursive Verfahren institutionalisiert werden. Auch auf organisationaler Ebene konnte gezeigt werden, dass dem Verfahren einer diskursiven Auseinandersetzung – sei es in Form eines institutionalisierten Diskurses zwischen Vertretern von Trägergruppen oder in Form eines bilateralen Aushandlungsprozesses zwischen Führungskraft und Ombudsmann – ein vielversprechendes Potential bei der Lösung von Wertkonflikten zugeschrieben werden kann. Allerdings wurde auch hier deutlich, dass es sich bei den Lösungen um Kompromissprodukte handelt, deren Gültigkeit immer wieder einer erneuten Auseinandersetzung zwischen den unterschiedlichen Ideen und Interessen bedarf.
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Das Ziel der Arbeit ist es gewesen, innerorganisationale Institutionen als geeigneten Ausgangspunkt für eine soziologische Analyse von institutionalisierten korruptiven Beziehungen in Wirtschaftsorganisationen zu begründen. In Abgrenzung zu anderen institutionentheoretischen Ansätzen, insbesondere aber der Neuen Organisationsökonomik, wurde dafür die Neu-Konzeptionalisierung einer organisationstheoretischen Herangehensweise vorgenommen, die den Anspruch erhebt, über den spezifischen Fall des Korruptionsphänomens hinausgehend Problemlösungskapazitäten für den Umgang von Unternehmen mit außerökonomischen Wertbezügen bereitzustellen. 8.1 Das Lösungspotential einer organisationalen Institutionenanalyse für den Problemgegenstand der institutionalisierten korruptiven Beziehungen in Unternehmen Um die unmittelbaren Ergebnisse im Folgenden zu resümieren, sollen zunächst Ausgangspunkt und Fragestellung der Arbeit rekapituliert werden. Da die eigene Neu-Konzeptionalisierung vor allem in der Auseinandersetzung mit der Neuen Organisationsökonomik von Josef Wieland vorgenommen wurde, gilt es anschließend, die Hauptkritikpunkte an seinem Ansatz nochmals aufzugreifen. Vor dem Hintergrund der gewonnenen Einblicke werden die Grundprämissen der Neu-Konzeptionalisierung ausgeführt, um darauf aufbauend den Erkenntnisgewinn eines Ansatzes aufzuzeigen, der es sich nicht zuletzt zum Ziel gesetzt hat, Unternehmensführung als Institutionenpolitik zu verstehen und damit für die Perspektive einer institutionellen Organisationstheorie zu plädieren. Am Anfang der Überlegungen stand das multinationale Unternehmen, das sich unter anderem aufgrund einer global verzweigten Wertschöpfungskette und den kulturellen Unterschieden der jeweiligen Produktions- und Vertriebsstandorte in Bezug auf den Umgang mit Complianceverstößen und Korruptionsvorwürfen großen Herausforderungen ausgesetzt sieht. Eine sich wandelnde, vom situativen Kontext abhängige Verantwortungszuschreibung hinsichtlich der Art und Weise, wie Unternehmen ihre Geschäftsprozesse gestalten und mit Folgewirkungen ihres Wirtschaftens umgehen sollen, stellt, so die Grundannahme, Organisa-
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tionen verstärkt vor die Frage, wie sie erfolgreich mit internen Wertkonflikten umgehen. Dabei bewegt sich der Wertkonflikt zwischen ökonomischen Werten, im Sine von Gewinnorientierung, und anderen, außerökonomischen Wertbezügen, die ebenfalls für die Legitimität der Organisation und damit auch für ihre Existenz von unmittelbarer Bedeutung sind. Von organisationstheoretischer Seite wird die Lösung gemeinhin in der Veränderung der Unternehmenskultur, der Gestaltung von „Binnenmaßstäben“ oder der Steuerung der internen Governancestruktur gesehen, wobei, und das zu zeigen war ein Ergebnis der Arbeit, die Frage des Wie bei vielen Forschungsprogrammen vollständig ausgespart oder eben nur unzureichend unbeantwortet wird bzw. werden kann. Der Hauptgrund hierfür wird in dem fehlenden Zugang zu Wertvorstellungen und Leitideen gesehen, wobei damit einhergeht, dass Institutionalisierungs- und De-Institutionalisierungsprozesse von Leitideen in den Ansätzen nicht ausreichend Berücksichtigung finden können. Ein wertbezogenes Institutionenverständnis ist somit gerade auch für eine organisationale Institutionenanalyse unverzichtbar. Mit der Theoriekritik an der Neuen Organisationsökonomik wurde gezeigt, dass, obgleich sie als ein für die Fragestellung vielversprechender Ansatz identifiziert wurde, sie maßgeblich aufgrund ihres reduktionistischen Institutionenverständnisses der Beantwortung dieser Frage nicht ausreichend nachzugehen vermag. Da Josef Wieland nicht über ein sogenanntes wertbezogenes Institutionenverständnis verfügt, bleibt er mit dem Versuch, der als hauptsächliche innovative Weiterentwicklung der NIÖ bestimmt wurde, nämlich alle relevanten Faktoren, insbesondere die moralischen, in ein Modell der Transaktionskostenanalyse zu integrieren, hinter seinem Anspruch zurück, keine einseitig ökonomisch bedingte Komplexitätsreduktion vorzunehmen und moralische, psychologische und kulturelle Einflüsse insoweit zu berücksichtigen, dass sie für die Berechnungen innerhalb der unternehmerischen Wirklichkeit relevant werden. Die Konsequenzen, die sich aus einem „instrumentellen“ Institutionenverständnis ergeben, wie es der NOÖ zugeschrieben werden konnte, spiegeln sich in dem zweiten innovativen Faktor der NOÖ wider: die Betonung der Ausgestaltung der unternehmensinternen Governancestruktur, wobei damit vor dem Hintergrund eines Handlungsverständnisses, das neben der zweckrationalen keine wertrationale Komponente zuzulassen vermag, zwangsläufig eine Überschätzung der Steuerungsmechanismen des unternehmensinternen Institutionengefüges einhergeht. Vor dem Hintergrund des Menschenbildes eines „multiple selves“, das sowohl eine moralische Präferenz als auch eine opportunistische Neigung in sich trägt, entwirft Wieland die Idee einer moralsensitiven Anreizstruktur, wobei er selbst mit diesem Konzept keine Antwort darauf zu geben vermag, wie für eine Mehrzahl an Organisationsmitgliedern, die sich durch unterschiedliche
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Motive und Bedürfnisse auszeichnen, eine passende Anreizstruktur gefunden und diese vor allem in einer Weise handlungswirksam institutionalisiert werden soll, dass sie integres Handeln fordert und ermöglicht. Im Zuge der Überhöhung von Steuerungsmöglichkeiten auf Seiten des Managements, die neben dem eingeschränkten Handlungsverständnis der Vernachlässigung der gegenläufigen Wirkungsweisen zwischen Handlungs- und Strukturebene sowie der fehlenden Berücksichtigung von nicht-intendierten Folgewirkungen und Rückkopplungseffekten zuzuschreiben ist, ließ sich bei Wieland eine Art „Harmonisierungstendenz“ feststellen. Diese beinhaltet, dass das ExplizitMachen von den auf allen Ebenen vorhandenen widersprüchlichen Rationalitätskriterien hinter der Argumentation der ökonomischen Relevanz moralischer Einflussgrößen verschwindet. Im Gegensatz zu den Harmonisierungsversuchen wurde die Relevanz von Konflikten in der Neu-Konzeptionalisierung angenommen und davon ausgehend ein Ansatz gewählt, der das Zulassen und den Umgang mit Konflikten in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen vermag. Obgleich die Arbeit die Notwendigkeit der Übersetzungsfähigkeit von moralischen Ansprüchen in ökonomische Größen insofern mit Wieland teilte, als auch hier von einer Dominanz des Rentabilitätskriteriums in Wirtschaftsorganisationen ausgegangen wurde, differenzierte sie jedoch zwischen den verschiedenen Ebenen der Organisation, was einen elementaren Unterschied hinsichtlich der daraus resultierenden Konsequenzen für die Ausgestaltung der Organisationsstruktur bedeutet. Das heißt, dass für die Gesamtstrategie der Unternehmung durchaus die Leitidee der Rentabilität die entscheidende ist, sich damit jedoch nicht die Existenz des Spannungsverhältnisses zwischen den unterschiedlichen Rationalitätskriterien, das auf allen Ebenen der Organisation vorherrscht, aufheben lässt. Insofern ging die Arbeit von der Annahme aus, dass es nicht möglich ist, eine Organisationsstruktur so zu gestalten, dass sie den einzelnen Mitarbeiter nicht mit widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert, und es somit zu individuellen Handlungsdilemma-Situationen kommen muss, und begründete damit ihren konflikttheoretischen Zugang bei der Neu-Konzeptionalisierung eines organisationstheoretischen Ansatzes. Im Folgenden werden die Hauptelemente der Neu-Konzeptionalisierung in Beziehung zu den in der Einleitung vorgestellten Grundprämissen gesetzt und darüber hinaus das ihnen zugrunde liegende erkenntnisgewinnende Potential ausgeführt. Als theoretische Grundlage wurde ein als weberianisch zu bezeichnendes Forschungsprogramm gewählt, das sich vor allem an den differenzierungstheoretischen Erkenntnissen von Thomas Schwinn orientiert und dessen institutionen-
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theoretische Einflüsse maßgeblich dem Ansatz von M. Rainer Lepsius zuzuschreiben sind. Damit wurde die Entwicklung eines organisationstheoretischen Konzepts möglich, welches das Zusammenspiel von Handlung und Strukturierung von Handlungsräumen im Sinne einer Mehr-Ebenen-Analyse (siehe erste Prämisse aus Kapitel 1.2) zu fassen vermag und darüber hinaus in der Lage ist, mit einem über ein umfassendes Rationalitätsverständnis verfügenden Akteur zu arbeiten, ohne dabei den handlungsleitenden Einfluss der Institutionen zu vernachlässigen (siehe zweite Prämisse aus Kapitel 1.2). Beide Prämissen waren für die Beantwortung der Frage entscheidend, unter welchen Umständen bestimmte, sich widersprechende Rationalitätskriterien in einem abgegrenzten, von einer Leitidee dominierten Kontext so koordiniert werden können, dass sie in bestimmten Situationen für eine Mehrzahl von Mitarbeitern handlungsrelevant werden. Nicht zuletzt mit dem Transfer der Institutionentheorie von Lepsius auf die Organisationsebene konnte ein organisationstheoretischer Ansatz entwickelt werden, der die Konflikthaftigkeit der unterschiedlichen Rationalitätskriterien zulässt und damit nicht die Negierung von Konflikten, sondern den bewussten Umgang mit konfligierenden Interessen zum Gegenstand einer Unternehmensführung als Institutionenpolitik zu machen vermag (siehe vierte Prämisse aus Kapitel 1.2). Als eine für dieses Vorhaben zielführende Strategie wurde die der Institutionalisierung von Gegenprinzipien entwickelt. Dabei wurde der erfolgreiche Umgang mit außerökonomischen Wertbezügen in der Koordination der verschiedenen Rationalitätskriterien gesehen, wobei es vor allem um die Stärkung von schwach institutionalisierten Leitideen ging, deren Durchsetzungschancen aufgrund der Dominanz der wirtschaftlichen Leitidee ohne das bewusste und organisierte Engagement von Trägergruppen kaum verbessert werden können. Für die Herangehensweise an das Phänomen der institutionalisierten Korruption bedeutete dies, dass es der organisationstheoretische Ansatz ermöglicht, den Blick auf die Institutionalisierung der Leitidee der Integrität zu lenken, da er über ein wertbezogenes Institutionenverständnis verfügt (siehe dritte Prämisse aus Kapitel 1.2). Die Neu-Konzeptionalisierung zeichnete sich weiter dadurch aus, dass sie den Steuerungsaspekt integrierte, ohne dabei wie in der NOÖ auf eine Überhöhung der Steuerungsmöglichkeiten innerhalb von Unternehmen zurückgreifen zu müssen. Der Schlüssel hierfür lag in der dynamischen Wahrnehmung der Analysedimensionen, so dass der prozesshafte Charakter von Institutionen zugänglich gemacht wurde. Dementsprechend wurde vorwiegend von Institutionalisierung und Institutionalisierungsprozessen gesprochen, die sich in Abhängigkeit zu ihren Durchsetzungschancen im ständigen Kampf um Geltung befinden. Mit
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diesem Zugang ermöglichte es die Neu-Konzeptionalisierung, die Institutionalisierung von Konflikten zum Gegenstand der Unternehmenspolitik zu machen. Im Hinblick auf die Frage nach den Handlungsoptionen, über die Wirtschaftsorganisationen verfügen, wenn sie die Strategie der Institutionalisierung von Gegenprinzipien wählen, wurde die diskursive Auseinandersetzung als vielversprechendes Verfahren identifiziert, dem – angepasst an die unterschiedlichen Handlungskontexte auf den jeweiligen Ebenen der inneren Institutionenordnung – ein hohes Maß an Problemlösungskapazitäten hinsichtlich des Spannungsverhältnisses aufgrund von unterschiedlichen Rationalitätskriterien zugeschrieben werden konnte. Ohne auf die verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten des diskursiven Verfahrens einzugehen, soll hier lediglich nochmals auf das Potential dieser Verfahren hinsichtlich ihrer Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichen Bedürfnisse und Handlungsspielräume der jeweiligen Personengruppen – seien es einzelne Trägergruppen oder das Gros der Belegschaft – hingewiesen werden, was nicht zuletzt am Beispiel der Korruptionsthematik veranschaulicht wurde. Entscheidend dabei ist, dass mithilfe solcher diskursiven Auseinandersetzungen zwangsläufig eine Benennung der Konflikte erfolgt und bspw. paradoxe Anforderungen für Mitarbeiter und auch Führungskräfte des mittleren Managements nicht negiert, sondern dem Diskurs geöffnet und thematisiert werden. Anstelle von Harmonisierungsbestrebungen wird das Spannungsverhältnis von Individualmoral und institutionalisierten Verhaltensstrukturierungen offensiv angegangen und dennoch nicht der Weg für punktuelle und problemspezifische Lösungen verschlossen. Obgleich nicht der Anspruch gestellt wurde, die Merkmale der diskursiven Verfahren in ihrer von Personengruppen und Strukturebenen abhängigen unterschiedlichen Ausgestaltung detailliert darzulegen, sollte im Verlauf der Arbeit deutlich geworden sein, wie umfassend einerseits die Möglichkeiten dieser Verfahren sind, wie groß andererseits jedoch die Herausforderungen für die Unternehmensführung sind, die mit der erfolgreichen Institutionalisierung von solchen ergebnisorientierten Aushandlungsprozessen einhergehen. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse lässt sich festhalten, dass sich das Wagnis, die Institutionentheorie von M. Rainer Lepsius auf die organisationale Ebene zu transferieren, um damit einen theoretischen Zugang für die Analyse der Problemlösungskapazitäten, über die Unternehmen im Hinblick auf außerökonomische Wertbezüge verfügen, zu bekommen, durchaus als zielführend herausgestellt hat. Damit sieht die Arbeit gemäß einer weberianischen Herangehensweise an die spezifische Problemstellung der institutionalisierten Korruption in Wirtschaftsorganisationen nicht zuletzt ihren Beitrag in der gedanklichen Weiter-
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führung der Ausführungen derjenigen Institutionentheoretiker, die sich in der Tradition von Max Weber sehen. 8.2 Die Bedeutung der Arbeit für zukünftige Forschung Ziel dieses Ausblicks ist es, die Arbeit als soziologisches Forschungsprogramm in einen größeren Kontext zu stellen und hinsichtlich ihrer Relevanz für die Wirtschafts- und Unternehmensethikdiskussion sowie ihres Potentials im Hinblick auf eine anwendungsbezogene Korruptionsforschung im Sinne der Herausforderungen globaler Korruptionsbekämpfung zu reflektieren. Dies geschieht mit Verweis auf das Soziologieverständnis von Lepsius, der Soziologie als ein „Mittel zur Kontrolle der Selbstreflexion, der Wahrnehmung und Urteilsbildung“ versteht und sie in der Verantwortung „gegenüber dem Zeitgeist, dem öffentlichen intellektuellen und politischen Diskurs“ (Lepsius 1998: 216) sieht. 8.2.1 Das Potential differenzierungstheoretischer Ansätze als Fundament für wirtschafts- und unternehmensethische Fragestellungen Josef Wieland fordert von allen Theorieansätzen der Wirtschafts- und Unternehmensethik, dass sie sich, wie einleitend in der Theoriekritik ausgeführt, der Herausforderung stellen und Bestrebungen unternehmen sollen, Antworten auf die Frage zu finden, wie in modernen, differenzierten Gesellschaften ein Bezug zwischen einzelnen, wie er sagt: „autonomen“, Teilbereichen hergestellt werden kann. Dabei spielen die Integrationsmöglichkeiten zwischen dem Teilbereich der Ökonomie und dem der Moral naheliegenderweise die entscheidende Rolle. Der hier vorgeschlagene organisationstheoretische Ansatz kommt dieser Aufforderung insofern nach, als er auf differenzierungstheoretischen Überlegungen beruht, welche sich zwar grundlegend von den systemtheoretischen Annahmen aus dem Wieland’schen Konzept unterscheiden, aber durchaus die Frage der Integrationsmöglichkeiten zu stellen vermögen. Anstatt jedoch die Interdependenzen zwischen den einzelnen Bereichen, den Wertsphären, zu überschätzen, wurde hier mit einer Gegenläufigkeit der Geltungsansprüche der Sphären argumentiert und von ihrer Unvereinbarkeit sowie ihrem ständigen Kampf um die Ausweitung des eigenen Geltungsanspruches ausgegangen. Wie die Ausführungen gezeigt haben, nimmt damit die Komplexität bei der Analyse von Konstellationen und Wirkungsmechanismen zu, da ein allgemeiner funktionaler Bezugspunkt – die Gesellschaft als Ganzes – für die Entwicklung der Bereiche fehlt und
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damit die Bearbeitung von Problemgegenständen aufgrund der Abhängigkeit von der jeweiligen Ausgangsperspektive vorzunehmen ist. Mit der Komplexitätszunahme hing nicht zuletzt die skeptische Einschätzung der Steuerungsmöglichkeiten zusammen, die eine Integration der Teilbereiche verfolgt. Statt eines Integrationsbedarfs, so wurde argumentiert, geht es um einen Abstimmungsbedarf zwischen den Ordnungsbereichen. Entscheidend ist, dass somit weder die Asymmetrie zwischen den Bereichen noch das unterschiedliche Ordnungspotential samt den jeweilig verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten der Ordnungsbereiche vernachlässigt wird. Damit können mögliche Fehlschlüsse, wie sie bei Wieland aufgezeigt wurden, vermieden werden. Die Ausführungen schließen also mit einem Plädoyer für einen konflikttheoretisch ausgerichteten Zugang bei allen wirtschafts- und unternehmensethischen Fragestellungen, um nicht Gefahr zu laufen, zu vereinfachten Lösungen zu kommen, die zwar vielversprechend klingen, aber wenig Erklärungsgehalt für die empirische Wirklichkeit haben. An dieses Plädoyer anknüpfend, bedarf es, wie nachstehend an einzelnen Beispielen veranschaulicht wird, für die empirische Analyse der äußeren Institutionenordnung, nämlich des organisationalen Feldes, ebenfalls eines solchen theoretischen Zugangs. Im Hinblick auf die Entwicklung einer Rückkopplung von externalisierten Folgewirkungen wurde gezeigt, dass der äußeren Institutionenordnung ein entscheidender Einfluss hinsichtlich der Art und Weise des Umgangs von Organisationen in Bezug auf ihre Bemühungen um Korruptionsbekämpfung zukommt. Damit dieses Potential, das der äußeren Institutionenordnung zugeschrieben wird, tatsächlich ausgeschöpft werden kann, ist, wie nachfolgend dargestellt, eine kritische wissenschaftliche Reflexion vonnöten, und zwar im Sinne der hier vorgeschlagenen Theorie der Konflikthaftigkeit. 8.2.2 Die Herausforderungen einer globalen Korruptionsbekämpfung vor dem Hintergrund einer konflikttheoretischen Perspektive Unter dem Begriff „Rückkopplung externalisierter Folgewirkungen“ wurde im Verlauf der Arbeit mehrfach gezeigt, dass die internationale Rahmenordnung im Verhältnis zu den Nationalstaaten hinsichtlich ihrer Steuerungsmöglichkeiten, wie Unternehmen ihrer Wirtschaftstätigkeit nachgehen, an Einfluss gewinnt. Auch hier geht es um die Frage des Wirkungsgrades des ökonomischen Rationalitätskriteriums, aber nicht um die Frage nach seiner grundsätzlichen Geltung. Entscheidend ist, dass es für eine funktionierende kapitalistische Wirtschaftsführung des Einbaus von „Gegenprinzipien“ bedarf, die nicht die Aufhebung des Rentabilitätsprinzips bedeuten, sondern die für eine Institutionalisierung von
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Rahmenbedingungen stehen, welche die Geltung des kapitalistischen Marktprinzips erst möglich machen. Denn obgleich sich die Marktgemeinschaft durch einen anethischen Charakter auszeichnet, so ist sie dies laut Weber nur in einem genau definierten Sinn. „Denn selbstverständlich ist das Marktgeschehen nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch normiert“ (Schluchter 1996: 216). Neben den immanent ethischen Schranken der Marktgemeinschaft, die dem Umstand geschuldet sind, dass der Markt nur dann funktioniert, wenn mindestens eklatante Verletzungen von „Treu und Glauben“ vermieden würden, ist die Marktgemeinschaft also auch von außen her ethisch begrenzt. Vor diesem Hintergrund stellt sich umso mehr die Frage, wie die Rahmenbedingungen in einem globalen Kontext ausgestaltet werden können, sodass mit einem Einbau von „Gegenprinzipien“ eine korruptionshemmende Wirkung erzielt werden kann. Die gegenwärtigen Bemühungen auf diesem Feld zeichnen ein äußerst heterogenes Bild sowohl hinsichtlich der beteiligten Akteure als auch der jeweiligen Vorgehensweisen und angewendeten Verfahren. Um einen Eindruck zu gewinnen, sollen im Folgenden Beispiele aus der Praxis aufgeführt werden, wobei Entwicklungen hin zu einer internationalen Gerichtsbarkeit und Strafverfolgung, also die rechtliche Rahmenordnung, ausgespart werden sollen. Zwar wird durchaus die Ansicht von Lepsius geteilt, dass es für die Durchsetzung von ökologischen oder sozialpolitischen „Rationalitäten“ der allgemeinen Durchsetzung von Gesetzen bedürfe, da der Appell an die Einsicht unzureichend sei, „weil dieser unter dem Rationalitätskriterium der Rentabilität nur zu Wettbewerbsvorteilen zugunsten der Uneinsichtigen führen würde“ (Lepsius 2008a: 154f.). Wenn nun die gegenwärtigen Entwicklungen als Vorläufer und Wegbereiter bzw. Treiber für eine sich möglicherweise in Zukunft durchsetzende internationale rechtliche Rahmenordnung zu bezeichnen sind, gilt es, nachfolgend den Fokus auf Initiativen zu legen, die sich durch die Beteiligung von Akteuren aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft auszeichnen und die Elemente von Verfahren diskursiver Auseinandersetzung beinhalten, um exemplarisch auf die Notwendigkeit einer konflikttheoretisch ausgerichteten empirischen Begleitforschung dieser Entwicklungen hinzuweisen. Es handelt sich also um Initiativen, die sich alle unter dem Begriff der „Collective Action against Corruption“ subsumieren lassen und MultistakeholderDialoge, Public-Private-Partnership-Programme (PPP-Programme), Integrity Pacts, Roundtable-Diskussionen etc. beinhalten. Ohne ausführlich auf die jeweiligen Schwerpunkte der einzelnen Verfahren eingehen zu wollen und die Stärken und Schwächen differenziert zu betrachten, scheint die Bandbreite an Initiativen zumindest darauf hinzuweisen, dass der Bedarf auf vielen Ebenen und in vielen Sektoren geteilt wird, das Thema Korruption offensiv angehen zu wollen.
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Auch wenn diese Signale grundsätzlich für eine vielversprechende Entwicklung hinsichtlich der Gestaltung einer internationalen Rahmenordnung sprechen, die auf einen sozial-moralischen und auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Kapitalismus abzielt, wird vor dem Hintergrund der Erkenntnisse dieser Arbeit für eine kritische Beleuchtung dieser Tendenz plädiert. Es wird die Gefahr gesehen, dass aufgrund des Enthusiasmus hinsichtlich des gemeinsamen Ziels einer globalen Korruptionsbekämpfung, der durch die Beteiligung aller entscheidenden Interessensgruppen forciert wird, Harmonisierungstendenzen entstehen, welche die grundsätzliche Konflikthaftigkeit zwischen den Ordnungsbereichen verharmlosen. Die Tatsache, dass diskursive Aushandlungsprozesse im Verlauf der Arbeit gerade für die Lösung eines komplexen Problemgegenstandes wie der Korruption als ein vielversprechendes Verfahren sowohl auf organisationaler als auch auf gesellschaftlicher Ebene identifiziert werden konnten, darf nicht über die damit einhergehenden Herausforderungen hinwegtäuschen. Insofern es institutionalisierte Diskursverfahren ermöglichen, für die Lösung des Korruptionsproblems verschiedene Institutionen auf gesellschaftlicher Ebene mit ihren unterschiedlichen Leitideen zusammenzuführen und einen organisierten Rahmen zu bilden, in welchem eine erfolgsorientierte Leistungskoordination der jeweils betroffenen Ordnungsbereiche möglich wird, sind Initiativen, wie sie oben genannt wurden, tatsächlich zunächst vielversprechende Elemente bei einer Entwicklung hin zu der Gestaltung einer globalen Rahmenordnung. Vor dem Hintergrund, dass Wertsphären keine selbstbeschränkende Absichten verfolgen, sondern im Gegenteil die Ausweitung ihres Geltungskontextes anstreben, heißt eine effiziente Koordination der einzelnen Institutionen im Hinblick auf ein gemeinsames Erfolgsziel – der Gestaltung einer globalen korruptionshemmenden Rahmenordnung – der Kampf von Interessensgruppen um die Durchsetzung der eigenen Wertvorstellungen. Ergebnisse können deshalb lediglich zeitlich begrenzte Kompromisslösungen sein, weshalb das Format der Integrity Pacts auf den ersten Blick besonders vielversprechend zu sein scheint. Hier werden hinsichtlich definierter Fragestellungen Abkommen zwischen bestimmten Parteien als Ergebnis eines Aushandlungsprozesses geschlossen. Im Gegensatz dazu erwecken groß angelegte Multistakeholder-Dialoge, die sich, wie das South African National Anti Corruption Forum (NACF) einer landesweiten Korruptionsbekämpfung verschrieben haben (vgl. UNODC u. a. 2006: 175ff.), den Anschein, dass es die Komplexität des Problemgegenstandes, gepaart mit der Bandbreite und Anzahl der beteiligten Akteure, nahezu unmöglich macht, zu Kompromisslösungen zu gelangen, die auf der Handlungsebene Relevanz für sich beanspruchen können. Eine ähnliche Gefahr besteht sicherlich auch bei der Collective Action against Corruption Initiative, in die das Weltbank Institut, der UN Global Compact, das Center for International Private Enterprise
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(CIPE), Transparency International, das Global Advice Netzwerk, die Siemens AG und das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Grant Thornton involviert sind (vgl. World Bank Institute 2009). Ohne näher auf die Beteiligungsmöglichkeiten und Zuständigkeitsbereiche der Teilnehmer eingehen zu wollen, lässt die Zusammensetzung des Initiatorenkreises zumindest darauf schließen, dass tatsächliche Verhandlungen und Interessenskämpfe ausgetragen und vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Ergebnisorientierung Antworten auf die Frage gefunden werden können, wie sich verschiedene Rationalitätskriterien, die im Gegensatz zueinander stehen, so institutionalisieren lassen, dass das eine dem anderen nicht notorisch unterliegt. Wie am Beispiel der nationalen Kontaktstellen der OECD in Ansätzen dargelegt, hängen die Wirkung und die Handlungsmöglichkeiten solcher oder ähnlicher intermediärer Institutionen maßgeblich davon ab, in welcher Form die Aushandlungsprozesse institutionalisiert sind, das heißt, wie die Zusammensetzung der Beteiligten ist, in welchem sphärenspezifischen Kontext das Verfahren eingebettet ist, welche finanziellen und personellen Ressourcen vorhanden sind und welche Sanktionsmittel zur Verfügung stehen. Mit Verweis auf die Durchsetzungsfähigkeit und Interdependenzen zwischen Institutionen, die es mithilfe der Allokationsprobleme, wie sie im zweiten Teil der Arbeit als Kompetenzallokation, Ressourcenallokation und Legitimierungsallokation definiert wurden, zu bestimmen gilt, bedarf es einer kritischen Analyse jeglicher Verfahren, die sich als „Collective Action against Corruption“ verstehen. Nur so können spezifische Faktoren und Bedingungskonstellationen im Sinne einer soziologischen Analyse aus einem weit komplexeren Zusammenhang isoliert werden, um anschließend die gewonnenen Ergebnisse wieder in die Komplexität des Untersuchungsgegenstands zu integrieren, mit dem Ziel, auf praktischer Ebene die Probleme angehen zu können (vgl. Lepsius 2008a: 103). Wie die Arbeit gezeigt hat, ist dabei entscheidend, dass dies auf der Basis eines weberianischen Forschungsprogramms geschieht, das über ein Verständnis von Institutionen verfügt, in welchem Institutionen das „Scharnier zwischen individuellen und kollektiven Interessen einerseits und kulturellen Ideen, Wertvorstellungen und Idealen der Lebensführung andererseits“ (Lepsius 2008a: 149) sind.
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