Philip Matlachowsky Implementierungsstand der Balanced Scorecard
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Research in Management A...
4 downloads
926 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Philip Matlachowsky Implementierungsstand der Balanced Scorecard
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Research in Management Accounting & Control Herausgegeben von Professor Dr. Utz Schäffer WHU – Otto Beisheim School of Management, Vallendar
Die Schriftenreihe präsentiert Ergebnisse betriebswirtschaftlicher Forschung im Bereich Controlling. Sie basiert auf einer akteursorientierten Sicht des Controlling, in der die Rationalitätssicherung der Führung einen für die Theorie und Praxis zentralen Stellenwert einnimmt. The series presents research results in the field of management accounting and control. It is based on a behavioral view of management accounting where the assurance of management rationality is of central importance for both theory and practice.
Philip Matlachowsky
Implementierungsstand der Balanced Scorecard Fallstudienbasierte Analyse in deutschen Unternehmen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Utz Schäffer
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation European Business School, Oestrich-Winkel, 2007 D1540
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Anita Wilke Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0850-6
Geleitwort
V
Geleitwort Ausgangspunkt der Arbeit von Philip Matlachowsky sind die Ergebnisse der Untersuchungen zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard von Speckbacher/ Bischof/Pfeiffer und Schachner/Speckbacher/Wentges. Die Studien zeigen, dass die Balanced Scorecard bei 24% der börsennotierten bzw. bei 35% der mittelständischen Unternehmen im deutschsprachigen Raum implementiert ist. Das Instrument wird jedoch – trotz der großen Aufmerksamkeit, den gerade dieser Aspekt in den letzten Jahren erfahren hat – bei den meisten der befragten Unternehmen nicht als umfassendes strategisches Managementsystem im Sinne von Kaplan und Norton verwendet. Vielmehr wird das Konzept unterschiedlich umfangreich implementiert und ist in den meisten Fällen nur als „minimum-standard BSC“ realisiert. Ziel der Dissertationsschrift von Philip Matlachowsky war es, den so charakterisierten Implementierungsstand besser zu verstehen und die Befunde der beiden genannten Studien zu erklären. Er setzt damit an sichtbaren Lücken in der Literatur an und adressiert ein wichtiges Problem der betrieblichen Praxis. Da Fallstudien besonders zur Erklärung quantitativer Befunde und komplexer Entwicklungsprozesse geeignet sind, wurden von Philip Matlachowsky in der vorliegenden Arbeit sechs Fallstudien durchgeführt. Konkret wurden BSC-Anwendungen in drei Unternehmen der Automobilindustrie und in drei Unternehmen aus anderen Branchen untersucht. Im Ergebnis zeigt es sich, dass die Balanced Scorecard in keinem der untersuchten Unternehmen nachhaltig in dem Umfang implementiert wurde, wie es das Konzept von Kaplan und Norton vorsieht: In keinem der Fälle etablierte sich die Balanced Scorecard im Verlauf der Anwendung als strategisches Managementsystem. Ergänzend kann Philip Matlachowsky zeigen, dass die von Speckbacher/Bischof/ Pfeiffer unterstellten „typical evolutionary steps in the process of BSC implementation“ von Typ I hin zu Typ III so nicht gegeben sein müssen. Vielmehr konnte er in der Mehrzahl der untersuchten Fälle Rückentwicklungen des Implementierungsstands identifizieren. Auf der Basis eines am Lehrstuhl entwickelten Frameworks interpretiert Philip Matlachowsky die in den sechs Unternehmen beobachteten Entwicklungen als Anpassungsprozesse der handlungsleitenden Ordnung: Die in drei Fällen beobachteten Adaptionen des Controllinginstruments und die damit verbundene Rückentwicklung des Imple-
VI
Geleitwort
mentierungsstands in zwei Fällen werden als Assimilierung interpretiert, das in zwei Fällen beobachtete Abstoßen der Balanced Scorecard als erfolgreiche Abwehrreaktion der handlungsleitenden Ordnung. Nur in einem Fall gelang eine Veränderung der etablierten handlungsleitenden Ordnung durch die Einführung der Balanced Scorecard. Die Trägheit interner Modelle und das Konsistenzstreben der Akteure sind in der von Philip Matlachowsky gewählten Perspektive die Ursache dafür, dass eine umfassende Verankerung des Konzepts von Kaplan und Norton immer dann unwahrscheinlich ist, wenn die eingeschwungene handlungsleitende Ordnung der Unternehmung nicht oder nur sehr eingeschränkt kompatibel mit dem Konzept ist. Ohne die Zufuhr erheblicher Veränderungsenergie können die Beharrungskräfte dann nicht überwunden werden. Die Ergebnisse der Arbeit sowie das positive Feedback in Wissenschaft und Praxis zeigen, dass sich die Entdeckungsreise von Philip Matlachowsky gelohnt hat: Er hat eine sehr lesenswerte Dissertationsschrift verfasst, die einen wichtigen Beitrag zur Erklärung des Implementierungsstands der Balanced Scorecard leistet. Ich wünsche ihr die Aufmerksamkeit, die sie verdient hat.
Utz Schäffer
Vorwort
VII
Vorwort Die Balanced Scorecard war als Beispiel für ein modernes strategisches Steuerungsinstrument verlässlicher Inhalt zahlreicher Lehrveranstaltungen meines Studiums. Ihrer tatsächlichen Verbreitung und Nutzung in der Praxis auf den Grund zu gehen war daher eine besonders spannende Herausforderung. Die Auseinandersetzung mit dieser Themenstellung erfolgte während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Controlling der European Business School (ebs) in Oestrich-Winkel. Das Ergebnis wurde dort in Form der vorliegenden Arbeit im November 2007 als Dissertation angenommen. Zum Gelingen der Arbeit haben zahlreiche Personen direkt oder indirekt beigetragen, denen ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen möchte. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Utz Schäffer, der durch außergewöhnliche Diskussionbereitschaft (und -freude!), vielfältige konstruktive Anregungen und hohes Interesse an der Thematik in besonderem Maße zum erfolgreichen Abschluss dieser Dissertation beigetragen hat. Bei Prof. Dr. Ronald Gleich bedanke ich mich für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens sowie seine Anregungen im Entstehungsprozess der Arbeit. Zentralen Anteil an dieser Dissertation haben meine Gesprächspartner in den teilnehmenden Unternehmen der Fallstudienuntersuchungen. Bei ihnen bedanke ich mich sehr herzlich für ihren Zeiteinsatz und ihre Offenheit. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich auch bei Björn Radtke (CTcon) und Dr. Oliver Greiner (Horváth & Partners) für die Vermittlung von Ansprechpartnern sowie wertvolle Hinweise und Anregungen. Meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl und an der ebs danke ich für die gute Zusammenarbeit und viele interessante – selbstverständlich stets fachliche – Diskussionen. Allen voran möchte ich mich bei Dr. Patrick Heinemann für meine „Aufnahme“ an die ebs und seine Freundschaft bedanken. Für eine unvergessliche Zeit im Rheingau und in Wiesbaden danke ich darüber hinaus: Franz Fischer, Carsten Kruchen, Rainer Lueg, Marius Mann, Eike Perrey, Dr. Markus Petersen und Nico Rose.
VIII
Vorwort
Ein ganz besonders herzlicher Dank gilt meiner Freundin Julia Klein – für ihr Verständnis für so manches Wochenende im Dienst der Wissenschaft sowie die großartige Unterstützung und stetige Ermutigung. Mein größter Dank gilt schließlich meinen Eltern. Ihre fortwährende Unterstützung und interessierte wie engagierte Begleitung meines bisherigen Lebensweges waren die Grundlage für den erfolgreichen Abschluss meiner Ausbildung und Promotion. Meinen Eltern widme ich diese Arbeit.
Philip Matlachowsky
Inhaltsübersicht
IX
Inhaltsübersicht Geleitwort ...................................................................................................................... V Vorwort ........................................................................................................................VII Inhaltsübersicht ............................................................................................................. IX Inhaltsverzeichnis ......................................................................................................... XI Tabellenverzeichnis .................................................................................................... XV Abbildungsverzeichnis..............................................................................................XVII
A
Einführung ............................................................................................................. 1 Motivation und Zielsetzung ................................................................................. 1 Forschungsstrategie, Methode und Vorgehen ..................................................... 4 B Konzeptionelle Basis.............................................................................................. 9 1. Konzeptioneller Bezugsrahmen........................................................................... 9 2. Konzept der BSC ............................................................................................... 33 C Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard ................... 45 1. Stand der Verbreitung und Anwendungstypen der BSC ................................... 45 2. Erklärungsansätze für den Implementierungsstand der BSC ............................ 55 3. Erklärungsansätze für die Befunde von Speckbacher/Bischof/Pfeiffer und Schachner/Speckbacher/Wentges ...................................................................... 95 D Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung................................ 101 1. Grundlagen der Fallstudienforschung.............................................................. 101 2. Vorgehensweise der vorliegenden Untersuchung ........................................... 112 E Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung........................................................ 125 1. Analyse der Einzelfallstudien .......................................................................... 125 2. Fallübergreifende Analyse............................................................................... 183 F Diskussion der Ergebnisse ................................................................................ 201 1. Entwicklungsmuster der BSC.......................................................................... 201 2. Erfolg der BSC-Anwendungen........................................................................ 224 3. BSC-Typologie von Speckbacher/Bischof/Pfeiffer......................................... 226 G Schlussbetrachtung............................................................................................ 229 1. Zusammenfassung der Ergebnisse................................................................... 229 2. Implikationen für die Praxis ............................................................................ 234 3. Grenzen der Arbeit und Forschungsausblick................................................... 240 1. 2.
Literaturverzeichnis .................................................................................................... 247
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort ...................................................................................................................... V Vorwort ........................................................................................................................VII Inhaltsübersicht ............................................................................................................. IX Inhaltsverzeichnis ......................................................................................................... XI Tabellenverzeichnis .................................................................................................... XV Abbildungsverzeichnis..............................................................................................XVII
Einführung ............................................................................................................. 1
A 1.
Motivation und Zielsetzung ................................................................................. 1
2.
Forschungsstrategie, Methode und Vorgehen ..................................................... 4
B
Konzeptionelle Basis.............................................................................................. 9 1.
Konzeptioneller Bezugsrahmen........................................................................... 9 1.1 Anforderungen und theoretische Anknüpfungspunkte .............................. 10 1.1.1 Kognitionspsychologie: Informale handlungsleitende Elemente ....... 11 1.1.2 Strukturationstheorie: Interdependenz von Handeln und Struktur ..... 14 1.1.3 Konsistenztheorien: Einfluss kognitiver Dissonanz ........................... 17 1.2 Bezugsrahmen zur Analyse der Implementierung und Nutzung von Controllinginstrumenten nach Schäffer/Zyder........................................... 20 1.2.1 Akteursmodell von Bach et al. als Basis............................................. 21 1.2.2 Handlungsleitende Ordnung nach Schäffer/Zyder ............................. 24 1.2.2.1 Interne Modelle ............................................................................... 25 1.2.2.2 Externe Modelle .............................................................................. 26 1.2.2.3 Zusammenspiel der handlungsleitenden Elemente ......................... 27 1.2.3 Barrieren im Prozess der Implementierung von Controllinginstrumenten ..................................................................... 29 1.3 Beurteilung des Bezugsrahmens ................................................................ 31
2.
Konzept der BSC ............................................................................................... 33 2.1 Kritik an traditionellen Kennzahlensystemen als Ausgangspunkt............. 35
XII
Inhaltsverzeichnis
2.2 Vom Kennzahlen- zum strategischen Managementsystem........................ 37 2.2.1 BSC als Kennzahlensystem ................................................................ 37 2.2.2 BSC als strategisches Managementsystem ......................................... 40 C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard ................... 45 1.
Stand der Verbreitung und Anwendungstypen der BSC ................................... 45 1.1 Verbreitung der BSC .................................................................................. 45 1.2 Typen der BSC-Anwendung ...................................................................... 51
2.
Erklärungsansätze für den Implementierungsstand der BSC ............................ 55 2.1 Kontingenztheoretische Untersuchungen................................................... 56 2.1.1 Unternehmensgröße ............................................................................ 56 2.1.2 Strategie .............................................................................................. 60 2.1.3 Branchenzugehörigkeit ....................................................................... 63 2.1.4 Weitere Kontextfaktoren..................................................................... 64 2.2 Untersuchungen zu Barrieren und Erfolgsfaktoren der Implementierung. 66 2.2.1 Barrieren im Prozess der BSC-Implementierung ............................... 66 2.2.1.1 Individuelle interne Modellbarrieren .............................................. 67 2.2.1.1.1 Anwendungsebene.................................................................... 68 2.2.1.1.2 Projektebene ............................................................................. 72 2.2.1.2 Korporative interne Modellbarrieren .............................................. 74 2.2.1.3 Externe Modellbarrieren ................................................................. 76 2.2.1.3.1 Anwendungsebene.................................................................... 76 2.2.1.3.2 Projektebene ............................................................................. 78 2.2.2 Erfolgsfaktoren im Prozess der BSC-Implementierung ..................... 80 2.3 Nutzungsorientierte Untersuchungen ......................................................... 82 2.3.1 Nutzung der BSC als Kennzahlensystem ........................................... 83 2.3.2 Nutzung der BSC als Managementsystem.......................................... 86 2.3.3 BSC und Unternehmenserfolg ............................................................ 90 2.4 Zwischenfazit ............................................................................................. 94
3.
Erklärungsansätze für die Befunde von Speckbacher/Bischof/Pfeiffer und Schachner/Speckbacher/Wentges ...................................................................... 95 3.1 Berücksichtigung von BSC-Anwendungstypen......................................... 96 3.2 Berücksichtigung der Dynamik des Implementierungsstands ................... 98 3.3 Zwischenfazit ............................................................................................. 99
Inhaltsverzeichnis
D
XIII
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung................................ 101 1.
Grundlagen der Fallstudienforschung.............................................................. 101 1.1 Definition und Abgrenzung der Fallstudienmethode ............................... 102 1.2 Einsatzmöglichkeiten der Fallstudienmethode......................................... 104 1.3 Gütekriterien in der Fallstudienforschung................................................ 106 1.3.1 Reliabilität......................................................................................... 108 1.3.2 Validität............................................................................................. 109
2.
Vorgehensweise der vorliegenden Untersuchung ........................................... 112 2.1 Fallstudien-Design.................................................................................... 112 2.1.1 Funktion der Fallstudienuntersuchung.............................................. 112 2.1.2 Reichweite der Fallstudienuntersuchung .......................................... 113 2.1.3 Auswahl der Fälle ............................................................................. 115 2.2 Datenerhebung.......................................................................................... 117 2.2.1 Instrumente der Datenerhebung........................................................ 117 2.2.2 Operative Vorbereitung der Datenerhebung..................................... 119 2.2.3 Durchführung der Datenerhebung .................................................... 120 2.3 Datenanalyse............................................................................................. 122 2.3.1 Instrumente der Datenanalyse........................................................... 122 2.3.2 Durchführung der Datenanalyse ....................................................... 123
E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung........................................................ 125 1.
Analyse der Einzelfallstudien .......................................................................... 125 1.1 Unternehmen A – Einschlafen einer Typ II BSC..................................... 127 1.2 Unternehmen B – Veränderung einer Typ I BSC .................................... 135 1.3 Unternehmen C – Scheitern einer Typ I BSC .......................................... 149 1.4 Unternehmen D – Relaunch einer Typ II BSC ........................................ 156 1.5 Unternehmen E – Interaktive Nutzung einer Typ I BSC ......................... 165 1.6 Unternehmen F – Rückentwicklung einer Typ III BSC........................... 174
2.
Fallübergreifende Analyse............................................................................... 183 2.1 Implementierungsstand der untersuchten BSCs....................................... 184 2.1.1 BSC-Typen nach Speckbacher/Bischof/Pfeiffer .............................. 184 2.1.2 Veränderung des Implementierungsstands ....................................... 186 2.2 Integration der BSC in die handlungsleitende Ordnung .......................... 188 2.2.1 Ausgangssituation und Einführungsprozess ..................................... 188 2.2.2 Integration mit externen Modellen.................................................... 189
XIV
Inhaltsverzeichnis
2.2.3 Integration mit individuellen internen Modellen .............................. 190 2.2.4 Integration mit korporativen internen Modellen............................... 192 2.2.5 Nutzung der BSC und Zufriedenheit ................................................ 193 2.3 Barrieren im Prozess der BSC-Implementierung..................................... 194 2.3.1 Individuelle interne Modellbarrieren ................................................ 194 2.3.2 Korporative interne Modellbarrieren ................................................ 196 2.3.3 Externe Modellbarrieren ................................................................... 198 F
Diskussion der Ergebnisse ................................................................................ 201 1.
Entwicklungsmuster der BSC.......................................................................... 201 1.1 Adaption des Controllinginstruments....................................................... 202 1.1.1 Gelungene Verzahnung mit Regelprozessen und Systemen............. 202 1.1.2 Geringe Rückkopplung und Feedback des Top Managements ........ 204 1.1.3 Konträre Ingenieurkultur .................................................................. 206 1.2 Abstoßen des Controllinginstruments ...................................................... 210 1.2.1 Geringe Verzahnung mit Regelprozessen und Systemen ................. 210 1.2.2 Kein Eintreten des Top Managements für die BSC.......................... 213 1.2.3 Konträre unternehmerische Organisationskultur .............................. 215 1.3 Veränderung der etablierten handlungsleitenden Ordnung...................... 218 1.3.1 Gelungene Verzahnung mit Regelprozessen und Systemen............. 218 1.3.2 Nachhaltiges Einfordern der BSC durch das Top Management....... 219 1.3.3 Interaktive Nutzung der BSC............................................................ 221 1.3.4 Erfolgreicher Kulturwandel mit der BSC ......................................... 222
2.
Erfolg der BSC-Anwendungen........................................................................ 224
3.
BSC-Typologie von Speckbacher/Bischof/Pfeiffer......................................... 226
G
Schlussbetrachtung............................................................................................ 229 1.
Zusammenfassung der Ergebnisse................................................................... 229
2.
Implikationen für die Praxis ............................................................................ 234
3.
Grenzen der Arbeit und Forschungsausblick................................................... 240
Literaturverzeichnis .................................................................................................... 247
Tabellenverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Verbreitung der BSC im deutschsprachigen Raum .................................. 46 Tabelle 2: Internationale Verbreitung der BSC ......................................................... 47 Tabelle 3: Erfolgsfaktoren der BSC-Implementierung.............................................. 82 Tabelle 4: Fallstudienmethodik und Forschungsstrategien ..................................... 103 Tabelle 5: „Checkliste“ zur Qualitätssicherung von Fallstudien ............................. 108 Tabelle 6: Übersicht der Fallstudien ........................................................................ 116 Tabelle 7: Übersicht der Datenerhebung ................................................................. 121 Tabelle 8: Fallübergreifende Muster........................................................................ 193
Teil 0
Abbildungsverzeichnis
XVII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Aufbau der Arbeit ................................................................................. 6
Abbildung 2:
Handlungsleitende Ordnung und ihre Elemente................................. 24
Abbildung 3:
Barrierentypologie .............................................................................. 31
Abbildung 4:
Publikationen zur BSC in deutschsprachigen Controllingzeitschriften ...................................................................... 34
Abbildung 5:
Perspektiven der BSC ......................................................................... 38
Abbildung 6:
BSC als strategischer Handlungsrahmen............................................ 41
Abbildung 7:
Strategy Map der Schering Schweiz AG ............................................ 42
Abbildung 8:
BSC-Implementierungsstand im deutschsprachigen Raum ............... 54
Abbildung 9:
BSC-Implementierungsstand in den untersuchten Fallstudien......... 187
Abbildung 10: Implementierungsbarrieren der untersuchten Fallstudien ................ 195
Teil A
Einführung
A
Einführung
1.
Motivation und Zielsetzung
1
Die Implementierung von Controllinginstrumenten wird vielfach als eine herausfordernde Aufgabe von Managern und Controllern dargestellt.1 Denn Implementierungsprozesse sind von vielfältigen Akteuren, Dependenzen, Rückkopplungen, Verankerungen und hoher Prozessdynamik geprägt.2 Bei der Gestaltung von Implementierungsprozessen werden Manager und Controller der Vielzahl dieser komplexen Wirkungskräfte jedoch nicht immer gerecht; Implementierungsprojekte scheitern vielmehr regelmäßig.3 Trotz dieser Beobachtung und dem Aufruf von Wissenschaftlern und Praktikern, Fragen der Implementierung mehr Aufmerksamkeit zu widmen, „relatively little research has been directed to this area.”4 Ein solches Versäumnis wird auch für die Erforschung der Implementierung des Controllinginstruments Balanced Scorecard (BSC) beschrieben.5 Die BSC lässt sich als Instrument zur kennzahlenbasierten Unternehmenssteuerung charakterisieren, das ein ausgewogenes Verhältnis von finanziellen und nicht-finanziellen Kennzahlen sowie eine konsequente Strategieorientierung betont. Das Konzept wurde erstmals 1992 von ROBERT S. KAPLAN und DAVID P. NORTON vorgestellt und als Antwort auf die Kritik in der Literatur und weiten Teilen der Unternehmenspraxis an den damals gängigen Konzepten des Performance Measurement präsentiert.6 In den folgenden Veröffentlichungen entwickelten KAPLAN/NORTON die BSC zu einem Managementsystem wei-
1 2
3
4 5 6
Vgl. Burns/Vaivio (2001), S. 390; Weber (2002), S. 389f.; Horváth (2006), S. 863ff. Vgl. Parvis-Trevisany (2006), S. 10. So beeinflussen Implementierungsprozesse „multiple artefacts in organisations, like formal structures and hierarchies, standardised procedures, routines, rules and regulations, but also informal power bases, knowledge structures, control practices and governance, patterns of cooperation and communication, and, last but not least, the roles of actors within the organisation.“ Scheytt/Soin (2002), S. 2f. Vgl. z.B. Markus/Pfeffer (1983), S. 205f.; Innes/Mitchell (1995), S. 148f.; Shields (1995), S. 151f.; Roberts/Silvester (1996), S. 23; Malmi (1997), S. 460; Chenhall/Langfield-Smith (1998a), S. 2ff.; Anderson/Young (1999), S. 525; Otley (2003), S. 316; Baird/Harrison/Reeve (2004), S. 384. Noble (1999), S. 119. Vgl. Malmi (2001), S. 208; Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 362; Chenhall (2005), S. 396. Vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 71ff.
2
Einführung
Teil A
ter, das die Umsetzung der Unternehmensstrategie in den Mittelpunkt stellt.7 Nicht zuletzt auf Grund dieser Weiterentwicklung wurde der BSC in den letzten 15 Jahren hohe Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Praxis zuteil.8 So stellt sie neben der wertorientierten Unternehmenssteuerung um die Jahrtausendwende das „mit Abstand dominierende Controllinginstrument in wissenschaftlichen Zeitschriften“9 des deutschsprachigen Raums dar. In der unternehmerischen Praxis verdeutlicht die hohe Zahl von Seminaren, Beratungsprojekten und Aufsätzen in populären Managementzeitschriften das hohe Interesse an dem Konzept.10 Wenige der vorliegenden Arbeiten streben jedoch ein fundiertes Verständnis der Implementierung der BSC an: „Evidence on the adoption of SPMS [strategic performance measurement systems], particularly BSC, has been mainly anecdotal.”11 Vielmehr werden weite Teile der Literatur als „wenig reflektierte Wiedergabe“12 von erfolgreichen Praxisbeispielen charakterisiert, die die BSC als „Wunderwaffe oder ‚Allheilmittel’ für alle Probleme des strategischen Managements“13 charakterisieren. Dieser Mangel an fundierten Untersuchungen ist umso erstaunlicher, da trotz des propagierten Nutzens und der Beispiele zu BSC-Erfolgen in der Literatur gezeigt werden kann, „that implementation of … these innovations [BSC] have not been as successful as hoped or as suggested in the literature.”14 In dieser Hinsicht ergeben eine großzahlige Befragung von SPECKBCHER/BISCHOF/ PFEIFFER und eine darauf aufbauende Studie von SCHACNER/SPECKBACHER/ WENTGES, dass die BSC nur bei 24% der börsennotierten bzw. 35% der mittelständischen Unternehmen im deutschsprachigen Raum implementiert ist.15 Ihre Ergebnisse verdeutlichen darüber hinaus, dass in der unternehmerischen Praxis nicht eine BSC
7
8
9 10 11 12 13 14
Vgl. Kaplan/Norton (1996a); Kaplan/Norton (1996b); Kaplan/Norton (1996c); Kaplan/Norton (2001a); Kaplan/Norton (2001b); Kaplan/Norton (2001c); Kaplan/Norton (2004); Kaplan/Norton (2006a); Kaplan/Norton (2006b). Vgl. z.B. Hepworth (1998), S. 559; Hoque/James (2000), S. 1; Gleich (2001), S. 52; Nørreklit (2003), S. 591; Bourguignon/Malleret/Nørreklit (2004), S. 107; Wallenburg/Weber (2006), S. 245. Binder/Schäffer (2005), S. 611. Vgl. zur Anzahl der Veröffentlichungen zur BSC in praxisorientierten und wissenschaftlichen Zeitschriften auch Zühlke (2007), S. 166f. Vgl. Kieser (2000), S. 123; Malmi (2001), S. 207. Zu diesem Zeitpunkt galt: „The balanced scorecard approach is hot.“ Frigo/Krumwiede (2000), S. 50. Chenhall (2005), S. 396. Bischof (2002), S. 2. Bischof (2002), S. 2. Maiga/Jacobs (2003), S. 285.
Teil A
Einführung
3
Anwendung findet. Stattdessen implementieren Unternehmen das Konzept unterschiedlich vollständig, von einer „minimum-standard“ bis zu einer „fully-developed BSC“.16 Organisationen verwenden demnach unterschiedlich weit entwickelte Versionen des Originalkonzepts von KAPLAN/NORTON. Den Ergebnissen der beiden Studien zu Folge wird das Instrument in den meisten der untersuchten Unternehmen allerdings nicht als strategisches Managementsystem im Sinne von KAPLAN/NORTON verwendet.17 Diese Befunde deuten auf ein Theorie-Praxis-Paradoxon hin. Denn trotz der großen Aufmerksamkeit für die BSC als strategisches Managementsystem in der Literatur, muss die Vorstellung der BSC als „eines der erfolgreichsten Managementinstrumente der letzten Jahre – zumindest gemessen an ihrer Verbreitung“18 angesichts dieser Forschungsergebnisse zumindest relativiert werden: „[O]nly a minority of firms use BSCs, and most of these appear to use only a limited or incomplete version.”19 Vorliegende Untersuchungen zur BSC können die Befunde von SPECKBCHER/BISCHOF/ PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES dabei nur sehr eingeschränkt erklären. Denn die überwiegende Mehrheit der Studien zum Implementierungsstand der BSC differenziert unterschiedliche Implementierungsstände bzw. BSC-Typen nicht; keine Untersuchung berücksichtigt zusätzlich dazu mögliche Veränderung des Implementierungsstands. Ausgehend vom beobachteten Theorie-Praxis-Paradoxon ist es daher das Ziel dieser Untersuchung, den Implementierungsstand der BSC im deutschsprachigen Raum besser zu verstehen. Die Forschungsfrage lautet: Wie lassen sich die Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER (2003) und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES (2006) erklären? Trotz der hohen Zahl bereits vorliegender Veröffentlichungen zur BSC erscheint eine Untersuchung von Anwendungen der BSC gerade zum jetzigen Zeitpunkt wertvoll.
15 16 17
18 19
Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 369; Schachner/Speckbacher/Wentges (2006), S. 605. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 362. Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 369ff.; Schachner/Speckbacher/Wentges (2006), S. 605. Vgl. zu vom Originialkonzept abweichenden BSCs auch die empirischen Ergebnisse von Horváth&Partners (2004b), S. 10 und Horváth&Partners (2005), S. 13. Zu ähnlichen Ergebnissen für Finnland bzw. die USA vgl. weiter Malmi (2001), S. 211f., bzw. Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 725. Wallenburg/Weber (2006), S. 245. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 381.
4
Einführung
Teil A
Denn der „hype“20 um die BSC hat sich gelegt und das Instrument befindet sich in vielen Unternehmen seit mehreren Jahren im Praxiseinsatz. Die nähere Untersuchung des BSC-Implementierungsstands und die Beantwortung der Forschungsfrage erscheint vor dem Hintergrund dieser mehrjährigen Anwendungserfahrung zahlreicher Unternehmen besonders viel versprechend. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens sollen dazu dienen, den Implementierungsstand der BSC in der Praxis besser zu verstehen. Durch die Erklärung und Interpretation der Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES soll die vorliegende Arbeit zum einen einen wissenschaftlichen Beitrag zur Erforschung von BSC-Implementierungsprozessen und des resultierenden Implementierungsstands des Instruments in Unternehmen leisten. Zum anderen soll das Forschungsprojekt auch Hinweise für die effektivere und effizientere Gestaltung von BSC-Einführungsprojekten in der Praxis liefern. Die Untersuchung verfolgt damit primär ein theoretisches Wissenschaftsziel.21 Die Ergebnisse sollen aber auch die Ableitung von Gestaltungsaussagen ermöglichen und vorbereiten. Die gewonnenen Erkenntnisse stellen somit keinen reinen „Selbstzweck“22 dar.
2.
Forschungsstrategie, Methode und Vorgehen
Das dieser Arbeit zu Grunde liegende Forschungsprojekt verfolgt eine empirische Forschungsstrategie. In Abgrenzung zu anderen Strategien basiert die empirische Forschungsstrategie auf einer systematischen Erfahrungsgewinnung, bei der die wahrgenommene Realität im Vordergrund steht:23 „Empirische Forschung steht für die bewußte, systematische, möglichst objektive, überprüfbare, möglichst standardisierte Einbeziehung der sinnlichen Erfahrung in den Erkenntnisprozeß.“24 So verspricht ein Einbeziehen der konkreten Erfahrungen aus BSC-Implementierungen in der Praxis
20 21
22 23
Malina/Selto (2001), S. 74. Theoretische (explanative, „Wissensmotiv“) und pragmatische (technologische, „Gestaltungsmotiv“) Wissenschaftsziele können differenziert werden. Wissenschaftliches Arbeiten kann demnach primär die Erklärung oder die Gestaltung anstreben; vgl. Grochla (1976), S. 632; Schanz (1988), S. 6ff.; Chmielewicz (1994), S. 17f. Müller-Böling/Klandt (1996), S. 5. Zur Unterscheidung unterschiedlicher Forschungsstrategien („wie wird untersucht?“) können nach Grochla sachlich-analytische, formal-analytische und empirische Strategien differenziert werden. Die beiden analytischen Strategien zielen auf die Schaffung eines Verständnisses komplexer Zusammenhänge; die formal-analytische Forschungsstrategie bedient sich dabei einer abstrakten, meist mathematischen Darstellung von Problemstrukturen; vgl. Grochla (1976), S. 634ff.
Teil A
Einführung
5
inhaltsreiche Erkenntnisse.25 Formalanalytische, quantitative Analysen würden zudem eine unhandhabbare Komplexität erreichen bzw. stark vereinfacht werden, da die im Rahmen der Fragestellung zu betrachtenden Implementierungsprozesse von vielfältigen Akteuren, Dependenzen, Rückkopplungen, sowie hoher Dynamik geprägt sind.26 Da Fallstudien in besonderer Weise zur Beantwortung von „Wie“-Fragen27 und zur Erklärung und Interpretation quantitativer Befunde28 geeignet sind, beruht das Forschungsprojekt auf der Fallstudienmethode als empirischen Forschungsansatz.29 Für das vorliegende Forschungsprojekt eignet sich der Fallstudienansatz, weil er auf Grund seiner Offenheit und ganzheitlichen Perspektive30 die komplexen BSC-Implementierungsprozesse aufnehmen und berücksichtigen kann: „[I]f we wish to study the operation of systems as complex as systems of organizational performance management, we need to deploy research methods that are capable of picking up a wide range of organizational phenomena.“31 So kann z.B. auch eine mögliche Veränderung des Implementierungsstands berücksichtigt werden. Für das Forschungsvorhaben wird konkret der Ansatz der Mehrfallstudie gewählt, da dieser die Analyse und den Vergleich mehrerer Fälle erlaubt, die unterschiedliche Implementierungsstände der BSC repräsentieren.32 Im Gegensatz zu einem rein explorativen33 Vorgehen wird im Rahmen der Analysen dieses Forschungsprojekts auf einen möglichen, spezifischen Bezugsrahmen zurückgegriffen. Durch die Abbildung von Zusammenhängen auf hohem Abstraktionsniveau soll dieser helfen, das Denken über die komplexen realen Phänomene zu ordnen sowie relevante Daten und signifikante Kategorien zu abstrahieren.34 Gleichzeitig ermögli-
24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
34
Müller-Böling/Klandt (1996), S. 7, ohne Hervorhebungen des Originals. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 532. Vgl. auch Parvis-Trevisany (2006), S. 10. Vgl. Yin (2003), S. 5. Vgl. Mayring (2001), „Vertiefungsmodell“. Die Arbeit folgt damit auch dem Aufruf zum Einsatz von Fallstudien zur Erklärung unterschiedlicher BSC-Implementierungsverläufe; vgl. Kasurinen (2002), S. 341. Vgl. Scapens (1990), S. 268; Lamnek (2005), S. 299. Otley (2001), S. 256. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 534ff.; Yin (2003), S. 39ff.; Lillis/Mundy (2005), S. 119ff. Für die Rolle empirischer Forschung in der Theorieentwicklung kann zwischen Exploration (Theoriegenerierung) und Konfirmation (Theorieüberprüfung) unterschieden werden. Während der erste Ansatz versucht, mit Hilfe empirischer Untersuchungen zu Hypothesen zu gelangen, werden nach dem zweiten Ansatz Hypothesen mit der Realität konfrontiert und gegebenenfalls falsifiziert; vgl. Chmielewicz (1994), S. 37, 88f.; Müller-Böling/Klandt (1996), S. 92f.; Otley/Berry (1998), S. S106. Vgl. Miles (1979), S. 591; Kirsch (1981), S. 193f.; Glaser/Strauss (1998), S. 54.
Einführung
6
Teil A
chen es ein solcher Bezugsrahmen und das Einnehmen der damit verbundenen Perspektive, bestehende theoretische Erkenntnisse in die Untersuchung zu integrieren, die bei der Analyse von Implementierungsprozessen von Bedeutung sind, ohne dabei jedoch den Anspruch einer ausgereiften Theorie zu erheben.35 Letztlich berücksichtigt ein solches Vorgehen, dass die menschliche Wahrnehmung durch Vorwissen und Einstellungen geprägt ist und die Ergebnisse einer Fallstudienuntersuchung damit immer durch die individuelle Perspektive beeinflusst sind.36 Die weitere Arbeit gliedert sich in sechs Teile (vgl. Abbildung 1). Das weitere Vorgehen orientiert sich dabei an den drei Phasen des Forschungsprojekts: die konzeptionelle Basis und Zusammenführung vorhandener Erkenntnisse zum Implementierungsstand der BSC (Teile B und C), die methodische Konzeption und Durchführung der empirischen Untersuchung (Teile D und E) sowie die Diskussion der Ergebnisse (Teile F und G).
Bezugsrahmen und Literaturreview
Empirische Untersuchung
Diskussion und Schluss
Teil Teil B: B: Konzeptionelle Konzeptionelle Basis Basis
Teil Teil D: D: Methodische Methodische Konzeption Konzeption der der Untersuchung Untersuchung
Teil Teil F: F: Diskussion Diskussion der der Ergebnisse Ergebnisse
Teil Teil C: C: ImplementierungsImplementierungsstand stand der der Balanced Balanced Scorecard Scorecard
Teil Teil E: E: Ergebnisse Ergebnisse der der FallstudienFallstudienuntersuchung untersuchung
Teil Teil G: G: Schlussbetrachtung Schlussbetrachtung
Teil Teil A: A: Einführung Einführung
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Nach dieser Einführung wird in Teil B zunächst der konzeptionelle Bezugsrahmen der Arbeit ausgewählt und erläutert. Dieser ist von Erkenntnissen der Kognitionspsychologie, Strukturations- sowie Konsistenztheorien inspiriert. Daneben wird das in dieser Arbeit behandelte Implementierungsobjekt vorgestellt. In Teil C werden die vorliegenden Erkenntnisse zum Implementierungsstand der BSC behandelt. Dazu wird zunächst auf Verbreitung und Anwendungstypen der BSC in der unternehmerischen Pra-
35 36
Vgl. zu diesem Punkt allgemein Parkhe (1993), S. 253; vgl. Abschnitt B1.1 für die hier relevanten theoretischen Erkenntnisse. Vgl. Otley/Berry (1998), S. S106.
Teil A
Einführung
7
xis eingegangen. Im Anschluss daran werden die vorliegenden Erklärungsansätze in der Literatur für den Implementierungsstand der BSC sowie für den spezifischen Befund von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/ WENTGES zusammengeführt und kritisch diskutiert. Anschließend wird in den Teilen D und E die empirische Untersuchung beschrieben. Dazu wird zunächst auf die methodischen Grundlagen der Fallstudienforschung sowie der vorliegenden Untersuchung eingegangen (Teil D). In Teil E erfolgen dann die Einzelanalysen der sechs Fälle sowie die fallübergreifende Analyse. Die Diskussion der Ergebnisse der empirischen Untersuchung erfolgt in Teil F. Letztlich schließt Teil G die Arbeit ab. Neben der Zusammenfassung der Erkenntnisse werden Implikationen für die Praxis aufgezeigt. Die Diskussion der Grenzen dieser Untersuchung sowie ein Forschungsausblick runden die Arbeit ab.
Teil B
Konzeptionelle Basis
B
Konzeptionelle Basis
1.
Konzeptioneller Bezugsrahmen
9
Dieser Arbeit wird ein möglicher konzeptioneller Bezugsrahmen zu Grunde gelegt, der spezifischen, im Folgenden näher zu erläuternden Anforderungen genügt. Ein Bezugsrahmen ist die „Vorform einer ausgereiften wohl-formulierten Theorie.“37 Durch die Abbildung von Zusammenhängen auf hohem Abstraktionsniveau soll er helfen, das Denken über die komplexen realen Phänomene zu ordnen.38 Im Rahmen dieser Arbeit erlaubt es ein solcher Bezugsrahmen und das Einnehmen der damit verbundenen Perspektive, einige für die Analyse von Implementierungsprozessen relevante theoretische Aspekte in die Untersuchung zu integrieren, ohne dabei den Anspruch einer ausgereiften Theorie zu erheben. Fallstudien, die im Gegensatz hierzu rein explorativ vorgehen und bestehende theoretische Erkenntnisse nicht beachten, „may in many cases amount to ‚reinventing the wheel,’ and a failure to exploit and build upon previous scientific achievements.“39 Angesichts der Menge und Vielfalt im Rahmen von Fallstudien erhobener Daten erleichtert es die Einnahme einer bestimmten Perspektive dem Forscher auf diese Weise, relevante Daten und signifikante Kategorien zu abstrahieren: „[R]esearch projects that pretend to come to the study with no assumptions usually encounter much difficulty. … The risk is … that an incoherent, bulky, irrelevant, meaningliess set of observations may be produced, which no one can (or even wants to) make sense of.“40 Das hier gewählte Vorgehen entspricht auch eher der Realität menschlicher Wahrnehmung, die durch Vorwissen und Einstellungen geprägt ist: „In the social sciences, the observations that are sought, the phenomena that are perceived and the interpretation that is put upon them are all influenced by the theoretical presuppositions of the observer.”41 Die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen sind damit immer auch durch die individuelle Perspektive beeinflusst. Selbst für die 37 38 39 40
Kirsch (1981), S. 193. Vgl. Kirsch (1981), S. 193f. Parkhe (1993), S. 253. Miles (1979), S. 591; vgl. auch Glaser/Strauss (1998), S. 54.
10
Konzeptionelle Basis
Teil B
explorative Forschung wird deshalb die Erarbeitung eines theoretischen Rahmens zur Strukturierung der Datenerhebung empfohlen.42 Allerdings besteht bei der Verwendung eines konzeptionellen Bezugsrahmens die Gefahr, dass wesentliche Aspekte des untersuchten Phänomens vernachlässigt werden, wenn diese nicht im zuvor erarbeiteten theoretischen Rahmen abgebildet sind:43 „[P]reordained theoretical perspectives or propositions may bias and limit the findings.“44 Um das Risiko „of losing information by over-filtering rich field material through explicit theoretical concepts“45 zu minimieren, gilt es daher, sich der eingenommenen theoretischen „Brille(n)“ und ihrer Annahmen und Einschränkungen bewusst zu sein.46 Im Folgenden wird daher der Bezugsrahmen der weiteren Untersuchungen und die damit eingenommene Perspektive ausführlich vorgestellt. Dazu werden zunächst theoretische Anknüpfungspunkte formuliert, die für die Analyse von Implementierungsprozessen relevant sind und die ein geeigneter Bezugsrahmen somit berücksichtigen sollte. Anschließend wird ein Bezugsrahmen vorgestellt, der diese Anforderungen angemessen integriert. Im Vergleich zu alternativen Herangehensweisen47 erhöht die explizite Darstellung der Perspektive so die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und kann damit die Qualität ihrer kritischen Diskussion erhöhen. 1.1
Anforderungen und theoretische Anknüpfungspunkte
Die zu Grunde gelegte Perspektive sollte es ermöglichen, die sich einstellenden – intendierten oder auch nicht intendierten – Ergebnisse von BSC-Implementierungsvorhaben zu analysieren. Ausgehend von kognitionspsychologischen, strukturationsund konsistenztheoretischen Erkenntnissen können dabei drei zentrale Anforderungen an einen geeigneten Bezugsrahmen gestellt werden.
41 42 43 44 45 46 47
Vgl. Otley/Berry (1998), S. S106. Vgl. De Vaus (2001), S. 221. Vgl. Parkhe (1993), S. 236. Eisenhardt (1989), S. 536. Ahrens/Dent (1998), S. 11. Vgl. Ahrens/Dent (1998), S. 35. Vgl. für Fallstudien, in denen die theoretische Perspektive nicht expliziert wird z.B. Ahn (2001); Wagner/Kaufmann (2004); Papalexandris et al. (2005).
Teil B
1.1.1
Konzeptionelle Basis
11
Kognitionspsychologie: Informale handlungsleitende Elemente
Der zu Grunde gelegte Bezugsrahmen und die damit eingenommene Perspektive sollten zunächst über ein technokratisches Verständnis der Implementierung von Controllinginstrumenten hinausgehen und berücksichtigen, dass diese nicht im Vakuum, sondern von Menschen in Unternehmen implementiert und genutzt werden.48 Anders als Ansätze, die nur auf die technische Umsetzung von Einführungsprojekten fokussieren, sollte beachtet werden, dass formale Regeln und Strukturen allein nicht handlungsleitend sind. Vielmehr ist das Handeln von Menschen in hohem Maße auch von informalen Regeln – auf individueller wie korporativer Ebene – bestimmt. Diese sind damit auch bei der Analyse von Implementierungsprozessen relevant. Begründen lässt sich diese Forderung mit Erkenntnissen der kognitiven Sozialpsychologie, die sich mit der Analyse mentaler Konstruktionsprozesse befasst, mit deren Hilfe Menschen die Welt verstehen und ihren Prozessen Sinn zuschreiben.49 Individuen handeln demnach nicht auf Basis naturgegebener Zustände, sondern auf Grund von individuell und/oder kollektiv erzeugten, sozial konstruierten Realitäten.50 Diese lassen sich als geistige Konstrukte, mentale Modelle oder Schemata bezeichnen. Letztere beschreiben in der kognitiven Sozialpsychologie die allgemeinen Wissensstrukturen von Akteuren: „A schema may be defined as a cognitive structure that represents knowledge about a concept or type of stimulus, including its attributes and the relations among those attributes.“51 Trotz einer hohen Begriffs- und Definitionsvielfalt des Schemakonzepts,52 lassen sich mit Bezug auf ihren Inhaltsbereich verschiedene Klassen unterscheiden:53
48 49 50
51
52
Vgl. Bate/Khan/Pye (2000), S. 200. Vgl. z.B. Zimbardo/Gerrig (2004), S. 344ff.; Bierbrauer (2005), S. 73. „The cognitive science suggest that the world as it is experienced does not consist of events that are meaningful in themselves. Rather, cognitions, interpretations, or ways of understanding events are guided by organizing frameworks – or schemata.“ Bartunek/Moch (1987), S. 484. In der Betriebswirtschaftslehre findet sich ein solches Verständnis insbesondere in konstruktivistischen Ansätzen der Organisationstheorie; vgl. für einen Überblick Kieser (2002), S. 287ff. Fiske/Taylor (1991), S. 98. Vgl. auch Schwarz (1985), S. 273; Zimbardo/Gerrig (2004), S. 328; Aronson/Wilson/Akert (2005), S. 59ff. Der Schemabegriff wird auf Gedächtnisuntersuchungen von Frederic Bartlett zurückgeführt, der als einer der Ersten das Gedächtnis nicht als passives Speichermedium betrachtete, sondern zeigte, dass die Verarbeitung und Abspeicherung neuer Informationen entscheidend vom Vorwissen geprägt ist, das die Individuen in der jeweiligen Situation aufweisen; vgl. Bartlett (1932) sowie im Überblick Zimbardo/Gerrig (2004), S. 332f. Mit dem Konstrukt des Schemas werden verschiedene Begriffe in Verbindung gebracht, gleichgesetzt oder als Unterarten klassifiziert, z.B. „paradigm“, „frame“, „category“, „template“, „theoryin-use“, „cognitive map“, „stereotypes“, „prototypes“, „implicit theories“, „causal schemata“,
12
Konzeptionelle Basis
Teil B
x Skripte sind Ereignisschemata für das Handeln in sozialen Situationen und beinhalten Wissen über den sequentiellen Ablauf von Ereignissen in Routinesituationen. x Stereotypen bewerten als Klassifikationsschemata Menschen, Objekte und Ereignisse. Diese können sich auf die eigene Person („Selbstschemata“), andere Personen („Personenschemata“) oder Personengruppen bzw. Typen beziehen. x Kausalschemata werden herangezogen, um Ursachen von Ereignissen zu erkennen, Wirkungszusammenhänge zu verstehen oder Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie kommen als Denkregelmäßigkeiten unabhängig von spezifischen Inhalten zur Anwendung. Den unterschiedlichen Klassen von Schemata werden gewisse gemeinsame Merkmale zugeschrieben:54 Sie weisen einen höheren Allgemeinheitsgrad als konkrete Ereignisse oder Informationen auf und definieren Beziehungen zwischen Variablen, die zeitlicher, räumlicher oder kausaler Art sein können. Bei der Aktivierung eines Schemas kann dieses trotz Ausfall eines Elements der objektiven Wirklichkeit tragfähig bleiben. Das Schema wird dann mit passenden Informationen im Sinne von „Standard-Werten“ gefüllt, die aus ähnlichen Situationen bekannt sind.55 Als abstrakte Repräsentationen vergangener Erfahrungen bilden Schemata so das akteursspezifische Wissen ab56 und können dabei auch unbewusst wirken.57 Auf Grund dieser Eigenschaften werden Schemata eine handlungsleitende Funktion zugesprochen: „[Schemata] guide and give meaning to behavior, suggesting implications of certain actions, making events meaningful in terms of what participants seek and seek to avoid, and enabling people to set goals and enact behaviors to achieve them.“58
53 54 55 56 57 58
„mental models“; vgl. Bartunek (1984), S. 355; Gioia/Manz (1985), S. 529; Markus/Zajonc (1985), S. 137ff.; Bartunek/Moch (1987), S. 484; Bless/Schwarz (2002), S. 259. Vgl. im Folgenden Gioia/Manz (1985), S. 529; Schwarz (1985), S. 272ff.; Fiske/Taylor (1991), S. 117ff.; Bless/Schwarz (2002), S. 260ff.; Fischer/Wiswede (2002), S. 187. Vgl. im Folgenden Schwarz (1985), S. 272ff.; Bartunek/Moch (1987), S. 484f.; Bless/Schwarz (2002), S. 263ff. Vgl. hierzu auch Anderson (2001), S. 156f. Vgl. Bless/Schwarz (2002), S. 260; Fischer/Wiswede (2002), S. 187. Vgl. Harris (1994), S. 315; Bach (2000), S. 57; Bless/Schwarz (2002), S. 258. Bartunek/Moch (1987), S. 485. Vgl. zur Verhaltenssteuerung durch Schemata auch Jelinek/Smircich/Hirsch (1983), S. 337; Gioia/Manz (1985), S. 529; Schwarz (1985), S. 283; Bless/Schwarz (2002), S. 269f.; Fischer/Wiswede (2002), S. 188.
Teil B
Konzeptionelle Basis
13
Obwohl die Erforschung von Schemata ursprünglich auf das Individuum ausgerichtet war, werden Schemata auch auf organisationaler Ebene verortet.59 Organisationale Schemata müssen dabei jedoch nicht von allen Akteuren eines Unternehmens geteilt werden. Vielmehr können Unterschiede zwischen Akteursgruppen bestehen: „All organization members may not share organizational schemas and the behavior they guide, especially when some subgroups in the organization feel that their interests are being slighted ... People in different groups …, functional areas …, or hierarchical or status level … often see what is apparently the same event very differently.“60 Veränderungen bzw. Informationen, die in etablierten Schemata nicht berücksichtigt werden können, bedingen eine Neuorientierung und kognitive Interpretationsleistung der beteiligten Akteure. Dabei zeigt sich eine grundsätzliche Beharrungstendenz von Schemata.61 Denn diese wirken bereits im Wahrnehmungsprozess als Filter: „Schemata … function as data reduction devices that enable individuals to grasp what would otherwise be an overwhelming flow of sensations. Because individuals can process only a limited amount of information at any given time …, schemata therefore guide people as they attend some aspects of their experience and, by implication, ignore others.“62 Die so gefilterten Wahrnehmungen werden darüber hinaus im nächsten Schritt zunächst mit den etablierten Schemata interpretiert: „[T]he stimuli gaining attention tend to be interpreted in relation to the individual’s current mental model … rather than seen as a signal of needed change.“63 Trotz dieser Tendenz, etablierte Schemata möglichst zu bestätigen, können sich diese im Zeitablauf auf Grund eigener oder der Übernahme fremder Erfahrungen entwickeln:64 „Once schemas are estab-
59 60 61 62
63 64
Vgl. Bartunek (1984), S. 355f.; Bartunek/Moch (1987), S. 485f.; Poole/Gioia/Gray (1989), S. 272f. Labianca/Gray/Brass (2000), S. 237. Vgl. Aronson/Wilson/Akert (2005), S. 67f. Bartunek/Moch (1987), S. 485. „[M]ental models determine what information will receive attention. … Managers thus can be expected to focus their attention on environmental changes that are most salient to, or offer support for, their current mental models.“ Barr/Stimpert/Huff (1992), S. 17. Vgl. auch Labianca/Gray/Brass (2000), S. 237. Barr/Stimpert/Huff (1992), S. 17. Ausgehend von Arbeiten Jean Piagets lassen sich bezüglich der kognitiven Entwicklung zwei grundlegende, ineinander greifende Prozesse unterscheiden: Assimilation und Akkommodation. Bei der Assimilation werden Informationen aus der Umwelt modifiziert, um sie an das vorhandene Wissen anzupassen – um eintreffende Informationen zu strukturieren wird auf vorhandene Schemata zurückgegriffen. Bei der Akkommodation werden hingegen vorhandene Schemata umstrukturiert oder modifiziert, um die neuen Informationen aufzunehmen; vgl. Piaget (1974), S. 337ff. Vgl. zur Veränderung von Schemata auch Bartunek/Moch (1987), S. 486ff.; Isabella (1990), S. 14ff.; Bless/Schwarz (2002), S. 272; Fischer/Wiswede (2002), S. 188; Zimbardo/Gerrig (2004), S. 452f.
Konzeptionelle Basis
14
Teil B
lished, they tend to endure and are resistant to change, even when disconforming information is presented … However, they can change over time …“65 Für die Analyse von Implementierungsprozessen ist neben der Betrachtung formaler Strukturen und Regeln (z.B. Controllinginstrumente) damit auch die Berücksichtigung informaler Regelen von hoher Relevanz. Auf Grund der Vielzahl von Veränderungen, die mit Implementierungsprozessen einhergehen können, verspricht die Berücksichtigung einer kognitiven Dimension hohes Erklärungspotential: „Because schemata have the potential either to constrain or guide change, change agents need to understand the role of schemata in particular change projects.“66 1.1.2
Strukturationstheorie: Interdependenz von Handeln und Struktur
Der Bezugsrahmen und die eingenommene Perspektive sollten darüber hinaus Interdependenzen zwischen Handlungen und formalen und informalen Strukturen einbeziehen. Denn Implementierungsprozesse sind nicht frei von Rückkopplungen zwischen dem Handeln der Akteure sowie den sie beeinflussenden geistigen Konstrukten und formalen Strukturen und Regeln (z.B. Controllinginstrumente). Daher sollte die eingenommene Perspektive berücksichtigen, dass die Handlungen von Akteuren von den sie umgebenden formalen und informalen Strukturen nicht einseitig geleitet werden, sondern dass Handeln und Struktur in Wechselwirkung stehen und sich im Zeitablauf gegenseitig beeinflussen. Diese Anforderung lässt sich aus strukturationstheoretischen Überlegungen und den davon geprägten Institutionalisierungsansätzen ableiten. Mit seiner Theorie der Strukturation versucht GIDDENs, die Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft bzw. individuellen Handlungen und sozialer Struktur zu beantworten.67 Sowohl die einseitige Betonung des Individuums, als auch die einseitige Betonung der Gesellschaft sind nach den Vorstellungen GIDDENs dafür unzureichend. Er verbindet vielmehr die scheinbaren Gegensätze objektivistischer und subjektivistischer Ansätze und nimmt an, dass Strukturen und Handlungen sich gegenseitig bedingen.68 Als „So-
65 66 67 68
Labianca/Gray/Brass (2000), S. 237. Bartunek/Moch (1987), S. 485 Vgl. Giddens (1997). Vgl. hierzu auch Becker (1996), S. 117f.; Walgenbach (2001), S. 355f.
Teil B
Konzeptionelle Basis
15
zialtheorie“ hat die Strukturationstheorie den Anspruch, Grundlagenwissenschaft für alle Sozialwissenschaften zu sein.69 Als Struktur bezeichnet GIDDENs dabei alle (impliziten und expliziten) Regeln und Ressourcen, die interaktive Beziehungen über Raum und Zeit stabilisieren.70 Diese existieren nur subjektiv – als „Erinnerungsspur“ der Akteure71 – und werden in sozialen Praktiken real.72 Soziale Praktiken beschreiben geordnete, regelhafte soziale Aktivitäten (Muster, Methoden, Prozeduren), die im Handeln verwirklicht werden und ebenfalls über Raum und Zeit stabil sind.73 Sie bilden die Grundlage für soziale Systeme, die nach GIDDENs durch geordnete und regelmäßig wiederkehrende Interdependenzbeziehungen zwischen Akteuren oder Gruppen von Akteuren gekennzeichnet sind. Diese Systeme gelten dann als integriert, wenn die Akteure fähig sind, ihr eigenes Handeln korrekt an das Handeln anderer Akteure anzuschließen, d.h. soziale Praktiken wechselseitig aufeinander bezogen sind.74 Struktur, als die „virtuelle Ordnung von Transformationen und Beziehungen in sozialen Systemen“,75 wird demnach nur im Handeln der Akteure manifest. Gleichzeitig beziehen sich Akteure in ihren sozialen Praktiken auf diese Strukturen – und reproduzieren sie dadurch, sowohl intendiert als auch unintendiert. Struktur ist damit die Bedingung sowie das Ergebnis sozialen Handelns, beide Elemente setzen sich wechselseitig voraus („Dualität von Struktur“):76 „In
69 70
71
72
73 74 75 76
Vgl. Giddens (1997), S. 25ff. Vgl. im Folgenden Giddens (1997), S. 67ff.; vgl. hierzu im Überblick auch Becker (1996), S. 117f.; Ortmann/Sydow/Windeler (1997), S. 317ff.; Walgenbach (2001), S. 356ff.; Becker (2003), S. 195ff. Im Einzelnen unterscheidet Giddens: x Regeln der Sinnkonstitution (Signifikation): Bedeutungszuweisungen zu Sacherverhalten x Regeln der Sanktionierung (Legitimation): Definition erlaubten Handelns x Autorative und allokative Ressourcen (Herrschaft): Fähigkeiten und Kapazitäten der Herrschaftsausübung und Verfügung über Personen oder Objekte Für diese wird angenommen, dass sie intentional sowie reflektiert handeln und über ein praktisches Wissen über sich, ihr Handeln sowie die sie umgebende Struktur verfügen. Dieses Wissen ist jedoch unvollständig; vgl. Giddens (1997), S. 55ff. „Struktur besitzt keine Existenz unabhängig von dem Wissen, das die Akteure von ihrem Alltagshandeln haben.“ Giddens (1997), S. 79. Struktur im Verständnis der Strukturationstheorie ist damit von der formalen Struktur einer Organisation zu differenzieren, die sich in dieser Perspektive als „kodifizierte Interpretation von Regeln“ auffassen lässt; Becker (2003), S. 205. Vgl. Giddens (1997), S. 68f. Vgl. Giddens (1997), S. 432. Becker (1996), S. 129. Vgl. Giddens (1997), S. 77ff. Ein bekanntes Beispiel ist das Erlernen einer Fremdsprache: Das Erlernen einer Fremdsprache erfolgt mit dem Ziel, diese möglichst korrekt zu sprechen. Folglich finden grammatikalische Regeln beim Sprechen Anwendung. Aus der Anwendung dieser Regeln folgt aber auch ein Beitrag zur Dauerhaftigkeit und Verbreitung dieser Fremdsprache: Die Struktur wird reproduziert.
16
Konzeptionelle Basis
Teil B
und durch ihre Handlungen reproduzieren die Handelnden die Bedingungen, die ihr Handeln ermöglichen.“77 Diese rekursive Reproduktion („Strukturation“78) schließt dabei auch die Möglichkeit von Veränderungen ein: wird verändertes Handeln von ausreichend Akteuren reproduziert, verändern sich die soziale Praktik und langfristig die Struktur: „[Die] Veränderung von Struktur lässt sich mit Hilfe der Unterscheidung von Handeln und Praxis beschreiben. Im aktuellen Handeln, in dessen Verlauf Praktiken angewandt und reproduziert werden, treten stets mehr oder weniger bedeutsame Abweichungen von der ‚regelgerechten’ (strukturadäquaten) Ausführung der Praktiken auf. Dabei ist es an dieser Stelle gleichgültig, ob diese Veränderung absichtlich oder unabsichtlich zustande kommt. Wird nun diese Veränderung oder Abweichung reproduziert, verändert sich die Praktik und damit langfristig auch der betroffene Aspekt von Struktur.“79 In der Implementierungsforschung wurden diese Gedanken insbesondere von Institutionalisierungsansätzen aufgenommen, die Wirkungszusammenhänge zwischen Handlungen, Routinebildung und Regelanwendung/-veränderung insbesondere im Hinblick auf deren Institutionalisierung und Veränderung analysieren.80 Institutionen werden dabei definiert als „shared taken-for-granted assumptions which identify categories of human actors and their appropriate activities and relationships. As such, institutions comprise the taken-for-granted assumptions which inform and shape the actions of individual actors. However, at the same time, these taken-for-granted assumptions are themselves the outcome of social actions, i.e. they are socially constructed.“81 Damit liegt den Institutionalisierungsansätzen eine ähnliche Vorstellung der „agencystructure relationship“82 wie GIDDENs Strukturationstheorie zu Grunde; im Gegensatz zu GIDDENs „Struktur“ haben Institutionen jedoch einen über Zeit stabileren Charak-
77 78 79
80 81 82
Giddens (1997), S. 52. Vgl. zur Verwendung des Begriffes „Strukturation“ an Stelle des in der deutschen Übersetzung gewählten Begriffes „Strukturierung“ Becker (1996), FN 22. Becker (1996), S. 133. „Nothing guarantees that they [structures] will keep being drawn on, and hence that they will continue to exist. A slow change from previous structures may occur as individuals attempt to cope with new situations and contexts through reflexive monitoring of available rules and resources, possibly thereby producing actions with unintended consequences.“ Ribeiro/Scapens (2006), S. 100. Vgl. Barley/Tolbert (1997); Burns/Scapens (2000); sowie für einen Überblick Scapens (2006), S. 21ff.; Ribeiro/Scapens (2006), S. 94ff. Burns/Scapens (2000), S. 8. Burns/Scapens (2000), S. 7.
Teil B
Konzeptionelle Basis
17
ter.83 Um Implementierungsprozesse analysieren zu können, legen die Institutionalisierungsansätze im Unterschied zur Strukturationstheorie außerdem eine Prozesssicht zu Grunde.84 Dabei stellen Regeln und Routinen die Verbindung zwischen der Ebene der Institutionen und der Handlungen her. In dieser Perspektive können Modifikationen von Regeln und Routinen durch Handlungsänderungen im Zeitverlauf zur Anpassung der Institutionen führen.85 Die Erklärungskraft einer solchen, strukturationstheoretisch inspirierten Perspektive, die die wechselseitige Beziehung von handlungsleitenden Elementen und Handlungen berücksichtigt, wurde anhand zahlreicher Fallstudien zu Implementierungsprojekten illustriert.86 Die wechselseitige Beziehung von Handlungen und Struktur sollte daher auch im Bezugsrahmen dieser Arbeit grundsätzlich einbezogen werden. 1.1.3
Konsistenztheorien: Einfluss kognitiver Dissonanz
Der im Weiteren genutzte Bezugsrahmen sowie die damit eingenommene Perspektive sollten letztlich Anpassungsprozesse zur Erreichung einer Konsistenz von Handlungen und Strukturen aufnehmen können. So sollte berücksichtigt werden, dass es im Rahmen von Implementierungsvorhaben zu unintendierten Prozessverläufen bis hin zum Scheitern des Einführungsprozesses kommen kann,87 wenn das einzuführende Instrument und die etablierten, handlungsleitenden Elemente keine hinreichende Kongruenz aufweisen.
83
84 85
86 87
„[F]or Giddens, [social] systems are not structures, but [social] systems have structures which are drawn upon in action. … [W]e defined an institution as a way of thought or action of some prevalence and permanence, which is embedded in the habits of a group or the customs of a people. That definition contains both [social] systems (thoughts and actions of some prevalence and permanence) and structure (embeddedness in habits and customs).“ Burns/Scapens (2000), S. 7f. Vgl. Archer (1995), S. 65; Burns/Scapens (2000), S. 8. „Rules and routines link … actions to the institutions. The rules and routines encode the institutions: i.e. they reflect the taken-for-granted assumptions of people in the organisation. Furthermore, it is the rules and routines, which shape the actions that people take. On an ongoing basis, the actions follow the rules and routines; although these actions may lead to changes in these rules and routines. In other words, there may be changes in the rules, and especially in the routines, as people adapt to new situations. So as the organisation moves through time, the rules and routines can be modified relatively quickly, as the actors repeatedly undertake their actions. But institutions, the taken-forgranted ways of thinking, tend to be much slower to change, as they are somewhat abstracted from day-to-day activity.“ Ribeiro/Scapens (2006), S. 15. Vgl. für einen Überblick Ribeiro/Scapens (2006), S. 95; Scapens (2006), S. 18ff. Vgl. hierzu z.B. Markus/Pfeffer (1983), S. 205f.; Innes/Mitchell (1995), S. 148f.; Shields (1995), S. 151f.; Roberts/Silvester (1996), S. 23; Malmi (1997), S. 460; Chenhall/Langfield-Smith (1998a), S. 2ff.; Anderson/Young (1999), S. 525; Otley (2003), S. 316; Baird/Harrison/Reeve (2004), S. 384.
18
Konzeptionelle Basis
Teil B
Diese Forderung lässt sich mit konsistenztheoretischen Erkenntnissen der Sozialpsychologie begründen. Diese postulieren ein menschliches Streben nach kognitiver Konsistenz. Das Streben nach einer guten Gestalt im Sinne einer konsistenten, stimmigen geistigen Ordnung zählt danach zu den wesentlichen kognitiven Organisationsleistungen von Akteuren.88 Konsistenztheoretische Arbeiten gehen auf Anregungen der Gestaltpsychologie zurück. Diese erforscht die Wahrnehmung von Menschen und nimmt an, dass die geistige Ordnung auf ein Höchstmaß an Ordnung und Einfachheit gerichtet ist.89 Die Vermeidung von Unstimmigkeiten – und damit verbunden Unsicherheit und Angst – gehört demnach zu den Grundbedürfnissen der Menschen.90 Die so inspirierten Konsistenztheorien teilen die Annahme, dass Menschen danach streben, kognitive Elemente miteinander in Einklang zu bringen („Konsistenzmotiv“).91 Als wichtige Konsistenztheorien lassen sich HEIDERs Balancetheorie92 oder NEWCOMBs Theorie der interpersonalen Symmetrie93 nennen. Als weitaus populärste Konsistenztheorie gilt jedoch die Theorie der kognitiven Dissonanz von FESTINGER.94 Kognitive Dissonanz ist danach ein Konfliktzustand, „den eine Person erlebt, nachdem sie eine Entscheidung getroffen hat, eine Handlung vorgenommen hat oder in Kontakt mit Informationen gekommen ist, die im Widerspruch zu ihren Überzeugungen, Gefühlen und Werten stehen.“95
88 89
90
91 92
93
94 95
Vgl. Schäffer (2001), S. 35f. Vgl. Metzger (1975), S. 3ff. Zur Geschichte der Gestaltpsychologie vgl. ausführlich Metzger (1986), S. 97ff.; Simonis (2001), S. 119ff. Nach dem Verständnis der Gestaltpsychologen fassen Menschen eine Erfahrung statt als Summe einfacher Teile als strukturiertes, organisiertes Ganzes (sog. Gestalt) auf: Die Erfahrung eines Gemäldes ist mehr als die Summe einzelner Farbtupfer; vgl. Zimbardo/Gerrig (2004), S. 11. Beispiele gestaltpsychologisch relevanter Phänomene im Bereich der optischen Wahrnehmung beinhalten die Wahrnehmung eines unvollständigen Kreises als Ganzes oder einer Ansammlung von Punkten als Form: Das Gehirn vervollständigt jeweils die fehlenden Teile. Vgl. im Folgenden auch Zimbardo/Gerrig (2004), S. 779ff.; Aronson/Wilson/Akert (2005), S. 166ff.; Gollwitzer/Schmitt (2006), S. 9ff. Nach Heider entwickelt der Mensch ein geordnetes, kohärentes Bild seiner Umgebung, das eine Tendenz zur Balance aufweist. In seinem P-O-X-Modell unterscheidet Heider die eigene Person (P), eine andere Person (O) und ein Objekt (X). Alle drei Elemente sind in einem Balance-Dreieck über Relationen miteinander verbunden, die positiv oder negativ sein können. Das Modell ist in Balance, wenn das Produkt der drei Relationen positiv ist. Ist dies nicht der Fall, ist P motiviert, durch Veränderung einer Relation eine Balance herzustellen; vgl. Heider (1946). Nach Newcomb muss der Mensch die drei widerstreitenden Anforderungssysteme der aktuellen Umgebung, der Beziehung zu anderen Menschen sowie der eigenen Bedürfnisse austarrieren. Dazu bedient sich der Mensch nach Newcomb verschiedener intra- und interinidividueller Adaptionen, die zur Symmetrie unter den genannten Anforderungssystemen führen; vgl. Newcomb (1968). Vgl. Festinger (1957). Zimbardo/Gerrig (2004), S. 780.
Teil B
Konzeptionelle Basis
19
FESTINGER nennt im Einzelnen vier Arten der Dissonanz:96 Logische Inkonsistenzen, Inkonsistenzen des eigenen Verhaltens mit kulturellen Normen, Inkonsistenzen zwischen einer Kognition und einer allgemeineren, umfassenderen Kognition sowie Inkonsistenzen zwischen vergangenen und neuen Erfahrungsbeständen. Derartige Dissonanzen stellen für den Akteur einen unangenehmen, kognitiven Ungleichgewichtszustand dar, der entweder verdrängt wird oder der den Akteur zu Handlungen veranlasst, die diesen unangenehmen Zustand beseitigen: „Just as hunger is motivating, cognitive dissonance is motivating. Cognitive dissonance will give rise to activity oriented toward reducing or eliminating the dissonance. Successful reduction of dissonance is rewarding in the same sense that eating when one is hungry is rewarding.“97 Diese motivierende Kraft der Dissonanz, die Akteure antreibt, etwas gegen das unangenehme Gefühl zu unternehmen, steigt mit der Stärke der Dissonanz.98 Dabei können ausgehend von kognitiven Ungleichgewichten sowohl Einstellungen als auch Verhalten verändert werden. So änderten beispielsweise Probanden in einem klassischen Experiment von FESTINGER/CARLSMITH unter der Bedingung starker Dissonanz im Nachhinein ihre Einstellungen, um ihr vorangegangenes Verhalten zu rechtfertigen.99 Im Rahmen der Weiterentwicklung der Theorie wurden FESTINGERs Erkenntnisse zum Teil relativiert bzw. konkretisiert.100 Insbesondere wurden die Aussagen auf nicht bestätigte Erwartungen bzw. nicht bestätigte Selbsteinschätzungen eingeschränkt. Demnach erzeugen nicht bestätigte Erwartungen Dissonanz, weil ein Akteur sich auf ein bestimmtes Ereignis psychologisch vorbereitet hat, das dann nicht eintritt. Je bedeutsamer diese Erwartung für den Akteur ist, desto intensiver ist die Dissonanz. Darüber hinaus erweisen sich nicht bestätigte Selbsteinschätzungen bzw. die Widerlegung von Erwartungen in Bezug auf die eigene Person als optimale Bedingung für Dissonanz: „[D]issonance is greatest and clearest when it involves not just any two cognitions but, rather, a cognition about the self and a piece of our behavior that violates that self concept.“101
96 97 98 99 100 101
Vgl. Festinger (1957), S. 14. Vgl. Festinger (1957), S. 3. Vgl. Festinger/Carlsmith (1959), S. 203ff.; Wood (2000), S. 546. Vgl. Festinger/Carlsmith (1959), S. 203ff. Vgl. im Folgenden Aronson (1992), S. 305f.; Aronson/Wilson/Akert (2005), S. 166ff.; Bierbrauer (2005), S. 101, 148. Aronson (1992), S. 305. Weiter heißt es: „Or, in shorthand terms, what leads me to perform dissonance-reducing behavior is my having done something that (a) astonishes me, (b) makes me feel stupid, or (c) makes me feel guilty.“
20
Konzeptionelle Basis
Teil B
Auch wenn FESTINGERs Theorie damit in bestimmten Bereichen relativiert wurde, ist das dysfunktionale Potential inkonsistenter geistiger Ordnungen weitgehend unbestritten. Dieser Gedanke lässt sich auch auf den Unternehmenskontext übertragen.102 Ein Implementierungsvorhaben kann vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse dann eine Ursache kognitiver Ungleichgewichtszustände darstellen; diese können Akteure zu Einstellungs- oder Verhaltensänderungen veranlassen, die den unangenehmen Zustand beseitigen und die handlungsleitenden Elemente wieder ins Gleichgewicht bringen.103 Neben Widerstand gegen eine Veränderungsinitiative,104 kann es so zu Anpassungsprozessen und unintendierten Prozessverläufen kommen: „Ein System aus widersprüchlichen kognitiven Elementen wird als unangenehm erlebt, ist instabil und strebt nach Veränderung.“105 Dabei wird jedoch auch eine mögliche positive Funktion von Spannungen auf Grund kognitiver Dissonanzen deutlich: Sie setzen Energien frei und können bei einem produktiven Einsatz auch zur Erreichung der gewünschten Zustände beitragen. 1.2
Bezugsrahmen zur Analyse der Implementierung und Nutzung von Controllinginstrumenten nach Schäffer/Zyder
Ein Bezugsrahmen, der diese Anforderungen berücksichtigt und im ControllingKontext bereits Anwendung gefunden hat, ist das Framework zur Analyse der Implementierung und Nutzung von Controllinginstrumenten von SCHÄFFER/ZYDER. Dieses basiert auf dem Akteursmodell von BACH ET AL., das Handlungen von und zwischen Akteuren unter Berücksichtigung der kognitiven Dimension analysiert. Um spezifisch die Nutzung und Implementierung von Führungs- und Controllinginstrumenten besser zu verstehen, integrieren SCHÄFFER/ZYDER darüber hinaus gehend strukturations- und konsistenztheoretische Erkenntnisse und modellieren eine handlungsleitende Ordnung. Die Perspektive von SCHÄFFER/ZYDER wurde in den Forschungspapieren KRON/PAR-
102
103
104 105
„[O]ther things being equal, the greater the total degree of congruence, or fit, among the various components, the more effective the organization will be. Put another way, the degree to which the strategy, work, people, structure, and culture are smoothly aligned will determine the organization’s ability to compete and succeed.“ Nadler/Tushman (1997), S. 34. Vgl. zur Betonung von Kongruenz auch Kaplan/Norton (1996a), S. 199ff.; Hope/Fraser (2003), S. 28. „If an organization embarks on a change project which is markedly out of step with the attitudes of those concerned, it will meet resistance unless the concerned change their attitudes; … where the level of dissonance occasioned by proposed changes is low, attitudinal adjustments will be minor and potential resistance negligible.“ Burnes/James (1995), S. 17. Vgl. Burnes/James (1995), S. 25f.; Jermias (2001), S. 155. Gollwitzer/Schmitt (2006), S. 10.
Teil B
Konzeptionelle Basis
21
VIS-TREVISANY/SCHÄFFER (2004) und SCHÄFFER/KRON/PARVIS-TREVISANY (2005) weiter präzisiert und bildet den Bezugsrahmen der Ableitung einer Typologie von Barrieren in Implementierungsprozessen in einem Beitrag von PARVIS-TREVISANY/ SCHÄFFER (2006).106
1.2.1
Akteursmodell von Bach et al. als Basis
Die vorzustellende Perspektive von SCHÄFFER/ZYDER baut auf dem Akteursmodell von BACH ET AL. auf.107 Modelle bzw. Modellierungen im Allgemeinen werden in vielen wissenschaftlichen Disziplinen als Mittel der Erkenntnisgewinnung eingesetzt. Sie erfüllen dabei unter anderen die Funktionen der übersichtlichen Darstellung, Systematisierung, bildhaften Verdeutlichung und Orientierung.108 Das Akteursmodell im Speziellen basiert auf der Betrachtung und Analyse ökonomischer Akteure, ihrer Eigenschaften und Handlungen. Das Modell zielt dabei darauf ab, unter Berücksichtigung der kognitiven Dimension die Elemente zu beschreiben, „die hinreichend sind, um Handlungen von und zwischen Akteuren in unterschiedlichen Strukturen verstehen und nachbilden [zu] können.“109 Im Akteursmodell wird dazu zunächst zwischen individuellen und korporativen ökonomischen Akteuren unterschieden. Individuelle ökonomische Akteure sind wirtschaftlich handelnde Individuen (natürliche Personen), für die nutzenmaximierendes Verhalten unterstellt wird.110 Korporative ökonomische Akteure setzen sich aus zwei oder
106
107
108 109
110
Vgl. im Folgenden auch ausführlich Kron/Parvis-Trevisany/Schäffer (2004), S. 2ff.; Schäffer/ Kron/Parvis-Trevisany (2005), S. 5ff.; Parvis-Trevisany (2006), S. 12ff.; Parvis-Trevisany/ Schäffer (2006), S. 69ff., sowie die dort angegebene Literatur zur Vertiefung. Die konzeptionelle Entwicklung des Akteursmodells geht auf das Forschungspapier von Weber/Brettel/Schäffer (1996) sowie die Dissertationen von Schäffer (1996); Brettel (1997); Grothe (1997) und Bach (1998) zurück. Die Erkenntnisse dieser Forschungsarbeiten wurden in Bach et al. (1998) und Bach et al. (2002) aggregiert. Auf dieser Basis wurde das Modell in weiteren Arbeiten weiterentwickelt und kritisch überprüft. Unter der speziellen Berücksichtigung der Anforderungen einer Modellierung von Implementierungsprozessen erfuhr das Akteursmodell eine Weiterentwicklung im Forschungspapier Schäffer/Kron/Parvis-Trevisany (2005). Vgl. Stachowiak (1973), S. 56ff. und 131f.; Boehme (1998), S. 252. Bach et al. (2002), S. 1. Die Entwicklung des Akteursmodells kann als „Bemühung um eine weitere – aber methodologisch reflektierte – Ausdifferenzierung in der betriebswissenschaftlichen Theoriebildung interpretiert werden: Nachdem bislang vor allem Anreizaspekte im Vordergrund standen, soll ein theoretischer Bezugsrahmen bereitgestellt werden, um in Zukunft zusätzlich die kognitive Dimension der menschlichen Akteure in den (ökonomischen) Analysen zu thematisieren. Neben dem begrenzten Wollen – gegenwärtig dominant durch das Instrument PrinzipalAgenten-Modelle vertreten – soll damit auch das begrenzte Können in die Analysen integriert werden.“ Meyer/Heine (2005), S. 2, Hervorhebungen im Original. Vgl. Bach et al. (2002), S. 3.
22
Konzeptionelle Basis
Teil B
mehr Akteuren zusammen, wobei die konstituierenden Akteure jeweils individuelle Akteure oder wiederum korporative Akteure sein können.111 Außenperspektivisch liegt ein korporativer Akteur vor, wenn einer Mehrheit von Akteuren eine eigene Identität zugeordnet werden kann.112 Den Akteuren werden im Akteursmodell bestimmte hinreichende, grundlegende Basiseigenschaften zugewiesen. Diese machen ihre Individualität aus und beeinflussen ihr Handeln. Als Basiseigenschaften werden die gewünschten Zustände von Akteuren (Wollen) und ihre individuellen Fähigkeiten (Können) differenziert: x Die gewünschten Zustände bestimmen die Richtung des Handelns von Akteuren; ihre Realisierung wird als Nutzen bezeichnet. Wenn verschiedene gewünschte Zustände konkurrieren, beschreiben die Präferenzen eines Akteurs die Ordnung gewünschter Zustände; die individuelle Präferenzstruktur eines Akteurs wird in seiner Nutzenfunktion abgebildet.113 x Die individuellen Fähigkeiten erschließen den potentiellen Handlungsraum eines Akteurs. Als Akteursfähigkeiten können die Lern-, Durchsetzungs- und Realisationsfähigkeit unterschieden werden.114 Die Lernfähigkeit beschreibt dabei die Fähigkeit des Akteurs, seinen Handlungsraum zu verändern; dazu bedient er sich der Antizipation und Kontrolle von Veränderungen im Handlungsraum. Als Lernfähigkeiten können weiter die Perzeptions-, Prognose- und Bewertungsfähigkeit differenziert werden.115 Die Durchsetzungsfähigkeit eines Akteurs bezeichnet die Fähigkeit, realisierende Akteure zur Übernahme der Antizipation des Akteurs zu bewegen. Unter Realisationsfähigkeit letztlich versteht man die Fähigkeit, Änderungen im Handlungsraum tatsächlich vornehmen zu können.
111
112 113
114 115
Sie bilden sich, wenn das Zusammenwirken der betrachteten Akteure jeweils zu einer Erhöhung des erwarteten Nutzens führen kann. Die Nutzenerhöhung kann sowohl durch das Zusammenwirken im Sinne von Kooperation (Verstärkung von Gemeinsamkeiten oder komplementäre Ergänzung von Unterschieden) als auch Konkurrenz erfolgen; vgl. Bach et al. (2002), S. 5ff. Vgl. Schäffer/Kron/Parvis-Trevisany (2005), S. 5. Vgl. zum Ordnungsverhältnis korporativer Akteure Schäffer (2001), S. 61; Bach et al. (2002), S. 5f. Es wird dabei unterstellt, dass gewünschte Zustände a priori unbegrenzt sind und dass ein einem höheren Realisierungsgrad entsprechender höherer Nutzen einem geringeren vorgezogen wird; vgl. Bach et al. (2002), S. 2f. Vgl. vertiefend Schäffer (2001), S. 7f.; Bach et al. (2002), S. 2. Die Perzeptionsfähigkeit beschreibt, in wie weit der Akteur relevante Aspekte der Umwelt oder seiner selbst wahrnehmen und einer weitergehenden Verarbeitung zuführen kann. Die Prognosefähigkeit bezeichnet die Fähigkeit, Änderungen im Handlungsraum vorherzusehen oder entsprechende, verlässliche Erwartungen zu bilden. Die Fähigkeit, relevante Zustände im Handlungsraum wertend zu vergleichen, wird Bewertungsfähigkeit genannt.
Teil B
Konzeptionelle Basis
23
Die beschriebenen Fähigkeiten sind qualitativ und quantitativ (Kapazität) beschränkt und bei jedem Akteur unterschiedlich ausgeprägt: Aus Sicht des Akteursmodells können Akteure damit nicht nur in ihrem Wollen (Opportunismus), sondern auch in ihrem Können (Fähigkeiten) begrenzt sein. So können die Beschränkungen ihrer kognitiven Fähigkeiten zu verzerrter Wahrnehmung, situationsbedingten Einschätzungen oder subjektiven Bewertungen führen. Während die – unbegrenzten – gewünschten Zustände die individuelle Zwecksetzung erschließen, stellen die Fähigkeiten eines Akteurs somit die – begrenzten – individuellen Mittel zur Zweckerreichung dar. Die beiden Elemente bilden damit die Basis für die Dynamik des Akteursmodells: Das tendenziell expansive Wollen und das eingeschränkte Können fördern die dynamische Fortentwicklung des Handelns von Akteuren im Zeitablauf. Dabei definieren Akteurseigenschaften nicht nur das Handlungspotential des Akteurs, sondern werden ihrerseits durch das Handeln des Akteurs über die Zeit beeinflusst. Neben den Akteuren und ihren Eigenschaften bilden Handlungen ein wesentliches Element des Akteursmodells. Handlungen sind definiert als produktive, potentiell zu einem gewünschten Ergebnis führende Faktorkombinationsprozesse eines Akteurs.116 Diese werden durch die Basiseigenschaften eines Akteurs beeinflusst: Gewünschte Zustände und Präferenzen (Wollen) motivieren den Akteur dazu, seine Nutzenposition durch Handlungen zu verbessern. Seine beschränkten Fähigkeiten (Können) schränken ihn dabei ein.117
116
117
Vgl. Weber/Brettel/Schäffer (1996), S. 8; Bach et al. (2002), S. 4. Auch für das Konstrukt des handelnden Akteurs lassen sich hinsichtlich der Ausprägung unterschiedliche Abstraktionsstufen differenzieren: So kann zwischen Handlungen individueller Akteure sowie Handlungen korporativer Akteure unterschieden werden; vgl. Schäffer/Kron/Parvis-Trevisany (2005), S. 13f. Nach Schäffer/Kron/Parvis-Trevisany können Handlungen nach Arten und Typen unterschieden werden. Drei Handlungsarten können differenziert werden; vgl. ausführlich Schäffer/Kron/ParvisTrevisany (2005), S. 13f., sowie zur Vertiefung die dort angegebene Literatur: x Ausführungshandlungen dienen der unmittelbaren Steigerung der Nutzenposition. Idealtypisch bestehen keine Freiheitsgrade und es wird genau das ausgeführt, was vorher festgelegt wurde. x Führungshandlungen werden realisiert, um optimale Ausführungshandlungen zu ermöglichen. Sie dienen so mittelbar der Nutzensteigerung des Akteurs und grenzen die Freiheitsgrade nachfolgender Handlungen ein. Als Handlungstypen können Willensbildung, (Willens-) Durchsetzung und Kontrolle unterschieden werden. x Metaführungshandlungen ermöglichen optimale Führungshandlungen, zielen dazu auf Veränderungen der handlungsleitenden Ordnung ab und dienen wiederum der mittelbaren Nutzensteigerung. Wiederum lassen sich die drei oben beschriebenen Handlungstypen unterscheiden.
Konzeptionelle Basis
24
1.2.2
Teil B
Handlungsleitende Ordnung nach Schäffer/Zyder
Über das Akteursmodell hinausgehend postulieren SCHÄFFER/ZYDER in einem Beitrag zum Beyond Budgeting, dass das Handeln von Akteuren nicht nur von ihren Basiseigenschaften geprägt ist. Um die Schwierigkeiten einer umfassenden Implementierung des Beyond Budgeting-Ansatzes zu verdeutlichen, modellieren SCHÄFFER/ZYDER zusätzlich die handlungsleitende Ordnung, die als Gesamtheit der internen Modelle aller relevanten individuellen und korporativen Akteure sowie der relevanten Führungsinstrumente bzw. externen Modelle beschrieben wird (vgl. Abbildung 2).118 Strukturationstheoretischen Erkenntnissen entsprechend beeinflusst die handlungsleitende Ordnung die Nutzung und Implementierung von Führungsinstrumenten, steht aber gleichzeitig mit dem Handeln der Akteure in Wechselwirkung und wird durch dieses im Zeitablauf verändert.
Handlungsleitende Ordnung
Interne Modelle korporativer Akteur
Externe Modelle
Dynamisches Fließgleichgewicht
Relevanter Kontext
Interne Modelle individueller Akteure
Handlungen
119
Abbildung 2: Handlungsleitende Ordnung und ihre Elemente
118
119
Vgl. Schäffer/Zyder (2003), S. 106. Vgl. im Weiteren auch die Präzisierungen und Anwendungen bei Kron/Parvis-Trevisany/Schäffer (2004), S. 2ff.; Schäffer/Kron/Parvis-Trevisany (2005), S. 8ff.; Parvis-Trevisany/Schäffer (2006), S. 73f. Modifiziert entnommen aus: Schäffer/Zyder (2003), S. 106. Vgl. auch Schäffer/Kron/ParvisTrevisany (2005), S. 8.
Teil B
1.2.2.1
Konzeptionelle Basis
25
Interne Modelle
Interne Modelle werden in der Perspektive von SCHÄFFER/ZYDER als Abstraktionen von Einzelumständen beschrieben, die eine Ordnung in der Menge der Wahrnehmungen zu schaffen versuchen.120 Interne Modelle dienen damit der Komplexitätsbewältigung und beinhalten für die jeweils relevanten Handlungen ein „Selbstbild“, d.h. Hypothesen über die Eigenschaftsausprägungen des Akteurs und deren Nebenbedingungen, sowie ein „Weltbild“, d.h. Hypothesen über die Eigenschaften der Umwelt. Diese Hypothesen umfassen neben Annahmen auch Einstellungen (als bewertete Annahmen) und Erwartungen (als Prognosen).121 Interne Modelle „bilden gewissermaßen die Brille, durch die wir blicken …“122 und lassen sich damit mit dem dargestellten Konstrukt des Schemas in der kognitiven Sozialpsychologie gleichsetzen. Entsprechend beeinflussen interne Modelle die Wahrnehmungs-, Prognose- und Bewertungsprozesse von Akteuren und setzen so den Rahmen für ihr Denken und Handeln.123 Als Aggregation hinreichend ähnlicher individueller Modelle bzw. als in hinreichendem Maße geteilte interne Modelle einer Gemeinschaft liegen interne Modelle auch auf korporativer Ebene vor, z.B. in Form kultureller Werte und Normen auf Bereichs- oder Unternehmensebene.124 Analog zu kognitionspsychologischen Erkenntnissen unterstellen SCHÄFFER/ZYDER, dass interne Modelle eine Beharrungstendenz aufweisen.125 Durch die Übernahme eigener oder fremder Erfahrungen können sie sich jedoch im Zeitablauf entwickeln. Darüber hinaus werden interne Modelle von internen und externen Zuständen126 sowie
120 121 122 123
124 125 126
Vgl. Schäffer/Zyder (2003), S. 106, sowie Schäffer/Kron/Parvis-Trevisany (2005), S. 8ff. Vgl. Labianca/Gray/Brass (2000), S. 237. Schäffer/Zyder (2003), S. 106. Als selektierende und standardisierende Ordnungsschemata dienen interne Modelle der Überwindung von Fähigkeitsbegrenzungen des Akteurs. Sie nehmen dafür aber die Gefahr irrtumgefährdeter Hypothesenbildung einerseits und Verallgemeinerung andererseits in Kauf. Vgl. Argyris/Schön (1978), S. 17; Kim (1993), S. 41. Vgl. hierzu auch Weber/Grothe/Schäffer (2001), S. 110f. Interne Zustände umfassen biophysische und emotionale Zustände des Akteurs. Externe Zustände dagegen beschreiben die Umweltkontingenzen der relevanten Situation. Neben der physischen Umwelt, der Ressourcenausstattung sowie bestehenden organisationalen Regeln und externen Modellen gehört dazu auch das Handeln anderer Akteure.
Konzeptionelle Basis
26
Teil B
externen Modellen127 beeinflusst. Dabei lassen sich drei grundlegende Veränderungskategorien unterscheiden:128 x Veränderung im Sinne einer Verstärkung interner Modelle: Verfestigung interner Modelle und Beibehaltung ihrer Individualität. x Veränderung im Sinne eines inkrementellen Wandels: Modifikation interner Modelle, aber Beibehaltung grundlegender Interpretationsmuster. x Veränderung im Sinne eines radikalen Wechsels: Grundsätzliche Revision interner Modelle und Veränderung ihrer Individualität. Eine solche Veränderung interner Modelle führt zu einer Veränderung der mentalen Strukturen und damit zu einer Veränderung der Wissensbasis des Akteurs, weil sowohl die abgespeicherten als auch die neu hinzukommenden Daten anders interpretiert werden. Die Veränderung interner Modelle lässt sich somit als Lernprozess verstehen. Dabei nimmt ein Akteur Veränderungen seiner Umwelt bzw. seiner handlungsleitenden Ordnung in Abhängigkeit seiner Lernfähigkeit und Präferenzen wahr, bewertet diese und gelangt zu einer Entscheidung über ein adäquates bzw. entsprechend der veränderten handlungsleitenden Ordnung konsistentes Verhalten. Bestehende Hypothesen werden verstärkt, abgeschwächt oder modifiziert. Der Akteur entwickelt so sein internes Modell mehr oder weniger stark weiter. In Verbindung mit ergänzenden Durchsetzungshandlungen und vollzogene Modelländerungen vorausgesetzt kommt es hiermit zu entsprechenden Verhaltensänderungen.129 1.2.2.2
Externe Modelle
Externe Modelle existieren im Gegensatz zu internen Modellen losgelöst vom individuellen Akteur und sind vollumfänglich explizierbar. Als externe Modelle werden „alle zu Führungszwecken ex ante explizierten Bündel genereller Regeln“130 definiert. Strukturen, Verfahren und Instrumente stellen nach diesem Verständnis externe Modelle dar. Sie beinhalten intersubjektiv nachprüfbare Annahmen über Umwelteigenschaften und -zusammenhänge, fokussieren auf einen relevanten Bereich und dienen
127 128
129
Zu externen Modellen vgl. den folgenden Abschnitt B1.2.2.2. Kommt es in den relevanten Ausschnitten bei einer kritischen Masse individueller Akteure zu hinreichend ähnlichen Modelländerungen, erfolgen darüber hinaus analoge interne Modelländerungen des relevanten korporativen Akteurs. Vgl. zu Lernen im engeren Sinne und Lernen im weiteren Sinne Schäffer (2001), S. 40.
Teil B
Konzeptionelle Basis
27
bestimmten Zwecken.131 Controllinginstrumente stellen demnach eine Form externer Modelle dar.132 Wie interne Modelle tragen externe Modelle zur Komplexitätsreduktion durch Standardisierung und Selektion bei.133 Externe Modelle unterstützen Akteure dadurch im Umgang mit der Umwelt. Akteure, die externe Modelle nutzen, können so unter Umständen ihre Lern-, Durchsetzungs- und Realisationsfähigkeiten verbessern. Wie interne Modelle wirken externe Modelle jedoch selektierend und können somit das Handeln von Akteuren beeinflussen. Bei der Nutzung externer Modelle sind daher die Prämissen des rationalen Modelleinsatzes zu beachten und zu prüfen, ob sich der Kontext und die bei der Entwicklung unterstellte Zielfunktion geändert haben.134 Sind diese dem Anwender nicht (mehr) bewusst, kann dies zu Anwendungsdysfunktionalitäten führen. Auch externe Modelle sind in der Perspektive von SCHÄFFER/ZYDER veränderbar. So werden externe Modelle vom Handeln individueller wie korporativer Akteure geprägt, die wiederum von internen und externen Zuständen sowie internen und externen Modellen beeinflusst sind. 1.2.2.3
Zusammenspiel der handlungsleitenden Elemente
Individuelle interne Modelle, korporative interne Modelle sowie externe Modelle bilden in dieser Perspektive die handlungsleitende Ordnung eines Akteurs. Das Zusammenspiel der Elemente ist dabei nach SCHÄFFER/ZYDER von zentraler Bedeutung. Konsistenztheoretischen Erkenntnissen entsprechend postulieren die Autoren, dass
130 131 132
133 134
Schäffer/Kron/Parvis-Trevisany (2005), S. 11. Vgl. für diese Ausdifferenzierung des von Schäffer/Zyder verwendeten Begriffs „Führungsinstrumente“ Schäffer/Kron/Parvis-Trevisany (2005), S. 11f. Nach der Definition von Schäffer/Steiners sind Controllinginstrumente „Hilfsmittel, die zu Zwecken des Controllings eingesetzt werden. Sie unterstützen die Generierung controllingrelevanter Informationen durch generelle Regelungen zur Transformation von Daten (Input) in Controllinginformationen (Output) und lassen sich als externe Modelle charakterisieren.“ Schäffer/Steiners (2005), S. 118. Controllinginstrumente werden nach dieser Definition von anderen Instrumenten nicht mittels einer instrumentenbezogenen, sondern einer nutzenzweckbasierten Auswahlentscheidung abgegrenzt. Ein Instrument ist danach nicht „qua status nascendi“ ein Controllinginstrument, sondern wird zu einem solchen durch die Nutzung für Zwecke des Controlling; vgl. Schäffer/Steiners (2005), S. 119. Externe Modelle können im Gegensatz zu subjektinternen von Dritten entwickelt und einer Vielzahl von Akteuren zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Vgl. Schäffer/Steiners (2003), S. 8.
28
Konzeptionelle Basis
Teil B
interne und externe Modelle über eine hinreichende Kongruenz verfügen müssen.135 Sie beziehen sich dabei explizit auf die Erkenntnisse der Gestalttheorie, nach denen Menschen nach einer konsistenten, stimmigen Ordnung streben, sowie die Erkenntnisse der Theorie der kognitiven Dissonanz von FESTINGER, nach der kognitive Ungleichgewichtszustände zu einer Verhaltensenergetisierung und -dirigierung in Richtung auf Eliminierung dieses unangenehmen Zustands führen können. Die Forderung einer hinreichenden Kongruenz aller handlungsleitenden Elemente zielt demnach auf die Vermeidung kognitiver Dissonanz ab. Dies erfordert eine derart abgestimmte handlungsleitende Ordnung, dass die von Akteuren getroffenen Entscheidungen, vollzogenen Handlungen oder wahrgenommenen Informationen im Einklang mit ihren internen Modellen – d.h. ihren Erfahrungen, Einstellungen oder Werten – stehen.136 Davon ausgehend, d.h. ein solches „Konsistenzstreben“ voraussetzend, beschreiben SCHÄFFER/ZYDER, dass Veränderungen innerhalb der handlungsleitenden Ordnung, z.B. durch das Einfügen eines neuen Controllinginstruments, als Reaktion so lange zu Veränderungsprozessen – potentiell aller handlungsleitenden Elemente – führen, bis sich ein einer neuer „eingeschwungener Zustand“ eingestellt hat. Temporär kann so ein statisches Gleichgewicht vorliegen; jedoch ist allgemein nach SCHÄFFER/ZYDER von der Existenz eines „dynamischen Fließgleichgewichts“ auszugehen. Dieses wird als wiederkehrender Gleichgewichtszustand aller Elemente der handlungsleitenden Ordnung charakterisiert, der sich in Folge von Anpassungsprozessen innerhalb der handlungsleitenden Ordnung ergibt. Dieser Gleichgewichtszustand unterliegt einer kontinuierlichen Niveauänderung.137
135 136 137
Vgl. Schäffer/Zyder (2003), S. 106, sowie ausführlich Schäffer/Kron/Parvis-Trevisany (2005), S. 16ff. Vgl. allgemein Zimbardo/Gerrig (2004), S. 780; Aronson/Wilson/Akert (2005), S. 166ff. Die Existenz des dynamischen Fließgleichgewichts und die damit verbundene Kongruenz der handlungsleitenden Elemente haben für Unternehmen vier Effektivitäts- und Effizienzvorteile; vgl. Weber/Grothe/Schäffer (2000), S. 243f.: x Durch die Konvergenz der relevanten Wahrnehmungs-, Prognose- und Bewertungsprozesse erleichtern gemeinsame interne Modelle individueller und korporativer Akteure die Kommunikation. x Abstimmungsprozesse gestalten sich einfacher und wirkungsvoller, da sie auf Basis geteilter interner Modelle – und der damit verbundenen geringeren Varianz der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen – erwartungskonformer ablaufen. x Geteilte interne Modelle haben hohe Integrationskraft, da sie die Gefahr „abdriftender“ Gruppen oder Akteure verringern. x Externe Modelle erlangen eine höhere Akzeptanz, wenn sie auf die vorhandenen internen Modelle abgestimmt sind.
Teil B
1.2.3
Konzeptionelle Basis
29
Barrieren im Prozess der Implementierung von Controllinginstrumenten
Im Rahmen der weiteren Erforschung von Implementierungsprozessen konstatieren PARVIS-TREVISANY/SCHÄFFER den Mangel einer Typologie von Barrieren im Prozess der Implementierung von Controllinginstrumenten, die nicht nur selektiv spezifische Barrieren herausgreift, sondern umfassend für potentielle Implementierungsbarrieren sensibilisiert.138 Sie leiten daher eine strukturierte Typologie aus dem vorgestellten Bezugsrahmen nach SCHÄFFER/ZYDER ab.139 Diese Typologie von Implementierungsbarrieren soll in den weiteren Analysen der vorliegenden Arbeit strukturierend zum Einsatz kommen und wird daher an dieser Stelle ebenfalls kurz erläutert. In ihrer Argumentation setzen PARVIS-TREVISANY/SCHÄFFER am Erfolg von Implementierungsprojekten an. Dieser kann nach KRON/SCHÄFFER/PARVIS-TREVISANY als Beitrag zum Unternehmenserfolg interpretiert werden.140 Er wird dann positiv, wenn der Implementierungsertrag den -aufwand übersteigt, d.h. die intendierte Verhaltensänderung mit einem möglichst geringen Kapazitätsaufwand erreicht wurde. Eine solche Verhaltensänderung wird jedoch annahmegemäß nur durch entsprechende Anpassungen der handlungsleitenden Ordnung erreicht. Nicht intendiertes Verhalten von Akteuren – und damit ein möglicherweise eingeschränkter Implementierungserfolg – kann damit auf Defizite vorgelagerter Modelländerungen in der handlungsleitenden Ordnung zurückgeführt werden. Die Ableitung potentieller Implementierungsbarrieren, die Aufschluss darüber geben, warum eine intendierte Verhaltensänderung nicht oder nur eingeschränkt erreicht wird, sollte sich daher an den Elementen der handlungsleitenden Ordnung orientieren. Ausgehend von dieser Argumentation unterscheiden PARVIS-TREVISANY/SCHÄFFER drei Barrieretypen:141
138
139 140 141
Vgl. Parvis-Trevisany (2006), S. 79f.: Zahlreiche relevante Beiträge in der Controllingliteratur fokussieren nur auf einzelne Problembereiche der Implementierung. Sie sensibilisieren zwar damit für die Vielfalt unterschiedlicher Faktoren, die Implementierungsprozesse negativ beeinflussen können. Das Spektrum möglicher Barrieren wird bei einer solchen Einzelbetrachtung jedoch nicht sichtbar. Einige Beiträge setzten sich dagegen mit mehreren Barrieretypen auseinander. Dabei findet sich jedoch nur ein Beitrag, der explizit auf die Bildung einer Barrierentypologie der Implementierung von Controllinginstrument abzielt; vgl. Kasurinen (2002), S. 336ff. Die übrigen Beiträge lassen sich als Barrierensystematiken im Sinne der Vorstufe einer Typologie klassifizieren, die mehrere Barrieretypen betrachten, andere jedoch – bewusst oder unbewusst – ausblenden; vgl. Markus/Pfeffer (1983); Argyris/Kaplan (1994); Malmi (1997); Granlund (2001). Vgl. im Folgenden Parvis-Trevisany/Schäffer (2006), S. 73ff. Vgl. Kron/Parvis-Trevisany/Schäffer (2004), S. 5ff. Vgl. ausführlich Parvis-Trevisany (2006), S. 92ff.
30
Konzeptionelle Basis
Teil B
x Individuelle interne Modellbarrieren liegen vor, wenn inadäquate interne Modelländerungen des individuellen Akteurs implementierungskonformes Verhalten behindern. Hierzu zählen konträre Ansichten, Einstellungen und Erwartungen. Die durch die Implementierung angestrebten internen Modelländerungen gelingen in diesem Fall nicht oder nicht ausreichend.142 Als ursächlich hierfür werden akteursspezifische Fähigkeitsbegrenzungen und abweichende Präferenzen vermutet. x Als korporative interne Modellbarrieren beschreibt die Barrierentypologie inadäquate interne Modelle auf der Ebene relevanter korporativer Akteure. Im Unternehmenskontext können unternehmenskulturelle Werte und Normen als übergeordnete Einheit sowie gruppenspezifische Werte und Normen als subkulturelle Ausprägung potentielle korporative interne Modellbarrieren darstellen. x Als letzter Barrieretyp werden externe Modellbarrieren unterschieden. Sie ergeben sich aus inadäquaten externen Modellen, die den Akteur in seiner Wahrnehmung, Prognose, Bewertung und damit seinem Handeln beeinflussen. Alle Verfahren, Prozesse, Instrumente und Strukturen wie z.B. Anreiz-, Planungs- und Kontrollsysteme oder formale organisationale Kompetenzzuweisungen können den Akteur potentiell in der intendierten Anwendung des neuen Controllinginstruments beeinträchtigen und damit externe Modellbarrieren darstellen. Der erste und letzte Barrieretyp kann dabei sowohl bei den zukünftigen Nutzern als auch bei den Implementierungsträgern vorliegen.143 Es lassen sich damit zwei Akteursrollen differenzieren: der von der Implementierung betroffene und der für die Implementierung verantwortliche Akteur. Hieraus ergibt sich die abschließende Barrierentypologie (vgl. Abbildung 3), die verdeutlicht, dass potentielle Barrieren individuelle, kollektive, strukturelle und prozessuale Elemente umfassen können.144
142
143
144
Als Beispiele für angestrebte interne Modelländerungen lassen sich strategie- und kundenorientiertes Verhalten durch Implementierung der BSC oder kostenträgerbewusstes und prozessoptimierendes Handeln durch Einführung von Prozesskostenrechnungs- bzw. ABC-Systemen nennen. Korporative interne Modellbarrieren bedürfen keiner rollenspezifischen Differenzierung, da unternehmenskulturelle und gruppenspezifische Werte und Normen Implementierungsnutzer und träger in ähnlicher Weise beeinflussen. Es wird gezeigt, dass die Typologie alle in der Literatur diskutierten Implementierungsbarrieren integriert; vgl. Parvis-Trevisany/Schäffer (2006), S. 76.
Teil B
Konzeptionelle Basis
31 Beispiele:
Externe Modellbarrieren Anwendungsebene = Implementierungsbetroffener Akteur
Individuelle interne Modellbarrieren
• Ungenügende Anpassung von Anreizsystemen • Existenz von Parallelprozessen
Fähigkeitsdiff.
Präferenzdiff.
Korporative interne Modellbarrieren
Implementierungsinitiierender Akteur = Projektsteuerung
Individuelle interne Modellbarrieren
Externe Modellbarrieren
• Selektive Wahrnehmung • Fehlurteile • Mangelnde Fertigkeiten • Ängste (Verlust Status Quo, Unsicherheit, Überforderung) • Bedrohung Machtposition, Privilegien • Unternehmenskulturelle Einflüsse • Beeinflussung durch mächtige Opponenten
Fähigkeitsdiff.
• Perspective Bias: Fehleinschätzung der Situation • Mangelnde Durchsetzungsfähigkeit (bspw. Kommunikationsvermögen; Führungspotential)
Präferenzdiff.
• Kannibalisierende Aktivitäten/mangelnde Priorisierung • Mangelnde Ressourcenausstattung • Mangelndes Projektmanagement (Planung/Steuerung/Kontrolle) • Mangelnde Anreizgestaltung
145
Abbildung 3: Barrierentypologie
1.3
Beurteilung des Bezugsrahmens
Wie dargestellt erfüllt das Framework zur Analyse der Implementierung und Nutzung von Controllinginstrumenten von SCHÄFFER/ZYDER die geforderte Bezugnahme auf kognitionspsychologische-, strukturations- und konsistenztheoretische Erkenntnisse. So berücksichtigt das vorgestellte Framework, dass neben formalen Strukturen (externe Modelle, z.B. Controllinginstrumente) auch informale Strukturen (interne Modelle) das Denken und Handeln von Akteuren in Unternehmen beeinflussen. Gleichzeitig ermöglicht es der Bezugsrahmen, auch den rekursiven Einfluss von Handeln und Struktur (handlungsleitende Ordnung) zu betrachten. Schließlich wird – in Übereinstimmung mit konsistenztheoretischen Erkenntnissen – die Kongruenz aller handlungsleitenden Elemente postuliert und auf die Verhaltenswirkung kognitiver Ungleichgewichtszustände hingewiesen: „Das Einfügen neuer Instrumente kann nicht losgelöst von der handlungsleitenden Ordnung betrachtet werden. Organisatorische
145
Erweitert entnommen aus Parvis-Trevisany/Schäffer (2006), S. 75.
32
Konzeptionelle Basis
Teil B
Regeln, die internen Modelle der beteiligten Akteure und Führungsinstrumente müssen – im Sinne eines dynamischen Fließgleichgewichts – aufeinander abgestimmt sein.“146 Die vorgestellte Perspektive geht durch die Berücksichtigung aller drei gestellten Anforderungen über alternative Ansätze zur Analyse von Wandel- und Veränderungsprozessen hinaus. So versuchen individualistisch geprägte Ansätze, Veränderungsprozesse (allein) durch Entscheidungsfindung, Lernprozesse und Verhalten einzelner Individuen zu erklären.147 Institutionalistisch geprägte Ansätze dagegen befassen sich mit der Analyse der Wirkungszusammenhänge zwischen Handlungen und Strukturbildungen sowie deren Veränderungen und widmen sich der Bildung von Institutionen, kulturellen Werten und Normen sowie der Analyse von Kollektivverhalten. Dabei werden kognitionstheoretische Erkenntnisse jedoch nicht berücksichtigt.148 Das Framework zur Analyse der Implementierung und Nutzung von Controllinginstrumenten von SCHÄFFER/ZYDER kann allerdings lediglich als heuristischer Bezugsrahmen verwendet werden. Das Akteursmodell und das darauf aufbauende Framework von SCHÄFFER/ZYDER versuchen, soziale Phänomene – hier: die Implementierung und Nutzung von Controllinginstrumenten – ausgehend von Interaktionen von Akteuren zu erklären. Darin lässt sich ein methodologisch-individualistisches Theorieverständnis erkennen. Dabei handelt es sich um eine Forschungsanweisung, gemäß der „alle sozialen Phänomene, insbesondere das Funktionieren der sozialen Institutionen, immer als das Resultat der Entscheidungen, Handlungen, Entwicklungen menschlicher Individuen verstanden werden sollten.“149 In der Analyse werden Phänomene damit grundsätzlich auf handelnde Individuen zurückgeführt, d.h. die resultierenden Erklärungen sind mikrofundiert.150 So gebildete Handlungstheorien ermöglichen, Handlungen der Akteure abzuleiten, die sich zu Makrophänomenen aggregieren lassen. Das hier vorgestellte Framework kann dabei allerdings lediglich einen Rahmen für eine solche mikrofundierte Handlungstheorie darstellen. Denn die im zu Grunde liegenden Akteursmodell „getroffenen Annahmen [erscheinen] zu unspezifisch. Die Nennung relevanter Fähigkeiten reicht alleine nicht aus, um in gegebenen Situationen Entscheidungen und folgende Handlungen abzuleiten. Es werden zudem keine Anhalts-
146 147 148 149 150
Schäffer/Zyder (2003), S. 107. Vgl. u.a. Louis (1980); Krüger (1994); Gaßner (1999). Vgl. z.B. Barley/Tolbert (1997); Burns/Scapens (2000). Popper (2000), S. 348. Vgl. ausführlich Meyer (2005), S. 2ff.
Teil B
Konzeptionelle Basis
33
punkte gegeben, wie die Handlungen der Akteure zusammenwirken. Sowohl zur Konkretisierung der Handlungstheorie, als auch zur Spezifikation der Aggregation von der Mikro- auf die Makroebene werden daher zusätzliche Annahmen benötigt ...“151 Auch im auf dem Akteursmodell basierenden Framework von SCHÄFFER/ZYDER werden die Elemente der handlungsleitenden Ordnung sowie ihr Zusammenspiel nicht ausreichend spezifiziert, um konkrete Handlungen der Akteure abzuleiten. Die zu Grunde liegende Heuristik, bei der Analyse der Implementierung und Nutzung von Controllinginstrumenten kognitionspsychologische, strukturations- und konsistenztheoretische Erkenntnisse zu berücksichtigen, macht die vorgestellte Perspektive von SCHÄFFER/ZYDER als Strukturierungsrahmen der folgenden Untersuchungen aber dennoch wertvoll.
2.
Konzept der BSC
Nach der Erläuterung des gewählten Bezugsrahmens wird zur Vervollständigung der konzeptionellen Basis in diesem Abschnitt das in dieser Arbeit untersuchte Implementierungsobjekt kurz vorgestellt. Die BSC lässt sich als Instrument zur kennzahlenbasierten Unternehmenssteuerung charakterisieren, das ein ausgewogenes Verhältnis von finanziellen und nicht-finanziellen Kennzahlen sowie eine konsequente Strategieorientierung betont. Als Instrument, das im Rahmen der Unternehmenssteuerung genutzt wird und dabei auf Kennzahlen zurückgreift, kann die BSC als Controllinginstrument charakterisiert werden.152 Das Instrument hat in den letzten 15 Jahren hohe Aufmerksamkeit in der betriebswirtschaftlichen Forschung erfahren: „BSC … has gained enormous prominence in mainstream management accounting research.“153 So stellt die BSC neben der wertorientierten Unternehmenssteuerung um die Jahrtausendwende das dominierende Controllinginstrument in wissenschaftlichen Zeitschriften im deutschen Sprachraum dar
151 152 153
Heine et al. (2006), S. 64. Zum Verständnis der BSC als Controllinginstrument vgl. auch Berens/Karlowitsch/Mertes (2000), S. 23; Horváth (2001), S. 55; Lingnau/Henseler/Jonen (2004), S. 1. Lawrence/Sharma (2002), S. 668. Vgl. auch Hepworth (1998) S. 559; Hoque/James (2000), S. 1; Kieser (2000), S. 123; Weber (2000), S. 5; Gleich (2001), S. 52; Malmi (2001), S. 207f.; Nørreklit (2003), S. 591; Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 361; Bourguignon/Malleret/Nørreklit (2004), S. 107; Wallenburg/Weber (2006), S. 245.
Konzeptionelle Basis
34
Teil B
(vgl. Abbildung 4).154 Auch in der Unternehmenspraxis ist die BSC auf großes Interesse gestoßen, wie die hohe Zahl von Seminaren, Beratungsprojekten und Aufsätzen in populären Managementzeitschriften zeigt.155 Trotz dieser hohen Anzahl von bereits veröffentlichten Arbeiten erscheint die Untersuchung von BSC-Anwendung weiterhin wertvoll. So streben zum einen bislang nur vergleichsweise wenige Arbeiten ein fundiertes Verständnis der Implementierung der BSC an; ein Großteil der Arbeiten kann vielmehr als Wiedergabe erfolgreicher Praxisbeispiele charakterisiert werden („anecdotal evidence“).156 Zum anderen hat sich der „hype“157 um die BSC gelegt und das Instrument befindet sich in vielen Unternehmen seit mehreren Jahren im Praxiseinsatz. Die Untersuchung des BSC-Implementierungsstands gerade zum jetzigen Zeitpunkt verspricht vor dem Hintergrund dieser mehrjährigen, differenzierten Anwendungserfahrungen besonders wertvolle Erkenntnisse.
Balanced Scorecard
25% 20%
Praxis
15% 10% 5% Wissenschaft
0% 1995
1997
1999
2001
2003 158
Abbildung 4: Publikationen zur BSC in deutschsprachigen Controllingzeitschriften
Ausgehend von Motivation und Ausgangspunkt der BSC-Entwicklung wird im Folgenden zunächst kurz das Konzept der BSC erläutert sowie seine Entwicklungsstufen in der Literatur beschrieben.
154 155 156 157 158
Vgl. Binder/Schäffer (2005), S. 611. Vgl. zur Anzahl der Veröffentlichungen zur BSC in praxisorientierten und wissenschaftlichen Zeitschriften auch Zühlke (2007), S. 166f. Vgl. Kieser (2000), S. 123; Malmi (2001), S. 207; Binder/Schäffer (2005), S. 611. Vgl. Bischof (2002), S. 2; Chenhall (2005), S. 396. Malina/Selto (2001), S. 74. Entnommen aus Binder/Schäffer (2005), S. 611. Die Untersuchung beruht auf einer Analyse von 2.529 Controllingbeiträgen, die im Zeitraum von 1970 bis 2003 in sechs führenden wissenschaftlichen und vier praxisnahen Zeitschriften im deutschen Sprachraum veröffentlicht wurden.
Teil B
2.1
Konzeptionelle Basis
35
Kritik an traditionellen Kennzahlensystemen als Ausgangspunkt
Die BSC entstand im Rahmen eines umfangreichen Forschungsprojekts zum Thema „Measuring Performance in the Organization of the Future“, das ROBERT S. KAPLAN und DAVID P. NORTON im Jahr 1990 mit zwölf amerikanischen Unternehmen durchgeführt haben.159 Die Motivation zu diesem Projekt lag in der damaligen Unzufriedenheit mit den vorhandenen Ansätzen zur Unternehmenssteuerung begründet, denen einseitige Finanz- und Vergangenheitsorientierung vorgeworfen wurde.160 Die traditionellen Steuerungsgrößen erlaubten – so die gängige Kritik – nur unzureichend, Aussagen über die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens abzuleiten, und verleiteten darüber hinaus zu kurzfristiger Optimierung zu Lasten strategischer Investitionen, insbesondere in immaterielle Vermögenswerte.161 Die Verwendung allein finanzieller Erfolgsgrößen des (externen) Rechnungswesens als Steuerungsgrößen wurde als „at best obsolete – and more often harmful”162 dargestellt: „Today’s management accounting information, driven by the procedures and cycle of the organization’s financial reporting system, is too late, too aggregated, and too distorted to be relevant for managers’ planning and control decisions.”163 Vor diesem Hintergrund war es das Ziel des Forschungsprojekts von KAPLAN/ NORTON, die vorhandenen Kennzahlensysteme den gestiegenen Anforderungen der Unternehmen anzupassen: „The traditional financial performance measures worked well for the industrial era, but they are out of step with the skills and competencies companies are trying to master today.”164 Der Öffentlichkeit wurde das Konzept erst-
159
160 161 162 163
164
Für eine Darstellung der Entwicklung der BSC als Beispiel des „Innovation Action Research“ vgl. Kaplan (1998), insbesondere S. 99-109. Vgl. zur Enstehungsgeschichte der BSC auch Bible/Kerr/Zanini (2006), S. 18f. Vgl. Ittner/Larcker (1998), S. 205. Vgl. z.B. Eccles (1991), S. 132; Kaplan/Norton (1992), S. 71; Maisel (1992), S. 47ff.; Speckbacher/Bischof (2000), S. 796ff.; Kaplan/Norton (2001a), S. 66f. Eccles (1991), S. 132. Johnson/Kaplan (1987), S. 1. Weiter heißt es: „Today’s management accounting systems provide a misleading target for managerial attention and fail to provide the relevant set of measures that appropriately reflect the technology, the products, the processes, and the competitive environment in which the organization operates. Originally designed earlier in this century to help coordinate the diverse activities of emerging vertically integrated enterprises, financial measures such as return on investment (ROI) have become for many organizations the only measure of success. Financial managers, relying exclusively on periodic financial statements for their view of the firm, become isolated from the real value-creating operations of the organization and fail to recognize when the accounting numbers are no longer providing relevant or appropriate measures of the organization’s operations.” Johnson/Kaplan (1987), S. 3. Kaplan/Norton (1992), S. 71.
36
Konzeptionelle Basis
Teil B
mals 1992 in einem Beitrag in der Zeitschrift Harvard Business Review vorgestellt. KAPLAN/NORTON präsentierten darin die BSC als Antwort auf die diskutierten Probleme der bekannten Unternehmenssteuerungsansätze.165 Entgegen traditionellen Kennzahlensystemen nimmt die BSC einen die gesamte Wertschöpfungskette umfassenden Blick auf das Unternehmen ein. Die traditionelle finanzielle Perspektive auf das Unternehmen wird um eine Kunden-, eine Prozess- und eine Lern- und Entwicklungsperspektive ergänzt. Als Kennzahlen treten innerhalb dieser vier Perspektiven vorlaufende Leistungstreiber neben finanzielle Ergebnisgrößen. Durch die ausgewogene Zusammenstellung finanzieller und nicht-finanzieller Kennzahlen, kurz- und langfristiger Ziele, Früh- und Spätindikatoren sowie interner und externer Leistungsperspektiven erfüllte die BSC die Forderung nach einer Ergänzung der traditionell monetären Steuerungsgrößen. Die Idee der Berücksichtigung nicht-monetärer Kennzahlen war dabei keinesfalls neu.166 In der Unternehmenspraxis wurden bereits Anfang der 1990er Jahre Kennzahlen wie Qualitätsraten, Kundenzufriedenheit oder Marktanteile erhoben.167 Innovativ erschien hingegen „to encourage the systematic measurement of these quantities, and to link all these measures in a coherent system.”168 Zwar war in Frankreich mit dem „Tableau de Bord“ bereits in den 1950er und 1960er Jahren ein der BSC vergleichbarer Vorschlag entstanden,169 der dort bis heute weit verbreitet ist.170 Dieser Ansatz fand jedoch erst im Zusammenhang mit der Diskussion um die BSC Eingang in die internationale Literatur.171
165 166
167 168 169
170
171
Vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 71ff. So formuliert beispielsweise auch Eccles: „They [senior executives] have recognized that new strategies and competitive realities demand new measurement systems. … At the heart of this revolution lies a radical decision: to shift from treating financial figures as the foundation for performance measurement to treating them as one among a broader set of measures.” Eccles (1991), S. 131. Vgl. für einen Überblick früherer Forderungen der Berücksichtigung nicht-monetärer Kennzahlen Eccles/Nohria (1992), S. 156ff. sowie Weber/Schäffer (1998), S. 347f. Vgl. Bontis et al. (1999), S. 396. Bontis et al. (1999), S. 396, Hervorhebung im Original. Vgl. zum Tableau de Bord z.B. Lebas (1994), S. 471ff.; vgl. zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Tableau de Bord und BSC auch Epstein/Manzoni (1998), S. 191ff.; Bourguignon/Malleret/Nørreklit (2004), S. 116ff.; Bessire/Baker (2005), S. 649ff. Eine Studie zeigt die starke Verwurzelung des Tableau de Bord in Frankreich: So konnte eine Anwendungsrate von 100% festgestellt werden, während die BSC nur von 3% der befragten Unternehmen eingesetzt wird; vgl. Horváth et al. (2001), S. 94ff.; Gehrke/Horváth (2002), S. 162f. Vgl. Bontis et al. (1999), S. 396.
Teil B
2.2
Konzeptionelle Basis
37
Vom Kennzahlen- zum strategischen Managementsystem
Die BSC wurde ursprünglich als innovatives Kennzahlensystem konzipiert. In den ersten Veröffentlichungen von KAPLAN/NORTON steht daher das Kennzahlensystem im Mittelpunkt.172 In den folgenden Veröffentlichungen wird die BSC jedoch zu einem strategischen Managementsystem zur Umsetzung von Strategien weiterentwickelt und entsprechend dargestellt:173 „[S]chon bald zeigte sich, das [!] die Balanced Scorecard mehr kann: Bei entsprechender Auswahl der Ziele und Messgrößen verdeutlicht sie die strategische Stoßrichtung der Organisation und macht diese zugleich einer Messung zugänglich. … Bei richtiger Auswahl und Operationalisierung der Ziele kann die Haltung der Organisationsmitglieder mit den strategischen Anforderungen in Einklang gebracht werden.“174 Im Folgenden sollen die zwei wesentlichen Evolutionsstufen des Konzepts kurz dargestellt werden.175 2.2.1
BSC als Kennzahlensystem
KAPLAN/NORTON beschreiben die BSC in ihrem ersten Beitrag als „set of measures that gives top managers a fast but comprehensive view of the business. The balanced scorecard includes financial measures that tell the results of actions already taken. And it complements the financial measures with operational measures on customer satisfaction, internal processes, and the organization’s innovation and improvement activities – operational measures that are the drivers of future financial performance.“176 Ausgehend von der Strategie des Unternehmens werden dazu in einer BSC die traditionellen finanziellen Kennzahlen durch eine Reihe weiterer Perspektiven – in der Regel eine
172 173
174 175
176
Vgl. Kaplan/Norton (1992): „The Balanced Scorecard - Measures that Drive Performance”; Kaplan/Norton (1993): „Putting the Balanced Scorecard to Work”. Vgl. Kaplan/Norton (1996a): „The Balanced Scorecard: Translating Strategy into Action”; Kaplan/Norton (1996b): „Linking the Balanced Scorecard to Strategy”; Kaplan/Norton (1996c): „Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System”; Kaplan/Norton (2001a): „The Strategy Focused Organization”; Kaplan/Norton (2001b) und Kaplan/Norton (2001c): „Transforming the Balanced Scorecard from Performance Measurement to Strategic Management”. Horváth&Partners (2004a), S. 2. Vgl. für eine Darstellung der Entwicklungsstufen auch z.B. Ahn (2003), S. 120f.; Speckbacher/ Bischof/Pfeiffer (2003), S. 363ff.; Lawrie/Cobbold (2004), S. 612ff.; Bible/Kerr/ Zanini (2006), S. 18ff. Kaplan/Norton (1992), S. 71.
Konzeptionelle Basis
38
Teil B
Kunden-, eine interne Prozess- sowie eine Lern- und Entwicklungsperspektive – ergänzt (vgl. Abbildung 5):177
Zie le Ke nn za hle Vo n rg a be n Ma ßn ah me n
Finanziell Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben?
Zie le Ke nn za hle Vo n r ga be n Ma ßn ah me n
Vision und Strategie
Zie le Ke nn za hle Vo n rg a be n Ma ßn ah me n
Interne Geschäftsprozesse
Kunde Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen?
In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die Besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen?
Zie le Ke nn za hle Vo n rg a be n Ma ßn ahm en
Lernen und Entwicklung Wie können wir unsere Veränderungsund Wachstumspotentiale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen?
178
Abbildung 5: Perspektiven der BSC
x Die finanzielle Perspektive zeigt, ob die Umsetzung der Unternehmensstrategie zur Ergebnisverbesserung beiträgt. Kennzahlen der finanziellen Perspektive sind z.B. die erzielte Eigenkapitalrendite bzw. Economic Value Added (EVA). Die finanziellen Kennzahlen nehmen dabei eine Doppelrolle ein. Zum einen definieren sie die finanzielle Leistung, die von einer Strategie erwartet wird. Zum anderen fungieren sie als Endziele für die anderen Perspektiven der BSC: Kennzahlen der
177 178
Vgl. im Folgenden Kaplan/Norton (1992), S. 73ff.; vgl. auch Kaplan/Norton (1996a), S. 47ff. Übersetzt entnommen aus Kaplan/Norton 1996, S. 9. In den ersten beiden Beiträgen fehlt in der graphischen Darstellungen des Konzepts noch der Verweis auf „Vision und Strategie” im Zentrum der BSC sowie auf „Vorgaben” und „Maßnahmen” innerhalb der Perspektiven; vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 72; Kaplan/Norton (1993), S. 136.
Teil B
Konzeptionelle Basis
39
Kunden-, internen Prozess- sowie Lern- und Entwicklungsperspektive sollen möglichst in Verbindung mit den finanziellen Zielen stehen.179 x Die Kundenperspektive reflektiert die strategischen Ziele des Unternehmens in Bezug auf die Kunden- und Marktsegmente, in denen es konkurrieren möchte. x Aufgabe der internen Prozessperspektive ist es, diejenigen Prozesse abzubilden, die vornehmlich von Bedeutung sind, um die Ziele der finanziellen Perspektive und der Kundenperspektive zu erreichen. x Die Kennzahlen der Lern- und Entwicklungsperspektive beschreiben schließlich die Infrastruktur, die notwendig ist, um die Ziele der ersten drei Perspektiven zu erreichen. Durch die Ergänzung finanzieller Kennzahlen um weitere Perspektiven werden traditionelle Ergebniskennzahlen um vorlaufende Indikatoren, wie beispielsweise Durchlaufzeiten oder Fehlerquoten, ergänzt. Diese werden auch als Leistungstreiber bezeichnet. Eine gute Scorecard sollte aus einer Mischung von Ergebniszahlen und Leistungstreibern bestehen:180 x Ergebniskennzahlen ohne Leistungstreiber vermitteln nicht, wie die Ergebnisse erreicht werden sollen. Auch erhält man von ihnen keine frühe Rückmeldung über die erfolgreiche Umsetzung einer Strategie. x Umgekehrt ermöglichen Leistungstreiber ohne Ergebniskennzahlen zwar die Erreichung kurzfristiger Verbesserungen für die Geschäftseinheit, lassen aber nicht erkennen, ob diese Verbesserungen auch zu einem größeren Geschäftsvolumen mit alten und neuen Kunden sowie gegebenenfalls zu einer verbesserten Finanzleistung geführt haben. Die BSC wird somit als strukturierte, ausgewogene Sammlung von Kennzahlen präsentiert, die die zentralen Herausforderungen des Unternehmens abbildet: „[T]he scorecard brings together, in a single management report, many of the seemingly disparate
179
180
„Ideally, companies should specify how improvements in quality, cycle time, quoted lead times, delivery, and new product introduction will lead to higher market share, operating margins, and asset turnover or to reduced operating expenses. The challenge is to learn how to make such explicit linkage between operations and finance.“ Kaplan/Norton (1992), S. 79. Die explizite Erwähnung von Ursache-Wirkungsketten erfolgt erstmal Kaplan/Norton (1996c), S. 84. Vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 77ff.; vgl. auch Kaplan/Norton (1996a), S. 150.
Konzeptionelle Basis
40
Teil B
elements of a company’s competitive agenda …“181 Dabei betonen KAPLAN/NORTON, dass das vorgestellte Modell als „template“, nicht als „straitjacket“182 dienen soll: Die Anzahl und Benennung der Perspektiven sowie die Auswahl der Kennzahlen innerhalb der BSC sollen demnach an die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens angepasst werden.183 Wie andere und/oder zusätzliche Perspektiven im Rahmen ihrer Argumentation aufgenommen werden können, diskutieren KAPLAN/NORTON jedoch nicht.184 2.2.2
BSC als strategisches Managementsystem
Ausgehend von ihren Beobachtungen in der Praxis wird die BSC in den folgenden Publikationen von KAPLAN/NORTON nicht länger nur als ein strukturiertes, ausgewogenes Kennzahlensystem dargestellt. Als strategisches Managementsystem soll das Konzept vielmehr Bindeglied zwischen der Entwicklung einer Strategie und ihrer Umsetzung sein.185 Auf diesem Feld konstatieren KAPLAN/NORTON erhebliche Defizite.186 So werden Visionen und Strategie als vielfach nicht umsetzbar dargestellt, da keine Einigkeit über ihre Interpretation herrscht. Weiterhin liegt, so die Autoren, eine systematisch realisierte Verknüpfung der Strategie mit den Zielvorgaben von Bereichen, Projekten oder einzelnen Akteuren sowie mit der Ressourcenallokation häufig nur eingeschränkt vor. Letztlich ist der hierarchische Prozess der Strategieverankerung im Unternehmen laut KAPLAN/NORTON in der Regel durch mangelhafte FeedbackSchleifen gekennzeichnet. Die Rückkopplung erfolgt nur auf der operativen Ebene als „single-loop”187-Lernen. Abweichungen lösen (allein) Anpassungsmaßnahmen aus, um
181 182 183
184 185 186
187
Kaplan/Norton (1992), S. 73. Kaplan/Norton (1996a), S. 34. Untersuchungen können zeigen, dass die Wahl der Perspektiven von der verfolgten Strategie, der Intensität des Wettbewerbs und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängen können; vgl. Olson/Slater (2002), S. 14ff.; DeBusk/Brown/Killough (2003), S. 221ff. Vgl. Nørreklit (2000), S. 78. Vgl. Kaplan/Norton (1996a), S. 8ff. und 191ff.; Kaplan/Norton (1996c), S. 75ff.; Kaplan/Norton (2001b), S. 99ff.; Kaplan/Norton (2001c), S. 147ff. Vgl. im Folgenden Kaplan/Norton (1996a), S. 193ff. Unternehmen scheitern bei der Umsetzung von Strategien entsprechend häufig: LaClair/Rao zeigen eine Scheiterungsrate von StrategieImplementierungen von 60%; vgl. LaClair/Rao (2002), S. 18. Perlitz schätzt, „dass neun von zehn Unternehmen bei der Implementierung der Unternehmensstrategie scheitern.“ Perlitz (1998), S. 6. Kaplan/Norton geben einen Wert zwischen 70-90% an; vgl. Kaplan/Norton (2001a), S. 1. Zu den Begriffen „single-“ und „double-loop“-Lernen vgl. Argyris (1991): „[A] thermostat that automatically turns on the heat whenever the temperature in a room drops below 68 degrees is a good example of single-loop learning. A thermostat that could ask, ‚Why am I set at 68 degrees?’ and then explore whether or not some other temperature might more economically achieve the goal of heating the room would be engaging in double-loop learning.“ Argyris (1991), S. 100.
Teil B
Konzeptionelle Basis
41
das anvisierte Ziel doch noch zu erreichen; „taktisches” Feedback herrscht vor, „strategisches” Feedback kommt zu kurz. Diese Defizite sollen durch den Einsatz der Balanced Scorecard überwunden werden. KAPLAN/NORTON unterscheiden dabei vier Prozessschritte (vgl. Abbildung 6):188 Formulierung und Umsetzung von Vision und Strategien - Formulierung der Vision - Konsensfindung
Kommunikation und Verantwortung - Kommunikation und Ausbildung - Zielsetzung - Verknüpfung von Leistungskennzahlen mit Anreizen
Strategisches Feedback und Lernen
Balanced Scorecard
- Artikulation der gemeinsamen Vision - Strategisches Feedback - Strategiereviews und strategisches Lernen ermöglichen
Planung und Vorgaben - Vorgaben bestimmen - Abstimmung strategischer Maßnahmen - Ressourcenverteilung - Meilensteine festlegen
Abbildung 6: BSC als strategischer Handlungsrahmen
189
x Formulierung und Umsetzung von Vision und Strategie: Der Entwicklungsprozess einer Balanced Scorecard soll zur Klärung sowie zum Konsens im Hinblick auf die strategischen Ziele führen. Dabei kommt der Darstellung von UrsacheWirkungsbeziehungen zwischen den einzelnen strategischen Zielen (bzw. Kennzahlen) eine besondere Bedeutung zu. So stellt eine Strategie für KAPLAN/NORTON ein Bündel von Annahmen über solche Ursache-Wirkungszusammenhänge im Unternehmen dar: „A strategy is a set of hypotheses about cause and effect.“190 Diese Ursache-Wirkungs-Hypothesen liegen üblicherweise nur in Form von internen Modellen in den Köpfen der Führungskräfte vor. Die Annahmen über die Zusammenhänge sollen daher über die Verknüpfung der vielfältigen strategischen Ziel-
188 189 190
Vgl. im Folgenden Kaplan/Norton (1996a), S. 10ff. Übersetzt entnommen aus Kaplan/Norton (1996a), S. 11. Kaplan/Norton (1996a), S. 30.
Konzeptionelle Basis
42
Teil B
A) Deckungsbeitrag erhöhen C) Umsatzrentabilität erhöhen
E) Marktanteil steigern
T) Business Opportunitäten vorantreiben
G) Angebotsstandards setzen
F) Neue Informations-/Vertriebskanäle nutzen
H) Neukundenzahl erhöhen (B, AKunden)
I) Projektbearbeitung beschleunigen
M) Ressourcenengpässe nicht akzeptieren
J ) Standardisierung Transaktionen
L) Entscheidungskompetenz erhöhen
O) ind. Zielerreichungsgrad erhöhen/sichern
KUNDEN
D) A-Kunden verstärkt bearbeiten
PROZESSE
B) Umsatz steigern
MITARBEITER
FINANZEN
setzungen zu Ursache-Wirkungsketten explizit gemacht werden:191 „Because the scorecard is developed by a group of senior executives, as a team project, the scorecard creates a shared model of the entire business to which everyone has contributed.“192 Die graphische Darstellung dieser Zusammenhänge in so genannten „Strategy Maps“ hat sich zu einem zentralen Element des BSC-Konzepts entwickelt (vgl. Abbildung 7).193
Q) aktives Serviceverhalten entwickeln
P) Talentorientierter Mitarbeitereinsatz R) Identifikation mit Strategie steigern
Abbildung 7: Strategy Map der Schering Schweiz AG
K) Informationserheb./ -verknüpfung schaffen
N) Führung/Delegation ausbauen S) Prozess-/strategiebezogene Fort- und Weiterbildung verstärken
194
x Kommunikation und Verantwortung: Die Balanced Scorecard soll durch drei Mechanismen zur einheitlichen Zielausrichtung der Akteure im Unternehmen beitragen: Kommunikations- und Weiterbildungsprogramme, Verknüpfung der Balanced Scorecard mit Zielen für Bereiche, Projekte und einzelne Akteure sowie Verknüpfung mit den Anreizsystemen. Demnach erhöht die BSC als „embodiment of business unit strategy”195 das Strategieverständnis der Mitarbeiter – insbesondere durch die graphische Darstellung von Ursache-Wirkungs-Ketten bzw. Strategy Maps
191 192 193 194
Vgl. Kaplan/Norton (1996a), S. 147ff.; Kaplan/Norton (1996c), S. 84f.; Kaplan/Norton (2001a), S. 69ff. Kaplan/Norton (1996a), S. 12. Vgl. Kaplan/Norton (2000), S. 169f.; Kaplan/Norton (2004), S. xiii. Vgl. auch Otley 1999, S. 375; Malmi (2001), S. 216; Wall (2001), S. 67. Entnommen aus Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 38.
Teil B
Konzeptionelle Basis
43
(vgl. Abbildung 7).196 Die Verknüpfung des Zielvereinbarungsprozesses mit der BSC kann damit die Ausrichtung aller Akteure an dieser Strategie ermöglichen. KAPLAN/NORTON fordern weiter, die BSC als Bemessungsgrundlage für das Anreizsystem zu verwenden: „The issue is not whether, but when and how the connection should be made.“197 Denn es ist nicht zu erwarten, dass Führungskräfte die verschiedenen Perspektiven und Ziele in ausgewogener Weise berücksichtigen, wenn durch ihre variable Vergütung nur die Erreichung finanzieller Ziele belohnt wird.198 x
Planung und Vorgaben: Neben den personellen Ressourcen müssen auch die finanziellen und materiellen Ressourcen auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet werden. Folgende Schritte sollen dazu beitragen: die Formulierung von anspruchsvollen Zielwerten, die Identifizierung und Fokussierung strategischer Initiativen und ihre Verknüpfung mit den jährlichen Budgetierungsprozessen. KAPLAN/ NORTON empfehlen, hochgesteckte Zielwerte („stretch targets“199) zu setzen, die über graduelle Verbesserungen hinausgehen und innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre erreicht werden sollen. Ausgehend von der BSC sollen außerdem vorhandene strategische Initiativen (z.B. Total Quality Management) auf ihren Beitrag zur Strategieerreichung überprüft und gegebenenfalls eingestellt werden. Gleichzeitig sollen neue strategische Initiativen auf Basis der BSC identifiziert werden. Im letzten Schritt ist dann die Ressourcenzuordnung im Rahmen des Budgetierungsprozesses mit der BSC abzustimmen, so dass strategische Initiativen mit den erforderlichen finanziellen Mitteln und Mitarbeiterkapazitäten ausgestattet werden. Die Zielvorgaben in den operativen Budgets sind ebenfalls aus der BSC abzuleiten. Die Nutzung der BSC als strategisches Managementsystem führt damit zur Integra-
195
Kaplan/Norton (1996c), S. 80. „[A] properly constructed Balanced Scorecard should tell the story of the business unit’s strategy. It should identify and make explicit the sequence of hypotheses about the cause-and-effect relationships between outcome measures and the performance drivers of those outcomes. Every measure selected for a Balanced Scorecard should be an element in a chain of cause-and-effect relationships that communicates the meaning of the business unit’s strategy to the organization.” Kaplan/Norton (1996a), S. 31. Kaplan/Norton (1996a), S. 217. Kaplan/Norton liefern zahlreiche Beispiele für die Verwendung der BSC als Bemessungsgrundlage des Anreizsystems. Angesichts vielfältiger Probleme empfehlen sie jedoch keinen bestimmten Ansatz und verweisen auf zukünftige Erkenntnisse aus den praktischen Erfahrungen; vgl. Kaplan/Norton (1996a), S. 218ff.; Kaplan/Norton (1996c), S. 81f.; Kaplan/Norton (2001a), S. 255ff. Kaplan/Norton begründen die Forderung mit Kerrs Hinweis auf die „folly of rewarding A, while hoping for B”; vgl. Kerr (1975), S. 769ff. Kaplan/Norton (1996a), S. 13.
196
197
198 199
44
Konzeptionelle Basis
Teil B
tion von Strategie und Budgets: „The very exercise of creating a balanced scorecard forces companies to integrate their strategic planning and budgeting processes and therefore helps to ensure that their budgets support their strategies.”200 x Strategisches Feedback und Lernen: Den drei ersten Schritten schließt sich ein Feedback-Prozess an, in dem die in der BSC definierten Ziele und Zielwerte sowie insbesondere die der Strategie zu Grunde liegenden Hypothesen auf ihre Gültigkeit geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Mit Hilfe der Balanced Scorecard soll die Rückkopplung damit also auch auf die Anpassung der Strategie bezogen werden und einen durch „double-loop”-Lernen charakterisierten strategischen Lernprozess fördern: „Existing feedback and review processes focus on whether the company, its departments, or its individual employees have met their budgeted financial goals. With the balanced scorecard at the center of its management systems, a company can monitor short-term results from the three additional perspectives – customers, internal business processes, and learning and growth – and evaluate strategy in the light of recent performance. The scorecard thus enables companies to modify strategies to reflect real-time learning.”201 Die Balanced Scorecard hat nach KAPLAN/NORTON damit die Aufgabe, den strategischen Führungsprozess im Unternehmen zu unterstützen bzw. als Handlungsrahmen für diesen Prozess zu dienen. Unternehmen sollen die BSC nicht allein als Kennzahlensystem nutzen, sondern umfassender „as the central organizing framework for important managerial processes: individual and team goal setting, compensation, resource allocation, budgeting and planning, and strategic feedback and learning.”202 Ziel ist die „strategy-focused organization”, d.h. die konsequente Strategie- und Zielorientierung aller Akteure im Unternehmen.
200 201 202
Kaplan/Norton (1996c), S. 82. Kaplan/Norton (1996c), S. 77. Kaplan/Norton sehen hierin „the most innovative and most important aspect of the entire scorecard management process.” Kaplan/Norton (1996a), S. 15. Kaplan/Norton (1996a), S. ix.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
1.
Stand der Verbreitung und Anwendungstypen der BSC
1.1
Verbreitung der BSC
45
Die Verbreitung der BSC in der Unternehmenspraxis seit ihrer Vorstellung vor 15 Jahren wurde als „Siegeszug”203 beschrieben – relativ zu anderen Instrumenten habe die BSC sehr schnell breiten Eingang in den Instrumentenkasten der Unternehmenssteuerung gefunden.204 Großzahlige Befragungen zum Implementierungsstand der BSC, die in großer Zahl vorliegen, unterstützen diese These zwar grundsätzlich, liefern im Einzelnen jedoch höchst unterschiedliche Ergebnisse. So finden sich in Studien für den deutschsprachigen Raum aus den letzten Jahren Verbreitungsgrade der BSC zwischen 7%205 und 50%206. Ein Blick auf internationale Studien zeigt ein ähnliches Bild: So reichen die Angaben z.B. für die USA von 20%207 bis 43%208. Die Ergebnisse zur Verbreitung der BSC sind damit höchst inkonsistent, wie die Übersicht der Verbreitungsstudien für den deutschsprachigen Raum (vgl. Tabelle 1) sowie eine Zusammenstellung internationaler Studien (vgl. Tabelle 2) nochmals veranschaulichen.209
203 204 205 206 207 208 209
Weber (2000), S. 5. Vgl. Weber (2000), S. 5. Es hat z.B. knapp 30 Jahre gedauert, bis sich die Kapitalwertmethode in der Praxis etabliert hat; vgl. Pritsch (2000), S. 377, sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. Sandt (2004), S. 120. Vgl. Becker/Schwertner/Seubert (2005), S. 35. Vgl. Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 725. Vgl. Rigby (2001), S. 143; Garg et al. (2003), S. 34. Die Studien sind chronologisch nach dem Jahr der Durchführung der Befragung angeordnet. Wenn die zitierte Veröffentlichung diese Information nicht enthielt, wurde angenommen, dass die Befragung ein Jahr vor der Veröffentlichung stattgefunden hat. Zahlreiche weitere Artikel treffen darüber hinaus Annahmen oder zitieren Schätzungen zur BSC-Verbreitung, ohne eigenen empirischen Nachweis; vgl. z.B. Silk (1998); Weber/Schäffer (1998); Frigo/Krumwiede (2000); Norton/Kappler (2000); Marr (2001); Paulsen (2001); Williams (2001).
46
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Studie
Jahr der Grundgesamtheit (Land) Befragung
Horváth/Gleich (1998)
1997
Tieke/Landgraf (1998)
Teil C
n / Rücklauf
BSC
Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit mehr als 1.000 MA (D)
84 / 3,4%
8%
1997*
„Top-500-Unternehmen“ (D)
130 / 26%
27%
Perlitz (1998)
1998
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (D)
93 / 11%
17%
Brunner (1999)
1999
„Top-Unternehmen“ (D, A, CH)
70 / k.A.
33%
Speckbacher/Bischof (2000)
1999
Unternehmen des DAX-100 (D)
93 / 93%
19%
Günther/Grüning (2000)
2000
Unternehmen mit mehr als 800 Mio. DM Umsatz, branchenübergreifend (D)
123 / 13,1%
31%
Brabänder/Hilcher (2001)
2000
Unternehmen aller Größen, branchenübergreifend (D, A, CH)
159 / 6%
16%
PwC (2001)
2000
200 umsatzstärkste Unternehmen (D)
129 / 64,5%
46%
Gehrke/Horváth (2002)
2000
Unternehmen mit mehr als 10.000 MA und am „Neuen Markt“-notierte sowie pre-IPOUnternehmen; branchenübergreifend (D)
49 / 24,5%
24%
Sandt (2004)
2000
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (D)
254 / 10,6%
7%
174 / 87%
24%
Speckbacher/Bischof/Pfeiffer 2000/01 (2003)
DAX-100 (D), ATX und Midcap (A), 50 größte börsennotierte Unternehmen (CH)
Tomschi et al. (2002)
2001*
Kreditinstitute aller Segmente (D, A, CH)
Töpfer/Lindstädt/Förster (2002)
2001*
Henschel (2003)
163 / 25,2%
38%
„Überwiegend große Unternehmen“, branchenübergreifend (D)
194 / k.A.
17%
2002*
Mittelständische Unternehmen bis 250 MA, branchenübergreifend (D)
266 / 16%
13%
Zdrowomylsaw/Eckern/Meißner (2003)
2002
„Top 100 Unternehmen“ (Umsatz) und „Top 100 Mittelständler“, branchenübergreifend (D)
61 / 31%
39%
Eicker/Kress/Lelke (2005)
2002
Unternehmen des Dienstleistungssektors (D)
108 / 9%
33%
Lingnau/Henseler/Jonen (2004)
2003
Börsennotierte Aktiengesellschaften (D)
116 / 17,5%
19%
Rautenstrauch/Müller (2006) 2003
Mittelständische Unternehmen bis 500 MA, branchenübergreifend (D)
188 / 12%
19%
Schachner/Speckbacher/ Wentges (2006)
2003
Mittelständische Unternehmen bis 500 MA, branchenübergreifend (D, A, CH)
205 / 14%
35%
Berens/Püthe/Siemes (2005)
2004
Mittelständische Unternehmen bis 75 Mio. EUR Umsatz, branchenübergreifend (D)
213 / 6%
22%
Henschel/Bischoff (2006)
2004
Mittelständische Unternehmen bis 250 MA, branchenübergreifend (D)
303 / 17%
16%
* k.A., angenommen
Tabelle 1: Verbreitung der BSC im deutschsprachigen Raum
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Studie
Jahr der Grundgesamtheit (Land) Befragung
Rigby (1998)
1997*
Chenhall/Langfield-Smith (1998a)
1998
47
n / Rücklauf
BSC
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (USA)
276 / 61%
43%
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (Australien)
78 / 56%
88%
140 / 23,3%
20%
Ittner/Larcker/Randall (2003) 1999
Unternehmen der Branche Finanzdienstleistung (USA)
Kald/Nilsson (2000)
1999*
Unternehmensbereiche großer Unternehmen, anchenübergreifend (Schweden)
236 / 30%
27%
Rigby (2001)
1999
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (USA)
214 / 1,8%
43%
Horváth et al. (2001)
2000
Große börsennotierte, am „Neuen Markt“-notierte sowie pre-IPO-Unternehmen; branchenübergreifend (Frankreich)
32 / 10,4%
3%
Horváth et al. (2001)
2000
Großunternehmen (Umsatz), am „Alternative Investement Market“-notierte sowie pre-IPOUnternehmen; branchenübergreifend (UK)
30 / 15%
30%
Horváth et al. (2001)
2000
Großunternehmen (Umsatz), am „Neuen Markt“notierte sowie pre-IPO-Unternehmen; branchenübergreifend (Italien)
34 / 17%
26%
Joshi (2001)
2001
Unternehmen mit mehr als 35 Mio. USD Umsatz, branchenübergreifend (Indien)
60 / 24,4%
40%
Anand/Sahay/Saha (2005)
2002
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (Indien)
53 / 8,5%
45%
Rigby (2003)
2002
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (weltweit)
702 / k.A.
62%
Garg et al. (2003)
2003
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (USA)
1.995 / 9%
43%
Hendricks/Menor/Wiedman (2004)
2003*
Unternehmen mit mehr als 10 Mio. CAD Umsatz, branchenübergreifend (Kanada)
179 / 31%
24%
Lawson/Stratton/Hatch (2006a)
2003
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (weltweit)
382 / k.A.
51%
Bourne et al. (2005)
2004
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (UK)
159 / k.A.
55%
Lord/Shanahan/Gage (2005)
2004*
Unternehmen aller Größenklassen, branchenübergreifend (Neuseeland)
106 / 48%
11%
Marr (2005)
2004*
Große Unternehmen (Top 5000), branchenübergreifend (USA)
780 / 16%
35%
* k.A., angenommen
Tabelle 2: Internationale Verbreitung der BSC
48
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
Die Inkonsistenz der Ergebnisse kann zunächst darin begründet liegen, dass sich die Studien im Untersuchungszeitpunkt und der untersuchten Grundgesamtheit unterscheiden. Eine entsprechende Gruppierung der Studien gemäß dieser Merkmale verringert die beobachteten Inkonsistenzen jedoch nicht: So zeigen z.B. Untersuchungen allein mittelständischer Unternehmen im deutschsprachigen Raum aus den Jahren 2003 und 2004 ebenfalls eine deutliche Ergebnisbandbreite zwischen 16%210 und 35%211. Als ursächlich für die stark abweichenden Ergebnisse erscheinen daher vielmehr methodische Aspekte relevant. Dazu zählen Verzerrungen bei der Auswahl der untersuchten Unternehmen, geringe Rücklaufquoten oder die Operationalisierung der BSC.212 x Einzelne Studien unterliegen Verzerrungen bei der Auswahl der untersuchten Unternehmen. Dies kann für Studien gelten, in denen die Auswahl der Befragungsteilnehmer nicht zufällig, sondern durch Sponsoren des Forschungsprojekts wie Unternehmensberatungen oder Banken erfolgt.213 Eine präzise Beschreibung der untersuchten Grundgesamtheit erfolgt in diesen Fällen häufig nicht, z.B. wenn lediglich auf „Top Unternehmen“ als Befragungsteilnehmer verwiesen wird.214 Die Einschätzung der Repräsentativität der ermittelten Ergebnisse wird so erschwert. x Andere Studien untersuchen zwar Zufallsstichproben aus unterschiedlichen Grundgesamtheiten, hier sind jedoch die erreichten Rücklaufquoten als gering zu beurteilen.215 Die geringen Rücklaufquoten schränken die Verlässlichkeit der Ergebnisse und ihre Repräsentativität für die untersuchte Grundgesamtheit ein. x Die Mehrzahl der aufgeführten Studien macht letztlich keine Angaben zur gewählten Operationalisierung oder operationalisiert das BSC-Konstrukt über die einzel-
210 211
212 213
214 215
Vgl. Henschel/Bischoff (2006), S. 80. Vgl. Schachner/Speckbacher/Wentges (2006), S. 605. Vgl. hierzu außerdem die Ergebnisse zur Verbreitung der BSC im Mittelstand in den Studien von Berens/Püthe/Siemes (2005) (22%) und Rautenstrauch/Müller (2006) (19%). Vgl. ähnlich Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 362; Marr (2005), S. 56. Vgl. z.B. Tieke/Landgraf (1998): Auswahl der „Top 500 Unternehmen“ durch die Unternehmensberatung Haaarmann Hemmelrath Management Consultants; Brunner (1999): Auswahl der „Top Unternehmen“ durch die Unternehmensberatung Arthur Andersen; Zdrowomylsaw/Eckern/ Meißner (2003); Berens/Püthe/Siemes (2005): Auswahl der Unternehmen durch genossenschaftliche Banken als Projektsponsoren. Vgl. z.B. Brunner (1999). Vgl. z.B. Horváth/Gleich (1998); Perlitz (1998); Günther/Grüning (2000); Brabänder/Hilcher (2001); Henschel (2003); Lingnau/Henseler/Jonen (2004); Sandt (2004); Berens/Püthe/Siemes (2005); Eicker/Kress/Lelke (2005); Henschel/Bischoff (2006).
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
49
ne Frage, ob ein Instrument „BSC“ im Unternehmen vorliegt.216 Durch eine solche Operationalisierung mit nur einem Indikator wird eine Homogenität des Konzepts unterstellt, die in der Unternehmenspraxis – wie noch zu zeigen sein wird – nicht gegeben ist. Sie lässt vielfältige Interpretationen des Untersuchungsobjekts zu und berücksichtigt nicht die Entwicklung des Konzepts von einem reinen Kennzahlenzu einem strategischen Managementsystem: „[T]he BSC … is far from being a clearly definable concept … The BSC has evolved and morphed from measurement tool to strategic change framework, and … therefore lends itself to various interpretations … and it is hard to know what a company means when it says it has a BSC.”217 Die aufgeführten großzahligen Befragungen liefern in ihrer Mehrheit damit nur bedingt verlässliche Aussagen zum Implementierungsstand der BSC. So können die aufgeführten Umfragen zwar grundsätzliche Hinweise auf den Verbreitungsgrad der BSC liefern. Auf Grund der beiden erstgenannten methodischen Aspekte fällt jedoch eine Einschätzung der Repräsentativität der Ergebnisse vieler Studien schwer. Darüber hinaus schränkt in der Mehrzahl der Arbeiten der letztgenannte methodische Gesichtspunkt die Validität der Ergebnisse ein. Denn bei einer BSC-Operationalisierung durch nur einen Indikator wird nicht deutlich, was der Befragte unter dem Begriff „BSC“ versteht – damit bleibt letztlich unklar, was gemessen wurde. Dies ist für die Bewertung und den Vergleich von Studien zum Implementierungsstand jedoch von hoher Bedeutung: „Surveys of BSC applications … must be interpreted in light of what is being placed under the microscope.“218 Die unsystematische BSC-Operationalisierung in den meisten großzahligen Befragungen erschwert somit die Interpretation der ermittelten Ergebnisse und verringert deren Aussagekraft: „Considerable disagreement about the definition of … BSC, … calls into question the findings of earlier surveys.”219
216
217
218 219
So z.B. Horváth/Gleich (1998); Günther/Grüning (2000); Brabänder/Hilcher (2001); PwC (2001); Gehrke/Horváth (2002); Töpfer/Lindstädt/Förster (2002); Tomschi et al. (2002); Henschel (2003); Zdrowomylsaw/Eckern/Meißner (2003); Lingnau/Henseler/Jonen (2004); Sandt (2004); Berens/Püthe/Siemes (2005); Eicker/Kress/Lelke (2005); Henschel/Bischoff (2006). Für folgende Studien fehlen nähere Angaben, die Aussagen deuten jedoch auf eine Abfrage anhand eines Indikators hin: Tieke/Landgraf (1998); Perlitz (1998); Brunner (1999). Eine differenzierte Abfrage der Bestandteile der BSC erfolgt lediglich bei PwC (2001); Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003). Marr (2005), S. 56. Auch Kaplan/Norton weisen auf die unterschiedlichen Interpretation des BSC-Konzeptes hin: „Many organizations claim to have a Balanced Scorecard because they use a mixture of financial and nonfinancial measures.” Kaplan/Norton (2001b), S. 94. Bukh/Malmi (2005), S. 88. Marr (2005), S. 56.
50
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
Die Annahme eines fortdauernd positiven Trends der BSC-Verbreitung und einer Verwendung des Instruments bei mehr als der „Hälfte aller Unternehmen“ in Deutschland erscheint vor diesem Hintergrund wenig belastbar.220 Ausgehend von einer vielzitierten Studie von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER ist vielmehr zu vermuten, dass die BSC offenbar weniger verbreitet ist, als dies einige der genannten Studien suggerieren. Die Autoren versuchen in einer großzahligen Erhebung, den genannten methodischen Schwierigkeiten zu begegnen und eine unverzerrte Bestandsaufnahme des Implementierungsstands der BSC zu liefern. Dazu werden die 200 größten Aktiengesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Grundgesamtheit ausgewählt, die auf Grund der sehr hohen Rücklaufquote von 87% weitgehend repräsentativ abgebildet werden kann. Darüber hinaus wird das BSC-Konstrukt durch die typischen Elemente des Konzepts nach KAPLAN/NORTON operationalisiert, so dass differenzierte Aussagen zu den Eigenschaften der verwendeten BSC möglich werden.221 Die Ergebnisse von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER zeigen, dass nur 24% der größten Aktiengesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz die BSC anwenden.222 Ähnliche Ergebnisse zeigen SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES auch für den Mittelstand im deutschsprachigen Raum. So untersuchen die Autoren in einer Studie zur Steuerung mittelständischer Unternehmen unter anderem auch die Verbreitung der BSC und bauen dazu auf der Operationalisierung von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER auf. Im Rahmen der Untersuchung werden in zwei Teilerhebungen jeweils 700 Unternehmen mit 50 bis 500 Mitarbeitern aus dem süddeutschen Raum sowie aus Österreich befragt; zusätzlich werden 101 börsennotierte Unternehmen aus dem ATX bzw. M-Dax angeschrieben. Insgesamt wird so eine Rücklaufquote von annähernd 14% erreicht.223 Die Ergebnisse zeigen, dass die BSC von 35% der untersuchten mittelständischen Unternehmen angewendet wird.224 Insbesondere die international beachtete Studie von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER, die die genannten methodischen Aspekte durch die weitgehend repräsentative Abbil220
221
222 223
Vgl. anders Bach (2006), S. 299f., der im Rahmen einer Metastudie festhält, dass „im Jahr 2004 mehr als die Hälfte aller Unternehmen die BSC [nutzt]. Diese Aussage ist als Trend unstrittig …“ Bach (2006), S. 300. Die Autoren fragen hierzu folgende Eigenschaften bzw. Elemente der verwendeten BSC ab: „Contains strategic measures/objectives“; „Grouped into perspectives“; „Employs cause-andeffect chains“; „Contains action plans/targets“; „Linked to incentives“; vgl. Speckbacher/Bischof/ Pfeiffer (2003), S. 372. Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 369. Vgl. Schachner/Speckbacher/Wentges (2006), S. 596.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
51
dung einer klar definierten Grundgesamtheit sowie die differenzierte Operationalisierung der BSC berücksichtigt, zeigt damit, dass die BSC offenbar weniger verbreitet ist, als dies die aufgeführten Ergebnisse anderer Studien von bis zu 50%225 vermuten lassen. SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES können diese Tendenz – wenn auch bei verändertem geographischen Fokus sowie geringerer Rücklaufquote – für den Mittelstand im deutschsprachigen Raum grundsätzlich bestätigen. 1.2
Typen der BSC-Anwendung
Entgegen dem impliziten Verständnis der BSC als ein homogenes Instrument in der Mehrzahl der oben genannten Studien, finden sich in der Literatur vielfache Hinweise darauf, dass das BSC-Konzept von KAPLAN/NORTON in ganz unterschiedlichen Varianten genutzt wird. Hinweise auf unterschiedliche Typen der BSC finden sich zunächst in der konzeptionellen Literatur zur BSC. So berichten KAPLAN/NORTON aus ihrer Beratungspraxis von Unternehmen, die die BSC nicht im Sinne einer „strategy scorecard“, sondern als „stakeholder scorecard“ oder „Key Performance Indicator (KPI) scorecard“ einsetzen und dabei keine expliziten Strategiebezug herstellen.226 Auch WEBER/RADTKE/SCHÄFFER differenzieren auf Basis ihrer Projekterfahrung die drei BSC-„Spielarten“227 Management-, Kennzahlen- und IT-System. Nur der erste Typ leistet dabei die Verzahnung von strategischer und operativer Ebene, während der Bezug zur Strategie und den übergeordneten Unternehmenszielen bei den beiden letzteren Typen in den Hintergrund geraten kann.228 Die Berater LAWRIE/COBBOLD identifizieren drei „Generationen“ von BSCs, die die Weiterentwicklung des Konzepts vom Kennzahlensystem zum strategischen Managementsystem repräsentieren.229 Auch empirische Untersuchungen deuten auf die Varietät der BSC-Anwendungen in der Praxis hin. In Rahmen einer fallstudienbasierten Untersuchung zur Anwendung der BSC in 17 Unternehmen in Finnland aus dem Jahr 1998 weist MALMI darauf hin, dass die betrachteten Organisationen zwei unterschiedliche BSC-Typen verwenden. So nutzen einige Unternehmen die BSC nur als Informationssystem, ohne dass Zielwerte und Maßnahmen festgelegt werden. Andere Unternehmen setzen dagegen Zielwerte für die
224 225 226 227 228 229
Vgl. Schachner/Speckbacher/Wentges (2006), S. 605. Vgl. Becker/Schwertner/Seubert (2005), S. 35. Vgl. Kaplan/Norton (2001b), S. 94ff. Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 18. Vgl. Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 18f. Vgl. Lawrie/Cobbold (2004), S. 612ff.
52
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
Kennzahlen und machen Manager für die Erreichung dieser Ziele verantwortlich.230 Mit Blick auf die Verwendung von Ursache-Wirkungsketten stellt MALMI für die betrachteten Unternehmen fest, „that the intial idea of linking measures is not well understood.“231 So konnten die Befragten keine sinnvollen Beispiele für UrsacheWirkungsketten in ihrer BSC nennen. Auch hinsichtlich der Anbindung der BSC an das Anreizsystem der Manager stellt der Autor große Unterschiede fest, sowohl was die grundsätzliche Entscheidung für oder gegen eine Anbindung als auch die praktische Ausgestaltung einer solchen Kopplung betrifft.232 Auch wenn bei der Untersuchung von MALMI die Gefahr einer Verzerrung bei der Auswahl der untersuchten Unternehmen besteht,233 liefert die Fallstudienuntersuchung dennoch erste empirische Hinweise auf die Vielfalt der BSC-Anwendungen in der Praxis. Der von MALMI betrachtete Aspekt der Ursache-Wirkungsketten findet auch in anderen empirischen Arbeiten Beachtung. So zeigen ITTNER/LARCKER/RANDALL im Rahmen ihrer Untersuchungen zur Auswirkung des BSC-Einsatzes auf den Unternehmenserfolg bei 140 US-amerikanischen Finanzdienstleistern im Jahr 1999 unter anderem, dass sich BSC-Anwendungen hinsichtlich der Verwendung von UrsacheWirkungsketten unterscheiden. So haben 76,9% der BSC-Anwender in der Untersuchung keine „business models“ im Sinne einer Strategy Map:234 „[B]usinesses often fail to establish such links partly out of laziness or thoughtlessness.“235 Für den deutschsprachigen Raum weisen wiederholte Umfragen unter BSCAnwendern durch das Beratungsunternehmen HORVÁTH & PARTNERS auf die BSCVariantenvielfalt hin.236 Die letzte dieser Befragungen aus dem Jahr 2005 zeigt für 120 BSC-Anwender konsistent zu den Vorjahren, „dass das Konzept in einzelnen Unternehmen sehr unterschiedlich angewendet wird …“237 So zeigen die Autoren der Studie, dass in der Praxis neben dem vollständigen BSC-Modell auch Varianten ohne verbale Ziele (18%) und/oder ohne die Anbindung der Aktionspläne an die BSC (20%) Anwendung finden. Auf die Verwendung von Ursache-Wirkungsketten bzw. Strategy 230
231 232 233 234 235 236
Vgl. Malmi (2001), S. 211f. „Hence, while in some organizations BSCs provide a tool for upper and lower levels of management to agree on targets, in others the role is more one of providing the managers responsible for financial targets with information.” Malmi (2001), S. 211. Malmi (2001), S. 210. Vgl. Malmi (2001), S. 210ff. Die Teilnehmer wurden durch Unternehmensberatungen empfohlen; vgl. Malmi (2001), S. 209. Vgl. Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 725. Ittner/Larcker (2003), S. 89. Vgl. Horváth&Partners (2002); Horváth&Partners (2004b); Horváth&Partners (2005).
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
53
Maps verzichten 36% der befragten BSC-Unternehmen.238 Abgesehen von dem Hinweis, dass diese Variantenvielfalt „von der Flexibilität des Konzeptes zeugt“239, liefern die Autoren jedoch für diese Abweichungen in der formalen Struktur der untersuchten BSCs keine Erklärungsansätze. Da im Rahmen der Befragung nur Unternehmen angeschrieben wurden, die dem Beratungsunternehmen als BSC-Anwender „– teilweise durch intensive Recherche – bekannt“240 waren, könnten die Ergebnisse jedoch einer Verzerrung unterliegen. Die Untersuchung von SPECKBACHER/PFEIFFER/BISCHOF geht dem Aspekt unterschiedlicher BSC-Varianten ebenfalls nach. Als einzige der bisher genannten empirischen Untersuchungen präsentieren die Autoren dabei ein „theoretical framework to analyze the spread, implementation and benefits of the different types of Balanced Scorecards”241 und bestätigen dieses empirisch. Konkret können die Autoren zeigen, dass das BSC-Konzept in drei typischen Ausprägungen („Type I-III BSC“) Anwendung findet. Dabei interpretieren sie die von ihnen differenzierten Typen als Entwicklungsschritte der BSC im Rahmen der Implementierung: „They can be interpreted as three typical evolutionary steps in the process of BSC implementation.“242 x Typ I BSC: Multidimensionales Kennzahlensystem, das finanzielle und nichtfinanzielle strategische Kennzahlen kombiniert. x Typ II BSC: Typ I BSC, die zusätzlich die Strategie durch Ursache-Wirkungsketten beschreibt. x Typ III BSC: Typ II BSC, die die Strategie darüber hinaus implementiert und dazu Zielwerte und Maßnahmen festlegt sowie die BSC direkt oder indirekt mit dem Anreizsystem verbindet.
237 238
239 240 241 242
Horváth&Partners (2005), S. 13. Vgl. Horváth&Partners (2005), S. 13. Horváth & Partners machen darüber hinaus auch auf inhaltliche Unterschiede der angewendeten BSCs aufmerksam. Sie unterscheiden dabei gemäß den bei der Auswahl der Kennzahlen genutzten Kriterien problemorientierte (7%), veränderungsorientierte (28%) und strategieorientierte (21%) BSCs. Darüber hinaus kommen Mischformen (16%) und rein operative BSCs zum Einsatz (7%); 22% der teilnehmenden BSC-Anwender folgen keiner einheitlichen Priorisierungslogik; vgl. Horváth&Partners (2005), S. 14f. Horváth&Partners (2005), S. 13. Horváth&Partners (2005), S. 5. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 363. Vgl. für die Darstellung der Typologie ebenfalls Schachner/Speckbacher/Wentges (2006), S. 605. Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 363.
54
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
Ihre Ergebnisse zeigen, dass 50% der BSC-Anwender das Instrument nur in Form einer ausgewogenen Kennzahlenübersicht (Typ I BSC) implementiert haben. Die Verbindung der Kennzahlen mit der Strategie über Ursache-Wirkungsketten (Typ II) oder der Ausbau zu einem Management-System (Typ III), z.B. durch die Verknüpfung mit dem Anreizsystem, erfolgen in diesen Fällen nicht (vgl. Abbildung 8). Trotz der Einführung der BSC wird das Konzept in solchen Fällen nicht vollständig implementiert, sondern nur als „minimum-standard BSC“243 verwendet. Eine umfassende Anwendung als Management System zur Strategieimplementierung (Typ III BSC) können die Autoren nur bei 29% der BSC-Unternehmen feststellen.244
Typ I BSC
12% Typ II BSC
5% Typ III BSC
7% Keine Antwort
2%
Keine BSC
Typ I BSC: Multidimensionales Kennzahlensystem, das finanzielle und nicht-finanzielle strategische Kennzahlen kombiniert Typ II BSC: Typ I BSC, die zusätzlich die Unternehmensstrategie durch UrsacheWirkungsbeziehungen beschreibt Typ III BSC: Typ II BSC, die zusätzlich Zielwerte und strategische Aktionen festlegt und mit dem Anreizsystem verknüpft ist
74%
245
Abbildung 8: BSC-Implementierungsstand im deutschsprachigen Raum
In der hierauf aufbauenden Untersuchung mittelständischer Unternehmen im deutsprachigen Raum zeigen SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES ein ähnliches Bild: 76% der BSC-Anwender verwenden eine Typ I BSC, eine Typ III BSC findet sich hingegen bei nur 22% der BSC-Unternehmen. Mehr als drei Viertel der BSC-Anwender im Mittelstand verzichten damit auf die Ableitung und Darstellung von UrsacheWirkungsketten.246 Die Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/ WENTGES deuten damit auf ein Theorie-Praxis-Paradoxon hin. Denn trotz der großen
243 244 245 246
Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 362. Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 372f. In Anlehnung an Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 372f. Vgl. Schachner/Speckbacher/Wentges (2006), S. 605.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
55
Aufmerksamkeit für die BSC als strategisches Managementsystem in der Literatur muss die Vorstellung der BSC als „eines der erfolgreichsten Managementinstrumente der letzten Jahre – zumindest gemessen an ihrer Verbreitung“247 im Lichte dieser Forschungsergebnisse zumindest relativiert werden: „[O]nly a minority of firms use BSCs, and most of these appear to use only a limited or incomplete version.”248 Die Studien zeigen damit auch, dass – anstatt von einem homogenen Instrument BSC auszugehen – weitere Untersuchungen unterschiedliche Implementierungsstände bzw. BSC-Typen unterscheiden müssen, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen. Die weitere Untersuchung, die auf die Erklärung dieses erstaunlichen Befunds zielt, baut daher ebenfalls auf der BSC-Typologie von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER auf.
2.
Erklärungsansätze für den Implementierungsstand der BSC
In diesem Kapitel werden aus der mittlerweile umfangreichen, internationalen Literatur zur BSC empirische Untersuchungen vorgestellt, die Ansätze zur Erklärung des Implementierungsstands der BSC darstellen.249 Dazu werden die relevanten, in der Literatur vorliegenden Forschungsergebnisse zur BSC zunächst zusammengetragen und kritisch gewürdigt. Im daran anschließenden Kapitel 3 erfolgt dann die Überprüfung der Eignung der genannten Ansätze zur Erklärung der spezifischen Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES. Grundsätzlich können drei, im Weiteren ausführlich dargestellte Gruppen von Arbeiten unterschieden werden, die direkt oder indirekt zur Erklärung des BSC-
247 248 249
Wallenburg/Weber (2006), S. 245. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 381. Der folgende Literaturüberblick basiert auf den controllingsspezifischen und -nahen englischsprachigen Zeitschriften Management Accounting Research, Accounting, Organizations and Society, Journal of Management Accounting Research, Journal of Accounting Research, Accounting Horizons, The Accounting Review, Critical Perspectives on Accounting, Management Accounting, Behavioral Research in Accounting, European Accounting Review sowie den deutschsprachigen Zeitschrift für Planung, Zeitschrift für Controlling und Management, Zeitschrift für Controlling und Innovationsmanagement und Controlling-Zeitschrift. Als Zeitschriften mit allgemeiner betriebswirtschaftlichen Orientierung gingen die englischsprachigen Administrative Science Quarterly, Management Science, Academy of Management Journal, Journal of Management Strategic Management Journal, European Management Journal, Long Range Planning, Academy of Management Review, Sloan Management Review, Harvard Business Review sowie die deutschsprachigen Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Zeitschrift für Betriebswirtschaft und Die Betriebswirtschaft in die Literaturrecherche mit ein. Darüber hinaus wurden in der Literatur häufig zitierte Beiträge, Monographien und Herausgeberbände zum Thema BSC herangezogen.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
56
Teil C
Implementierungsstands beitragen können: Kontingenztheoretische Untersuchungen, die Kontextfaktoren eines effizienten BSC-Einsatzes identifizieren; Untersuchungen zu Barrieren und Erfolgsfaktoren der BSC-Implementierung, die auf den Implementierungsprozess fokussieren; und nutzungsorientierte Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen BSC-Einsatz und Nutzungseffektivität oder Unternehmenserfolg analysieren. 2.1
Kontingenztheoretische Untersuchungen
Als eine erste Gruppe von Erklärungsansätzen für unterschiedliche Implementierungsstände der BSC lassen sich kontingenztheoretische Untersuchungen zusammenfassen. Sie versuchen aus einer kontingenztheoretischen Perspektive, Kontextfaktoren des effizienten BSC-Einsatzes zu identifizieren und bilden damit einen expliziten Erklärungsansatz für den Implementierungsstand der BSC. In der Controllingforschung haben kontingenztheoretische Studien eine lange Tradition.250 Der kontingenztheoretische Ansatz im Controlling „is based on the premise that there is no universally appropriate accounting system which applies equally to all organisations in all circumstances. Rather, it is suggested that particular features of an appropriate accounting system will depend upon the specific circumstances in which an organisation finds itself.“251 Trotz der Popularität der Kontingenzforschung im Controlling existiert „very little published contingency work on balanced scorecards …“252 Die bislang vorliegenden Studien untersuchen insbesondere die Kontextfaktoren Unternehmensgröße, Branchenzugehörigkeit und Strategie. Darüber hinaus werden vereinzelt weitere Kontextfaktoren beleuchtet. 2.1.1
Unternehmensgröße
Zahlreiche Studien untersuchen den Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Nutzung der BSC. Ein Einfluss dieses situativen Faktors auf die Gestaltung und Effizienz von Controllingsystemen und -instrumenten konnte in früheren Studien 250
251
Frühe Arbeiten untersuchen den Einfluss der Kontextfaktoren Fertigungstechnik, Organisationsstruktur und Umweltdynamik auf die Effizienz und Ausgestaltung von Controllinginstrumenten und -systemen; vgl. Waterhouse/Tiessen (1978), S. 66f. und Otley (1980), S. 414ff., sowie die dort angegebene Literatur. In jüngerer Zeit werden zusätzlich die Kontextfaktoren Unternehmensgröße, Strategie und Landeskultur zur Erklärung herangezogen; vgl. Chenhall (2003), S. 128. Otley (1980), S. 413.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
57
nachgewiesen werden.253 Der Zusammenhang wird üblicherweise mit dem Bedarf eines höher entwickelten Controllinginstrumentariums in großen Unternehmen erklärt:254 Für die BSC liefern die vorliegenden Untersuchungen folgende Ergebnisse: x Eine Studie von HOQUE/JAMES aus dem Jahr 2000 untersucht 66 australische Unternehmen des produzierenden Gewerbes (Rücklauf: 35%). Die Autoren untersuchen den Zusammenhang zwischen den Kontextfaktoren Unternehmensgröße, Produktlebenszyklus, Marktposition sowie Einsatz der BSC und Unternehmenserfolg. Für ihren Datensatz stellen sie einen signifikanten, positiven Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und BSC-Anwendung fest. HOQUE/JAMES folgern, dass große Unternehmen auf Grund erhöhter Kommunikations- und Steuerungsprobleme einen größeren Bedarf an ausgebauten Controllingsystemen haben als kleine Unternehmen.255 Dabei liegt das zu Grunde gelegte Signifikanzniveau bei 10% und damit am oberen Ende der üblicherweise akzeptierten Bandbreite.256 Dies erscheint insbesondere angesichts der kleinen Stichprobe (n=66) von Bedeutung. Die Operationalisierung des Konstrukts „Nutzung der BSC“ erfolgt außerdem allein durch Fragen nach der Verwendung verschiedener Kennzahlen, die sich den BSCPerspektiven zuordnen lassen.257 Diese Operationalisierung ist insofern bedenklich, als dass sie die tatsächliche Verwendung des Instruments BSC nicht sicherstellt.258 So lassen die Fragen die besonderen Merkmale des BSC-Konzepts – z.B. Perspektiven, strategische Ziele, Ursache-Wirkungsketten oder Maßnahmen – unberücksichtigt.259 Eine Aussage, ob die abgefragten Kennzahlen tatsächlich im Rahmen
252 253 254
255 256 257
258 259
Chenhall (2003), S. 130. Vgl. Chenhall (2003), S. 148f., und Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 373, sowie die dort angegebenen Studien. „Larger firms are associated with more decentralized organizational structures and more specialized functions and processes and, therefore, co-ordination and communication problems increase with size. As a broader set of information and measurement issues arises in larger firms, more advanced and more sophisticated management accounting systems are required.” Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 373f. Vgl. Hoque/James (2000), S. 3 und 9ff. Chenhall (2005) beschreibt ein Signifikanzniveau von 10% als akzeptabel; vgl. Chenhall (2005), S. 408f.; vgl. auch Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 733. Vgl. im Einzelnen Hoque/James (2000), S. 14. Hoque/James operationalisieren Unternehmensgröße in Übereinstimmung mit anderen Studien anhand der Mitarbeiterzahl. Sie experimentieren bei der Operationalisierung mit den drei Indikatoren Umsatz, Anlagevermögen und Mitarbeiterzahl. Diese zeigen sich hochkorreliert und getrennte Analysen für die drei Operationalisierungen liefern ähnliche Ergebnisse. Die Autoren weisen daher nur die Ergebnisse für die Operationalisierung anhand der Mitarbeiterzahl aus; vgl. Hoque/James (2000), S. 6. Vgl. Davis/Albright (2004), S. 138. Vgl. Hoque/James (2000), S. 12.
58
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
des BSC-Models abgeleitet und gemessen werden, ist auf diese Weise nicht möglich: „[T]heir survey fails to capture actual reliance on BSC …“260 x In einer Untersuchung zum Zusammenspiel von BSC und ABC werten MAIGA/JACOBS Daten von 83 US-amerikanischen Unternehmen aus (Rücklauf: 24%). Die Autoren gehen der Hypothese nach „that the implementation of ABC when combined with BSC is likely to have a significant positive impact on organizational performance.”261 Als Kontrollvariable wird Unternehmensgröße mit in die Analyse einbezogen. MAIGA/JACOBS können für den untersuchten Datensatz jedoch keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Anwendung der BSC feststellen.262 Zu berücksichtigen ist bei diesem Ergebnis, dass die Auswahl der befragten Unternehmen bewusst durch die Autoren auf Basis von Zeitungsrecherchen erfolgt und damit keine Zufallsstichprobe vorliegt. Die Angaben zur Stichprobe zeigen, dass überwiegend kleine bis mittlere Unternehmen an der Untersuchung teilgenommen haben.263 Darüber hinaus entspricht das BSC-Konstrukt der Operationalisierung bei HOQUE/JAMES, so dass hier dieselben Einschränkungen gelten. x TÖPFER/LINDSTÄDT/FÖRSTER untersuchen mit einer Befragung von 194 Unternehmen die Umsetzung der BSC in der deutschen Unternehmenspraxis. Auf Basis eines Mittelwertvergleiches weisen sie auf die Bedeutung der Unternehmensgröße hinsichtlich des Einführungsstands der BSC hin: „Große Unternehmen haben die BSC bereits doppelt so häufig (24%) in der Anwendung wie mittelgroße Unternehmen (11%).“264 Eine Angabe zur Signifikanz dieses Befunds wird jedoch nicht gemacht, ebenso wenig wie aussagekräftige Angaben zu Grundgesamtheit, Rücklauf und Stichprobe („194 überwiegend große[n] Unternehmen der deutschen Wirtschaft“265). Darüber hinaus werden die verwendete Methodik sowie die Operationa-
260 261
262 263
264 265
Davis/Albright (2004), S. 138. Maiga/Jacobs (2003), S. 286. Diesbezüglich können die Autoren zeigen, dass BSC und ABC interagieren und gemeinsam einen signifikanten, positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg, gemessen in Produktqualität, Kundenzufriedenheit und Umsatzrendite, haben; vgl. Maiga/Jacobs (2003), S. 294f. Vgl. Maiga/Jacobs (2003), S. 294. Unternehmensgröße wird durch Mitarbeiterzahl operationalisiert. Die Mitarbeiterzahlen reichen von 57 bis 1.371 mit einem durchschnittlichen Wert von 254 Mitarbeitern; vgl. Maiga/Jacobs (2003), S. 293. Töpfer/Lindstädt/Förster (2002), S. 80. Töpfer/Lindstädt/Förster (2002), S. 79.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
59
lisierung der Konstrukte nicht dargestellt. Eine Einordnung der Ergebnisse wird so erschwert. x SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER untersuchen in ihrer schon mehrfach zitierten Studie zur Anwendung der BSC in den 200 größten börsennotierten Unternehmen im deutschsprachigen Raum auch die Kontextfaktoren Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit. Für ihren Datensatz weisen die Autoren in einem ersten Schritt einen signifikanten Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße, gemessen in Mitarbeiterzahl, und der (grundsätzlichen) Anwendung der BSC nach. Sie bestätigen so die Ergebnisse von HOQUE/JAMES (2000). Sie erklären diesen Befund ebenfalls mit dem Bedarf an weiter entwickelten Controllingsystemen in großen Unternehmen.266 Das verwendete BSC-Messinstrument erlaubt jedoch auch die Differenzierung des Implementierungsstands anhand der unterschiedlichen BSCTypen I-III. In einem zweiten Schritt untersuchen SPECKBACHER/BISCHOF/ PFEIFFER daher den Zusammenhang zwischen Größe und der Verwendung unterschiedlicher BSC-Typen. Sie müssen jedoch konstatieren: „Interestingly, we found no significant support for the hypothesis that size discriminates between the BSC Types I-III.“267 Der Kontextfaktor Unternehmensgröße eignet sich offenbar nicht zur Erklärung unterschiedlicher BSC-Implementierungsstände bzw. BSC-Typen in der Praxis. Bei dieser Schlussfolgerung ist jedoch zu berücksichtigen, dass für die Untersuchung des letztgenannten Aspekts lediglich eine sehr kleine Stichprobe von n=42 zur Verfügung stand. x Im Rahmen einer Erhebung unter den börsennotierten deutschen Unternehmen untersuchen LINGNAU/HENSELER/JONEN die Rolle des Controllings bei der Ein- und Weiterführung der BSC (n=116; Rücklaufquote 17,5%). Die Autoren untersuchen die Stichprobe auch auf den Einfluss der Kontrollvariable Unternehmensgröße. Sie können diesbezüglich zeigen, „dass die Unternehmensgröße einen signifikanten Einfluss auf den Einsatz der BSC hat.“268 Angaben zur Operationalisierung von Unternehmensgröße sowie dem BSC-Konstrukts werden dabei jedoch nicht gemacht. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen zeigen – mit Ausnahme einer Untersuchung – einen positiven Zusammenhang zwischen der Größe einer Organisation und
266 267 268
Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 374. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 374. Lingnau/Henseler/Jonen (2004), S. 29.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
60
Teil C
dem Einsatz der BSC. Einige der Studien weisen jedoch methodische Schwächen auf oder sind diesbezüglich auf Grund einer mangelnden Dokumentation des Forschungsvorgehens und der -ergebnisse nur schwer einschätzbar. Auf Basis der Studien von HOQUE/JAMES, SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER oder LINGNAU/HENSELER/JONEN sowie dem überwiegend übereinstimmenden Urteil lässt sich jedoch ein positiver Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und BSC-Einsatz festhalten. 2.1.2
Strategie
Strategie unterscheidet sich von anderen Kontingenzfaktoren insofern, dass Strategie streng genommen keinen Teil des Kontextes, sondern ein Mittel zur Beeinflussung der Umwelt darstellt. Die kontingenztheoretische Controllingforschung untersucht Strategie dennoch als Faktor und begegnet so dem Vorwurf, die Ausgestaltung des Controllinginstrumentariums (allein) auf den Kontext zurückzuführen und Manager als „Gefangene“ des Kontextes darzustellen.269 Entsprechende Arbeiten unterstellen, „that certain types of MCS [management control systems] will be more suited to particular strategies.“270 Die meisten Studien untersuchen hierzu den Zusammenhang zwischen der Ausgestaltung und Effizienz von Controllingsystemen und -instrumenten und den Strategietypologien von MILES/SNOW, PORTER oder GUPTA/GOVINDARAJAN.271 Bei der Untersuchung von Strategie als Kontextfaktor des BSC-Einsatzes kommen ebenfalls verschiedene Typologien zum Einsatz: x Im Rahmen einer Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Nutzung verschiedener Controllinginstrumente und Unternehmenserfolg befragen CHENHALL/ LANGFIELD-SMITH 78 der 140 größten australischen Unternehmen des produzierenden Gewerbes (Rücklauf: 56%). Die Autoren untersuchen auch den Zusammenhang von Strategie und wahrgenommen Nutzen des Einsatzes der Controllinginstrumente. Sie legen dabei die Typologie PORTERS zu Grunde und gruppieren die Unternehmen anhand der Strategien Differenzierung und Kostenführerschaft. Die Autoren testen die Hypothese, dass insbesondere Unternehmen, die eine Strategie der Differenzierung verfolgen, die BSC zu ihrer Zufriedenheit einsetzen: „For companies emphasising product differentiation strategies, traditional financial accounting performance measures are unlikely to be sufficient for assessing how pro269 270
Vgl. Chenhall (2003), S. 150. Chenhall (2003), S. 150.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
61
duction processes support a variety of customer-focused strategies …”272 Die Studie kann jedoch keine entsprechenden, signifikanten Zusammenhänge nachweisen; auch Unternehmen mit der Strategie Kostenführerschaft setzen die BSC erfolgreich ein.273 Einschränkend ist anzumerken, dass CHENHALL/LANGFIELD-SMITH auf die Selbsteinschätzung der Befragten zur Leistung des eigenen Unternehmens und eine Operationalisierung des Konstrukts „Nutzung der BSC“ durch nur einen Indikator zurückgreifen.274 x HENDRICKS/MENOR/WIEDMANN befragen CEO und CFOs von 179 kanadischen Unternehmen mit einem Umsatzvolumen von über CAD 10 Millionen (Rücklauf: 31%). Die Teilstichprobe der BSC-Anwender (n=42) untersuchen die Autoren unter anderen auf einen Zusammenhang zwischen Einsatz der BSC und dem situativen Faktor Strategie. Die Autoren greifen dabei auf die Typologie von MILES/SNOW zurück und unterteilen die befragten Unternehmen in „Prospectors“, „Analyzers“, „Defenders“ und „Reactors“. Sie stellen fest, „that BSC adoption was significantly associated with strategy: firms hat followed a Prospector or Analyzer strategy were more likely to adopt the BSC than other firms. One interpretation of this finding is that the BSC may be more useful for some strategy types [Prospector, Analyzer].”275 HENDRICKS/MENOR/WIEDMANN können damit einen Hinweis auf die Bedeutung der verfolgten Unternehmensstrategie für die Entscheidung zum Einsatz der BSC liefern. Die wenig umfangreiche Dokumentation der statistischen Ergebnisse (insbesondere der Signifikanzniveaus, Operationalisierung BSC) erschwert jedoch die Einordnung der Ergebnisse dieser Studie. x Eine weitere Studie untersucht nicht den Einfluss des Faktors Strategie auf den Einsatz oder den Implementierungsstand der BSC, sondern zeigt vielmehr den Einfluss der strategischen Positionierung auf die Arbeit mit der BSC auf. Als Hinweis auf den grundsätzlichen Einfluss des Faktors Strategie auf die BSC sei die Studie aber dennoch erwähnt. Im Rahmen einer Untersuchung zum Zusammenhang von Strategie, BSC und Unternehmenserfolg befragen OLSON/SLATER „more than“ 200 Führungskräfte des produzierenden und Dienstleistungs-Sektors in den USA
271 272 273 274 275
Vgl. Chenhall (2003), S. 150f., die dort angegebene Literatur sowie Miles/Snow (1978); Porter (1980); Gupta/Govindarajan (1984). Chenhall/Langfield-Smith (1998b), S. 246. Vgl. Chenhall/Langfield-Smith (1998b), S. 254 und 256. Vgl. Chenhall/Langfield-Smith (1998b), S. 262. Hendricks/Menor/Wiedman (2004), S. 4.
62
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
(Rücklauf: 23%). Dabei untersuchen die Autoren nicht allgemein den Einsatz der BSC, sondern wie stark die Unternehmen in der Anwendung der BSC Gewicht auf die einzelnen Perspektiven legen. Sie unterstellen, „that the scorecard should be ‚unbalanced’, based on the strategy of the business.“276 OLSON/SLATER legen die Typologie von MILES/SNOW in einer Weiterentwicklung von WALKER/RUEKERT zu Grunde.277 Sie unterscheiden danach die Unternehmen gemäß den strategischen Archetypen „Prospectors“, „Analyzers“, „Low-Cost Defenders“ und „Differentiated Defenders“. Die Autoren können nachweisen, dass die strategische Ausrichtung einen Einfluss auf die Betonung der einzelnen Perspektiven hat.278 Einschränkend ist anzumerken, dass das BSC-Konstrukt ähnlich dem HOQUE/JAMES’ auf die Abfrage einzelner, für die vier Perspektiven typischen Kennzahlen zurückgreift. Die tatsächliche Anwendung des BSC-Models wird damit nicht erfasst. Außerdem werden keine detaillierten Angaben zur Beurteilung der Stichprobe gemacht und die ausführlichen statistischen Ergebnisse nicht veröffentlicht. Einen Teil der Inkonsistenz der Ergebnisse der vorliegenden Studien kann auf die unterschiedlichen verwendeten Strategie-Typologien zurückgeführt werden. Ingesamt lässt sich jedoch festhalten, dass – trotz der genannten Einschränkungen – die Studien zumindest einen Hinweis auf einen Zusammenhang von BSC-Einsatz und verfolgter Unternehmensstrategie geben. Insbesondere „Prospector“ scheinen die BSC demnach häufiger zu nutzen und dabei – der Grundidee der BSC folgend – alle Perspektiven gleichermaßen zu betonen. Die häufigere Nutzung eines ausgewogenen Kennzahlensystems, das auch Frühindikatoren enthält, lässt sich dabei auf die idealtypischen Eigenschaften von Prospector-Unternehmen zurückführen: Diese sind auf der ständigen Suche nach neuen Marktchancen und durch ein hohes Innovationsniveau sowie hohe Risikoneigung und Flexibilität gekennzeichnet.279
276 277 278
279
Olson/Slater (2002), S. 12. Vgl. Walker/Ruekert (1987), S. 17ff. So lässt sich beispielsweise für Prospectors zeigen, dass „all four management control perspectives demonstrate moderately high to very high scores. Indeed, prospectors must, by definition, be innovative in such a manner that the resulting product and service offerings actually address customers’ needs and wants. … In marked contrast to the fairly balanced approach of prospectors is the distinctly unbalanced approach of low-cost defenders, in which the highest-performing firms actually placed less emphasis on the innovation and growth and customer perspectives.” Olson/Slater (2002), S. 15. Vgl. Olson/Slater (2002), S. 15; Hendricks/Menor/Wiedman (2004), S. 4.
Teil C
2.1.3
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
63
Branchenzugehörigkeit
Zwei Untersuchungen analysieren den Einfluss der Branchenzugehörigkeit auf den Einsatz der BSC. Branchenzugehörigkeit gehört nicht zu den typischen Kontextfaktoren, die in der kontingenztheoretischen Controllingforschung verwendet werden.280 Ein Zusammenhang zwischen Branchenzugehörigkeit und BSC-Anwendung könnte jedoch als Hinweis auf die Bedeutung weiterer, mit der Branche korrelierender Kontextfaktoren gedeutet werden.281 Zu diesen könnten beispielsweise Unsicherheit, Umweltdynamik oder Fertigungstechnologie zählen. x Die Untersuchung von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER analysiert neben Unternehmensgröße auch den Zusammenhang zwischen BSC-Einsatz und Branchenzugehörigkeit.282 Dabei konnte für die Branche „Consumer/Retail“ ein signifikant geringerer Einsatz der BSC festgestellt werden; für alle anderen Industriezweige wurden keine Zusammenhänge nachgewiesen. Auch die Differenzierung der BSCType I-III führte zu keinen weiteren, signifikanten Zusammenhängen: „[D]ata did not support any significant difference in the usage of BSC Types I, II or III across industries.”283 Einschränkend ist anzumerken, dass für die Untersuchung des letztgenannten Aspekts lediglich eine sehr kleine Stichprobe von n=42 zur Verfügung stand. x Auch LINGNAU/HENSELER/JONEN berücksichtigen die Branchenzugehörigkeit bei ihren Analysen. Da eine sehr feine Gliederung der Branchen auf Grund der relativ geringen Stichprobengröße je Branche nur geringe Aussagekraft hätte, fassen die Autoren die Branchen zusammen. Sie nutzen dafür die Klassifikation „Sachleister“ und „Nicht-Sachleister“, ohne die mit dieser Kategorisierung verbundenen Hypothesen darzustellen.284 Für die gewählte Klassifikation konnte zwischen den beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied bezüglich des Einsatzes der BSC festge-
280 281 282
283 284
Vgl. nochmals den aktuellen Literaturüberblick von Chenhall (2003). Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 375. Sie nutzen hierzu ein „classification system which is standard in Germany.“ Die unterschiedenen Branchen sind: Automobile/Transport; Banks/Financial Services; Chemicals/Pharmacy; Construction; Consumer/Retail; Insurances; Machinery/Industry; Software/Technology; Utilities/Telecommunication; vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 375. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 375. Als überwiegendene „Sachleister“ definieren die Autoren: Automobile, Basic Resources, Chemicals, Construction, Consumer Cyclical, Food/Beverages, Industrial, Machinery, Pharma/Healthcare Technologies; vgl. Lingnau/Henseler/Jonen (2004), S. 28.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
64
Teil C
stellt werden.285 Offen bleibt jedoch, ob eine feinere Gliederung der Branchen zu anderen Ergebnissen geführt hätte. Die vorliegenden Untersuchungen können damit keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Branchenzugehörigkeit und BSC-Einsatz nachweisen. Auch bei einer Differenzierung der BSC Typen I-III kann der Industriesektor die unterschiedlichen Implementierungsstände nicht erklären. Zu berücksichtigen sind bei diesem Ergebnis jedoch die genannten Aspekte der Stichprobengröße und der Wahl einer geeigneten Branchenkategorisierung. 2.1.4
Weitere Kontextfaktoren
Die genannten Studien untersuchen einzelne weitere Kontextfaktoren. Da diese jeweils von nur einer Untersuchung betrachtet werden und somit ein Vergleich der Ergebnisse nicht möglich ist, werden diese hier zusammengefasst dargestellt. Im Einzelnen betrachten die Arbeiten die Zusammenhänge zwischen BSC-Einsatz und Produktlebenszyklus, Umweltunsicherheit, Marktposition sowie der Investition in immaterielle Vermögensgegenstände: x Neben den bereits erwähnten Faktoren untersuchen HOQUE/JAMES auch den Einfluss der Lebenszyklusposition der Produkte eines Unternehmens auf den Einsatz der BSC. Sie differenzieren dazu die Phasen Einführung, Wachstum, Reife, Sättigung und Rückgang. Die Autoren unterstellen, dass Organisationen mit Produkten in frühen Phasen des Lebenszyklus traditionelle Controllinginstrumente, wie z.B. Budgetierung, weniger nutzen als Unternehmen mit Produkten in den späteren Phasen.286 Sie vermuten daher einen verstärkten Einsatz der BSC bei Unternehmen mit Produkten in den frühen Lebenszyklusphasen Einführung und Wachstum. Ihre Daten bestätigen diesbezüglich einen signifikanten Zusammenhang: „[T]he regression analysis shows the positive association between early product life-cycle stage and greater reliance on BSC.”287 Zu berücksichtigen sind wiederum die Aussagen zur Operationalisierung des BSC-Konstrukts in der Untersuchung von HOQUE/JAMES.
285 286 287
Vgl. Lingnau/Henseler/Jonen (2004), S. 28. Vgl. Hoque/James (2000), S. 3; vgl. auch Merchant (1984), S. 292f. Hoque/James (2000), S. 11.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
65
x HENDRICKS/MENOR/WIEDMAN untersuchen zusätzlich auch den Zusammenhang von BSC-Einsatz und Umweltunsicherheit. Sie verweisen auf die Erkenntnisse früherer Untersuchungen der Controllingforschung, „that the demand for broad-based information systems incorporating non-financial measures was positively associated with perceptions of environmental uncertainty.”288 Sie operationalisieren Unsicherheit durch Nachfragevolatilität und können einen signifikanten positiven Zusammenhang mit dem Einsatz der BSC feststellen.289 Die bereits genannten Einschränkungen gelten jedoch auch hier. x Der Einfluss des Kontextfaktors Markposition wird von HOQUE/JAMES untersucht. Sie unterstellen, dass Unternehmen in einer schwachen Marktposition einen größeren Bedarf an Anpassungsfähigkeit und Kreativität haben als an interner Kommunikation. Der Einsatz traditioneller Controllinginstrumente sei daher weniger ausgeprägt als in Unternehmen mit starker Position am Markt.290 Marktposition wird dabei durch den Umsatzanteil am Gesamtmarkt operationalisiert. Auf Grund der Stärken der BSC zur internen Kommunikation vermuten sie einen positiven Zusammenhang zwischen BSC-Einsatz und starker Marktposition: „A lesser demand for internal communication suggests a lower deployment of sophisticated management systems such as the BSC.“291 HOQUE/JAMES können jedoch keinen entsprechenden signifikanten Zusammenhang nachweisen.292 x HENDRICKS/MENOR/WIEDMAN untersuchen zusätzlich den Faktor Investitionen in immaterielle Vermögensgegenstände. Da die BSC die Bedeutung immaterieller Vermögensgegenstände betont vermuten die Autoren, „that the propensity to adopt the BSC was positively related to the firm’s investment in intangible assets.“293 Sie können jedoch keinen signifikanten Zusammenhang feststellen.294 Die gewählte Operationalisierung („ratio of intangible assets to total assets“) könnte auf Grund der konservativen bilanziellen Bewertung immaterieller Vermögenswerte den Wert des immateriellen Vermögens in Unternehmen allerdings unterschätzen.
288 289 290 291 292 293 294
Hendricks/Menor/Wiedman (2004), S. 5. Vgl. Hendricks/Menor/Wiedman (2004), S. 5. Vgl. Hoque/James (2000), S. 4; vgl. auch Merchant (1984), S. 292f. Hoque/James (2000), S. 4. Vgl. Hoque/James (2000), S. 9f. Hendricks/Menor/Wiedman (2004), S. 5. Vgl. Hendricks/Menor/Wiedman (2004), S. 5.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
66
Teil C
Die Untersuchung einzelner weiterer Kontextfaktoren liefert den Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang von BSC-Einsatz und Produkten in einer frühen Phase des Lebenszyklus sowie hoher Umweltunsicherheit. Keine Zusammenhänge konnten hingegen für die Faktoren Marktposition und Investition in immaterielle Vermögensgegenstände festgestellt werden. 2.2
Untersuchungen zu Barrieren und Erfolgsfaktoren der Implementierung
Eine zweite Gruppe von Untersuchungen fokussiert auf den Implementierungsprozess. Die Beiträge untersuchen Widerstände und Barrieren im BSC-Implementierungsprozess oder – gewissermaßen spiegelbildlich – Erfolgsfaktoren der BSC-Implementierung. Die vorgestellten Beiträge liefern damit Hinweise darauf, wie die Gestaltung des Implementierungsprozesses den erreichten Implementierungsstand beeinflussen kann und können damit ebenfalls zur Erklärung des Implementierungsstands der BSC beitragen. 2.2.1
Barrieren im Prozess der BSC-Implementierung
Die Implementierung der BSC wird von vielfältigen Faktoren beeinflusst, die nicht selten zu unintendierten Verläufen und Ausgängen des Implementierungsprozesses führen.295 Häufig werden vor allem scheinbar irrationale, nicht nachvollziehbare Widerstände der Mitarbeiter gegen eine Veränderungsinitiative als Gründe für unerwünschte Implementierungsverläufe angeführt: „People resisting change are irrational and ignorant for the need for change, and thus delay necessary progress.“296 Bei der Analyse von Implementierungsverläufen ist jedoch weniger das Erkennen von derartigen Schwierigkeiten und Widerständen (als Symptom) von Relevanz, als vielmehr die Identifikation der sie bedingenden Barrieren (als Ursache).297
295 296
297
Vgl. Kasurinen (2002), S. 341. Granlund (2001), S. 143. Als aktive Widerstandsformen lassen sich Gegenargumentation, Vorwürfe, Drohungen, Polemik, sturer Formalismus, Intrigen, Gerüchte oder Cliquenbildung nennen; als passive Widerstandsformen werden z.B. Schweigen, Bagatellisieren, ins Lächerliche ziehen, Unwichtiges debattieren, Gleichgültigkeit, Unaufmerksamkeit, Resignation, innere Emigration, Fernbleiben oder Krankheit genannt; vgl. Doppler/Lauterburg (2002), S. 325f. „Resistance to change is not the fundamental problem to be solved. Rather, any resistance is usually a symptom of more basic problems underlying the particular situation. Resistance can serve as a warning signal directing the timing of technological changes.” Judson (1966), S. 69. Widerstände sollten demnach als Indikatoren von Unzulänglichkeiten im Implementierungsprozess berücksichtigt werden und nicht automatisch mit negativen Einstellungen gleichgesetzt werden; vgl. Parvis-Trevisany (2006), S. 77f.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
67
Bezüglich der Implementierung der BSC gibt es eine Vielzahl von Beiträgen – üblicherweise Fallstudien –, die auf (einzelne) Barrieren im Einführungsprozess hinweisen.298 In Ermangelung einer grundlegenden Zusammenführung der identifizierten Problembereiche hat sich hierzu bislang jedoch nur ein begrenztes Problemverständnis entwickelt. Spezifisch für die BSC entwickelt lediglich KASURINEN eine Barrierentypologie, die unvollständig bleibt.299 Zur Vorstellung der für die BSC identifizierten Barrieren wird daher auf die bereits dargestellte, systematisch abgeleitete Typologie von PARVIS-TREVISANY/SCHÄFFER zurückgegriffen.300 Ausgehend von der handlungsleitenden Ordnung unterscheiden sie individuelle interne Modellbarrieren, korporative interne Modellbarrieren sowie externe Modellbarrieren. 2.2.1.1
Individuelle interne Modellbarrieren
Individuelle interne Modellbarrieren liegen vor, wenn inadäquate interne Modelländerungen des individuellen Akteurs implementierungskonformes Verhalten behindern. Hierzu zählen konträre Ansichten, Einstellungen und Erwartungen. Die durch die Implementierung der BSC angestrebten internen Modelländerungen gelingen in diesem Fall nicht oder nicht ausreichend.301 Als ausschlaggebend hierfür werden akteursspezifische Fähigkeitsbegrenzungen und abweichende Präferenzen vermutet. Individuelle interne Modellbarrieren können dabei sowohl bei den zukünftigen Nutzern als auch bei den Implementierungsträgern vorliegen, so dass zwei Akteursrollen differenziert werden können: der von der Implementierung betroffene Akteur auf der Anwendungsebene und der für die Implementierung verantwortliche Akteur auf der Projektebene.
298 299
300 301
Vgl. z.B. Ahn (2001); Malmi (2001); Kasurinen (2002); Wagner/Kaufmann (2004); Papalexandris/Ioannou/Prastacos (2004); Wenisch (2004); Tuomela (2005). Kasurinen (2002) entwickelt auf Basis einer Fallstudie zu einer BSC-Implementierung eine Barrierentypologie, in der er „confusers“, „frustrators“ und „delayers“ als potentielle Problembereiche der Implementierung differenziert. Auf Grund des funktionellen Charakters der Typologie ist eine durchgängige Zuordnung einzelner Faktoren zu einem der drei Barrieretypen jedoch schwierig. Abhängig vom betrachteten Unternehmen werden sich immer andere Konstellationen möglicher Problembereiche ergeben, denen im jeweiligen Kontext unterschiedliche funktionelle Wirkungen (confuser, frustrator, delayer) zugesprochen werden können. Kasurinen lässt darüber hinaus Barrieretypen unbeachtet, so z.B. die Fähigkeitsbegrenzungen der zukünftigen Anwender; vgl. hierzu auch Parvis-Trevisany (2006), S. 88f. Für die Bedeutung von Fähigkeitsbegrenzung der BSC-Anwender vgl. z.B. die Ergebnisse von Lipe/Salterio (2000). Vgl. dazu nochmals Abschnitt B1.2.3. Zur Beharrungstendenz interner Modelle vgl. nochmals Abschnitt B1.2.2.1.
68
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
2.2.1.1.1
Anwendungsebene
Teil C
Fähigkeitsdifferenzen Damit eine nachhaltige Nutzung gelingt, verlangt die Implementierung der BSC von den Anwendern zunächst die Auseinandersetzung mit dem neuen Instrument, um im Zuge eines Lernprozesses ein hinreichendes Verständnis für dessen Anwendung zu generieren.302 Noch näher zu erläuternde Experimente zu so genannten „judgemental effects“303 der BSC verdeutlichen jedoch, dass es auf Grund von Defiziten der Lernfähigkeiten von Akteuren im Rahmen der BSC-Anwendung zu Urteilsverzerrungen kommen kann. Denn mit der Einführung der BSC kan die Zahl der zentralen Kennzahlen steigen.304 Auf Grund der kognitiven Begrenzungen von Akteuren und hier insbesondere ihrer Bewertungsfähigkeit kann die Verwendung der BSC als Kennzahlensystem diese daher an die Grenzen ihrer Verarbeitungskapazität führen („information overload“) und so zu Fehlinterpretation verleiten.305 So zeigen die Experimente z.B., dass die große Anzahl von Kennzahlen die Verarbeitungskapazitäten von Vorgesetzten bei der Leistungsbeurteilung überschreiten und diese damit beeinträchtigen kann.306 Eingeschränkte Bewertungsfähigkeiten können demnach die intendierte Anwendung der BSC zu erschweren. Neben den Lernfähigkeiten ist auch die Realisationsfähigkeit tangiert, da diese beeinflusst, inwieweit ein Akteur es vermag, ein neues Instrument tatsächlich in adäquater Weise anzuwenden. So können mangelnde fachliche und methodische Kenntnisse oder ein ungenügendes konzeptionelles Verständnis dazu beitragen, dass die intendierte Anwendung des Instruments nicht gelingt. Auch auf Barrieren in BSC-Implementierungsprozessen auf Grund solcher Beschränkungen der Realisationsfähigkeit weisen Fallstudien hin. Dabei geht es insbesondere um die für die BSC wesentliche UrsacheWirkungslogik.307 So weist AHN bei der Darstellung der Probleme einer BSC-
302 303 304 305 306 307
Vgl. Parvis-Trevisany (2006), S. 99ff. Lipe/Salterio (2000), S. 283. Vgl. Malmi (2001), S. 210; Lipe/Salterio (2002), S. 531; Hoque (2003), S. 563. Vgl. Lipe/Salterio (2002), S. 531; Andon/Baxter/Mahama (2005), S. 33. Vgl. Lipe/Salterio (2000), S. 296f.; Lipe/Salterio (2002), S. 532. Diesbezüglich weist bereits Malmi in seiner Untersuchung von 17 finnischen BSC-Anwendern aus dem Jahr 1998 darauf hin, dass die Idee der Ursache-Wirkungsbeziehungen offenbar wenig bis gar nicht verstanden wird. Zwar geben nahezu alle Firmen an, dass der Ableitung der Kennzahlen in der BSC eine Ursache-Wirkungslogik zu Grunde liegt. Die Nachfrage nach Beispielen für solche Beziehungen zeigt jedoch, „[that] the claimed link appeared weak in most companies.“ Malmi (2001), S. 210.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
69
Implementierung bei der ABB Industrie AG in der Schweiz im Jahr 1999 auf Schwierigkeiten bei der Ableitung von Ursache-Wirkungsketten hin.308 Auch WAGNER/KAUFMANN identifizieren in ihrer Mehrfachfallstudie zur BSC-Implementierung in Beschaffungseinheiten in sieben Unternehmen Probleme bei der Identifikation durchgängiger Ursache-Wirkungsketten sowie der Fokussierung auf die wichtigsten Beziehungen.309 PAPALEXANDRIS/IOANNOU/PRASTACOS letztlich, die eine BSCImplementierung in einem griechischen Softwareunternehmen analysieren, betrachten ebenfalls die Ableitung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen.310 Diese werden im Fallbeispiel als letztlich subjektive, „speculative correlation“ erachtet und der Erstellungsprozesses als zu komplex charakterisiert. Eine derartige Überforderung der beteiligten Akteure wird als möglicher Grund für divergierende Implementierungsstände genannt: „This complexity might also encourage organisations to attempt partial application of the system, in which case the benefits of the implementation will be limited.”311 Präferenzdifferenzen Neben solchen akteursspezifischen Fähigkeitsbegrenzungen können abweichende Präferenzen ursächlich für interne Modellbarrieren sein. Von Präferenzdifferenzen wird gesprochen, wenn die Ordnung der gewünschten Zustände des handelnden Akteurs von den Präferenzen des korporativen Akteurs in Bezug auf die Implementierung abweicht.312 Dabei wird angenommen, dass Akteure ihren individuellen Nutzen durch Realisieren der gewünschten Zustände maximieren. Ein Implementierungsprojekt wird demnach danach beurteilt, in wie weit dieses die Befriedigung eigener Bedürfnisse und die Realisierung persönlicher Interessen tangiert. Bei Bedrohung ihrer Bedürfnisse oder persönlichen Interessen erfolgt kein proaktives Veränderungsverhalten der betroffenen Akteure. Ausschlaggebend für die Bewertung sind damit die den gewünschten Zuständen zu Grunde liegenden Motive. Dabei können von BSC-Implementierungen ökonomische Motive, Beziehungsmotive oder Wachstumsmotive berührt werden. Ökonomische Motive beschreiben das Streben nach physiologischer und wirtschaftlicher Sicherheit.313 Eine durch die Einführung der BSC bedingte Verschlechterung der persönlichen Situation, z.B. in Form von finanziellen Einbußen, veränderten Arbeits-
308 309 310 311 312 313
Ahn (2001), S. 453. Vgl. Wagner/Kaufmann (2004), S. 275. Vgl. Papalexandris/Ioannou/Prastacos (2004), S. 364. Papalexandris/Ioannou/Prastacos (2004), S. 364. Vgl. hier und im Weiteren Parvis-Trevisany (2006), S. 125ff. Vgl. hier und im Weiteren Parvis-Trevisany (2006), S. 133f.
70
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
bedingungen oder Mehrarbeit kann zu Frustration und Ablehnung führen.314 So beschreibt z.B. AHN in seiner Fallstudie, dass die Einführung neuer, zusätzlicher Kennzahlen im Rahmen der BSC-Projekts zu Akzeptanzproblemen führte.315 Auch WAGNER/KAUFMANN identifizieren Widerstände auf Grund der durch die BSC induzierten Mehrarbeit. So nennen sie die unzureichende Personalausstattung für die Verfolgung der in der BSC formulierten Initiativen als einen Grund für schwindende Akzeptanz nach der Einführungsphase.316 TUOMELA wiederum stellt in seiner Langzeitfallstudie (1996-2000) einer Tochtergesellschaft von ABB Finnland „some resistance to increased reporting”317 fest, die sich in „lower level managers’ reluctance to report the required figures“318 äußerte. Die interaktive Nutzung der BSC führte darüber hinaus zu häufigeren und längeren Besprechungen; auch hiergegen äußerte sich Widerstand.319 Die erhöhte Sicht- und Messbarkeit der eigenen Leistung kann darüber hinaus dazu führen, dass Akteure negative Konsequenzen durch die Einführung der BSC fürchten; auch in diesem Fall sind ökonomische Motive tangiert. So beschreibt KASURINEN in der bereits zitierten Fallstudie einer BSC-Einführung in Finnland die „increasing visibility to divisional management“320 als eine Barriere im Implementierungsprozess. Auch WAGNER/KAUFMANN identifizieren für die von ihnen untersuchten Unternehmen entsprechende Widerstände.321 TUOMELA wiederum beschreibt ein Beispiel für offenen Widerstand in Zusammenhang mit der Erhöhung der Transparenz durch die BSC: „In the process of implementing new performance measures some managers may feel threatened, since balanced performance measurement systems limit possibilities to protect themselves from scrutiny and questioning …“322 Der betreffende Mana-
314
315 316 317 318 319 320 321
322
Dazu können die Unsicherheit und Angst treten, dem neuen Instrument nicht gewachsen zu sein, oder aber eine weitgehende Zufriedenheit mit dem Status Quo, z.B. auf Grund vergangener Erfolge. Ökonomische Motive sind auch betroffen, wenn mit der Einführung der BSC kein neuer Erkenntnisgewinn verbunden oder eine inadäquate Datenqualität und -aktualität beanstandet wird; vgl. Parvis-Trevisany (2006), S. 133f. Vgl. Ahn (2001), S. 453. Vgl. Wagner/Kaufmann (2004), S. 276. Tuomela (2005), S. 305. Tuomela (2005), S. 307. Vgl. Tuomela (2005), S. 293. Kasurinen (2002), S. 337. „At the beginning of the project most managers welcomed the BSC concept as a means of not being measured solely by financial results. They also thought it would be beneficial for them if they would demonstrate their efforts and activities more comprehensively. After a while, however, when these managers realized that their areas of responsibility became far more transparent to the top executives, some tried to boycott further BSC activities.“ Wagner/Kaufmann (2004), S. 276. Tuomela (2005), S. 312.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
71
ger in seiner Fallstudie ignorierte und torpedierte das BSC-Projekt in vielfacher Hinsicht,323 da er sich von der erhöhten Sichtbarkeit durch das neue Instrument bedroht sah.324 Verstärkend kommt laut TUOMELA hinzu, dass die BSC im betrachteten Unternehmen interaktiv genutzt wurde: „[I]nteractive use of performance measures may actually be viewed as even more threatening by certain individuals. Interactive discussion of strategic problem areas increase the visibility of actions, and strengthen accountability to peers – even more than in diagnostic control.”325 Auch Beziehungsmotive können ursächlich für Widerstände in BSC-Implementierungsprozessen sein, wie eine Fallstudie zeigt. Anders als bei ökonomischen Motiven beruhen die Widerstände in diesem Fall auf der Angst vor dem Verlust eines aufgebauten Beziehungsgeflechts.326 So streben Akteure nach einer Beibehaltung ihrer Machtposition, Privilegien oder Verantwortungsbereiche. Der Wunsch nach sozialer Anerkennung beinhaltet auch die Würdigung und Bestätigung der eigenen Leistung und der erbrachten Beiträge durch Dritte; die Akteure sind somit von den Einstellungen und Verhaltensweisen ihrer Kollegen und Vorgesetzten beeinflusst. Dies impliziert eine hinreichende soziale Akzeptanz des Implementierungsprojekts als eine Voraussetzung für dessen Erfolg. Im Rahmen von BSC-Implementierungen zeigen sich daher z.B. dann Probleme, wenn das Commitment des Top Managements oder der Projekt-Promotoren abnimmt. Damit geht einher, dass die zukünftige Priorität des BSC-Projekts unsicher wird, wie KASURINEN in seiner Fallstudie beschreibt. „The division general manager was an important sponsor of the case project. For him, the balanced scorecard seemed to provide a potential way to ‚educate’ the business unit managers in strategic issues. However, his resignation interrupted this education and sponsorship process … at a critical moment. This obviously increased the uncertainty related to the future role of the balanced scorecard.“327 Auch Wachstumsmotive lassen sich als ursächlich für Widerstände in BSCImplementierungsprozessen nennen. Wachstumsmotive beschreiben das Streben nach 323 324
325 326
Vgl. Tuomela (2005), S. 307. „In the case firm, the resistance on behalf of the Domestic Sales Manager was quite evident. Among peers he was known to be a successful budget ‚player’ and he was not enthusiastic about a new performance measurement system that placed more emphasis on his area of responsibility, i.e. the customer.“ Tuomela (2005), S. 312. Tuomela (2005), S. 312. Hervorhebung im Originial. Vgl. Parvis-Trevisany (2006), S. 135f. Beziehungsmotive beschreiben darüber hinaus das Streben nach sozialer Anerkennung, z.B. in Form von Aufmerksamkeit, Prestige, Respekt. Diese Motive erklären auch Widerstände, die bei Bedrohung des sozialen Status Quo auftauchen.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
72
Teil C
Selbstachtung, Selbstvertrauen, Verantwortung, Kompetenz und Leistungsfähigkeit sowie das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung.328 Damit einher geht die Angst vor Überforderung, aber auch die Tendenz, Neues als Kritik am Alten und Bewährten zu interpretieren. Zur Wahrung der eigenen Selbstachtung können Akteure daher zur Abneigung gegenüber der Veränderungssituation tendieren. So zeigt das Fallbeispiel von KASURINEN, dass Widerstände im Rahmen der BSC-Implementierung auch dadurch begründet sein können, dass die Veränderungsinitiative nicht aus dem betreffenden Bereich selbst stammt: „In addition, the so-called ‚Not Invented Here’ phenomenon (i.e. the lack of motivation to implement a change proposed by someone else) began to emerge, and the priority of the balanced scorecard project in the case unit decreased.”329 Neben Fähigkeitsdifferenzen können damit auch Präferenzdifferenzen der von der BSC-Implementierung betroffenen Akteure ursächlich für Widerstände im Einführungsprozess sein. Eine unzureichende Berücksichtigung von ökonomischen-, Beziehungs- und Wachstumsmotiven der Akteure kann somit dazu führen, dass das Instrument nicht im intendierten Sinn eingeführt wird. 2.2.1.1.2
Projektebene
Fähigkeitsdifferenzen Auch auf der Ebene der für die Implementierung verantwortlichen Akteure können Fähigkeitsdifferenzen auftreten.330 Als Implementierungsinitiatoren haben die Akteure dieser Ebene eine durchsetzende Funktion. Sie verantworten die Einführung des neuen Instruments und versuchen, die Akteure zur intendierten Handlungsänderung zu bewegen. Hierfür ist ihre Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Dritten von Relevanz. Diese kann in sich defizitär sein (z.B. mangelhafte Kommunikations-, Motivations- oder Organisationsfähigkeit) oder auf Grund spezifischer Beschränkungen der Lernfähigkeit nicht ausreichend ausgeprägt sein. Der für die Implementierung verantwortliche Manager nimmt dann mitunter die Situation und das Gesamtprojekt anders wahr als die
327 328 329 330
Kasurinen (2002), S. 337. Vgl. Parvis-Trevisany (2006), S. 136f. Vgl. Kasurinen (2002), S. 337. Vgl. im Folgenden Parvis-Trevisany (2006), S. 138ff.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
73
betroffenen Akteure, wodurch es zu einem inadäquaten Einsatz möglicher Maßnahmen kommen kann: „Resistance may be caused by change agent errors.“331 Hinsichtlich der Implementierung der BSC und auf Basis der zu Grunde gelegten Fallstudien finden sich keine Hinweise auf Barrieren, die auf Fähigkeitsdifferenzen der Implementierungsträger beruhen. Dies sollte jedoch nicht als Hinweis auf eine geringe Bedeutung dieses Barrieretyps missverstanden werden. Vielmehr zeigt ein Abgleich controllinginstrumentenspezifischer Barrierentypologien, dass dieser Barrieretyp allgemein geringe Beachtung findet.332 Als Ursache hierfür sei auf die bereits beschriebene Tendenz verwiesen, Widerstände als irrationales Verhalten der Mitarbeiter abzutun, ohne die Gründe hierfür zu erörtern. Präferenzdifferenzen Die gewünschten Zustände können auch auf Ebene der Implementierungsträger von den übergeordneten Zielvorstellungen des Unternehmens abweichen. Auch hier sind die Präferenzen und zu Grunde liegenden Motive der Akteure von Relevanz. Auf Basis der vorliegenden Falluntersuchungen zu BSC-Implementierungen lassen sich Barrieren auf Ebene des für die Implementierung verantwortlichen Akteurs auf ökonomische Motive zurückführen. Vor allem unklare und konkurrierende Prioritäten unterschiedlicher Projekte können dazu führen, dass die Bereitschaft zur Umsetzung des Implementierungsprojekts sinkt. So kann die vorrangige Behandlung eines anderen Projekts deshalb erfolgen, weil dessen Realisierung für den Akteur lukrativer oder die Nichtrealisierung schwerwiegender ist.333 Exemplarisch zeigt dies wiederum die Untersuchung von KASURINEN. Im von ihm dargestellten Fallbeispiel wurde zeitgleich ein unternehmensweites Kennzahlensystem eingeführt, was die Priorität der BSC-Einführung im betrachteten Unternehmensbereich verringert hat: „The lack of coordination between various projects seemed to have created frustration and suspicion towards new initiatives in the case organization. … [T]he implementation of both, the balanced scorecard and the uniform operative indicator system, did not seem a realistic option. Accordingly, the business unit management was reluctant to implement the ‚competing’ system, which had not been created to provide information from their viewpoint. Fulfilling business area level informa-
331 332 333
Zaltman/Duncan (1977), S. 62. Vgl. Parvis-Trevisany/Schäffer (2006), S. 76. Vgl. Parvis-Trevisany (2006), S. 158.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
74
Teil C
tion needs was, however, compulsory, and the division or business unit projects could not be used as excuses for not delivering the information. This increased uncertainty about the case project’s future.“334 Kurz danach wurde das BSC-Projekt in dem von KASURINEN untersuchten Unternehmen abgebrochen. Auf Basis der vorliegenden Untersuchungen scheinen Präferenzdifferenzen auf der Projektsteuerungsebene einen Einfluss auf den Verlauf von BSC-Implementierungen nehmen zu können. Auch wenn keine Hinweise auf mögliche Fähigkeitsdifferenzen vorliegen, können demnach interne Modellbarrieren auch auf Ebene der projektverantwortlichen Akteure zu Widerständen gegen das Veränderungsprojekt und unintendierten Implementierungsverläufen führen. 2.2.1.2
Korporative interne Modellbarrieren
Als korporative interne Modellbarrieren beschreibt die Barrierentypologie inadäquate interne Modelle auf der Ebene relevanter korporativer Akteure.335 Im Unternehmenskontext können unternehmenskulturelle Werte und Normen als übergeordnete Einheit sowie gruppenspezifische Werte und Normen als subkulturelle Ausprägung potentielle korporative interne Modellbarrieren darstellen. Unternehmenskultur sei dabei nach SCHEIN als die Gesamtheit von Normen, Wertvorstellungen und Denkhaltungen definiert, die das Verhalten der Mitarbeiter prägen.336 Stimmen Prämissen und Annahmen neuer Controllinginstrumente nicht mit den vorherrschenden unternehmens- oder bereichskulturellen Wertvorstellungen überein, kann es zu nicht intendierter Anwendung bis hin zur vollständigen Abstoßung des neuen Instruments kommen. Korporative interne Modellbarrieren bedürfen keiner rollenspezifischen Differenzierung, da unternehmenskulturelle und gruppenspezifische Werte und Normen Implementierungsnutzer und -träger in ähnlicher Weise beeinflussen. Für BSC-Implementierungen weisen Untersuchungen auf Widerstände hin, die sich auf unternehmenskulturelle Werte und Normen zurückführen lassen. So zeigt KASURINEN in seiner Fallstudie, dass die vorherrschende technikorientierte „Ingenieurkul-
334
335 336
Vgl. Kasurinen (2002), S. 334. Der Business Unit General Manager beschreibt die „Verdrängung” der BSC-Initiative mit den Worten: „We would need this kind of measurement system … however, these compulsory (systems e.g. the group reporting) tend to overtake these, could we say, voluntary ones (refers to the case project) …” Kasurinen (2002), S. 335, ohne Hervorhebung des Originals. Vgl. Parvis-Trevisany (2006), S. 161ff. Vgl. Schein (2004), S. 17ff.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
75
tur“ das Verständnis der BSC als ein Instrument der Strategieimplementierung erschwert.337 Im dargestellten Fall verhindert die vorherrschende Unternehmenskultur so die Einführung eines umfassenden, strategisch-orientierten Instruments: „[T]he ‚engineering culture’ tended to weaken the role of strategies and strengthen the role of diagnostic measurement in the case organization. ... On this basis, it is understandable that when given an option, the business unit managers voted for the implementation of the more operational cockpit type of balanced scorecard.”338 Korporative interne Modellbarrieren erscheinen in diesem Fall somit dafür (mit-)verantwortlich, das die Implementierung der BSC als Managementsystem nicht gelingt und die BSC-Einführung letztlich scheitert. In ihrer Untersuchung einer BSC-Einführung in fünf Unternehmensbereichen der Sparte für Kommunikationselektronik eines deutschen Elektronikkonzerns weist auch WENISCH auf den Einfluss unternehmenskultureller Barrieren hin. Auf Basis ihrer Beobachtungen bestätigt sie die Ergebnisse KASURINENS: „As he found, such a culture [engineering culture] suppresses change in the case of the BSC since it strengthens the perception of the BSC as a diagnostic measurement tool, assessing financial and nonfinancial measures instead of a strategic planning tool. Looking at the data of this study, the same symptoms as described by Kasurinen became visible. Following explicit statements and observations, it seems that the majority of people interviewed regard the BSC as ‚another reporting tool’, partly complaining that the BSC is not suitable to fixing operational problems.“339 Darüber hinaus weist sie auf Basis ihrer Untersuchungen auf die Bedeutung einer offenen und partizipativen Kommunikationskultur hin. Dies entspricht, so WENISCH, den impliziten Voraussetzungen für den Einsatz der BSC und erleichtert daher die Implementierung des Instruments.340 Es zeigt sich, dass unternehmens- oder bereichskulturellen Wertvorstellungen, die von den Prämissen und Annahmen der BSC abweichen, zur nicht intendierten Anwendung bis hin zum vollständigen Abstoßung des Instruments beitragen können. Zum einen scheint eine technik- und detailorientierte „Ingenieurkultur“ nach den oben dargestellten Erkenntnissen dem strategischen Charakter der BSC zu widersprechen. Zum ande-
337 338 339 340
Vgl. Kasurinen (2002), S. 334. Kasurinen (2002), S. 337. Wenisch (2004), S. 185. Vgl. Wenisch (2004), S. 186.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
76
Teil C
ren erleichtert eine offene und partizipative Kommunikationskultur die Implementierung, da diese eher dem auf Transparenz beruhenden BSC-Model entspricht.341 2.2.1.3
Externe Modellbarrieren
Als letzter Barrieretyp werden externe Modellbarrieren unterschieden. Diese können zunächst auf der Anwendungsebene vorliegen. Externe Modellbarrieren ergeben sich dort aus inadäquaten externen Modellen, die den Akteur in seiner Wahrnehmung, Prognose, Bewertung und damit letztlich seinem Handeln beeinflussen. Alle Verfahren, Prozesse, Instrumente und Strukturen wie z.B. Anreiz-, Planungs- und Kontrollsysteme oder formale organisationale Kompetenzzuweisungen können den Akteur potentiell in der intendierten Anwendung des neuen Controllinginstruments beeinträchtigen und damit externe Modellbarrieren darstellen. Externe Modellbarrieren können jedoch auch auf Ebene der Projektleitung die Implementierungsträger bei der intendierten Durchführung des Implementierungsvorhabens behindern. Denn externe Modelle wie implementierungsspezifische Entlohnungs- oder Kontrollsysteme unterstützen zwar den Implementierungsverantwortlichen bei der Projektsteuerung, wirken jedoch gleichzeitig handlungsleitend und beeinflussen so die Gestaltung des Implementierungsprozesses. 2.2.1.3.1
Anwendungsebene
Die Bedeutung der Integration der BSC mit den bestehenden Planungs-, Berichterstattungs-, Anreiz- und Informationssystemen und -prozessen wird von zahlreichen Autoren betont: „The way they [BSCs] are applied together with existing systems is likely to influence usefulness.“342 Auch Fallbeispiele zeigen, wie die Anwendung der BSC im „Tagesgeschäft“ und ihre nachhaltige Verankerung im Unternehmen durch eine inadäquate Adjustierung relevanter externer Modelle auf Führungsebene beeinträchtigt werden. So beschreibt KASURINEN inadäquate Informationssysteme als Barriere bei der BSCImplementierung in einem finnischen Unternehmen. Im untersuchten Unternehmen
341
342
Zur Bedeutung von Transparenz und Kommunikation im BSC-Model vgl. auch Malina/Selto (2001), S. 75; Nilsson/Olve (2001), S. 351ff.; Papalexandris/Ioannou/Prastacos (2004), S. 364.; und Abschnitt C2.2.1.1.1. Malmi (2001), S. 217. Vgl. z.B. auch Mooraj/Oyon/Hostettler (1999), S. 486; Horváth (2000), S. 127; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 52ff.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
77
lieferten die bestehenden Systeme nicht die für die BSC notwendigen Informationen, so dass eine Anpassung der Informationssysteme notwendig gewesen wäre.343 WENISCH beschreibt in ihrer Untersuchung der BSC-Einführung in mehreren Einheiten eines deutschen Großkonzerns die Konsequenzen einer unzureichenden Kongruenz von IT-Systemen und BSC: „In cases like Division ‚Cordless’ where the BSC data was entered manually into Excel spreadsheets, the entire BSC maintenance process seemed to be, as people felt, unnecessarily delayed. Similarly, in Division ‚Wireless’ which was affected by the close down of the EIS system [management information system used for BSC], the lack of IT-support caused a great deal of frustration on the side of the BSC administrator.“344 Auch WAGNER/KAUFMANN beschreiben mangelnde ITAnbindung und unzureichende Datenverfügbarkeit als eine Implementierungsbarriere in den von ihnen untersuchten Fallbeispielen.345 WAGNER/KAUFMANN betonen darüber hinaus die Bedeutung von regelmäßigen Reviews der BSC sowie einer BSC-basierten Berichterstattung für die Implementierung der BSC als strategisches Managementinstrument. Auf Basis ihrer Analyse von sieben Fallstudien stellen sie jedoch fest, dass viele Unternehmen in dieser Hinsicht „overly sluggish“346 verfahren. WAGNER/KAUFMANN halten daher „Missing BSC-reviews and reporting“ als eine weitere Barriere in BSC-Implementierungen fest. Die Autoren charakterisieren auf Basis ihrer Fallstudienanalysen darüber hinaus die mangelnde Anbindung der BSC an das Anreizsystem als Barriere. Demnach kann die mangelnde Anpassung der Anreize an die Ziele der BSC die intendierte Mentalitäts- und Verhaltensänderung verhindern.347 Ganz ähnlich schildert TUOMELA, wie in dem von ihm untersuchten Tochterunternehmen von ABB Finnland eine unzureichende Einpassung der BSC in das bestehende
343 344 345 346 347
Vgl. Kasurinen (2002), S. 338. Wenisch (2004), S. 183. Vgl. Wagner/Kaufmann (2004), S. 277. Wagner/Kaufmann (2004), S. 277. „From the top levels of the automotive supplier (G), i.e. from the CEO or the board, there was no directive that individual managers’ variable compensation depends upon reaching the P-BSC targets. Further, neither the business unit nor functional executives had budgets at their discretion for rewarding the achievement of those targets. Consequently, the likelihood of fast and successful PBSC and purchasing strategy implementation was reduced significantly. The company still suffered from the all-that-counts-is-savings mentality. … Likewise, only a few superiors at the packaging technology and machinery firm (A) used goals from the P-BSC for the annual goal setting with their subordinate purchasing employees. As a consequence, employees frequently assigned higher priorities to other goals than the strategic goals from the P-BSC.” Wagner/Kaufmann (2004), S. 278.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
78
Teil C
Gefüge externer Modelle das Erreichen der intendierten Verhaltensänderung erschwert. So wurde im untersuchten Unternehmensbeispiel die angestrebte Steigerung des Strategieverständnisses durch die Einführung der BSC durch eine mangelhafte Integration des neuen Instruments mit den bestehenden Systemen behindert: „Even though a specific purpose of the measurement system was to leverage managers’ understanding of strategic issues, the practical impact was constrained because the measures were not systematically communicated and integrated to the performance measurement and reward systems at all organizational levels. In other words, the strategy was not enforced at the operative level.”348 Eine mangelhafte Integration der BSC in das bestehende Gefüge der externen Modelle erscheint somit die Implementierung der BSC erschweren und die intendierte Verhaltensänderung verhindern zu können. Insbesondere die Verzahnung mit den ITSystemen, eine Einbindung der BSC in die bestehenden Reporting-Strukturen sowie die Verknüpfung mit dem Anreizsystem erscheinen auf Basis der betrachteten Fallstudien von Bedeutung. Andernfalls können Parallelprozesse, Doppelarbeit und inkonsistente Verhaltensanreize zu Barrieren im Implementierungsprozess der BSC erwachsen. 2.2.1.3.2
Projektebene
Auch auf der Projektebene können externe Modellbarrieren vorliegen. Externe Modelle auf dieser Ebene unterstützen den Implementierungsverantwortlichen bei der Projektsteuerung und wirken gleichzeitig handlungsleitend. Sie beeinflussen so die Gestaltung des Implementierungsprozesses. Inadäquate externe Modelle können den Implementierungsträger daher bei der intendierten Durchführung des Implementierungsvorhabens auch behindern.349 Hinsichtlich der Implementierung der BSC finden sich jedoch kaum Hinweise auf externe Modellbarrieren auf der Projektebene. Lediglich KASURINEN weist darauf hin, dass die Implementierung der BSC besondere Anforderungen an die Projektsteuerung stellt.350 Er beschreibt darüber hinaus in seinem Beitrag, dass die Zuweisung zusätzlicher Ressourcen die Formulierung der zu Grunde
348 349 350
Tuomela (2005), S. 307. Als Beispiele lassen hier eine unzureichende Zuweisungen von Kompetenzen und Ressourcen oder eine mangelnde Anreizgestaltung des Implementierungsverantwortlichen nennen. „Finally, it is worth emphasizing that the balanced scorecard is not a management accounting system in the traditional sense, but the implementation process calls for new characteristics which include the encouragement for individual ‚realization’ in the organization. Accordingly, new demands are also set for the project planning and resources. This was not necessarily realized completely at the early stages of the case project.” Kasurinen (2002), S. 338.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
79
gelegten Strategie und damit die Einführung der BSC in der untersuchten Unternehmenseinheit erleichtert hätte: „In the case project, for example, a more clear-cut business unit strategy could probably have been formulated with appropriate resources.“351 Auch die mangelhafte Ressourcenausstattung scheint damit zum Scheitern des untersuchten Fallbeispiels beigetragen zu haben. Darüber hinaus finden sich in der hier zu Grunde gelegten Literatur jedoch keine weiteren Hinweise auf externe Modellbarrieren auf der Projektebene. Dies sollte jedoch nicht als Indikator einer geringen Bedeutung missverstanden werden. Als ursächlich ist vielmehr die bereits erwähnte Tendenz zu vermuten, Schwierigkeiten in Implementierungen allein auf scheinbar irrationale Widerstände von Mitarbeitern zurückzuführen, ohne die Ursachen und Beweggründe näher zu hinterfragen. Auch ein Abgleich mit anderen controllinginstrumentenspezifischen Barrierentypologien zeigt, dass dieser Barrieretyp allgemein unzureichend beachtet wird.352
Ingesamt zeigt sich, dass Barrieren im Implementierungsprozess die BSC-Einführung beeinflussen können und ursächlich für unintendierte Implementierungsverläufe bis hin zum Scheitern des Einführungsprojekts sein können. Sie stellen damit einen weiteren Ansatz dar, um den Implementierungsstand der BSC zu erklären: „It might not be that easy to engage in using a new performance measurement model, since several controllable or uncontrollable factors can act as barriers to full implementation of such systems.”353 Dabei erscheinen insbesondere interne und externe Modellbarrieren auf der Anwendungsebene sowie korporative Modellbarrieren von Bedeutung zu sein. Einschränkend ist anzumerken, dass die einzelnen Fallstudien die Barrieren nicht systematisch aus einer strukturierten Typologie ableiten. Vielmehr fokussieren die Beiträge fall- und situationsspezifische Faktoren. Damit bleibt offen, ob die Darstellung der Barrieren vollständig ist bzw. wie die Priorisierung der präsentierten Barrieren erfolgt ist. Darüber hinaus bleibt bei Ergebnissen aus Einzelfallstudien offen, in wie weit die gemachten Beobachtungen und das spezifische Vorgehen auch auf andere Unternehmen, Kontexte und Verläufe von Implementierungsprozessen übertragbar sind.
351 352 353
Vgl. Kasurinen (2002), S. 338. Vgl. Parvis-Trevisany/Schäffer (2006), S. 76. Tuomela (2005), S. 294.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
80
2.2.2
Teil C
Erfolgsfaktoren im Prozess der BSC-Implementierung
Einen weiteren möglichen Erklärungsansatz stellen Erfolgsfaktoren der BSCImplementierung dar, die in der Literatur zur BSC vielfach postuliert werden (vgl. für eine Auswahl Tabelle 3). Die Analyse von Erfolgsfaktoren geht ursprünglich auf Versuche Anfang der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, systematisch diejenigen Faktoren zu separieren, von denen der Erfolg von Unternehmen beeinflusst wird. Als prominentes Beispiel hierfür gilt das PIMS-Projekt, das auf Basis eines Datensatzes von 3.000 strategischen Geschäftseinheiten 30 Erfolgsfaktoren identifizierte, die bis zu 80% der Varianz des Return on Investment der an der Studie beteiligten Unternehmen erklären konnten.354 Die Auflistungen von Erfolgsfaktoren zur Implementierung der BSC beruhen jedoch nicht auf einem derart strukturierten und statistisch abgesicherten Vorgehen. Vielmehr leiten die Autoren die Faktoren aus üblicherweise nicht näher erläuterten Praxiserfahrungen ab. Lediglich LAWSON/STRATTON/HATCH können bei der Ableitung der Erfolgsfaktoren auf eine großzahlige Erhebung unter BSC-Anwendern aufbauen.355 Auf Grund des mangelnden empirischen Charakters der meisten Beiträge zur Erfolgsfaktoren der BSC-Implementierung soll auf diese im Weiteren nicht ausführlich eingegangen werden. Tabelle 3 zeigt jedoch eine Auswahl typischer Auflistungen von Erfolgsfaktoren. Inhaltlich betonen die Autoren die sorgsame Planung der BSC-Einführung, das Erreichen der Akzeptanz von Mitarbeitern und Top Management oder die Einbindung der BSC in Planungs-, Anreiz- sowie IT-System. Damit spiegeln sich auch ein Teil der genannten Implementierungsbarrieren in den Erfolgsfaktoren wider. Wie schon bei den Barrieren, erscheint jedoch auch die Aussagekraft von Erfolgsfaktoren begrenzt, um den Implementierungsstand der BSC in der Praxis zu erklären. Zwar können aus solchen Beiträgen wichtige Erkenntnisse für die Implementierung geschlossen werden, jedoch kann die Auflistung von Faktoren nicht umfassend gelingen. Letztlich kann es eine unbegrenzte Zahl an Einflussfaktoren geben, die das Ergebnis von Implementie-
354 355
Vgl. Homburg (2000), S. 57ff.; Weber/Schäffer (2006), S. 369f. Für die Kritik an der betriebswirtschaftlichen Erfolgsfaktorenforschung vgl. March/Sutton (1997); Nicolai/Kieser (2002). Vgl. Lawson/Stratton/Hatch (2006c), S. 35. Die weltweite Onlinebefragung lieferte 382 verwertbare Fragebögen aus 44 Ländern. Hiervon gaben 193 (51%) Teilnehmer an, eine BSC einzusetzen.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
81
rungsprozessen in unterschiedlicher Weise beeinflussen können.356 Ein solches Vorgehen vermag damit nicht „to provide a detailed understanding of questions such as why did change initiatives become thwarted“.357
Beitrag
Vorgehen
Erfolgsfaktoren
Bodmer/Völker (2000)
Benchmarking von 5 BSCAnwendern
x Strategie-Check: Workshops zur Bestimmung strategischer Ziele x Verständnis des Geschäftsmodels: Einsatz von Prozessmodellen bzw. Heuristiken zur Identifikation von Kausalzusammenhängen x Kennzahlenfestlegung: Auswahl valider, nachprüfbarer, beeinflussbarer, klar definierter, gut erfassbarer Kennzahlen, für die sinnvolle Zielwerte definierbar sind x Einführungsprojekt: Pilotprojekt x Breite Umsetzung: breite Implementierung und DV-Integration x Verstetigung: Integration in Informationsprozesse, Geschäftsprozesse und Leistungsbewertungssystem
Venkatraman/Gering (2000)
Abgeleitet aus Praxiserfahrungen
x Make the strategy explicit: The organization’s strategy must be made explicit and made to form the basis for the scorecard x Choose the measures: The performance measures must be aligned with the strategy and the relations between the measures must be clearly understood x Define and refine: Performance measures must be put into place so that the scorecard becomes the language of the company x Deal with people: Above all, people and change management must be properly managed
Weber/Schäffer (2000b)
Abgeleitet aus Praxiserfahrungen
x Planung der Balanced Scorecard-Einführung: Umfang und Ziele x Hierarchieübergreifende Projektunterstützung: Top Management und Process Owner x Auswahl des Piloten und schneller erster Erfolg x Unternehmenskultur und Veränderungsbereitschaft x Besetzung des Balanced-Scorecard-Team: Perspektivenvielfalt, Teamgröße und Konstanz x Projektmanagement: Straffe Planung und starker Projektleiter x Kommunikation: Kontinuität und Offenheit x Externe Unterstützung: Objektivität und Wissenstransfer
Olve et al. (2004)
Abgeleitet aus Praxiserfahrungen
x x x x x x
356 357
Vgl. Granlund (2001), S. 145. Malmi (1997), S. 460.
Strategy maps: Visualize and communicate strategy Dialogues: Decide on situations to use BSC Roles: Consciously assign responsibilities and roles Interfaces: Choose Philosophy on BSC-interfaces Incentives: Design appropriate incentive system IT solutions: Be critical toward IT solutions
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
82
Teil C
Beitrag
Vorgehen
Erfolgsfaktoren (Fortsetzung)
Richardson (2004)
Abgeleitet aus Praxiserfahrungen
x Understand that the balanced scorecard is part of a bigger process that starts with strategy x Senior leadership involvement is critical! x Start with a clear vision for your balanced scorecard x Maximize balanced scorecard utilization by fully deploying it at all levels of the organization x Communicate – Communicate – Communicate! x Extend the balanced scorecard and make it „the way we work”
Pandey (2005)
Abgeleitet aus Praxiserfahrungen
x x x x x x
Lawson/Stratton/Hatch (2006b)
OnlineBefragung (n=382)
x x x x x
Top management commitment and support Determining the critical success factors (CSFs) Translating CSFs into measurable objectives (metrics) Linking performance measures to rewards Installing a simple tracking system Creating and linking the balanced scorecards at all levels of the organization x Setting up a sound organizational communication system to harness advantages of the balanced scorecard x Linking strategic planning, balanced scorecard, and budgeting process for better allocation of resources Link strategic planning and scorecarding system Buy-in from employees and management Executive sponsorship Deploying for the right reasons Optimal automation
Tabelle 3: Erfolgsfaktoren der BSC-Implementierung
2.3
Nutzungsorientierte Untersuchungen
Als letzte Gruppe werden im Weiteren Erkenntnisse zur Anwendung und Auswirkung des BSC-Einsatzes zusammengefasst. Diese nutzungsorientierten Untersuchungen überprüfen empirisch die Konsequenzen und „Nebenwirkungen“358 der BSCAnwendung als Kennzahlen- sowie als Managementsystem. Die Arbeiten beleuchten somit die Effektivität der Instrumentenanwendung hinsichtlich der angestrebten Zielsetzungen. Einzelne Beiträge versuchen darüber hinaus, einen positiven Beitrag der BSC-Anwendung zum Unternehmenserfolg nachzuweisen. Üblicherweise wird dabei zwar kein direkter Zusammenhang mit der Verbreitung oder dem BSCImplementierungsstand hergestellt. Die Schwierigkeiten, Problembereiche und Unzulänglichkeiten, die diese Studien aufdecken, stellen jedoch Anhaltspunkte dafür dar,
358
Pfaff/Kunz/Pfeiffer (2000), S. 129.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
83
warum Unternehmen sich gegen den weitergehenden und/oder fortgesetzten Einsatz der BSC entscheiden könnten. 2.3.1
Nutzung der BSC als Kennzahlensystem
Das Kennzahlensystem BSC nimmt idealtypisch einen die gesamte Wertschöpfungskette umfassenden, ausgeglichenen Blick auf das Unternehmen ein. Die traditionelle finanzielle Perspektive auf das Unternehmen wird um eine Kunden-, eine Prozess- und eine Lern- und Entwicklungsperspektive ergänzt. Als Kennzahlen – KAPLAN/NORTON empfehlen die Aufnahme von je vier bis sieben359 – treten innerhalb dieser vier Perspektiven vorlaufende Leistungstreiber neben finanzielle Ergebnisgrößen. Bei der Darstellung der Vorteilhaftigkeit des Einsatzes der BSC als Kennzahlensystem wird davon ausgegangen, dass die relevanten Akteure die enthaltenen Informationen umfassend verarbeiten können: „While the BSC is portrayed as a superior decisionmaking tool enabling a holistic assessment of performance, this assumes managers can make sense of the information within it.“360 Obwohl die Beschränkung auf wenige Kennzahlen ein Ziel der BSC ist,361 kann mit Einführung der BSC und der damit verbundenen ausgewogenen Zusammenstellung von Kennzahlen aus mehreren Perspektiven die Zahl der steuerungsrelevanten Kennzahlen im Unternehmen auch steigen:362 „[F]irms adopting the BSC usually increase the number of performance measures they use and identify a much broader group of measures than those they have traditionally used.“363 Auf Grund ihrer kognitiven Begrenzungen kann die Verwendung der BSC als Kennzahlensystem die ökonomischen Akteure dann an die Grenzen ihrer Verarbeitungskapazität führen („information overload“364) und so zu Fehlinterpretation verleiten: „Research in psychology has found cognitive limits to the amount of information an individual can process. The implication of this research is that managers may encounter difficulties interpreting and reconciling multiple measures in a BSC.”365 Im
359 360 361 362 363 364 365
Vgl. Kaplan/Norton (1996a), S. 162. Andon/Baxter/Mahama (2005), S. 33. Vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 72f. Vgl. Malmi (2001), S. 210; Hoque (2003), S. 563. Lipe/Salterio (2002), S. 531. Ittner/Larcker (1998), S. 226; Hoque (2003), S. 563. Andon/Baxter/Mahama (2005), S. 33. Tests zur Ermittlung der Gedächtnisspanne haben ergeben, dass sich die meisten Menschen an 5 bis 9 Informationen erinnern können („the magical number seven, plus or minus two”); vgl. Miller (1956), S. 81ff.; Baddeley (1994), S. 355. „The BSC contains many more measures than this limit, suggesting that managers will find it difficult to utilize the information in the scorecard.” Lipe/Salterio (2002), S. 531.
84
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
Extremfall könnte die Einführung der BSC damit zu schlechteren Entscheidungen der Manager führen: „[A] large number of measures can reduce [decision-making] performance by exceeding managers’ processing capabilities when making judgements.”366 Eine Reihe von Experimenten befasst sich mit solchen so genannten „judgemental effects“367, d.h. dem Einfluss der Gestaltung des Kennzahlensystems auf die Beurteilungen der darin enthaltenen Informationen durch die Anwender. x In einem „widely replicated“368 Experiment mit 58 MBA-Studenten aus dem Jahr 2000 zeigen LIPE/SALTERIO, dass Vorgesetzte spezielle, auf Unternehmenseinheiten zugeschnittene Kennzahlen einer BSC („unique measures“) im Verhältnis zu allgemeinen, übergreifenden Indikatoren („common measures“) bei der Leistungsbeurteilung strikt unterbewerten und tendenziell vernachlässigen. Dieser so genannte „common measures bias“ besagt, dass Vorgesetzte die Leistung von Unternehmenseinheiten vor allem auf Basis gleicher Kennzahlen in den ihnen vorliegenden BSCs beurteilen. Dies widerspricht jedoch der Ausgangsidee der BSC als ausgewogenes Kennzahlensystem: „[S]ince financial measures are often common across business units, the unique nonfinancial measures may receive less attention. Underweighting nonfinancial and leading measures undermines the goals of the BSC, which was expressly designed to incorporate such measures into managerial thought and decision making …”369 LIPE/SALTERIO verdeutlichen mit ihrem Experiment, dass Vorgesetzte auf Grund kognitiver Beschränkungen ihrer Verarbeitungskapazität bei der Leistungsbeurteilung auf eine „simplifying decision strategy“370 zurückgreifen und bei der Meinungsbildung nur über alle BSCs vergleichbare Kennzahlen berücksichtigen.371
366 367 368 369 370 371
Ittner/Larcker (1998), S. 226. Vgl. auch im Überblick Schick/Gordon/Haka (1990), S. 200ff. Lipe/Salterio (2000), S. 283. Salterio/Webb (2003), S. 41. Lipe/Salterio (2000), S. 294. Lipe/Salterio (2000), S. 297. Vgl. Lipe/Salterio (2000), S. 293ff. Weiterführenden Experimente konnten seitdem zeigen, dass die Kommunikation der Bedeutung aller BSC-Kennzahlen (Roberts/Albright/Hibbets (2002), S. 1ff.), die Erhöhung der wahrgenommenen Qualität der Kennzahlen oder die persönliche Erläuterung der Leistung durch den Manager gegenüber dem Vorgesetzten (Libby/Salterio/Webb (2004), S. 1086ff.), die Kommunikation der Strategie der betrachteten Einheiten (Banker/Chang/Pizzini (2004), S. 3), Erfahrungen in der Anwendung der BSC (vgl. Dilla/Steinbart (2005b), S. 48) und die Verwendung eines formelbasierten Verfahrens der Leistungsbeurteilung („disaggregated Balanced Scorecard“, vgl. Roberts/Albright/Hibbets (2004), S. 76ff.) dem „common measures bias“ entgegenwirken können.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
85
x Im Jahr 2002 untersuchen LIPE/SALTERIO in einem weiteren Experiment mit 78 MBA-Studenten, ob die Präsentation von Kennzahlen in den vier BSCPerspektiven die Leistungsbeurteilung von Managern durch Vorgesetzte beeinflussen kann. Die Autoren können nachweisen, dass ein Manager, der innerhalb einer Perspektive relativ zu anderen Managern bessere Kennzahlenwerte aufweist, anhand der BSC signifikant besser beurteilt wird, als wenn dieselben Kennzahlen dem Vorgesetzten unsystematisch, d.h. nicht in Perspektiven gegliedert, vorgelegt werden.372 Die Organisation der Kennzahlen in Form der BSC-Perspektiven kann somit zu einer veränderten Leistungsbeurteilung führen. LIPE/SALTERIO können mit ihrem Experiment zeigen, dass die Gruppierung der Kennzahlen in vier Perspektiven dem „information overload“ entgegenwirkt und die Leistungsbeurteilung durch Vorgesetzte beeinflusst. Zur Erklärung dieses Befunds erläutern die Autoren, dass die Organisation der Kennzahlen in Perspektiven einen Zusammenhang der jeweiligen Kennzahlen suggeriert. Vorgesetzte bilden sich bei konsistenten Kennzahleninformationen innerhalb der Perspektive deshalb ein Gesamturteil für die Perspektive und kombinieren die vier Gesamturteile, anstatt alle Kennzahlen einzeln beurteilen zu müssen.373 x BANKER/CHANG/PIZZINIs Experiment mit 480 MBA Studenten aus dem Jahr 2004 erweitert die Untersuchungen von LIPE/SALTERIO um die Betrachtung von Kennzahlen mit explizitem Bezug zu strategischen Zielen des Unternehmens.374 Ihre Absicht ist es, „[to] examine whether managers rely on strategically linked measures more than non-linked or common measures …”375 Die Untersuchungen zeigen, dass Probanden bei der Beurteilung der Leistung von Unternehmenseinheiten (nur) dann signifikant stärker auf Kennzahlen mit Strategiebezug als auf unverbundene zurückgreifen, wenn sie zusätzliche, ausführliche Informationen zur Strategie der betrachteten Einheit erhalten. In diesem Fall haben die strategischen Kennzahlen auch einen stärkeren Einfluss auf die Leistungsbeurteilung als die bereits diskutier-
372 373
374
375
Vgl. Lipe/Salterio (2002), S. 532. „[T]he four category organization of the BSC may assist managers’ use of this large volume of measures by suggesting a way to combine and use the data. Specifically, decision makers may use a ‚divide and conquer’ strategy … where measures within each category are used to make an assessment of the category and these four assessments are then combined.” Lipe/Salterio (2002), S. 531f. „Since Lipe and Salterio (2000) did not categorize measures in terms of strategic linkages, their findings do not provide evidence on whether evaluators would rely on unique measures that are linked to business unit’s strategy.” Banker/Chang/Pizzini (2004), S. 2. Banker/Chang/Pizzini (2004), S. 2.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
86
Teil C
ten „common measures“.376 BANKER/CHANG/PIZZINI geben damit einen Hinweis auf die Bedeutung der Ursache-Wirkungsketten innerhalb der BSC: „The performance evaluators must understand the links between different elements of the business strategy …“377 Einschränkend bleibt übergreifend anzumerken, dass die dargestellten Erkenntnisse auf Experimenten beruhen. Diese erlauben zwar das kontrollierte Variieren von Einflussfaktoren unter Laborbedingungen, jedoch wurden alle drei Experimente mit MBA-Studenten durchgeführt, die nicht notwendigerweise Erfahrung in der simulierten Entscheidungssituation und mit der Anwendung der BSC haben müssen.378 Die dargestellten Experimente beziehen sich darüber hinaus allein auf den Fall der Leistungsbeurteilung von Unternehmenseinheiten oder Untergebenen. Die beschriebenen Effekte weisen aber auch für andere Entscheidungssituationen darauf hin, dass die Gestaltung des Kennzahlensystems BSC erheblichen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten von Akteuren haben kann. Wie die Hinweise auf einen möglichen „information overload“ deutlich machen, muss der Einsatz der BSC als Kennzahlensystem dabei aber nicht zwingend zu einer Verbesserung des Entscheidungsverhaltens führen, vielmehr sind sogar dysfunktionale Wirkungen vorstellbar. Das Kennzahlensystem BSC würde dann jedoch seinem Anspruch, das die Unternehmenssteuerung zu verbessern, nicht gerecht. In dieser Hinsicht können die dargestellten Aspekte einen möglichen Erklärungsansatz für den geringen Implementierungsstand der BSC darstellen. 2.3.2
Nutzung der BSC als Managementsystem
Das BSC-Konzept soll über die Funktion eines strukturierten, ausgewogenen Kennzahlensystems hinausreichen und als Managementsystem das Bindeglied zwischen der Entwicklung einer Strategie und ihrer Umsetzung darstellen. Empirische Belege darüber, wie effektiv konkrete Anwendungen der BSC als Managementsystem diese Forderung erfüllt, liegen in der Literatur nur vereinzelt vor: x Erste Hinweise auf den Nutzen der BSC als Managementsystem liefert eine Feldstudie von ITTNER/LARCKER/MEYER aus dem Jahr 1997. Die Autoren untersuchen
376 377 378
Vgl. Banker/Chang/Pizzini (2004), S. 18ff. Banker/Chang/Pizzini (2004), S. 22. Vgl. allgemein Dilla/Steinbart (2005a), S. 51.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
87
die Effektivität eines Entlohnungssystems auf BSC-Basis beim US-amerikanischen Finanzdienstleister General Financial Services (GFS). Durch die Befragung von Managern in den Niederlassungen zu zwei Zeitpunkten zeigen die Autoren, dass die Nutzung der BSC das Verständnis der Produktmanager hinsichtlich der Organisationsziele nicht verbessert hat: „The scorecard’s implementation brought little change in branch managers’ stated understanding of strategic goals or their connection to the managers’ actions.“379 Der subjektiv wahrgenommene Informationsgehalt der BSC hinsichtlich des Fortschritts der Strategieumsetzung sank durch die große Anzahl von Performancemaßen sogar ab.380 Im untersuchten Unternehmensbeispiel konnte die BSC demnach das Strategieverständnis nicht zusätzlich verbessern. Als Gründe hierfür lassen sich der geringe zeitliche Abstand zwischen BSCEinführung und Untersuchung sowie die Vermutung nennen, das alte System „may have communicated strategic and operational goals just as well as the broader, but more subjective, balanced scorecard.”381 Diese ernüchternde Einschätzung lässt sich jedoch vor dem Hintergrund relativieren, dass die in der Studie untersuchte BSC ein sehr frühes Beispiel aus der Unternehmenspraxis darstellt und als Typ I zu charakterisieren ist, d.h. auf die Darstellung der Strategie durch UrsacheWirkungsketten verzichtet.382 x MALINA/SELTO untersuchen im Rahmen einer Fallstudie die BSC-Anwendung eines großen, internationalen Unternehmens des produzierenden Gewerbes. Die Untersuchung basiert auf Daten aus Interviews mit BSC-Gestaltern, -Nutzern und Managern unterschiedlicher Vertriebseinheiten des Unternehmens. Die BSC wurde im Rahmen der Einführung einer neuen kundenorientierten Strategie von der Unternehmenszentrale vorgegeben und in den Vertriebseinheiten implementiert. Im-
379
380 381 382
Ittner/Larcker/Meyer (1997), S. 29 und Ittner/Larcker/Meyer (2003), S. 750. Dieses Ergebnis deckt sich mit einer Erhebung der Beratungsgesellschaft Towers Perrin aus demselben Zeitraum. Demnach geben 64% der befragten Unternehmen zwar an, dass der Mehrwert der BSCAnwendung und die Zufriedenheit mit dem Instrument höher und signifikant höher als bei anderen Ansätzen des Performance Measurement sind. Dennoch schätzen nur 37% der Befragten, dass die Verwendung der BSC das Verständnis der Mitarbeiter bezüglich der Bedeutung und des Inhalts der strategischen Unternehmensziele verbessert, während 18% die BSC in dieser Hinsicht als weniger geeignet als andere Ansätze erachten; vgl. Towers-Perrin (1996). Ittner/Larcker/Meyer (1997), S. 29 und Ittner/Larcker/Meyer (2003), S. 750. Zu dieser „Verschleierungswirkung der BSC“ vgl. auch Pfaff/Kunz/Pfeiffer (2000), S. 130. Ittner/Larcker/Meyer (1997), S. 30. Dieser Umstand bleibt bei Ittner/Larcker/Meyer unkommentiert, obwohl Ittner/Larcker bereits frühzeitig an anderer Stellen konstatieren, dass „establishing the firm’s business model [UrsacheWirkungsketten] prior to selecting measures has the advantage of sharpening strategic focus and organizational priorities …“ Ittner/Larcker (1998), S. 224.
88
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
plementierung der neuen Strategie war das erklärte Ziel des BSC-Projekts, das Unternehmen verzichtete allerdings auf die Verwendung von Ursache-Wirkungsketten.383 Auf Basis ihrer Einzelfalluntersuchung stellen die Autoren fest: „Our findings are that, in at least one corporate setting, the BSC does present significant opportunities to develop, communicate, and implement strategy – just as Kaplan and Norton aver.“384 Dieser effektive Einsatz der BSC als Managementinstrument wird jedoch an spezifische Voraussetzungen geknüpft. MALINA/SELTO nennen hier partizipative Kommunikationsmuster und einen Konsens hinsichtlich der verwendeten Kennzahlen und Benchmarks.385 Die Autoren liefern damit zwar ein Beispiel für einen effektiven Einsatz der BSC zur Strategieimplementierung unter bestimmten Voraussetzungen.386 Die betrachtete BSC stellt jedoch ebenfalls einen Typ I BSC dar, da keine Ursache-Wirkungsketten verwendet werden. Auf einen möglichen Zusammenhang zwischen den beobachteten Einschränkungen und der verwendeten Instrumentenversion gehen die Autoren jedoch nicht ein. x In Rahmen einer explorativen Studie untersucht CHENHALL die Auswirkungen des Einsatzes von strategischen Performance Measurement Systemen (SPMS), wie z.B. der BSC, in 80 der 200 größten australischen Industrieunternehmen (Rücklauf: 40%). Die Studie untersucht die Effektivität von Managementsystemen, die eine Verbindung zwischen Strategie und operativen Maßnahmen entlang der Wertschöpfungskette herstellen und integrative Informationen liefern, hinsichtlich der Umsetzung generischer Wettbewerbsstrategien: „It is theorized, in this study, that integrative SPMS will assist managers to achieve competitive outcomes, whether they will be concerned with product differentiation or low cost-price.”387 Die Analyse des Strukturgleichungsmodells zeigt, dass die Nutzung integrativer Performance Measurement Systeme die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen indirekt erhöht: „Overall the study supports the view that … integrative SPMS can enhance strategic competitiveness for firms emphasising both product differentiation and
383
384
385 386 387
Die Autoren merken hierzu jedoch an: „The DBSC pre-dated this specific terminology and technique [Ursache-Wirkungsketten], but the concept of communicating the ‚story of success’ did exist.” Malina/Selto (2001), S. 58. Malina/Selto (2001), S. 74f. Weiter heißt es: „We find evidence that managers respond positively to BSC measures by reorganizing their resources and activities, in some cases dramatically, to improve their performance on those measures. More significantly, they believe that improving their BSC performance is improving their business efficiency and profitability“ Vgl. Malina/Selto (2001), S. 75. Vgl. auch Andon/Baxter/Mahama (2005), S. 32. Chenhall (2005), S. 400.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
89
low cost-price strategies.“388 Eine Analyse der Daten im Hinblick auf die BSC im Speziellen zeigt jedoch keine Vorteile für dieses Instrument gegenüber alternativen Ansätzen; vielmehr zeigen sich starke Schwankungen in der Effektivität der BSCAnwendungen im untersuchten Datensatz. Zwar verweist Chenhall an dieser Stelle auf die unterschiedlichen BSC-„designs“ in der Praxis und ihre möglicherweise unterschiedliche Eignung als Erklärungsansatz.389 Im Rahmen seiner Untersuchung kann er diesem Aspekt jedoch nicht nachgehen, da er nicht zwischen unterschiedlichen BSC-Typen differenziert. x WONG-ON-WING ET AL. untersuchen in einem Experiment mit 68 MBA-Studenten aus dem Jahr 2006 Wahrnehmungsverzerrungen von Vorgesetzten bei der Beurteilung von Managern anhand der BSC. Sie stellen zunächst fest, dass bei der Beurteilung einer nicht erfolgreichen Geschäftseinheit signifikante Unterschiede zwischen der Selbsteinschätzung eines Managers und dessen Beurteilung durch einen Vorgesetzten auftreten können.390 Die Autoren führen dies auf kognitive Beschränkungen und einer resultierenden, unzureichenden Beachtung der der BSC zu Grunde liegenden Strategie durch den Vorgesetzten zurück: „[T]he current study posits that raters’ (top management) bias may be attributable to their inadequate attention to the quality of the strategy compared to the effort and ability of ratees (divisional managers), as a potential determinant of performance.”391 Weiter können sie nachweisen, dass diese Diskrepanz dann verschwindet, wenn Vorgesetzte vor der Leistungsbeurteilung des Managers zu einer Beurteilung der Effektivität der vorhandenen Strategie gezwungen werden.392 WONG-ON-WING ET AL. weisen damit darauf hin, dass Konflikte zwischen Managern und Vorgesetzten im Rahmen der Leis388
389 390
391
Chenhall (2005), S. 414. Das Konstrukt „integrative SPMS” differenziert drei Dimensionen, die auf die Qualität der bereitgestellten Informationen abzielen: „The study identified three information components that describe integrative SPMS. First, one dimension identified the extent to which formal SPMS provide information linking operations to goals and strategies, and to link activities across sub units. Second, different types of measures were linked with a customer and [third] a supplier component of the SPMS.” Chenhall (2005), S. 413. Der Zusammenhang zwischen diesen Konstrukten und den strategischen Ergebnissen wird mediiert durch die Konstrukte „strategic alignment of manufacturing“, das die Anpassung der Produktionsprozesse an die Strategie beschreibt, und „organizational learning“, das die formellen und informellen Systeme und Prozesse der Wissensakquirierung, -interpretation, -verbreitung und -speicherung umfasst; vgl. Chenhall (2005), S. 414f. Vgl. Chenhall (2005), S. 415. Vgl. Wong-On-Wing et al. (2007), S. 373. Die Autoren erklären mit diesem Resultat die beobachteten Spannungen zwischen Vorgesetzten und Managern bei Malina/Selto (2001) und Ittner/Larcker/Meyer (2003). Wong-On-Wing et al. (2007), S. 367.
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
90
Teil C
tungsbeurteilung durch das Hinterfragen der Effektivität der zu Grunde liegenden Strategie durch den Vorgesetzten reduziert werden können. Das Experiment deutet damit jedoch auch an, dass das von KAPLAN/NORTON beschriebene strategische Lernen durch Nutzung der BSC als Managementsystem nur unzureichend stattfindet: „Apparently, without explicit prompting, participants assigned to the role of top management top management do not automatically consider the strategy.”393 Einschränkend ist anzumerken, dass das Experiment mit MBA-Studenten durchgeführt wurde, die nicht notwendigerweise Erfahrung mit der simulierten Situation haben müssen.394 Empirische Untersuchungen zur Nutzung der BSC als Managementsystem erscheinen rar. Als ursächlich hierfür kann die geringe Verbreitung des korrespondierenden BSC Typen III in der Praxis gelten.395 Insbesondere die relativ frühen BSC-Anwendungen in den Untersuchungen von ITTNER/LARCKER/MEYER und MALINA/SELTO konnten die Weiterentwicklungen der BSC zum strategischen Managementsytem noch nicht berücksichtigen. Die Ergebnisse zur Effektivität der BSC als Managementsystem sind darüber hinaus inkonsistent und nicht nur positiv: „Despite a considerable effort to position the BSC as a strategic management system, there are dissenters who highlight the … empirical difficulties in doing so.“396 Diese Ergebnisse könnten auf entsprechende (enttäuschende?) Erfahrungen in der Praxis hinweisen und damit einen weiteren, möglichen Erklärungsansatz die geringe Verbreitung der BSC darstellen. 2.3.3
BSC und Unternehmenserfolg
Der Erfolg der Implementierung von Controllinginstrumenten lässt sich nach KRON/PARVIS-TREVISANY/SCHÄFFER als Beitrag zum Unternehmenserfolg konzeptualisieren.397 Auch für das Controllinginstrument BSC stellt sich damit die Frage, ob die Anwendung einen positiven Erfolgsbeitrag verspricht und zu verbesserten Unternehmensergebnissen führt – denn nach KRON/PARVIS-TREVISANY/SCHÄFFER erscheint ein Einsatz des Instruments nur dann rational. Mit der Frage nach der Auswirkung eines
392 393 394 395 396 397
Vgl. Wong-On-Wing et al. (2007), S. 373ff. Wong-On-Wing et al. (2007), S. 375. Vgl. allgemein Dilla/Steinbart (2005a), S. 51. Vgl. nochmals Abschnitt C1.2. Andon/Baxter/Mahama (2005), S. 32. Vgl. Kron/Parvis-Trevisany/Schäffer (2004), S. 5ff.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
91
BSC-Einsatzes auf die finanziellen Ergebnisse des Unternehmens haben sich mehrere Arbeiten befasst:398 x Erste Hinweise auf den finanziellen Erfolg des BSC-Einsatzes liefert die bereits zitierte Feldstudie von ITTNER/LARCKER/MEYER aus dem Jahr 1997. Bei ihrer Untersuchung der BSC-Anwendung beim US-amerikanischen Finanzdienstleister General Financial Services (GFS) stellen sie fest, dass sich einige nicht-finanzielle Kennzahlen – z.B. Kundenzufriedenheit – im Zuge der BSC-Einführung zwar positiv entwickeln; unter dem neuen System wurden die Anstrengungen möglicherweise auf diese Kennzahlen konzentriert.399 Dies geschieht aber offenbar zu Lasten der – kurzfristigen – Finanzergebnisse: „[T]he lower profitability improvement rates suggest that this focus may have come at the expense of financial performance, at least in the short-term. … As a result, the implementation of the balanced scorecard did not result in contemporaneous financial improvements for GFS branches.”400 Für eine verlässliche Aussage ist der betrachtete Zeitraum (neun Monate) jedoch möglicherweise zu kurz, da eine gleichzeitige positive Entwicklung von vor- und nachlaufenden Indikatoren nicht zu erwarten ist. x Im Rahmen der bereits zitierten Untersuchung von CHENHALL/LANGFIELD-SMITH zum Zusammenhang zwischen Nutzung verschiedener Controllinginstrumente und Unternehmenserfolg wird ermittelt, dass BSCs sowohl Teil der „Best-Practices“ erfolgreicher Unternehmen sind, aber auch in nicht erfolgreichen Unternehmen mit weniger entwickelten Managementtechniken Anwendung finden.401 Die Autoren schließen aus diesem mehrdeutigem Ergebnis: „It may be that balanced scorecards are not necessary when high benefits are already being gained from other ‚holistic’ techniques.“402 Einschränkend ist anzumerken, dass CHENHALL/LANGFIELD-SMITH auf die Selbsteinschätzung der Befragten zur Leistung des eigenen Unternehmens und eine Operationalisierung des Konstrukts „Nutzung der BSC“ durch nur ein Item zurückgreifen.403
398 399 400 401 402
403
Studien von Beratungsunternehmen werden hier auf Grund möglicher Verzerrungen nicht weiter kommentiert; vgl. z.B. PwC (2001); Horváth&Partners (2004b); Horváth&Partners (2005). Vgl. Ittner/Larcker/Meyer (1997), S. 30ff. Ittner/Larcker/Meyer (1997), S. 32f. Vgl. Chenhall/Langfield-Smith (1998b), S. 252ff. Chenhall/Langfield-Smith (1998b), S. 254. Weiter heißt es: „For example, the high benefits gained from strategic planning techniques may be sufficient to generate high organizational performance without benefits from balanced scorecards.” Vgl. Chenhall/Langfield-Smith (1998b), S. 262.
92
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
x Die ebenfalls bereits angeführte Studie von HOQUE/JAMES aus dem Jahr 2000 kann zeigen, dass die Verwendung der BSC und die Unternehmensergebnisse positiv und signifikant korrelieren. Der Erfolgsbeitrag der BSC-Anwendung war dabei unabhängig von den zusätzlich abgefragten Kontextvariablen Unternehmensgröße, Marktposition und Produktlebenszyklus.404 Die Autoren stützen sich bei ihren Aussagen auf die Selbsteinschätzung der Befragten zur Leistung des eigenen Unternehmens relativ zu Wettbewerbern in fünf Kategorien. Die Operationalisierung des Konstrukts „Nutzung der BSC“ erfolgt durch die Frage nach der Verwendung verschiedener Kennzahlen, die sich den BSC-Perspektiven zuordnen lassen. Wie bereits dargestellt, wird damit nicht sichergestellt, dass die abgefragten Kennzahlen tatsächlich im Rahmen des BSC-Models abgeleitet und gemessen werden. Die Ergebnisse der Untersuchung geben daher nur bedingt Aufschluss über den Einfluss der BSC-Anwendung auf den Unternehmenserfolg. x ITTNER/LARCKER/RANDALL stellen im Rahmen einer schriftlichen Befragung von 140 US-amerikanischen Finanzdienstleistern (Rücklauf: 23,3%) fest, dass die Verwendung finanzieller und nicht-finanzieller Kennzahlen positiv mit der Aktienrendite korreliert. Die Autoren können jedoch keine Beziehung zwischen der Anwendung der BSC im Speziellen und den finanziellen Erfolgsgrößen405 Umsatzwachstum oder Aktienrendite nachweisen. Es zeigt sich jedoch, dass „extensive use of balanced scorecards is negatively associated with ROA.“406 An diesen Ergebnissen ändert auch eine explizite Differenzierung zwischen BSC-Typen mit und ohne Ursache-Wirkungsanalysen („causal business models“) nichts.407 Anzumerken ist weiterhin, dass ITTNER/LARCKER/RANDALL bei der Operationalisierung allein auf den Indikator „Use of BSC“ zurückgreifen. Zwar wird zusätzlich nach der Ver-
404 405
406 407
Vgl. Hoque/James (2000), S. 9f. „We evaluate economic performance using several measures that are commonly employed to assess financial results. These include two publicly available accounting measures (return on assets and 3-year sales growth) and two stock return measures (1-year and 3-year returns).” Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 726. Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 735. Hervorhebung im Original. Vgl. Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 725f. Eine große Mehrheit von 76,9% der in der Studie befragten BSC-Anwender geben an, keine Ursache-Wirkungsketten („causal business models“) zu verwenden. Davis/Albright führen die Ergebnisse der Studie zum Teil auf dieses Merkmal der Stichprobe zurück: „Given that developing and understanding causal assumptions between selected measures is an integral component of a properly designed BSC, the lack of an association between BSC usage and financial performance is not necessarily unexpected.” Davis/Albright (2004), S. 150.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
93
wendung von Ursache-Wirkungsketten gefragt, eine explizite Definition dessen, was unter BSC verstanden wird, erfolgt jedoch nicht. x In ihrer Längsschnittuntersuchung von 9 Filialen einer Bank im Südosten der USA vergleichen DAVIS/ALBRIGHT BSC-Nutzer und Nicht-Nutzer. Dazu wurden zunächst zwei möglichst homogene Gruppen gebildet; nur in einer Gruppe wurde dann die BSC implementiert. Auf Basis der Beschreibung der Autoren lässt sich diese BSC als Typ III klassifizieren.408 Der Ansatz wird als „quasi-experimental field-based research“409 bezeichnet, da er den Vergleich der BSC-Filialen mit einer Kontrollgruppe (Nicht-Nutzer) erlaubt. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass in den befragten Einheiten ein einheitliches BSC-Verständnis vorliegt, die Auswirkungen allein der Einführung der BSC untersucht werden und dass die betrachtete Erfolgsgröße der Spitzenkennzahl der BSC entspricht. Die Ergebnisse zeigen, dass der Zuwachs der verfolgten Spitzenkennzahl im betrachteten Zweijahreszeitraum nach der BSC-Einführung für die BSC-Gruppe signifikant über dem Zuwachs dieser Kennzahl in der Kontrollgruppe liegt.410 DAVIS/ALBRIGHT können damit zeigen, dass die Einführung einer Typ III BSC einen positiven Einfluss auf den Erfolg haben kann. Die Ergebnisse lassen sich – angesichts der kleinen Stichprobe – jedoch nicht über den Unternehmenskontext oder den betrachteten BSC-Typ hinaus generalisieren. x In der bereits zitierten Erhebung zur Rolle des Controllings bei der Ein- und Weiterführung der BSC untersuchen LINGNAU/HENSELER/JONEN auch den Zusammenhang von Unternehmenserfolg und BSC-Einsatz. Dazu fragen die Autoren die Teilnehmer zum einen nach ihrer subjektiven, relativen Einschätzung des Unternehmenserfolgs und betrachten zum anderen die Umsatzrenditen von drei Jahren. Für beide Erfolgsmessungen können LINGNAU/HENSELER/JONEN jedoch keine signifikanten Zusammenhänge feststellen.411 Ein gesichertes Urteil über den Beitrag der BSC zum Unternehmenserfolg erscheint auf Basis dieser widersprüchlichen Studien nicht möglich. Eine fehlende Beziehung zwischen BSC-Anwendung und finanziellem Erfolg bzw. die Schwierigkeit, hierzu eine belastbare Aussage zu treffen, können jedoch weitere Erklärungsansätze für eine
408 409 410 411
Vgl. Davis/Albright (2004), S. 138ff. Davis/Albright (2004), S. 136. Vgl. Davis/Albright (2004), S. 149. Vgl. Lingnau/Henseler/Jonen (2004), S. 30ff.
94
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
geringe Verbreitung der BSC bzw. mangelnden Ausbau zu einem strategischen Managementsystem darstellen. 2.4
Zwischenfazit
In diesem Kapitel wurde die empirische Forschung auf mögliche Erklärungsansätze für den Implementierungsstand der BSC in der Praxis untersucht. Drei Gruppen von Untersuchungen wurden dabei unterschieden und vorgestellt: x Kontingenztheoretische Untersuchen versuchen, Kontextfaktoren des effizienten BSC-Einsatzes zu identifizieren. Übereinstimmend findet sich jedoch einzig ein positiver Zusammenhang von Unternehmensgröße und BSC-Einsatz.412 Einzelne Studien greifen dabei jedoch auf eine Operationalisierung zurück, die die tatsächliche Verwendung der BSC nicht ausdrücklich sicherstellt.413 x Untersuchungen zu Barrieren und Erfolgsfaktoren der Implementierung umfassen Arbeiten, die den Implementierungsprozess der BSC untersuchen. Die Fallstudien zu Implementierungsbarrieren zeigen grundsätzlich, dass diese zu unintendierten Verläufen der Implementierung führen und so unterschiedliche Implementierungsstände der BSC erklären können. Dabei erscheinen insbesondere interne und externe Modellbarrieren auf der Anwendungsebene sowie korporative Modellbarrieren von Bedeutung zu sein. Die vorgestellten Einzelfallstudien leiten die Barrieren jedoch nicht systematisch aus einer strukturierten Typologie ab; vielmehr fokussieren die Beiträge fall- und situationsspezifische Faktoren. Damit bleibt offen, ob die Darstellung der Barrieren vollständig bzw. wie die Priorisierung der präsentierten Barrieren erfolgt ist. Außerdem ermöglichen die üblicherweise zu Grunde liegenden Einzelfallstudien keine Einschätzung darüber, ob die gemachten Beobachtungen und das spezifische Vorgehen auch auf andere Unternehmen, Kontexte und Verläufe von Implementierungsprozessen übertragbar sind. Die Auflistung von Erfolgsfaktoren erfolgt dagegen üblicherweise normativ;414 besondere Betonung erfahren dabei die sorgsame Planung der BSC-Einführung, das
412
413 414
Neben Unternehmensgröße werden die Kontextfaktoren Strategien, Branchenzugehörigkeit, Produktlebenszyklus, Umweltunsicherheit, Marktposition und Investition in Immaterielle Vermögensgegenstände untersucht. Vgl. bei Hoque/James (2000); Olson/Slater (2002); Maiga/Jacobs (2003). Vgl. zur Kritik dieser Operationalisierung auch Davis/Albright (2004), S. 138. Eine Ausnahmen bildet die großzahlige Befragung von Lawson/Stratton/Hatch (2006c).
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
95
Erreichen der Akzeptanz von Mitarbeitern und Top Management oder die Einbindung der BSC in Planungs-, Anreiz- sowie IT-System. Auch hierbei bleiben die Fragen offen, in wie weit die Auflistung von Erfolgsfaktoren vollständig ist und wie die Priorisierung der präsentierten Faktoren erfolgte. x Nutzungsorientierte Untersuchungen letztlich untersuchen die Nutzung der BSC als Kennzahlen- oder Managementsystem. Dabei wird auf mögliche, kognitive Begrenzungen und resultierende dysfunktionale Verhaltenswirkungen bei der BSCAnwendung hingewiesen sowie die Eignung der BSC zur Verbesserung des Strategieverständnisses in Frage gestellt. Ein direkter Zusammenhang zum Implementierungsstand der BSC wird dabei jedoch nicht hergestellt. Die Arbeiten präsentieren jedoch Anhaltspunkte dafür, warum Unternehmen sich gegen den grundsätzlichen und/oder fortgesetzten Einsatz der BSC entscheiden könnten. Andere Studien untersuchen den konkreten Ergebnisbeitrag der BSC-Nutzung und liefern dazu widersprüchliche Ergebnisse. Das Fehlen einer solchen Beziehung bzw. die Schwierigkeit, hierzu eine belastbare Aussage zu treffen, können einen weiteren Erklärungsansatz für eine geringe Verbreitung bzw. nicht erfolgten Ausbau der BSC zu einem strategischen Managementsystem darstellen. Die Arbeiten der drei Gruppen liefern damit wertvolle Einzelaspekte zur Erklärung des Implementierungsstands der BSC. Inwieweit diese vorgestellten Untersuchungen auch zur Erklärung der spezifischen Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES herangezogen werden können, wird im folgenden Kapitel betrachtet.
3.
Erklärungsansätze für die Befunde von Speckbacher/Bischof/Pfeiffer und Schachner/Speckbacher/Wentges
In diesem Kapitel werden die vorgestellten Ansätze auf ihre Eignung überprüft, den spezifischen Befund zum Implementierungsstand der BSC von SPECKBACHER/ BISCHOF/PFEIFFER sowie SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES zu erklären. Diese stellen für den deutschsprachigen Raum nicht nur eine im Vergleich zu vorherigen Studien weniger starke Verbreitung der BSC fest, sondern zeigen auch, dass in der unternehmerischen Praxis unterschiedliche Implementierungsstände bzw. BSC-Typen vorzufinden sind. Die BSC findet sich dabei jedoch nur selten als das intensiv diskutierte – und propagierte – strategische Managementsystem nach KAPLAN/NORTON.
96
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
An einen Ansatz zur Erklärung dieses Befunds können zwei Anforderungen gestellt werden, auf die die präsentierten Untersuchungen im Weiteren überprüft werden. So sollte ein Ansatz zur Erklärung der Ergebnisse von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER zum einen unterschiedliche Implementierungsstände bzw. BSC-Typen unterscheiden. Zum anderen sollte ein Erklärungsansatz die Dynamik des Implementierungsstands über die Zeit berücksichtigen. 3.1
Berücksichtigung von BSC-Anwendungstypen
Ausgehend vom Befund unterschiedlich umfangreich implementierter BSCs sollte ein Ansatz zur Erklärung der Ergebnisse von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES zunächst unterschiedliche Implementierungsstände bzw. BSC-Typen unterscheiden. Untersuchungen, die eine einheitliche BSCNutzung bzw. einen einheitlichen Implementierungsstand unterstellen, verwenden entsprechend vereinfachende Operationalisierungen und sind für die Erklärung des empirischen Befunds nicht ausreichend: „[T]he exact nature and meaning of these systems is not explored, … relying on single items to measure the extent of use of ‚balanced scorecards’ …“415 Nur wenige Studien zum Implementierungsstand der BSC berücksichtigen unterschiedliche Anwendungstypen des Instruments. Einige empirische Untersuchungen betonen zwar, dass die BSC in unterschiedlichen Varianten Anwendung findet.416 Da andere Fragestellungen im Vordergrund stehen, gehen diese Studien jedoch nicht der Frage nach, warum das Konzept von KAPLAN/NORTON unterschiedlich umfangreich implementiert wird. Die unterschiedlichen BSC-Varianten werden allenfalls auf die „Flexibilität des Konzeptes“417 oder die „laziness or thoughtlessness“418 der Anwender zurückgeführt. Unter den vorgestellten Studien wird nur in einer Untersuchung explizit versucht, die Implementierung unterschiedlicher BSC-Anwendungstypen zu erklären. So untersuchen in der Gruppe der kontingenztheoretischen Untersuchungen SPECKBACHER/ BISCHOF/PFEIFFER den Einfluss der Kontextfaktoren Unternehmensgröße und Bran-
415 416 417 418
Chenhall (2005), S. 6. Vgl. Malmi (2001), S. 211f.; Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 725; Horváth&Partners (2004b), S. 10; Horváth&Partners (2005), S. 13. Horváth&Partners (2005), S. 13. Ittner/Larcker (2003), S. 89.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
97
chenzugehörigkeit sowohl auf die grundsätzliche Verbreitung der BSC als auch explizit auf den verwendeten BSC-Typ gemäß der von ihnen vorgeschlagenen Typologie. Während sich hinsichtlich der allgemeinen Verbreitung der BSC (nur) für den Kontextfaktor Unternehmensgröße ein signifikanter, positiver Zusammenhang feststellen lässt, kann ein signifikanter Einfluss der untersuchten Kontingenzvariablen auf den Einsatz der BSC-Typen I-III nicht nachgewiesen werden.419 Die Kontextfaktoren Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit eignen sich damit nicht zur Erklärung der Ausprägung unterschiedlicher BSC-Anwendungstypen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass für die Untersuchung dieser Aspekte lediglich eine kleine Stichprobe von n=42 zur Verfügung stand. In den übrigen kontingenztheoretischen Untersuchungen wird eine entsprechende Differenzierung unterschiedlicher BSC-Anwendungstypen nicht vorgenommen. Die übliche Operationalisierung durch nur einen Indikator verdeutlicht, dass vielmehr eine Homogenität des BSC-Konzepts unterstellt wird. Auch in den Untersuchungen zu Barrieren und Erfolgsfaktoren werden unterschiedliche BSC-Typen nicht explizit unterschieden. Während in Einzelfallstudien der zu Grunde liegende Typ bei detaillierter Darstellung des betrachteten BSC-Modells abgeleitet werden kann,420 ist eine solche Zuordnung bei Mehrfallstudien, die Beobachtungen auf aggregiertem Niveau diskutieren, schwierig.421 Auf die Ursachen für die Herausbildung des betrachteten BSC-Typs wird entsprechend nicht eingegangen. Die nutzungsorientierten Untersuchungen letztlich gehen vereinzelt auf die Elemente der betrachteten BSCs ein, ohne jedoch ihre Ergebnisse nach Typen zu differenzieren. Lediglich ITTNER/LARCKER/RANDALL differenzieren bei der Untersuchung des Zusammenhangs von BSC-Einsatz und der Entwicklung finanzieller Erfolgsgrößen BSC-Typen mit und ohne UrsacheWirkungsketten. Trotz dieser Differenzierung können die Autoren jedoch keine Beziehung zwischen Anwendung der verwendeten BSC-Variante und Umsatzwachstum oder Aktienrendite feststellen; der Zusammenhang mit der Kennzahl ROA bleibt negativ.422 Auch hier wird darüber hinausgehend kein Erklärungsansatz für den Implementierungsstand formuliert.
419 420 421 422
Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 374f. Vgl. z.B. Kasurinen (2002) für die Darstellung der Implementierung einer BSC, die auf Basis der Darstellungen als Typ II BSC identifiziert werden kann. Vgl. z.B. Wagner/Kaufmann (2004), die auf die Strukturelemente der zehn betrachteten BSCs nicht näher eingehen und eine Zuordnung zu BSC-Typen damit unmöglich machen. Vgl. Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 725f.
98
3.2
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
Berücksichtigung der Dynamik des Implementierungsstands
Ein Erklärungsansatz sollte neben der Berücksichtigung unterschiedlicher Implementierungsstände bzw. BSC-Typen auch die Entwicklung des Implementierungsstands über die Zeit beachten. Denn Implementierungsvorhaben und die darauf folgende Nutzung des Instruments stellen in der Regel keine rückkopplungsfreien Feed-ForwardProzesse, d.h. einen geordneten Übergang eines Zustands A zu einem neuen Zustand B, dar.423 Es gilt daher, auch die Dynamik des Implementierungsstands und mögliche, unintendierte Verläufe dieser Prozesse zu berücksichtigen. Nur so kann auch SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFERs Interpretation der BSC-Typen I-III als Entwicklungsstufen im Implementierungsprozess überprüft werden. Auch die Dynamik des Implementierungstands wird nur unzureichend betrachtet. Obwohl SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER die BSC-Typen I-III als Entwicklungsstufen im Implementierungsprozess interpretieren und damit auf die mögliche Veränderung des Implementierungsstands hinweisen, können sie diese Dynamik im Rahmen ihrer Querschnittsuntersuchung nicht berücksichtigen. Dies gilt auch für die weiteren kontext- und nutzungsorientierten Untersuchungen. Zahlreiche Fallstudien, die eine Längsschnittperspektive einnehmen, untersuchen dagegen zwar den Prozess der BSCEinführung oder die Nutzung der BSC, weisen jedoch nicht auf Veränderung des Implementierungsstands der jeweiligen BSC-Anwendung im Rahmen der Implementierung oder Anwendung hin.424 Lediglich die Fallstudie von KASURINEN verdeutlicht die Bedeutung einer dynamischen Perspektive bei der Untersuchung des Implementierungsstands der BSC: In der untersuchten Geschäftseinheit eines finnischen Konzerns der Metallindustrie wird die BSC zunächst als Pilot eingeführt und genutzt, dann jedoch wieder abgeschafft. KASURINEN führt diese Entwicklung auf Barrieren im Implementierungsprozess zurück, die er in drei Gruppen kategorisiert:425 „Confusers“ können das Implementierungsvorhaben stören („disrupt“) (z.B. Unsicherheit über die zukünftige Priorität des Projekts oder divergierende Sichtweisen zu den Projektzielen), „Frustrators“ können den Veränderungsprozess behindern oder unterdrücken („suppress“) (z.B. technik- und pro-
423 424 425
Vgl. Bate/Khan/Pye (2000), S. 209; Burns (2000), S. 567f.; Quattrone/Hopper (2001), S. 407ff.; Andon/Baxter/Chua (2007), S. 274; Dambrin/Lambert/Sponem (2007), S. 174. Vgl. z.B. Ahn (2001); Malmi (2001); Wagner/Kaufmann (2004); Papalexandris/Ioannou/ Prastacos (2004); Tuomela (2005). Vgl. Kasurinen (2002), S. 336ff.
Teil C
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
99
duktionsorientierte Unternehmenskultur („Ingenieurkultur“) oder existierende Berichtssysteme) und „Delayers“ können einen Implementierungsprozess verzögern (z.B. inadäquate Informationssysteme oder Mangel an klar abgegrenzten Strategien). Die Ergebnisse KASURINENs dienen als erste Hinweise auf die Bedeutung der genannten Aspekte für den Implementierungsstand der BSC. Eine fallübergreifende Zuordnung einzelner Faktoren zu einem der drei Barrieretypen erscheint jedoch schwierig: Abhängig vom betrachteten Unternehmen und BSC-Anwendungstyp werden sich immer andere Konstellationen möglicher Problembereiche ergeben, denen im jeweiligen Kontext unterschiedliche funktionelle Wirkungen (confuser, frustrator, delayer) zugesprochen werden können.426 Dies wird dadurch erschwert, dass die Barrieretypen nicht systematisch abgeleitet werden und die zu Grunde gelegte Perspektive unklar bleibt. Ein Nachweis der Erklärungskraft der vorgeschlagenen Typologie in anderen Fällen von BSC-Implementierungen steht (entsprechend?) bislang aus. Die situationsspezifischen Ergebnisse dieses einzigen Erklärungsansatzes, der explizit eine dynamische Entwicklung beschreibt, können damit nicht ohne weiteres auf andere als den untersuchten Anwendungstyp (Typ II), die zu Grunde liegende Branche (Metallindustrie) und den beobachteten Verlauf der Implementierung (Abschaffung der BSC) übertragen werden. 3.3
Zwischenfazit
Als Anforderungen an einen Erklärungsansatz für den Befund von SPECKBACHER/ BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES wurden die Differenzierung des BSC-Implementierungsstands und die Berücksichtigung dessen Dynamik formuliert. Diese zwei Anforderungen werden jeweils von nur einer der vorgestellten Untersuchungen berücksichtigt. Auf Basis der Ergebnisse dieser Arbeiten scheinen die Kontingenzfaktoren Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit keinen Einfluss auf die Anwendung unterschiedlicher BSC-Typen zu haben.427 Dagegen zeigt sich in einem spezifischen Kontext die Bedeutung von Implementierungsbarrieren für Veränderungen des Implementierungsstands.428 Keine der vorliegenden Arbeiten erfüllt jedoch beide der formulierten Anforderungen. Während aus der Querschnittsperspektive der kontingenztheoretischen Untersuchung damit nur ein statisches Bild vom Imple-
426 427 428
Vgl. Parvis-Trevisany (2006), S. 88f. Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 374f. Vgl. Kasurinen (2002), S. 336ff.
100
Literatur zum Implementierungsstand der Balanced Scorecard
Teil C
mentierungsstand der BSC gezeichnet wird, lassen sich die Beobachtungen der Einzelfallstudie zu Implementierungsbarrieren nicht ohne weiteres auf andere BSC-Typen, Kontexte oder Implementierungsverläufe übertragen. Dies wird dadurch erschwert, dass die genannten Barrieren nicht systematisch – ausgehend von einer spezifizierten Perspektive – abgeleitet wurden. Die Ergebnisse der weiteren vorgestellten empirischen Untersuchungen zur BSC, die keiner der beiden Anforderungen gerecht werden, können zwar direkt oder indirekt Hinweise zur Erklärung der Verbreitung der BSC geben. Da diese Studien jedoch nicht zwischen unterschiedlichen Implementierungsständen differenzieren wird häufig nicht klar, welcher BSC-Typ in der Untersuchung betrachtet wurde und für welchen BSC-Typ die gewonnenen Erkenntnisse gültig sind. Auch eine dynamische Betrachtung der möglichen Veränderung des Implementierungsstands der BSC im Laufe der Anwendung wird vernachlässigt. Die vorliegenden Einzelerkenntnisse lassen sich daher nicht zu einem Erklärungsansatz für den Befund von SPECKBACHER/BISCHOF/ PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES zusammenführen. Die vorliegenden Untersuchungen zur BSC können den Befund SPECKBACHER/ BISCHOF/PFEIFFERS und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES damit nur sehr eingeschränkt erklären, da kein Ansatz gleichzeitig BSC-Typen differenziert und die Dynamik des Implementierungsstands berücksichtigt. Ausgehend vom beobachteten Theorie-Praxis-Paradoxon und vor dem Hintergrund dieses Defizits vorhandener Arbeiten ist es das Ziel der weiteren Untersuchungen, den Implementierungsstand der BSC im deutschsprachigen Raum besser zu verstehen: Wie lassen sich die Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER (2003) und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES (2006) erklären?
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
1.
Grundlagen der Fallstudienforschung
101
Zur Beantwortung der Forschungsfrage verfolgt das vorliegende Forschungsprojekt einen Fallstudienansatz. Trotz einer langen Tradition429 in der Wissenschaft hatte dieser gegenüber anderen Forschungsansätzen in der Vergangenheit an Bedeutung verloren.430 Der Trend zur quantitativen Sozialforschung mit repräsentativen Forschungsmethoden verdrängte den Fallstudienansatz sogar weitgehend: „Die Dominanz der Methode vor dem Gegenstand und die einhergehende Favorisierung und zum Teil Fetischisierung quantitativer Forschung in Daten und Befunden hat die Einzelfallstudie über Jahrzehnte hinweg zu einem Mauerblümchendasein degradiert.“431 In den 1970er Jahren erlebte der Fallstudienansatz jedoch eine Renaissance und fand wieder vermehrt Beachtung.432 Heute gilt die Fallstudie als weithin anerkannter empirischer Forschungsansatz in zahlreichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre.433 Dabei scheint ihr Ansehen jedoch immer noch hinter dem einer großzahligen Empirie zurück zu liegen.434 Im Weiteren werden die methodischen Grundlagen der Fallstudienforschung dargelegt. Neben einer Definition erfolgt die Abgrenzung des Ansatzes von alternativen Forschungsansätzen, um so den spezifischen Nutzen der Fallstudienmethode zu verdeutlichen. Daran schließt sich eine Diskussion der Einsatzmöglichkeiten und -grenzen
429
430 431 432
433 434
„The case-study has a long and respected history in the social sciences.“ Perren/Ram (2004), S. 83. Vgl. auch ausführlich Hoskin (1998), S. 57ff. Die Ursprünge der Fallstudien reichen weit zurück in die Philosophie, Rechtskunde und Theologie. Einer Blütezeit erlebte der Ansatz Anfang des 20. Jahrhunderts in der Soziologie; vgl. Kraimer (1995), S. 463ff.; Platt (1992), S. 19; vgl. auch die Hinweise auf Fallstudien-„Klassiker“ bei Perren/Ram (2004), S. 83. Vgl. Lamnek (2005), S. 298. Lamnek (2005), S. 298. Vgl. Kraimer (1995), S. 465; Lukka/Kasanen (1995), S. 71; Lamnek (2005), S. 298. Insbesondere Yin, Eisenhardt und Bonoma adressieren Kritikpunkte der Fallstudienforschung, zeigen Stärken und Schwächen der Methode auf und tragen so zur Reputationssteigerung bei; vgl. Yin (1981); Yin (1984); Bonoma (1985); Eisenhardt (1989); Eisenhardt (1991). Vgl. Yin (2003), S. 10; Brettel (2005), S. 143 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Kraimer (1995), S. 464f.; Lukka/Kasanen (1995), S. 71; Yin (2003), S. 10. Für die deutschsprachige Controllingforschung deutet eine aktuelle Publikationsanalyse darauf hin, dass das Potential von Fallstudien noch nicht hinreichend realisiert wird: Von den untersuchten ControllingBeiträgen basieren nur 5% auf der Fallstudienmethode; vgl. Schäffer/Brettel (2005), S. 43f.
102
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
Teil D
von Fallstudien an. Darauf folgt eine Vorstellung der Gütekriterien der Arbeit mit Fallstudien sowie deren Operationalisierung. Dies erscheint vor allem vor dem Hintergrund der häufigen Kritik mangelnder methodologischer Strenge in der Fallstudienforschung geboten. 1.1
Definition und Abgrenzung der Fallstudienmethode
In der deutschsprachigen wissenschaftlichen Literatur findet sich keine einheitliche Definition des Fallstudienbegriffs.435 Im Weiteren wird daher der gebräuchlichen Fallstudiendefinition nach YIN gefolgt: „A case study is an empirical inquiry that investigates a contemporary pheonomenon within its real-life context; when the boundaries between phenomenon and context are not clearly evident; and in which multiple sources of evidence are used.”436 Die Fallstudie stellt einen eigenständigen empirischen Forschungsansatz dar, der sich von alternativen Strategien wie der (großzahligen) Umfrage oder dem Experiment abgrenzen lässt. Fallstudien können auf qualitativen Daten beruhen, aber auch quantitative Daten verwenden.437 Quantitative Daten können dabei die einzige verwendete Datenart darstellen, aber auch der Triangulation qualitativer Daten oder dem Aufzeigen weiterer Aspekte des Falles dienen.438 Fallstudien ermöglichen darüber hinaus die Verwendung einer Vielzahl von Quellen sowie Methoden der Datenerhebung (z.B. Interview, Befragung).439 Komplexe Phänomene können so ganzheitlich und in ihrem realen Kontext erforscht werden.440 Dabei geht es jedoch nicht zwingend um den Einbezug möglichst vieler Dimensionen oder Variablen, „sondern entscheidend ist vielmehr, dass die Untersuchungsobjekte nicht auf einige, wenige Variablen reduziert werden.“441 Das Ziel der Fallstudie ist somit, ein ganzheitliches und realistisches Bild der sozialen Welt zu zeichnen.442 Dadurch können Fallstudien dazu beitragen, aussagekräf-
435 436 437 438 439 440 441 442
Vgl. Meyer (2003), S. 475. Zur Abgrenzung der Begriffe „Case Study“, „Fieldwork“ und „Field Study“ vgl. Scapens (1990), S. 264. Yin (2003), S. 13. Vgl. Stake (2000), S. 435. Vgl. Mayring (2001), S. 1ff., sowie Flick (2004), S. 311f. Vgl. Chetty (1996), S. 74; Yin (2003), S. 85ff. Vgl. Scapens (1990), S. 268. Lamnek (2005), S. 299. Vgl. Lamnek (2005), S. 299.
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
103
tige und valide Theorien zu entwickeln: „It is the intimate connection with empirical reality that permit the development of a testable, relevant and valid theory.“443 Zur Abgrenzung der Fallstudie von anderen empirischen Forschungsansätzen greift YIN auf drei Kriterien zurück: die Form der Forschungsfrage, die Beeinflussbarkeit des Kontextes und den Fokus auf zeitgenössische Phänomene (vgl. Tabelle 4).444 Am Beispiel der empirischen Forschungsansätze Umfrage und Experiment sei verdeutlicht, unter welchen Umständen der Einsatz der Fallstudienmethode sinnvoll ist.
Strategy
Experiment
Form of Research Question
Requires Control Over Behavioral Events?
Focuses on Contemporary Events?
how, why?
Yes
Yes
Survey
who, what, where, how many, how much?
No
Yes
Archival analysis
who, what, where, how many, how much?
No
Yes/No
History
how, why?
No
No
Case Study
how, why?
No
Yes
445
Tabelle 4: Fallstudienmethodik und Forschungsstrategien
Fallstudie und Experiment gleichen sich häufig in den Forschungsfragen. So verfolgen beide Ansätze das Ziel, Ursache-Wirkungszusammenhänge anhand einer begrenzten Anzahl von Fällen zu erkennen. Beide Forschungsansätze fokussieren darüber hinaus auf zeitgenössische Phänomene. Die Ansätze unterscheiden sich jedoch in der Einflussnahme auf den untersuchten Kontext: Während die Fallstudie im realen, nicht beeinflussbaren Kontext durchgeführt wird, stellt das Experiment eine Beobachtung im Labor dar. Der Experimentator kann eine aktive Manipulation der Bedingungen des Experiments durchführen und externe Störvariablen kontrollieren. Auf Grund geringer externer Einflüsse erreichen die Ergebnisse aus Experimenten eine hohe Gültigkeit.446 Fallstudien werden dann eingesetzt, wenn das Ausschalten von externen Störvariablen
443 444 445 446
Eisenhardt (1989), S. 532. Vgl. Yin (2003), S. 5ff. Entnommen aus Yin (2003), S. 5. Zur Betrachtung von Experimenten vgl. z.B. Stapf (1999), S.229ff.; Stelzl (1999), S. 108ff.; Petersen (2002), S. 11ff.; Sprinkle (2003), S. 289.
104
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
Teil D
nicht oder nur eingeschränkt möglich ist: „[C]ase study research does not (and cannot) require control and manipulation of variables.“447 Fallstudie und (großzahlige) Umfrage fokussieren auf zeitgenössische Phänomene und nehmen – anders als das Experiment – keine Manipulation des Untersuchungskontextes vor. Beide Ansätze unterscheiden sich jedoch in den verfolgten Forschungsfragen. Eine großzahlige Umfrage zielt auf die statistische Generalisierung des untersuchten Phänomens oder die Feststellung von Häufigkeiten oder Intensitäten von Merkmalen ab. Da im Rahmen einer Fallstudie nur eine begrenzte Anzahl von Fällen betrachtet wird, kann und soll der Ansatz dies nicht leisten. Ausschlaggebend für die Auswahl der Fälle ist nicht die Repräsentativität für eine Grundgesamtheit, sondern vielmehr die Kriterien Angemessenheit und Informationsreichtum.448 Der Fallstudienansatz bietet sich demnach dann an, wenn „Wie?“ oder „Warum?“-Fragen ganzheitlich und im Detail beantwortet werden sollen.449 Großzahligen empirischen Untersuchungen wird dagegen bei der Beantwortung dieser Fragen Oberflächlichkeit vorgeworfen.450 1.2
Einsatzmöglichkeiten der Fallstudienmethode
In der empirischen Forschung lassen sich drei Aussagearten unterscheiden: deskriptiv (beschreibend), explikativ (erklärend) und präskriptiv (instrumentell, gestaltend).451 Unterschiede sind hier nicht nur inhaltlich, sondern auch im Zeitbezug festzuhalten: Deskriptive und explikative Aussagen sind gegenwarts- oder vergangenheitsbezogen, instrumentelle Aussagen beziehen sich auf die Zukunft. Bei deskriptiven und explikativen Aussagen nimmt der Forscher somit eine beobachtende Rolle ein, während er bei instrumentellen Aussagen gemeinsam mit Praktikern problemlösend arbeitet.452 Da sich Fallstudien ausschließlich mit zeitgenössischen, aktuellen Phänomenen befassen, können instrumentelle Aussagen für die Fallstudienforschung ausgeschlossen wer-
447 448 449 450 451 452
Lee (1999), S. 54. „The first criterion should be to maximize what we can learn.“ Stake (1995), S. 4. Vgl. ähnlich auch Lamnek (2005), S. 192f. Vgl. Yin (2003), S. 5; vgl. auch Kaplan (1986), S. 442: „The principal benefit from a case study is to develop an in-depth description and understanding of a particular managerial problem.” Vgl. dazu z.B. Scapens (1990), S. 259. Vgl. z.B. Lukka/Kasanen (1995), S. 72; Homburg (2000), S. 34f. Vgl. z.B. Gleich (2002), S. 441.
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
105
den.453 Fallstudien können somit deskriptiver oder explikativer Natur sein: Deskriptive Fallstudien beschreiben ein aktuelles Phänomen in seinem realen Kontext;454 explikative Fallstudien erforschen Ursache-Wirkungs-Beziehungen im realen Kontext.455 Im Rahmen der Theorieentwicklung können nur explikative Fallstudien zum Einsatz kommen, da Theorien der Erklärung dienen und somit per definitionem explikative Aussagen enthalten.456 Mit Blick auf die Rolle empirischer Forschung in der Theorieentwicklung wird zwischen Exploration (Theoriegenerierung) und Konfirmation (Theorieüberprüfung) differenziert.457 Fallstudien können eine eigenständige Forschungsstrategie darstellen, oder zur Unterstützung oder Vorbereitung anderer Forschungsstrategien dienen.458 Im Rahmen einer eigenständigen Forschungsstrategie können Fallstudien sowohl für explorative als auch für konfirmatorische Fragestellungen sinnvoll eingesetzt werden. Fallstudien als eigenständige Forschungsstrategie sind nach EISENHARDT in der explorativen Forschung auf Grund der Offenheit für neue Erkenntnisse und einer ganzheitlichen Perspektive insbesondere dann angemessen, wenn neue Felder erschlossen werden sollen, wenn keine Theorie vorhanden ist oder wenn bestehende Theorien nur einen begrenzten Bestandteil des zu betrachtenden Phänomens umfassen.459 Ergebnis solcher Untersuchungen können „Propositions“ sein, die vorläufige Hypothesen zu Beziehungen zwischen Variablen darstellen.460 Existieren bereits Theorien, können Fallstudien trotzdem dann eingesetzt werden, wenn diese unangemessen oder konfliktär sind, dem klaren Menschenverstand widersprechen oder sich im Rahmen einer großzahligen empirischen Überprüfung als unzulänglich erwiesen haben.461 In der konfirmatorischen Forschung werden Fallstudien als eigenständige Forschungsstrategie zur Theorieüberprüfung verwendet. Fallstudien dienen dann dazu, die Theo-
453
454 455 456 457 458 459 460 461
Vgl. Yin (2003), S. 5ff. Die Generierung instrumenteller Aussagen durch empirische Forschung wird der Aktionsforschung (Innovation Action Research) oder der Forschung durch Entwicklung zugeordnet; vgl. Müller-Böling/Klandt (1996), S. 86f. „The research objective of these studies is to provide a description…“ Scapens (1990), S. 265; vgl. ähnlich auch Yin (2003), S. 5ff. Vgl. Scapens (1990), S. 265; Yin (2003), S. 5ff. Vgl. Müller-Böling/Klandt (1996), S. 9f. Vgl. Chmielewicz (1994), S. 37, 88f.; Müller-Böling/Klandt (1996), S. 92f.; Otley/Berry (1998), S. S106. Vgl. Schäffer/Brettel (2005), S. 43f.; vgl. dazu auch Keating (1995), S. 68ff. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 532ff.; Otley/Berry (1998), S. S106. Vgl. Keating (1995), S. 75; Goulding (2001), S. 29. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 548.
106
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
Teil D
rie bzw. deren Hypothesen zu falsifizieren oder analytisch zu generalisieren. Zur Falsifizierung genügt ein einzelner Fall („critical case“).462 Gelingt es dagegen nicht, die Hypothesen in einer oder mehreren Fallstudien zu widerlegen, kann man die Gültigkeit der Hypothesen vermuten.463 Eine solche Gültigkeit ermöglicht nach Ansicht einiger Methodenforscher eine analytische Generalisierung der Erkenntnisse.464 Dabei ist die analytische Generalisierung strikt von der statistischen Generalisierung zu unterscheiden: So erlaubt Erstere lediglich die Verallgemeinerung hinsichtlich theoretischer Annahmen, während sich Letztere auf die Verallgemeinerung mit Blick auf eine Grundgesamtheit bezieht.465 In der Forschungspraxis findet sich der Einsatz von Fallstudien in der konfirmatorischen Forschung auch dann, wenn Komplexität und/oder Art der Fragestellung die Möglichkeiten einer großzahligen Umfrage übersteigen. Stellen Fallstudien keine eigenständige Forschungsstrategie dar, sondern dienen als Unterstützung oder Ergänzung anderer Forschungsstrategien, sind vielfältige Funktionen vorstellbar. So ist beispielsweise der Einsatz zur Illustration der Erklärungskraft von Theorien466, zur Hypothesenschärfung, als Plausibilitätscheck alternativer Hypothesen467, zur Fragebogenentwicklung, z.B. hinsichtlich verständlicher Sprache, zur Ermittlung der Praktikabilität einer Umfrage, zur Bewertung der Inhaltsvalidität oder zur Analyse und zum Verständnis von abweichenden Fällen einer vorherigen Empirie denkbar.468 1.3
Gütekriterien in der Fallstudienforschung
Der Fallstudienansatz ist traditionell vielfältiger Kritik ausgesetzt.469 Insbesondere explorativen Fallstudien wird der Vorwurf mangelnder methodologischer Strenge gemacht. Dabei bezieht sich der Vorwurf vor allem auf das Ausschöpfen der Vielfalt der Datenquellen, die Konsistenz der Datenerhebung und die Objektivität der Auswertung. Weiterhin wird bemängelt, dass die Ergebnisse von Fallstudien auf Grund der nicht-
462 463 464 465 466 467 468 469
Vgl. Otley/Berry (1998), S. 106f. Weber et al. (1994), S. 57. Vgl. z.B. Yin (2003), S. 31ff.; Lukka/Kasanen (1995), S. 77f. Vgl. Scapens (1990), S. 272; Yin (2003), S. 32. Vgl. Scapens (1990), S. 265; Keating (1995), S. 69ff.; Lukka (2005), S. 384f. Vgl. Kaplan (1986), S. 445. Vgl. Lamnek (2005), S. 307ff. „The case study has long been (and continues to be) stereotyped as a weak sibling among social science methods. Investigators who do case studies are regarded as having downgraded their academic disciplines.” Yin (2003), xiii. Vgl. auch Lukka/Kasanen (1995), S. 71.
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
107
repräsentativen Stichproben eine fehlende Generalisierbarkeit aufweisen.470 In diesem Zusammenhang wird teilweise sogar der grundsätzliche Mehrwert der Methode für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn in Frage gestellt.471 Gerade vor dem Hintergrund solcher Kritik hat die Gütebeurteilung in der Fallstudienforschung einen besonderen Stellenwert.472 Gütekriterien „dienen als Zielvorgaben und Prüfsteine einer beliebigen angewandten Forschungsmethode, an denen der Grad der Wissenschaftlichkeit dieser Methode gemessen werden kann … [und] liefern mit der Prüfung der Forschungsmethoden Anhaltspunkte für den Wahrheitsgehalt und die Haltbarkeit von Aussagen.“473 Dazu kann auf die in der quantitativen empirischen Forschung „klassischen“ Gütekriterien Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit) zurückgegriffen werden.474 Diese gehen auf die Testtheorie zurück, in der ein Messwert in einen „wahren“ Wert und einen „Messfehler“ zerlegt wird.475 Die Messung der traditionellen Kriterien Reliabilität und Validität bereitet in der Fallstudienforschung auf Grund der Vielfalt der verwendeten (insbesondere qualitativen) Datenquellen und Methoden sowie des allgemein kleinen Stichprobenumfangs jedoch Schwierigkeiten – die Relevanz der Gütekriterien Reliabilität und Validität im Rahmen der Fallstudienforschung wird daher kritisch diskutiert.476 In der angewandten Fallstudienforschung wird dennoch insbesondere YINs Ansatz zur Gütebeurteilung von Fallstudien aufgegriffen. Die Beurteilung erfolgt entlang der Kriterien Reliabilität sowie Konstruktvalidität, interne und externe Validität. YIN schlägt zusammen mit den Kriterien auch umsetzbare Maßnahmen zur Verbesserung der Güte vor (vgl. Tabelle 5).477 Im Folgenden werden die Kriterien sowie die von Yin vorgeschlagenen Maßnahmen zur Güteverbesserung kurz vorgestellt.
470 471 472
473 474 475 476
477
Vgl. Miles (1979), S. 590ff.; Eisenhardt (1989), S. 532ff.; Scapens (1990), S. 276; Platt (1992), S. 22; Yin (2003), S. 10f.; Lamnek (2005), S. 302 und 310. Vgl. Lukka/Kasanen (1995), S. 71. Vgl. Steinke (2004), S. 321f. Eine Untersuchung deutschsprachiger Controlling-Beiträge, die auf der Fallstudienmethode basieren, zeigt jedoch, dass das Qualitätssicherungspotential der im weiteren vorgestellten Maßnahmen nur sehr eingeschränkt genutzt bzw. nachvollziehbar ist; vgl. Schäffer/Brettel (2005), S. 45. Lamnek (2005), S. 143. Vgl. Heidenreich (1999), S. 354ff.; Lamnek (2005), S. 142ff. Vgl. Judd/Smith/Kidder (1991), S. 49f. Für eine Diskussion der Grenzen des Einsatzes von Gütekriterien in der qualitativen Sozialforschung sowie die Vorstellung weiterer und alternativer Gütekriterien vgl. Meyer (2003), S. 477; Steinke (2004), S. 319ff.; Lamnek (2005), S. 142ff. Vgl. Yin (2003), S. 33ff.
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
108
Gütekriterium
Phase
Maßnahme
Reliabilität
Datenerhebung
x Fallstudienprotokoll
Teil D
x Fallstudiendatenbank x Größe des Forscherteams (Befrager-Triangulation) Validität Konstruktvalidität
Datenerhebung
x Triangulation - Datenquellen - Erhebungsmethoden x Beweisketten („Chain of Evidence“) x Diskussion der Ergebnisse mit Hauptinformanten
Interne Validität
Datenanalyse
Externe Validität
Untersuchungsdesign
x Pattern Matching x Zeitreihenanalyse x Replikationslogik in der Auswahl der Fallstudien 478
Tabelle 5: „Checkliste“ zur Qualitätssicherung von Fallstudien
1.3.1
Reliabilität
Reliabilität zielt auf die Zuverlässigkeit der Messergebnisse: „Reliability can be defined broadly as the degree to which measures are free from error and therefore yield consistent results.“479 In der quantitativen Forschung kann die Reliabilität auf zwei Arten gemessen werden: Test-Retest Korrelation (d.h. die zeitverzögerte Wiederholung der Untersuchung) und interne Konsistenzmessung (d.h. die zeitgleiche Prüfung von Konsistenzfragen, z.B. mit Hilfe der Testhalbierungsmethode oder dem AlphaKoeffizienten nach Cronbach).480 In der Fallstudienforschung ist nach YIN eine Fallstudie als reliabel zu beurteilen, wenn eine Wiederholung der Fallstudie dieselben Resultate erzeugen würde.481 Die Konsistenz der Ergebnisse und Stabilität über Zeit stehen demnach im Vordergrund.482
478 479 480 481 482
Übersetzt und erweitert entnommen aus Yin (2003), S. 34. Peter (1979), S. 6. Vgl. Peter (1979), S. 8ff.; Judd/Smith/Kidder (1991), S. 51f.; Lamnek (2005), S. 167f. Vgl. Yin (2003), S. 34. Drei Umstände können eine geringe Reliabilität verursachen: instrumentale Inkonsistenz, d.h. bei einer Wiederholung der Untersuchung werden bedingt durch mangelnde Dokumentation unterschiedliche Instrumente eingesetzt; mangelnde Merkmalskonsistenz, d.h. Beeinflussbarkeit des Ergebnisses z.B. durch sich wandelnde Einstellungen des Forschers; und sich verändernde externe Einflüsse; vgl. Herrmann/Homburg (1999), S. 23.
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
109
Strategien zur Erhöhung der Reliabilität von Fallstudien setzen an den durch den Forscher beeinflussbaren Umständen an: „The general way of approaching the reliability problem is to make as many steps as operational as possible, and to conduct research as if someone were always looking over your shoulder.“483 In der Literatur wird daher zur Gewährleistung einer hohen instrumentalen Konsistenz die exakte Dokumentation der Untersuchung und ihrer Ergebnisse (z.B. Fallstudiendatenbank) vorgeschlagen:484 „Without such documentation, you could not even try to repeat your own work ...“485 Des Weiteren wird der Einsatz von mehreren Personen in der Datenerhebung vorgeschlagen, um so subjektiven Verzerrungen des Einzelnen und damit Merkmalsinkonsistenz vorzubeugen.486 1.3.2
Validität
Die Validität (Gültigkeit) bezeichnet den Grad der Genauigkeit, mit dem das, was gemessen werden soll, tatsächlich gemessen wird: „Validität oder Gültigkeit eines Testverfahrens ist gegeben, sofern es gelingt, den eigentlich interessierenden Sachverhalt tatsächlich zu erfassen, also genau das zu messen, was man zu messen vorgibt. Damit drückt die Validität die materielle Genauigkeit der Testergebnisse aus.“487 Die Reliabilität eines Testverfahrens stellt dabei eine Voraussetzung für dessen Validität dar.488 Für die Fallstudienforschung unterscheidet YIN drei Formen der Validität: Konstruktvalidität, interne Validität und externe Validität.489 Die Konstruktvalidität misst den Grad der erfolgreichen Operationalisierung der gewünschten Konstrukte: „Bei der Konstruktvalidität handelt es sich methodologisch um die Prüfung der Angemessenheit der operationalen Definition des Begriffs.“490 Die Konstruktvalidität ist von besonderer Bedeutung in der Fallstudienforschung, da Fallstudien oft der Vorwurf unzureichender Messgrößen bzw. subjektiver Interpretationen gemacht wird.491 Nach YIN lassen sich drei Maßnahmen zur Steigerung der Konstruktvalidität von Fallstudien unterscheiden: Durch die Verwendung von mehreren Daten-
483 484 485 486 487 488 489 490 491
Yin (2003), S. 38. Vgl. Kirk/Miller (1986), S. 51ff.; Mayring (2002), S. 119f.; Yin (2003), S. 38. Yin (2003), S. 38. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 538; vgl. auch Flick (2004), S. 312: „Investigator Triangulation“. Herrmann/Homburg (1999), S. 24. Vgl. Peter (1979), S. 6. Vgl. Judd/Smith/Kidder (1991), S. 27ff.; Yin (2003), S. 34ff. Lamnek (2005), S. 152. Vgl. Yin (2003), S. 35.
110
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
Teil D
quellen und Erhebungsmethoden werden die Ergebnisse auf eine breitere Basis gestellt und ein Phänomen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.492 Die Dokumentation von Beweisketten („chains of evidence“) während der Datenerhebung dient der argumentativen Interpretationsabsicherung. Ein externer Betrachter soll damit in der Lage sein, die Schlussfolgerungen von den Messwerten auf Konstrukte nachzuvollziehen.493 Letztlich hilft die Diskussion der vorläufigen Ergebnisse der Fallstudie mit den Teilnehmern der Untersuchung dabei, Fehler zu vermeiden und stellt so die dritte Möglichkeit zur Steigerung der Konstruktvalidität dar.494 Die interne Validität gibt den Grad der zulässigen kausalen Schlussfolgerungen zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen einer Fallstudie an.495 Die Hauptschwierigkeit liegt hierbei in der Unterscheidung von Korrelation und Kausalität. So stellt die Existenz einer Beziehung zweier Variablen nur die notwendige Voraussetzung für das Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs dar.496 In der Fallstudienforschung tritt darüber hinaus die Gefahr auf, dass der Forscher falsche Schlussfolgerungen aus den Befragungen oder Beobachtungen zieht.497 Zur Erhöhung der internen Validität schlägt YIN die Verwendung des so genannten „Pattern-Matching“ zur Analyse der Daten vor. Die empirisch erforschten Muster werden dabei mit den aus der Theorie abgeleiteten verglichen: Pattern-Matching „compares an empirically based pattern with a predicted one (or with several alternative predictions).“498 In explikativen Untersuchungen können sich die Muster sowohl auf die abhängige als auch die unabhängige Variable beziehen. Stimmen die Muster aus Empirie und Theorie überein, kann von einer hohen internen Validität ausgegangen werden.499 Eine zweite Strategie, die YIN beschreibt, ist die Betrachtung des Phänomens über Zeit in einer Zeitreihenanaly-
492 493 494 495
496
497 498 499
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 542; vgl. dazu auch Flick (2004), S. 311ff. Zu den Möglichkeiten der Integration qualitativer und quantitativer Daten vgl. auch Mayring (2001) und Modell (2005). Vgl. Yin (2003), S. 108f. Vgl. Miles (1979), S. 598; Mayring (2002), S. 119ff.; Yin (2003), S. 36. „If the investigator incorrectly concludes that there is a causal relationship between x and y without knowing that some third factor – z – may actually have caused y, the research design has failed to deal with some threat to internal validity.” Yin (2003), S. 36. Vgl. z.B. Judd/Smith/Kidder (1991), S. 32; de Vaus (2001), S. 4: „[A]s the divorce rate changed over the twentieth century the crime rate increased a few years later. But this does not mean that divorce causes crime. Rather than divorce causing crime, divorce and crime rates might both be due to other social processes such as secularization, greater individualism or poverty.” Vgl. Yin (2003), S. 36. Yin (2003), S. 116. Vgl. Yin (2003), S. 116ff.
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
111
se. Je exakter die Muster der Zeitreihen, desto eher sind fundierte Schlussfolgerungen möglich.500 Die externe Validität beschreibt den Grad der Generalisierbarkeit der Ergebnisse unter Betrachtung der verwendeten Methodik.501 „The external validity problem has been a major barrier in doing case study research as it concerns knowing whether a study’s findings are generalizable beyond the immediate case study.“502 Da die Fallstudienforschung gerade mit dem Vorwurf mangelnder Generalisierbarkeit konfrontiert wird, ist die Diskussion dieses Kriteriums von besonderer Bedeutung.503 Die Bedingung für eine (analytische) Generalisierbarkeit von Fallstudienergebnissen ist die Auswahl der Fälle nach der so genannten Replikationslogik und nicht – wie bei Umfragen – nach der Stichprobenlogik.504 Nicht Repräsentativität, sondern Angemessenheit bzw. Informationsreichtum ist hierbei das Auswahlkriterium der Fälle.505 Die Replikationslogik beschreibt die Auswahl weiterer Fälle in Relation zur ersten Fallstudie. „Each case must be carefully selected so that it either (a) predicts similar results (a literal replication) or (b) produces contrary results but for predictable reasons (a theoretical replication).“506 Kriterium der „literal replication“ ist damit eine Ähnlichkeit der Fälle, Kriterium der „theoretical replication“ eine spezifische Andersartigkeit jedes weiteren Falles im Vergleich zu den vorherigen.507
500 501 502 503
504
505 506 507
Vgl. Yin (2003), S. 122ff. Vgl. z.B. de Vaus (2001), S. 29. Brown (1998), S. S86. Vgl. z.B. Eisenhardt (1989), S. 546f.; Scapens (1990), S. 276; Platt (1992), S. 22; Chetty (1996), S. 74; Yin (2003), S. 10. Die Diskussion der externen Validität muss jedoch nur dann geführt werden, wenn eine analytische Generalisierung der Fallstudienergebnisse überhaupt angestrebt wird. Dies ist bei unterstützenden Fallstudien z.B. nicht der Fall. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 542; vgl. auch Brown (1998), S. 86: „If the distinction between analytical generalization and statistical generalization is accepted, then external validity is possible in case study research. The replication logic that underlies the use of experiments and which allows scientists to generalize from one experiment to another, applies equally to the case study, and the theory must be tested through replications of the findings in further cases where the theory which underpins the initial case study has specified that the same results should occur.” Vgl. Lamnek (2005), S. 187ff. Zur Auswahl von Fallstudien in einem „Multiple-Case Design“ vgl. auch Yin (2003), 46ff. Yin (2003), S. 47, Hervorhebungen im Original. Vgl. z.B. Eisenhardt (1989), S. 542; Yin (2003), S. 47ff.
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
112
2.
Teil D
Vorgehensweise der vorliegenden Untersuchung
Die methodologische Fallstudienliteratur enthält detaillierte Erstellungsvorgaben für Fallstudien. Diese finden neben den im vorigen Abschnitt D1.3 vorgestellten Kriterien und Maßnahmen zur Erhöhung der Güte in der vorliegenden Untersuchung wie im Folgenden dargestellt explizit Berücksichtigung. Auf diese Weise soll sowohl eine hohe Reliabilität als auch eine hohe Validität erreicht werden. 2.1
Fallstudien-Design
2.1.1
Funktion der Fallstudienuntersuchung
Die vorliegende Untersuchung versucht, folgende Forschungsfrage zu beantworten: Wie lassen sich die Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER (2003) und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES (2006) erklären? Die Forschungsfrage zielt damit auf die Erklärung („Wie?“) der Ergebnisse von zwei abgeschlossenen, großzahligen empirischen Untersuchungen ab. Für ein solches Forschungsprojekt, das auf die Beantwortung einer „Wie?“-Frage508 bzw. die Erklärung und Interpretation quantitativer Befunde abzielt,509 wird der Fallstudienansatz als besonders geeignet beschrieben. Der Ansatz bietet sich darüber hinaus an, da er auf Grund seiner Offenheit und ganzheitlichen Perspektive510 die komplexen BSC-Implementierungsprozesse, die durch das Zusammenspiel von Akteuren und handlungsleitenden Strukturen sowie durch vielfältige Dependenzen, Rückkopplungen, Verankerungsprozesse und hohe Prozessdynamiken geprägt sind, aufnehmen und berücksichtigen kann.511 Der Fallstudienansatz wird damit auch einer der formulierten Anforderungen an einen Erklärungsansatz gerecht, denn er erlaubt, mögliche Veränderungen des Implementierungsstands über die Zeit zu berücksichtigen: „They [case studies] go beyond providing a static snapshot of events, and cut across the temporal and contextual gestalt of situations.“512 Die Arbeit folgt mit dem gewählten Forschungsansatz letztlich auch dem Ruf nach einem verstärkten Einsatz von Fallstudien
508 509 510 511 512
Vgl. Yin (2003), S. 5. Vgl. Mayring (2001), „Vertiefungsmodell“. Vgl. Scapens (1990), S. 268. Vgl. Otley (2001), S. 256. Bonoma (1985), S. 204.
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
113
in der Controllingforschung im Allgemeinen513 sowie zur Erforschung von Implementierungsverläufen der BSC im Besonderen.514 Im Gegensatz zu einem rein explorativen Vorgehen wird im Rahmen der Analysen dieses Forschungsprojekts auf einen möglichen, spezifischen Bezugsrahmen zurückgegriffen. Dieser soll helfen, das Denken über die komplexen realen Phänomene durch die Abbildung von Zusammenhängen auf hohem Abstraktionsniveau zu ordnen sowie relevante Daten und signifikante Kategorien zu abstrahieren.515 Gleichzeitig ermöglicht es ein solcher Bezugsrahmen, bestehende theoretische Erkenntnisse in die Untersuchung zu integrieren, die bei der Analyse von Implementierungsprozessen von Bedeutung sind,516 ohne dabei jedoch den Anspruch einer ausgereiften Theorie zu erheben. Letztlich berücksichtigt ein solches Vorgehen auch, dass die Ergebnisse einer Fallstudienuntersuchung immer durch eine individuelle Perspektive beeinflusst sind – denn die menschliche Wahrnehmung ist durch Vorwissen und Einstellungen geprägt ist.517 Im Vergleich zur alternativen Herangehensweise erhöht die explizite Darstellung der eingenommenen Perspektive daher die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und kann so die Qualität ihrer kritischen Diskussion steigern. 2.1.2
Reichweite der Fallstudienuntersuchung
Die Reichweite einer Untersuchung beschreibt deren Breite, d.h. die Anzahl einbezogener Fälle, sowie Tiefe, d.h. die Ebenen der Erhebung je Untersuchungseinheit. Hinsichtlich der Breite einer Fallstudienuntersuchung kann zwischen Einzel- und Mehrfallstudien unterschieden werden.518 Einzelfallstudien bieten sich unter anderem dann an, wenn die Fallstudie als kritisches Beispiel zur Falsifizierung, als extremer oder einmaliger Fall, oder zur Vorbereitung und Unterstützung nachfolgender empirischer Forschung eingesetzt werden soll.519 Dabei besteht jedoch die Gefahr „of misjudging
513 514 515 516 517 518 519
Vgl. Hopwood (1983), S. 302f.; Kaplan (1986), S. 429; Kaplan (1993), S. 6; Shields (1997), S. 10; Otley/Berry (1998), S. S105; Roll (2003), S. 317; Schäffer/Brettel (2005), S. 45. Vgl. Kasurinen (2002), S. 341. Vgl. Miles (1979), S. 591; Kirsch (1981), S. 193f.; Glaser/Strauss (1998), S. 54. Vgl. zu diesem Punkt allgemein Parkhe (1993), S. 253; vgl. auch nochmals Abschnitt B1.1 für die hier relevanten theoretischen Erkenntnisse. Vgl. Otley/Berry (1998), S. S106. Vgl. auch nochmals Abschnit B1.1.1. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 534; Yin (2003), S. 39ff. Vgl. Scapens (1990), S. 273; Yin (2003), S. 39ff.
114
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
Teil D
of a single event, and of exaggerating easily available data.“520 Mehrfallstudien basieren dagegen auf Beobachtungen aus mehreren Fällen: „The method involves limiteddepth studies conducted at a nonrandom selection of field sites, thus lying somewhere between in-depth cases and broad-based surveys.“521 Auf Grund der breiteren Basis und der Möglichkeit des Vergleichs zwischen den Fällen wird Mehrfallstudien daher die überzeugendere Beweiskraft zugesprochen: „The evidence from multiple cases is often considered more compelling, and the overall study is therefore regarded as being more robust.“522 Die vorliegende Untersuchung stellt eine Mehrfallstudie dar, in der insgesamt sechs Fälle analysiert wurden. Dieses Vorgehen ermöglichte es, die drei in der Literatur beschriebenen BSC-Typen in die Untersuchung einzubeziehen. Das Forschungsdesign erfüllt damit auch die zweite Anforderung an einen Erklärungsansatz, denn es erlaubt die Analyse und den Vergleich mehrerer Fälle, die unterschiedliche Implementierungsstände bzw. BSC-Typen repräsentieren. Die Bestimmung der endgültigen Anzahl einbezogener Fälle erfolgte dabei während der Datenerhebung. Entscheidend war dabei die Erwartung über den Mehrwert, d.h. des „incrimental knowledge created“523, eines weiteren hinzugefügten Falls: Die Untersuchung weiterer Fallstudien wurde beendet, sobald das sich herausbildende Erklärungsansatz hinreichend abgesichert erschien und der zusätzliche Lerneffekt aus weiteren Fallstudien deutlich abnahm.524 Mit sechs untersuchten Fallstudien liegt die vorliegende Arbeit im Rahmen vorgeschlagener Richtwerte zur Fallzahl in Mehrfallstudien.525 Hinsichtlich der Tiefe einer Fallstudienuntersuchung kann zwischen organisationsübergreifenden Fallstudien („holistic case study“) und solchen auf Basis einzelner Untereinheiten (z.B. Organisationseinheiten) („embedded case study“) differenziert wer-
520
521 522 523 524
525
Voss/Tsikriktsis/Frohlich (2002), S. 202. Außerdem besteht die Gefahr, dass der ausgewählte Fall sich im Untersuchungsverlauf als andersartig als ursprünglich vermutet zeigt: „Single-case desings ... require careful investigation of the potential case to minimize the chances of misinterpretation and to maximize the access needed to collect the case study evidence.” Yin (2003), S. 42. Lillis/Mundy (2005), S. 120. Yin (2003), S. 47. Eisenhardt (1991), S. 622. Vgl. Yin (2003), S. 51: „[T]he selection of the number of replication depends upon the certainty you want to have about your multiple-case results.” Vgl. auch Eisenhardt (1991), S. 622; Glaser/Strauss (1998), S. 65; Lamnek (2005), S. 191. Obwohl es keine „optimale“ Fallzahl gibt, wird die Analyse von vier bis zehn Fallstudien vorgeschlagen; vgl. Eisenhardt (1989), S. 545.
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
115
den.526 Übergreifende Fallstudien bieten sich an, wenn keine Untereinheiten identifiziert werden können oder das untersuchte Phänomen ebenfalls von übergreifender Natur ist.527 Problematisch wird dies, wenn dabei spezifische Phänomene und Details übergangen werden: „[A] typical problem with the holistic design is that the entire case study may be conducted at an abstract level, lacking any clear measures or data.“528 Fallstudien, die auf Daten mehrerer Ebenen der Untersuchungseinheit basieren, bieten umfassende Möglichkeiten zu detaillierteren Analysen und können so den Erkenntnisgewinn steigern. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass die Untersuchung zu sehr auf eine Einheit und zu Lasten der übergeordneten Ebene fokussiert.529 Die Fallstudien der vorliegenden Untersuchung betrachten mehrere Ebenen je Untersuchungseinheit. Auf Grund der hohen Bedeutung der Kaskadierung der BSC auf nachgelagerte Einheiten im Unternehmen kann nur so ein umfassendes Bild der BSC-Anwendung in der jeweils untersuchten Organisation gewonnen werden. Außerdem wurde auf diese Weise die unbewusste Einnahme einer bestimmten Perspektive auf die BSC, z.B. der des Top Managements, verhindert. 2.1.3
Auswahl der Fälle
Ziel der Auswahl der Untersuchungseinheiten in vielen empirischen Untersuchungen ist die repräsentative Abbildung der Grundgesamtheit in der Stichprobe (statistisches Sampling).530 Diese Repräsentativität erlaubt, aus den Ergebnissen – beispielsweise einer großzahligen Umfrage – auf die untersuchte Grundgesamtheit zu schließen (statistische Generalisierbarkeit).531 In der Fallstudienforschung wird die Auswahl der Fälle dagegen nicht vom Prinzip der Repräsentativität, sondern der Angemessenheit geleitet: Da nicht die statistische, sondern eine analytische Generalisierung angestrebt wird, werden Untersuchungseinheiten gewählt, die entweder relevante Unterschiede oder große Ähnlichkeit aufweisen (theoretisches Sampling).532 Ziel der Fallauswahl in Mehrfallstudien ist es damit „to choose cases which are likely to replicate or extend
526 527 528 529 530 531 532
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 534; Yin (2003), S. 52. Vgl. Yin (2003), S. 45. Yin (2003), S. 45. Vgl. Yin (2003), S. 45f. Vgl. Lamnek (2005), S. 180. Vgl. Müller-Böling/Klandt (1996), S. 76. Vgl. Stake (1995), S. 4; Glaser/Strauss (1998), S. 53ff.; Lamnek (2005), S. 187ff.
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
116
Teil D
the emergent theory, or they may be chosen to fill theoretical categories and provide examples for polar types.”533 Die Auswahl der untersuchten Fälle der vorliegenden Arbeit erfolgte – wie auch die Bestimmung der Fallzahl – im Laufe der Datenerhebung. Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchenzugehörigkeit fanden Eingang in die Untersuchung, um die Erklärungskraft des gewählten Ansatzes für eine möglichst hohe Zahl von Unternehmen zu demonstrieren (vgl. Tabelle 6). Dabei wurden jedoch bewusst drei Unternehmen aus der gleichen Branche aufgenommen, um diesen Kontextfaktor zumindest partiell konstant zu halten. Auf Grund ihrer großen Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft stammen diese drei Fallstudien aus der Automobilindustrie.534
Fallstudie
Branche
Unternehmensgröße (Mitarbeiter)
BSC-Einführung (Jahr)
BSCTyp
Unternehmen A
Automobilbau
Unternehmen B
Automobilbau
> 600
2002
II*
> 350.000 [> 10.000]
2005
I
Unternehmen C Unternehmen D
Automobilbau
> 50.000 [> 600]
2005
I*
Industrieautomatisierung
> 10.000
1998
II
Unternehmen E
Verkehrsdienstleistung
> 1.300 [> 550]
2002
I
Unternehmen F
Finanzdienstleistung
> 1.900
2002
III
535
Tabelle 6: Übersicht der Fallstudien
Bei der Auswahl der Fälle wurde daher darauf geachtet, dass unterschiedliche Implementierungsstände bzw. BSC-Typen in die Untersuchung Eingang fanden. Der resultierende Erklärungsansatz soll auf diese Weise eine möglichst großen Teil der Heterogenität des BSC-Implementierungsstands in der Unternehmenspraxis abdecken können: „[D]issimilar cases may be selected to extend the theory to a wider set of circumstances. The differences between the individual cases will be determined by the
533
534 535
Eisenhardt (1989), S. 537. „The researchers [in cross-sectional field research] utilize a sampling strategy that maximizes the likelihood of obtaining meaningful comparative data on the variables of interest. That is, the sample is chosen to maximize variability in relevant dimensions of the phenomenon under study.“ Lillis/Mundy (2005), S. 138. Vgl. VDA (2007). Unternehmensgröße: Mitarbeiterzahl des BSC-Bereichs in eckigen Klammern (bei Einführung in nur einem Teilbereich des Unternehmens). BSC-Typ: zum Zeitpunkt der Live-Schaltung; Sternchen: spätere Abschaffung der BSC.
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
117
direction in which theoretical extension is desired. The objective of such multiple cases is to develop a rich theoretical framework, capable of explaining a wide range of circumstances.“536 Das Vorgehen unterscheidet sich damit bewusst von einer rein zufälligen Fallstudienauswahl.537 2.2
Datenerhebung
2.2.1
Instrumente der Datenerhebung
Die sorgfältige Konzeption der Instrumente der Datenerhebung wird in Fallstudienuntersuchungen häufig vernachlässigt, ist jedoch für das Erreichen einer hohen Validität der Ergebnisse von hoher Bedeutung.538 Hierzu gilt es zunächst, die verwendeten Datenarten zu spezifizieren, die qualitativer oder quantitativer Natur sein können. Während quantitative Daten vorwiegend Aussagen über Menge und Größe eines Phänomens erlauben, ermöglichen qualitative Daten Aussagen über deren Charakter.539 Fallstudien können auf qualitativen Daten beruhen, aber auch quantitative Daten verwenden.540 Auf Grund der Absicht der vorliegenden Untersuchung, quantitative Ergebnisse zum Implementierungsstand der BSC in deutschen Unternehmen besser zu verstehen und zu erklären, beruhen die Fallstudien auf qualitativen Daten. Des Weiteren können als Datenerhebungsmethoden Dokument- bzw. Literaturanalyse, Befragung und Beobachtung unterschieden werden.541 Fallstudien ermöglichen die Verwendung einer Vielzahl von Methoden der Datenerhebung.542 Diese so genannte Methoden-Triangulation steigert die Validität einer Untersuchung und ermöglicht so exaktere und überzeugendere Ergebnisse.543 Die Befragung, insbesondere das Interview, stellt allgemein die Hauptdatenerhebungsmethode in Fallstudien dar.544 Die vorliegenden Fallstudien basieren auf Daten, die in mündlichen Befragungen sowie Dokumentenanalysen gewonnen wurden. Eine teilnehmende Beobachtung an einem
536 537 538 539 540 541 542 543 544
Scapens (1990), S. 273. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 537. Vgl. Yin (2003), S. 58. Vgl. Kvale (1996), S. 67. Vgl. Stake (2000), S. 435, sowie nochmals Abschnitt D1.1. Vgl. z.B. Eisenhardt (1989), S. 534; Scapens (1990), S. 274; Kraimer (1995), S. 475ff.; Yin (2003), S. 85ff. Vgl. Chetty (1996), S. 74; Yin (2003), S. 85ff.; sowie nochmals Abschnitt D1.1. Vgl. Mayring (2001); Yin (2003), S. 97ff.; Flick (2004), S. 311f. Vgl. Yin (2003), S. 89.
118
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
Teil D
BSC-Workshop war auf Grund der Sensitivität der behandelten Daten bzw. auf Grund der Abschaffung der BSC in nur einem Fall möglich. Die verwendeten Erhebungsmethoden und ihre Anwendung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden im Folgenden kurz erläutert: x Befragungen können in schriftlicher (Fragebogen) oder mündlicher Form (Interview) durchgeführt werden. Der Vorteil von mündlichen Interviews ist die höhere Datenqualität: Bedingt durch die übliche Ausgiebigkeit der Gespräche ist eine maximale Abfrage von Information möglich. Darüber hinaus können vage Antworten und zweifelhafte Interpretationen direkt geklärt sowie nonverbale Zeichen aufgenommen werden. Als Nachteile von Interviews lassen sich die Gefahr der Beeinflussung der Ergebnisse durch den Interviewer sowie der hohe Aufwand nennen.545 Um eine hohe Datenqualität zu gewährleisten, wurden persönliche, teilstandardisierte Interviews geführt. Bei teil-standardisierten Interviews werden den Teilnehmern einer Untersuchung nicht zwingend die gleichen Fragen in der gleichen Reihenfolge gestellt, wohl aber die besonderen Schwerpunkte der Befragung in einem Interview-Leitfaden festgelegt. Die Befragungen sind auf diese Weise offen, um interessante Einzelaspekte besonders zu vertiefen.546 In der vorliegenden Untersuchung konnten so umfangreiche und gleichzeitig zielgerichtete sowie über die Fälle vergleichbare Erkenntnisse erzielt werden: „Semi-structured interview protocols are used to constrain the data collection within a thightly defined domain while ensuring that comprehensive, comparative, narrative data are collected across a range of sites.“547 x Archiv- und Dokumentenanalysen haben den Vorteil, dass die erhobenen Daten nicht vom Forscher durch die eigene Erhebung beeinflusst werden.548 Dem steht jedoch die Gefahr „versteckter“ subjektiver Deutungen des – in den meisten Fällen unbekannten – Autors des Dokuments („reporting bias“) und eigener Fehlinterpretationen gegenüber. Letzteres ist vor allem dann ein Problem, wenn der Zugang zu allen relevanten Dokumenten verweigert wird und nur eine unbewusste oder bewusste Selektion von Dokumenten zugänglich ist („biased selectivity“).549 In der vorliegenden Untersuchung konnten verschiedene Typen von Dokumenten analy-
545 546 547 548 549
Vgl. Judd/Smith/Kidder (1991), S. 218ff. Vgl. Stier (1999), S. 171; Müller-Böling/Klandt (1996), S. 29. Lillis/Mundy (2005), S. 138. Vgl. Yin (2003), S. 86; Müller-Böling/Klandt (1996), S. 62. Vgl. Yin (2003), S. 86: „reporting bias“, „biased selectivity“.
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
119
siert werden. So liegen für alle Unternehmen Abbildungen der aktuellen BSC vor. Diese wurden – so weit vorhanden – ergänzt durch Darstellungen der Vision und Strategie. Darüber hinaus liegen für zahlreiche Unternehmen Präsentationen zum BSC-Einführungsprojekt aus der Zeit der Implementierung vor. In einem Fall liegt ein ausführlicher Projekt-Abschlussbericht vor. Zusätzlich zu diesen internen Dokumenten wurde auf öffentlich zugängliche Informationen zu Unternehmen und Branche zurückgegriffen. Die vorliegende Untersuchung greift schließlich auf mehrere Datenquellen zurück. Diese Datenquellen-Triangulation soll die Gefahr subjektiver Färbung der Ergebnisse durch einzelne Teilnehmer mindern und damit die Validität erhöhen.550 In jedem der untersuchten Unternehmen wurden Gespräche mit mehreren Ansprechpartnern geführt. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Gesprächspartner unterschiedliche Blickwinkel auf die BSC haben. Auf diese Weise zählten Mitglieder der Geschäftsleitung, BSC-Projektverantwortliche und Anwender aus den Bereichen oder Abteilungen zu den Gesprächspartnern. Der Zugang zu den Daten der Dokumentanalyse wurde durch die Unternehmen gewährt (z.B. BSC-Präsentationen) oder gelang über öffentliche Quellen (z.B. Presse, Internet). 2.2.2
Operative Vorbereitung der Datenerhebung
Die operative Vorbereitung der Datenerhebung umfasst die Formulierung eines Interviewleitfadens und die Identifikation und Ansprache der Teilnehmer. Als wesentliche Datenerhebungsmethode wurden in dieser Arbeit teil-standardisierte Interviews eingesetzt. In teil-standardisierten Interviews werden statt starrer Fragebögen Interviewleitfäden eingesetzt, da diese eine strukturierte und zielführende Gesprächsführung ermöglichen, wobei man jedoch flexibel und offen für unerwartete Informationen ist.551 Bei der Gestaltung des Leitfadens wurden Aspekte der Fragenformulierung berücksichtigt552 und ein zeitlicher Rahmen von einer Stunde zu Grunde gelegt. Bei der Planung des Interviewablaufs wird empfohlen, die Spannungskurve der Aufmerksamkeit des Befragten zu beachten.553 Derartige Überlegungen wurden bei der Gestaltung des
550 551 552 553
Vgl. Yin (2003), S. 97ff.; Flick (2004), S. 310. Vgl. Kromrey (2006), S. 364; Lamnek (2005), S. 334ff. „Improperly worded questions can only result in biased or otherwise meaningless responses.” Judd/Smith/Kidder (1991), S. 234f. Vgl. auch Lamnek (2005), S. 352ff. und 396ff. Diese wird als erst zunehmend, dann abnehmend angenommen. Daraus ergibt sich für die Reihenfolge der Fragen, dass die wichtigen oder komplizierten Fragen im zweiten Drittel des Interviews,
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
120
Teil D
Interviewleitfadens für die vorliegende Untersuchung zwar berücksichtigt, jedoch wurde vorrangig ein inhaltlicher Spannungsbogen verfolgt: Die Leit- und Sachfragen orientierten sich entlang des chronologischen Verlaufs der BSC-Einführung und behandelten die Motive des BSC-Einsatzes, den Implementierungsprozess, den derzeitigen Implementierungsstand (externe und interne Modellebene), die Nutzung der BSC, den wahrgenommene Erfolg des BSC-Projekts und die Zukunft der BSC in der Organisation. Bei der Identifikation möglicher Teilnehmer wurde auf persönliche und Kontakte des Lehrstuhls zurückgegriffen. Als hilfreich erwies sich außerdem die Vermittlung von Ansprechpartnern durch zwei Unternehmensberater, die umfassende Erfahrung mit der Einführung von BSCs haben und zu deren Klienten einige der Ansprechpartner zählen. Der Erstkontakt erfolgte jeweils telefonisch. Häufig kam es danach zunächst zu einem einzelnen Interview; vereinzelt wurden auch sofort alle Gesprächspartner festgelegt und ein gemeinsamer Termin vereinbart. Am Ende der Interviews wurde jeweils um die Empfehlung weiterer Kontakte gebeten, die möglichst einen anderen Blickwinkel auf die BSC haben. Insgesamt konnten sechs Unternehmen zur Teilnahme an der Untersuchung gewonnen werden. Als Motivation wurde üblicherweise der Wunsch genannt, auf Basis der Untersuchung Verbesserungspotentiale für die eigene BSCAnwendung zu erkennen. 2.2.3
Durchführung der Datenerhebung
Insgesamt konnten in sechs Unternehmen 24 Interviews mit insgesamt 27 Gesprächspartnern geführt werden. Die Anzahl der Ansprechpartner je Unternehmen schwankt zwischen zwei und sieben Personen, die Dauer der Gespräche variiert zwischen einer halben und drei Stunden (vgl. Tabelle 7). Es zeigte sich, dass in Unternehmen, die die BSC bereits wieder abgeschafft hatten, nur ein vergleichsweise eingeschränkter Zugang zu Gesprächspartnern möglich war. Die Gespräche wurden überwiegend vor Ort geführt; vereinzelt kamen Telefoninterviews zum Einsatz.
die weniger wichtigen oder komplizierten am Ende platziert werden sollten; vgl. Diekmann (2006), S. 414f.
Teil D
Unternehmen
Unternehmen A
Unternehmen B
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
Interview #
Interviewpartner
1
121
Unternehmensebene
Dauer
A1
Geschäftsleitung
90 Min.
2
A2
Geschäftsleitung
60 Min.
3
A3
Geschäftsfeld
60 Min.
1
B1
Zentrale [Geschäftsleitung]
180 Min.
2
B2
Zentrale [Sparte]
60 Min.
3
B3
Landesgesellschaft
30 Min.
4
B4
Landesgesellschaft
60 Min.
5
B5
Landesgesellschaft
45 Min.
Beobachtung: BSC-Workshop [Zentrale und Landesgesellschaften] 420 Min. Unternehmen C
Unternehmen D
Unternehmen E
Unternehmen F
C1
Geschäftsbereich [interner Berater]
90 Min.
2
C2
Fachbereich
45 Min.
1
D1
Geschäftsleitung
60 Min.
2
D2
Ressort
45 Min.
3
D3
Ressort
45 Min.
4
D4
Ressort
60 Min.
5
D5
Geschäftsleitung
30 Min.
1
E1
Abteilung
45 Min.
2
E2
Abteilung
45 Min.
3
E3
Abteilung
45 Min.
4
E4
Geschäftsleitung
60 Min.
5
E5
Abteilung
45 Min.
1
F1
Segment
90 Min.
2
F2
Segment
60 Min.
Ǝ
F3
Segment
60 Min.
1
Ǝ
F4
Segment
60 Min.
3
F5
Segment
60 Min.
Ǝ
F6
Segment
60 Min.
4
F7
Geschäftsleitung
60 Min.
Tabelle 7: Übersicht der Datenerhebung
Die sorgfältige und genaue Dokumentation der Untersuchung ist für die Steigerung der Reliabilität der Ergebnisse von großer Bedeutung. Basis dafür bildete der Aufbau einer
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
122
Teil D
Fallstudiendatenbank, die Rohdaten sowie Interpretation und Analysen enthält.554 Daten wurden elektronisch und in Papierform abgelegt. Als technisches Hilfsmittel wurde ein digitales Audioaufnahmegerät benutzt. Um die Beziehungsebene der Kommunikation nicht zu verletzen wurde dieses aber nur dann zum Mitschnitt der Gespräche verwendet, wenn die Interview-Partner ihre Zustimmung signalisiert haben.555 Zwei Interviews konnten nicht mitgeschnitten werden, eines nur zum Teil. Die aufgenommenen Gespräche wurden wörtlich transkribiert. Ingesamt sind so mehr als 500 Seiten Transkripte und Protokolle entstanden. 2.3
Datenanalyse
2.3.1
Instrumente der Datenanalyse
Die Analyse der Daten baut auf der dieser Arbeit zu Grunde liegenden kognitionspsychologisch-, strukturations- und konsistenztheoretisch inspirierten Perspektive auf und zielt auf die Beantwortung der Forschungsfrage dieser Arbeit. Dazu erfolgt zunächst eine Einzelfallanalyse. Einzellfallanalysen stellen üblicherweise detaillierte Untersuchungen der einzelnen Fallstudien dar, häufig in Form einfacher Beschreibungen sowie entsprechender Interpretationen, die keinem bestimmten Format folgen müssen. Sie erlauben dem Untersucher jedoch, sich in den großen Datenmengen zurechtzufinden und eine eingehende Kenntnis der Einzelfälle zu erlangen. Auf diese Weise helfen sie dabei, folgende Analyseschritte zu beschleunigen.556 Die anschließende fallübergreifende Analyse geht über die detaillierte Untersuchung der Einzelfälle hinaus und betrachtet Muster, die sich über die Fälle hinweg abzeichnen. Ziel ist ein tieferes Verständnis der einzelnen Fälle und ihrer spezifischen Muster sowie das Erfassen von Erkenntnissen, die über die ersten Eindrücke des Untersuchers hinausgehen. Dieser Analyseschritt stellt die enge Verbindung von gewonnenem Erklärungsansatz und zu Grunde liegenden Daten sicher.557 Die Analysen erfolgen dabei entlang bestimmter Variablen und nicht entlang einzelner Fälle wie in der Einzelfallanalyse. In der vorliegenden Untersuchung erfolgt die Analyse entlang unterschiedlicher, aus dem zu Grunde gelegten Bezugsrahmen abgeleiteter Aspekte. Dazu gehören
554 555 556 557
Vgl. Yin (2003), S 101f. Vgl. Zaugg (2002), S. 30. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 541; Lillis/Mundy (2005), S. 135f.
Teil D
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
123
neben der Kongruenz von eingeführter BSC und handlungsleitender Ordnung auch die unterschiedenen Barrieren im Implementierungsprozess. In dieser Hinsicht erfolgt auch ein Abgleich von Fällen und theoretischen Erkenntnissen („Pattern Matching“).558 Das Vorgehen zur Gewinnung von reliablen und validen Schlussfolgerungen aus einer großen Menge qualitativer Daten stellt eine Herausforderung der qualitativen Datenanalyse dar, insbesondere besteht die Gefahr mangelnder Transparenz. Computerprogramme bieten hier Unterstützung an. Sie können qualitative Analyseschritte unterstützen, indem sie die Komplexität zu beherrschen helfen und logische Beweisketten nachvollziehbar machen. In der vorliegenden Untersuchung wurde dazu die Software NVivo eingesetzt. Das Programm ist ein Produkt der Firma QSR, die langjährige Erfahrung im Bereich qualitativer Auswertungsprogramme besitzt. Es überzeugt insbesondere im Vergleich mit alternativen Produkten durch vielfältige Auswertungsmöglichkeiten sowie Einfachheit in der Anwendung.559 Die große vorliegende Textmenge wurde in NVivo eingelesen und entlang wichtiger Kategorien kodiert. Auf diese Weise erleichterte das Programm die Orientierung in den Transkripten und ermöglichte die effiziente Verwendung der qualitativen Daten.560 2.3.2
Durchführung der Datenanalyse
Bei der Datenanalyse von Fallstudien gilt es, für neue und potentiell überraschende Ergebnisse offen zu bleiben;561 vorschnelle, falsche Schlussfolgerungen, die die weitere Analyse beeinflussen, müssen verhindert werden.562 Um dies möglichst auszuschließen und um die Validität der Ergebnisse zu stärken, wurden die Ergebnisse mit den Ansprechpartnern in den teilnehmenden Unternehmen diskutiert. Darüber hinaus fand eine Überlappung der Datenerhebung und -analyse statt, wie in einigen methodo-
558 559 560
561 562
Vgl. Yin (2003), S. 116ff. Vgl. auch Durian (2002), S. 738; Welsch (2002). „The searching tools in NVivo allow the researcher to interrogate her or his data at a particular level. This can, in turn, improve the rigour of the analysis process by validating (or not) some of the researcher's own impressions of the data. However, … in terms of searching through the thematic ideas themselves in order to gain a deep understanding of the data, NVivo is less useful simply because of the type of searching it is capable of doing. It is important that researchers recognise the value of both manual and electronic tools in qualitative data analysis and management and do not reify one over the other but instead remain open to, and make use of, the advantages of each.“ Welsch (2002), Absatz 12. Vgl. Zaugg (2002), S. 34. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540.
124
Methodische Konzeption der Fallstudienuntersuchung
Teil D
logischen Leitfäden gefordert.563 Der Vorteil eines solchen Vorgehens liegt in der Flexibilität, weitere Fälle, Gesprächspartner oder Aspekte hinzuzufügen, um ungenügende oder missverständliche Erkenntnisse zu schärfen. Im Rahmen der Ableitung vorläufiger Interpretationen der Beobachtungen wurden diese und die Fallstudiendaten kontinuierlich miteinander verglichen, um die Validität der Aussagen zu sichern: „The central idea is that researchers constantly compare theory and data – iterating toward a theory which closely fits the data.“564 Es wurden so lange neue Fallstudien berücksichtigt, bis die der sich herausbildende Erklärungsansatz ausreichend gefestigt erschien, d.h. bis eine „theoretical saturation“ erreicht wurde.565 Neben dem Abgleich mit den einzelnen Fallstudien wurde der Erklärungsansatz auch mit der existierenden Literatur verglichen.566
563 564 565 566
Vgl. z.B. Miles (1979), S. 596. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 541. Vgl. Glaser/Strauss (1998), S. 65; Lamnek (2005), S. 191. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 543.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
1.
Analyse der Einzelfallstudien
125
Einzellfallanalysen sind detaillierte Untersuchungen einzelner Fälle, die keinem bestimmten Format folgen müssen.567 Sie erlauben dem Untersuchenden, die vorliegenden Datenmengen zu verarbeiten, eine eingehende Kenntnis der Einzelfälle zu erlangen und beschleunigen so anschließende Analyseschritte: „The overall idea is to become intimately familiar with each case as a stand-alone entity. This process allows the unique patterns to emerge before investigators push to generalize patterns across cases. In addition, it gives investigators a rich familiarity with each case which, in turn, accelerates cross-case comparison.”568 Dieses Kapitel beschreibt daher die umfassenden Einzelfallstudien zu den BSC-Anwendungen der sechs teilnehmenden Unternehmen. Zunächst soll jedoch kurz die Struktur der folgenden Einzelfallanalysen erläutert werden. Die weiteren Analysen bauen auf einen spezifischen Bezugsrahmen auf.569 Die Einnahme der damit verbundenen Perspektive ermöglicht es dem Untersuchenden, das Denken über die komplexen realen Phänomene durch die Abbildung von Zusammenhängen auf hohem Abstraktionsniveau zu ordnen sowie relevante Daten und signifikante Kategorien zu abstrahieren.570 Für die vorliegende Arbeit wurde ein kognitionspsychologisch, strukturations- und konsistenztheoretisch inspiriertes Framework von SCHÄFFER/ZYDER zu Grunde gelegt. Demnach kann die Implementierung der BSC als das Einfügen eines neuen externen Modells in die handlungsleitende Ordnung des Unternehmens modelliert werden. Diese umfasst externe Modelle, individuelle interne Modelle der Akteure sowie korporative interne Modelle.571 Für die weiteren Analysen ist eine Konkretisierung der für die BSC relevanten Elemente der handlungsleitenden Ordnung notwendig, die auf Basis der existierenden Literatur zur BSC erfolgt.
567 568 569 570 571
Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540. Eisenhardt (1989), S. 540. Vgl. nochmals Kapitel B1. Vgl. Miles (1979), S. 591; Kirsch (1981), S. 193f.; Glaser/Strauss (1998), S. 54. Vgl. nochmals Abschnitt B1.2.
126
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
x Als im Rahmen der BSC-Implementierung relevante externe Modelle finden in der Literatur die Prozesse und Systeme der Planung/Budgetierung572, Berichterstattung/ Reporting573, Anreizgestaltung574 sowie Informationsverarbeitung575 Erwähnung. Auch empirische Arbeiten zur BSC können die Bedeutung dieser externen Modelle zeigen.576 Ein Teil der Analyse fokussiert daher auf der Integration der BSC mit diesen Regelprozessen und Systemen. x Individuelle interne Modelle werden in der Literatur unter dem Stichwort der Akzeptanz der BSC bei Anwendern und Top Management angesprochen.577 Empirische Studien zur BSC deuten die Bedeutung der Akzeptanz ebenfalls an.578 Die erreichte Akzeptanz stellt damit einen weiteren wichtigen Aspekt der Betrachtungen dar. Dabei kann Akzeptanz Ausprägungen von extrinsisch motiviertem Fügungsverhalten (Compliance) bis hin zu intrinsischer Internalisierung annehmen.579 x Zahlreiche Autoren weisen darauf hin, dass auch korporative interne Modelle bzw. die Unternehmenskultur einen Einfluss auf BSC-Implementierungen nehmen können.580 Dies konnte auch durch empirische Untersuchungen bestätigt werden.581 Da Werte als verlässliche Repräsentanten von Organisationskulturen gelten,582 wird in Einklang mit weiten Teilen der Literatur583 Unternehmenskultur in den weiteren Analysen anhand der von Akteuren geteilten und in der Organisation stark ausgeprägten Werte betrachtet. Die folgenden Einzelfallanalysen sind wie folgt strukturiert: Nach einer Einführung und Kurzdarstellung des Einführungsprozesses erfolgt die Darstellung der BSC im Gefüge der handlungsleitenden Ordnung des Unternehmens. Dazu wird im Einzelnen
572 573 574
575 576 577 578 579 580 581 582
Vgl. z.B. Kaplan/Norton (1996a), S. 224ff.; Otley (1999), S. 376f.; Horváth (2000), S. 127; Horváth&Partners (2004a), S. 314ff.; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 52ff. Vgl. z.B. Horváth&Partners (2004a), S. 359ff.; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 62f. Vgl. z.B. Kaplan/Norton (1996a), S. 217ff.; Venkatraman/Gering (2000), S. 12; Frigo/Krumwiede (2000), S. 53; Olve et al. (2004), S. 5f.; Salterio/Webb (2003), S. 41; Horváth&Partners (2004a), S. 339ff.; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 57. Vgl. u.a. Kaplan/Norton (1992), S. 75; Horváth&Partners (2004a), S. 413ff. Vgl. nochmals Abschnitt C2.2.1.3. Vgl. z.B. Venkatraman/Gering (2000), S. 12; Lawson/Stratton/Hatch (2006b), S. 37f. Vgl. nochmals Abschnitt C2.2.1.1. Vgl. z.B. Nørreklit (2000), S. 79. Vgl. u.a. Mooraj/Oyon/Hostettler (1999), S. 488; Weber/Schäffer (2000b), S. 4f.; Malmi (2001), S. 208; Anand/Sahay/Saha (2005), S.22; Angel/Rampersad (2005), S. 34; Joseph (2006), S. 29. Vgl. nochmals Abschnitt C2.2.1.2. Vgl. Enz (1988), S. 286ff.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
127
die Integration der BSC mit den so konkretisierten externen, individuellen internen sowie korporativen internen Modellen analysiert. Abschließend werden Nutzung und Zufriedenheit mit der BSC-Anwendung beschrieben. 1.1
Unternehmen A – Einschlafen einer Typ II BSC
Einführung Die erste Fallstudie betrachtet die Anwendung einer Typ II BSC in einem deutschen Unternehmen der Automobilindustrie. Die BSC wurde in diesem Fallbeispiel im zweiten Jahr und nach einem Führungswechsel nicht weiter genutzt. Als Tochtergesellschaft eines großen deutschen Automobilkonzerns ist Unternehmen A auf die Erfüllung individueller Kundenwünsche spezialisiert. Das Unternehmen ist in mehrere strategische Geschäftsfelder organisiert und ein offizieller Fahrzeughersteller. Unternehmen A beschäftigt ca. 600 Mitarbeiter an mehreren deutschen Standorten. Im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts wurde die BSC-Anwendung auf Ebene der Geschäftsleitung untersucht, die als Steuerungsinstrument die Geschäftsfelder umfasste. Der Zugang zu diesem Fall erfolgte durch die Vermittlung eines Unternehmensberaters. Ausgangssituation und Einführung der BSC Seit Ende des Jahres 1999 beschäftigte sich die Geschäftsleitung und der Bereich Finanzen und Controlling mit der Vereinheitlichung der vielfältigen Steuerungs- und Planungsprozesse im Unternehmen. Insbesondere sollte die langfristige Unternehmensplanung stärker mit der jährlichen Budgetplanung und der unterjährigen Prognose verzahnt werden sowie die Strategie besser im Unternehmen kommuniziert werden. Dabei wurde auch die BSC auf Eignung geprüft; Geschäftsleitung und Fachbereich „waren da eigentlich ganz begeistert und haben gesagt, das wäre ein Instrumentarium für diese Gesellschaft.“584 Diese Überlegungen fallen in eine Zeit, in der das Thema BSC auch im Mutterkonzern vielfältig diskutiert wurde. Eine entsprechende Veränderung der Steuerungsprozesse in Unternehmen A wurde dadurch erleichtert. In diesem Kontext wollte die Geschäftsleitung ganz bewusst eine Pilotrolle im Konzern einneh-
583 584
Vgl. z.B. Chatman/Jehn (1994); O'Reilly/Chatman/Caldwell (1991); Hofstede et al. (1990). Zitat aus Interview A1.
128
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
men: „Also der damalige Leiter der Geschäftsführung hat gesagt: ‚Wow, das ist ne tolle Sache, das gibt es bei [Mutterkonzern] nämlich noch nicht. Da kann ich also im Prinzip mit meinem Unternehmen, wenn ich das habe, eine Pilotfunktion wahrnehmen. Ich habe somit eine Leuchtturmfunktion im Konzern ... Und da kann ich sicherlich im Prinzip für mein Unternehmen Werbung betreiben. Und kann meinem Unternehmen im Konzern, sagen wir mal so, eine etwas prägnantere Rolle geben.’“585 Neben dem kaufmännischen Geschäftsführer zählte zu diesem Zeitpunkt der Leiter Periodencontrolling zu den Promotoren einer BSC-Initiative. In den Leitungsgremien der Gesellschaft, d.h. insbesondere bei den Leitern der drei Geschäftsfelder, gingen die Meinungen jedoch auseinander. Hier zeigten sich zum einen Zweifel an der grundsätzlichen Notwendigkeit der BSC-Einführung.586 Zum anderen gab es auch Bedenken gegenüber einer Erhöhung der Transparenz im Unternehmen: „Ganz am Anfang, wo man noch nicht die Kennzahlen [der BSC] hatte, war es einfach so, die Leute wollen sich nicht in die Karten schauen lassen. Und die Angst war einfach, als Geschäftsfeldleiter werde ich gläsern …“587 Die entsprechenden Diskussionen im Leitungsgremium führten dazu, dass die Entscheidung für eine BSC-Einführung zunächst nur für die Ebene der Geschäftsleitung fiel, nicht jedoch für die einzelnen Geschäftsfelder. Die Entwicklung einzelner BSCs für die Geschäftsfelder sollte gegebenenfalls später folgen.588 Die Akzeptanz der Geschäftsfeldleiter für das neue Instrumentarium lässt sich auf Basis übereinstimmender Interviewsaussagen damit (bereits) vor der eigentlichen BSC-Einführung als äußerst heterogen einordnen. Ein Zurückziehen der Initiative kam auf Grund der angestrebten Pilotfunktion im Mutterkonzern jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Frage: „[D]ie [Projektpromotoren] konnten nun auch nicht mehr zurück, … weil es eben in die AG kommuniziert worden ist.“589 Im Jahr 2001 begann die Erarbeitung der BSC für Unternehmen A. Das Unternehmen griff dabei auf die externe Unterstützung durch eine Unternehmensbera-
585 586
587 588
589
Zitat aus Interview A1. Dies zeigt exemplarisch die Einschätzung des damaligen Leiters des Geschäftsfeldes „Fahrzeuge“: „[I]ch brauche eigentlich keine Scorecard, weil, das ist wieder nur alter Wein in neuen Schläuchen. Das haben wir alles schon. … Das ist wieder Mehrarbeit und Doppelarbeit und belastet wieder meine Leute mit Kennzahlenermittlung und die sollen entwickeln und die sollen keine Kennzahlen machen.“ Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview A1. „Wobei da die Verantwortlichen dieser Geschäftsfelder meiner Meinung nach … taktiert haben und gesagt haben, ich will das System bei mir eigentlich gar nicht haben. Und auf Unternehmensebene, okay, lassen wir es jetzt einfach mal laufen.“ Zitat aus Interview A2. Zitat aus Interview A2.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
129
tung zurück. Gemeinsam – unter Einbindung der Geschäftsfeldleiter – wurden in Workshops Vision, strategische Ziele, Ursache-Wirkungsbeziehungen dieser Ziele sowie Kennzahlen erarbeitet. Im 1. Quartal 2002 ging die BSC in den operativen Betrieb. Die eingeführte BSC lässt sich zu diesem Zeitpunkt als Typ II charakterisieren. Neben Perspektiven, strategischen Zielen und Kennzahlen umfasste die verwendete BSC auch Ursache-Wirkungsketten, die die Beziehungen der strategischen Ziele verdeutlichten. Eine umfassende „Scharfschaltung“ über die Ableitung von Maßnahmen zu allen Zielen und insbesondere der Verknüpfung an die Anreizgestaltung fand jedoch nicht statt. Die BSC und die Elemente der handlungsleitenden Ordnung x Externe Modelle Übereinstimmend wurde in den Interviews beschrieben, dass die Abstimmung der BSC mit dem bestehenden Gefüge externer Modelle zu diesem Zeitpunkt und auch in der weiteren, gut zweijährigen Anwendungszeit erhebliche Mängel aufwies: „[D]ie Balanced Scorecard war ein System für sich und die Verzahnung mit anderen Systemen, die war nahezu Null …“590 Die BSC sollte als Klammer zwischen der langfristigen Unternehmensplanung und dem jährlichen Budget dienen, so dass das Budget eine Quantifizierung der in der BSC erarbeiteten strategischen Zielsetzungen darstellt. In der Praxis gelang diese Verbindung mit den Planungsprozessen jedoch nicht: „Wir müssen ja sehr schnell und sehr flexibel reagieren. Und irgendwo war dieses Tool dann letztlich ein Klotz am Bein, weil das einfach nicht schnell genug hinterher kam. … [A]m Anfang fand ich es sehr positiv, weil es doch auch mal gezwungen hat, über bestimmte Sachen zu diskutieren … [Aber] bei diesen ganzen Änderungen, die wir permanent haben, diese ... ganzen Inhalte der Balanced Scorecard ständig auf das anzupassen, dafür war es zu langwierig.“591 Eine Abstimmung des etablierten Berichtswesens mit der BSC fand nicht statt. Zwar wurde die BSC im Leitungsgremium diskutiert, es fand jedoch keine Einbindung in die existierenden Berichte statt; ebenso wenig wurden alte Berichte abgeschafft: „[Lei-
590 591
Zitat aus Interview A2. Zitat aus Interview A3.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
130
Teil E
ter Controlling] hat nach wie vor seine Berichte gemacht und wir haben in unregelmäßigen Abständen – ich glaube sogar in größeren Abständen – dann über die Balanced Scorecard diskutiert. Also es war nicht ins Berichtswesen, es war nicht so, dass das komplette Berichtswesen in der Balanced Scorecard abgebildet war.“592 Übereinstimmend wurde in den Interviews die damit verbundene, nicht unerhebliche Mehrarbeit sowie die Enttäuschung der Geschäftsfeldleiter erwähnt, die eine Vereinfachung der Steuerungsprozesse erwartet hatten. Obwohl sich die Priorisierung strategischer Ziele im Rahmen der BSC-Entwicklung auch vereinzelt in den Zielvereinbarung widerspiegelten, bestand keine direkte Verknüpfung von BSC und Anreizsystem: „Da war der Drive nicht da und die Bereitschaft nicht da, zu sagen, okay, meine Herren, jeder von ihnen hat 10 Kennzahlen – das ist die strategische Ausrichtung dieses Unternehmens für die nächsten Jahre – und ich messe sie am Jahresende wie weit sie diese Strategie vorwärts gebracht haben. Dazu ist es nie gekommen.“593 Zentrales Instrument des Anreizsystems blieben die schon vorher etablierten Zielvereinbarungen. Schließlich war auch die Anbindung an die Informationssysteme nicht ausreichend, um von einer Integration des neuen Instruments BSC zu sprechen. Zwar gab es ein eigenes BSC-Softwaretool, das speziell für die Zwecke von Unternehmen A entwickelt worden war und als sehr anwenderfreundlich beschrieben wird. Neben der Übersicht der Kennzahlen und der dazugehörigen Ampeln umfasste das Tool die Dokumentation von Vision und Strategie sowie Detaildaten, Kennzahlendefinitionen und Maßnahmen. Diese Software-Applikation war jedoch nicht mit den übrigen Informationssystemen verbunden, so dass „alles händisch“594 mit hohem Aufwand auf allen Seiten gepflegt werden musste: „Es sind Verantwortliche in den verschiedenen Bereichen festgelegt worden, die den Auftrag gehabt haben, einmal im Monat diese Zahlen zu aktualisieren. Und das auch relativ umständlich. Das heißt … das System konnte nicht direkt von diesen Personen befüllt werden, sondern die Zahlen mussten an eine zentrale Person bei [BSC-Projektleiter] weitergegeben werden, die hat dann das System befüllt.“595
592 593 594
Zitat aus Interview A2. Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview A1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
131
x Individuelle interne Modelle Eine Akzeptanz der BSC im Unternehmen A wurde nach übereinstimmender Aussage der Gesprächspartner nicht erreicht. Die Geschäftsfeldleiter, die bereits vor der Einführung der BSC dem neuen Instrument skeptisch gegenüber standen, konnten auch im Verlauf der BSC-Anwendung nicht überzeugt werden: Die BSC „hatte nie wirklich so die hohe Akzeptanz, sagen wir mal so, bei diesen Führungskräften.“596 Vielmehr wurde die BSC als Mehr- oder Doppelarbeit empfunden: Aus Sicht der Geschäftsfeldleiter stellte sich heraus, „dass diese Effizienzsteigerung, die wir vermutet hatten am Anfang, oder die uns auch verkauft worden ist am Anfang, dass sich die gar nicht eingestellt hat. … [E]s gab nach wie vor eigentlich alle möglichen anderen Berichte auch und die wurden dann noch mal zusammengefasst wieder da rein, aber daraus entstand nichts Neues.“597 Die Enttäuschung über diese „Mehrarbeit ohne Nutzen“598 war umso größer, als dass auf Ebene der Geschäftsfelder insbesondere die Vereinfachung und Verschlankung der bestehenden Steuerungsinstrumente als Ziel der BSC-Einführung verstanden worden war.599 Ein Mehrwert der BSC als Mittel der Strategieumsetzung wurde dagegen nicht erkannt: „[D]ie Leute haben im Prinzip den Kern einer Balanced Scorecard als strategisches Steuerungsinstrument, ich denke, nie erkannt. Und auch nie gelebt.“600 Das BSC-Verständnis auf Ebene der ausführenden Akteure unterschied sich somit von dem der Implementierungsinitiatoren, die die BSC als Instrument der Strategieimplementierung begriffen.601
595 596 597
598 599
600 601
Zitat aus Interview A2. Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview A3. Weiter heißt es: „Die Grundlagen, die man brauchte, um die Balanced Scorecard zu befüllen, reichte uns eigentlich, weil, da steht ja alles drin. … [W]o ist jetzt für uns da der Mehrwert? Und dann sind sie natürlich ganz schnell da, wenn dieser Mehrwert nicht bei der Arbeit irgendwo spürbar wird, dann - wir sind eigentlich hier mit Arbeit genügend ausgestattet.“ Zitat aus Interview A2. „[D]a war eben auch die Idee dahinter, dass man eine ganze Reihe von Steuerungsinstrumenten, von Berichten, von Übersichten, von geliebten Excel-Charts einsparen kann, durch die Einführung der BSC. ... Das war eigentlich mit ein Ziel der ganzen Übung … dass der Steuerungsaufwand minimiert wird.“ Zitat aus Interview A3. Zitat aus Interview A1. „[B]ei den Leuten ist es ja immer so, Sender - Empfänger. Also was sende ich aus? Ich sende aus, die Balanced Scorecard ist ein strategisches Instrumentarium, nichts für den Alltag. So. Bei den Leuten kommt dann vielleicht aber, ah, das ist ein Berichtswesen, ja. Und da bekomme ich dann auf Knopfdruck raus, wo stehe ich mit meinem Volumen, ja von Monat zu Monat. ... Also da habe ich, so bayerisch ausgedrückt, eine „eierlegende Wollmilchsau“, wo alles drin ist, und ich brauch nur auf den Knopf drücken, so ein War-Room, und ich habe alle Kennzahlen, mit denen ich das Unternehmen steuern kann. Tagesgenau. Das ist es ja nicht. Das war auch nie angedacht. Aber das ist bei dem einen oder anderen wahrscheinlich so angekommen.“ Zitat aus Interview A1.
132
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
Die mangelnde Akzeptanz der BSC bei den individuellen Anwendern lässt sich zusätzlich mit dem zum damaligen Zeitpunkt herrschenden Gefühl erklären, im Rahmen der BSC-Präsentationen „an den Pranger gestellt“602 zu werden. Dies lässt sich zum einen mit einer allgemeinen Abneigung gegenüber einer Erhöhung der Transparenz der eigenen Leistungen begründen.603 Zum anderen hing diese Wahrnehmung aber auch mit dem in Unternehmen A etablierten BSC-Prozess zusammen. So wurde die BSC zwar gemeinsam entwickelt, die Pflege und Präsentation der BSC erfolgte später jedoch durch den Fachbereich Finanzen und Controlling: Den Geschäftsfeldern wurden ihre eigenen Zahlen präsentiert. Vor dem Hintergrund des mangelhaften Verständnisses der BSC als übergreifendes Instrument der Strategieumsetzung verringerte dieses Vorgehen nach Aussage eines Interviewpartners abermals die Akzeptanz und förderte individuelle Widerstände: „Also auch das ist natürlich etwas, ich sage mal, was der menschlichen Natur vielleicht so ein Stück zuwider läuft, jemanden jetzt zu füttern, der dann irgendwas Schlaues über die eigenen Geschäftsfelder erzählt. … Das ist dann so ein Vorführeffekt, der auch nicht gerade hilfreich ist, um so eine Sache umzusetzen.“604 Auch auf der Ebene der Initiatoren zeichnete sich auf Basis der Interviewdaten eine unzureichende Kongruenz von BSC und internen Modellen der Akteure ab. Zwar waren sowohl der Leiter Finanzen und Controlling als auch der Leiter Periodencontrolling als Projektleiter überzeugte Anhänger und Promotoren des BSC-Projekts. Das Engagement des Leiters der Geschäftsführung ließ dagegen nach Einführung der BSC nach. Für ihn erschien lediglich das Einnehmen einer Pilot- und Leuchtturmfunktion im Gesamtkonzern von Bedeutung zu sein. Die tatsächliche Steuerung des Unternehmens und eine Verbesserung der Strategieumsetzung mit der BSC waren dagegen von nachrangigem Interesse: „Das [Pilotfunktion] war für ihn eigentlich das Ausschlaggebende. Nicht so sehr das Thema, wie steure ich strategisch das Unternehmen.“605 Entsprechend wurde die umfassende Nutzung der BSC nicht ausreichend eingefordert und die notwendige Integration der BSC mit den existierenden Prozessen und Systemen unzureichend forciert: „[E]s ist zwar als sehr angenehm empfunden worden, dass dieses Unternehmen eine Scorecard hat, aber es war nie so, dass diese Scorecard auch
602 603 604 605
Zitat aus Interview A1. Vgl. nochmals Abschnitt C2.2.1.1.1. Zitat aus Interview A3. Zitat aus Interview A1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
133
gelebt wurde, verinnerlicht wurde und durch dieses Verinnerlichte auf der obersten Führungsebene, dann auch weiter runtergetragen wurde.“606 x Korporative interne Modelle Um die dargestellte geringe Akzeptanz der BSC bei den individuellen Anwendern zu verstehen, sind auch die etablierten internen Modelle auf korporativer Ebene von Relevanz. So stand nach übereinstimmender Aussage in den Interviews die Erhöhung der Sichtbarkeit der Leistungen der Geschäftsfelder durch die Einführung der BSC im Gegensatz zur vorherrschenden Kultur: „In den Geschäftsfeldern [war die Angst vor erhöhter Transparenz] zum Teil sehr, sehr groß. … Ja, das ist auch ein Teil der Kultur. … Das Unternehmensergebnis ist hervorragend, aber wie man dazu kommt – diese Transparenz ist nicht unbedingt gewünscht.“607 Dies hängt damit zusammen, dass Kreativität und unternehmerisches Handeln eine hohe Wertschätzung im Gesamtkonzern und in Unternehmen A genießen: „Also [Mutterkonzern] lebt davon, dass es bestimmte Freiräume gibt, die eben nicht transparent sind. Und die brauchen wir auch. Die sind auch wichtig. Also diese kreativen Geschichten. Man kann so ein Unternehmen überregulieren, das wäre fatal, da würde ich die Kreativität mit zerstören.“608 Die standardisierten Prozesse und die Betonung von Transparenz und Verantwortlichkeit durch die BSC standen diesen Werten entgegen. Ein Interviewpartner führte die Schwierigkeiten bei der BSC-Implementierung auf damit zusammenhängende „Schwächen“ des Unternehmens bei den Managementaufgaben „Ziele vereinbaren, konkrete Ziele vereinbaren, nachhalten, Maßnahmen ableiten usw.“609 zurück: „[I]ch würde sagen, diese Problematik, die wir hier erlebt haben, hat nicht in erster Linie was mit der Balanced Scorecard zu tun, sondern das ist grundsätzlich eine Problematik des Unternehmens. Und diese Schwäche, die das Unternehmen da hat, kann auch über ein System nicht verändert werden.“610 Der notwendige Druck, die BSC ernsthaft zu nutzen, wurde so nicht
606 607 608
609 610
Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview A2. Zitat aus Interview A3. Als Beispiel nennt der Interviewpartner: „[I]m letzten Winkel des Unternehmens, muss das alles transparent sein oder nicht. Ich sage mal ganz einfach, [Mutterkonzern] lebt von so genannten U-Boot-Projekten. Also es war schon immer so. Der [Fahrzeugmodell] zum Beispiel ist entstanden, … weil zwei Mitarbeiter in ihrer Garage einen gebaut haben. Da gab es keinen Auftrag vom Vorstand oder sonst irgendwas, sondern die haben sich ein Auto genommen, haben das umgebaut und haben das in einer Nacht- und Nebelaktion dem Vorstand gezeigt. Und da hat der Vorstand entschieden, das machen wir. Heute sehr erfolgreich.“ Zitat aus Interview A2. Zitat aus Interview A2.
134
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
aufgebaut: „Aber es wurde nie von oben im Prinzip so der Druck ausgeübt: Ich brauche dann und dann die Kennzahlen! Warum ist die Kennzahl immer noch rot? Kümmern sie sich darum! Was ist mit der Strategie? Warum ist die Strategie noch nicht umgesetzt?“611 Darüber hinaus zeigt Fallstudie A auch, dass großer unternehmerischer Erfolg Veränderungsinitiativen erschweren kann: „Ja, wir tun uns mit Veränderungen im Unternehmen grundsätzlich schwer …, da ist jede Veränderung ein ziemlicher Kampf. Und muss schon – da gibt es eigentlich keine Möglichkeit der Überzeugung – mit brachialer Kraft umgesetzt werden. … Ich würde sagen, der Erfolg des Unternehmens behindert auch teilweise diese Schritte. Wenn wir uns, es gibt ja Beispiele, auch im Zusammenhang mit der Balanced Scorecard, wo Unternehmen versucht haben, über die Balanced Scorecard wieder Fuß zu fassen. Also aus dem roten Zahlen herauszukommen. Diesen Bedarf haben wir ja nicht gehabt.“612 Nutzung der BSC und Zufriedenheit Im Rahmen der gut zweijährigen Anwendung wurde die BSC unregelmäßig ca. alle drei Monate im Leitungsgremium diskutiert. Dabei wurde die BSC jedoch als Reportingtool aufgefasst und diente nicht als Grundlage für das Verfolgen der Strategieumsetzung. Die Interviewdaten zeigen, dass eine Diskussion der strategischen Ziele und ihrer Erreichung auf Gesamtunternehmensebene nicht stattfand: „Dieser Abgleich, und auch dieses Arbeiten und Spielen und Austarieren, wie sinnvoll sind die Inhalte dieser Scorecard, das hat nicht stattgefunden.“613 Ebenso wenig wurden Maßnahmen bei roten Ampeln konkret nachgehalten; die Diskussion der BSC – beschrieben als „eine Qual“614 – blieb somit ohne Konsequenzen:615 „Es war ein reines Präsentieren, zur Kenntnis nehmen und so und dann war es das. Und in dem Moment war man, sagen
611 612 613 614 615
Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview A2. Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview A2. „Und dann kommt halt, ich sage jetzt mal, so eine Ampelbewertung zum Schluss raus, rot-gelbgrün, wo jeder dann aha, aha, das ist jetzt gelb. Was heißt denn jetzt gelb? Machen wir da jetzt was? Ja, ja, also bei Gelb müssten wir jetzt was tun. Ja. Aber wir haben noch zwei Rote, also müssen wir jetzt - hm. Woran liegt denn das. Ist, oder wie sieht die Prognose denn aus? Ja, die Prognose sieht schon grün aus. Na wunderbar, dann brauchen wir jetzt nichts mehr tun. … [E]s gibt keine wirklich konkreten Beschlüsse, die wesentlich sind, die auf Grund dieser Erkenntnisse getroffen werden.“ Zitat aus Interview A3.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
135
wir mal so, fertig mit dem Ding, aha, okay, Dankeschön.“616 Die BSC wurde dementsprechend als lästige Zusatzarbeit empfunden, ohne einen zentralen Stellenwert einzunehmen: „Also die Balanced Scorecard ist wirklich als System neben der eigentlichen Arbeit hergelaufen und war einmal im Monat - ich sage mal, ein ungeliebtes System oder Kind, das man einfach befüllen oder pflegen musste und ist dann wieder in Vergessenheit geraten nach diesem Termin.“617 Es ist in Unternehmen A damit nicht gelungen, die BSC als strategisches Managementsystem zu implementieren. Das Ziel, „ein strategisches Steuerungsinstrumentarium, indem ich das auch messen kann“618 zu etablieren, konnte nicht erreicht werden. Auch eine aktive Nutzung als Kennzahlensystem war nicht zu beobachten. Stattdessen war die Unzufriedenheit groß und die BSC-Anwendung verlor langsam an Bedeutung: „Und ja, das ist dann schlicht eingeschlafen. Also es hat auch keiner mehr nachgefragt. Es ist auch keiner gekommen und hat gesagt, warum nehmen wir jetzt nicht wieder unsere BSC, die hilft uns doch. Also das hat nicht stattgefunden. Also offensichtlich hat es niemandem geholfen.“619 Nach dem Wechsel an der Spitze der Geschäftsleitung wurde die BSC dann offiziell ausgesetzt, zu einem Versuch einer Neuauflage ist es seitdem nicht gekommen: Die „Balanced Scorecard, die wir erarbeitet haben, ist tot.“620 1.2
Unternehmen B – Veränderung einer Typ I BSC
Einführung Die zweite Fallstudie untersucht eine Typ I BSC in einem weiteren Automobilunternehmen. Erste Elemente dieser BSC-Anwendung wurden wieder zurückgenommen, zugleich soll jedoch an einem weiteren Ausbau der BSC-Anwendung durch die Anbindung an das Anreizsystem festgehalten werden. Unternehmen B ist ein großer deutscher Automobilkonzern mit weltweit über 350.000 Mitarbeitern. Das börsennotierte Unternehmen entwickelt und produziert Personenwagen und Nutzfahrzeuge an Standorten auf der ganzen Welt und vertreibt seine Fahr-
616 617 618 619 620
Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview A2. Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview A3. Zitat aus Interview A1.
136
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
zeuge über ein globales Vertriebsnetz. Das Unternehmen ist in mehrere Sparten organisiert, die unterschiedliche Automobilmarken in den Bereichen Personenwagen und Nutzfahrzeugen sowie Finanzdienstleistungen umfassen. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde die BSC-Anwendung der Marketing- und Vertriebsorganisation untersucht. Diese steuert die Marketing- und Vertriebseinheiten der Konzernsparten und die Vertriebsgesellschaften in den Ländern. Konzernweit umfasst der Funktionsbereich Marketing- und Vertrieb weit über 10.000 Mitarbeiter.621 Der Zugang zu diesem Fall erfolgte über persönliche Kontakte des Autors innerhalb des Konzerns. Ausgangssituation und Einführung der BSC Die Einführung der BSC im Funktionsbereich Marketing und Vertrieb wurde im Rahmen des Projekts „Alpha“622 beschlossen, welches die strukturelle und inhaltliche Restrukturierung des europäischen Vertriebs zum Ziel hatte. Vor dem Hintergrund des Zusammenwachsens des europäischen Marktes wurde im Rahmen dieses Restrukturierungsprojekts auch das Steuerungsmodell der Marketing- und Vertriebsorganisation neu behandelt. Das Ziel war die Harmonisierung der Steuerung und die Schaffung größerer Transparenz im Vertrieb.623 Die Entscheidung zur Anwendung der BSC wurde durch positive Erfahrungen mit dem Instrument im Konzern gefördert. Im Rahmen der Diskussionen zum Alpha-Projekt wurde daher die BSC als neues Steuerungsinstrument vorgeschlagen und die Einführung vom Konzernvorstand beschlossen. Die BSC für den Bereich Marketing und Vertrieb – die so genannte „VertriebsScorecard“ – sollte als Steuerungssystem sowohl in den Vertriebsfunktionen der Sparten in der Konzernzentrale als auch in den operativen Vertriebsgesellschaften in den Ländern eingesetzt werden. Durch die Vorgabe der Vertriebs-Scorecard als neues Steuerungsinstrument sollte die gewünschte Harmonisierung und Transparenzsteigerung erreicht werden – die Ausgewogenheit der BSC war bei der Auswahl des Instruments nur von nachgelagerter Bedeutung; Strategieimplementierung war nicht das Ziel 621 622 623
Eine genaue Bezifferung war nicht möglich. Projektnamen, Sparten- und Bereichsbezeichnungen sowie Name der BSC geändert. „… Transparenz [ist] sicherlich ein Thema gewesen, also zwischen den Landesgesellschaften und der Zentrale, was, denke ich, ja auch in vielen Unternehmen ein Spannungsfeld sein kann. Ich sage mal, die Außenorganisation und Vertriebsgesellschaften, die Präsidenten dort, haben so ihr eigenes Fürstenreich gehabt, sage ich mal, waren sehr autark. Wurden gesteuert natürlich über eine Zielvereinbarung, über eine Profit-Kenngröße. Ansonsten waren sie aber relativ frei. .... Die Transparenz war teilweise verbesserungsfähig, sage ich mal. Gerade in den größeren Gesellschaf-
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
137
der BSC-Initiative im Rahmen des Alpha-Projekts: „Man muss dazu sagen, dass, die ganze Scorecard war von Anfang an sehr operativ ausgerichtet. Das heißt, es ist keine strategische Scorecard in dem Sinne.“624 Ziel war es somit in erster Linie, die Steuerung des Vertriebs für die Zentrale zu vereinfachen.625 Die Implementierung begann im April des Jahres 2005 mit der Konzeption der BSC – nur zu Beginn unterstützt von Beratern – und der Definition der Kennzahlen. Bei der Definition der Kennzahlen wurde der Großteil von Seiten der Zentrale festgelegt. In den Prozess der Kennzahlendefinition wurden die Sparten eingebunden, nicht jedoch die Landesgesellschaften. Allerdings boten zahlreiche Informationsveranstaltungen in der Zentrale und in den Landesgesellschaften die Möglichkeit für Feedback und Anregungen. Die Definition der Kennzahlen erfolgte auf Basis der vorhandenen Steuerungsgrößen; eine explizite Ableitung der Kennzahlen aus strategischen Zielen erfolgte nicht. Auch Ursache-Wirkungsketten fanden bei der Konzeption der BSC keine Anwendung: „Das haben wir mal versucht, so was aufzustellen, aber dafür haben wir einfach viel zu viele Größen. … Wie gesagt, zentraler Punkt ist hier wirklich die operative Steuerung des Ganzen.“626 Die operative Ausrichtung zeigt sich auch in den Perspektiven der BSC, die stark von den klassischen vier abweichen.627 Kennzahlen der klassischen Kunden-, Prozess- oder Entwicklungsperspektive finden sich entsprechend nur „im Ansatz“628 wieder. Als weitere Besonderheit wurde bei der Konzeption der Vertriebs-Scorecard im Unternehmen B die komplexe Berechnung eines BSC-
624 625
626 627
628
ten, wo natürlich auch entsprechende Macht dann dahinter stand. Also da hat man sich erhofft, eine Verbesserung zu erzielen.“ Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview B1. Dies wurde auch in den Landesgesellschaften entsprechend wahrgenommen: „Ich denke, das Ziel war, eine Basis zu schaffen, um alle Märkte mehr oder weniger leicht vergleichbar darstellen zu können. Es gibt tausend Kennzahlen und so viele unterschiedliche Themen, und diese Scorecard ermöglicht halt, dass ein Vorstand in [Zentrale] oder ein [Top Manager] wunderbar sich einloggen kann und alles auf einen Schlag sehen kann.“ Zitat aus Interview B3. Zitat aus Interview B1. Die Sparten-Scorecard umfasst in einem ersten Bereich („Vehicle Sales“) die Perspektiven Neuwagen-, Flotten- und Gebrauchtwagengeschäft. Zusätzlich gibt es einen zweiten Bereich „Adjoint Businesses“, der Ausgriffe aus den so genannten „Functional Scorecards“ enthält, die die Querschnittsfunktionen betreffen (Finanzdienstleistungen, After Sales, Händlernetz und Eigener Retail). Dies soll Austausch und Zusammenarbeit über funktionale Grenzen hinweg fördern: „Es ist nicht nur reine Information, denn diese Gesamt-Scorecard geht in seine Zielvereinbarung ein. Das heißt, er wird verantwortlich gemacht auch für diese Teile. Das heißt, er muss sich bewusst mit [z.B.] dem [Händlernetz]-Manager zusammensetzen und Maßnahmen dort erarbeiten. Er ist also mitverantwortlich dafür.“ Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview B1.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
138
Teil E
Gesamtscores festgelegt, der sich aus der Zielereichung in den einzelnen Kennzahlen errechnet.629 Die so erstellte BSC lässt sich daher als Typ I BSC charakterisieren, da keine UrsacheWirkungsketten Anwendung finden. Ende September des Jahres 2005 – nach nur sechs Monaten – waren Pilot-Anwendungen in zwei Landesgesellschaften im Einsatz. Danach folgte der Einführung in zwölf weiteren europäischen Landesgesellschaften, die zum Ende des Jahres abgeschlossen werden konnte. Anfang 2006 ging die VertriebsScorecard in den operativen Betrieb.630 Die BSC und die Elemente der handlungsleitenden Ordnung x Externe Modelle Die Integration der Vertriebs-Scorecard in das bestehende Gefüge externer Modelle von Unternehmen B war nach übereinstimmenden Aussagen der Interviewpartner zum Zeitpunkt der Untersuchung weit fortgeschritten. Allerdings waren hierbei noch Anpassungsprozesse zu beobachten, die auch die Veränderung des ursprünglichen Konzepts der Vertriebs-Scorecard beinhalteten. Mit den Planungsprozessen war die BSC-Anwendung verzahnt. Der Zielsetzung der Vertriebs-Scorecard entsprechend, stellte die BSC hierbei jedoch nicht das Bindeglied zwischen strategischer und operativer Planung dar. Vielmehr wurden die Zielwerte des Großteils der Kennzahlen aus der Planung in die BSC übernommen, um die Zielerreichung zu verfolgen: „Wir sind da mit der Scorecard empfangendes Organ. Wir sind aktiv an den Finanzplanungsprozess angebunden. Das heißt, es gibt ja im Planungsprozess bestimmte Zyklen, und wir kommen mit der Scorecard klar in den Zyklen danach: Wenn die Planung erfolgt ist, ziehen wir die aktuell in die Scorecard hinein.“631 Auch bei Anpassungen der Erwartungen erfolgte eine Aktualisierung der BSC: „Es
629
630
631
Die Sparten verteilen 1.000 Punkte auf die einzelnen Kennzahlen; bei 100% Zielereichung werden 100% der zugeteilten Punkte gewährt. Zwischen 95 und 100 Prozent Zielerreichung verliert man 50 Prozent der Punkte; bei 110% Zielerreichung gibt es einen Cap, der für drei zentrale KPIs auf Betreiben einer Sparte wieder aufgehoben wurde. Ein Optimieren auf wenige Größen ist seitdem wieder möglich. Die Sparten sind in der Verteilung der Punkte frei; die Gewichtung von Kennzahlen ermöglicht damit, besondere strategische Akzente zu setzen. Die Möglichkeit der Gewichtung gilt nur Sparten, nicht für einzelne Landesgesellschaften. Parallel läuft seitdem der internationale Roll-out, wobei mit den USA, Japan und Kanada wichtige Märkte bereits angeschlossen sind. Im Rahmen des Roll-outs wurden die teilweise bereits vorhandenen, eigenständig entwickelten BSC-Anwendungen abgelöst. Zitat aus Interview B1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
139
läuft alles komplett automatisiert.“632 Widersprüchliche Zahlen in Budget und BSC tauchen damit nicht auf: „Es gibt halt nur eine Zahl am Ende...“633 Hinsichtlich der Einbindung der BSC in das Berichtswesen und das regelmäßige Reporting zeigte sich ein differenziertes Bild. So war die BSC auf oberster Ebene bereits fester Bestandteil der Sitzungen des obersten Gremiums der Vertriebs- und Marketingorganisation, dem „Exekutiv-Ausschuss“, und stellte das zentrale Berichtsformat dar.634 Daraus ergab sich, dass auch die Landesgesellschaften regelmäßig auf Basis der BSC berichteten. Die Interviewdaten zeigen dabei jedoch, dass nicht in allen Landesgesellschaften eine monatliche Diskussion der jeweiligen BSC im Leitungsgremium erfolgte, bevor die Zahlen in Richtung Zentrale freigegeben wurden. Die VertriebsScorecard stellte dabei in jedem Fall ein zusätzliches Element dar: „[W]ir machen normalerweise einen allgemeinen Marktreview und Performancereview, so wie wir das immer gemacht hatten vorher, und dann sagen wir, okay, und jetzt kommt die Scorecard, gucken uns das noch mal im Detail an.“635 Obwohl die Vermeidung eines Parallelreportings durch die BSC als „key success factor“636 erkannt worden war, zeigte sich damit in der praktischen Anwendung der Vertriebs-Scorecard, dass etablierte Berichtspflichten nicht reduziert wurden. Darüber hinaus war die Vertriebs-Scorecard im Ausgangskonzept durch ein weiteres Element, so genannte „Aktions-Beschreibungen“, eng in das Berichtswesen eingebunden. Aktions-Beschreibungen mussten zunächst für jede „rote Ampel“ angefertigt werden und zusammen mit der monatlichen BSC reported werden. Eine AktionsBeschreibung umfasste die strukturierte Darstellung der Ursachenanalyse für das Verfehlen des Zielwertes, die angestrebten Verbesserungsmaßnahmen, einen Ausblick sowie Stichtage und Verantwortliche. Aktions-Beschreibungen mussten sowohl in den Landesgesellschaften als auch spartenübergreifend in der Zentrale angefertigt werden. Ziel dabei war das „Ersetzen einer bestehenden Kommentierungsschiene zwischen Markt und Headquarter. Da gibt es ja bestehende Excel-Reports oder wie auch immer
632 633 634
635 636
Zitat aus Interview B2. Zitat aus Interview B1. „Für die [Exekutiv-Ausschuss]-Meetings ist es das auf jeden Fall. Dafür ist die Balanced Scorecard ja auch gesetzt und auch als Endabnehmer sozusagen gedacht. Das funktioniert auch. Wir sind auch da voll implementiert in diesen [Exekutiv-Ausschuss]-Zyklus. Wir haben jeweils 60 Minuten reserviert, wo eben Scorecard-Ergebnisse auch vorgestellt werden von den Spartenverantwortlichen.“ Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview B3. Zitat aus Interview B5.
140
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
geartete Reports oder über Telefon, wie auch immer. Dass man so was bündelt und die Scorecard als Konsolidierung auch auf der Seite der Kommentierung nutzt.“637 In der Realität erwies sich die Erstellung der Aktions-Beschreibungen nach übereinstimmender Aussage der Gesprächspartner jedoch als Zusatzbelastung, da die entsprechende Reduzierung der übrigen Berichtspflichten nicht erfolgt war. Gleichzeitig beschrieben die Interviewpartner aus den Landesgesellschaften, dass die Aktions-Beschreibungen von der Zentrale zu wenig beachtet worden waren.638 Das Feedback zu den AktionsBeschreibungen war offenbar unzureichend,639 die Akzeptanz für dieses Element der Vertriebs-Scorecard entsprechend gering: „[O]ne of the directors said to me, ‚How do these [Aktions-Beschreibungen] or how would the center help me to run my business better through these [Aktions-Beschreibungen]?’ I did not know the answer to that question.“640 Auf Grund des resultierenden Protests und des Widerstandes der Landgesellschaften wurde daher die Kommentierung durch Aktions-Beschreibungen im Juli 2006 wieder ausgesetzt. Ein zentrales Element im Konzept der Vertriebs-Scorecard, das die enge Integration der BSC in das Berichtswesen gewährleistet hatte, wurde damit zurückgenommen. Die Integration der BSC mit dem Anreizsystem in der Marketing- und Vertriebsorganisation in Unternehmen B wurde dagegen zum Zeitpunkt der Untersuchung weiter forciert. So waren bereits im Jahr 2006 einige Ziele aus der Vertriebs-Scorecard in den Leistungsvereinbarungen der Spartenverantwortlichen sowie der Präsidenten der Lan-
637 638
639
640
Zitat aus Interview B1. „Also die [Aktions-Beschreibungen] haben wir am Anfang mehr als lästige Aufgabe empfunden. … Das war der erste Punkt. Es war sehr zeitaufwendig. Man musste den Leuten ständig hinterher rennen, dass die das eingeben. Dann hatten wir den Eindruck, dass die [Zentrale] das auch nicht so genau nehmen und genau lesen. So lange die zwei, drei wichtigsten Kennzahlen da richtig kommentiert waren, das heißt Volumen und so, den Rest hat keinen interessiert.“ Zitat aus Interview B3. „They write the [Aktions-Beschreibung]: What happens to it? Who looks at it? Nobody from the center would then gives the business unit the feedback on the [Aktions-Beschreibungen]. For example, if I was in the center and I was reviewing these [Aktions-Beschreibungen], I would probably have a number of questions I then- that would come to mind. I would want to go back to the Business Unit and say, ‚I don’t really understand what this [Aktions-Beschreibungen] is here.’ Or, perhaps, a couple of months down the line, go back to the Business Unit and say, ‚Two months ago, you said you were going to do this. Have you done that? Can I see what has happened, because you’re still showing the red traffic light?’ The people here seem to, they didn’t get that feedback and I think it would have been much more helpful if they had that.” Zitat aus Interview B5. Zitat aus Interview B5.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
141
desgesellschaften enthalten gewesen, ab 2007 sollten alle Ziele darin zu finden sein.641 Darüber hinaus wurden auf Basis des ermittelten BSC-Gesamtscores Rankings der Landesgesellschaften erstellt, die Teil der Quartalspräsentationen im ExekutivAusschuss waren. Mit dem Abschneiden im Ranking waren zwar keine direkten Konsequenzen verbunden; als Kommunikations- und Motivationsinstrument stellten sie jedoch einen wichtigen Bestandteil des bestehenden Anreizsystems dar. Die Interviewdaten zeigen übereinstimmend, dass das Ranking dazu beitrug, dass die VertriebsScorecard ernst genommen wurde: „It causes a big reaction. But, on the positive side, until we started doing that, they didn’t take it very seriously. So that was a big motivation thing.“642 Hinsichtlich der Integration der Vertriebs-Scorecard mit den Informationssystemen kann zum Zeitpunkt der Untersuchung von einer gelungenen Einbindung gesprochen werden. Bei der Entwicklung der Vertriebs-Scorecard war bewusst nicht auf im Konzern bestehende BSC-Softwareapplikationen zurückgegriffen, sondern eine Neuentwicklung favorisiert worden, die händischen Aufwand minimierte. In dieser Hinsicht hatte sich die Anstrengung gelohnt, wie das übereinstimmende Lob der Anwender für die neu entwickelte BSC-Softwärelösung zeigte: „Das ist super gemacht. Also die Anbindung an die Systeme ist sehr gut. Und ich muss auch sagen, die Benutzung der Balanced Scorecard ist echt ein tolles Tool. … Es läuft alles komplett automatisiert.“643 x Individuelle interne Modelle Hinsichtlich der Kongruenz der Vertriebs-Scorecard mit den individuellen internen Modellen der Akteure zeigen die Interviewdaten ein gemischtes Bild. Die Akzeptanz der BSC variierte zum Zeitpunkt der Untersuchung stark: „Da gibt es alle Schattierungen. Wirklich, das ist nicht schöngezeichnet. Es gibt Schattierungen von begeistert bis komplette Ablehnung. Und dazwischen gibt es alles.“644
641
642 643 644
„Wir sind durchaus schon so weit, dass wir mit der Zielvereinbarung verankert sind, mit den Präsidenten. Wir sind in diesem Jahr mit einem Sub-Set der KPIs vertreten und werden ab dem nächsten Jahr mit dem kompletten Set in der Zielvereinbarung vertreten sein. Und ab dem Zeitpunkt geht es natürlich auch um das persönliche Geld jedes Präsidenten und jedes SalesManagers.“ Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview B4. Zitat aus Interview B2. Zitat aus Interview B1.
142
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
Nach übereinstimmender Aussage der Interviewpartner standen auf Ebene der Landesgesellschaften sehr überzeugte Präsidenten einigen äußerst ablehnenden645 gegenüber; die Mehrzahl der Märkte verhielt sich konform: „There’s more resistance still at a market level. … I mean, they accept that it’s there. They accept that they have to deal with it. They accept that it’s a good thing for the company. But I still think they don’t like it.”646 Die etwaigen Akzeptanzschwierigkeiten können auf Basis der Interviewdaten auf mehrere Gründe zurückgeführt werden. Zunächst herrschte im Konzern zum Zeitpunkt der BSC-Einführung, der geprägt war von einer Reihe von Effizienzsteigerungsprogrammen und Restrukturierungsprojekten, ein Klima, das weitere Veränderungen ablehnte.647 Die Verbindung der BSC-Initiative mit dem Restrukturierungsprojekt für den europäischen Vertrieb stellte vor diesem Hintergrund eine Hürde dar: „Sie können sich vorstellen, wenn es so um Restrukturierungsthemen geht, wird mit dem Begriff [Alpha] dann in der Organisation auch nicht immer Freude empfunden. Wenn sie dann mit einer Balanced Scorecard kommen und schreiben vorne drauf, das ist [Alpha], dann ernten sie nicht immer von Vornherein Applaus dafür.“648 Übereinstimmende Interviewaussagen zeigen, dass die Vertriebs-Scorecard des Weiteren vor allem als Kontrolltool und weitere Reportingpflicht in Richtung Konzernzentrale aufgefasst wurden; ein Mehrwert der Anwendung der BSC für die Landesgesellschaft wurde nicht erkannt.649 Vielmehr wurde die BSC-Einführung als Einmischung,
645
646 647
648 649
Die Ablehnung eines Landespräsidenten zeigt sich beispielsweise anhand der folgenden Begebenheit: „There was no real buy-in, even at the advanced stage when we did the presentation. In fact, what [country president] did at that presentation, he actually invited along somebody from [Company B] insurance services ... He invited him to present on a scorecard that they implemented, which is not a [Company B] scorecard, it’s just one that they [had] for themselves. He had this person present it directly after we presented ours as a way of undermining the [Sales-]Scorecard and the [IT]-system, saying how wonderful this other system was that the insurance business was using. … This in front of [project leader Sales-Scorecard], who’d come to present the other scorecard.” Und weiter: „It’s there but it’s not used and in fact [country president] said when we had that presentation back in November last year, actually said, ‚Okay. Yes, we will comply. We will do these [Aktions-Beschreibungen], etc. etc, but we won’t use it.’” Zitat aus Interview B5. Zitat aus Interview B4. „Bei [Unternehmen B] ist in den letzten zwei Jahren sehr viel anders gekommen, anders gelaufen. Sehr viele Neuigkeiten und Umstrukturierungen und das [BSC] ist wieder auch, das ist nur ein Teil von diesen 30.000 Änderungen. Ich glaube die Leute, viele Leute sind etwas demotiviert und … dadurch resultiert, dass die Akzeptanz mehr oder weniger schwach ist.“ Zitat aus Interview B3. Zitat aus Interview B1. „Erstmal war die [Reaktion in der Landesgesellschaft], die haben mich erstmal ein bisschen schief angeguckt, ja, was soll das denn jetzt wieder, ein Kontrolltool von [Zentrale], bringt das überhaupt was? … Das Problem ist eben da auch gewesen, diese Vorteile zielen eher auf die Vorteile für die [Zentrale] zurück. Was die Vorteile [der Landesgesellschaft] sind, ist halt ein bisschen schwieriger, weil wir schon, wir haben unser internes Reporting. Wir steuern unser Unternehmen schon
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
143
„as a further intrusion into the business“650, gesehen: „[W]hat they’ve done is they’ve gone to the extreme where they look at everything. They look at everything in detail. They ask us about .., about marketing, about discounts and about everything. It’s almost like they want to control the micro-management on it. And the scorecard was very much seen here has a way of the center exercising even greater control and sticking their nose in even deeper. That’s the impression I got of the way it was perceived here.”651 Die umfangreichen Top-down Vorgaben aus der Zentrale und die als gering wahrgenommenen Einflussmöglichkeiten verringerten demnach das geistige Eigentum an der BSC und erschwerten die Identifikation mit dem Instrument.652 Im Rahmen der Anwendung der Vertriebs-Scorecard ergaben sich zusätzliche Zweifel an dem neuen Instrument. In Anbetracht des komplexen Verfahrens zur Errechnung eines BSC-Gesamtscores, der in ein Ranking mündete, gab es übereinstimmende Befürchtungen, dass die Landesgesellschaften sich mehr auf die Optimierung der BSC als auf das eigentliche Geschäft konzentrierten. So reagiere der Gesamtscore sehr sensibel auf leichte Unterschreitungen des Zielwertes, sei damit jedoch zugleich manipulationsanfällig: „Und da komme ich nämlich zu unserem Problem, dass … ich den Eindruck habe, dass die Scorecard unterjährig mehr misst, wie genau du planen kannst, als die tatsächliche Performance. Weil, … wir können bei unserem Markt 50 Einheiten von einem Monat zum anderen verschieben und maßgeblich unsere Zahl beeinflussen. Und das würde [der Zentrale], die Controller in [der Zentrale], denen würden das gar nicht groß auffallen.“653 Gleichzeitig galt es, die Position in dem für die Kommunikation mit der Zentrale so wichtigen Ranking der Landesgesellschaften zu verbessern. Hieraus ergab sich ein mögliches dysfunktionales Optimierungsverhalten der Landesgesellschaften: „I think it is way too rigid sometimes, and I think people just want to set targets they can beat just so they’ll look good, and with the higher visibility, it’s
650 651 652
653
seit einem Jahrzehnt - das läuft so wie es läuft. ... Das ist also, wie sagt man, ‚alter Wein in neuen Schläuchen’, ja.“ Zitat aus Interview B3 Zitat aus Interview B5. Zitat aus Interview B5. „Die Balanced Scorecard versucht viel durch Gleichmacherei hinzukriegen. Und ich glaube, diese Gleichmacherei ist für die Akzeptanz in den [Landegesellschaften] ein ganz kritischer Punkt. … [W]o halt die [Landegesellschaften] sich selbst nicht wieder finden in der Balanced Scorecard oder zumindest nicht ausreichend wieder finden, um sich wirklich mit der Balanced Scorecard zu identifizieren, um das dann als Steuerungsinstrument vollumfänglich zu akzeptieren.“ Zitat aus Interview B2. Zitat aus Interview B3. Weiter heißt es: „[E]ine kleine Deviation in einem KPI, das [Zentrale] als wichtig empfunden hat und hoch gewichtet hat, zerschlägt Dir dann dein Resultat. Das ist Blödsinn. … [D]as sagt recht wenig aus.“
144
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
almost reinforcing that thinking, rather than our old way of saying, ‚Hey, we’re using this to improve the business.’ Now it’s just, ‚I just want to look good.’ … It’s much more political now.”654 Darüber hinaus führte die Mehrarbeit durch zusätzliche Berichtspflichten im Rahmen der Aktions-Beschreibungen zu Widerständen in den Landesgesellschaften, so dass diese – wie dargestellt – nach kurzer Zeit ausgesetzt wurden. Die Aussagen mehrerer Interviewpartner verdeutlichten jedoch, dass das Aussetzen der AktionsBeschreibungen selbst einen kritischen Schritt für die weitere Akzeptanzschaffung darstellte. Denn das wurde „durchaus auch von vielen so verstanden, … dass es eben sozusagen der erste Schritt ist, um die Balanced Scorecard wieder abzuschalten.“655 Die Glaubwürdigkeit der Vertriebs-Scorecard und der Anspruch des „zentralen Steuerungstools“ hatten somit offenbar unter der Aussetzung der Aktions-Beschreibungen gelitten: „Some people do think it has gone away. You know, when I mention scorecards, some people have said, ‚Oh! Is that still going?’”656 Auf Seiten der Zentrale erschien die Akzeptanzschaffung zum Zeitpunkt der Untersuchung ebenso wenig fortgeschritten zu sein: „Ja, im Moment ist, will ich mal sagen, die Stimmung so, dass man sagt, es ist halt eine Pflicht. Wir müssen es machen. Wir tun es halt im Rahmen unserer Möglichkeiten, im Rahmen der Kapazität, die wir halt verfügbar haben. Aber es ist kein geliebtes Kind. Also, ich will mal so sagen, wenn einer kommt und sagt, können wir das irgendwie abschaffen, dann ist hier keiner traurig drum.“657 Dabei umfasste die „Lähm-Schicht“658 in der Zentrale ausdrücklich nicht die Ebene des Top Managements. Als ausschlaggebend für den „lähmenden“ Einfluss in der Zentrale wurden von einem Interviewpartner Bereichsinteressen vorgeschlagen. Der Grund für die geringe Akzeptanz sei demnach, „dass das Instrument Scorecard ja nicht in dem Bereich selber verankert ist. Das heißt, gehört nicht organisatorisch zu
654 655 656 657 658
Zitat aus Interview B4. Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview B5. Zitat aus Interview B2. „Aber, es gibt auch noch eine, ich nenne sie mal provokativ Lähm-Schicht. Und diese LähmSchicht befindet sich nicht auf Top Managementebene, sondern darunter, dazwischen. Das sind genau die, die normalerweise diese Reports erzeugen. Die ihr Produkt promoten wollen. Und obwohl sie die Zustimmung des Managements haben, komplett, tun sie sich wahnsinnig schwer, diese Lähm-Schicht zu durchbrechen. Und das ist auch uns hier noch nicht gelungen.“ Zitat aus Interview B1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
145
dem Bereich. Das heißt, ich gebe ja ein Stück ab sozusagen aus meinem Verantwortungsbereich heraus …“659 Ebenso wichtig erscheint auf Basis der Interviewdaten jedoch die Beobachtung, dass – trotz des offiziellen Commitments des Top Managements – die Vertriebs-Scorecard noch nicht ausreichend eingefordert wurde: „In der Zentrale haben wir dann halt ein anderes Akzeptanzproblem, dadurch, dass es uns durch das Management nicht wirklich vorgelebt wird. Wir kriegen nicht genug Rückkopplung und es ist halt dummerweise so, aber ohne Druck läuft nichts. Vor allem nicht heutzutage. Wenn sie nicht den entsprechenden Druck bekommen, dann fällt so ein Thema hinten runter.“660 Dies zeigte sich z.B. im Rahmen der Aussetzung der Aktions-Beschreibungen, bei der ein Vorwurf das mangelnde Feedback zu den Kommentierungen aus der Zentrale betraf: „Klar. Die Zentrale gibt keine Rückkopplung, wenn sie nicht auch Druck von ihren Chefs wieder bekommen.“661 Die BSC wurde so als „pretty much a black box“662 empfunden. Diese wahrgenommenen Mängel im Vorleben der BSC standen jedoch im Gegensatz zum offiziell geäußerten Commitment des Top Managements. So wurde auf einem Workshop zur Vertriebs-Scorecard von einem Mitglied des Exekutiv-Ausschusses betont: „The [Exekutiv-Ausschuss] is dedicated and committed to the BSC model.“663 In diesem Zusammenhang wurde außerdem auf einen „Pakt“ im Exekutiv-Ausschuss verwiesen „to push BSC further from reporting to operating steering tool.”664 Diese Unterstützung der Vertriebs-Scorecard ging dabei vom Leiter der Marketing- und Vertriebsorganisation aus: „Der [Leiter der Marketing- und Vertriebsorganisation] steht wie eine Eins hinter dem Thema und möchte das auch haben. Wird es heute wieder auf dem [Exekutiv-Ausschuss] auf der IAA in Hannover noch mal den Präsidenten sagen: ‚Das ist mein Tool. Ich möchte das haben und kein anderes. Fertig. Ende der Diskussion.’“665 Entsprechend verteidigte er auch die Aussetzung der Aktions-Beschreibungen als Entgegenkommen und wollte diesen Schritt nicht als ersten Teil des Rückzuges der 659 660 661
662 663 664
Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview B2. Zitat aus Interview B2. Weiter heißt es: „Da gab es bisher relativ wenig Rückmeldung; ob jetzt die Kommentierung ausreichend ist oder nicht ausreichend ist. Für mich habe ich die Befürchtung, dass die Qualität der Kommentierung vielleicht okay ist, aber nicht wirklich zur Kenntnis genommen wird.“ Teilnehmer des Vertriebs-Scorecard Workshops. Teilnehmer des Vertriebs-Scorecard Workshops. Teilnehmer des Vertriebs-Scorecard Workshops.
146
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
BSC interpretiert wissen.666 Ein aktives Vorleben der BSC wurde über dieses feste Commitment zur Vertriebs-Scorecard jedoch – wie dargestellt – unterhalb des Top Managements nicht wahrgenommen: „[D]ie Balanced Scorecard wird auch nicht wirklich vom [Leiter Marketing- und Vertriebsorganisation] vorgelebt. Es ist, bei solchen Instrumenten ist es immer wichtig, dass derjenige, der es haben wollte, [Leiter Marketing- und Vertriebsorganisation] an der Stelle, für mich das auch vorlebt. Und ich, also bei mir auf der untersten Ebene, kommt dieses Vorleben nicht an. Und wenn das nicht ankommt auf der untersten Ebene, dann ist auch die Akzeptanz nicht da.“667 x Korporative interne Modelle Auch die Betrachtung des Zusammenspiels von BSC und etablierter Unternehmenskultur ermöglicht interessante Einsichten. So konnten ein Teil der Widerstände und die Existenz einer „Lähm-Schicht“ nach Aussagen eines Interviewpartners zunächst auf eine grundsätzlich geringe organisationale Veränderungsbereitschaft zurückgeführt werden: „Da würde ich es so einschätzen, dass die Innovations- und Risikofreude nicht besonders hoch ist, was im Wesentlichen sich dann auch dahingehend äußert, dass man neuen Ansätzen, wie es die Scorecard eben auch ist, nicht gleich mit ausgebreiteten Armen gegenübersteht, sondern a) erstmal überzeugt werden möchte und b) auch teilweise Dinge erstmal einfach versucht, auslaufen zu lassen … nach dem Motto, ja, das haben wir doch immer schon so gemacht, mit diesem Report, und das hat doch toll funktioniert und warum soll ich da jetzt was nehmen, was jetzt Balanced Scorecard heißt.“668 Auf der individuellen Ebene wurden diese korporativen Elemente durch die bereits angesprochenen umfangreichen Änderungen der letzten Jahre verstärkt.669
665 666
667 668 669
Zitat aus Interview B1. „[E]r hat gesagt, okay, jetzt ist [Sitzung Exekutiv-Ausschuss], ich möchte mich noch mal hinstellen, ich persönlich möchte mich hinstellen und den Präsidenten noch mal sagen, dass das Thema [Aktions-Beschreibung] für mich nicht so zu interpretieren ist, dass die Scorecard jetzt nicht mehr benutzt wird, sondern, dass das ein Zugeständnis ist, nach dem Motto, ja, ich hab verstanden, ihr habt vom Aufwand her Eure Themen adressiert und wir geben euch hier auch was. Wir nehmen euch ernst. Wir geben euch was. Das heißt aber nicht, dass das jetzt infrage gestellt ist oder ich das nicht mehr einsetzen will. Die Initiative kam bewusst hier auch von ihm, dass er angefragt hat und er gesagt hat, ich möchte mich jetzt noch mal hinstellen und möchte sagen, ich will die Scorecard, und ich will sie so und Punkt.“ Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview B2. Zitat aus Interview B1. „Da spielt jetzt halt die aktuelle Situation denke ich, mit rein. In der Organisation finden halt im Moment enorm viele Veränderungen statt, die Leute auch auf allen Ebenen unsicher machen.“ Zitat aus Interview B1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
147
Darüber hinaus lässt sich Unternehmen B als eine detailorientierte und formalisierte Organisation beschreiben. Dies spiegelte sich auch in der Vertriebs-Scorecard wider, die mit ihren Gewichtungen, Slopes und Punkte-Caps sowie dem schließlich errechneten Gesamtscore sehr komplex und formalisiert war. Bei der BSC-Einführung wurde darüber hinaus auf die Verwendung von Ursache-Wirkungsketten mit der Begründung verzichtet, dass man in Ermangelung belastbarer Korrelation die Zusammenhänge ja „raten“ müsse.670 Dennoch stieß das BSC-Model mit seiner starken Fokussierung auf wesentliche Kenngrößen mitunter an Akzeptanzgrenzen: „Also [Detailorientierung] ist sehr stark gegeben und führt teilweise dann auch dazu, dass die Scorecard weniger akzeptiert wird mit dem Argument, ich hab ja nicht das letzte Schräubchen in der Scorecard, sondern eben nur aggregierte Werte und auf deren Basis kann man ja nicht steuern. Das ist so das Killerargument, was dann immer kommt. Ja, auf der Ebene kann ich ja keine Aussage treffen.“671 Diese Beobachtungen auf individueller Ebene deuten auf die Ausprägung des Wertes Detailorientierung auf korporativer Ebene hin, der neben der starken Prägung des Konzerns durch Ingenieure und Entwickler auch mit Veränderungen auf dem Markt und der resultierenden Kurzfristorientierung im Vertrieb begründet wurde: „[M]an glaubt gar nicht, wie detailliert sich der Direktor da oben mit den Zahlen auseinandersetzt.“672 Nach übereinstimmender Aussage in den Interviews stand die Transparenz der BSC den etablierten korporativen internen Modellen dagegen nur in geringem Maße konträr gegenüber. So war es zwar das erklärte Ziel, eine höhere Transparenz zu erreichen. Auf Grund des ohnehin umfangreichen Reportings der Landesgesellschaften ergaben sich hieraus jedoch keine Widerstände: „Ich denke, das passt eigentlich ganz gut mit
670
671 672
„Wir haben das versucht, nachdem wir die KPIs gefixt hatten, also den Zusammenhang mal herzustellen. Was sie bei den Finanzgrößen auch sehr schnell hinbekommen, wie gesagt, da gibt es ja die klassischen Zusammenhänge, die man auch sehr schnell aufschreiben kann aus meiner Sicht. Schwierig wird es dann bei so Themen wie Kundenzufriedenheit, die in Verbindung mit Profit oder mit Sales zu bringen. Da müsste man eher raten. … [W]eil eben die Verknüpfung, denke ich, auch nicht durch eine sehr einfache Korrelation herzustellen sind. Die X Faktoren, da haben sie dann gleiches System mit zig Variablen, wahrscheinlich sehr schwierig zu lösen.“ Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview B2. Zuvor heißt es: „Also die Philosophie, Autos zu verkaufen, hat sich aus meiner Sicht, um 180 Grad gedreht. … Viel stärker zielorientiert, zielorientiert aber an monatlichen Zielen, an wöchentlichen Zielen, an wirklich schon fast Autos zählen, täglich, wie viel geht raus. Kunden suchen. Chancen suchen und viel, viel kurzfristiger versuchen, die Zieldeltas zu heben, Maßnahmen einzuleiten. Also wirklich ganz, ganz eng am Markt und, oder so nah wie möglich am Markt, an den Kunden zu kommen und versuchen, innerhalb von Tagen wirklich, das ist nicht übertrieben, aber innerhalb von Tagen ein Absatzziel zu drehen.“
148
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
der bisherigen Art und Weise überein, wie [Unternehmen B] die Vertriebsorganisation steuert. Wir haben sehr viel Reporting …“673 Damit war die BSC „… nichts Neues, nein. Hat uns nicht allzu groß überrascht.“674 Bestehende Mängel in der Transparenz wurden nun entsprechend durch Einsatz der BSC zurückgefahren: „Zwischen den Märkten und Headquarter, aber auch zwischen den Sparten und dem [ExekutivAuschuss]-Oberhaupt, sage ich mal, ich glaube, da werden auch lieber noch mal ein Schleier drüber gelegt und nicht so viel Transparenz. Ja, da sind wir auf dem guten Weg, da besser zu werden.“675 Nutzung der BSC und Zufriedenheit Die Vertriebs-Scorecard stellte zum Zeitpunkt der Untersuchung ein strategisches Kennzahlensystem zu Reportingzwecken dar: „Ich würde sagen, es ist ein Kennzahlensystem, weil letztendlich also das, auf Grund der Scorecard Diskussionen über die Strategie entstehen, würde ich eher nicht so sehen.“ Dies gilt insbesondere nach dem Aussetzen der Aktions-Beschreibungen, mit denen die Vertriebs-Scorecard einem Instrument der Strategieimplementierung eher gerecht wurde. Im Rahmen der quartalsweisen BSC-Diskussion im Exekutiv-Ausschuss wurde die Vertriebs-Scorecard diagnostisch genutzt, d.h. nur „rote Ampeln“ wurden diskutiert.676 Im Ergebnis entstand auf operativer Ebene der Eindruck, dass vom BSC-Bericht „only 3 pages out of 87” tatsächlich Beachtung finden. Entsprechend dem Verständnis als Steuerungstool für das Top Management der Marketing- und Vertriebsorganisation nahmen die Landesgesellschaften die Rolle von Zahlenlieferanten ein, ohne selber die BSC in nennenswertem Ausmaß zu Steuerungszwecken einzusetzen.677 Zwar erfolgte vor der Freigabe in Richtung Zentrale vereinzelt eine monatliche Diskussion der BSC in den Landesgesellschaften. Die BSC stellte dabei jedoch ein zusätzliches Berichtsformat dar und wurde nicht zur Steuerung der jeweiligen Organisation verwendet: „Wir leben es, aber
673 674 675 676
677
Zitat aus Interview B3. Zitat aus Interview B3. Zitat aus Interview B1. Die Aussage eines Vertreters einer Landesgesellschaft beim Vetriebs-Scorecard Workshop macht deutlich, dass dabei das BSC-Gesamtbild nicht betrachtet wird: „In practice, not all 24 KPIs are used. They focus on the classic KPIs. If I look back at the [Exekutiv-Ausschuss] presentation, there is only a couple of KPIs that are focussed on.” „[E]very month, the data gets uploaded, I’ve sent an email to everyone involved saying, ‚The data is there. Please ensure that you’re happy with the numbers that appear on the scorecard. Let me know if there’s anything that you have an issue with.’ I get no feedback at all. So I don’t know if
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
149
als operatives Steering-Tool würde ich das jetzt nicht unbedingt bezeichnen.“678 Entsprechend gering ausgeprägt war die Zufriedenheit bei den Anwendern in den Landesgesellschaften. Das Top Management dagegen zeigte sich zufrieden mit den vereinheitlichten und transparenteren Steuerungsprozessen. Die Veränderung der Vertriebs-Scorecard durch Abschaffung der AktionsBeschreibungen hat die Wahrnehmung der BSC als zentrales Instrument der Steuerung zusätzlich verringert. Das Instrument lief damit aus Sicht eines Interviewpartners Gefahr, als ein weiteres Reportingtool aufgefasst zu werden: „I see it then as just becoming another reporting tool. I think that’s the unfortunate part of this. I think people are almost going to get tired of it rather than using it to focus on some new things, make changes, get focused on areas that we want more improvement. I think it’s now becoming more of just the stable, another report.“679 1.3
Unternehmen C – Scheitern einer Typ I BSC
Einführung Die nächste Fallstudie betrachtet erneut eine Typ I BSC in der Automobilindustrie, die jedoch innerhalb von nur vier Monaten auf Grund großer Widerstände der betroffenen Mitarbeiter abgeschafft wurde. Unternehmen C ist ein deutscher Automobilkonzern, der in den letzten Jahren sehr erfolgreich am Markt agiert hat. Die Aktiengesellschaft beschäftigt ca. 50.000 Mitarbeiter, die Produktion erfolgt an mehreren europäischen Standorten. Im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts wurde ein BSC-Implementierungsprojekt in der Konzernzentrale untersucht. Bei der betrachteten Einheit handelte es sich um den Fachbereich IT und Organisationsentwicklung, der dem Vorstandsbereich Finanzen und Organisation zugeordnet ist. Neben dem betrachteten Fachbereich umfasst dieser die Zentralbereiche Betriebswirtschaft und Controlling, Buchhaltung und Rechnungswesen sowie Unternehmensstrategie. Der Zugang zu diesem Fall erfolgte über persönliche Kontakte des Erstgutachters dieser Arbeit innerhalb des Konzerns.
678 679
people are looking at it. I know that it’s not being used. The scorecard is not being used in the business.” Zitat aus Interview B5. Zitat aus Interview B3. Zitat aus Interview B4.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
150
Teil E
Ausgangssituation und Einführung der BSC Ausgangspunkt der BSC-Implementierung im Fachbereich IT und Organisation war das Projekt „Strategie 2015“, das Anfang des Jahres 2005 im gesamten Vorstandsbereich Finanzen und Organisation durchgeführt wurde. Ziel dieses Projekts war die Ableitung der Vision, Mission, Selbstdarstellung sowie der strategischen Ziele für diesen Bereich. Die strategischen Ziele wurden dabei in den Perspektiven Wertorientierung, Markt und Kundenorientierung, Prozess und Qualität und Mitarbeiterorientierung, d.h. in einer BSC-Systematik, abgebildet. Die so formulierte Strategie wurde dann in der gleichen Systematik auf die einzelnen Fachbereiche herunter gebrochen. Im Ergebnis lagen auch für die Fachbereiche detaillierte Strategien vor, die bis heute Geltung haben. Die Einführung einer BSC auf Ebene des Vorstandsbereichs war mit dem Projekt Strategie 2015 jedoch nicht verbunden. Hierfür äußerte ein Gesprächspartner zunächst zwei Gründe: Erstens bestand keine Einigkeit darüber, wer für die Strategieimplementierung verantwortlich gemacht werden und die BSC pflegen sollte. Zweitens ergaben erste Überlegungen, dass sich die Maßnahmen auf Ebene des Vorstandsbereichs mit den strategischen Zielen der Fachbereiche decken würden; eine BSC auf Ebene des übergeordneten Bereichs erschien daher unnötig: „[S]omit ist die übergeordnete Scorecard gescheitert. Die Systematik der strategischen Ziele ist da geblieben, aber wir haben eben auf die Kennzahlen und die Maßnahmen verzichtet, weil wir sagen, es ist ja nichts anderes als Fachbereichsziele und Fachbereichskennzahlen.“680 Am gewichtigsten erschien jedoch der übereinstimmende Hinweis der Gesprächspartner, dass in der sehr erfolgreichen Situation des Unternehmens die Notwendigkeit einer entsprechenden Veränderung nicht erkannt wurde: „Wenn das Unternehmen gut läuft, dann kann man, denke ich mal, mit existierenden Steuerungsphilosophien und Steuerungstools erstmal weiterhin gut leben und dann hinterfragt man immer, warum brauche ich jetzt was Neues? Warum brauche ich eine Balanced Scorecard?“681 Im Rahmen des Projekts Strategie 2015 wurde auch den Fachbereichen nicht vorgeschrieben, zur Implementierung der vereinbarten Strategie auf die BSC zurückzugreifen. Stattdessen lag die Entscheidung darüber, wie die Strategie zu erreichen sei, bei den Fachbereichsleitern. Daran zeigt sich bereits die unternehmerische Organisationskultur des betrachteten Konzerns, auf die im Folgenden noch näher eingegangen wird: 680
Zitat aus Interview C1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
151
„Muss der [Fachbereichsleiter] eine Balanced Scorecard-Systematik anwenden oder sagt der nicht, Leute, ich bin Unternehmer, gebt mir meine Ziele, meine Kennzahlen und wie ich das erreiche am Ende des Jahres, ob mit einer Balanced Scorecard, ob mit weiß ich nicht, einer Value Scorecard oder mit einem ganz einfachen Maßnahmenblatt, das könnt ihr ja wohl mir überlassen. Somit war also dann, sagen wir mal, die Tendenz da, hm, na ja gut, wir können ja den Leuten nicht vorschreiben, wie sie ihren Fachbereich führen.“682 In keinem Fachbereich außer IT und Organisation wurde die BSC daraufhin implementiert; die Strategieimplementierung erfolgte in anderen Fachbereichen mit anderen Mitteln. Exemplarisch für das mangelnde Interesse an der BSC und der damit verbundenen erhöhten Transparenz steht die Reaktion des Fachbereichsleiters Betriebswirtschaft und Controlling: „Jugend forscht! Ach Herr [Interviewpartner C1], haben wir vor 15 Jahren alles schon mal gehabt. … [W]ollen wir wirklich uns die Blöße geben und sagen, was alles bei uns nicht läuft?“683 Lediglich der Leiter des Fachbereichs IT und Organisation, entschied sich zur Implementierung der Strategie 2015 anhand der BSC. Die Entscheidung wurde zum einen dadurch erleichtert, dass im Fachbereich Betriebswirtschaft und Controlling ein Knowhow-Träger zur Verfügung stand, der umfangreiche BSC-Erfahrung aus seiner Zeit als Unternehmensberater in das BSC-Projekt des Fachbereichs einbringen konnte. Auf weitere externe Beraterunterstützung konnte so verzichtet werden. Zum anderen hatte das Projekt das Strategiebewusstsein im Fachbereich erhöht und eine ausformulierte Fachbereichsstrategie produziert. Ausgehend von Vision, Strategie, Perspektiven und strategischen Zielen wurden zusammen mit den Mitarbeitern des Bereichs nun zusätzlich noch Kennzahlen, Zielwerte und Maßnahmen definiert. Auf die Ableitung von Ursache-Wirkungsketten wurde dabei von vornherein verzichtet: „Die Erfahrungen, die andere Leute hatten, war, dass die Ursache-Wirkungsketten, die- also welche Ursache führt zu welcher Wirkung? Das weiß kein Mensch und ich glaube, da kann man sich sehr schnell auch in falsche - einfach ein falsches Denkmuster entwickeln. … Wir haben das von Vornherein sehr kritisch hinterfragt, bringt uns das eigentlich überhaupt was. Wo ist der Mehrwert?“684 Die BSC ging Mitte 2005 in den operativen Betrieb und lässt sich als Typ I BSC charakterisieren: Weder Ursache-Wirkungsketten noch eine
681 682 683 684
Zitat aus Interview C2. Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C2.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
152
Teil E
Anbindung an das Anreizsystem lagen vor.685 Die BSC wurde zunächst in den monatlichen Meetings diskutiert, jedoch nach nur vier Monaten wieder abgeschafft. Die BSC und die Elemente der handlungsleitenden Ordnung x Externe Modelle Eine enge Integration der BSC mit den bestehenden externen Modellen im Fachbereich war geplant und in Teilen bereits angelegt. Auf Grund des nur sehr kurzen Betriebs der BSC konnten viele dieser Verknüpfungen nach übereinstimmender Aussage der Interviewpartner jedoch nicht praktisch vollzogen werden. So sollte der Planungsprozess zwar in Zukunft auf die BSC ausgerichtet werden, der jährliche Budgetierungsprozess war allerdings zum Zeitpunkt der BSC-Einführung bereits abgeschlossen. Aktuelle Veränderungen erforderten außerdem schon nach kurzer Zeit Anpassungen der BSC, die im Budget nicht berücksichtigt waren. So führte die Entscheidung für die Einführung eines SAP-Systems in der Beschaffung zur Umpriorisierung zahlreicher Ziele des Fachbereichs IT und Organisation: „Man hätte aber in der Balanced Scorecard jetzt - ich sage mal, 20 Maßnahmen löschen müssen, und anstatt deswegen sagen, wir machen SAP in großem Maße. Da war aber jetzt der Budgetierungsprozess schon gelaufen.“686 Von einer vollständigen, „lebendigen“ Integration von BSC und Budgetierung konnte im betreffenden Zeitraum demnach nicht die Rede sein. Auch die Anbindung an das Anreizsystem wurde in der kurzen Zeit des BSC-Betriebs im Fachbereich IT nicht praktisch vollzogen. Eine Leistungsbeurteilung auf Basis der BSC fand in den vier Monaten ihres Einsatzes nicht statt: „[D]ie Idee war ursprünglich mal dort zu koppeln. Es wurde geplant, die Balanced Scorecard-Ziele und die Zielver-
685
686
Die Fachbereichsstrategie lag aus dem Projekt „Strategie 2015“ vor. Auch in diesem Projekt wurde jedoch nicht mit Ursache-Wirkungsketten gearbeitet. Ein strategischer Bezug der BSCAnwendung kann aber dennoch unterstellt werden. Zitat aus Interview C1. In diesem Zusammenhang wurde auch die grundsätzliche Problematik der Abstimmung zwischen BSC und Budgetierung angesprochen: „Wissen Sie, die starre, die flexible aber doch starre BSC- Ich habe die BSC, ich habe die strategischen Ziele, die Kennzahlen, die Maßnahmen und das läuft in die Planung für das nächste Jahr. Wissen Sie, wir führen, wir sind jetzt gerade in einer heißen Planungsphase fürs nächste Jahr. In drei Wochen ist das, was wir heute ins System packen, überholt. … Es ist zu langsam, es ist - wissen Sie, die Maßnahmen, die da unten rumwackeln, ja, die haben so eine - so eine Rein-Raus-Mentalität. Rein in die Scorecard, raus. … Und dann würde angeblich alles in das Budget reinpassen. Wir haben jetzt, gestern hat der Vorstand entschieden, das Thema Indien ganz groß anzugehen. Ich sag mal, das hat keiner auf der Liste drauf gehabt. Irgendwann würde es, müsste es kommen, aber dass es nun gestern entschieden ist- Stellen Sie sich mal vor, jetzt müssten sie alle Balanced Scorecards überarbeiten.“
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
153
einbarungen der IT-Manager entsprechend zu integrieren. Ist aber nicht geschehen.“687 In die Reportingprozesse war die BSC jedoch eingebunden, auch in den monatlichen Meetings des Fachbereich-Managements wurde auf Basis der BSC diskutiert. Eine Einbindung in die IT-Systeme wurde in der kurzen Zeit der BSC-Anwendung nicht vorgenommen: „[Das] war eine reine Excel-…Liste, alles händisch.“688 x Individuelle interne Modelle Entsprechende interne Modelländerungen wurden im Rahmen der BSC-Implementierung in Unternehmen A nicht erreicht. Stattdessen schwand die Akzeptanz der BSC im operativen Betrieb schnell, wie die Interviewpartner übereinstimmend darlegten. So zeichneten sich die monatlichen BSC-Meetings vor allem durch Diskussionen um die enthaltenen Kennzahlen und deren Zielwerte aus: „Es war ein irrer Kennzahlenstreit.“689 Die Mitarbeiter, die ambitionierte strategische Ziele – und damit überwiegend „rote Ampeln“ – zu verantworten hatten, beschwerten sich über ihre eigene Über- bzw. die Unterforderung der Kollegen, insbesondere wenn sich herausstellte, dass die gewählten strategischen Ziele nicht kurzfristig zu erreichen waren: „Jetzt hatte der eine Kennzahl bei [Abteilung im Fachbereich], ein strategisches Ziel, und eine Kennzahl, die war ständig rot. Der hat sich eine Kennzahl für sein strategisches Ziel rausgesucht, die wurde nicht grün. Der hier oben [Leiter Fachbereich], der hat ständig den angezählt. Na da sagt der, das mache ich doch nicht mit. Der hier, der macht doch noch viel mehr Mist als ich in meinem Bereich. … Und ja, wie gesagt, die Leute lassen sich irgendwann nicht mehr anzählen.“690 Die Diskussionen gelangten damit gar nicht erst zu den strategischen Fragen: „[E]s wurde gar nicht inhaltlich diskutiert, sondern schon fast die Struktur der Balanced Scorecard: Nicht die Inhalte der Themen, sondern die Inhalte der Balanced Scorecard. … [M]an ist gar nicht zu den strategischen Maßnahmen gekommen. Auf welchem Stand sind wir? Welche Meilensteine gibt es?“691 Der Widerstand war dabei offenbar massiv:
687 688 689
690 691
Zitat aus Interview C2. Zitat aus Interview C2. Zitat aus Interview C1. Dies überrascht in so fern, da Kennzahlen, Zielwerte und Maßnahmen zuvor gemeinsam erarbeitet wurden: „Die wurden zusammen erarbeitet. Aber wenn es ans Füllen geht, Ist und Ziel, na dann geht die Streiterei los. Der sagt dann, hier, warum ist denn bei dem alles Grün, die Ziele müssen [hoch, der] Anspannungsgrad [ist] viel zu wenig.“ Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C2.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
154
Teil E
„Also die [zweite] Führungsebene selber, die sich damit hätte selber steuern sollen, hat dagegen rebelliert.“692 Von Seiten des Konzernvorstands erfuhr das Top Management im Fachbereich in dieser kritischen Situation keine Unterstützung für die Initiative. Vielmehr erschien auch auf höchster hierarchischer Ebene die Akzeptanz für Transparenz gering ausgeprägt zu sein: „Verstehen Sie, die Lügengeschichte geht schon oben los. Der Fisch stinkt da vom Kopf her. Das geht ja schon oben los. Wenn der Vorstand die Wahrheit akzeptieren würde und wollte, dann funktioniert eine Balanced Scorecard.“693 Angesichts der Widerstände innerhalb des Fachbereichs und angesichts eines fehlenden Einforderns oder Commitments von hierarchisch höher gestellten Top Managern ließ auch die Akzeptanz der BSC bei den Top Managern des Fachbereichs IT schnell nach: „Wissen Sie, wenn sie ein 2-Stunden-Meeting haben. Da sitzen 10 hochbezahlte Manager. Und in den 2 Stunden streiten sie sich 1 Stunde 50 Minuten um die eine Kennzahl auf der Balanced Scorecard, ob das die richtige ist oder nicht. Dann fängt auch, und das machen sie jedes Mal, zum vierten Mal, dann stellt doch der Chef irgendwann mal die Frage … brauchen wir das eigentlich oder können wir [uns] mal über die eigentlichen Probleme unterhalten? Verstehen Sie, sie kommen gar nicht in die Diskussion, Mensch, welche Maßnahmen müssen wir denn anstoßen. Sondern sie kommen in eine Sinnhaftigkeitsdiskussion der Kennzahlen. Ist die richtig? Ist die korrekt? Ist die objektiv?“694 x Korporative interne Modelle Die mangelnde Akzeptanz der BSC lässt sich auch im Kontext der etablierten korporativen internen Modelle betrachten: „[D]as ist vielleicht die Hauptfrage, in Richtung Kultur.“695 So deuten die Interviewdaten darauf hin, dass das BSC-Modell konträr zur herrschenden Unternehmenskultur in Unternehmen C stand. Diese zeichnet sich insbesondere durch ein ausgeprägtes Unternehmertum aus. Dabei steht das Erreichen vorgegebener Ziele im Vordergrund; Prozessvorschriften werden dagegen vermieden, so dass der Weg zum Ziel dem ergebnisverantwortlichen Manager im Fachbereich überlassen bleibt. Diese unternehmerische Prägung zeigte sich bereits in der Entscheidung
692 693 694 695
Zitat aus Interview C2. Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
155
des Finanzvorstands, die Einführung der BSC nicht vorzuschreiben. Aber auch in der Anwendung der BSC im Fachbereich IT und Organisation traten Widerstände auf, die auf die Ausprägung einer unternehmerischen Kultur zurückführbar sind. So wurde die erhöhte Transparenz durch die monatliche Diskussion der Zielerreichung innerhalb der BSC als Einschränkung der gewohnten unternehmerischen Freiheit gedeutet: „Wissen Sie, [Unternehmen C] ist ein Unternehmen, was ständig Feuerwehr spielt. Und … wissen Sie, 90 Prozent der Leute sagen, weil sie das machen, ist [Unternehmen C] erfolgreich. Weil sie so flexibel sind. Weil sie nicht starre Prozesse haben, an die sie sich halten und weil über X Genehmigungsstufen irgendwas mal hier verändert wird. Das ist der Erfolg von [Unternehmen C]. Jetzt kommen sie mit einer Balanced Scorecard rein, wo alles gelistet sein muss.“696 In diesem Zusammenhang ist auch die von einem Interviewpartner beschriebene „Strafkultur“697 im Unternehmen C von Bedeutung. Die gewährten unternehmerischen Freiheiten stehen demnach einer Unternehmenskultur gegenüber, die Fehler nicht erlaubt bzw. – im Falle der BSC – „rote Ampeln“ nicht akzeptiert: „Rot. Dann setzen Sie sich mal oben rein mit [Vorstandsvorsitzender]. Da werden sie aber durchs Fenster gebrüllt.“698 Angesichts dieser Unternehmenskultur hatte sich ein gewisses Maß an Intransparenz – ohne „jede kritische Sachen gleich hochzuspülen“699 – eingestellt. Dieser etablierte Zustand einer gewissen Intransparenz war nun durch die BSC in Gefahr, die mit ihren Prämissen Transparenz und Informationsaustausch konträr zur vorherrschenden Unternehmenskultur stand: „Transparenz ist nie gewollt. Das ist bestimmt mit der Hauptgrund …“700 Nutzung der BSC und Zufriedenheit Auf Grund des nur sehr kurzen Einsatzes der BSC im betrachteten Fachbereich lassen sich keine gesicherten Aussagen zur Nutzung dieser Typ I BSC machen. Die monatlichen BSC-Diskussionen und das explizite Ziel, die Strategie 2015 mit dem Instrument
696 697 698
699 700
Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C1. Oder an anderer Stelle: „‚[D]u bist Unternehmer, ich gebe dir die Aufgabe, du musst das umsetzen.’ Das wird der [Vorgesetzter] nicht bei sich im Maßnahmenkatalog pflegen und fragen, ‚[Name des Interviewpartners], bist du schon weitergekommen oder macht ihr da ein bisschen was? Was macht denn die Ampel?’ Da sagt er: ‚Leute, dazu hab ich dir den Auftrag gegeben. Und wenn du es nicht machst, bist du draußen.’“ Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C2.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
156
Teil E
umzusetzen, deuten aber darauf hin, dass eine Nutzung der BSC zur Strategieimplementierung angestrebt worden war. In der praktischen Anwendung innerhalb der vier Monate des BSC-Einsatzes zeigte sich jedoch, dass die BSC-Diskussionen – ursächlich getrieben vom Widerstand gegen die erhöhte Transparenz – vor allem vom Streit um die Richtigkeit und Fairness von Kennzahlen und Zielwerten geprägt waren. Die BSC im betrachteten Fachbereich wurde damit letztlich gar nicht genutzt, vielmehr stellte sich Ernüchterung ein: „Es brachte keinen großen Mehrwert.“701 Nach nur vier Monaten setzte man sich nicht weiter mit der BSC auseinander: „Und dann wurde die nicht mehr gepflegt. Dann wurde einfach grün rein geschrieben.“702 Letztlich verschwand das Instrument wieder aus dem Unternehmen: „Man hat es dann eines Tages dann einfach von der Agenda genommen.“703 1.4
Unternehmen D – Relaunch einer Typ II BSC
Einführung Fallstudie D analysiert eine Typ II BSC in der Branche Industrieautomatisierung. Die BSC „vegetierte“ auf Gesamunternehmensebene zunächst einige Jahre vor sich hin, bis sie nach einer Adaption einen „Relaunch“ als Typ I BSC erlebt. Unternehmen D ist ein Unternehmen der Automatisierungsbranche, das pneumatische und elektrische Komponenten und Systeme herstellt. Das Unternehmen umfasst zahlreiche Tochterfirmen und Landesgesellschaften. Weltweit beschäftigt Unternehmen D über 10.000 Mitarbeiter; seinen mittelständischen Wurzeln ist die Organisation damit entwachsen. Die Vorstandsbereiche von Unternehmen D spiegeln die Wertschöpfungskette. Sie umfassen Technologie- und Produktmanagement, Produktion und Logistik sowie Sales und Vertrieb. Hinzu kommen die unterstützenden Vorstandsressorts für Informationsmanagement (IT), Finanzen und Personal. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde die unternehmensweite BSC in Unternehmen D untersucht. Neben einer Unternehmens-BSC gehören dazu einzelne BSCs für die Vorstandsbereiche des Unternehmens. Der Zugang zu diesem Fall erfolgte durch die Vermittlung eines Unternehmensberaters.
701 702 703
Zitat aus Interview C2. Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C2.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
157
Ausgangssituation und Einführung der BSC Die Einführung der BSC im Unternehmen erfolgte 1998. Getrieben wurde die Einführung aus dem Finanzbereich. Die BSC sollte als Führungssystem genutzt werden, das eine gesamtheitliche Sicht auf das Unternehmen ermöglicht. Als Motivation zur Einführung der BSC wurde dabei auch auf den zu diesem Zeitpunkt großen „Hype“ um die BSC hingewiesen. Bei der Einführung der BSC wurde den Bereichen und Landesgesellschaften die BSC als Format vorgegeben, auf begleitende Kommunikation und Workshops jedoch weitestgehend verzichtet; die Ableitung von strategischen Zielen, Ursache-Wirkungsketten und Kennzahlen der BSC auf Gesamtunternehmensebene erfolgte im Bereich Finanzen. Eine Anbindung an das Anreizsystem wurde nicht vorgenommen, so dass die BSC zu diesem Zeitpunkt als Typ II charakterisiert werden kann. Diese Gesamt-BSC wurde jedoch nicht systematisch herunter gebrochen; vielmehr waren die Bereiche und Landesgesellschaften frei bei der Erarbeitung ihrer BSC. Mehrere Interviewpartner haben den Einführungsprozess daher als wenig ambitioniert beschrieben, nach dem Motto „jetzt füllen wir mal eine BSC aus und jeder hat was reingeschrieben. Damit wir eine BSC haben. Und das, würde ich sagen, das war halbherzig. Das hat man gemacht, um eine BSC zu haben.“704 Die Gesamtunternehmens-BSC „vegetierte“ im Weiteren dahin: Die BSC hat „auf einem Blatt Papier gestanden, ohne dass jetzt Prozesse dahinter geschaltet waren oder dann eben auch, dass man jetzt Workshops hatte oder letztendlich, dass sich was geändert hat im Unternehmen. Man hat einfach eine BSC gehabt, die man ausgefüllt hat. Jeder hat die ausgefüllt so für sich. Also ich habe dann in zwei Stunden eine BSC oder eine Stunde halt die Ziele, die wir haben, zusammengeschrieben auf das BSCFormat.“705 Da die BSC nicht an die laufenden strategischen- und operativen Planungsprozesse angeschlossen war, veralteten die Inhalte schließlich zunehmend: „Diese alte BSC die blieb einfach da also im Laufe der letzten Jahre. Und irgendwann war sie veraltet und war überhaupt kein großes Thema.“706 Im Jahr 2004/2005 wurde ein „Relaunch“ des existierenden Ansatzes vorgenommen.707 Ausgangspunkt für diesen Relaunch war der Übergang vom Eigentümer-
704 705 706 707
Zitat aus Interview D2. Zitat aus Interview D2. Zitat aus Interview D4. „Na ja, sage ich mal, ich glaube, man hat erkannt, dass das Tool als solches … gut ist. Aber dass man es eben nicht richtig implementiert hat. … Es gab glaub ich auch gar keine Kritik gegen die
158
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
Management hin zu einer familienexternen Geschäftsführung. Verbunden damit war ein formeller Prozess der Strategiedefinition: „Ich denke, der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Balanced Scorecards ist, dass sich ja seit Ende der 90er-Jahre das Unternehmen von einem Inhaber-geführten Unternehmen in ein Unternehmen gewandelt hat, das eben durch ein professionelles Management geführt wird und im Rahmen dieser, ja, sage ich mal, Führungsübergabe durch die Inhaber an ein Management, ist eben auch eine Unternehmensstrategie formuliert worden, formell, die davor in den unterschiedlichsten Dokumenten und Köpfen in dieser Form nicht expliziert war.“708 Der weltweite Einführungsprozess der „neuen“ BSC war von höherer Professionalität und Ressourcenausstattung geprägt als der erste Anlauf: So wurde die Stelle eines BSC-Verantwortlichen geschaffen und die Implementierung diesmal von einem funktionsübergreifenden Team geplant und durchgeführt. Dabei wurde auch verstärkt auf Workshops und unterschiedlichste Kommunikationsformate zurückgegriffen.709 Die „neue“ BSC setzte explizit an der formulierten Unternehmensstrategie an, die verwendeten strategischen Ziele und Kennzahlen wurden aus der Strategie abgeleitet. Die BSC verwendete – anders als im ersten Anlauf – jedoch keine UrsacheWirkungsketten zu Strategiedarstellung mehr: „[D]as war übrigens eine Lehre aus der vorherigen Balanced Scorecard … [W]ir haben es jetzt in dem Update auch nicht mehr gemacht. Wir haben uns das einmal im Team angeschaut und haben beschlossen, dass wir das beerdigen werden.“710 Zum einen wurde die Komplexität der Darstellung als Problem in der Kommunikation der BSC wahrgenommen.711 Zum anderen zeigen die Interviewdaten jedoch auch die Ablehnung des heuristischen, nicht-quantifizierbaren Charakters dieser Form der Strategiedarstellung.712 Das ursprünglich als Typ II BSC eingeführte Instrument wurde demnach im Rahmen des Relaunch angepasst und lässt sich zu diesem Zeitpunkt als Typ I BSC charakterisieren.
708 709
710 711
BSC als solches. Sondern es ist einfach so, dass die nicht mit Inhalten gefüllt worden ist.“ Zitat aus Interview D2. Zitat aus Interview D1. „Also wir haben ja jetzt Videos, wir haben jetzt Kataloge, wir haben Broschüren, wir haben jetzt Info-Panels, Schwarzes Brett mit Informationen über die BSC und auch im Internet, Intranet haben wir jetzt auch eine Darstellung der BSC. Ich glaube, durch diese ganze intensive Kommunikation … ist die Akzeptanz und das Verständnis einfach viel besser als damals.“ Zitat aus Interview D4. Zitat aus Interview D1. „[D]ie BSC hat bei uns auch einen ganz arg wichtigen Kommunikationsaspekt. Ich kann da mit einem Blatt sozusagen erklären, wie die Unternehmensstrategie ist. Und die wesentlichen Zusammenhänge daran aufzeigen. Und das ist, das ist einfach nicht mehr verständlich, wenn man da 20, 30, 40, 50 Pfeile drin hat.“ Zitat aus Interview D1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
159
Die BSC und die Elemente der handlungsleitenden Ordnung x Externe Modelle Die Integration mit den etablierten externen Modellen war nach der Einführung im Jahr 1998 zunächst unzureichend; mit dem Revival und der damit einhergehenden Adaption der BSC wurde die Abstimmung der BSC mit den Regelprozessen und Systemen jedoch nach übereinstimmender Aussage der Gesprächspartner verbessert. So war die BSC im ersten Anlauf nicht verbunden mit den strategischen und operativen Planungsprozessen im Unternehmen. Die Ziele der BSC deckten sich damit nach einiger Zeit nicht mehr mit der Unternehmensstrategie: „Und irgendwann war sie veraltet…“713 Erst im Rahmen des Neuanlaufs wurde die BSC in die Planungsprozesse eingebunden und bildete zum Zeitpunkt der Untersuchung Basis und Ergebnis des jährlichen Strategie-Reviews: „Also wir sind momentan dabei, den Balanced ScorecardProzess in den Planungsprozess zu integrieren und das wird, sage ich mal, in diesem Jahr jetzt auch Stück für Stück scharf geschaltet. Wenn man zuerst den StrategyReview macht, und dann basierend auf diesen Strategy-Review-Ergebnissen sozusagen die Planung anstößt und dann die Budgetierung losfährt.“714 Inkonsistenzen zwischen Planung und BSC wurden durch eine informationstechnische Anbindung vermieden. Damit war die BSC „keine Schattenrechnung, sondern es ist tatsächlich, das sind harte Messzahlen.“715 Hinsichtlich der Einbindung in Berichtswesen und Reporting zeigen die Interviewdaten ebenfalls, dass die BSC zunächst lediglich einen zusätzlichen Bericht darstellte. Eine Ausrichtung des Berichtswesens auf die BSC fand erst im Zuge des Neuansatzes im Jahr 2004/2005 statt. Die BSC stellte seitdem aber das grundsätzliche Format zum Reporting an das Top Management dar, wurde aber auch regelmäßig quartalsweise an die Mitarbeiter kommuniziert: „Ja, diese Aushänge, das ist die Balanced ScorecardInformation für die Mitarbeiter, die werden vierteljährlich aktualisiert, das ist ein Vierteljahresbericht. … Und wir haben auch ein entsprechendes Management-Cockpit, wo alle Kennzahlen der der Balanced Scorecard oder sage ich mal, 80 Prozent der Kennzahlen drin sind. … Das ist im Prinzip, das ist das Echtzeit-Reporting, das ist auch
712 713 714 715
Vgl. Abschnitt korporative interne Modelle. Zitat aus Interview D4. Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D2.
160
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
nach der Balanced Scorecard systematisiert.“716 Auch sonst wurde zum Zeitpunkt der Untersuchung in Meetings, Präsentation und Diskussionen auf die BSC als „Strukturelement“717 zurückgegriffen. Das Anreizsystem war nach der BSC-Einführung 1998 zunächst nicht auf die BSC ausgerichtet. Erst mit dem Relaunch gelang auch hier der entsprechende Abgleich. Seitdem wurden Ziele der BSC in die Zielvereinbarungen der Führungskräfte mit aufgenommen: „Es ist aber so, dass die Ziele der Balanced Scorecard im Prinzip zumindest oder Teile aus der Balanced Scorecard in der Zielvereinbarung für die Geschäftsführer und die leitenden Angestellten sich widerspiegeln.“718 Inwieweit sich diese Ziele auch in den Zielvereinbarungen weiterer Mitarbeiter widerspiegelten, blieb nach Aussagen von Interviewpartnern jedoch unterschiedlich: „Das ist führungsabhängig. Es sind alle dazu aufgefordert, und inwieweit es alle machen, das liegt im Ermessen der Führungskräfte. … Aber da machen gute Beispiele auch immer die Runde und das wird von einigen dann auch entdeckt als schönes Systematisierungsmittel.“719 Die Integration der BSC mit den IT-Systemen letztlich wurde als gelungen beschrieben: „[E]s ist gut integriert, gut zugänglich, gut abgelegt. Also auch keine, irgendwie wüsten lokalen Kopien von irgendwelchen wüsten Excels, die dann von irgendwelchen Zugriffsrechten, Überarbeitungsstände, Dateilaufwerke, Versionsverwaltung nicht durchsichtig sind. Ich denke, das haben die Leute ganz gut im Griff.“720 Ausgehend von den Zahlenwerten in der BSC könne man sich so bis zu den Ausgangsdaten „durchhangeln“721. Diese gelungene Integration sei vor allem den Vorarbeiten im Rahmen der „ersten“ BSC-Einführung zu verdanken.722 Dabei zeigte sich jedoch auch hier ein Unterschied zwischen der Gesamtunternehmens-BSC, die durch das Manage-
716 717
718 719 720 721
Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D3. „[Im Berichtswesen] ist die Balanced Scorecard ein Strukturelement. Das heißt, das ist einfach schon vom Layout, von der Oberfläche her, also diese VierQuadrantendarstellung, anschaulicht gemacht. Im Rechner. Kann jeder draufgehen. Hat den schönen Vorteil, dass ich, wenn ich am Telefon mit einem Vertriebskollegen irgendwo spreche, so wie mit Ihnen jetzt, irgendwo am Rechner sitzen und ich sage, bitte 2. Feld rechts oben, da bitte klicken, und wenn die Zugriffsrechte stimmen, sehen wir beide dieselben Daten.“ Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D3. „[E]r kriegt in der BSC dann … auf der ersten Ebene einen hoch aggregierten Wert. Kann sich natürlich durchhangeln, so wie im Dateiexplorer … Das ist wichtig. Wenn man das aufbaut, da … explodiert die Akzeptanz. … Doch, das ist, haben wir sehr gut erreicht.“ Zitat aus Interview D3.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
161
ment-Cockpit abgebildet wurde, und den Ressort-BSCs. Denn das „[Unternehmen D]Cockpit“ ist „eine vollständig automatisierte Lösung und darunter sieht es dann etwas kahler aus. Also für die Ressort-Scorecards, das ist Excel-händisch, wie auch immer. Und das ist auch ein Thema, wo es noch zu betrachten gibt, ob dieser Balanced Scorecard-Prozess durch eine Software unterstützt werden kann oder soll, eben gerade für die Ebenen drunter. Für die Top-Balanced Scorecard ist das alles automatisiert.“723 x Individuelle interne Modelle Die Akteure in Unternehmen D haben das Instrument zunächst zurückhaltend aufgenommen. Zuerst hätten die Mitarbeiter vor allem zwei Fragen gestellt: „Einmal: Braucht man so was überhaupt? Und das andere ist: Ist das nicht eine Mode, die jetzt gerade aufkommt und einfach mehr Papierarbeit verursacht und nichts bringt?“724 Die Akzeptanz für die BSC war daher zunächst überwiegend durch Compliance gekennzeichnet: „Okay, das ist eine zusätzliche Aufgabe, die uns zugeordnet wird vom Headquarter und das müssen wir jetzt tun und somit müssen wir noch mal unsere Kennzahlen periodisch liefern und somit ist es dann erledigt.“725 Zum Zeitpunkt der Untersuchung zeigte sich jedoch nach Aussage mehrerer Gesprächspartner, „dass es insgesamt eine hohe Akzeptanz hat.“726 Besonders bei den Führungskräften erschien die BSC fest verankert zu sein: „Also, wo das Instrument akzeptiert ist, etabliert ist, ist der, sagen wir, ist der Einsatzbereich der Top-Balanced Scorecard. Und es ist Vorstand und erste und zweite Berichtsebene. Die waren auch, sage ich mal, Hauptzielgruppe von vielen Maßnahmen.“727 Diese Etablierung zeigte sich z.B. daran, „dass im Prinzip jede gute Präsentation einen Verweis auf die Balanced Scorecard hat. Also es ist ganz erstaunlich, man sieht also sehr, sehr viel Vor-
722
723 724
725 726 727
„[D]as wurde schon mit der ersten Balanced Scorecard vorangetrieben. Das ist die mühevolle Arbeit von vielen Jahren … da hat jetzt auf dieser technischen Ebene nur noch eine Aktualisierung auf die neuen Kennzahlen und Ziele stattfinden müssen.“ Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D2. „[D]ie Mitarbeiter sind am Anfang relativ skeptisch. Ich meine, ich sag mal so, es gibt keine Ablehnung. Es gibt auch keine Freude. … Es gibt eigentlich gar nichts. Die sagen: Lasst die doch tun. Und wir machen mit, natürlich, wir machen mit, also wenn uns jemand fragt, wir sind dabei.“ Zitat aus Interview D4. Zitat aus Interview D4. Weiter heißt es einschränkend: „Das war natürlich landesgesellschaftenabhängig.“ Zitat aus Interview D2. Zitat aus Interview D1.
162
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
standspräsentationen, wo die Balanced Scorecard als Aufhänger auch fungiert.“728 Entsprechend wurde von Seiten des Vorstands ein nachhaltiges Commitment zur BSC wahrgenommen: „[D]as Management hat durchaus nachhaltig gesagt, nein, wir wollen das. Das ist immer wichtig, ein Management muss auch mal dranbleiben können. Und nicht das Spielzeug gleich wieder ins Eck schmeißen, wenn es nach dem ersten Mal nicht angekommen ist. Das denke ich, hat das Management gut gemacht.“729 Auch für die Zeit nach dem Relaunch wurde Nachhaltigkeit betont, mit der das Top Management „immer wieder die Botschaft wiederholt.“730 Als Entscheidend für den geglückten Relaunch wurde neben dem Einsatz des Top Managements für die BSC aber auch deren Flexibilität zur Adaption der verwendeten BSC-Modells, insbesondere mit Blick auf die Ursache-Wirkungsketten, angesehen: „[S]ie [Top Management] waren lernfähig und haben auch Dinge kassiert, wo sich herausgestellt hat, sie sind nicht praxistauglich.“731 Auf den Ebenen unterhalb des Ressort-BSCs wurde das Instrument zum Zeitpunkt der Untersuchung zwar nicht überall konsequent herunter gebrochen. Dennoch zeigen die Interviewdaten auch für Ressorts, die die BSC nicht weiter kaskadierten, eine grundsätzliche Überzeugung, wie die Meinung eines Bereichsleiters – der keine BSC einsetzte – exemplarisch verdeutlicht: „Also ich akzeptiere die Balanced Scorecard, ich finde es auch ein gutes Tool, ich finde, es bringt [Unternehmen D] extrem weit nach vorne. Ist sehr wichtig für uns.“732 Die Skepsis gegenüber der BSC schien demnach überwunden: „Also ich zum Beispiel sehe niemanden der sagt, die BSC brauchen wir nicht, wollen wir nicht.“733 x Korporative interne Modelle Das Festhalten an der BSC ist kann auch als ein Ausdruck der Organisationskultur in Unternehmen D interpretiert werden. Als mittelständisch geprägtes Familienunternehmen ist die Organisation „ein auf Nachhaltigkeit orientierter Laden“734, in dem konservativ und langfristig gedacht und gehandelt wird: „Sie sind hier irgendwo im
728 729 730 731 732 733
Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D3. Zitat aus Interview D3. Zitat aus Interview D3. Zitat aus Interview D2. Ein Kollege, der ebenfalls keine BSC einsetzt, attestiert: „[I]m Rückspiegel sind wir jetzt deutlich besser aufgestellt wie vor 5 oder 10 Jahren.“ Zitat aus Interview D3. Zitat aus Interview D2.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
163
süddeutschen Mittelstand gelandet, da ist man natürlich auch ein Freund einer konservativen Planung.“735 Dies dürfte der entscheidende Grund dafür sein, warum die BSC trotz „Dahinvegetierens“ nicht direkt wieder abgeschafft wurde, sondern stattdessen in adaptierter Form neu belebt wurde: „Also ich denke, das ist sehr typisch für das Gute an der [Unternehmen D]-Kultur, dass man auch bereit ist, also mal wieder einen Schritt zurückzugehen und zu sagen, na gut, da lassen wir die Finger weg, aber wir schmeißen jetzt nicht gleich alles hin. Also das ist, denke ich, ein Vorteil von Eigentümerfirmen, die gehen einen Schritt zurück, aber lassen nicht gleich nach. Also die haben einen ziemlich langen Atem. Das ist manchmal lästig, aber es ist eine Art Vorteil.“736 Abgesehen von dieser Nachhaltigkeit passte der ausgewogene Ansatz der BSC nach Einschätzung eines Gesprächspartners gut zu den etablierten korporativen Modellen: „Und das Unternehmen hier hat schon immer kulturell sehr viel Wert auf Mitarbeiter gelegt; sehr viel Wert auf die Produkte gelegt, so dass im Prinzip auch dieses, ich sage mal, dieses ausgewogene Berichtssystem von Finanzen bis hin zu der vierten Ebene der Ressourcenkapazitäten oder ähnlicher Bezeichnungsweisen, … sehr gut zu dem [passt], wie das Unternehmen auch funktioniert ...“737 Damit stellte auch die Schaffung einer erhöhten Transparenz im Unternehmen keine unüberwindbare kulturelle Barriere dar: „Das denke ich, ist für alle Mittelständler eine Lernkurve, aber die ist, die hat bei uns, klar, wenn, also ich denke, das war am Anfang vielleicht schwieriger zu verstehen, dass man jetzt kritisch Zahlen offen legt. Und ich sehe uns da aber auf einem guten Weg …“738 Eine ausgeprägte Detailorientierung in dem „sehr, sehr stark“739 technisch-geprägten Unternehmen zeigte sich hingegen anhand der Abschaffung der UrsacheWirkungsketten. Dieses heuristische Verfahren der Strategiedarstellung wurde unter anderem mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit abgelehnt, hiermit die Realität korrekt abbilden zu können: „[D]ie volle Wahrheit würde man da sowieso nicht abbilden können, der Illusion muss man sich berauben und da würde dort einfach unnötige Komplexität erzeugen. ... Und letztendlich [ist das] auch nicht machbar mit Kausalana-
734 735 736 737 738 739
Zitat aus Interview D3. Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D3. Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D3. Zitat aus Interview D4.
164
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
lysen. … Dass man sagt, was weiß ich, die Mitarbeiterfluktuation steigt um 5 Prozent und dann soll ich oben gucken, wie sich das auf meinen Umsatz auswirkt. Also das ist, da kann ich genauso gut eine Wahrsagerin oder aus dem Bauch entscheiden und sagen, na ja gut, jetzt mache ich vielleicht ein bisschen weniger Umsatz in Neuheiten.“740 Nutzung der BSC und Zufriedenheit Nach der Einführung der Typ II BSC im Jahr 1998 „vegetierte“ das Instrument auf Gesamtunternehmensebene zunächst dahin. Die BSC hat auf einem „Blatt Papier gestanden, ohne … dass sich was geändert hat im Unternehmen.“741 Erst mit der Veränderung des genutzten BSC-Modells und dem „Relaunch“ erreichte die BSC „ein wesentlich höheres professionelleres Level“742 und wurde zu einem zentralen Führungsinstrument.743 Dabei wurden von der „neuen“ BSC allein strategische Themen in den Vordergrund gestellt: „[M]an möchte ganz bewusst durch die BSC nicht hier eine 1zu-1-Abbildung des Tagesgeschäfts machen, sondern einfach strategische Entwicklungsrichtungen in den Vordergrund stellen.“744 Die Typ I BSC im Unternehmen D trug so zum Zeitpunkt der Untersuchung dazu bei, die Strategie im Unternehmen transparent zu machen und zu kommunizieren, die Ressourcen entsprechend zu fokussieren und die Einheiten und Bereiche auf die Strategie auszurichten: „[Unternehmen D] hat sehr viele Ziele und Meinungen und Wünsche und ich sage mal, hier [in der BSC] kann man wirklich sagen, wo wollen wir mittelfristig hin. Und was ist uns wichtig und worauf fokussieren wir uns?“745 Anders als nach der ersten Implementierung in Unternehmen D wurde die Strategieimplementierung nach dem Relaunch auch eingefordert und nachgehalten: „[Es gibt jetzt] wesentlich mehr Maßnahmen als vorher, und Verantwortlichkeiten. Das war eben genau der Schwachpunkt [der ersten BSC], dass
740 741 742 743
744 745
Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D2. Zitat aus Interview D1. „Ich denke, die Dimension, die das Thema jetzt hat, hat es davor nicht gehabt. Also wir haben ja jetzt hier Filme gedreht, Taschenkarten an alle Mitarbeiter verteilt. Also mit einer sehr hohen Reichweite und Awareness werden unterschiedlichste Themen gezogen, die früher, sage ich mal, eigentlich eher versucht wurden, über eine Intranetseite und einen entsprechenden Key-User oder Treiber in den Ressorts zu implementieren.“ Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D2. Weiter heißt es: “Und auch vom Ressourceneinsatz, dort dann maßgeblich auch zu fokussieren. ... Und auch ihre eigenen Aktivitäten, sage ich mal, einschätzen, inwieweit es auch was bringt im Sinne der Balanced Scorecard-Ziele. Und das bringt das Unternehmen zusammen. Das halte ich für sehr wichtig.“
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
165
man es eben auf dem Papier stehen hat, aber dann nichts passiert ist.“746 Insgesamt zeigte sich die Typ I BSC in Unternehmen D damit als „sehr lebendig, heute schon, auf der Top-BSC-Ebene sehr lebendig.“747 Anwender aller Ebenen zeigten sich entsprechend zufrieden mit dem BSC-Einsatz. Zum Zeitpunkt der Untersuchung nutzten jedoch noch nicht alle Ressorts und Landesgesellschaften die BSC, um die strategischen Ziele in ihren Bereichen, Einheiten und Abteilungen zu erreichen.748 Denn den Führungskräften auf diesen Ebenen blieb die Entscheidung über die Einführung der BSC überlassen: „Da gibt es keine … klare Regelung, wie die Organisation praktisch, also es wird jedem Mann frei gelassen, ob sie die BSC runterbringen oder nicht.“749 Auch hier sollte sich die BSC nach Möglichkeit aber noch etablieren: „[D]as ist die Herausforderung für die nächsten Jahre, letztendlich auf der dritten und vierten Führungsebene das in gleicher Weise voranzutreiben. … Aber da sind wir dran und arbeiten dran.“750 1.5
Unternehmen E – Interaktive Nutzung einer Typ I BSC
Einführung Die fünfte Fallstudie behandelt eine Typ I BSC aus der Verkehrsindustrie, die zum Zeitpunkt der Untersuchung breite Akzeptanz im Unternehmen fand und als zentrales Steuerungsinstrument intensiv genutzt wurde. Unternehmen E ist ein deutscher Verkehrsdienstleister, der seit 2001 ein regionales Schienenverkehrsnetz betreibt. Die Organisation ist ein Profit-Center der Regionalgesellschaft eines großen Konzerns und beschäftigt ca. 550 Mitarbeiter. Eigenständige regionale Netze wie das betrachtete wurden im Mutterkonzern aus der Überlegung heraus gegründet, dass ein wirtschaftlicher regionaler Betrieb die Zusammenführung
746
747 748
749 750
Zitat aus Interview D2. Weiter heißt es: „Das ist [heute] definitiv anders, da ist auch ein Feedback, ein Controlling, ein Monitoring. Es gibt auch jemanden, der dafür verantwortlich ist, das ist der Herr … und der hat, und sich auch da die Verantwortung nimmt. Das war vorher so nebenher gelaufen, man hat es halt so gemacht.“ Zitat aus Interview D4. „Ja, wobei man da klar schon entscheiden muss, zwischen der Top-BSC und also die für das Unternehmen global gültig ist und den Implementierungsstand der Unternehmensstrategie einfordert. Und der Ressorts-BSCs, wie die als Führungsinstrument genutzt werden. Und da muss man schon, denke ich mal, attestieren, wenn man ehrlich ist, dass es unterschiedlich intensiv genutzt wird.“ Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D4. Zitat aus Interview D1.
166
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
aller notwendigen Bereiche unter einem Dach und eine starke Präsenz vor Ort brauche.751 Unternehmen E umfasst daher alle für den Schienenverkehr erforderlichen funktionalen Bereiche: „Und das ist ja dann wieder ein Vorteil von unserer Firma. Wir haben alles. So wie es das früher bei der Eisenbahn auch gegeben hat, bei den großen Dienststellen, da war alles vor Ort.“752 Das Modell der regionalen Netze unterscheidet sich damit stark von der starken Zentralisierung und Divisionalisierung, die den Mutterkonzern prägen. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde die unternehmensweite BSC in Unternehmen E untersucht. Neben einer Unternehmens-BSC gehörten dazu einzelne BSCs für die sieben Abteilungen des Unternehmens. Der Zugang zu diesem Fall erfolgte durch die Vermittlung eines Unternehmensberaters. Ausgangssituation und Einführung der BSC Vor dem Hintergrund der Deregulierung im Schienenverkehr wurde Unternehmen E 2001 als „Spin-off“ des Mutterkonzerns gebildet. In die Gründungsphase der Organisation fiel auch die Entscheidung, eine BSC als strategisches Steuerungsinstrument einzuführen. Entscheidenden Einfluss nahm dabei der kaufmännische Geschäftsführer des neuen Unternehmens, der bereits Erfahrungen mit dem Instrument BSC gesammelt hatte und von dessen Möglichkeiten überzeugt war: „Also ich habe mich mit dem Thema beschäftigt, seit es das bei [Mutterkonzern] gibt und auch schon davor und war immer schon überzeugt von dem Instrument. Und bei der [Unternehmen E], während der Aufbauphase war für mich klar, dass dies unser Instrument wird, um hier die strategische Ausrichtung einigermaßen zu übersetzen, damit es jeder versteht. Und damit wir das auch nachhalten können.“753 Während die Einführung in der Aufbauphase der Organisation die Verankerung des Instruments im Unternehmen E tendenziell erleichterte, wurde diese durch ein früheres BSC-Projekt im Konzern behindert. So hatte bereits 1999/2000 eine BSC-Einführung im Konzern stattgefunden. Die konzernweite BSC-Anwendung wurde jedoch nicht intensiv genug eingefordert, so dass das Instrument nach einer Phase des Dahinvegetierens wieder abgeschafft wurde. Vor diesem Hintergrund hatte die BSC nach Aussa-
751
752 753
„[E]s muss doch möglich sein, Bahnen in der Region wirtschaftlich zu betreiben. Und da hat sich halt relativ zügig herausgestellt, dass das herkömmliche Modell der [Mutterkonzern], diese Divisionalisierung … dass das hier keinen Sinn macht. Dass man das aus einer Hand steuern muss, und das man regionale, sehr starke regionale Präsenz braucht.“ Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E2. Zitat aus Interview E4.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
167
ge mehrerer Interviewpartner ein „schlechtes Image“754, so dass die Mitarbeiter in Unternehmen E dem erneuten Anlauf überwiegend skeptisch gegenüber standen. Diesen Zweifeln wurde mit hohem Druck der Geschäftsleitung begegnet: „[D]as war am Anfang … ein sehr harter Prozess, weil die [Konzern-BSC] als solche sehr negativ belegt war. Das war für viele schlicht und ergreifend der Zahlenfriedhof, der zu befriedigen war, weil irgendein Chef das so wollte. Und niemand hat den Leuten je erklärt, was für den Einzelnen der Vorteil ist, wenn man mit so einem System arbeitet. Und das haben wir dann, in einem durchaus sehr mühsamen Prozess, der über, ich sage mal, mindestens zwei Jahre gelaufen ist, bis es einigermaßen Akzeptanz gefunden hat, halt schlicht und ergreifend durchgeprügelt.“755 Im Rahmen des Einführungsprojekts wurde nur zu Beginn und zur grundsätzlichen Erläuterung des gewählten BSC-Ansatzes auf eine Unternehmensberatung zurückgegriffen. Danach wurde intensiv von Workshops Gebrauch gemacht, um einen möglichst breiten Kreis von Mitarbeitern in den Erstellungsprozess einzubinden. Im Rahmen dieser Workshops wurden Vision und Leitbild sowie strategische Ziele abgeleitet und diese in Kennzahlen übersetzt. Auf die Verwendung von Ursache-Wirkungsketten wurde dabei ganz verzichtet, um die Akzeptanz des Instruments nicht zu gefährden: „[D]ie ganze Sache muss so einfach angelegt sein, dass ich es den Leuten entsprechend einfach erklären kann … Also ich kenne da Ursache-Wirkungs-Ketten, das schaut aus wie eine Schlingpflanze. Und das brauch ich nicht, weil ich ganz genau weiß, dass diejenigen Menschen, die dieses Instrument anwenden sollen, die wenn die diese Übersicht sehen, dann machen sie eh zu. Weil es einfach zu kompliziert ist. Ich wollte das ganz einfach halten.“756 Auch bei der Erarbeitung von Vision und Strategie wurde auf Einfachheit geachtet, so dass diese in wenigen kurzen Aussagen zusammengefasst wurden.757 Die so erstellte BSC lässt sich somit als Typ I BSC charakterisieren, da auf die Darstellung von Ursache-Wirkungsketten verzichtet wurde. Ende 2002 ging die BSC in den operativen Betrieb.
754 755 756 757
Zitat aus Interview E2. Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E4. Weiter: „… Ich erkenne den Sinn von Ursache-Wirkungs-Beziehungen, wenn ich mich da so durchhangeln kann. Unbestritten. Aber, das verstehen die Leute nicht.“ „Es gibt keine DIN A4-Seite mit 10 Sätzen, wo drauf steht, was unsere Strategie ist. Das gibt es nicht, weil sich das kein Mensch merkt, merken kann, merken will.“ Zitat aus Interview E4. Auch bei der Auswahl der Kennzahlen wurde ein pragmatischer Weg gewählt. So war der Erhebungsaufwand der Kennzahlen ein wichtiges Auswahlkriterium: „[Wir] haben schon überlegt, welche Kennzahlen stehen uns denn auch zur Verfügung oder welche Kennzahlen können wir denn mit vertretbarem Aufwand relativ schnell generieren.“ Zitat aus Interview E5.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
168
Teil E
Die BSC und die Elemente der handlungsleitenden Ordnung x Externe Modelle Die Abstimmung des neuen Instruments mit dem bestehenden Gefüge externer Modelle wurde sehr schnell angegangen, da die enge Abstimmung der BSC mit den übrigen Regelprozessen als wichtiger Erfolgsfaktor erkannt worden war. So diente das Budget als Ergebnis des Planungsprozesses als Grundlage für die Finanzperspektive der BSC und „wird dann 1 zu 1 übersetzt“758, so dass zum Zeitpunkt der Untersuchung von Budget und BSC keine widersprüchlichen Signale ausgingen. Gleichzeitig bietet die BSC die Flexibilität, unterjährige Änderungen der Planwerte vorzunehmen: „Es ist, das ist ja auch der Vorteil dieser Scorecard, das ist, ich kann das ja unterjährig - also arrondieren. Wenn sich jetzt ergibt, dass wir ein Betriebsergebnisziel X haben und es ändert sich unterjährig die eine oder andere Vorgabe, … [da]ann bin ich da nicht starr, sondern das kann ich halt dann da anpassen. Und dann monatlich darüber reporten. … Und das erhöht die Flexibilität schon deutlich.“759 Auch das Berichtswesen und die BSC waren aufeinander abgestimmt. So diente die BSC zum einen als Grundlage der monatlichen Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Abteilungen, so dass die Diskussion der Geschäftslage auf Basis der Daten der BSC und damit einem „gleichen Wissensstand“760 beruhte. Zum anderen war auch der monatliche Finanzbericht zum größten Teil über die BSC abgebildet. Dieser Abstimmung wurde von der Geschäftsleitung besondere Bedeutung zugemessen: „Ich sage mal, es macht immer wieder Schwierigkeiten, wenn man über zwei verschiedene Zahlen spricht und dann, sage ich mal, unter einem Dach, also, wenn wir über Betriebsergebnisse reden, gibt es ja nur ein Betriebsergebnis und sonst keins mehr, und das muss ich in beiden, das muss in allen Berichten immer so sein … das muss einfach passen, da muss das zusammen stimmen, weil sonst findet die Scorecard keine Akzeptanz …“761 Auch eine Integration von BSC und Anreizsystem wurde zügig umgesetzt. So gingen einige Ziele der BSC in die individuellen Zielvereinbarungen der Abteilungsleiter mit ein, die allerdings, z.B. projektbedingt, auch andere Ziele enthalten können: „[E]s gibt am Jahresanfang Ziele. Es gibt ein Zielgespräch, die werden schriftlich fixiert und ein
758 759 760
Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E3.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
169
Teil dieser Ziele ergibt sich auch hier aus der BSC-Card. … Und die Zielerreichung wird dann am Jahresende anhand der BSC-Ergebnisse dargestellt.“762 Auch wenn Zielvereinbarung und BSC damit im Einzelfall nicht deckungsgleich sind, gingen zum Zeitpunkt der Untersuchung von den Zielvereinbarungen und der BSC zumindest auch keine Widersprüche aus: „Das stimmt dann schon überein.“763 Auch einzelnen Abteilungsleitern diente die BSC als Instrument, die Ziele von Teamleitern zu vereinbaren und nachzuhalten: „[Ich] stimme ... alles ab von der Zielvereinbarung des Meisters, der hat fast die gleichen Kennzahlen drin stehen, für seinen Bereich … [U]m die Leute ein bisschen wach zu rütteln – ‚Passt auf, hier!’ –, da habe ich sie mit beteiligt.“764 Eine solche Verzahnung wurde jedoch noch nicht in allen Abteilungen vollzogen. Lediglich die Integration der BSC in die bestehenden Informationssysteme erschien schwach ausgeprägt. Dies ist allerdings vor dem Hintergrund des vorliegenden Entwicklungsstands der Systeme zu beurteilen: „[W]ir haben halt immer noch DampfEDV oder eine EDV, die jetzt nicht auf dem berühmten Knöpfchendruck alles liefert.“765 Da die Problematik eines hohen händischen Aufwands der Geschäftsleitung bewusst war,766 versucht ein Stabsmitarbeiter, den Abteilungen die Datenerfassung weitestgehend abzunehmen. x Individuelle interne Modelle Auf Grund der negativen Erfahrungen mit der BSC im Konzern hatte die BSC zunächst ein schlechtes Image. Die Mitarbeiter in Unternehmen E standen nach den Aussagen mehrerer Gesprächspartner dem erneuten Anlauf daher zunächst überwiegend zurückhaltend gegenüber: „[N]achdem es bisher nicht so gelebt worden ist … in den anderen Bereichen, hat jeder gesagt, na ja, das stellen wir jetzt auf und dann liegt es
761 762 763 764 765 766
Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E2. Zitat aus Interview E5. Zitat aus Interview E1. Zitat aus Interview E5. „[B]ringt es mir zusätzliche Arbeit? Das ist ein ganz entscheidendes Thema, die Erhebung, die monatliche Erhebung der Daten, das Reporting und so das, das müssen wir so steuern, dass für den Verantwortlichen da nur minimaler zusätzlicher, wenn überhaupt, Aufwand entsteht. … Ohne das verliert es in einem Maße an Akzeptanz, der also deutlich überproportional ist, muss man einfach so sehen. Ist so. So gut dieses Konzept auch ist, wenn ich da meinen Abteilungsleitern sagen muss, du kümmerst dich einmal im Monat drum, dass die Daten hier eingegeben werden in irgendeine Excel-Sheet oder so was, und dann habe ich aber so eine Hürde vor mir, die zu überspringen sehr schwierig ist. Ich habe das auch erst lernen müssen, aber ist so.“ Zitat aus Interview E4.
170
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
irgendwo im Schrank drin und wird es wieder vergessen. Also da war zuerst einmal ein bisschen Skepsis. Wie wird es dann bei uns gelebt werden?“767 In den Gesprächen mit den Abteilungsleitern zeigte sich, dass das konzernweite Projekt bis heute nachwirkt: So verwendeten einige der Gesprächspartner noch die alte, konzernweite Bezeichnung für die BSC. Zum Zeitpunkt der Interviews zeichnete sich Unternehmen E jedoch durch eine hohe Akzeptanz der BSC auf Ebene der anwendenden Abteilungsleiter aus: „[H]ier bei [Unternehmen E] muss ich sagen, wird sie gelebt ... [S]ie wird gelebt und sie wird mit Zielvorgaben hinterlegt und, und, und. So dass, ich sage mal okay, es ist sinnvoll.“ Alle befragten Abteilungsleiter waren grundsätzlich von dem Instrument überzeugt und lobten den intensiven Einsatz. Die Akzeptanz auf Ebene der untergeordneten Teamleiter, Meister und Mitarbeiter war jedoch unbekannt. Die BSC wurde zwar an verschiedenen Stellen ausgehängt. Da das Instrument in den meisten Fällen aber nicht weiter aktiv in die Abteilungen getragen wurde, erschien eine grundsätzliche Vertrautheit mit der BSC auf dieser Ebene eher unwahrscheinlich.768 Die hohe Akzeptanz der Abteilungsleiter zeigte sich vor allem in der positiven Beurteilung der monatlichen BSC-Gespräche. In allen Interviews wurde der Stellenwert dieser regelmäßigen Diskussionen betont und häufig als größter Mehrwert der BSC bezeichnet: „Jetzt ist es ja so, dass wir monatlich unser BSC-Gespräch machen und die Daten durchdiskutieren. Und das ist, glaube ich, das Entscheidende. … Die Daten, die erhoben werden, die kenne ich zum größten Teil. … Aber trotzdem ist das Entscheidende, dass man mit seiner nächsten Führungsebene, in dem Fall mit unserer Geschäftsführung, ja darüber diskutiert, und es dann wieder kontrolliert wird, was passiert denn da, wo haben wir Handlungsbedarf.“769 Auch ein weiterer Abteilungsleiter brachte zum Ausdruck, dass er selbst Nutzen aus der BSC-Anwendung zieht – und Mehrwert nicht nur auf Seiten der Geschäftsleitung entsteht: „Ich schätze es vor allem als, wir machen einmal im Monat diese BSC-Gespräche, dreiviertel Stunde, und ich
767
Zitat aus Interview E2. „[I]ch kann es nicht beurteilen, ob die Mitarbeiter draußen das so ernst nehmen. Der eine oder andere schaut vielleicht drauf und sagt, ja schön, gut, aber wenn ich ehrlich bin, ich glaube nicht, dass sich ein gemeiner Schlosser draußen hier da sich große Gedanken macht.“ Zitat aus Interview E1. 769 Zitat aus Interview E3. Weiter heißt es: „Ansonsten erheben wir die Daten, klar, intern versuche ich schon daraus irgendwo Schlüsse zu ziehen, aber dass man das gemeinsam mit der Führung macht, das ist, glaube ich, ganz entscheidend …, weil eben dadurch ja die Kommunikation mit der Führung entsteht.“ 768
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
171
muss sagen, es ist für einen selber auch gut, wenn man viel im Tagesgeschäft ist oder viel auch außer Haus ist, einfach mal diese dreiviertel Stunde, wo man sich über seine Zahlen Gedanken macht. … [D]ieses standardisierte Verfahren einmal im Monat so über die Zahlen zu sprechen, das finde ich einfach gut.“770 Auf Ebene des Top Managements zeigen die Interviewdaten wie bereits angesprochen ebenfalls eine hohe Akzeptanz des BSC-Ansatzes. Dass das hohe Commitment für die BSC über die Zeit aufrechterhalten und kontinuierlich an der weiteren Akzeptanzschaffung im Unternehmen gearbeitet worden war, wurde konsistent als Erfolgsfaktor der Implementierung beschrieben: „Und ich denke mal schon, es war ein Erfolg von unserer Führung, die gesagt hat, okay, wir sind davon überzeugt und haben das entsprechend rübergebracht und leben es auch jetzt weiterhin. Das ist ja das Entscheidende, nicht bloß was auf den Weg bringen, was wir aufgestellt haben, sondern, dass man es dann immer wieder, während des ganzen Jahres entsprechend belebt.“771 So ließ der kaufmännische Geschäftsführer z.B. gerade im ersten Jahr, das als „Chaosjahr“772 empfunden wurde, keine grundsätzlichen Zweifel an der BSC aufkommen: „[I]ch habe das … nie zur Diskussion gestellt.“773 Der Einfluss der gesamten Geschäftsführung sowie des kaufmännischen Geschäftsführers im Besonderen wurden damit übereinstimmend als „ganz entscheidend“774 bewertet. x Korporative interne Modelle Die Unternehmenskultur in Unternehmen E zu Beginn der BSC-Implementierung lässt sich auf Basis der Interviewdaten als wenig komplementär zur BSC beschreiben. So lassen sich verschiedene Darstellungen auf der individuellen Ebene darauf zurückführen, dass in dem ehemaligen Staatsunternehmen eine strategisches Orientierung auf korporativer Ebene unzureichend ausgeprägt war: „[D]ie Darstellung, dass wir hier eine Firma sind, die sich beschäftigt mit Themen, die einfach über die nächste Woche hinausreichen. Dass man einfach sagt, okay, wo geht’s denn hin. Strategie. Das war
770 771 772 773 774
Zitat aus Interview E5. Zitat aus Interview E2. Zitat aus Interview E1. Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E3. Weiter heißt es: „Also wenn die es nicht getrieben hätten, dann wäre es nicht gekommen. … Das war immer das Nachhaken von Herrn [kfm. Geschäftsführer] letztendlich, Zielsetzung, dass wir sie zu dem und dem Zeitpunkt einführt. Schon immer, dass man sagt, okay, verschieben wir das um vier Wochen, wenn es jetzt qualitativ die Daten noch nicht so gut sind. Aber schon immer mit dem Ziel, das Ding wird eingeführt.“
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
172
Teil E
was, was viele Leute überhaupt nicht gekannt haben.“775 Entsprechend gab es zu Beginn der BSC-Implementierung Zweifel an der Notwendigkeit des Projekts: „Aber ich sage mal, hier, in so einer Organisationseinheit, war auch vielfach die Frage: ‚Brauchen wir das? Brauchen wir eine eigene Strategie? Müssen wir uns um so was kümmern? Tagesgeschäft steht doch ganz klar im Vordergrund!’ Und da muss man schon schauen, dass man die Entscheider dann dazu bringt, zumindest einmal im Monat über den Tellerrand hinauszuschauen und einfach mal mit den Herren zusammen zu sprechen, sind wir noch auf dem richtigen Weg?“776 Diese anfänglichen Widerstände waren besonders bei den technisch geprägten Anwendern ausgeprägt: „Bei der Einführung war vielleicht auch schwierig, dass die vielleicht nicht ganz so betriebswirtschaftlich vorbelasteten Kollegen das eher als einen Schmarrn abgetan haben oder als nicht unbedingt erforderlich.“777 Diesen Widerständen, die sich auf die Ausprägung organisationaler Regeln auf korporativer Ebene zurückführen lassen, wurde jedoch auch durch die Ausgestaltung des Implementierungsprozesses und den genutzten BSCAnwendungstyps Rechnung getragen. So wurde – wie dargestellt – auf die Ableitung von Ursache-Wirkungsketten verzichtet. Auch die Darstellungen von Vision und Strategie wurden einfach gehalten, um deren Kommunikation zu erleichtern. Neben der fehlenden Strategieorientierung stellte auch die erhöhte Transparenz durch die monatlichen BSC-Gespräche zu Beginn eine Barriere dar, die auf die etablierten organisationalen Regeln zurückgeführt werden kann und nur langsam überwunden werde: „[E]s ist natürlich schon so, dass die einzelnen Bereiche sehr transparent werden. Dass der eine oder andere das nicht möchte. Dass man immer wieder, also es war am Anfang immer so, dass die Leute sind zum Rapport angetreten sozusagen. Das hat eine zeitlang gedauert, bis klar war, dass das jetzt nicht eine Art Watschen ist, sondern: da geht es ums Geschäft. Und das für mich ein Instrument ist, um mit meinen Abteilungsleitern über das Geschäft zu sprechen und dann auch ganz klar zu sagen, okay, hier, Handlungsbedarf. … Und - also diese Transparenz war dem einen oder anderen schlicht und ergreifend nicht recht. Und da hab ich ihm einfach qua Macht überzeugen müssen. In Anführungszeichen.“778 Die breite Akzeptanz des Instruments und des dazugehörigen Prozesses zum Zeitpunkt der Interviews verdeutlicht jedoch, dass mit dem Einsatz der BSC ein Kulturwandel in
775 776 777
Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E5.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
173
Richtung strategischer Orientierung, Transparenz und Diskussionsbereitschaft erreicht wurde: „Also hier in der Region hat man lange Zeit, eigentlich immer, das halt genommen, wie es vom Konzern gekommen ist. Und da hat man sich nie Gedanken gemacht, wie schaut meine Firma aus in fünf oder zehn Jahren. Und was muss ich jetzt dafür tun, damit es dann später mal gut dasteht, die kleine Eisenbahn. Und das haben wir jetzt mit der Balanced Scorecard ganz gut hinbekommen.“779 In den Gesprächen lobten die Abteilungsleiter durchgängig, dass die BSC ihnen die regelmäßige Reflexion über das eigene Geschäft sowie den Blick über den „Tellerrand hinaus“780 ermögliche. Nutzung der BSC und Zufriedenheit Die Interviewdaten zeigen, dass Unternehmen E die BSC zum Zeitpunkt der Untersuchung zur Umsetzung der Unternehmensstrategie verwendete. Neben der engen Einbindung in die Regelprozesse kam dabei den monatlichen BSC-Gesprächen eine entscheidende Rolle zu: Die gemeinsame Diskussion der BSC durch Abteilungsleitung und Geschäftsführung bildete die Basis für einen kontinuierlichen, interaktiven Kommunikations- und Lernprozess, mit dem Ziel der Umsetzung der verfolgten Strategie: „Wenn mal Werte nicht passen mal für einen Monat, sich dann auch wirklich Gedanken machen, warum passen sie in dem Monat jetzt nicht? Ist das jetzt ein neuer Ausreißer oder ein wahrscheinlicher Ausreißer oder laufen wir irgendwo in die falsche Richtung? Also da zwingen sie einen immer wieder dazu, sich zu prüfen, passt das noch, was jetzt aktuell läuft, mit den Zielen zusammen.“781 Die Bedeutung der Angleichung des Wissensstandes und der gemeinsame Interpretation der Daten wurde dabei von mehreren Gesprächspartnern besonders hervorgehoben.782 Auch Anpassungen der Strategie haben sich bereits aus der Anwendung der BSC ergeben. So hat sich eine aktuelle Veränderung der strategischen Ziele in Richtung Qualität auch aus der Diskussion im Rahmen der BSC-Gespräche ergeben: „[D]as ist, sage ich mal, schon stark
778 779 780 781 782
Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E2. Zitat aus Interview E3. „Und das ist eben für mich das Gute an der Sache, dass man eben dann sagt, okay, wir haben den gleichen Wissensstand, wir reden über die gleichen Zahlen und vielleicht interpretiert es im ersten Moment jeder anders, aber da kann man sich ja dann angleichen, da reden wir ja drüber. Wie gesagt, das ist eben dann der wahre Nutzen für mich, dass ich weiß, jawohl, die Führung hat genau die gleichen Werte wie ich auch und wir haben drüber gesprochen, wie man die Werte beurteilen muss, im Positiven wie im Negativen.“ Zitat aus Interview E3.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
174
Teil E
aus der Diskussion im Rahmen der BSC entstanden. Und wird halt dort weiter getrieben.“783 Auch wenn die BSC-Durchdringung in den Abteilungen zum Zeitpunkt der Interviews noch unterschiedlich ausfiel, betonten die Mehrzahl der Abteilungsleiter ihre Zufriedenheit mit dem Instrument und die Vorteile der BSC zur Kommunikation der Unternehmensziele innerhalb ihrer Abteilungen. Da auch von der Geschäftsleitung eine weitere Intensivierung der Steuerung mit der BSC angestrebt wurde – eventuell auch unter Einbeziehung wichtiger Kunden –, deuten die Interviewdaten auf einen weiteren Ausbau der Strategieimplementierung anhand der BSC in Unternehmen E hin. 1.6
Unternehmen F – Rückentwicklung einer Typ III BSC
Einführung Die letzte Fallstudie untersucht eine BSC in einem Unternehmen der Finanzbranche, die zunächst als „vollentwickelte“ Typ III BSC eingeführt wurde, über die Jahre jedoch eine Rückentwicklung zu einer Typ I BSC erfahren hat. Unternehmen F ist ein Finanzdienstleister, der mit ca. 1.900 Mitarbeitern komplexe Anlageprodukte entwickelt und an private wie institutionelle Kunden vertreibt. Die Aktiengesellschaft hat einen stabilen Eigentümerkreis und wird nicht an der Börse gehandelt. Unternehmen F bündelt als Führungsholding eine Vielzahl von Einzelgesellschaften und ist in sechs Segmente organisiert. Als marktbearbeitende Segmente richten sich die Bereiche „Private Kunden“ und „Institutionelle Kunden“ direkt mit den Produkten an die Endabnehmer.784 Die beiden Einheiten erhalten ihre Produkte aus zwei Produktionssegmenten, die nach den Vermögensklassen in die Bereiche „Wertpapiere“ und „Immobilien“ differenziert werden. Als unterstützende Segmente leisten die Bereiche „Dienstleistungen“ und „IT/Verwaltung“ Mittel- und Back-OfficeDienste. Die BSC kommt auf Ebene der Holding und in den Segmenten zum Einsatz. Im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts wurde die BSC-Anwendung auf Segmentebene untersucht. Der Zugang zu diesem Fall erfolgte über persönliche Kontakte.
783 784
Zitat aus Interview E4. Bezeichnungen der Segmente geändert.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
175
Ausgangssituation und Einführung der BSC Die ersten Überlegungen zur Einführung der BSC fielen in das Jahr 2001 und in eine Phase der Konsolidierung zweier neu erworbener Gesellschaften. Da die BSC bereits in einer der erworbenen Gesellschaften erfolgreich eingesetzt wurde und das Thema BSC zu diesem Zeitpunkt viel Beachtung erfuhr, wurden die Einsatzmöglichkeiten des Instruments im Unternehmen F diskutiert und schließlich vom Vorstand die Einführung beschlossen: „Das war ganz einfach, dass die Kollegen in der [konsolidierten Gesellschaft], … das hatten und wir hatten es nicht. Und das war der eine Punkt. Und zum Zweiten war es ‚in’… und natürlich hat der Vorstand gefragt, warum haben wir das nicht. Vor allem, warum hat eine Tochter, die wir gekauft haben, ein Laden von 80 Mann, die haben das und wir, große [Unternehmen F] mit 1.500 Leuten, wir haben es nicht. Das war nach meiner Meinung die Motivation, um es jetzt ganz platt auszudrücken.“785 Hinzu kam, dass zu diesem Zeitpunkt erstmals eine durchgängige Zahlbasis für das gesamte Unternehmen vorlag. Durch die Einführung eines SAP-Systems war es seit dem Jahr 2000 möglich, Unternehmen F in Segmenten abzubilden. Die Idee zur Einführung der BSC kam damit in einem günstigen Moment.786 Denn trotz der umfassenden Zahlenbasis war die Unternehmensleitung nicht mit den vorhanden Steuerungsinstrumenten zufrieden: „Na ja, da hat man die Zahlen gehabt und da hat man sich gefragt: Ja, ist das alles? Ist das, wollen wir jetzt so unseren Laden steuern? Jetzt haben wir SAP-Ausdrucke - sehr, sehr G-und-V-lastig - … [a]ber gibt es noch mehr? Das war halt die Frage. Ist das alles? Wie kriegen wir das runtergebrochen? Wo will [Unternehmen F] in 5 Jahren stehen?“787 Das Ziel des BSC-Projekts war vor diesem Hintergrund ein „vernünftigeres und stringenteres Unternehmenssteuerungstool [einzuführen], … etwas, was es einem möglich macht, die unterschiedlichen Perspektiven, … regelmäßig auf dem Reviewschirm zu haben.“788 Die Einführung der BSC erfolgte im Jahr 2002. Dabei wurde auf die Unterstützung durch externe Berater verzichtet. Vielmehr wurde auf die Erfahrungen des heutigen
785 786
787 788
Zitat aus Interview F2. „[D]as war wirklich ein sehr glücklicher Zeitpunkt ... Man hatte jetzt diese Zahlen und ist zum ersten Mal in der Geschichte da auf der Zahlenseite wirklich ziemlich fit, und dann nach 2 Jahren hat man sich gefragt, okay, ist das alles. Ist also diese Zahlenwelt, ist das alles oder gibt es noch mehr?“ Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F1.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
176
Teil E
Leiters Konzernsteuerung bei der Einführung der BSC in der erworbenen Gesellschaft zurückgegriffen. Als Know-how-Träger fungierte er als Projektleiter und wichtiger Promotor der BSC-Implementierung. Der Implementierungsprozess erfolgte Bottomup: Zunächst wurden BSCs auf Ebene der Segmente erarbeitet. Erst im nächsten Schritt wurde ein Gesamt-BSC auf Holding-Ebene abgeleitet. Da ein regelmäßiger Strategieüberarbeitungsprozess im Rahmen des jährlichen Budgetierungsprozesses bereits etabliert war, konnte auf existierende strategische Ziele zurückgegriffen werden. Diese wurden im Rahmen der BSC-Implementierung in Diskussionen zwischen dem BSC-Projektteam und den Segmentleitungen zusätzlich in UrsacheWirkungsketten zueinander in Beziehung gesetzt und grafisch dargestellt. Da auch die Verbindung zum Anreizsystem schnell hergestellt wurde, kann die so eingeführte BSC als strategisches Managementsystem nach KAPLAN/NORTON bzw. als Typ III BSC charakterisiert werden. Die BSC und die Elemente der handlungsleitenden Ordnung x Externe Modelle Die BSC wurde schnell und umfassend in das bestehende Gefüge externer Modelle integriert: Bereits im ersten Jahr erfolgte die Einbindung des Instruments in die Regelprozesse der Segmentleitung und des Vorstands. So liefen Planungs- und BSC-Prozess synchronisiert ab: „[D]er Prozess der Überarbeitung der Balanced Scorecard läuft parallel zum Strategieüberarbeitungsprozess und Budgetierungsprozess ... Also immer einmal im Jahr: Eine mittelfristige Finanzplanung, ein Budget für das nächste Jahr und die Überarbeitung die Strategie und die Überarbeitung der Balanced Scorecard, die in einem Prozess gleichzeitig stattfindet.“789 Änderungen in der Planung fanden sich damit „eins zu eins“790 auch in der BSC wieder, so dass keine Widersprüchlichkeiten existierten: „Wir würden im Rahmen des Planungsprozesses hier entsprechend auch Anpassungen vornehmen. Wenn wir jetzt, wie sie es ja aktuell planen, innerhalb der nächsten drei Jahre 2 Millionen Neukunden zu gewinnen, dann gilt natürlich für die Kostengröße ‚Depotgeschäft absolut’, kann nicht die gleiche Grenze gelten wie, wir machen jetzt eine Bestandssicherung. Insofern würden wir die BSC an der Stelle anpassen im Rahmen des Planungsprozesses.“791
789 790 791
Zitat aus Interview F1. Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F6.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
177
Auch das Berichtswesen und die BSC waren nach Aussagen der Interviewpartner zum Zeitpunkt der Untersuchung grundsätzlich aufeinander abgestimmt: „Also da kommt wirklich alles aus einem Guss. … [D]as ist schon so, dass da zwischen diesen, sagen wir mal, anderen Kennzahlensystemen oder Blättern und die BSC, dass das wirklich absolut synchron ist …“792 Die BSC wurde zunächst als „das zentrale Tool“793 etabliert, um das die Berichterstattung aufgebaut ist. So gab die BSC die Gliederung der Präsentation und Reports im Rahmen der Quartalsberichterstattung der Segmente vor. Dabei deuteten einige Gesprächspartner jedoch darauf hin, dass die Zentralität der BSC über die Zeit nachgelassen habe und die Bedeutung der ursprünglichen Berichte wieder zunahm:794 „[D]ie Ergebnisberichte sind wieder wesentlich präsenter … Man schiebt auch die Segmentleiter, also die Bereichsverantwortlichen dann durch diese Gliederung [BSC] in jedem Quartal durch. Auf dem Papier. Wenn man dann aber die Sprechzeiten nimmt, dann ist es was ganz anderes. Also Sie müssen sich das so vorstellen: Ein Segmentleiter hat, keine Ahnung, 30 Seiten, Umfang, die er … jedes Quartal reportet. Die Vorgabe, die sind dann 20 Seiten BSC, aber das, was interessiert und das, was die Leute fragen … das sind genau die anderen 10 Seiten. Und da ist die Frage halt, wie lang kann das gut gehen?“795 Eine schnelle Abstimmung erfolgte auch zwischen Anreizsystem und BSC. So fanden sich zum Zeitpunkt der Interviews Ziele der BSC auch in den individuellen Zielvereinbarungen der Segmentleiter und des oberen Managements wieder. Der Aspekt dieser Integration wurde allgemein als wichtiger oder sogar „der springendste Punkt“796 für den Erfolg des Instruments angesehen. Ein Segmentleiter erläuterte: „[W]esentliche Kennzahlen müssen sich zumindest in ihrer Art, wenn nicht sogar eins zu eins, in
792 793 794
795 796
Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F6. „[E]s gab im Prinzip einen Kennzahlenchart - PK auf einen Blick oder so was. Oben die Aufwände, Absätze. Das gibt es auch heute noch. Das ist auch weit von hinten nach vorne gerückt. ... Und die Seite, die hatte man mal, hat man gesagt, die brauchen wir nicht. Aber da kann ich mich noch dran erinnern. Ich kann mich noch an die Vorstandssitzung erinnern, wo wirklich gesagt wurde, die brauchen wir jetzt nicht mehr. Wir machen jetzt alles mit BSC. Und dann saß wirklich der eine Vorstand da: ‚Na ja, aber wie ist denn jetzt das Segmentergebnis gestiegen?’ So und so. Okay. Und dann hat man gesagt, okay, wir müssen das Segmentergebnis noch in die BSC mit reinnehmen. Und dann beim nächsten Mal hat der gefragt: ‚Ja wie ist es mit dem Aufwand? Warum ist das jetzt gestiegen? Ist der … der Aufwand gefallen oder der Ertrag gestiegen?’ Ah, okay, da müssen wir noch Ertrag und Aufwand betreiben. Und das nächste Mal hat er gefragt: ‚Ja, okay, der Aufwand ist gestiegen. Liegt es am Personal oder am Sachaufwand?’ Und dann, okay, hinten ist das Chart. … Schon war das alte Ding wieder [da].“ Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F2.
178
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
den Zielvereinbarungen wiederfinden. Also ein Teil meiner persönlichen Zielvorgaben ist auch, sind auch bestimmte Balanced Scorecard-Kennzahlen. Und genauso haben auch Mitarbeiter von mir oder da drunter genauso auch bestimmte Kennzahlen, die sie selber auch als Zielvorgaben haben.“797 Dabei zeigte sich jedoch eine Dominanz der finanziellen Kennzahlen: „Ich würde sagen, 80 Prozent sind wieder Finanzkennzahlen, also jetzt oben, haben wir vielleicht noch 1 oder 2 aus Prozesssicht, Kunden.“798 Dies allerdings wiederum aber „eher aus Versehen. Nicht, um zu sagen, wir müssen jetzt die Ziele der BSC reinnehmen ...“799 So gab es zwar eine hinreichende Übereinstimmung wichtiger BSC-Ziele mit den Zielvereinbarungen des Managements, ohne dass jedoch dieser Abgleich systematisch erfolgte oder die BSC das zentrale Anreizinstrument darstellte.800 Auch die Integration der BSC mit den bestehenden Informationssystemen konnte zum Zeitpunkt der Untersuchung als hinreichend beschrieben werden. Die BSC ist Excelbasiert und greift auf die bestehenden Informationssysteme zurück. Händischer Aufwand für die Segmente war so gering. x Individuelle interne Modelle Die Interviewdaten deuten darauf hin, dass die Integration der BSC mit den internen Modellen der Anwender in den betrachteten Segmenten unterschiedlich ausgeprägt war. So zeigte sich in einem Bereich eine hohe Akzeptanz für die Ausgewogenheit des BSC-Modells: „Also ein Vorteil gegenüber Steuerung nur nach Finanzkennzahlen ist, dass man einfach unterschiedliche Perspektiven regelmäßig auf dem Radarschirm hat. … Die reinen Finanzkennzahlen sind eben oft nicht aussagekräftig genug, weil sie beispielsweise Personaldinge, was dann unter Ressourcen drin ist, überhaupt nicht mit berücksichtigt wird. Insofern glaube ich schon, dass das sehr hilfreich ist, und auch mir
797
798 799 800
Zitat aus Interview F1. Auch im Segment „Dienstleistungen“ spiegelt sich ein Großteil der BSCZiele in den Zielvereinbarungen wider: „Ich würde mal sagen, ein bestimmtes Set. Aber wenn ich mal so drüber guck, annähernd 80 Prozent. … Der Gruppenleiter findet dann nicht original das, was hier [in der BSC] steht, sondern in einer aggregierten Form. Aber im Prinzip nutzen wir es schon, um es bis in die unterste Führungsebene runterzubrechen.“ Zitat aus Interview F6. Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F3. „Das ist nicht konzeptionalisiert, dass die Ziele der Balanced Scorecard eben nach einem Konzept in Zielvereinbarungen runtergebrochen werden.“ Zitat aus Interview F3.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
179
hilft …“801 Dieser Akzeptanz war jedoch ein mehrjähriger Lernprozess vorangegangen, bis die für das Segment relevanten Kennzahlen feststanden.802 Auch im Segment „Dienstleistung“ war die BSC akzeptiert, die BSC wurde hier jedoch nicht als alternativlos angesehen. Ohne die entsprechende Vorgabe würde die Steuerung auf detaillierteren Instrumenten bzw. Daten basieren: „Ich würde sagen, es hat schon eine hohe Akzeptanz. Wenn es nicht gefordert wäre oder vorgegeben wäre, Top-down durch eine Vorgabe, würden wir es intern auf eine andere Art trotzdem herstellen. Das heißt, wir sind dann eher vielleicht noch detailverliebter und würden halt an unseren Prozesskosten Ziele festmachen, also noch eine Ebene tiefer. Aber da es aggregiert ist, kann man dann auch sagen, hat eine hohe Akzeptanz eigentlich. Die Leute kennen das. Die Leute gucken es sich an.“803 Die Gesprächspartner aus diesem Bereich differenzierten dabei bewusst zwischen der BSC als „Strategieinstrument für die Führungsebene“804, das eine aggregierte „Helikopterperspektive“805 einnehme, und der operativen Steuerung dieses sehr prozessorientierten Segments, die anhand einer Vielzahl weiterer Berichte und Systeme erfolge. Im einem weiteren Segment zeigte sich dagegen Skepsis bezüglich der Akzeptanz des Instruments: „Es wird gemacht, weil es gemacht werden muss. Aber dass man überzeugt ist davon, das fehlt, glaube ich.“806 Vielmehr war ein gewisser Überdruss zu beobachten: „Ja, wenn man dann, sagen wir mal, etwas unstrukturierter vorgeht und gibt dem Segmentleiter mal ein, zwei Seiten mit, die einfach aktuell ist, aus dem Tagesgeschehen, ich habe so das Gefühl, die Leute die lechzen danach, die sagen: ‚Super, endlich mal was Neues und nicht so eine blöde Ampel und na ja, wir sind 2 Punkte daneben, deswegen ist es orange oder gelb oder sonst irgendwas.’ Das interessiert echt keinen.“807 Die Akzeptanz hat nach Einschätzung einzelner Interviewpartner vor allem darunter gelitten, dass die anfangs in den Segmenten erarbeiteten BSCs später im Rahmen der Erstellung einer Gesamt-BSC auf Holdingebene Anpassungen „verord-
801 802
803 804 805 806 807
Zitat aus Interview F1. „[W]enn ich die letzten drei Jahre selber Revue passieren lasse, würde ich sagen, hat sich dort in den drei Jahren eine qualitative Verbesserung von Jahr zu Jahr ergeben, die sich dadurch widerspiegelt, dass man immer weniger Kennzahlen angepasst hat oder verändert hat oder rausgeschmissen hat, weil man eben sukzessive die gefunden hat, die für das Geschäftsmodell an der Stelle halt die geeigneten sind.“ Zitat aus Interview F1. Zitat aus Interview F6. Zitat aus Interview F6. Zitat aus Interview F5. Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F2.
180
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
net“ bekamen und in ein „Korsett von oben gepresst“808 wurden.809 Dazu kam, dass diese Gesamt-BSC auf Holdingebene nicht zurück kommuniziert wurde.810 „Auf Dauer haben dann die Leute den Spaß verloren.“811 Neben der differenzierten Ausprägung der Akzeptanz auf Ebene der BSC-Anwender, wurde von mehreren Interviewpartnern auch auf Ebene der implementierungsinitiierenden Akteure eine Abschwächung der „Begeisterung“ für die BSC wahrgenommen. Zwar war das Commitment des Vorstands bei der Einführung des Instruments „erstmal relativ groß. Allerdings ist das, glaube ich, über die Jahre schon hin, ein bisschen gebröckelt …“812 Dies zeigte sich zum einen darin, dass die alten Finanzberichte – wie dargestellt – wieder an Bedeutung in den Vorstandspräsentationen dazu gewonnen haben. Gleichzeitig zeigen die Interviewdaten, dass auch einzelne Elemente des eingeführten BSC-Modells nach einiger Zeit nicht länger Akzeptanz fanden. So wurde die Darstellung und Diskussion von Ursache-Wirkungsketten im Rahmen der BSC auf Grund mangelnder Akzeptanz nach ca. zwei Jahren wieder abgeschafft: „Das wurde früher bei uns gemacht, … [b]is dann genau dieses Bild in den ganzen Vorstandspräsentationen vom Holdingvorstand immer zerrissen wurde, weil keiner etwas damit anfangen konnte, und weil im Grunde genommen völlig absurde Dinge da rauskommen. … Und dann gibt es einfach nur ein riesenkomplexes Strickmuster, wo hinterher eigentlich keiner was erkennen kann und wo eigentlich auch hinterher der Nutzen von keinem erkannt wurde.“813 x Korporative interne Modelle Ein Teil dieser Entwicklung lässt sich auch vor dem Hintergrund der etablierten Unternehmenskultur diskutieren. So kann die Beobachtung eines Bedeutungsgewinns der
808 809
810
811 812 813
Zitat aus Interview F2. „Also, und jetzt hat man im Prinzip für jedes dieser Segmente eine BSC erstellt, und das war super und… da war eine hohe Identifikation. Und dann hat man gesagt, ja, wir brauchen gegenüber unseren Gremien brauchen wir ja auch irgendwie einen Berichtstool. Und dann hat man versucht, eben aus diesen 6 oder 7 BSCs sagen wir mal, so eine Über-BSC zu machen, die man eben auf dies Reporting gegenüber den Aufsichtsräten verwendet hat. Und da kam dann auf einmal so ein Schraubstock, wo man uns oder auch anderen Segmenten Sachen reingeschrieben hat, also es war dann nicht mehr unsere unbedingt.“ Zitat aus Interview F2. „Dann gibt es ja noch die [Unternehmen F]-Gesamt-BSC. Da kriegen wir weder eine Information, wie die aussieht oder eine Rückkopplung, und wissen auch nicht, wie das aggregiert ist.“ Zitat aus Interview F6. Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
181
„alten“ Finanzberichte durch eine starke Ausprägung des Wertes Detailorientierung und eine analytische Unternehmenskultur in Unternehmen F erklärt werden: „Und die Leute, wirklich im Vorstand, die sind so was von finanzkennzahlenlastig, das kriegen sie da nicht raus. Das ist fast unmöglich. Die sagen, das andere ist eigentlich nur dafür da, dass das stimmt.“814 Auf der einen Seite stand diese „detailverliebte“815 oder „detailversessene“816 Prägung des Unternehmens damit dem hohen Abstraktions- und Aggregationsniveau der BSC entgegen und führte so zur Rückkehr ausführlicherer Berichte. Auf der anderen Seite richtete sich die „Finanzkennzahlenlastigkeit“ gegen die grundsätzliche Philosophie der BSC: „BSC ist ja kein Kennzahlentool. Sondern es ist ja eigentlich ein Tool, um ganzheitlich oder ganzheitlicher als nur mit Finanzkennzahlen zu steuern. Das heißt, dahinter muss eine persönliche Philosophie der Führungskraft liegen und der persönliche Anspruch und das Engagement eben nicht nur mit Finanzkennzahlen zu steuern.“817 Auf die unzureichende Ausprägung dieser „Philosophie“ deutet jedoch die Abschaffung des Elements Ursache-Wirkungsketten hin: „[W]enn man das sozusagen aus philosophischen Gründen nutzt das Tool, dann ist einem auch klar, welche Bedeutung diese Ursache-Wirkungsbeziehungen haben. Dass einem nämlich klar ist, was für ein Anteil hat auf der unteren Perspektive der Mitarbeiterperspektive, wenn ich mich um die Mitarbeiter kümmere, in welchem Zusammenhang steht das mit der Finanzperspektive. Wenn es aber nur als Kennzahlenrahmen genutzt wird, dann sind die Ursache-Wirkungsbeziehungen irrelevant. Dann spielt das keine Rolle, in was für einem Zusammenhang die stehen. Man hat einen Rahmen, da sind Kennzahlen drin, fertig.“818 Nutzung der BSC und Zufriedenheit In Unternehmen F stand die Nutzung der BSC als ausgewogenes, strategisches Kennzahlensystem im Vordergrund. Entsprechend erfolgte die Quartalsberichterstattung der Segmente auf Basis der BSC, wobei die Interviewdaten hier eine diagnostische Nutzung erkennen lassen: „[D]as wird auch insofern genutzt, als dass es quartalsweise Präsentationen bei einzelnen Segmenten oder Bereichen vor dem Holdingvorstand gibt
814 815 816 817
Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F6. Zitat aus Interview F1. Zitat aus Interview F3.
182
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
und da wird dann immer der aktuelle Stand der Balanced Scorecard gezeigt; und da werden dann natürlich besonders, dann gibt es ein Ampelsystem dahinter, grün-gelbrot, und das dient dann natürlich vor allen Dingen dazu, falls irgendetwas auf Gelb oder Rot steht, dass dann besonders kritisch zu hinterfragen.“819 Eine Diskussion der verfolgten strategischen Stoßrichtungen ergab sich an dieser Stelle nicht. Änderungen der Strategie ergaben sich vielmehr aus dem bereits vor der BSC etablierten Prozess der jährlichen Strategieüberarbeitung und floßen in die BSC ein.820 Somit war die BSC zum Zeitpunkt der Untersuchung zwar lebendig und hatte eine strategische Ausrichtung; sie stellte aber nach konsistenter Aussage mehrerer Gesprächspartner kein Medium dar, um über die Strategie zu lernen oder diese zu verbessern: „[D]ie Balanced Scorecard nimmt keinen Einfluss auf unsere Strategie.“821 Die Adaption der BSC durch Abschaffung der Ursache-Wirkungsketten bedingt in der genutzten Typologie eine Rückentwicklung von einer Typ III zu einer Typ I BSC. Diese Veränderung des Implementierungsstands wurde im Unternehmen jedoch nicht negativ gesehen. Die Anpassung der BSC wurde vielmehr als Ausdruck einer „lernenden BSC“822 und der lebendigen Auseinandersetzung mit dem Instrument positiv gewertet: „[Z]um Lernen und im Umgang mit Balanced Scorecard gehört eben auch dazu, dass, wenn man halt am Anfang immer diese wilden Vernetzungsbilder gemacht hat, und man merkt halt noch an der Stelle findet das keine Akzeptanz, die Leute, die es nutzen müssten, lachen nur drüber, dann merkt man, dann ist das am Ziel vorbei, dann hat es keinen, dann stiftet es keinen Nutzen für die Steuerung. Und dann muss man solche Dinge eben auch aussortieren können.“823 Entsprechend wurde zum Zeitpunkt der Gespräche erwartet, „dass die Priorität einer Balanced Scorecard sich bei uns halten wird. Weil, sie ist schon relativ weit und ich glaube nicht, dass da noch sehr viel Luft für weiteren Ausbau ist, aber sie wird weiter leben im Sinne einer lernenden Balanced Scorecard.“824 Dieser weitgehenden, von mehreren Gesprächspartnern geäußerten Zufriedenheit mit der eingesetzten BSC wurde jedoch auch widersprochen. So wurde die alleinige Nutzung des Instruments zum Reporting in Richtung Holdingvorstand auch kritisiert: „[U]m unseren Laden zu steu-
818 819 820 821 822 823
Zitat aus Interview F3. Zitat aus Interview F1. „[A]lso wenn sich Strategie ändert, ändert sich auch Balanced Scorecard.“ Zitat aus Interview F1. Zitat aus Interview F6. Zitat aus Interview F1. Zitat aus Interview F1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
183
ern, ist das jetzt eigentlich missbraucht worden und deswegen ist es eigentlich nicht das, was wir wollten. … Im Endeffekt ist es nur ein Rahmen für ein Kennzahlensystem. Es ist eine Gliederung für ein Kennzahlensystem. Nicht mehr und nicht weniger.“825 Die Interviewdaten zeigen somit, dass die BSC im Unternehmen F zwar zur überwiegenden Zufriedenheit als strategisches Kennzahlensystem genutzt wurde, die Akzeptanz jedoch vielfach durch Compliance geprägt war: „Ich habe noch keinen von der BSC schwärmen hören.“826
2.
Fallübergreifende Analyse
Die fallübergreifende Analyse geht über die detaillierte Untersuchung der Einzelfälle hinaus und betrachtet Muster, die sich über die Fälle hinweg abzeichnen. Dieser Analyseschritt erfolgt vor der Diskussion und Interpretation der Ergebnisse, um die enge Verbindung gewonnener Erklärungsansätze und zu Grunde liegender Daten sicherzustellen: „Overall, the idea behind these cross-case searching tactics is to force investigators to go beyond initial impressions, especially through the use of structured and diverse lenses on the data. … Also, cross-case searching tactics enhance the probability that the investigators capture the novel findings which may exist in the data.”827 Eine der von EISENHARDT beschriebenen Taktiken zur fallübergreifenden Analyse stellt die Bildung von Kategorien dar, wobei die relevanten Dimensionen durch die Forschungsfrage, die existierende Literatur oder durch den Forscher vorgegeben werden können. Ausgehend von diesen Dimensionen werden die Fallstudien dann gruppiert, um Gemeinsamkeiten in sowie Unterschiede zwischen den Gruppen herauszuarbeiten.828 Ein solches strukturiertes Vorgehen sowie die Verwendung unterschiedlicher Analyseraster soll die Gefahr von Fehlinterpretationen verringern.829 Dieser Empfehlung wird im Weiteren gefolgt. Ausgangspunkt ist die Betrachtung des Implementierungsstands bzw. der BSC-Typen in den betrachteten Fallstudien. Die Fallstudien werden dazu gemäß der BSC-Typologie von SPECKBACHER/BISCHOF/ 824 825 826 827 828
Zitat aus Interview F1. Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F3. Eisenhardt (1989), S. 541. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
184
Teil E
PFEIFFER sowie hinsichtlich möglicher Veränderungen dieses Implementierungsstands gruppiert. Anschließend werden die so gebildeten Gruppen von Fallstudien auf Muster hinsichtlich der Integration der BSC mit den bestehenden externen und individuellen sowie korporativen internen Modellen auf Muster untersucht. Als zusätzliches Analyseraster, um fallübergreifende Muster aufzudecken, wird in einem weiteren Untersuchungsschritt die Typologie zu Barrieren im Prozess der Implementierung von Controllinginstrumenten von PARVIS-TREVISANY/SCHÄFFER herangezogen und auf die Fallstudien angewandt. 2.1
Implementierungsstand der untersuchten BSCs
2.1.1
BSC-Typen nach Speckbacher/Bischof/Pfeiffer
Bei der Auswahl der Fallstudien der vorliegenden Untersuchung wurde darauf geachtet, dass unterschiedliche Implementierungsstände bzw. BSC-Typen in die Untersuchung Eingang finden. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass ein möglichst großer Teil der Heterogenität des BSC-Implementierungsstands in der Unternehmenspraxis von der Studie abgebildet wird und diese so geeignet ist, die Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES zu erklären. Eine Gruppierung der Fallstudien nach der BSC-Typologie von SPECKBACHER/ BISCHOF/PFEIFFER, die anhand von Gestaltungsmerkmalen der BSC die Typen I-III differenziert,830 stellt den Ausgangspunkt der folgenden fallübergreifenden Analyse dar. Zum Zeitpunkt der Aufnahme des operativen Betriebs („Live-Schaltung“) lassen sich die BSC-Anwendungen der betrachteten Unternehmen nach der gewählten BSCTypologie wie folgt klassifizieren: x In Unternehmen B, C und E wurden Typ I BSCs eingeführt: In den eingeführten Instrumenten wurden finanzielle und nicht-finanzielle Kennzahlen in Perspektiven angeordnet. Zwar sind diese Kennzahlen implizit oder explizit strategischen Zielen zugeordnet. Eine ausdrückliche Ableitung und Abbildung der Strategie mit Hilfe von Ursache-Wirkungsketten lag den BSCs in diesen drei Unternehmen jedoch 829
„The danger is that investigators reach premature and even false conclusions as a result of .. information-processing biases. Thus, the key to good cross-case comparison is counteracting these tendencies by looking at the data in many divergent ways.“ Eisenhardt (1989), S. 541f.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
185
nicht zu Grunde. Die BSC-Anwendungen entsprachen damit SPECKBACHER/ BISCHOF/PFEIFFERS Typ I-Definition eines „specific multidimensional framework for strategic performance measurement that combines financial and non-financial strategic measures.“831 Abweichend von der Definition einer Typ I BSC war in den Unternehmen B und E jedoch bereits eine „Scharfschaltung“ der BSC durch die Anbindung an das Anreizsystem geplant, die den Unternehmen auch innerhalb kurzer Zeit gelang. Da weiterhin auf Ursache-Wirkungsketten verzichtet wurde und auf Grund des kumulativen Charakters der Typologie wurden diese BSCs jedoch auch danach als Typ I BSC klassifiziert. x In den Unternehmen A und D wurde den BSC-Anwendungen dagegen eine Darstellung der Strategie nach der Ursache-Wirkungslogik zu Grunde gelegt: In beiden Unternehmen wurde eine Typ II BSC eingeführt. Die Ursache-Wirkungsketten kamen bei der Ableitung der strategischen Ziele und Kennzahlen zum Einsatz und wurden – zunächst – auch im Rahmen der weiteren Diskussion und Kommunikation der BSC eingesetzt. Eine Anbindung der BSC an das Anreizsystem wurde – im Unterschied zu den Unternehmen B und E – in den Unternehmen A und D jedoch nicht vollzogen oder geplant. Die BSC-Anwendungen zum Zeitpunkt der Einführung entsprachen damit der „Typ II BSC as a multidimensional performance measurement system (in the sense of Type I) that chooses a specific approach to describe strategy by using a sequential cause-and-effect logic ...”832 x Lediglich in Unternehmen F wurde eine vollumfängliche Typ III BSC, d.h. ein strategisches Managementsystem, wie KAPLAN/NORTON es beschreiben, eingeführt. Neben der Darstellung der Strategie durch Ursache-Wirkungsketten wurde auch die Anbindung an das Anreizsystem schnell vollzogen und Zielvereinbarungen für den Vorstand aus der BSC abgeleitet. Nur Unternehmen F erfüllte damit zum Zeitpunkt der Einführung die Ansprüche an diesen BSC-Typ: „[A] fully developed Balanced Scorecard should not only describe the strategy of the company (via causeand-effect relationships). It should be used to implement the strategy in the company. … Thus, we define a Type III BSC as a Type II BSC that additionally imple-
830 831 832
Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 363ff., sowie Abschnitt C1.2. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 365. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 366.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
186
Teil E
ments the organization’s strategy by defining objectives, action plans and results, and by linking incentives to BSC measures.”833 Die im Vergleich zu den anderen BSC-Typen hohe Anzahl von Typ I BSCs in dieser Untersuchung ähnelt dem von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/ SPECKBACHER/WENTGES empirisch ermittelten Bild: Vergleichbar mit den großzahlig empirischen Ergebnissen834 zeigte sich auch beim Kontakt mit Unternehmensvertretern im Rahmen der Fallstudienakquise eine deutliche Dominanz von Typ I BSCs in der Praxis. Diese Dominanz spiegelt sich daher auch innerhalb der Gruppe der sechs Unternehmen wider, die schließlich an der Untersuchung teilgenommen haben. Es zeigt sich darüber hinaus, dass sich der von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER definierte Typ I auch erweitert um die Anbindung an das Anreizsystem findet. Dies stellt einen BSC-Typ der Praxis dar, der durch die Typologie nicht ausreichend abgebildet wird.835 2.1.2
Veränderung des Implementierungsstands
Die Einzelanalysen der Fallstudien zeigen in einer dynamischen Sichtweise Veränderungen der BSC im Verlauf der Anwendung. So wurde in den Unternehmen neben einer kompletten Abschaffung des Instruments auch die Reduzierung der BSC um gewisse Elemente, z.B. Ursache-Wirkungsketten oder bestimmte Reportingpflichten, beobachtet. Dies führte in zwei Unternehmen zur Entwicklung einer Typ II bzw. III BSC zurück zu einer Typ I BSC. Nur in einem Unternehmen blieb die BSC seit ihrer Einführung unverändert. x Eine Veränderung der BSC wurde in Unternehmen B, D und F beschrieben. So setzte Unternehmen B die zusätzlichen Reportingpflichten („AktionsBeschreibungen“), die mit der BSC als Element der Maßnahmenverfolgung eingeführt worden waren, wieder aus. In Unternehmen D und F wurden die UrsacheWirkungsketten nach einiger Zeit nicht länger im Rahmen der Strategie- bzw. BSC-Diskussionen und -Kommunikation verwendet. Durch den Verzicht auf die Darstellung der Strategie anhand von Ursache-Wirkungsketten veränderten die BSC-Anwendungen in Unternehmen D und F ihren BSC-Typ nach SPECKBACHER/
833 834 835
Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 367f. Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 372f.; Schachner/Speckbacher/Wentges (2006), S. 605; sowie nochmals Abschnitt C1.2. Vgl. hierzu auch Kapitel F3.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
187
BISCHOF/PFEIFFER und entwickelten sich von einer Typ II bzw. Typ III BSC zu einer Typ I BSC. x Eine komplette Abschaffung der BSC konnte in den Unternehmen A und C beobachtet werden. Die BSC wurde zwar zwei Jahre lang gepflegt, ohne jedoch während dieser Zeit eine zentrale Rolle im Unternehmen einzunehmen oder einen nachhaltigen Einfluss auf die Unternehmensführung auszuüben. In Unternehmen A wurde die BSC nach ca. zwei Jahren und nach einem Geschäftsführerwechsel nicht weitergepflegt; im Unternehmen C wurde die BSC dagegen bereits sehr schnell nach ca. vier Monaten wieder abgestoßen. x Keine Veränderung der BSC zeigt dagegen die Fallstudie zu Unternehmen E. Die eingeführte Typ I BSC blieb hier über die Jahre unverändert und entwickelte sich zum zentralen Instrument der Strategiekommunikation und -umsetzung. In keinem der hier untersuchten Unternehmen wurde die BSC damit nachhaltig als strategisches Managementsystem (Typ III BSC) angewendet. Vielmehr finden sich unter den Fallstudien Beispiele für Rückentwicklungen des Implementierungsstands (vgl. Abbildung 9).
Typ I BSC
Typ II BSC
Unternehmen A Unternehmen B Unternehmen C Unternehmen D Unternehmen E Unternehmen F Implementierungsstand zum Zeitpunkt der Einführung
Implementierungsstand zum Zeitpunkt der Untersuchung
Abbildung 9: BSC-Implementierungsstand in den untersuchten Fallstudien
Typ III BSC
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
188
2.2
Teil E
Integration der BSC in die handlungsleitende Ordnung
Im Folgenden werden die anhand der beobachteten Veränderung der BSC gruppierten Fallstudien hinsichtlich möglicher Muster untersucht (Vgl. Tabelle 8).836 Dabei wird der Struktur gefolgt, die bereits der Einzelfallanalyse zu Grunde gelegt wurde: Die Überprüfung auf Muster erfolgt zunächst mit Blick auf die Ausgangssituation und Attribute des Einführungsprozesses. Danach werden die Fallstudiengruppen bezüglich der Integration mit externen Modellen, d.h. der Einbindung der BSC in die etablierten Regelprozesse und Systeme, sowie der Integration mit individuellen und korporativen internen Modellen, d.h. der Akzeptanz der BSC und ihrer Kompatibilität zur vorherrschenden Unternehmenskultur, auf Muster untersucht. Zuletzt werden mögliche Muster zur Nutzung und der Zufriedenheit mit der BSC-Anwendungen betrachtet. 2.2.1
Ausgangssituation und Einführungsprozess
Hinsichtlich der Ausgangssituation zeichnet sich beim Vergleich der drei Fallstudiengruppen nur ein einheitliches Muster ab. So zeigt sich konsistent für die Gruppe der abgeschafften BSCs das Fehlen einer Umbruchsituation zu Beginn der Implementierung der BSC. Während die BSCs in den Unternehmen B, D, E und F im Rahmen einer Restrukturierung, Führungswechsel, Konsolidierung oder eines Spin-offs eingeführt wurden, fehlte es in den Unternehmen A und C an solchen „externen Schocks“. Vielmehr erfolgte die Einführung in wirtschaftlich sehr erfolgreichen Zeiten. Keine einheitlichen Muster zeichnen sich dagegen mit Blick auf die Einbindung der Mitarbeiter in den Einführungsprozess der BSC ab. Nicht nur in Unternehmen E, auch in den Unternehmen A und C, die die BSC später wieder abschaffen, wurden die Mitarbeiter umfangreich in den Erstellungsprozess eingebunden. Ein solcher „Bottomup“-Entwicklungsprozess verhinderte in den beiden Unternehmen jedoch nicht das spätere Scheitern des Instruments. Auch der Rückgriff auf externe Unterstützung durch Unternehmensberater im Rahmen der Erarbeitung der BSC und der folgenden Implementierung weist kein Muster auf. Gleiches gilt bei der Betrachtung von Kontextfaktoren wie der Unternehmensgröße, Rechtsform oder Branchenzugehörigkeit.837
836 837
Für den Fall „Keine Veränderung der BSC“ können dabei keine expliziten Muster abgeleitet werden, da dieser Fall nur im Unternehmen E zu beobachten war. Diese Beobachtung stimmt somit mit den Ergebnissen der Analysen des Einflusses der Kontextfaktoren Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit von Speckbacher/Bischof/Pfeiffer überein; vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 373f.
Teil E
2.2.2
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
189
Integration mit externen Modellen
Mit Blick auf die Integration der BSC mit den externen Modellen der handlungsleitenden Ordnung, d.h. den etablierten Regelprozessen und Systemen der Unternehmen, zeigen sich mehrere einheitliche Muster. So war zunächst bei den Unternehmen aller drei Gruppen eine gelungene Integration der BSC mit den Planungs- bzw. Budgetierungsprozessen zu beobachten – BSC und Planung erschienen den Gesprächspartnern „aus einem Guss.“838 Lediglich in Unternehmen D war das Instrument zunächst losgelöst von der Planung, auch hier erfolgte eine entsprechende Verknüpfung jedoch mit dem „Relaunch“ der BSC. Auf Basis dieser Untersuchung erscheint die Anbindung an die Planung in der Praxis gut zu gelingen – auch in den Unternehmen, die die BSC später wieder abschaffen. Als weiteres einheitliches Muster zeigt sich bei beiden Unternehmen, die die BSC wieder abgeschafft haben, eine schwache Integration der BSC in die bestehende Berichterstattung. Während es in Unternehmen A „nach wie vor eigentlich alle möglichen anderen Berichte auch“839 und damit ein für die Akteure frustrierendes Nebeneinander von BSC-Berichten und etablierten Reports gab, verhinderten in Unternehmen C die regelmäßigen „Sinnhaftigkeitsdiskussion“840 eine Berichterstattung auf Basis der BSC. Ebenso wenig gelang in diesen beiden Unternehmen die Integration mit dem Anreizsystem. Während bei Unternehmen C hierzu die Zeit gefehlt haben mag, wurde in Unternehmen A eine entsprechende Anbindung über zwei Jahre hinweg nicht vollzogen. Sowohl die Gruppe der Unternehmen, bei denen die BSC verändert wurde (Unternehmen B, D, F), als auch Unternehmen E haben dagegen schnell und konsequent Zielvereinbarungen aus der BSC abgeleitet. Ein weiteres einheitliches Muster zeigen Unternehmen, die Veränderungen der BSC vorgenommen haben, hinsichtlich der Integration der BSC mit den IT-Systemen. So wurde insbesondere in den Unternehmen B und D die Einführung der BSC mit dem Aufbau eines umfangreichen Informationssystems verbunden. Auch in Unternehmen F wurde der händische Aufwand für die Anwender durch informationstechnische Anbindung der BSC reduziert. In Unternehmen E mangelte es zwar an einer Verknüpfung
838 839 840
Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview A3. Zitat aus Interview C1.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
190
Teil E
der BSC mit den IT-Systemen („Dampf-EDV“841); hier wurde der händische Aufwand jedoch durch eine BSC-Stabstelle minimiert. In Unternehmen A und C wurde die informationstechnische Anbindung dagegen als unzureichend beschrieben. Kein einheitliches Muster zeigt sich in Bezug auf die Verzahnung der BSC mit dem Reporting für die Gruppe der Unternehmen, die die BSC verändern. In Unternehmen B stellte die BSC eine rein zusätzliche Berichtsschiene dar, da zum Zeitpunkt der Interviews keine etablierten Berichte reduziert worden waren. Die Aussetzung der so genannten „Aktions-Beschreibungen“ als Berichtspflicht im Rahmen der BSC verdeutlichte diese Dominanz. Im Unternehmen F zeigte sich, dass neben der BSC traditionelle Berichtsformate in der Quartalsberichterstattung wieder an Bedeutung gewonnen hatten. Auch hier stellte die BSC ein Berichtsformat neben den zuvor etablierten dar. In Unternehmen D war die BSC dagegen zunächst ein isoliertes Kennzahlensystem, das weitgehend losgelöst vom Regelreporting bestand. Im Rahmen der Veränderung des Instruments und des „Relaunch“ der Anwendung gelang hier jedoch die umfangreiche Integration in die Berichterstattung. Die Fallstudien der Gruppe der Unternehmen, die die BSC verändern, zeigen damit hinsichtlich der Einbindung der BSC in das Reporting kein einheitliches Muster. 2.2.3
Integration mit individuellen internen Modellen
Betrachtet man die Fallstudiengruppen hinsichtlich der Integration der BSC mit den individuellen internen Modellen zeigen sich folgende einheitliche Muster. Auf Ebene der operativen Anwender zeigt sich für die Gruppe der die BSC wieder abschaffenden Unternehmen einheitlich eine geringe Akzeptanz der BSC. In Unternehmen A wurde die BSC als „Mehrarbeit ohne Nutzen“842 beschrieben, was auch im divergierenden Verständnis der BSC als Instrument der Strategieumsetzung auf Ebene des Top Managements und als operatives Steuerungsinstrument auf Ebene der Geschäftsfeldleiter begründet lag. Eine Akzeptanz der BSC wurde über den gesamten Nutzungszeitraum von gut zwei Jahren nicht erreicht. Auch in Unternehmen C wurde die BSC von Beginn des operativen Einsatzes nicht akzeptiert. Da das Instrument bereits nach gut vier Monaten wieder abgeschafft wurde, gelang auch hier keine Akzeptanzschaffung im Verlauf der Anwendung.
841 842
Zitat aus Interview E5. Zitat aus Interview A2.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
191
Als einheitliches Muster zeigt sich bei den Unternehmen A und C außerdem eine geringe Akzeptanz für die BSC bei den Initiatoren der Implementierung. In beiden Fällen ließ das Top Management Commitment schnell nach. In Unternehmen A wurde die BSC-Einführung vom Top Management vor allem zur Profilierung im Konzern genutzt. Ein Einfordern oder Vorleben der BSC als neuer Steuerungsphilosophie fand dagegen nicht statt. Das „Dahinvegetieren“ der BSC wurde von Seiten des Top Managements somit zugelassen: „[M]einer Meinung nach war die Balanced Scorecard damals schon tot.“843 Auch im Unternehmen C nahm das Commitment des Top Managements des Fachbereichs angesichts der Diskussionen und auf Grund einer mangelnden Unterstützung des BSC-Projekts aus dem Konzernvorstand schnell ab. Ein einheitliches Muster zeigt auch die Gruppe der Unternehmen, die die BSC verändern. Auf Ebene der ausführenden Akteure zeigten sich innerhalb wie zwischen den Unternehmen zwar unterschiedliche Akzeptanzniveaus. Dabei erscheint jedoch vor allem in die Akzeptanz in Form von Compliance besonders stark ausgeprägt gewesen zu sein, wie z.B. ein typisches Zitat aus Unternehmen B zeigt: „Wir müssen es machen.“844 Ähnliches galt im Unternehmen F: „Ich habe noch keinen von der BSC schwärmen hören, ehrlich gesagt.“845 Und auch in Unternehmen D wurde die Gesamtunternehmens-BSC zunächst lediglich in „treuer Pflichterfüllung“846 gepflegt. Alle diese so geprägten Unternehmen passen die BSC im Verlauf der Anwendung an. Als wichtiger Unterschied zeigte sich jedoch, dass in Unternehmen D die Akzeptanz mit bzw. nach dem „Relaunch“ der veränderten BSC gesteigert werden konnte. Zwar war auch nach dem „Relaunch“ die Akzeptanz unterschiedlich ausgeprägt, die Internalisierung war nach dem neuen BSC-Anlauf aber bereits deutlich vorangeschritten: „Also ich zum Beispiel sehe niemanden der sagt, die BSC brauchen wir nicht, wollen wir nicht.“847 Auch auf der Ebene des Top Managements dieser Unternehmen war die Integration mit den individuellen internen Modellen unterschiedlich umfangreich gelungen. Zwar wurde in allen Unternehmen ein hohes offizielles Commitment des Top Managements demonstriert und kommuniziert. Das konkrete Einfordern und Vorleben erschien davon jedoch abzuweichen. So wurde z.B. das Feedback zu den BSC-Berichten in Un-
843 844 845 846 847
Zitat aus Interview A2. Zitat aus Interview B2. Zitat aus Interview F3. Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D2.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
192
Teil E
ternehmen B als unzureichend empfunden und die Wahrnehmung der BSC durch die Landesgesellschaften als „black box“848 beschrieben. Im Unternehmen F wurde ein nachlassendes Commitment des Vorstands für die BSC zu Gunsten einer reinen Finanzkennzahlenorientierung beobachtet. Hinzu kam, dass die GesamtunternehmensBSC nicht in Richtung der Segmente, sondern nur in den Aufsichtsrat kommuniziert wurde. Dies verstärkte den Eindruck, dass man die BSC als „Gliederung für ein Reporting … missbraucht.“849 Auch in Unternehmen D wurde die BSC zunächst nicht intensiv eingefordert. Wiederum zeigte sich in diesem Unternehmen jedoch eine Veränderung dieses Aspekts mit dem „Relaunch“ des Instruments. 2.2.4
Integration mit korporativen internen Modellen
Mit Blick auf die Integration von BSC und korporativen internen Modellen, d.h. der erreichten Kongruenz von BSC und etablierter Unternehmenskultur, zeigt sich ein einheitliches Muster zunächst für die Gruppe der die BSC abschaffenden Unternehmen. In beiden Fallstudien findet sich eine ausgeprägt unternehmerische Kultur. So sind bei beiden Unternehmen Werte wie Kreativität, Selbständigkeit und Flexibilität ausgeprägt. Dies geht einher mit einer gewissen Intransparenz: „Also [Unternehmen A] lebt davon, dass es bestimmte Freiräume gibt, die eben nicht transparent sind.“850 Vor allem in Unternehmen C wurde beschrieben, dass die Einführung der BSC als Gegensatz zu diesem unternehmerischen Selbstverständnis begriffen wurde. In den Unternehmen, die die BSC verändern, zeigt sich ebenfalls ein einheitliches Muster. Die Unternehmenskulturen dieser Gruppe zeichnen sich durch eine starke Detailorientierung aus. Technische Logik und Exzellenz sowie Präzision und quantitatives Denken zentrale Werte stellen zentrale Werte in diesen Organisationen dar, z.B. weil die Unternehmen stark durch Ingenieure (B, D) oder komplexe, quantitative Produkte (F) geprägt sind. Eine solche Kultur wurde in einigen Gesprächen als Gegensatz zum Instrument BSC dargestellt. In Unternehmen F beispielsweise hat nach Aussagen von Interviewpartnern eine „detailversessene“851 Unternehmenskultur zum Rückgang der BSC-Akzeptanz im Vorstand und dem Bedeutungszuwachs etablierter Berichte auf Basis von Finanzkennzahlen geführt.
848 849 850 851
Teilnehmer des Vertriebs-Scorecard Workshops. Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview A3. Zitat aus Interview F1.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Veränderung des Implementierungsstands Fallstudien Ausgangssituation
193
Veränderung BSC
Abschaffung BSC
Keine Veränderung
BDF
AC
E
x Umbruchsituation
x kein Anlass
x Umbruchsituation
Integration externe Modelle Planung
9
Reporting
?
Anreize
9 9
IT-System
9 8 8 8
9 9 9 8
Integration interne Modelle Anwender Führungskräfte Unternehmenskultur Nutzung & Zufriedenheit
x (Compliance) x (nachl.) Commitment x Detailorientierung
x keine Akzeptanz x kein Commitment x Unternehmertum
x Internalisierung x nachhalt. Commitment x kein strateg. Denken
x (hohe) Zufriedenheit
x hohe Unzufriedenheit
x interaktive Nutzung x hohe Zufriedenheit
852
Tabelle 8: Fallübergreifende Muster
2.2.5
Nutzung der BSC und Zufriedenheit
Hinsichtlich der Nutzung der BSC zeigen sich in der Gruppe der Unternehmen, die die BSC verändern, keine einheitlichen Muster. In den Unternehmen B, F und zunächst auch D wurde die BSC als strategisches Kennzahleninstrument zu Reportingzwecken verwendet und das Instrument als solches diagnostisch genutzt. Eine Rückkopplung zur Strategie erfolgte nicht. Seit dem „Relaunch“ der BSC wurde in Unternehmen D jedoch einen weitergehender Ansatz verfolgt. Hier stellte die BSC zum Zeitpunkt der Untersuchung ein Instrument dar, das umfassend zur Strategieumsetzung und -kommunikation im Unternehmen eingesetzt wurde, z.B. als ein zentrales Element im strategischen Planungsprozess. Beim Blick auf die Zufriedenheit der BSC-Anwender in den untersuchten Fallstudien zeigte sich auch bei Unternehmen, die die BSC verändern, eine allgemeine (B, F) bis hin zu großer Zufriedenheit (D) mit dem Instrument. Die Veränderung der BSC und die damit verbundene Rückentwicklung zum Implementierungsstand Typ I haben hier offenbar keinen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit mit der BSC genommen.
852
9: konsistentes Muster Integration; 8: konsistentes Muster keine Integration; ?: kein Muster. Für den Fall „Keine Veränderung der BSC“ können dabei keine expliziten Muster abgeleitet werden, da dieser Fall nur im Unternehmen E zu beobachten war.
194
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
2.3
Barrieren im Prozess der BSC-Implementierung
Teil E
Die fallübergreifende Untersuchung schließt mit der Betrachtung von Barrieren im BSC-Implementierungsprozess der teilnehmenden Unternehmen. Als Analyseraster wird dazu auf die Typologie zu Barrieren im Prozess der Implementierung von Controllinginstrumenten von PARVIS-TREVISANY/SCHÄFFER zurückgegriffen.853 Die Untersuchung soll zeigen, inwiefern bestimmte Barrieretypen in Zusammenhang mit den beobachteten Entwicklungen aufgetreten sind (vgl. Abbildung 10). 2.3.1
Individuelle interne Modellbarrieren
In allen betrachteten Unternehmen lassen sich zahlreiche Beispiele für individuelle interne Modellbarrieren finden, die in unterschiedlicher Intensität vorkommen. Besonders häufig traten individuelle interne Modellbarrieren auf der Anwendungsebene auf, d.h. auf den Ebenen unterhalb des Top Managements. Diese können dabei dominant auf Präferenzdifferenzen zurückgeführt werden. So wurden als Ursachen für Widerstände im Implementierungsprozess Mehrarbeit durch die BSC (Unternehmen A, B) oder die erhöhte Sicht- und Messbarkeit der eigenen Leistung (Unternehmen A, B, C, E) beobachtet. Auch die weitgehende Zufriedenheit mit dem Status Quo auf Grund vergangener Erfolge (Unternehmen A, C, D) oder die Ablehnung der BSC auf Grund schlechter, bereits mit dem Instrument gesammelter Erfahrungen (Unternehmen E) konnte als Ursachen solcher Widerstände beobachtet werden. Akteure werden auch von den Einstellungen und Verhaltensweisen ihrer Kollegen und Vorgesetzten beeinflusst. Entsprechend zeigten sich in den Fallunternehmen auch dann interne Modellbarrieren, wenn die Zukunft der BSC-Anwendung unsicher erschien. Dies konnte sowohl auf mangelndes Commitment des Top Managements (Unternehmen A, C), eine wahrgenommene, nachlassende Bedeutung der BSC (Unternehmen F) oder konkrete „Erosionserscheinungen“ (Unternehmen B) zurückgeführt werden. Widerstände zeigten sich auch, wenn kein ausreichendes geistiges Eigentum für die BSC-Initiative bei den betroffenen Abteilungen, Einheiten oder Bereichen existierte und die BSC vielmehr als „Korsett“854 empfunden wurde (Unternehmen A, B, F).
853 854
Vgl. nochmals Abschnitt B1.2.3. Zitat aus Interview F2.
Legende:
Unternehmen F
Unternehmen E
Unternehmen D
Unternehmen C
Unternehmen B
Unternehmen A
Gruppenspezifische Werte und Normen Externe Modelle auf Führungsebene („Tagesgeschäft“)
Externe Modelle auf Metaführungsebene („Projektsteuerung“)
Externe Modellbarrieren
ausgeprägte Barriere im Implementierungsprozess
Unternehmenskulturelle Werte und Normen
Korporative interne Modellbarrieren
Barrieretyp tritt auf
Präferenz- Fähigkeits- Präferenzdifferenzen differenzen differenzen
Barrieretyp ohne Einfluss
Fähigkeitsdifferenzen
Von der Implementierung Für die Implementierung betroffene Akteure verantwortliche Akteure
Individuelle interne Modellbarrieren
Teil E Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Abbildung 10: Implementierungsbarrieren der untersuchten Fallstudien
195
196
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
Teil E
In einigen Fallstudien traten individuelle interne Modellbarrieren auch auf Ebene der die Implementierung initiierenden Akteure, d.h. das Top Management des relevanten Bereichs, auf. Dabei lassen sich diese Barrieren zum einen auf Fähigkeitsdifferenzen der Führungskräfte zurückführen. Hier zeigte sich in einigen Fallbeispielen eine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit (z.B. mangelhafte Kommunikations-, Motivationsoder Organisationsfähigkeit) des Top Managements gegenüber den untergeordneten Ebenen. Die BSC wurde in diesen Fällen nicht ausreichend kommuniziert, vorgelebt und eingefordert (A, B, C, D). Zum anderen lassen sich die Barrieren auf Ebene des Top Managements auch mit Präferenzdifferenzen erklären. In Unternehmen A diente die BSC vor allem zur Profilierung im Konzern; das Interesse schwand jedoch nach der Aufnahme des operativen Betriebs schnell. Auch in Unternehmen C verringerte sich die Priorität der BSC bei den Initiatoren gleich nach der Live-Schaltung: Angesichts des großen internen Widerstandes und des mangelnden Interesses auf Vorstandsebene war die weitere Behandlung des BSC-Projekts aus Sicht des Top Managements des Fachbereichs nicht rational. Ein Vergleich mit den beobachteten Veränderungen des Implementierungsstands zeigt zunächst, dass individuelle interne Modellbarrieren in allen Fällen in unterschiedlicher Intensität vorkamen. Präferenzdifferenzen auf Ebene der betroffenen Akteure zeigten sich durchgängig in allen Fallstudien. Für die Gruppe der die BSC abschaffenden Unternehmen zeigte sich jedoch, dass zusätzlich Fähigkeits- und v.a. Präferenzdifferenzen auf Ebene der Initiatoren auftraten. Diese Kombination scheint die Barrieren auf Ebene der Anwender verstärkt zu haben und stellt eine mögliche Ursache für das Abstoßen der BSC dar. Der Vergleich mit Unternehmen E zeigt dagegen, dass der ausgeprägte und nachhaltige Einsatz des Geschäftsführers die Barrieren auf der Anwenderebene überwinden konnte: „Und das [BSC] haben wir dann … halt schlicht und ergreifend durchgeprügelt.“855 2.3.2
Korporative interne Modellbarrieren
Auch für korporative Modellbarrieren zeigen die untersuchten Fallstudien Beispiele. So erschien den Gesprächspartnern in Unternehmen A und C die unternehmerische Kultur dieser Organisationen konträr zur durchgängigen Transparenz, wie sie die BSC verkörpert: „Wissen Sie, es [BSC] ist ein völliger Widerspruch zu den existierenden Kulturen im Unternehmen, die alles vertuschen wollen, bis es kracht. Bis es nicht mehr
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
197
geht.“856 Dieser Widerspruch konnte in beiden Fällen nicht überwunden werden. Darüber hinaus zeigten sich im Unternehmen A starke subkulturelle Unterschiede zwischen den Geschäftsfeldern, die die gemeinsame Diskussion und Etablierung der BSC zusätzlich behinderten: „Dieses Unternehmen besteht eigentlich aus drei Unternehmen. … [D]ie sind so konträr.“857 Auch ausgeprägte Detailorientierung stellte in einigen Unternehmen eine Implementierungsbarriere dar. Die stark aggregierte Sichtweise der BSC und die Verwendung auch nicht-monetärer Kennzahlen standen der gewohnten Praxis entgegen, auf Basis detaillierter und umfangreicher Berichte zu steuern. Dies rief Akzeptanzprobleme hervor: „[I]ch hab ja nicht das letzte Schräubchen in der Scorecard“858 (Unternehmen B, F). Darüber hinaus erscheint eine stark analytisch-geprägte, detailorientierte Unternehmenskultur mitunter unvereinbar mit dem Ansatz der Strategieabbildung durch nichtquantifizierbare Ursache-Wirkungsbeziehungen. Dieses heuristische Vorgehen wurde in so geprägten Unternehmen als „raten“859, wahrsagen860 oder „absurd“861 beschrieben und entsprechend nicht bzw. nicht länger angewendet (Unternehmen B, D, F). Auch in Unternehmen E wurde die Einführung der BSC zunächst erheblich durch die etablierten korporativen internen Modelle behindert: „Strategie. Das war was, was viele Leute überhaupt nicht gekannt haben.“862 Entsprechend wurde die BSC zunächst als „Schmarrn“863 abgetan. Der Vergleich mit den beobachteten Veränderungen der BSC zeigt, dass besonders starke korporative Modellbarrieren bei den Fallbeispielen auftraten, in denen die BSC wieder abgeschafft wurde. Eine starke unternehmerische Kultur, die von Freiräumen und einer gewissen Intransparenz lebt, erscheint im Gegensatz zu den inhärenten Prämissen der BSC zu stehen. Schwächere korporative Modellbarrieren zeigten sich bei der Gruppe der Unternehmen, die die BSC angepasst haben. Das Fallbeispiel E zeigt jedoch, dass unternehmenskulturelle Barrieren nicht zu Abstoßen oder Adaption füh-
855 856 857 858 859 860 861 862 863
Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview B1. Vgl. ähnlich Interview D1. Zitat aus Interview F1. Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E5.
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
198
Teil E
ren müssen und die BSC vielmehr auch einen erfolgreichen Kulturwandel bewirken kann. 2.3.3
Externe Modellbarrieren
Im Rahmen der Fallstudienuntersuchung zeigten sich auf der Anwendungsebene vor allem drei externe Modellbarrieren. Zum einen gelang in einigen Fällen die Integration der BSC in das etablierte Berichtswesen nicht. Die BSC stellte in diesen Fällen einen Zusatz dar; eine Reduktion der Reportingpflichten ging mit Einführung der BSC nicht einher (Unternehmen A, B). Unternehmen B reduzierte als „Zugeständnis“864 und Antwort auf Widerstände gegen diese Mehrarbeit stattdessen die Berichtspflichten im Rahmen der BSC. In Unternehmen F gewannen nach anfänglicher BSC-„Euphorie“ alte Reports an Bedeutung und wurden wieder in die Berichterstattung aufgenommen. In allen diesen Fällen waren zu unterschiedlichem Ausmaß Parallelprozesse, Doppelarbeit und die Schwächung der BSC als zentrales Steuerungsinstrument das Ergebnis. Darüber hinaus gelang in zwei Unternehmen die Anbindung an das Anreizsystem nicht (Unternehmen A, C). Während in Unternehmen C der BSC-Einsatz nicht ausreichend lang war, wurde in Unternehmen A die Verknüpfung über den gesamten zweijährigen Nutzungszeitraum nicht vollzogen. Letztlich zeigte sich in diesen beiden Unternehmen zusätzlich die mangelnde Verknüpfung mit dem IT-System als Barriere. Denn dies erforderte händische Eingaben bei der Pflege der BSC und bedeutete damit zusätzlichen Aufwand für die Anwender. Darüber hinaus konnte in einem Unternehmen ein weiterer Aspekt beobachtet werden: In Unternehmen D war die BSC anfangs losgelöst von Planung und Berichterstattung. Dies stellte eine erhebliche Barriere dar, da die Aktualität und Relevanz der BSC damit kontinuierlich sank. Diese Barriere kann als mitverantwortlich für das „Dahinvegetieren“ der BSC-Anwendung vor ihrem „Relaunch“ gelten. Auf Projektebene zeigen sich wenige externe Modellbarrieren. Lediglich im Rahmen der ursprünglichen Einführung der BSC in Unternehmen D zeigte sich eine geringe Ressourcenausstattung und Intensität des Implementierungsprojekts: „[D]as war halbherzig. Das hat man gemacht, um eine BSC zu haben.“865 Im Rahmen des „Relaunch“ der BSC zeigte sich diese Barriere jedoch nicht.
864 865
Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview D2.
Teil E
Ergebnisse der Fallstudienuntersuchung
199
Der Vergleich mit den beobachteten Veränderungen der BSC zeigt, dass bei abgeschafften BSCs die mangelnde Verknüpfung mit dem Anreizsystem als externe Modellbarriere auftrat. Dagegen zeigten sich für die Unternehmen B und F aus der Gruppe der Unternehmen, die die BSC veränderten, externe Modellbarrieren durch die unzureichende Ausrichtung des Reportings auf die BSC. In Unternehmen D traten vor dem „Relaunch“ die fehlende Einbindung in die Planung und die halbherzige Projektsteuerung hinzu.
Insgesamt zeigt die Analyse von Mustern der Implementierungsbarrieren in den untersuchten Unternehmen, dass keine Implementierung grundsätzlich barrierefrei verlief. Vor allem individuelle interne Modellbarrieren traten in allen Gruppen von Unternehmen in unterschiedlicher Intensität auf. Es zeigt sich jedoch für die Gruppe der Unternehmen, die die BSC wieder abschaffen, dass in diesen mehrere Barrieretypen gleichzeitig auftraten. Insbesondere fanden sich in dieser Gruppe Fähigkeits- und vor allem Präferenzdifferenzen der Projektinitiatoren; darüber hinaus waren starke korporative interne Modellbarrieren zu beobachten. Das für die Überwindung von Barrieren als wichtig erscheinende nachhaltige Top Management Commitment (z.B. Unternehmen E) war in diesen Fällen unzureichend.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
F
Diskussion der Ergebnisse
1.
Entwicklungsmuster der BSC
201
Die Einzelfallanalysen in Kapitel E1 zeigen, dass die BSC in keinem der untersuchten Unternehmen in dem Umfang vorlag, wie es das Konzept von KAPLAN/NORTON vorsieht: Obwohl die eingeführten BSCs alle drei BSC-Typen repräsentierten, wurde das Instrument in den untersuchten Organisationen in keinem Fall nachhaltig als Typ III oder Typ II implementiert. In Ergänzung der Aussagen von SPECKBACHER/BISCHOF/ PFEIFFER, die die BSC-Typen I - III als „typical evolutionary steps in the process of BSC implementation“866 interpretieren, zeigt die vorliegende Untersuchung vielmehr auch Rückentwicklungen des Implementierungsstands. So entwickelte sich der beobachtete BSC-Typ in zwei Fällen zurück zu einer Typ I BSC, da die für das Konzept nach KAPLAN/NORTON charakteristischen867 Ursache-Wirkungsketten wieder abgeschafft wurden. In zwei Fällen verschwand die BSC komplett wieder aus dem Unternehmen. Der von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER unterstellte, einseitige Entwicklungsprozess über die BSC Typen I-III muss demnach so nicht gegeben sein. Diese Beobachtung kann zur Erklärung eines aus Sicht von SPECKBACHER/BISCHOF/ PFEIFFER überraschenden Ergebnisses herangezogen werden. So untersuchen die Autoren den Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und der Verwendung der unterschiedlichen BSC-Typen und stellen zunächst folgende Vermutung an: „Since higher type BSCs can be interpreted as more mature and more sophisticated BSCs, it seems plausible that larger firms tend to employ higher types.“868 Vor dem Hintergrund des vorliegenden Befunds überrascht es nicht (länger), dass sie keinen Nachweis für einen solchen Zusammenhang finden: Die Fallbeispiele zeigen, dass eine Typ III BSC nicht zwingend „more mature“ sein muss. Ausgehend von den Ergebnissen der fallübergreifenden Analyse und auf Basis des gewählten Bezugsrahmens von SCHÄFFER/ZYDER, lassen sich die in den sechs Unternehmen beobachteten Entwicklungen als Anpassungsprozesse in der handlungsleiten-
866 867 868
Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 363. Vgl. Otley 1999, S. 375; Malmi (2001), S. 216; Wall (2001), S. 67; Bukh/Malmi (2005), S. 88. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 374.
Diskussion der Ergebnisse
202
Teil F
den Ordnung interpretieren. So zeigen die Analysen der Fallstudien, dass es auf Grund einer unzureichenden Kongruenz der BSC mit dem eingeschwungenen Zustand ex ante zu Veränderungsprozessen in der handlungsleitenden Ordnung kommen kann, bis sich ein neues Gleichgewicht eingestellt hat. Dieser Prozess kann bis zur Abschaffung der BSC führen. Konkret zeigen sich unter den untersuchten Fallstudien die drei Entwicklungsmuster Adaption des Controllinginstruments, Abstoßen des Controllinginstruments und Veränderung der etablierten handlungsleitenden Ordnung, die im Folgenden ausführlich diskutiert werden. 1.1
Adaption des Controllinginstruments
Ausgehend von der zu Grunde gelegten Perspektive und den in der fallübergreifenden Analyse beschriebenen Mustern lassen sich die beobachteten Rückentwicklungen in den Unternehmen B, D und F als Adaptionen des Controllinginstruments mit dem Ziel einer Assimilierung der BSC an die handlungsleitende Ordnung interpretieren. Die eingeführten BSCs waren in diesen Fällen nicht kompatibel zum eingeschwungenen Zustand und der resultierende kognitive Ungleichgewichtszustand motivierte die Akteure dazu, auftretende Dissonanzen abzubauen. Ursächlich für die Inkonsistenzen von Instrument und etablierter Ordnung waren in den drei Unternehmen dabei weniger die gelungene Verzahnung der BSC mit den etablierten Regelprozessen und Systemen, sondern vielmehr ein Mangel an Rückkopplung und Feedback des Top Managements sowie die vorherrschende Ingenieurkultur. 1.1.1
Gelungene Verzahnung mit Regelprozessen und Systemen
Grundsätzlich ist die Bedeutung der Einbettung der BSC in die Landschaft der bestehenden externen Modelle unbestritten: „The way they [BSCs] are applied together with existing systems is likely to influence usefulness.“869 So können nicht abgestimmte Ziele in Planung und BSC, ein überflüssiges Nebeneinander von BSC und etablierten Reporting-Prozessen oder gegenläufige Anreize aus BSC und Anreizsystem zu Frustration bei den Anwendern und letztlich zum Scheitern des BSC-Projekts führen.870 Entsprechend fordert z.B. HORVÁTH: „Um die Realisierung der in der Balanced
869 870
Malmi (2001), S. 217. Vgl. Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 52ff. Vgl. hierzu auch nochmals die Ergebnisse empirischer Arbeiten zu Barrieren im Prozess der BSC-Implementierung in Abschnitt C2.2.1 sowie Abschnitt E2.3 für die im Rahmen dieser Untersuchung aufgetretenen externen Modellbarrieren.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
203
Scorecard formulierten Strategie dauerhaft zu gewährleisten …, muss die Balanced Scorecard in das Management- und Steuerungssystem eingebunden sein.“871 In den Unternehmen B, D und F konnten Veränderungen der eingeführten BSC beobachtet werden, die in den Unternehmen D und F zur Rückentwicklung des BSC-Typs führten. Fallübergreifend wurde dabei gezeigt, dass die Ursache hierfür überwiegend nicht in der in Teilen der Literatur intensiv diskutierten, mangelnden Verzahnung der BSC mit den etablierten Regelprozessen und Systemen begründet lag. Allein in Unternehmen B haben die Gesprächspartner auf Doppelprozesse im Reporting hingewiesen, die durch zusätzliche Reportingpflichten („Aktions-Beschreibungen“) im Rahmen der BSC-Einführung entstanden waren. Als „Zugeständnis“872 und Antwort auf entsprechende Widerstände wurde dieses Element der Maßnahmenverfolgung wieder ausgesetzt. Abgesehen hiervon zeigten die drei Unternehmen jedoch weitgehend gelungene Verzahnungen der jeweiligen BSC mit den in der BSC-Literatur als relevante externe Modelle genannten Prozessen und Systemen der Planung/Budgetierung873, Berichterstattung/Reporting874, Anreizgestaltung875 sowie Informationsverarbeitung876. Die Erfahrungen in den Unternehmen B, D und F machen damit deutlich, dass eine umfassende Verzahnung von BSC und etablierten Regelprozessen und Systemen nur eine notwendige Bedingung für den nachhaltigen und dauerhaften Einsatz der BSC als strategisches Managementsystem darstellt. Denn die Anpassungen des Originalkonzepts von KAPLAN/NORTON und damit verbunden die Verringerung der strategischen Ausrichtung des Instruments erfolgten trotz der weitgehend gelungenen Einbindung der BSC in die etablierten Regelprozesse und Systeme.
871 872 873 874 875
876
Horváth (2000), S. 127, ohne Hervorhebungen des Originals. Zitat aus Interview B1. Vgl. Kaplan/Norton (1996a), S. 224ff.; Otley (1999), S. 376f.; Horváth (2000), S. 127; Horváth&Partners (2004a), S. 314ff.; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 52ff. Vgl. Horváth (2000), S. 127; Horváth&Partners (2004a), S. 359ff.; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 62f. Vgl. Kaplan/Norton (1996a), S. 217ff.; Frigo/Krumwiede (2000), S. 53; Horváth (2000), S. 127; Venkatraman/Gering (2000), S. 12; Weber/Schäffer (2000a), S. 61ff.; Olve et al. (2004), S. 5f.; Salterio/Webb (2003), S. 41; Horváth&Partners (2004a), S. 339ff.; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 57. Vgl. Kaplan/Norton (1992), S. 75; Horváth (2000), S. 127; Horváth&Partners (2004a), S. 413ff.
Diskussion der Ergebnisse
204
1.1.2
Teil F
Geringe Rückkopplung und Feedback des Top Managements
Als einflussreicher hinsichtlich der beobachteten Dissonanzen nach Einführung der BSC zeigte sich übereinstimmend in den drei Unternehmen, dass nach der häufig durch hochrangige Projekt-Sponsoren und umfangreiches „Name Dropping“877 geförderten BSC-Einführung ein zunehmend geringeres Interesse des Top Managements an dem Instrument wahrgenommen wurde. Interne Modelländerungen auf Ebene der Führungskräfte waren offenbar nicht (nachhaltig) erfolgt. So wurde beispielsweise das Commitment des Top Managements für das neue Instrument in Unternehmen F als abnehmend empfunden: „Das [Commitment des Vorstands] war erstmal relativ groß. Allerdings ist das, glaube ich, über die Jahre schon hin, ein bisschen gebröckelt …“878 Ein solcher Eindruck entstand in den Unternehmen, weil die BSC zunehmend weniger eingefordert wurde oder weil kein Feedback der Führungskräfte zur BSC erfolgte. So wurde in Unternehmen F die BSC für das Gesamtunternehmen nicht von der zuständigen Zentralabteilung im Unternehmen kommuniziert; in Unternehmen B wurde die BSC von Anwendern in den Landesgesellschaften als „Black Box“879 beschrieben, da sie kein ausreichendes Feedback zu den monatlich berichteten BSCs erhielten; und auch in Unternehmen D wurde die BSC vor ihrem „Relaunch“ nicht intensiv eingefordert. Die Beobachtungen widersprechen damit der (vielfach impliziten) Annahme in Teilen der Literatur, dass der Einsatz und das Interesse der Führungskräfte im Rahmen einer Veränderungsinitiative entweder gegeben oder nicht gegeben sind, sich jedoch nicht verändern: „In the change management literature, much is written about senior management commitment. Much of the literature assumes that commitment is absolute – it exists or it does not exist – and that it is unchanging.“880 Die Fallstudien im Rahmen dieses Forschungsprojekts zeigen dagegen die Notwendigkeit auf, das Commitment des Top Managements auch über die Zeit zu betrachten. Forschungsergebnisse zum Einsatz der BSC als strategisches Managementinstrument von MALINA/SELTO besagen, dass ein solches, mangelndes Feedback des Top Managements Auswirkungen auf die Akzeptanz und die der BSC zugewiesene Bedeutung
877 878 879 880
Zitat aus Interview B3. Zitat aus Interview F2. Teilnehmer des Vertriebs-Scorecard Workshops. Bourne (2005), S. 111. Vgl. z.B. bei Oke (2004), S. 39ff.; Soltani/Lai/Gharneh (2005), S. 1015ff.; Lok et al. (2005), S. 1362.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
205
auf Ebene der Anwender hat: „Ineffective communication, specifically One-way reporting, has largely negative consequences for acceptance, perceptions, and reported uses of the [BSC].“881 Auch eine Studie zur Rolle von Controllinginstrumenten in der Frühaufklärung von HEIDMANN zeigt die negativen Auswirkungen von unzureichendem Feedback auf die Akzeptanz der Anwender: „[M]iddle managers perceive reports without feedback as unimportant to top management and spend less time on their preparation.“882 In Übereinstimmung mit diesen Ergebnissen führte auch in den Unternehmen B, D und F die Wahrnehmung eines nachlassenden Interesses an der BSC zur Schwächung der Akzeptanz bei den operativen Anwendern. So zeigte sich innerhalb dieser Organisationen zwar das gesamte Spektrum möglicher Abstufungen von Akzeptanz. Dabei erschien jedoch insbesondere ein extrinsisch motiviertes Fügungsverhalten (Compliance)883 ausgeprägt zu sein: „Wir müssen es machen.“884 Ähnliches galt im Unternehmen F: „Ich habe noch keinen von der BSC schwärmen hören, ehrlich gesagt.“885 Auch in Unternehmen D wurde vor dem „Relaunch“ der BSC das Instrument in „treuer Pflichterfüllung“886 gepflegt. Die BSC wurde auch hier zunächst verstanden als „eine Aufgabe, die wir vorgegeben bekommen vom Headquarter ... Also nicht als Chance, sondern mehr als Pflicht.“887 Dabei wurde dieses Verhalten von Interviewpartnern direkt auf das als gering empfundene Feedback durch die Führungskräfte zurückgeführt: „Wir kriegen nicht genug Rückkopplung und es ist halt dummerweise so, aber ohne Druck läuft nichts. Vor allem nicht heutzutage. Wenn sie nicht den entsprechenden Druck bekommen, dann fällt so ein Thema hinten runter.“888 Die Akteure verhielten sich demnach zwar konform, wurden dazu jedoch überwiegend extrinsisch motiviert – nachhaltige interne Modelländerungen bzw. eine Internalisierung des BSC-Ansatzes erfolgten dagegen nicht. In allen drei Unternehmen kam es in der Folge zu Anpassungen der BSC, die auch auf das Erreichen einer höheren Akzeptanz abzielten. So wurden in Unternehmen B Berichtspflichten im Rahmen des BSC-
881 882 883 884 885 886 887 888
Malina/Selto (2001), S. 70, ohne Hervorhebungen des Originals. Heidmann (2008), S. 173. „Users adopt particular behavior to obtain rewards or avoid punishments.“ Malhotra/Galleta (2005), S. 121f. Zitat aus Interview B2. Zitat aus Interview F3. Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview D4. Zitat aus Interview B2.
Diskussion der Ergebnisse
206
Teil F
Prozesses als Entegegenkommen und „Zugeständnis“889 ausgesetzt und in Unternehmen D und F die Ursache-Wirkungsketten als Element der BSC-Anwendung abgeschafft. 1.1.3
Konträre Ingenieurkultur
Die eingeführten BSCs waren darüber hinaus nicht ausreichend kompatibel zur etablierten Unternehmenskultur der Unternehmen B, D und F. So sind alle drei Organisationen durch Kulturen gekennzeichnet, in denen technische Logik und Exzellenz sowie Präzision, quantitatives Denken und Detailorientierung zentrale Werte darstellen.890 Die Unternehmen sind dabei entweder stark durch Ingenieure und eine technische Orientierung geprägt (B, D) oder weisen unabhängig davon die damit verbundenen Werte auf (F).891 So wurden in den Interviews alle drei Unternehmen als „detailversessen“892 und zahlenorientiert dargestellt; strategisches Denken stelle dagegen kein unmittelbar zentrales Element der Unternehmenskultur dar: „[D]ie Ingenieure, die beschäftigen sich mehr mit ihrer Technik, Bites und Bytes. Und, ja gut, Strategie, was ist Strategie? Strategie, also das ist viel zu gehoben.“893 Die Unternehmenskulturen in den Unternehmen B, D und F lassen sich damit als „Ingenieurkulturen“ charakterisieren, wie sie auch von KASURINEN und WENISCH im Rahmen von zwei Fallstudien zu BSC-Implementierungen beschriebenen werden.894 Die Autoren stellen die von ihnen untersuchten Unternehmen als „characterized by an engineering culture of which technical logic and excellence are important components“895 dar. SCHEIN nennt darüber hinaus „perfect precision“ und eine Präferenz für
889 890 891
892 893 894
895
Zitat aus Interview B1. Obwohl wenige Unternehmen durch nur eine Kultur charakterisierbar sein dürften, dominieren üblicherweise bestimmte kulturelle Charakteristika; vgl. Bhimani (2003), S. 528. Eine Ingenieurkultur ist nicht auf von Ingenieuren geprägte Unternehmen oder Funktionen beschränkt: „Though this [engineering] culture is most visible in traditional engineering functions one can see it in operation equally in the designers and implementers of all kinds of technologies information technology, market research, financial systems, and so on.“ Schein (1996), S. 14. Zitat aus Interview F1. Zitat aus Interview D4. Vgl. Kasurinen (2002), S. 334ff.; Wenisch (2004), S. 101 und 184ff. Kasurinen und Wenisch führen den Begriff „Ingineering Culture“ losgelöst von der soziologischen Literatur zu dieser Kulturausprägung ein. Vgl. zur Diskussion der „Engineering Culture“ in der Soziologie z.B. Kunda (1992); McIlwee/Robinson (1992). Wenisch (2004), S. 101.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
207
„linear, simple cause and effect, quantitative thinking“896 als prägende Grundannahmen einer Ingenieurkultur. Die BSC als strategisches Managementsystem (Typ III), d.h. ein Instrument, das auf nicht quantifizierbare, „iterative“897 Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge abstellt, scheint in den durch Ingenieurkulturen geprägten Unternehmen B, D und F im Gegensatz zu den etablierten internen Modellen zu stehen und folglich nicht oder nur mit Mühe Akzeptanz finden zu können. Dies illustriert z.B. ein Zitat aus Unternehmen F: „In der Balanced Scorecard stand vorne: Betriebsergebnis im grünen Bereich. ‚Ja, schön, im grünen Bereich, aber warum, weshalb, wo kommt's her?’ Die Leute im Vorstand, die sind so was von finanzkennzahlenlastig, das kriegen sie da nicht raus. Das ist fast unmöglich.“ Vergleichbar wurde auch in Unternehmen B folgende Aussage als typisches „Killerargument“ genannt: „[I]ch hab ja nicht das letzte Schräubchen in der Scorecard, sondern eben nur aggregierte Werte und auf deren Basis kann man ja nicht steuern.“898 Für die drei durch eine Ingenieurkultur geprägten Unternehmen B, D und F bestätigt sich somit die Vermutung von NØRREKLIT „[that] the balanced scorecard may be very different from the strategic model in terms of which the management thinks, which will make it difficult to get the model rooted in the management.“899 Die BSC wurde in den Unternehmen in erster Linie als strukturiertes Kennzahlensystem und nicht als strategisches Managementsystem im Sinne von KAPLAN/NORTON verwendet. Auf die Ableitung und Diskussion der für die BSC charakteristischen900 UrsacheWirkungsketten wurde dagegen von Beginn an bzw. im Verlauf der Anwendung verzichtet. So wurde in Unternehmen B der Verzicht auf diese Form der Strategiedarstellung z.B. mit der Begründung erläutert, dass man in Ermangelung belastbarer Korrelation diese Zusammenhänge „raten“901 müsste. In Unternehmen D wurde im Rahmen des „Relaunch“ der BSC von der weiteren Nutzung der Ursache-Wirkungsketten abgesehen. Auch hier zeigte sich eine grundsätzliche Ablehnung der als heuristisch wahrgenommenen Ursache-Wirkungsketten: „Das ist zwar eine schöne Fleißarbeit, aber …
896 897 898 899 900 901
„In other words, one of the key themes in the culture of engineering is the pre-occupation with designing humans out of the systems rather than into them.“ Schein (1996), S. 14. Kaplan/Norton (1996c), S. 85. Zitat aus Interview B1. Nørreklit (2000), S. 79. Vgl. Otley 1999, S. 375; Malmi (2001), S. 216; Wall (2001), S. 67; Bukh/Malmi (2005), S. 88. Zitat aus Interview B1.
Diskussion der Ergebnisse
208
Teil F
da kann ich genauso gut eine Wahrsagerin fragen oder aus dem Bauch entscheiden.“902 Auch in Unternehmen F werden die Ursache-Wirkungsketten nach ca. zwei Jahren als „völlig absurd“903 wieder abgeschafft. Im Ergebnis dominierte insbesondere in den Unternehmen B und F ein Verständnis der BSC als – weiteres – Reportinginstrument. Nach Aussage eines Gesprächspartners aus Unternehmen B passte die BSC beispielsweise deshalb gut zu der Organisation, weil Leistungsmessung und Reporting ohnehin typisch waren: „[D]as passt eigentlich ganz gut mit der bisherigen Art und Weise überein, wie [Unternehmen B] die Vertriebsorganisation steuert. Wir haben sehr viel Reporting … [und da war die BSC] nicht Neues, hat uns nicht allzu groß überrascht.“904 Die BSC wird in dieser Aussage somit ebenfalls primär als Reportinginstrument aufgefasst. Diese Einschätzung korrespondiert mit weiteren Aussagen aus Unternehmen B: „Ich würde sagen, es ist ein Kennzahlensystem, weil letztendlich also das, auf Grund der Scorecard Diskussionen über die Strategie entstehen, würde ich eher nicht so sehen“905 Auch in Unternehmen F dominierte ein Verständnis der BSC als Kennzahlensystem: „Im Endeffekt ist es nur ein Rahmen für ein Kennzahlensystem. Es ist eine Gliederung für ein Kennzahlensystem. Nicht mehr und nicht weniger.“906 Eine mögliche strategische Ausrichtung stand dabei weniger im Vordergrund: „[D]ie Balanced Scorecard nimmt keinen Einfluss auf unsere Strategie.“907 In Unternehmen D wurde eine strategische Ausrichtung der BSC erst nach dem „Relaunch“ des gesamten Ansatzes umgesetzt. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von KASURINEN und WENISCH, die im Rahmen ihrer Fallstudien feststellen, dass im Kontext einer Ingenieurkultur die Leistungsmessung durch die BSC zwar als natürlich empfunden wird, Strategie und Strategieumsetzung jedoch keine zentralen Elemente einer solchen Kultur darstellen. Die BSC wird nach den Autoren in den so geprägten Unternehmen entsprechend weniger als strategisches Instrument aufgefasst: „Since the measurement was considered quite natural in an engineering context, the balanced scorecard was regarded as a tool combining financial and non-financial measures, not measures and strategy. This reduced the stra-
902 903 904 905 906 907
Zitat aus Interview D1. Zitat aus Interview F1. Zitat aus Interview B3. Zitat aus Interview B1. Zitat aus Interview F2. Zitat aus Interview F6.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
209
tegic focus of the project.“908 Dabei beobachten sie jedoch keine Anpassungen des Konzepts. Vielmehr tragen inkompatible Unternehmenskulturen in den Fallstudien von KASURINEN und WENISCH in Kombination mit weiteren Implementierungsbarrieren zur Abschaffung der BSC bei.909
In allen drei Fällen hat somit insbesondere eine nicht oder nur eingeschränkt mit der BSC kompatible Unternehmenskultur und ein zu geringes Interesse von Seiten der Akteure im Top Management dazu geführt, dass die BSC über die Zeit an die etablierte handlungsleitende Ordnung angepasst wurde. Die Dissonanzen in der handlungsleitenden Ordnung wurden dadurch abgebaut, dass das neue Instrument und seine Nutzung modifiziert wurden: „I think it’s easier to modify the scorecard … rather than to modify all the other stuff.”910 Dabei kam es in den hier untersuchten Fallstudien insbesondere zur Abschaffung der Ursache-Wirkungsketten. Im Ergebnis wurde die BSC weniger als strategisches Instrument, sondern als Instrument der Leistungsmessung aufgefasst. In Erweiterung der situationsspezifischen Ergebnisse von KASURINEN und WENISCH zeigt sich damit, dass eine Ingenieurkultur auch in anderen Kontexten Einfluss auf die Implementierung und Nutzung der BSC nehmen kann. Anders als bei KASURINEN und WENISCH führte eine solche Kultur jedoch in den Unternehmen B, D und F nicht zum Abstoßen des Instruments, sondern in Verbindung mit dem nachlassendem Commitment des Top Managements zu einer Anpassung der BSC an die etablierte handlungsleitende Ordnung. Die hier dargestellten Adaptionen stellen damit auch Beispiele für KASURINENs Vorschlag dar, im Falle konträrer Unternehmenskulturen auf ein einfaches BSC-Model zurückzugreifen: „[I]t can be questioned whether in all organizations it is possible to
908
909 910
Kasurinen (2002), S. 334 und 337. „[S]uch a culture suppresses change in the case of the BSC since it strengthens the perception of the BSC as a diagnostic measurement tool, assessing financial and non-financial measures instead of a strategic planning tool. ... Following explicit statements and observations, it seems that the majority of people interviewed regard the BSC as ‚another reporting tool’, partly complaining that the BSC is not suitable to fixing operational problems. … The tool’s strategic aspect was recognized by only few people …“ Wenisch (2004), S. 185. Die offene und partizipative Kommunikationskultur einer anderen untersuchten Einheit entspricht laut Wenisch dagegen eher den impliziten Voraussetzungen für den Einsatz der BSC und erleichtert daher die Implementierung des Instruments; vgl. Wenisch (2004), S. 185f. Vgl. ähnlich Malina/Selto (2001), S. 75. Zur Bedeutung von Transparenz und Kommunikation im BSC-Model vgl. auch Nilsson/Olve (2001), S. 351ff.; Papalexandris/Ioannou/Prastacos (2004), S. 364. Vgl. Kasurinen (2002), S. 334 und 337; Wenisch (2004), S. 185f. Zitat aus Interview B4.
Diskussion der Ergebnisse
210
Teil F
create so strong and coherent balanced scorecard ‚cultures’ that the subunits, and the individuals within them, are willing to invest the needed resources in the implementation process. If the answer … is negative, it might be appropriate to introduce only a cockpit type of scorecard. Otherwise, the model itself may turn out to be a barrier to its implementation.“911 1.2
Abstoßen des Controllinginstruments
In den Unternehmen A und C wurde das Instrument zunächst nicht mehr genutzt und „vegetierte vor sich hin“, ohne zu stören, aber auch ohne nachhaltigen Einfluss auf die Unternehmensführung. Schließlich wurde die BSC wieder abgeschafft. Aus Sicht der zu Grunde gelegten Perspektive lassen sich diese gescheiterten BSC-Anwendungen in Unternehmen A und C als Abstoßen des Controllinginstruments interpretieren: Die mit dem Instrument inkompatible handlungsleitende Ordnung stößt in diesen Unternehmen die BSC wieder ab. Die fallübergreifenden Muster zeigen, dass die BSC in diesen Unternehmen inkompatibel zu allen Elementen der handlungsleitenden Ordnung war. Die gleichzeitige mangelnde Verzahnung mit den etablierten Regelprozessen und Systemen, das fehlende Eintreten des Top-Managements für die BSC und die konträre unternehmerische Organisationskultur führten zu starken kognitiven Dissonanzen und entsprechenden Abwehrreaktionen. 1.2.1
Geringe Verzahnung mit Regelprozessen und Systemen
Anders als in den Unternehmen B, D und F wurde in den Unternehmen A und C eine schlechte Verbindung der BSC mit den bereits etablierten Controllinginstrumenten und -systemen beschrieben. Hierzu zählte die mangelhafte Integration in das etablierte Reporting. So wurde die etablierte Berichterstattung nicht modifiziert, was zu einem frustrierenden Nebeneinander von (zusätzlichen) BSC-Berichten und etablierten Reports führte. Entsprechend wurde in Unternehmen A als ein wichtiger Grund für die Unzufriedenheit mit der BSC angegeben, „dass die Effizienzsteigerung, die wir vermutet hatten, die uns auch verkauft worden ist am Anfang, dass sich die gar nicht eingestellt hat. … [E]s gab nach wie vor eigentlich alle möglichen anderen Berichte auch und die wurden dann noch mal zusammengefasst wieder da rein, aber daraus entstand
911
Kasurinen (2002), S. 340.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
211
nichts Neues.“912 Damit bestätigt sich die Forderung aus Teilen der Literatur, im Rahmen der BSC-Einführung das Berichtswesen grundsätzlich zu „entwirren“913 und auf seine Steuerungsrelevanz zu überprüfen.914 Dies erfordert es in der Regel, etablierte Berichte auszusondern.915 Darüber hinaus wurde auch die Anbindung der BSC an die Informationssysteme als unzureichend beschrieben. Zwar gab es in Unternehmen A eine entsprechende Software-Applikation; diese Applikation war jedoch nicht mit den übrigen Informationssystemen verbunden, so dass „alles händisch“916 mit hohem Aufwand auf allen Seiten gepflegt werden musste. In Unternehmen C zeigte sich ein ähnliches Bild: „[Das] war eine reine Excel-…Liste, alles händisch.“917 Dies hatte in den Unternehmen negative Auswirkungen auf die Akzeptanz der BSC bei den Anwendern. Grundsätzlich bestätigte sich damit zwar in diesen Unternehmen, das die Verbindung von BSC und IT-System ein „kritischer Faktor bei der kontinuierlichen Balanced Scorecard-Nutzung“918 sein kann, so wie es auch KAPLAN/NORTON betonen.919 Die Beobachtungen in den Unternehmen A und C korrespondieren in dieser Hinsicht auch mit Ergebnissen von KASURINEN, WAGNER/KAUFMANN und WENISCH, die in ihren Fallstudien die unzureichende Abstimmung zwischen den existierenden IT-Systemen und der BSC als Implementierungsbarriere darstellen.920 Gleichzeitig wurde jedoch in den Unternehmen A und C die mangelnde Verzahnung von BSC und IT-Systemen nicht 912 913 914 915
916 917 918
919
Zitat aus Interview A3. Horváth/Gaiser (2000), S. 20. Vgl. z.B. Horváth (2000), S. 127; Horváth&Partners (2004a), S. 359ff.; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 62ff. Dazu wird vorgeschlagen, Basisberichte auf Ebene des Managements wegfallen zu lassen, wenn die Informationen aus mehreren Berichten zielorientiert und komprimiert in der BSC zusammengefasst werden können. Eine grundsätzliche Abschaffung des Berichts ist nicht notwendig, wenn auf operativer Ebene dieser Basisreport weiter sinnvolle Abnehmer findet; vgl. Weber/Radtke/ Schäffer (2006), S. 63. Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview C2. Horváth (2000), S. 127. „[A]ls ‚stand-alone’-Inseln mit Excel oder Power Point betriebene Ansätze werden … über kurz oder lang nicht ausreichend ernst genommen.“ Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 19. Eine Verzahnung von BSC und Informationssystemen vermeidet im Idealfall einer vollständigen Automatisierung jeglichen händischen Aufwand für die Anwender und garantiert eine hohe Aktualität und Konsistenz der Daten in der BSC; vgl. Samtleben/Müller/Hess (2005), S. 404; Horváth&Partners (2004a), S. 413ff. „Information systems play an invaluable role in helping managers disaggregate the summary measures. When an unexpected signal appears on the balanced scorecard, executives can query their information system to find the source of the trouble. … If the information system is unresponsive, however, it can be the Achilles’ heel of performance measurement.“ Kaplan/Norton (1992), S. 75.
212
Diskussion der Ergebnisse
Teil F
als vordringlicher Scheiterungsgrund beschrieben. Die Beobachtungen in den untersuchten Unternehmen stimmen vielmehr mit der Einschätzung WENISCH’ überein, wonach die IT-Anbindung nicht den zentralen kritischen Faktor in der BSCImplementierung darstellt: „However, despite all problems connected with IT, none of the interviewees gave the impression that the entire BSC project would be stopped if the existing IT-support had not improved. This is an indication that IT-support does play a role in the process; however, it is not experienced as a ‚killing factor’.“921 Letztlich trat in beiden Unternehmen eine fehlende Verknüpfung der BSC mit dem Anreizsystem hinzu. Ohne diese Anbindung erlangte die BSC in den Unternehmen A und C jedoch keine ausreichende Aufmerksamkeit und Zentralität: „[I]ch habe immer wieder festgestellt, wenn man mit diesen Daten im Prinzip dann in das Leitungsgremium gegangen ist: ‚Mei, jetzt kommt der schon wieder, letzten Monat war die Ampel rot, ja, ich weiß auch nicht, wie ich die Ampel rot-gelb machen soll’ oder so was. Also sagen wir mal so, die innere Bereitschaft, sich darum zu kümmern, war nicht so riesengroß, … weil kein Druck aus der Beurteilung … da war.“922 Die Beobachtungen in den Unternehmen A und C bestätigen damit die Ergebnisse anderer Fallstudienuntersuchungen923 sowie weiten Teilen der Literatur zur BSC, die eine unzureichende Anbindung der BSC an das Anreizsystem als bedeutende Implementierungsbarriere darstellen:924 „Reward structures … have the potential to destroy the impact of an otherwise well-designed scorecard. The most obvious example of this would be where a scorecard has been implemented, but bonuses are still given based on the achievement of budget targets.”925 Für beide Unternehmen lässt sich damit hinsichtlich der Anbindung an die übrigen Prozesse und Systeme festhalten: „Die Balanced Scorecard war ein System für sich und die Verzahnung mit anderen Systemen, die war nahezu Null.“926 Das Nebeneinander von BSC und etablierten Reporting-Prozessen, die mangelnde Verknüpfung des
920 921 922 923 924
925 926
Vgl. Kasurinen (2002), S. 338; Wagner/Kaufmann (2004), S. 277; Wenisch (2004), S. 183. Wenisch (2004), S. 183. Zitat aus Interview A1. Vgl. Wagner/Kaufmann (2004), S. 274 und 278; Tuomela (2005), S. 307; sowie nochmals Abschnitt C2.2.1.3.1. Vgl. Kaplan/Norton (1996a), S. 217ff.; Frigo/Krumwiede (2000), S. 53; Horváth (2000), S. 127; Venkatraman/Gering (2000), S. 12; Weber/Schäffer (2000a), S. 61ff.; Olve et al. (2004), S. 5f.; Salterio/Webb (2003), S. 41; Horváth&Partners (2004a), S. 339ff.; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 57. Otley (1999), S. 376f. Zitat aus Interview A2.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
213
Instruments mit den Informationssystemen und die unzureichende Neuausrichtung des Anreizsystems führten in den Unternehmen zu Mehrarbeit und Frustration bei den Anwendern und behinderten die Ausrichtung auf die BSC als zentrales Steuerungsinstrument. Auf diese Weise wurden Zweifel am grundsätzlichen Nutzen der Implementierung geweckt: „[W]o ist jetzt für uns der Mehrwert?“927 Die unzureichende Verknüpfung des neuen Instruments mit den etablierte Regelprozessen und Systemen hatte damit erheblichen Einfluss auf die Akzeptanz des Ansatzes und bestätigt damit die Auffassung in Teilen der Literatur: „In order to gain the necessary buy-in from employees, it is important to demonstrate that the Balanced Scorecard is not merely a supplement to current systems which simply adds work, and not value, to the organisation.”928 Dies ist in den Unternehmen A und C nicht gelungen: „[D]ieses Tool war letztlich ein Klotz am Bein.“929 1.2.2
Kein Eintreten des Top Managements für die BSC
Eine weitere Ursache für kognitive Dissonanzen nach Einführung der BSC in den Unternehmen A und C stellt das unzureichende Eintreten der Führungskräfte für die BSC dar. So zeigte sich in beiden Unternehmen ein geringes Interesse der Führungskräfte an der BSC. Denn der Leiter der Geschäftsführung in Unternehmen A war vor allem an der Außenwirkung der Implementierung der BSC im Mutterkonzern interessiert („Leuchtturmfunktion“), nicht jedoch an einer nachhaltigen Verankerung des Instruments im Unternehmen: „[D]a ging es darum ‚Toll, wir haben eine Scorecard, wir können damit glänzen!’“930 Die Implementierung erfolgte aus Sicht des Leiters der Geschäftsführung damit in erster Linie, um im Konzern eine Vorreiterrolle einzunehmen. Die Implementierung lässt sich damit als symbolisch charakterisieren, da die BSC nur eingeführt wurde, um externen Anspruchsgruppen den Anschein eines innovativen Managements zu vermitteln.931 In Unternehmen C wiederum ging die Initiative
927 928 929 930 931
Zitat aus Interview A3. Mooraj/Oyon/Hostettler (1999), S. 487. Zitat aus Interview A3. Zitat aus Interview A1. Ein Beispiel für die symbolische Nutzung von Instrumenten liefert auch Sapolsky mit seiner Untersuchung des Polaris Missile Projekt: „Construction of Polaris is an example of brilliant management, and one instance of this brilliance was to be known as an organization with brilliant management so that external agencies would leave it alone. When asked if they would use PERT, Polaris’ managers said they would not use a formula for anything important. Rather they told somebody to develop a method that would look scientific so innovative management could be cited as a rationale for escaping outside control.” Wildavsky (1978), S. 79; vgl. auch Sapolsky (1972), S. 79.
214
Diskussion der Ergebnisse
Teil F
allein vom Top Management des Fachbereichs aus; der Konzernvorstand unterstützte die Initiative nicht, da dieser keine Notwendigkeit zur Einführung der BSC erkannte. Entsprechend schnell schwand angesichts des dargestellten, massiven Widerstands auch das Engagement der Führungskräfte im betrachteten Bereich. In beiden Fällen führte das geringe originäre Interesse des Top Managements dazu, dass die Führungskräfte aufkommenden Widerständen nicht entgegentraten. Da ein Eintreten für die BSC als neuer Steuerungsphilosophie durch die Führungskräfte nicht erfolgte, verfestigten sich die auftretenden aktiven und insbesondere passiven Widerstandsformen.932 Letztere zeigten sich z.B. in den „Sinnhaftigkeitsdiskussionen“933 in Unternehmen C oder im folgenden Zitat aus Unternehmen A: „Da waren zwar dann immer Lippenbekenntnisse der einzelnen Geschäftsfelder: ‚Ja, ja, klar, das mache ich auch, also die Balanced Scorecard gibt es in [Geschäftsfeld], selbstverständlich. Werden wir tun. Können wir machen.’ Wenn ich dann mal nachgefragt habe, was ist: ‚Ja, wir sind dran, aber jetzt im Moment nicht. Ja, machen wir mal im 2. Halbjahr oder so was.’ Und irgendwann war das Thema tot.“934 Da die Führungskräfte diesem nicht durch ein klares Bekenntnis zur und durch das strikte Einfordern der BSC entgegen traten, ließen sie das „Dahinvegetieren“ und schließlich die Abschaffung des Instruments zu: „Wissen Sie, wenn sie ein 2-Stunden-Meeting haben. Da sitzen 10 hochbezahlte Manager. Und in den 2 Stunden streiten sie sich 1 Stunde 50 Minuten um die eine Kennzahl auf der Balanced Scorecard, ob das die richtige ist oder nicht. Dann fängt auch, und das machen sie jedes Mal, zum vierten Mal, dann stellt doch der Chef irgendwann mal die Frage … brauchen wir das eigentlich oder können wir [uns] mal über die eigentlichen Probleme unterhalten?“935 Diese Beobachtungen bestätigen damit grundsätzlich die Bedeutung der Rolle der Führungskräfte im Rahmen von BSC Einführungen. Wie für andere Implementierungsobjekte,936 wird auch in der Literatur zur Implementierung der BSC die Forderung nach einem umfangreichen Unterstützung durch das Top Management als Standarderfolgs-
932 933 934 935 936
Hierzu zählten Gegenargumentation, Polemik, sturer Formalismus bzw. ins Lächerliche ziehen, Unwichtiges debattieren; vgl. auch Doppler/Lauterburg (2002), S. 325f. Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview A1. Zitat aus Interview C1. Vgl. z.B. Kotter (1995), S. 62; Roberts/Silvester (1996), S. 34; Kotter (1997), S. 75ff.; Miller (1997), S. 587; Bajwa/Rai/Brennan (1998), S. 31; Küßner (1999), S. 270; Bogt/Helden (2000); S. 271; Cavalluzzo/Ittner (2004), S. 247f.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
215
faktor formuliert: „[I]t is essential to have buy-in from top-level management…“937 LAWSON/STRATTON/HATCH stellen übereinstimmend im Rahmen einer großzahligen Befragung fest, dass ein unzureichendes Eintreten der Führungsfkräfte für die BSC einen wichtigen Grund für gescheiterte BSC-Implementierungen darstellt: „Lack of buy-in by management … [was a] significant factor in a number of scorecarding initiative failures.“938 Ein ebensolches Scheitern des BSC-Projekts auf Grund des fehlenden Nachdrucks des Managements konnte auch in den Unternehmen A und C beobachtet werden. 1.2.3
Konträre unternehmerische Organisationskultur
Die dargestellten Widerstände der Akteure in den beiden Unternehmen können darüber hinaus auf Dissonanzen auf Grund inkompatibler Unternehmenskulturen zurückgeführt werden. Anders als die Unternehmen B, D und F, sind die Unternehmen A und C jedoch nicht dominant durch eine Ingenieurkultur geprägt. Vielmehr wurden in den Interviews explizit unternehmerische Organisationskulturen beschrieben, die durch die starke Ausprägung von Werten wie Kreativität, Selbständigkeit und Flexibilität charakterisiert sind. Untersuchungen zum Einfluss einer unternehmerischen Kultur und der Organisationsstruktur können zeigen, dass im Rahmen solcher Kulturen häufig wenig formalisierte, organische Organisationsstrukturen gewählt werden: „[E]ntrepreneurial firms often adopt particular structural attributes that permit flexibility and rapid decision making.“939 Übereinstimmend damit wurde auch in den beiden Unternehmen A und C ein gewisses Maß an Intransparenz beschrieben. So zeichnet sich der Mutterkonzern von Unternehmen A insgesamt dadurch aus, dass Freiräume für kreatives und unternehmerisches Handeln gewährt werden: „Also [Mutterkonzern] lebt davon, dass es bestimmte Freiräume gibt, die eben nicht transparent sind. Und die brauchen wir auch. Die sind auch wichtig. Also diese kreativen Geschichten. Wenn wir, man kann so ein Unternehmen überregulieren, das wäre fatal, da würde ich die Kreativität mit
937
938
939
Lawson/Stratton/Hatch (2005), S. 28. Vgl. ähnlich z.B. Weber/Schäffer (2000a); S. 101f.; Weber/Schäffer (2000b), S. 4; Zimmermann/Jöhnk (2000), S. 604; Richardson (2004), S. 8; Pandey (2005), S. 51; Lawson/Stratton/Hatch (2006b), S. 37f. Lawson/Stratton/Hatch (2006b), S. 37. Für mangelndes Top Management Commitment als Scheiterungsgrund in anderen Kontexten vgl. z.B. Cobb/Innes/Mitchell (1993), S. 72; Shields (1995), S. 150; Malmi (1997), S. 466; McGowan/Klammer (1997), S. 222; Granlund (2001), S. 147; Riemenschneider (2001), S. 91f.; Taylor/Wright (2003), S. 101 und 106. Covin/Slevin (1991), S. 18. Vgl. auch Covin/Slevin (1988), S. 228; Slevin/Covin (1990), S. 50; Lumpkin/Dess (1996), S. 155f. Vgl. ähnlich auch Hornsby/Kuratko/Zahra (2003), S. 269.
216
Diskussion der Ergebnisse
Teil F
zerstören.“940 Typisch für Unternehmen A sind entsprechend so genannte „U-BootProjekte“.941 Vor diesem Hintergrund wurde die Erhöhung von Transparenz und Formalisierung durch Einführung der BSC als Bedrohung der kreativen Freiräume aufgefasst. Entsprechend traten starke individuelle Widerstände gegen die erhöhte Mess- und Sichtbarmachung der Leistungen auf: „In den Geschäftsfeldern [war die Angst vor erhöhter Transparenz] zum Teil sehr, sehr groß. … Ja, das ist auch ein Teil der Kultur. … Das Unternehmensergebnis ist hervorragend, aber wie man dazu kommt. Diese Transparenz ist nicht unbedingt gewünscht.“942 Auch in Unternehmen C widersprach die mit der BSC verbundene Erhöhung der Transparenz der etablierten unternehmerischen Kultur: „Und wir schreien immer bei [Unternehmen C], wir müssen jeder Unternehmer sein: Dann gebt mir eine Aufgabe, und ich erledige die. … Aber zeigt mir nicht alle drei Wochen, dass bei mir die Ampel rot ist. Dann mach den Scheiß alleine oder macht, was ihr wollt. Also dieses unternehmerische Denken – selber Stratege sein – kann ein bisschen kontraproduktiv sein, wenn ich allen Leuten zeigen muss, wie es bei mir wirklich aussieht.“943 Diese Widerstände wurden auch durch die Ausgangssituation der BSC-Implementierung begünstigt. So waren beide Unternehmen Zeitpunkt der Einführung des Instruments sehr erfolgreich, so dass die Notwendigkeit einer Veränderung nicht ersichtlich war: „[A]uf der einen Seite läuft das Unternehmen sehr gut und meine Balanced Scorecard ist voller roter Ampeln, das kriegt man politisch nicht durch. … [J]eder sagt: ‚Sag mal, was willst du denn von uns, das funktioniert doch alles.’“944 Diese Darstellung deckt sich mit einer entsprechenden Beobachtung KASURINENs945 und unterstreicht die Bedeutung einer krisenähnlichen Ausgangssituation von Veränderungsprozessen, wie sie in weiten Teilen der Literatur zum Veränderungsmanagement betont wird: „[T]o break the old deep structure and establish a new one a paradigm failure is needed: something that forces people to be receiptive to arguments that they would otherwise ignore …“946 Ein solcher Eindruck von Veränderungsdruck, der als „vital
940 941 942 943 944 945 946
Zitat aus Interview A3. Vgl. nochmals FN 608. Zitat aus Interview A2. Zitat aus Interview C1. Zitat aus Interview C2. „The financial success of the case business unit also seemed to limit the motivation to make the strategies more specific.“ Kasurinen (2002), S. 334. Brooks/Bate (1994), S. 189.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
217
ingredient“947 gilt, um das Bewusstsein eines Problemdrucks und so die Einsicht der Notwendigkeit einer Änderung zu schaffen,948 war jedoch in den Unternehmen A und C nicht gegeben – eine Einschränkung der gewohnten Freiräume und Flexibilität erschien damit nicht notwendig. Die hier dargestellten Widerstände gegen eine erhöhte Transparenz und Sichtbarmachung der eigenen Leistungen wurden zwar auch in anderen Fallstudien beschrieben, bislang jedoch nicht mit der zu Grunde liegenden Unternehmenskultur in Verbindung gebracht.949 Nur dadurch erscheint jedoch die Intensität diesbezüglicher individueller Widerstände erklärbar, die in der vorliegenden Untersuchung zum Abstoßen der BSC führten. Demnach erscheint die BSC wenig vereinbar mit einer ausgeprägt unternehmerischen Organisationskultur: „90% sagen, weil wir flexibel sind, darum sind wir erfolgreich. Jetzt kommen sie mit einer BSC an, die alles kommunizierbar und transparent macht. … Die BSC ist ein völliger Widerspruch zu den existierenden Kulturen in Unternehmen, die alles vertuschen wollen, bis es kracht.“950
In den Unternehmen A und C hat somit die Einführung der BSC gegen die eingeschwungene handlungsleitende Ordnung zum Abstoßen des Instruments geführt. Die mangelnde Verzahnung mit anderen Controllinginstrumenten, die unzureichende Kompatibilität mit der unternehmerischen Organisationskultur und die Tatsache, dass eine ausreichend hohe Energiezufuhr in Form von Leidensdruck und/oder Engagement des Top Managements fehlte, um die durch die Einführung der BSC hervorgerufene Inkongruenz in der handlungsleitenden Ordnung zu überwinden, führten in beiden Unternehmen „zu ‚Implantaten’ mit entsprechenden ‚Abstoßreaktionen’ statt zu akzep-
947 948
949
950
Brooks/Bate (1994), S. 189. Vgl. Zaltman/Duncan (1977), S. 23f.; Poole/Gioia/Gray (1989), S. 274; Gersick (1991), S. 23; Reger/Mullane (1994), S. 37ff.; Roberts/Silvester (1996), S. 33; Kotter (1997), S. 55ff.; Nadler/Tushman (1997), S. 190; Bogt/Helden (2000), S. 272; Piderit (2000), S. 790. Vgl. Kasurinen (2002), S. 337; Wagner/Kaufmann (2004), S. 276; Tuomela (2005), S. 312. Lediglich bei Nørreklit/Nørreklit/Israelsen findet sich ein Hinweis darauf, dass in einem Unternehmen bereits die Wahrnehmung einer mangelnden Kompatibilität von BSC und etablierter unternehmerischer Organisationskultur zur Entscheidung gegen ein BSC-Implementierungsprojekt geführt hat: „At some point in time, the division considered implementing a balanced scorecard, but this was rejected on the grounds that it might undermine the culture of the firm. The division management was afraid that the balanced scorecard would lead to uniformity and turn them into administrators instead of businessmen.“ Nørreklit/Nørreklit/Israelsen (2006), S. 60. Zitat aus Interview C1.
Diskussion der Ergebnisse
218
Teil F
tierten, umgebungsintegrierten Veränderungen.“951 Vor allem die sehr schnelle Abschaffung in Unternehmen C zeigt, dass die handlungsleitende Ordnung in Fällen solch umfassender Inkompatibilität das eingeführte Controllingsystem zügig abstoßen kann. Die zweijährige, jedoch nicht nachhaltige Verwendung der BSC in Unternehmen A bestätigt dagegen die getroffene Annahme der Trägheit interner Modelle: Trotz des relativ langen Nutzungszeitraums konnte sich das Instrument nicht etablieren. 1.3
Veränderung der etablierten handlungsleitenden Ordnung
In Unternehmen E wurde in einem grundlegenden Veränderungsprozess – ganz im Sinne der Vorstellungen von KAPLAN/NORTON – nicht das Instrument, sondern die etablierte handlungsleitende Ordnung angepasst. Die eingeführte Typ I BSC leitete einen langwierigen Kulturwandel ein und wurde zum zentralen Instrument der Strategiekommunikation und -umsetzung. Ausschlaggebend hierfür war die Kombination aus konsequenter Verzahnung des Instruments mit den Regelprozessen und Systemen, nachhaltigem Einfordern der BSC durch das Top Management sowie interaktiver Nutzung der BSC. Hierdurch konnten anfängliche Widerstände überwunden und ein erfolgreicher Kulturwandel durch Einsatz der BSC erreicht werden. 1.3.1
Gelungene Verzahnung mit Regelprozessen und Systemen
Die bewusst einfach gestaltete BSC (Typ I) wurde schnell und konsequent in Unternehmen E implementiert und verfügte bereits kurz nach ihrer Einführung über ein hohes Maß an Integration mit Planung, Berichterstattung und Anreizsystem. So stellte die BSC z.B. die Grundlage des monatlichen Reportings dar und Ziele der BSC gingen in die individuellen Zielvereinbarungen der Abteilungsleiter mit ein: „[U]m die Leute ein bisschen wach zu rütteln: ‚Passt auf! Hier!’ Da habe ich sie mit beteiligt.“952 Lediglich die Integration der BSC in die bestehenden Informationssysteme war schwach ausgeprägt: Die BSC-Anwendung war im Wesentlichen Excel-basiert, ohne informationstechnische Anbindung. Im Gegensatz zu Unternehmen A und C wurde händischer Aufwand hier jedoch durch eine eigens geschaffene Stabstelle minimiert. Ein negativer Einfluss der fehlenden Verzahnung von IT-Systemen und BSC auf die Akzeptanz der BSC in Unternehmen E wurde entsprechend nicht beschrieben. Das
951 952
Krüger (1994), S. 217. Zitat aus Interview E1.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
219
Fallbeispiel E deutet damit darauf hin, dass die Wirksamkeit der BSC nicht von der Einführung eines neuen, umfangreichen IT-Tools abhängen muss. Dies korrespondiert zwar mit den Ergebnissen von OLVE ET AL.: „It is not necessary to invest in an information system to make the scorecard actionable.“953 Im hier betrachteten Fall ist jedoch zu bedenken, dass es sich bei Unternehmen E um eine vergleichsweise überschaubare Organisation handelt. Unerwartete Informationen aus der BSC können hier vor Ort und im Rahmen der monatlichen BSC-Gespräche mit den Verantwortlichen vergleichsweise direkt erörtert werden. In größeren Unternehmen – wie z.B. den Unternehmen B und D, die im Rahmen ihrer BSC-Anwendung auf umfangreiche ITLösungen zurückgreifen – erscheint dies dagegen ohne eine entsprechend informationstechnische Unterstützung schwierig. 1.3.2
Nachhaltiges Einfordern der BSC durch das Top Management
Wie die Erfahrungen in den Unternehmen B, D und F gezeigt haben, ist eine solche Integration mit den etablierten Regelprozessen und Systemen allein jedoch noch nicht ausreichend. Vielmehr wurde sowohl für den als „Chaosjahr“ beschriebenen Start der BSC als auch für die Zeit danach zusätzlich die Bedeutung des nachhaltigen Einforderns des Instruments durch die Geschäftsleitung betont. Denn angesichts der Tatsache, dass die BSC auf Grund einer früheren, negativen Erfahrung mit dem Instrument im Mutterkonzern von Unternehmen E ein schlechtes Image hatte, war die Reaktion auf das BSC-Projekt zunächst äußerst verhalten. Der kaufmännische Geschäftsführer war jedoch von den Möglichkeiten der BSC als Instrument der Strategieimplementierung überzeugt954 und zeigte sich im Rahmen der konkreten Implementierung entsprechend nachdrücklich: „[I]ch habe das ja nie zur Diskussion gestellt, machen oder nicht machen, sondern mir war klar, dass wir es machen und ich habe dann begonnen, meine Leute zu überzeugen. Und da tue ich mich natürlich leicht mit der Scorecard, weil das … ein überzeugendes Instrument ist.“955 Dabei beschränkte sich das Engagement des Top Managements in Unternehmen E nicht nur auf die unmittelbare Phase der Einführung. Vielmehr wurde die BSC auch
953 954
955
Olve et al. (2004), S. 6. „[I]ch habe mich mit dem Thema beschäftigt, seit es das bei [Mutterkonzern] gibt und auch schon davor. Und war immer schon überzeugt von dem Instrument und … während der Aufbauphase war für mich klar, dass dies unser Instrument wird, um hier die strategische Ausrichtung einigermaßen zu übersetzen, damit es jeder versteht.“ Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E4.
220
Diskussion der Ergebnisse
Teil F
darüber hinaus kontinuierlich vorgelebt und eingefordert; von den Anwendern wurde ein entsprechend nachhaltiges Interesse der Führungskräfte an der BSC wahrgenommen: „[E]s muss immer wieder gelebt werden. Und ich denke mal schon, es war ein Erfolg unserer Führung, die gesagt hat: ‚Wir sind davon überzeugt’ und das entsprechend rübergebracht haben und es auch jetzt weiterhin leben. Das ist ja das Entscheidende: Nicht bloß etwas auf den Weg bringen, sondern, dass man es dann immer wieder entsprechend belebt.“956 Der kontinuierliche Einsatz der BSC wurde dadurch auch angesichts der anfänglichen Widerstände durchgesetzt: „Das war am Anfang … ein sehr harter Prozess, weil die [Konzern-BSC] als solche sehr negativ belegt war. Das war für viele schlicht und ergreifend ein Zahlenfriedhof, der zu befriedigen war, weil irgendein Chef das so wollte. Und niemand hat den Leuten je erklärt, was für den Einzelnen der Vorteil ist, wenn man mit so einem System arbeitet. Und das haben wir dann, in einem durchaus sehr mühsamen Prozess, der über, ich sage mal, mindestens zwei Jahre gelaufen ist, bis es einigermaßen Akzeptanz gefunden hat, halt schlicht und ergreifend durchgeprügelt.“957 Fallbeispiel E bestätigt damit die Bedeutung eines nachhaltigen Einsatzes der Führungskräfte für die BSC. Wenn dauerhafte Verhaltensänderungen erreicht werden sollen, erscheint ein bloßes „Sponsorship“ des BSC-Projekts, das eine Befristung des Top Management Commitments für die Dauer der Konzeptionalisierung und der unternehmensweiten Einführung („Roll-out“) suggeriert, zu kurz zu greifen.958 Durch fortdauernde Unterstützung, regelmäßige Kommunikation und andauerndes Feedback durch die Top Führungskräfte erlangt die BSC dagegen eine Bedeutungszunahme, die sich auch auf die Veränderungsbereitschaft betroffener Akteure auswirkt. Übereinstimmend beschreibt MILLER die kontinuierliche Unterstützung von hierarchisch hoch angesiedelten Entscheidungsträger einer Unternehmung als einen der wesentlichsten Erfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen: „What is [most] striking is the continuity of support provided by key decision-makers, whose sustained involvement and interest keep the decision on track during implementation.“959
956 957 958
959
Zitat aus Interview E2. Zitat aus Interview E4. Vgl. zum Sponsorship des BSC-Projektes z.B. Weber/Schäffer (2000b), S. 4; Richardson (2004), S. 8; Angel/Rampersad (2005), S. 51; Pandey (2005), S. 51; Lawson/Stratton/Hatch (2006b), S. 37. Miller (1997), S. 587. Vgl. dazu auch Parvis-Trevisany (2006), S. 210f. Vgl. dazu übereinstimmend eine weitere Aussage aus Unternehmen E: „[W]enn das von oben wirklich von der Führung aus nicht gelebt wird, dann ist das eine Totgeburt. … Man muss es immer wieder auf den Tisch bringen, muss es immer wieder ansprechen.“ Zitat aus Interview E2.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
221
Mit Bezug auf die Einführung der BSC können CHEN/DUH/LING im Rahmen einer großzahligen Befragung übereinstimmend mit den Beobachtungen hier nachweisen, dass Top Management Support einen signifikant positiven Einfluss auf die Etablierung einer BSC-Anwendung – nach der Einführung – hat, z.B. in Form der weiteren Kaskadierung oder der Anbindung an das Anreizsystem: „Top management support is crucial to the advancement to higher BSC stages, especially from the non-routine to the routine stages.“960 1.3.3
Interaktive Nutzung der BSC
Neben der Integration von BSC und etablierten Controllinginstrumenten war jedoch auch das geschilderte „Durchprügeln“ über zwei Jahre noch nicht hinreichend, um die beobachtete Etablierung und Internalisierung des BSC-Konzepts zu erreichen. Vielmehr erscheint für die erfolgreichen internen Modelländerungen in Unternehmen E die Kombination mit einem weiteren Punkt entscheidend. So deuten die Interviewdaten auf die hohe Bedeutung der monatlichen BSC-Gespräche hin: „Ich schätze vor allem: Wir machen einmal im Monat diese BSC-Gespräche, dreiviertel Stunde, und ich muss sagen, es ist für einen selber auch gut, wenn man viel im Tagesgeschäft ist oder viel auch außer Haus ist, einfach mal diese dreiviertel Stunde, wo man sich über seine Zahlen Gedanken macht. … [D]ieses standardisierte Verfahren einmal im Monat so über die Zahlen zu sprechen, das finde ich einfach gut.“ Der besondere Mehrwert dieser Gespräche wurde übereinstimmend von den Interviewpartnern hervorgehoben. Im Rahmen dieser monatlichen Gespräche wird die BSC in Unternehmen E somit interaktiv im Sinne SIMONS’ genutzt, d.h. das Instrument dient als “formal information system[s] managers use to involve themselves regularly and personally in the decision activities of subordinates.”961 Das Fallbeispiel zeigt damit, dass eine solche interaktive Nutzung962 der BSC zur Akzeptanzschaffung beitragen kann und steht damit im Gegensatz zu Beobachtungen von TUOMELA. Denn in seinem Fallbeispiel hatte die durch
960
961
962
Chen/Duh/Lin (2006), S. 373. Die „non-routine stage“ beinhaltet die Erstellung und den Roll-out der BSC, die „routine stage“ u.a. die weitere Kaskadierung, die Anbindung an das Anreizsystem und das regelmäßige Update der BSC; vgl. Chen/Duh/Lin (2006), S. 365f. und 371. Simons (1995), S. 95. Simons beschreibt diagnostische und interaktive Steuerungssysteme als kybernetische Systeme zur Formulierung und Durchsetzung von Strategien. Während diagnostische Systeme Steuerungssysteme im klassischen Sinne darstellen, stehen interaktive Steuerungssysteme im Zentrum der organisationalen Aufmerksamkeit und sollten stets im Bewusstsein des Managements sein; vgl. Simons (1995), S. 91ff. Vgl. Simons (1995), S. 91ff.
Diskussion der Ergebnisse
222
Teil F
interaktive Diskussionen erhöhte Sichtbarkeit der eigenen Leistung zu Akzeptanzschwierigkeiten der eingeführten BSC geführt.963 Das abweichende Ergebnis in Unternehmen E hängt dabei direkt mit der dargestellten Nachhaltigkeit und Geduld zusammen; denn auch hier reagierten die operativen Anwender zunächst reserviert auf die BSC-Gespräche: „Das hat eine zeitlang gedauert, bis klar war, dass das jetzt nicht eine Art Watschen ist, sondern: da geht es ums Geschäft.“964 Mittlerweile werden die BSCGespräche aber nicht nur als Bereicherung gewertet, sondern bilden auch den Rahmen für strategisches Lernen mit der BSC: So haben sich auf Basis der BSC-Gespräche bereits Änderungen der verfolgten Strategie ergeben, z.B. in Form einer stärkeren Betonung der Qualität der erbrachten Leistungen. Die Erfahrungen in Unternehmen E bestätigen damit gleichzeitig – für den hier betrachteten Typ I BSC – die Beobachtungen von MALINA/SELTO, die partizipative Kommunikationsmuster als Voraussetzung eines effektiven Einsatzes der BSC zu Strategieentwicklung, -kommunikation und -umsetzung beschreiben.965 Darüber hinaus lassen sie sich zur Erklärung eines Ergebnisses von WONG-ON-WING ET AL. heranziehen. Diese zeigen auf Basis eines Experiments, dass Führungskräfte bei der Beurteilung der BSC die dieser zu Grunde gelegte Strategie nicht ohne Aufforderung berücksichtigen: „Apparently, without explicit prompting, participants assigned to the role of top management do not automatically consider the strategy.”966 Dies verhindere das von KAPLAN/NORTON beschriebene strategische Lernen mit der BSC.967 Das Experiment unterstellt jedoch eine individuelle Bewertungssituation. Die BSC-Gespräche in Unternehmen E deuten aber an, dass erst die Interaktion und die Angleichung des Wissensstandes zwischen Geschäftsleitung und Abteilungsleitern in einem gemeinsamen Bewertungsprozess die Möglichkeit strategischen Lernens eröffnen. 1.3.4
Erfolgreicher Kulturwandel mit der BSC
Die Unternehmenskultur in Unternehmen E war zu Beginn der BSC-Implementierung nur wenig kompatibel zum neuen Instrument. So war die Kultur nach Aussagen der Gesprächspartner zunächst durch eine unzureichende strategische Orientierung geprägt: „[D]ie Darstellung, dass wir hier eine Firma sind, die sich beschäftigt mit The-
963 964 965 966 967
Vgl. Tuomela (2005), S. 307; sowie nochmals C2.2.1.1.1. Zitat aus Interview E4. Vgl. Malina/Selto (2001), S. 75. Wong-On-Wing et al. (2007), S. 375. Vgl. Wong-On-Wing et al. (2007), S. 365.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
223
men, die einfach über die nächste Woche hinausreichen. Dass man einfach sagt, okay, wo geht’s denn hin. Strategie. Das war was, was viele Leute überhaupt nicht gekannt haben.“968 Entsprechend wurde die Notwendigkeit des Projekts hinterfragt und die BSC als unnötig erachtet: „Bei der Einführung war vielleicht auch schwierig, dass die vielleicht nicht ganz so betriebswirtschaftlich vorbelasteten Kollegen das eher als einen Schmarrn abgetan haben oder als nicht unbedingt erforderlich.“969 Um diesem entgegenzuwirken, verzichtete man in Unternehmen E daher bereits im Vorfeld auf das BSC-Element Ursache-Wirkungskette als Form der Strategiedarstellung. Letztere erfolgte allein über eine Liste einfach formulierter, strategischer Zielsetzungen. Die Fallanalyse zeigte jedoch, dass mit dem Einsatz der BSC ein Kulturwandel in Richtung Strategieorientierung erreicht wurde: „Also hier in der Region hat man lange Zeit, eigentlich immer, das halt genommen, wie es vom Konzern gekommen ist. Und da hat man sich nie Gedanken gemacht, wie schaut meine Firma aus in fünf oder zehn Jahren. Und was muss ich jetzt dafür tun, damit es dann später mal gut dasteht, die kleine Eisenbahn. Und das haben wir jetzt mit der Balanced Scorecard ganz gut hinbekommen.“970 So zeigten sich zum Zeitpunkt der Untersuchung alle Gesprächspartner von der BSC überzeugt und die Abteilungsleiter lobten durchgängig, dass die BSC ihnen die regelmäßige Reflexion über das eigene Geschäft sowie den Blick über den „Tellerrand hinaus“971 ermöglichte. Im Vergleich zur Ausgangssituation hat sich Unternehmen E damit der „strategy-focused organization“972 angenähert.
In Fallbeispiel E konnte somit die Verankerung einer BSC ohne Anpassungen des eingeführten Instruments beobachtet werden. Dabei wurde eine Veränderung der etablierten handlungsleitenden Ordnung mit einer Typ I BSC und trotz anfänglicher Widerstände erreicht. Angesichts der zunächst inkompatiblen handlungsleitenden Ordnung und der beobachteten Trägheit interner Modelle war hierzu die Kombination aus der einfachen Gestaltung (Typ I) und schnellen Anbindung der BSC an die etablierten Controllingsysteme, dem nachhaltigen und intensiven Einfordern durch den kaufmännischen Geschäftsführer sowie der interaktiven Nutzung des Instruments entscheidend.
968 969 970 971 972
Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E5. Zitat aus Interview E4. Zitat aus Interview E2. Vgl. Kaplan/Norton (2001a).
224
Diskussion der Ergebnisse
Teil F
Ein bloßes „Sponsorship“ des BSC-Projekts durch das Top Management erscheint vor diesem Hintergrund und aus Sicht der zu Grunde gelegten Perspektive nicht ausreichend, wenn nachhaltige Verhaltensänderungen erreicht werden sollen. Vielmehr deuten die Interviewdaten darauf hin, dass die entsprechenden Modelländerungen in Richtung Strategieorientierung über einen Zeitraum von zwei Jahren vollzogen wurden. Für eine Veränderung der handlungsleitenden Ordnung dürfte damit ein deutlich längerer Zeitraum notwendig sein, als die von KAPLAN/NORTON zur Einführung der BSC vorgesehenen drei Monate.973
2.
Erfolg der BSC-Anwendungen
Angesichts der Beobachtungen im Rahmen dieses Forschungsvorhabens und ausgehend von dem gewählten, kognitionspsychologisch, strukturations- und konsistenztheoretisch inspirierten Bezugsrahmen erscheint eine umfassende Verankerung der BSC als strategisches Managementsystem (Typ III BSC) gegen eine inkompatibel eingeschwungene handlungsleitende Ordnung unwahrscheinlich: interne Modelle verändern sich nur langsam, gleichzeitig streben Akteure nach einer konsistenten geistigen Ordnung. Doch auch wenn sich das Konzept von KAPLAN/NORTON offensichtlich in den wenigsten Fällen vollständig und nachhaltig umsetzen lässt, ist dies nicht unbedingt mit Misserfolg für die Unternehmen gleichzusetzen. So zeigen die Beobachtungen in Unternehmen E, dass auch mit einer Typ I BSC die intendierten internen Modellveränderungen erreicht werden konnten. Darüber hinaus zeigte sich in den Fallstudien B, D und F, dass Teilimplementierungen des BSCKonzepts zur Zufriedenheit der Anwender eingesetzt wurden. Adaptionen des Ausgangskonzepts wurden entsprechend als pragmatische Anpassungen positiv bewertet: „Zum Lernen im Umgang mit der Balanced Scorecard gehört eben auch dazu, dass, wenn man am Anfang immer diese wilden Vernetzungsbilder gemacht hat, und man merkt an der Stelle findet das keine Akzeptanz, die Leute, die es nutzen müssten, lachen nur drüber, … dann muss man solche Dinge eben auch aussortieren können.“974 Auch in Unternehmen B äußerten sich Interviewpartner vergleichbar: „I think making the scorecard adaptable is good.“975
973 974 975
Kaplan/Norton (1996a), S. 300ff. Zitat aus Unternehmen F. Zitat aus Interview B4.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
225
Eine Gleichsetzung allein subjektiver Zufriedenheitsbekundungen mit Erfolgseinschätzungen wird im Rahmen dieser Arbeit gleichwohl nicht vorgenommen. Denn solche Aussagen sind immer vor dem Hintergrund der handlungsleitenden Ordnung zu sehen, in die die auskunftgebenden Akteure mit ihren Bewertungsprozessen mehr oder weniger eingebunden sind. Ob und inwieweit die besagte Ordnung und das nach der Implementierung (wieder) erreichte Gleichgewicht wirklich zum Erfolg der Unternehmung beitragen, vermag ein eingebundener Akteur aufgrund seiner Perspektive in aller Regel wohl nur eingeschränkt zu beurteilen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein neu eingeführtes Instrumentarium, das die fest verankerte handlungsleitende Ordnung tendenziell bestätigt und lediglich inkrementell modifiziert, unabhängig von der objektiven Erfolgswirkung in vielen Fällen eher Zufriedenheit erzeugen wird als ein Instrumentarium, das diese Ordnung grundsätzlich in Frage stellt. Ergänzend zu diesen Überlegungen zeigen auch die Ergebnisse einer großzahligen Befragung von ITTNER/LARCKER/RANDALL, dass sich subjektive Zufriedenheit und tatsächlicher Erfolgsbeitrag der BSC-Anwendung nicht gleichsetzen lassen. Die Autoren konnten im Rahmen ihrer großzahligen Untersuchung zum Performance Measurement bei 140 US-amerikanischen Finanzdienstleistern keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Zufriedenheit mit der BSC und finanziellen Erfolgsmaßen feststellen: „Although recent practitioner publications promote the benefits of balanced scorecards … by citing surveys on measurement system satisfaction …, we find no evidence that these higher satisfaction levels translate into improved financial performance.“976 Sie folgern daher: „[T]he contrasting satisfaction and financial results raise serious questions about the validity of using satisfaction (or other perceived performance measures) as an indicator of management accounting system success.“977 Diese Erkenntnisse sollten bei der Interpretation entsprechender Kausalmodelle auf der Basis großzahliger empirischer Untersuchungen beachtet werden. Es überrascht vor diesem Hintergrund nicht, dass SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER in ihrer Befragung zu einem von den Beobachtungen dieser Untersuchung abweichenden Ergebnis kommen, wenn sie zeigen „that companies implementing a more developed BSC (particularly Type III) rely more on the BSC approach and are more satisfied with their BSC than those with a less developed BSC.“978 Denn dieses Ergebnis, dass auf eine
976 977 978
Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 739. Ittner/Larcker/Randall (2003), S. 736. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 381.
226
Diskussion der Ergebnisse
Teil F
hohe Zufriedenheit insbesondere mit Typ III BSCs hinweist, beruht allein auf den Aussagen der in der Studie befragten Top Manager der Unternehmen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung, die einen breiteren Ansatz gewählt hat, zeigten sich in einigen Fällen jedoch Unterschiede in der Zufriedenheit mit der BSC zwischen Top Management und operativen Anwendern: In Unternehmen B und F bewertete allein das Top-Management die BSC in seiner Funktion als Kennzahlensystem positiv, z.B. weil durch das Instrument die Einheiten transparenter gesteuert werden konnten; die Anwender unterhalb der Leitungsebene verhielten sich dagegen lediglich konform, ohne einen Mehrwert der BSC zu erkennen. Ausgehend von den Beobachtungen in dieser Mehrfallstudie sollte eine Beurteilung des Erfolgs eines BSC-Projekts somit stets unter Einbeziehung von Akteuren unterschiedlicher Ebenen und Perspektiven, der Zielsetzungen des BSC-Projekts sowie der tatsächlichen Veränderungen im Unternehmen erfolgen.
3.
BSC-Typologie von Speckbacher/Bischof/Pfeiffer
Im Rahmen der Untersuchungen dieses Forschungsprojekts wurde auf die BSCTypologie von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER zurückgegriffen. Diese wird von den Autoren als „theoretical framework to analyze the spread, implementation and benefits of the different types of Balanced Scorecards”979 vorgestellt und differenziert drei Typen der BSC anhand der Elemente, die die jeweilige BSC-Anwendung umfasst.980 Nach der Typologie qualifiziert sich eine BSC nur dann als „fully-developed BSC“ (Typ III), wenn alle formalen Elemente kumulativ Verwendung finden.981 Die untersuchten Fallstudien zeigen jedoch, dass die BSC-Praxis damit nur unzureichend abgebildet wird. So fanden sich unter den untersuchten Fallstudien BSCAnwendungen, die Elemente einer Typ I und Typ III BSC (z.B. Zielwerte, Maßnahmen und/oder Verknüpfung mit dem Anreizsystem) vereinten, jedoch auf UrsacheWirkungsketten als konstituierendes Element der Typ II BSC verzichteten. Ein solcher
979 980
981
Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 363. Vgl. für die Darstellung der Typologie ebenfalls Schachner/Speckbacher/Wentges (2006), S. 605. Die Autoren fragen hierzu folgende Eigenschaften bzw. Elemente der verwendeten BSC ab: „Contains strategic measures/objectives“; „Grouped into perspectives“; „Employs cause-andeffect chains“; „Contains action plans/targets“; „Linked to incentives“; vgl. Speckbacher/Bischof/ Pfeiffer (2003), S. 372. Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 363ff. u. 372.
Teil F
Diskussion der Ergebnisse
227
BSC-Typ wird jedoch durch die Typologie nicht abgebildet; auf Grund der kumulativen Logik stellt eine derartige BSC vielmehr einen Typ I dar. Anders als von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER beschrieben, die allein die von ihnen definierte Typ III BSC als Instrument der Strategieumsetzung definieren,982 können damit aber auch Typ I BSCs zur Implementierung von Strategien eingesetzt werden. Dies wird in der vorliegenden Untersuchung z.B. durch die Beobachtungen in Unternehmen E bestätigt. Ausgehend von diesen Beobachtungen bietet sich eine Weiterentwicklung der Typologie an. Dies könnte durch eine Lockerung des kumulativen Aufbaus der Typologie erfolgen, z.B. durch die Differenzierung der BSC-Typen I und II in Bezug auf die zusätzliche Verwendung von Elementen der Strategieimplementierung (Zielwerte, Maßnahmen und Verknüpfung mit dem Anreizsystem). Im Ergebnis wären vier BSCTypen zu unterscheiden. Von Bedeutung erscheint in diesem Zusammenhang auch die Rolle von UrsacheWirkungsketten als Element der BSC. Denn trotz der Darstellung von UrsacheWirkungszusammenhängen als wichtiges Charakteristikum der BSC983 und der intensiven Auseinandersetzung mit diesem Element in der Literatur,984 zeigte sich in den hier untersuchten Fallstudien ihre geringe Relevanz in der Praxis: In keinem der untersuchten Unternehmen fanden Ursache-Wirkungsketten nachhaltig Anwendung. Dabei stießen die nicht quantifizierbaren Ursache-Wirkungszusammenhänge vor allem in Kontexten auf Widerstand, die durch eine Ingenieurkultur, d.h. Präzision und Detailorientierung, geprägt waren. Entgegen diesen Beobachtungen räumen KAPLAN/NORTON dem Element der Strategiedarstellung durch Ursache-Wirkungszusammenhänge nach wie vor hohe Bedeutung ein. Hierfür hat sich in den Schriften KAPLAN/NORTONs jedoch der Begriff „Strategy Map“ herausgebildet.985 Inwieweit Strategy Maps eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Vorstellung von Ursache-Wirkungsketten darstellen und damit gegebenenfalls auf weniger Widerstände in der Praxis treffen, wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet.986 Unabhängig davon deuten die Beobachtungen im Rahmen die-
982 983 984 985 986
Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 367f. Vgl. Otley 1999, S. 375; Malmi (2001), S. 216; Wall (2001), S. 67; Bukh/Malmi (2005), S. 88. Vgl. Nørreklit (2000); Malina/Selto (2004); Wallenburg/Weber (2006). Vgl. Kaplan/Norton (2000); Kaplan/Norton (2004). Auch Strategy Maps werden als eine Zusammenstellung von Ursache-Wirkungsketten beschrieben: „The maps provide a visual representation of a company's critical objectives and the crucial relationships among them that drive organizational performance. … Strategy maps show the cau-
228
Diskussion der Ergebnisse
Teil F
ser Untersuchung aber darauf hin, dass auch ohne die Darstellung von UrsacheWirkungszusammenhängen bzw. Strategy Maps die Möglichkeiten zu strategischem Lernen mit der BSC besteht – z.B. durch die in Unternehmen E beobachtete, interaktive Nutzung des Instruments.987
987
se-and-effect links by which specific improvements create desired outcomes.“ Kaplan/Norton (2000), S. 168; vgl. dazu die frühere Formulierungen bei Kaplan/Norton: „[A] properly constructed Balanced Scorecard should tell the story of the business unit’s strategy. It should identify and make explicit the sequence of hypotheses about the cause-and-effect relationships between outcome measures and the performance drivers of those outcomes.” Kaplan/Norton (1996a), S. 31. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Eignung des BSC-Konzepts zur Strategieimplementierung und zum strategischen Lernen grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Im Gegensatz dazu argumentieren einige Autoren, die BSC sei im Kern ein mechanistisches, top-down Kontrollinstrument; der Einsatz als Managementsystem und zum strategischen Lernen sei daher gar nicht möglich: „Kaplan and Norton recommend that the measures of the balanced scorecard form the basis of interactive control and double-loop learning. However, this does not seem clearly compatible with the control method of the balanced scorecard, which is described as a highly mechanical and hierarchically top-down method. Both the formulation of measures and the break down and distribution of these to teams and individual employees is hierarchically top-down. The basis of the model is that the company strategy has been correctly formulated by the managment.“ Nørreklit (2000), S. 78. Vgl. auch Haas/Kleingeld (1999), S. 237; Cooper/Ezzamel (2006), S. 15f.; Johanson et al. (2006), S. 845f.
Teil G
Schlussbetrachtung
G
Schlussbetrachtung
1.
Zusammenfassung der Ergebnisse
229
Ausgangspunkt dieser Arbeit waren die Ergebnisse der Untersuchung zum Implementierungsstand der BSC von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER sowie der darauf aufbauenden Studie von SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES. Die Autoren zeigen, dass die BSC bei 24% der börsennotierten bzw. bei 35% der mittelständischen Unternehmen im deutschsprachigen Raum implementiert ist. Das Instrument wird jedoch – trotz der großen Aufmerksamkeit, den gerade dieser Aspekt in den letzten Jahren erfahren hat – bei den meisten dieser Unternehmen nicht als umfassendes strategisches Managementsystem im Sinne von KAPLAN/NORTON verwendet. Vielmehr wird das Konzept unterschiedlich umfangreich implementiert und stellt überwiegend eine „minimumstandard BSC“988 dar. Ausgehend von diesem Theorie-Praxis-Paradoxon war es das Ziel des vorliegenden Forschungsprojekts, den Implementierungsstand der BSC im deutschsprachigen Raum besser zu verstehen. Die Forschungsfrage lautete: Wie lassen sich die Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER (2003) und SCHACHNER/ SPECKBACHER/WENTGES (2006) erklären? Der Überblick empirischer Forschung zur BSC zeigte drei Gruppen von Untersuchungen, die zur Erklärung dieses Implementierungsstands herangezogen werden können: a) Kontingenztheoretische Untersuchungen, die Kontextfaktoren eines effizienten BSC-Einsatzes identifizieren, b) Untersuchungen, die Barrieren und Erfolgsfaktoren der BSC-Implementierung aufzeigen, und c) Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen BSC-Einsatz und Nutzungseffektivität oder Unternehmenserfolg untersuchen. Die so gruppierten Studien wurden anhand von zwei Kriterien auf ihre Eignung zur Erklärung der Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/ SPECKBACHER/WENTGES geprüft. So sollten geeignete Studien zum einen unterschiedliche Implementierungsstände bzw. BSC-Typen unterscheiden. Denn Untersuchungen, die eine einheitliche BSC-Nutzung bzw. einen einheitlichen Implementierungsstand unterstellen, verwenden entsprechend vereinfachende Operationalisierungen und sind für die Erklärung des oben genannten empirischen Befunds nicht ausreichend. Zum
988
Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 362.
Schlussbetrachtung
230
Teil G
anderen sollten geeignete Studien die Entwicklung des Implementierungsstands über die Zeit beachten. Denn Implementierungsvorhaben und die darauf folgende Nutzung des Instruments folgen in der Regel keinem rückkopplungsfreien Feed-ForwardProzess; es gilt daher neben der Unterscheidung verschiedener BSC-Typen auch die Dynamik und mögliche unintendierte Verläufe dieser Prozesse zu berücksichtigen. Die Überprüfung der empirischen Studien zeigte, dass sich bislang in der Literatur kein Erklärungsansatz findet, der beiden Anforderungen gleichzeitig gerecht wird. Die vorliegenden Untersuchungen zur BSC können die Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/ PFEIFFER und SCHACHNER/SPECKBACHER/WENTGES somit nur sehr eingeschränkt erklären. Da Fallstudien besonders zur Beantwortung von „Wie“-Fragen und zur Erklärung und Interpretation quantitativer Befunde geeignet sind, wurden zum Schließen dieser Forschungslücke und zur Beantwortung der Forschungsfrage sechs Fallstudien durchgeführt. Dazu wurden BSC-Anwendungen in drei Unternehmen der Automobilindustrie sowie in drei Unternehmen aus anderen Branchen untersucht. Dieses Vorgehen wird auch den genannten Anforderungen an einen Erklärungsansatz gerecht: Das im Rahmen dieser Arbeit gewählte Forschungsdesign der Mehrfallstudie erlaubt die Analyse und den Vergleich mehrerer Fälle, die unterschiedliche Implementierungsstände der BSC repräsentieren. Unterschiedliche BSC-Typen nach SPECKBACHER/BISCHOF/ PFEIFFER konnten so in die Untersuchung einfließen. Der Fallstudienansatz erlaubt auf Grund seiner ganzheitlichen Perspektive und Offenheit darüber hinaus, statt eines „static snapshot of events“989 die Komplexität von BSC-Implementierungsprozessen aufzunehmen und so mögliche Veränderung des Implementierungsstands zu berücksichtigen. Zur Analyse der Fallstudien wurde auf einen theoretischen Bezugsrahmen zurückgegriffen. Durch die Abbildung von Zusammenhängen auf hohem Abstraktionsniveau sollte dieser helfen, das Denken über die komplexen realen Phänomene zu ordnen sowie relevante Daten und signifikante Kategorien zu abstrahieren. Gleichzeitig ermöglichten ein solcher Bezugsrahmen und das Einnehmen der damit verbundenen Perspektive, bestehende theoretische Erkenntnisse in die Untersuchung zu integrieren, die für die Analyse von Implementierungsprozessen von Bedeutung sind, ohne dabei den Anspruch einer ausgereiften Theorie zu erheben. Als relevante theoretische Aspekte wurden Erkenntnisse der kognitiven Psychologie, Strukturationstheorie sowie konsistenz-
989
Bonoma (1985), S. 204.
Teil G
Schlussbetrachtung
231
theoretische Überlegungen vorgestellt. Demnach sollten bei der Untersuchung der Fallstudien nicht allein formale Regeln und Strukturen, sondern auch der Einfluss informaler Regeln, Wertvorstellungen und Normen – auf individueller wie korporativer Ebene – sowie die wechselseitige Beeinflussung von Handeln und Struktur berücksichtigt werden. Auch die Wirkung kognitiver Dissonanzen und das Konsistenzstreben von Menschen sollten Eingang in die Analysen finden. Die Verwendung eines Bezugsrahmens berücksichtigt auch, dass die menschliche Wahrnehmung durch Vorwissen und Einstellungen geprägt ist und die Ergebnisse einer Fallstudienuntersuchung damit immer auch durch die individuelle Perspektive beeinflusst sind. Im Vergleich zur alternativen Herangehensweise erhöht die explizite Darstellung der Perspektive in der vorliegenden Untersuchung die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse und steigert so die Qualität ihrer kritischen Diskussion. Konkret wurde für die Untersuchung auf ein Framework von SCHÄFFER/ZYDER zurückgegriffen. Dieses wurde zur Analyse der Implementierung und Nutzung von Controllinginstrumenten entwickelt und integriert die genannten theoretischen Erkenntnisse. SCHÄFFER/ZYDER modellieren dazu eine handlungsleitende Ordnung, die sich aus internen individuellen und korporativen Modellen sowie externen Modellen konstituiert und so das Handeln von Akteuren in Unternehmen prägt. SCHÄFFER/ZYDER postulieren, dass die genannten Elemente der handlungsleitenden Ordnung über eine hinreichende Kongruenz verfügen müssen. Störungen eines solchen eingeschwungenen Zustands, z.B. durch Implementierung eines Controllinginstruments, führen so lange zu Anpassungsprozessen, bis sich ein neues Gleichgewicht eingestellt hat. Die Einzelfallanalysen zeigten zunächst, dass die BSC in keinem der untersuchten Unternehmen nachhaltig in dem Umfang implementiert wurde, wie es das Konzept von KAPLAN/NORTON vorsieht: In keinem der Fälle etablierte sich die BSC im Verlauf der Anwendung als strategisches Managementsystem; die Mehrzahl der untersuchten Unternehmen verwendete vielmehr eine „minimum-standard BSC“.990 Ergänzend zeigten die Fallstudien, dass die von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER unterstellten „typical evolutionary steps in the process of BSC implementation“991 von Typ I hin zu Typ III so nicht gegeben sein müssen. Vielmehr zeigten sich in der Mehrzahl der untersuchten Fälle Rückentwicklungen des Implementierungsstands. So entwickelte sich der beobachtete BSC-Typ in zwei Fällen zu einer Typ I BSC zurück, da die für das Konzept
990 991
Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 362. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 363.
232
Schlussbetrachtung
Teil G
nach KAPLAN/NORTON charakteristischen Ursache-Wirkungsketten wieder abgeschafft wurden. In zwei weiteren Fällen verschwand die BSC komplett aus dem Unternehmen. Ausgehend von der anschließend durchgeführten fallübergreifenden Analyse und auf Grundlage des Bezugsrahmen von SCHÄFFER/ZYDER wurden die in den sechs Unternehmen beobachteten Entwicklungen als Anpassungsprozesse der handlungsleitenden Ordnung interpretiert: x Die in drei Fällen beobachteten Adaptionen des Controllinginstruments und die damit verbundene Rückentwicklung des Implementierungsstands in zwei Fällen wurden in der eingenommenen Perspektive als Assimilierung der BSC an den etablierten Gleichgewichtszustand der handlungsleitenden Ordnung dargestellt. So traten in den drei Unternehmen Dissonanzen in der handlungsleitenden Ordnung auf, die in der nicht oder nur eingeschränkt mit der BSC kompatiblen Ingenieurkultur dieser Unternehmen sowie dem geringen Interesse von Seiten der Akteure im Top Management begründet lagen. Diese Dissonanzen wurden in den drei Fallbeispielen dadurch abgebaut, dass das neue Instrument und seine Nutzung modifiziert wurden – der etablierte eingeschwungene Zustand blieb dagegen weitgehend unverändert: „I think it’s easier to modify the scorecard … rather than to modify all the other stuff.”992 Im Ergebnis wurde die BSC weniger als strategisches Instrument, sondern als Instrument der Leistungsmessung aufgefasst. x Das in zwei Fällen beobachtete Abstoßen des Controllinginstruments aus dem Unternehmen wurde dagegen als erfolgreiche Abwehrreaktion der handlungsleitenden Ordnung interpretiert. In diesen Unternehmen war die BSC auf Grund der mangelnden Verzahnung mit anderen Controllinginstrumenten sowie der unzureichenden Kompatibilität des Instruments mit der etablierten unternehmerischen Organisationskultur in hohem Masse inkonsistent zur eingeschwungenen handlungsleitenden Ordnung. Da gleichzeitig keine ausreichend hohe Energiezufuhr zur Überwindung dieses Ungleichgewichtszustands in Form von akutem Veränderungsdruck und/oder Engagement des Top Managements vorlag, führten die beobachteten Dissonanzen zu starken Abwehrreaktionen und schließlich zur Abschaffung der BSC. x In nur einem Fall gelang in der eingenommenen Perspektive eine Veränderung der etablierten handlungsleitenden Ordnung durch die Einführung des neuen Instru-
Teil G
Schlussbetrachtung
233
ments. Zwar war auch dieses Unternehmen zunächst durch eine inkompatible Organisationskultur geprägt, die insbesondere durch eine mangelnde strategische Orientierung charakterisiert war; darüber hinaus verringerten die bereits im Konzern gesammelten, negativen Erfahrungen mit der BSC die Akzeptanz des Einführungsprojekts. Durch die Kombination aus schneller und konsequenter Anbindung der bewusst einfach gestalteten Typ I BSC an die übrigen Controllingsysteme, nachhaltigem und intensivem Einfordern des neuen Instruments durch das Top Management und interaktiver Nutzung der BSC konnten diese Inkonsistenzen jedoch überwunden werden. Im Ergebnis führte die Implementierung der Typ I BSC zu den angestrebten internen Modelländerungen. In Übereinstimmung mit der Annahme der Trägheit interner Modelle war hierfür jedoch ein vergleichsweise langer Zeitraum von gut zwei Jahren erforderlich. Die Interpretation der beobachteten Entwicklungsmuster in der kognitionspsychologisch, strukturations- und konsistenztheoretisch inspirierten Perspektive von SCHÄFFER/ZYDER leistet damit einen Beitrag zu Erklärung des Implementierungsstands der BSC, insbesondere der geringen Verbreitung des Instruments als strategisches Managementsystem (Typ III BSC): Die Trägheit interner Modelle und das Konsistenzstreben der Akteure sind in der gewählten Perspektive die Ursache dafür, dass eine umfassende Verankerung des Konzepts von KAPLAN/NORTON immer dann unwahrscheinlich ist, wenn die eingeschwungene handlungsleitende Ordnung der Unternehmung nicht oder nur sehr eingeschränkt mit dem Konzept kompatibel ist. Ohne die Zufuhr erheblicher Veränderungsenergie – z.B. durch die Dramatik der Ausgangssituation oder den Nachdruck der Führungskräfte – können die kognitiven Dissonanzen, denen Akteure in solchen Fällen ausgesetzt sind, dann nicht überwunden werden. Entsprechend kommt es zu Adaptionen des Controllinginstruments bis hin zu dessen Abschaffung. Die Anforderungen an eine umfassende Implementierung einer Typ III BSC sind damit hoch. Eine entsprechende Wahrnehmung dieser Schwierigkeiten in der Unternehmenspraxis und davon beeinflusste (implizite) Kosten-Nutzen-Abwägungen können wiederum als Erklärungsansatz für die vergleichsweise geringe, allgemeine Verbreitung der BSC in der Praxis herangezogen werden.993
992 993
Zitat aus Interview B4. Entsprechend verweisen rund die Hälfte der Unternehmen, die in der Untersuchung von Speckbacher/Bischof/Pfeiffer Gründe für die Nicht-Einführung der BSC nennen (n=14), auf KostenNutzen-Kalküle: „Five companies consider the effort of introducing BSC to be too great and three find the expected benefit to be too unsure.“ Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 380.
234
Schlussbetrachtung
Teil G
Die Analyse zeigte jedoch auch, dass eine Anpassung des Konzepts an das vorhandene Instrumentarium oder an etablierte Handlungsroutinen sowie eine Rückentwicklung des Implementierungsstands nicht unbedingt einen Misserfolg bedeuten. Das Fallbeispiel Unternehmen E machte deutlich, dass die angestrebten Verhaltensänderungen durch die Implementierung der BSC tatsächlich erreicht werden konnten – auch mit einer Typ I BSC. In anderen Fallstudien wurde beobachtet, dass auch Teilimplementierungen des BSC-Konzepts zur Zufriedenheit der Anwender eingesetzt wurden. Solche allein subjektiven Zufriedenheitsbekundungen wurden jedoch bewusst nicht mit dem Erfolg der BSC-Anwendung gleichgesetzt. Denn legt man die Perspektive von SCHÄFFER/ZYDER zu Grunde, ist ein auskunftgebender Akteur mit seinen Bewertungsprozessen immer mehr oder weniger in die handlungsleitende Ordnung eingebunden. Ein neues Instrument, das diese etablierte Ordnung weitgehend bestätigt und lediglich inkrementell modifiziert, wird daher tendenziell eher Zufriedenheit erzeugen als ein Instrumentarium, das diese grundsätzlich in Frage stellt – unabhängig von der objektiven Erfolgswirkung des Instruments. Insgesamt liefert die Untersuchung damit ein Beispiel dafür, wie qualitative Analysen zur Erklärung und Interpretation von Befunden abgeschlossener quantitativer Studien beitragen können. Das spezifische Vorgehen dieser Untersuchung ermöglichte eine Ergänzung der Befunde von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER und SCHACHNER/ SPECKBACHER/WENTGES. Dabei wurde deutlich, dass auch im Rahmen von BSCImplementierungen eine lineare Sichtweise, die den Einführungsprozess als geordneten Übergang zwischen zwei Zuständen auffasst und kognitionspsychologische, strukturations- und konsistenztheoretische Erkenntnisse ignoriert, zu kurz greift. Gleichzeitig konnte im Vergleich zu anderen (Einzel-)Fallstudien zu BSC-Implementierungen demonstriert werden, dass der gewonnene Ansatz Erklärungskraft für unterschiedliche Unternehmenskontexte, Implementierungsstände und Implementierungsverläufe besitzt.
2.
Implikationen für die Praxis
Aus den Beobachtungen und Ergebnissen dieses Forschungsprojekts ergeben sich zahlreiche Erkenntnisse, die Unternehmen bei der Implementierung und Anwendung der BSC unterstützen können. Die Arbeit sensibilisiert insgesamt für die Komplexität und Vielschichtigkeit von Implementierungsprozessen. Die Ergebnisse zeigen, dass die BSC nicht im Vakuum existiert, sondern in das Gefüge der handlungsleitenden Ordnung integriert werden muss. Eine rein technokratische Sicht, die die BSC ohne
Teil G
Schlussbetrachtung
235
Berücksichtigung dieser Nebenbedingung implementiert, „ist naiv und greift deutlich zu kurz.“994 So erfordert die Implementierung der BSC nicht nur die Abstimmung mit den etablierten Regelprozessen und Systemen im Unternehmen, sondern auch das Erreichen entsprechender Akzeptanz bei den Mitarbeitern sowie ein nachhaltiges Commitment der Führungskräfte. Schließlich gilt es, die BSC und die Unternehmenskultur in Einklang zu bringen. Nur bei Beachtung aller dieser Aspekte kann eine neue, konsistente und stimmige Ordnung erreicht werden: „Within an organisation, there exists a multitude of management control systems, both formal and informal. Every one of these systems influences behaviour, be it voluntarily or involuntarily. It is essential therefore that there is a coherence between the systems, and that employees receive a consistent message throughout the organisation and through time.“995 Im Einzelnen wird auf Basis der Ergebnisse die Abstimmung der BSC mit folgenden Regelprozessen und Systemen vorgeschlagen: x Berichtswesen und BSC sind aufeinander abzustimmen. Es gilt Parallelberichterstattung zu vermeiden, da sonst unnötige Widerstände auf Grund von Mehrarbeit drohen. Dies deckt sich mit einer Standardforderung in der BSC-Literatur.996 Darüber hinaus wurde gezeigt, dass regelmäßige, interaktive BSC-Gespräche die Akzeptanz und Relevanz des Instruments erhöhen und strategisches Lernen ermöglichen können. x Die BSC sollte in die bestehende IT-Systemlandschaft integriert werden. Dies erhöht nicht nur die Datenaktualität und -qualität, sondern verringert bei einer weitgehenden Automatisierung Zusatzaufwand durch Einführung des neuen Instruments. Beide Aspekte können Widerständen der Mitarbeiter entgegenwirken und stellen wiederum bekannte Forderungen der BSC-Literatur dar.997 Die vorliegende Untersuchung konnte jedoch auch zeigen, dass eine unzureichende IT-Anbindung keinen „killing factor“998 der BSC-Implementierung darstellen muss. Ist eine Integration mit den IT-Systemen (noch) nicht möglich, empfiehlt sich die Einrichtung 994 995 996 997
Schäffer/Zyder (2003), S. 107. Mooraj/Oyon/Hostettler (1999), S. 486. Vgl. z.B. Horváth (2000), S. 127; Horváth&Partners (2004a), S. 359ff.; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 62f. Vgl. z.B. Kaplan/Norton (1992), S. 75; Horváth (2000), S. 127; Horváth&Partners (2004a), S. 413ff.; Samtleben/Müller/Hess (2005), S. 404; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 19.
236
Schlussbetrachtung
Teil G
entsprechender Stellen, um den operativen BSC-Anwendern die Dateneingabe abzunehmen. x Schließlich gilt es, das Anreizsystem auf die BSC auszurichten. Dies kann von der Übernahme einzelner BSC-Ziele in die persönlichen Zielvereinbarungen bis hin zur vollständigen Abstimmung und der Verknüpfung mit monetären Anreizen reichen. Entscheidend ist, dass die BSC auf diese Weise tatsächlich relevant für die Mitarbeiter wird. Diese Forderung, die sich auch in der existierenden Literatur zur Implementierung der BSC findet,999 wird durch die Beobachtungen der vorliegenden Untersuchung nachdrücklich unterstrichen: Im Rahmen der Studie untersuchte Unternehmen, denen eine solche Abstimmung nicht gelang, haben die BSC über kurz oder lang abgestoßen. Wie dargestellt ist es jedoch entscheidend, die Implementierung der BSC nicht allein auf diese Aspekte zu verkürzen. Denn die Erfahrungen in den Fallbeispielen haben deutlich gemacht, dass eine umfassende Verzahnung mit den Regelprozessen und Systemen nur eine notwendige Bedingung für den nachhaltigen und dauerhaften Einsatz der BSC darstellt. Darüber hinaus gilt es, Akzeptanz und Commitment bei Mitarbeitern und Führungskräften zu erreichen: x Das Erreichen einer hohen Mitarbeiterakzeptanz gegenüber der BSC stellt ein wichtiges Ziel der BSC-Implementierung dar, das auch in der konzeptionellen1000 wie empirischen1001 BSC-Literatur betont wird. Auch eine konzeptionell umfassend implementierte BSC entfaltet demnach ohne hinreichende Mitarbeiterakzeptanz nicht die gewünschte Wirkung: „[T]he experience is that too little employee buy-in … underlies balanced scorecard disappointment. The result, experienced in so many scorecard implementations, is that any improvements tend to be superficial and temporary.”1002 Übereinstimmend zeigte sich in den Fallstudien dieser Untersuchung, in denen Mitarbeiter aktiv oder passiv Widerstand gegen die BSC ausübten,
998 999
1000 1001
1002
Wenisch (2004), S. 183. Vgl. z.B. Kaplan/Norton (1996a), S. 217ff.; Frigo/Krumwiede (2000), S. 53; Horváth (2000), S. 127; Venkatraman/Gering (2000), S. 12; Weber/Schäffer (2000a), S. 61ff.; Salterio/Webb (2003), S. 41; Horváth&Partners (2004a), S. 339ff.; Olve et al. (2004), S. 5f.; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 57. Vgl. z.B. Nørreklit (2000), S. 79; Venkatraman/Gering (2000), S. 12. Vgl. Ahn (2001), S. 453; Kasurinen (2002), S. 337; Wagner/Kaufmann (2004), S. 276; Papalexandris/Ioannou/Prastacos (2004), S. 364; Tuomela (2005), S. 305 und 307; Lawson/Stratton/Hatch (2006b), S. 37f. Angel/Rampersad (2005), S. 34.
Teil G
Schlussbetrachtung
237
das „Dahinvegetieren“ und spätere Abstoßen des Instruments. Auch Compliance ist nach den Ergebnissen dieser Arbeit kein zufrieden stellender Zielzustand, wenn nachhaltige Handlungsänderungen der Akteure angestrebt werden. Ziel sollte vielmehr die Internalisierung des BSC-Konzepts auf Ebene des individuellen Mitarbeiters sein: „[T]he model has to be rooted in … the organization. … [I]f the wish is to have individuals in the organization who are active and creative problem-solvers: this requires internal commitment, i.e. employees who see themselves as responsible and activating individuals.”1003 Entsprechende Veränderungen der internen Modelle brauchen jedoch Zeit und werden sich nicht mit der Live-Schaltung der BSC einstellen. Die entsprechenden Fallbeispiele deuten darauf hin, dass hierfür über zwei Jahre nötig sein können. Zur Implementierung der BSC gehört damit auch Geduld und Stetigkeit. x Als entscheidend hat sich daher auch die Bedeutung eines nachhaltigen Top Management Commitments gezeigt. Lässt das Engagement der Führungskräfte nach dem Einführungsprojekt nach, wirkt sich die entsprechende Wahrnehmung negativ auf die BSC-Akzeptanz der Mitarbeiter aus. Die Folge ist Compliance und „treue Pflichterfüllung“.1004 Ein (alleiniges) „Sponsorship“ des BSC-Projekts, welches in der BSC-Literatur mehrfach gefordert wird,1005 erscheint vor dem Hintergrund der Beobachtungen dieser Untersuchung nicht ausreichend. Sollen nachhaltige Handlungsänderungen erreicht werden, müssen auch die Führungskräfte über den Tag der Live-Schaltung hinaus die BSC kontinuierlich einfordern und ihre Relevanz unterstreichen. Dazu zählt auch, regelmäßig die Zielerreichung der UnternehmensBSC zu kommunizieren sowie den Mitarbeitern Feedback und Rückkopplung zur BSC zu geben: Die BSC darf keine „Black Box“ sein! Mangelt es den TopFührungskräften dagegen ganz an Interesse und Engagement bzw. führen diese die BSC nur aus symbolisch ein, stellt dies einen Indikator für das spätere Abstoßen der BSC dar. Letztlich wurde auf die Bedeutung der Unternehmenskultur hingewiesen. Wie die Fallanalysen deutlich gemacht haben, können kognitive Ungleichgewichtszustände auftreten, wenn eine ausreichende Kompatibilität von BSC und Unternehmenskultur nicht gegeben ist. Dies entspricht den allgemeinen Hinweisen zur Rolle der Unterneh1003 1004
Nørreklit (2000), S. 79. Zitat aus Interview D1.
238
Schlussbetrachtung
Teil G
menskultur in der BSC-Literatur:1006 „Implementing a Balanced Scorecard which contradicts the management ethos of the organisation would create confusion throughout and would put in jeopardy the other formal and informal systems. The implementation of the Balanced Scorecard should therefore correspond … to the various informal cultures to which it is host.“1007 Die vorliegende Untersuchung zeigte darüber hinaus konkret, wann die BSC im Widerspruch zu den etablierten organisationalen Regeln stehen kann: x Dies kann der Fall sein, wenn die Organisation vor allem technisch geprägt ist und Präzision und Detailorientierung wichtige Werte darstellen. Konsistent zu den Ergebnissen anderer empirischer Studien1008 zeigten die Fallanalysen dieser Untersuchung, dass die BSC angesichts einer solchen Ingenieurkultur als (weiteres) Kennzahlensystem und Reportingtool aufgefasst werden kann, eine strategische Ausrichtung der BSC dagegen keine Akzeptanz findet. Entsprechend kann es zu Adaptionen der BSC kommen, z.B. durch die Abschaffung der Strategiedarstellung auf Basis von nicht quantifizierbaren Ursache-Wirkungszusammenhängen. x Ergänzend konnte die vorliegende Untersuchung zeigen, dass auch eine ausgeprägt unternehmerische Organisationskultur, die durch kreative Freiräume und Flexibilität geprägt ist, inkompatibel mit der BSC sein kann. In einem solchen Kontext ausgeprägten Unternehmertums wird die erhöhte Sicht- und Messbarkeit der Leistungen durch die BSC-Einführung schnell als Angriff auf die gewährten Freiräume verstanden und kann erhebliche Widerstände hervorrufen. Die beiden dargestellten Unternehmenskulturen können durch Einführung der BSC jedoch auch überwunden werden; hierfür fanden sich in dieser Untersuchung ebenfalls Hinweise. Dennoch sollte vor der Entscheidung für die BSC die Kompatibilität zur etablierten Unternehmenskultur evaluiert werden. Insbesondere sollte hinterfragt werden, ob ein etwaiger Kulturwandel überhaupt angestrebt werden sollte – oder ob nicht gerade die gewachsene Organisationskultur einen wichtigen Erfolgsfaktor des Unternehmens darstellt.
1005 1006 1007 1008
Vgl. zum Sponsorship z.B. Weber/Schäffer (2000b), S. 4; Richardson (2004), S. 8; Angel/Rampersad (2005), S. 51; Pandey (2005), S. 51; Lawson/Stratton/Hatch (2006b), S. 37. Vgl. u.a. Nørreklit (2000), S. 79; Weber/Schäffer (2000b), S. 4f.; Malmi (2001), S. 208; Anand/Sahay/Saha (2005), S. 22; Angel/Rampersad (2005), S. 34; Joseph (2006), S. 29. Mooraj/Oyon/Hostettler (1999), S. 488. Vgl. Kasurinen (2002), S. 334 und 337; Wenisch (2004), S. 185.
Teil G
Schlussbetrachtung
239
Die Untersuchungen im Rahmen dieses Forschungsprojektes konnten letztlich zeigen, dass das Scheitern der Einführung einer BSC als strategisches Managementsystem nach KAPLAN/NORTON auf Grund von Adaptionen des Konzepts keinen Misserfolg der BSC bzw. der jeweiligen Bemühungen im Unternehmen bedeuten muss. Neben der individuellen Zufriedenheit mit der Typ I BSC in einigen Fallstudien zeigen insbesondere die erfolgreichen Verhaltensänderungen in Unternehmen E, dass eine mit der bestehenden handlungsleitenden Ordnung kompatible Teilimplementierung des Instruments durchaus zur Erreichung der mit der BSC-Einführung verbundenen Ziele führen kann. In dieser Hinsicht können Anpassungen des Originalkonzepts an die spezifischen Besonderheiten des jeweiligen Unternehmens und selbst das Abstoßen der BSC „gerechtfertigte“ Abwehrreaktionen der handlungsleitenden Ordnung darstellen: „I think that to a certain degree, you have to be flexible, too. I mean, if you’re finding that this just doesn’t make sense for your business unit … I think making the scorecard adaptable is good.“1009 Vor und während der Implementierung der BSC ist daher stets zu prüfen, welche Elemente des „Baukastens“ BSC in der individuellen Unternehmenssituation und zur Erreichung der spezifischen Projektziele tatsächlich notwendig sind. Auf Basis der Beobachtungen der vorliegenden Untersuchung gilt dies insbesondere für die Verwendung nicht quantifizierbarer Ursache-Wirkungszusammenhänge zur Strategiedarstellung, die insbesondere in Kontexten etablierter Ingenieurkulturen wenig Akzeptanz fanden. Wie die Erfahrungen in Unternehmen E zeigten, sind Ursache-Wirkungsketten zur Erreichung einer verbesserten strategischen Orientierung jedoch nicht zwingend erforderlich – ihr Einsatz muss damit nicht in jedem Fall sinnvoll sein.1010 Grundsätzlich sollten Widerstände im Implementierungsprozess vor diesem Hintergrund nicht ignoriert, sondern stets auf ihre zu Grunde liegenden Ursachen untersucht werden. Eine bloße Übernahme des Lehrbuchkonzepts nach KAPLAN/NORTON dürfte angesichts der Ergebnisse dieser Untersuchung überwiegend nicht zielführend sein.
1009 1010
Zitat aus Interview B4. Vgl. auch die Vorschläge zu Kontextfaktoren der Nutzung von Ursache-Wirkungsketten bei Bukh/Malmi (2005), S. 101ff.
240
3.
Schlussbetrachtung
Teil G
Grenzen der Arbeit und Forschungsausblick
In der vorliegenden Arbeit wurden sechs Fälle unterschiedlicher BSC-Anwendungen untersucht. Dabei konnte in Erweiterung der statischen Sichtweise früherer Untersuchungen zum BSC-Implementierungsstand gezeigt werden, dass diesem drei Entwicklungsmuster zu Grunde liegen können. Diese entsprachen dabei nicht dem von SPECKBACHER/BISCHOF/PFEIFFER unterstellten „typical evolutionary steps in the process of BSC implementation“1011 von Typ I hin zu Typ III. Vielmehr zeigten sich in der Mehrzahl der untersuchten Fälle Rückentwicklungen des Implementierungsstands. Die beobachteten Entwicklungen wurden in der Perspektive von SCHÄFFER/ZYDER als Anpassungsprozesse innerhalb der handlungsleitenden Ordnung interpretiert. Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts unterstreichen damit, dass für die weitere Untersuchung des Implementierungsstands der BSC nicht nur die Differenzierung von Implementierungsständen bzw. BSC-Typen, sondern auch die Betrachtung der Entwicklung des Implementierungsstands über die Zeit von hoher Relevanz sind und daher in künftigen Studien verstärkt Beachtung finden sollten. Die Ergebnisse bekräftigen somit die Forderung einer „fundamental departure from the in series/linear, n-step approach […] to change favoured by most change theorists and practitioners.”1012 Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit unterliegen jedoch möglichen Einschränkungen. Diese können sich zunächst aus dem Datensatz ergeben. So wurde im Rahmen des Forschungsprojekts der Ansatz einer Mehrfallstudie gewählt, um unterschiedliche Implementierungsstände abbilden und so einen möglichst großen Teil der Heterogenität von BSCs in der Unternehmenspraxis abbilden zu können. Dazu wurden Fallstudien ausgewählt, die unterschiedliche Implementierungsstände repräsentieren. Die Verschiedenheit der Fallstudien birgt jedoch die Gefahr, dass nicht alle Einflüsse und Zusammenhänge erkannt oder hinreichend isoliert werden konnten. Zukünftige Forschungsvorhaben sollten insbesondere folgende Aspekte stärker kontrollieren: x Einige der untersuchten BSCs stellten Ansätze auf Gesamtunternehmensebene dar. Andere Fallstudien behandelten den Einsatz des Instruments allein auf Bereichsoder Abteilungsebene. Mögliche Einflüsse der Ebene der BSC-Anwendung wurden
1011 1012
Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 363. Bate/Khan/Pye (2000), S. 209.
Teil G
Schlussbetrachtung
241
im Rahmen dieser Untersuchung nicht analysiert, können jedoch auch nicht ausgeschlossen werden. x Auch der Grad der Kaskadierung der BSC war in den Fallstudien unterschiedlich. Während in den meisten der untersuchten Fallstudien die BSC auf zwei Ebenen eingesetzt wurde (Gesamtunternehmen bzw. Bereich und zweite Ebene), wurde die BSC vereinzelt weiter herunter gebrochen. In wie weit eine solche „tiefe“ Implementierung Einfluss auf die beschriebenen Entwicklungsmuster hatte, konnte im Rahmen dieser Untersuchung ebenfalls nicht festgestellt werden. x Explizit wurde bei der Fallstudienauswahl ein Schwerpunkt auf die Automobilbranche (drei Fälle) gelegt und dieser um einzelne Fallstudien aus den drei weiteren Branchen Industrieautomatisierung, Verkehrs- und Finanzdienstleistung erweitert. Die Untersuchungen konnten jedoch keinen Einfluss der Branchenzugehörigkeit auf die beschriebenen Zusammenhänge feststellen. Auf Grund von spezifischen Besonderheiten der einzelnen Fälle sowie der Betrachtung von nur vier Branchen kann jedoch auf Basis dieser Arbeit ein Einfluss der Branchenzugehörigkeit auf Entwicklungsmuster und Implementierungsstand der BSC nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus können die Ergebnisse der vorliegenden Mehrfallstudie Einschränkungen unterliegen, die sich aus dem spezifischen methodischen Vorgehen der Untersuchung ergeben. So wurden im Rahmen der Fallstudienanalyse mit dem Framework von SCHÄFFER/ZYDER bewusst auf einen heuristischen Bezugsrahmen zurückgegriffen. Zwar kann die menschliche Wahrnehmung als grundsätzlich durch Vorwissen und Einstellungen geprägt charakterisiert werden.1013 Dennoch geht mit der Einnahme einer spezifischen Perspektive die Gefahr einher, dass wesentliche Aspekte des untersuchten Phänomens vernachlässigt werden, wenn diese nicht im zuvor erarbeiteten theoretischen Rahmen abgebildet sind.1014 Im Rahmen der Interpretation der qualitativen Daten würden dann nur solche Phänomene Beachtung finden, die die Annahmen der gewählten Perspektive bestätigen, während konfliktäre Beobachtungen vernachlässigt würden.1015 Die ausführliche Dokumentation des Bezugsrahmens sowie der Fallstudien in dieser Arbeit diente in diesem Zusammenhang dazu, die Analyseschritte möglichst transparent und nachvollziehbar zu machen und so die Reliabilität der Ergebnisse der
1013 1014 1015
Vgl. Otley/Berry (1998), S. S106. Vgl. Parkhe (1993), S. 236. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 536.
Schlussbetrachtung
242
Teil G
Fallstudienuntersuchung zu stärken. Gleichzeitig sollte die Diskussion der Falldarstellungen und Interpretationen mit den Ansprechpartnern aus den Unternehmen dazu beitragen, die Validität der Ergebnisse zu steigern. Verbliebene Wahrnehmungsverzerrungen können letztlich nur durch weitere Untersuchungen der entsprechenden Phänomene aufgedeckt werden. Der gewählte Bezugsrahmen, d.h. die von SCHÄFFER/ZYDER entwickelte handlungsleitende Ordnung, stellt darüber hinaus zunächst lediglich einen Denkrahmen für Analyse der Implementierung und Nutzung von Controllinginstrumenten dar. So werden im Framework von SCHÄFFER/ZYDER die Elemente der handlungsleitenden Ordnung sowie ihr Zusammenspiel nicht ausreichend spezifiziert, um konkrete Handlungen der Akteure abzuleiten. In diesem Zusammenhang zeigte sich auch, dass die analytische Trennung von Elementen der korporativen und individuellen Ebene sowie die Zuordnung einzelner Beobachtungen auf den Einfluss einzelner Elemente der handlungsleitenden Ordnung nicht immer eindeutig waren. Auch hier diente die ausführliche Darstellung der Einzel- und fallübergreifenden Analysen dazu, die Argumentation möglichst transparent und überprüfbar zu machen. Da die vorliegende Untersuchung gleichwohl die hohe Erklärungskraft dieses Ansatzes für die Analyse von Implementierungsprozessen verdeutlicht hat, sollten zukünftige Untersuchungen hiervon ausgehend versuchen, das Framework von SCHÄFFER/ZYDER, d.h. die beschriebenen Elemente und ihr Zusammenspiel, präziser zu operationalisieren. Insbesondere sollten folgende Arbeiten versuchen, die Kompatibilität von untersuchtem Controllinginstrument und handlungsleitender Ordnung, etwaige kognitive Dissonanzen sowie die Schwelleneffekte im Rahmen der Zuführung gegebenenfalls notwendiger Veränderungsenergie konkret zu messen. Eine weitere Limitierung dieser Arbeit und gleichzeitig zusätzlicher Anknüpfungspunkt für weitere Forschung stellt die verwendete BSC-Typologie von SPECKBACHER/ BISCHOF/PFEIFFER dar. Wie dargestellt, bildet diese die BSC-Praxis nur unzureichend ab.1016 Ausgehend von den Beobachtungen und Vorschlägen im Rahmen dieser Arbeit sollten weitere Untersuchungen zum Implementierungsstand der BSC eine entsprechend überarbeitete BSC-Typologie verwenden und diese empirisch überprüfen. In diesem Zusammenhang stellt auch die Fragestellung, inwieweit Strategy Maps eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Vorstellung von Ursache-Wirkungsketten darstellen und damit gegebenenfalls auf weniger Widerstände in der Praxis treffen, ein
1016
Vgl. nochmals Kapitel F3.
Teil G
Schlussbetrachtung
243
viel versprechendes Feld für weitere Studien dar. Darüber hinaus sollte grundsätzlich untersucht werden, ob die Darstellung von Ursache-Wirkungszusammenhängen bzw. Strategy Maps einen Einfluss auf die Möglichkeiten des strategischen Lernens mit der BSC haben – oder hierzu vielmehr in erster Linie die in Unternehmen E beobachtete, interaktive Nutzung des Instruments ausschlaggebend ist. In Zusammenhang mit der zu Grunde gelegten Typologie von SPECKBACHER/ BISCHOF/PFEIFFER basierten die Untersuchungen im Rahmen dieses Forschungsprojekts darüber hinaus vor allem auf den verwendeten Elementen und Bestandteilen der BSC-Anwendung. Der Inhalt der jeweiligen BSC blieb damit weitestgehend unberücksichtigt, obwohl BSCs unterschiedliche inhaltliche Ausrichtungen annehmen können:1017 „BSCs are mobilized vis-à-vis organizational problems that colour the scorecards’ identity.“1018 Inwieweit die untersuchten BSC z.B. tatsächlich strategische Ziele enthielten oder lediglich eine neue Strukturierung bekannter, operativer Kennzahlen darstellten, wurde im Rahmen dieser Arbeit zumindest nicht detailliert untersucht. Auch die Frage, ob die in der BSC enthaltenen Zielwerte einer Anstrengung bedurften („stretch targets“), wurde nicht berücksichtigt. Beide Aspekte können jedoch die beschriebenen Zusammenhänge beeinflussen. So zeigte sich in Unternehmen C, dass die zahlreichen „roten Ampeln“, die aus herausfordernden Zielwerten resultierten, zu den Akzeptanzschwierigkeiten des BSC-Ansatzes beitrugen – insbesondere angesichts der erfolgreichen Unternehmenssituation. Weiterführende Untersuchungen sollten daher auch die konkreten Inhalte der BSC mit in die Analysen einbeziehen. Weiterer Forschungsbedarf leitet sich schließlich aus der eingeschränkten Betrachtung des Implementierungserfolgs im Rahmen der vorliegenden Studie ab. So wurde die in einigen Fallstudien geäußerte, individuelle Zufriedenheit mit der BSC bewusst nicht mit dem Erfolg der jeweiligen BSC-Implementierung gleichgesetzt. Folgt man KRON/SCHÄFFER/PARVIS-TREVISANY, erfordert die Beurteilung des Erfolgs eines Implementierungsprojekts die Messung dessen Beitrags zum Unternehmenserfolg.1019 Dieser wird – folgt man dieser Interpretation – nur dann positiv, wenn der Implementierungsertrag den -aufwand überwiegt, d.h. die intendierte Verhaltensänderung mit einem möglichst geringen Kapazitätsaufwand erreicht wurde. Auch wenn es in Fallstudie E Hinweise auf eine erfolgreiche Verhaltensänderung durch die Einführung der
1017 1018 1019
Vgl. Hansen/Mouritsen (2005), S. 130ff.; Horváth&Partners (2005), S. 15. Hansen/Mouritsen (2005), S. 142. Vgl. Kron/Parvis-Trevisany/Schäffer (2004), S. 5ff.
244
Schlussbetrachtung
Teil G
BSC gab, wurde der konkrete finanzielle Beitrag BSC-Anwendung zum Unternehmenserfolg nicht behandelt – die Forschungsfrage zielte allein auf den Implementierungsstand der BSC. Die in der Literatur vorhandenen Studien, die dagegen explizit den Zusammenhang von BSC-Einführungen und finanziellem Unternehmenserfolg untersuchen, konnten bislang keine konsistenten Ergebnisse liefern.1020 Dabei berücksichtigen diese Studien jedoch weder unterschiedliche Implementierungsstände bzw. BSC-Typen, noch die hier identifizierten, dem Implementierungsstand zu Grunde liegenden Entwicklungsmuster. Zukünftige Untersuchungen zum Beitrag der BSCEinführung zum Unternehmenserfolg könnten an diesen Aspekten ansetzen. Denn die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung deuten an, dass unternehmensspezifisch unterschiedliche Implementierungsstände der BSC optimal sein können.1021 So deuteten einzelne Fallstudien in dieser Arbeit darauf hin, dass auch mit einer Teilimplementierung der BSC die mit der Einführung verbundenen Ziele erreicht werden können. Auch dieser Aspekt stellt ein herausforderndes Forschungsfeld dar und sollte in folgenden Arbeiten näher untersucht werden. Trotz dieser Einschränkungen erscheint das hier beschriebene Vorgehen grundsätzlich auch über die BSC hinaus auf solche Controllinginstrumente, die ebenfalls auf nachhaltige Verhaltensänderungen abzielen, übertragbar. Hierzu zählen z.B. die Prozesskostenrechnung bzw. das Activity-based Costing, die die Etablierung prozessorientierten Denkens und Handelns bezwecken, oder Steuerungssysteme, durch deren Einführung eine erhöhte Wertorientierung erreicht werden soll. Mit dem Vorgehen der vorliegenden Arbeit vergleichbare Untersuchungen zum Implementierungsstand dieser Controllinginstrumente erscheinen auch deshalb viel versprechend, weil für die Instrumente ebenfalls unterschiedliche Implementierungsstände des Grundkonzepts festgestellt wurden. So identifizieren z.B. GOSSELIN und BAIRD/HARRISON/REEVE übereinstimmend für die Prozesskostenrechung die drei Implementierungsstände „Activity Analysis“, „Activity Cost Analysis“ und „Activiy-Based Costing“.1022 Auch für wertorientierte Steuerungssysteme unterscheiden WEBER ET AL. drei unterschiedliche Entwicklungsstände des Konzepts in der Praxis: „Analysten-Lösung“, „Engagierter Beginn“ und „Professioneller Standard“.1023 Diese Implementierungsstände werden jedoch bislang allenfalls – im Falle der Prozesskostenrechnung – in einer statischen Per-
1020 1021 1022 1023
Vgl. nochmals Abschnitt C2.3.3. Vgl. dazu auch Kron/Parvis-Trevisany/Schäffer (2004), S. 11ff. Vgl. Gosselin (1997), 112f.; Baird/Harrison/Reeve (2004), S. 391. Vgl. Weber et al. (2004), S. 19ff.
Teil G
Schlussbetrachtung
245
spektive auf Kontextfaktoren untersucht.1024 Ein ähnliches wie das hier gewählte Herangehen, das die unterschiedlichen Implementierungsstände und dynamischen Entwicklungen sowie darüber hinaus Erkenntnisse der kognitiven Sozialpsychologie, Strukturationstheorie sowie konsistenztheoretische Überlegungen berücksichtigt, verspricht daher auch für die Erforschung des Implementierungsstands dieser Instrumente wertvolle zusätzliche Erkenntnisse.
1024
Vgl. Gosselin (1997), 112ff.; Baird/Harrison/Reeve (2004), S. 391ff.
Literaturverzeichnis Ahn, H. (2001): Applying the Balanced Scorecard: An Experience Report, in: Long Range Planning, Vol. 34, Nr. 4, S. 441-461. Ahn, H. (2003): Effektivitäts- und Effizienzsicherung. Controlling-Konzept und Balanced Scorecard, Frankfurt a.M. et al. Ahrens, T./Dent, J. F. (1998): Accounting and Organizations: Realizing the Richness of Field Research, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 10, S. 1-39. Anand, M./Sahay, B. S./Saha, S. (2005): Balanced Scorecard in Indian Companies, in: Vikalpa, Vol. 30, Nr. 2, S. 11-25. Anderson, J. R. (2001): Kognitive Psychologie, 3. Aufl., Heidelberg, Berlin. Anderson, S. W./Young, S. M. (1999): The Impact of Contextual and Process Factors on the Evaluation of Activity-Based Costing Systems, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 24, Nr. 7, S. 525-559. Andon, P./Baxter, J./Chua, W. F. (2007): Accounting Change as Relational Drifting: A Field Study of Experiments with Performance Measurement, in: Management Accounting Research, Vol. 18, Nr. 2, S. 273-308. Andon, P./Baxter, J./Mahama, H. (2005): The Balanced Scorecard: Slogans, Seduction, and State of Play, in: Australian Accounting Review, Vol. 15, Nr. 1, S. 29-38. Angel, R./Rampersad, H. (2005): Do Scorecards Add up?, in: CA Magazine, Vol. 135, Nr. 4, S. 30-35. Archer, M. S. (1995): Realist Social Theory: The Morphogenetic Approach, Cambridge. Argyris, C. (1991): Teaching Smart People how to Learn, in: Harvard Business Review, Vol. 69, Nr. 3, S. 99-109. Argyris, C./Kaplan, R. S. (1994): Implementing New Knowledge: The Case of Activity-Based Costing, in: Accounting Horizons, Vol. 8, Nr. 3, S. 83-105. Argyris, C./Schön, D. A. (1978): Organizational Learning: A Theory of Action Perspective, Reading. Aronson, E. (1992): The Return of the Repressed: Dissonance Theory Makes a Comeback, in: Psychological Inquiry, Vol. 3, Nr. 4, S. 303-311.
248
Literaturverzeichnis
Teil 0
Aronson, E./Wilson, T. D./Akert, R. M. (2005): Social Psychology, 5. Aufl., Upper Saddle River. Bach, N. (2000): Mentale Modelle als Basis von Implementierungsstrategien. Konzepte für ein erfolgreiches Change Management, Wiesbaden. Bach, N. (2006): Analyse der empirischen Balanced Scorecard Forschung im deutschsprachigen Raum, in: Zeitschrift für Controlling & Management, 50. Jhg., Nr. 5, S. 298-304. Bach, S. (1998): Ordnungsbrüche in Unternehmen. Die Fortentwicklung interner Modelle, Wiesbaden. Bach, S./Bilgeri, A./Brettel, M./Grothe, M./Langer, C./Miller, A. C./Schäffer, U./Weber, J. (2002): Grundmodell einer dynamischen Theorie ökonomischer Akteure, European Business School Working Paper on Management Accounting and Control No. 1, Oestrich-Winkel. Bach, S./Brettel, M./Grothe, M./Schäffer, U./Weber, J. (1998): Grundmodell einer dynamischen Theorie ökonomischer Akteure, WHU Forschungspapier Nr. 56, Vallendar. Baddeley, A. (1994): The Magical Number Seven: Still Magic after all these Years?, in: Psychological Review, Vol. 101, Nr. 2, S. 353-356. Baird, K. M./Harrison, G. L./Reeve, R. C. (2004): Adoption of Activity Management Practices: A Note on the Extent of Adoption and the Influence of Organizational and Cultural Factors, in: Management Accounting Research, Vol. 15, Nr. 4, S. 383-399. Bajwa, D. S./Rai, A./Brennan, I. (1998): Key Antecedents of Executive Information System Success: A Path Analytic Approach, in: Decision Support Systems, Vol. 22, Nr. 1, S. 31-43. Banker, R. D./Chang, H./Pizzini, M. J. (2004): The Balanced Scorecard: Judgemental Effects of Performance Measures Linked to Strategy, in: The Accounting Review, Vol. 79, Nr. 1, S. 1-23. Barley, S. R./Tolbert, P. S. (1997): Institutionalization and Structuration: Studying the Links between Action and Institution, in: Organization Studies, Vol. 18, Nr. 1, S. 93117. Barr, P. S./Stimpert, J. L./Huff, A. S. (1992): Cognitive Change, Strategic Action, and Organizational Renewal, in: Strategic Management Journal, Vol. 13, Nr. 5, S. 15-36. Bartlett, F. C. (1932): Remembering: A Study in Experimental and Social Psychology, Cambridge.
Teil 0
Literaturverzeichnis
249
Bartunek, J. M. (1984): Changing Interpretive Schemes and Organizational Restructuring: The Examples of a Religious Order, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 29, Nr. 3, S. 355-372. Bartunek, J. M./Moch, M. K. (1987): First Order, Second Order, and Third Order Change and Organizational Development Interventions: A Cognitive Perspective, in: Journal of Applied Behavioural Science, Vol. 23, Nr. 4, S. 483-500. Bate, P./Khan, R./Pye, A. (2000): Towards a Culturally Sensitive Approach to Organizational Structuring: Where Organization Design Meets Organization Development, in: Organization Science, Vol. 11, Nr. 2, S. 197-211. Becker, A. (1996): Rationalität strategischer Entscheidungen. Ein strukturationstheoretisches Konzept, Wiesbaden. Becker, A. (2003): Controlling als reflexive Steuerung von Organisationen, Stuttgart. Becker, W./Schwertner, K./Seubert, C.-M. (2005): Ergebnisse einer empirischen Studie, in: Controlling, 17. Jhg., Nr. 1, S. 33-39. Berens, W./Karlowitsch, M./Mertes, M. (2000): Die Balanced Scorecard als Controllinginstrument in Non-Profit-Organisationen, in: Controlling, 12. Jhg., Nr. 1, S. 23-28. Berens, W./Püthe, T./Siemes, A. (2005): Ausgestaltung der Controllingsysteme im Mittelstand - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, in: Zeitschrift für Controlling und Management, 49. Jhg., Nr. 3, S. 186-191. Bessire, D./Baker, C. R. (2005): The French Tableau de Bord and the American Balanced Scorecard: A Critical Analysis, in: Critical Perspectives on Accounting, Vol. 16, Nr. 6, S. 645-664. Bhimani, A. (2003): A Study of the Emergence of Management Accounting System Ethos and its Influence on Perceived System Success, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 28, Nr. 6, S. 523-548. Bible, L./Kerr, S./Zanini, M. (2006): The Balanced Scorecard: Here and Back, in: Management Accounting Quarterly, Vol. 7, Nr. 4, S. 18-23. Bierbrauer, G. (2005): Sozialpsychologie, 2., vollst. überarb. Aufl., Stuttgart. Binder, C./Schäffer, U. (2005): Die Entwicklung des Controllings von 1970 bis 2003 im Spiegel von Publikationen in deutschsprachigen Zeitschriften, in: Die Betriebswirtschaft, 65. Jhg., Nr. 6, S. 603-626.
250
Literaturverzeichnis
Teil 0
Bischof, J. (2002): Die Balanced Scorecard als Instrument einer modernen Controlling-Konzeption. Beurteilung und Gestaltungsempfehlungen auf der Basis des Stakeholder-Ansatzes, Wiesbaden. Bless, H./Schwarz, N. (2002): Konzeptgesteuerte Informationsverarbeitung, in: Frey, D./Irle, M. (Hrsg.): Theorien der Sozialpsychologie, Band III: Motivations- und Informationsverarbeitungstheorien, 2., vollst. überarb. Aufl., Bern et al., S. 257-278. Bodmer, C./Völker, R. (2000): Erfolgsfaktoren bei der Implementierung einer Balanced Scorecard, in: Controlling, 12. Jhg., Nr. 10, S. 477-484. Boehme, M. (1998): den/Kaiserslautern.
Implementierung
von
Managementkonzepten, Wiesba-
Bogt, H. J. t./Helden, G. J. v. (2000): Accounting Change in Dutch Government: Exploring the Gap between Expectations and Realizations, in: Management Accounting Research, Vol. 11, Nr. 2, S. 263-279. Bonoma, T. (1985): Case Research in Marketing: Opportunities, Problems and a Process, in: Journal of Marketing Research, Vol. 22, Nr. 2, S. 199-208. Bontis, N./Dragonetti, N./Jacobsen, K./Roos, G. (1999): The Knowledge Toolbox: A Review of the Tools Available to Measure and Manage Intangible Reources, in: European Management Journal, Vol. 17, Nr. 4, S. 391-402. Bourguignon, A./Malleret, V./Nørreklit, H. (2004): The American Balanced Scorecard versus the French Tableau de Bord: The ideological Dimension, in: Management Accounting Research, Vol. 15, Nr. 2, S. 107-134. Bourne, M. (2005): Researching Performance Measurement System Implementation: The Dynamics of Success and Failure, in: Production, Planning & Control, Vol. 16, Nr. 2, S. 101-113. Bourne, M./Franco-Santos, M./Kennerley, M./Martinez, V. (2005): Reflections on the Role, Use and Benefits of Corporate Performance Measurement in the UK, in: Measuring Business Excellence, Vol. 9, Nr. 3, S. 36-40. Brabänder, E./Hilcher, I. (2001): Balanced Scorecard - Stand der Umsetzung, in: Controller Magazin, 26. Jhg., Nr. 3, S. 253-260. Brettel, M. (1997): Gestaltung der Führung im Krankenhaus, Wiesbaden. Brettel, T. (2005): Fremdkontrolle als Dienstleistung für Kontrollierte. Eine Fallstudienanalyse, Wiesbaden.
Teil 0
Literaturverzeichnis
251
Brooks, I./Bate, P. (1994): The Problems of Effecting Change within the British Civil Service: A Cultural Perspective, in: British Journal of Management, Vol. 5, Nr. 3, S. 177-190. Brown, R. B. (1998): The Case Method as a Research Vehicle, in: Accounting Education, Vol. 7, Nr. 4, S. S79-S95. Brunner, J. (1999): Value-Based Performance Management, Wiesbaden. Bukh, P. N./Malmi, T. (2005): Re-Examining the Cause-and-Effect Principle of the Balanced Scorecard, in: Jönsson, S./Mouritsen, J. (Hrsg.): Accounting in Scandinavia. The Northern Lights, Kopenhagen, S. 87-113. Burnes, B./James, H. (1995): Culture, Cognitive Dissonance and the Management of Change, in: International Journal of Operations and Production Management, Vol. 15, Nr. 8, S. 14-33. Burns, J. (2000): The Dynamics of Accounting Change: Inter-Play between New Practices, Routines, Institutions, Power and Politics, in: Accounting, Auditing and Accountability Journal, Vol. 13, Nr. 5, S. 566-596. Burns, J./Scapens, R. W. (2000): Conceptualizing Management Accounting Change: An Institutional Framework, in: Management Accounting Research, Vol. 11, Nr. 1, S. 3-25. Burns, J./Vaivio, J. (2001): Management Accounting Change, in: Management Accounting Research, Vol. 12, Nr. 4, S. 389-402. Cavalluzzo, K. S./Ittner, C. D. (2004): Implementing Performance Measurement Innovations: Evidence from Government, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 29, Nr. 3/4, S. 243-267. Chatman, J. A./Jehn, K. A. (1994): Assessing the Relationship between Industry Characteristics and Organizational Culture: How Different Can You Be?, in: Academy of Management Journal, Vol. 37, Nr. 3, S. 522-553. Chen, H./Duh, R.-R./Lin, J. C.-C. (2006): The Determinants of Implementation Stages of Balanced Scorecard, in: International Journal of Management & Decision Making, Vol. 7, Nr. 4, S. 356-376. Chenhall, R. (2003): Management Control Systems Design within its Organizational Context: Findings from Contingency-Based Research and Directions for the Future, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 28, Nr. 2/3, S. 127-168.
252
Literaturverzeichnis
Teil 0
Chenhall, R./Langfield-Smith, K. (1998a): Adoption and Benefits of Management Accounting Practices: An Australian Study, in: Management Accounting Research, Vol. 9, Nr. 1, S. 1-19. Chenhall, R./Langfield-Smith, K. (1998b): The Relationship between Strategic Priorities, Management Techniques and Management Accounting: An Empirical Investigation Using a Systems Approach, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 23, Nr. 3, S. 243-264. Chenhall, R. H. (2005): Integrative Strategic Performance Measurement Systems, Strategic Alignment of Manufacturing, Learning and Strategic Outcomes: An Exploratory Study, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 30, Nr. 5, S. 395-422. Chetty, S. (1996): The Case Study Method for Research in Small and Medium-Sized Firms, in: International Small Business Journal, Vol. 15, Nr. 1, S. 73-85. Chmielewicz, K. (1994): Forschungskonzeptionen der Wirtschaftswissenschaft, 3. Aufl., Stuttgart. Cobb, I./Innes, J./Mitchell, F. (1993): Activity-Based Costing Problems: The British Experience, in: Epstein, M./Lee, J. (Hrsg.): Advances in Management Accounting, Band 2, Greenwich/London, S. 68-83. Cooper, D. J./Ezzamel, M. (2006): An Integrated Analysis of the Balanced Scorecard: Towards a Dialogic Strategic Performance Measurement System, Working Paper, School of Business, University of Alberta, Edmonton. Covin, J. G./Slevin, D. P. (1988): The Influence of Organization Structure on the Utility of an Entrepreunrial Top Management Style, in: Journal of Management Studies, Vol. 25, Nr. 3, S. 217-234. Covin, J. G./Slevin, D. P. (1991): A Conceptual Model of Entrepreneurship as Firm Behavior, in: Entrepreneurship: Theory & Practice, Vol. 16, Nr. 1, S. 7-25. Dambrin, C./Lambert, C./Sponem, S. (2007): Control and Change - Analysing the Process of Institutionalisation, in: Management Accounting Research, Vol. 18, Nr. 2, S. 172-208. Davis, S./Albright, T. (2004): An Investigation of the Effect of Balanced Scorecard Implementation on Financial Performance, in: Management Accounting Research, Vol. 15, Nr. 2, S. 135-153. de Vaus, D. (2001): Research Design in Social Research, Thousand Oaks et al.
Teil 0
Literaturverzeichnis
253
DeBusk, G. K./Brown, R. M./Killough, L. N. (2003): Components and Relative Weights in Utilization of Dashboard Measurement Systems like the Balanced Scorecard, in: The British Accounting Review, Vol. 35, Nr. 3, S. 215-231. Diekmann, A. (2006): Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen, 15. Aufl., Reinbek b. Hamburg. Dilla, W. N./Steinbart, P. J. (2005a): The Effects of Alternative Supplementary Display Formats on Balanced Scorecard Judgments, in: International Journal of Accounting Information Systems, Vol. 6, Nr. 3, S. 159-176. Dilla, W. N./Steinbart, P. J. (2005b): Relative Weighting of Common and Unique Balanced Scorecard Measures by Knowledgeable Decision Makers, in: Behavioral Research in Accounting, Vol. 17, S. 43-53. Doppler, K./Lauterburg, C. (2002): Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten, 10., aktual. u. erw. Aufl., Frankfurt a. M. Durian, D. (2002): Corpus-Based Text Analysis from a Qualitative Perspective: A Closer Look at NVivo, in: Style, Vol. 36, Nr. 4, S. 738. Eccles, R. G. (1991): The Performance Measurement Manifesto, in: Harvard Business Review, Vol. 69, Nr. 1, S. 131-137. Eccles, R. G./Nohria, N. (1992): Beyond the Hype. Rediscovering the Essence of Management, Boston. Eicker, S./Kress, S./Lelke, F. (2005): Kennzahlengestützte Geschäftssteuerung im Dienstleistungssektor. Ergebnnisse einer empirischen Untersuchung, in: Zeitschrift für Controlling & Management, 49. Jhg., Nr. 6, S. 408-414. Eisenhardt, K. M. (1989): Building Theories from Case Study Research, in: Academy of Management Review, Vol. 14, Nr. 4, S. 532-550. Eisenhardt, K. M. (1991): Better Stories and Better Constructs: The Case for Rigor and Comparative Logic, in: Academy of Management Review, Vol. 16, Nr. 3, S. 620627. Enz, C. (1988): The Role of Value Congruity in Intraorganizational Power, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 33, Nr. 2, S. 284-304. Epstein, M. J./Manzoni, J. F. (1998): Implementing Corporate Strategy: From Tableau de Bord to Balanced Scorecard, in: European Management Journal, Vol. 16, Nr. 2, S. 190-203. Festinger, L. (1957): A Theory of Cognitive Dissonance, Stanford.
254
Literaturverzeichnis
Teil 0
Festinger, L./Carlsmith, J. M. (1959): Cognitive Consequences of Forced Compliance, in: Journal of Abnormal and Social Psychology, Vol. 58, S. 203-211. Fischer, L./Wiswede, G. (2002): Grundlagen der Sozialpsychologie, 2., überarb. u. erw. Aufl., München. Fiske, S. T./Taylor, S. E. (1991): Social Cognition, 2. Aufl., New York. Flick, U. (2004): Triangulation in der qualitativen Forschung, in: Flick, U./von Kardorff, E./Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung, Reinbek b. Hamburg, S. 309-318. Frigo, M. L./Krumwiede, K. R. (2000): The Balanced Scorecard, in: Strategic Finance, Vol. 81, Nr. 7, S. 50-54. Garg, A./Ghosh, D./Hudick, J./Nowacki, C. (2003): Roles and Practices in Management Accounting Today, in: Strategic Finance, Vol. 85, Nr. 1, S. 30-35. Gaßner, W. (1999): Implementierung organisationaler Veränderung. Eine mitarbeiterorientierte Perspektive, Wiesbaden. Gehrke, I./Horváth, P. (2002): Implementation of Performance Measurement: A Comparative Study of French and German Organizations, in: Epstein, M. J./Manzoni, J. F. (Hrsg.): Performance Measurement and Management Control: A Compendium of Research, Amsterdam, S. 159-180. Gersick, C. J. G. (1991): Revolutionary Change Theories: A Multilevel Exploration of the Punctuated Equilibrium Paradigm, in: Academy of Management Review, Vol. 16, Nr. 1, S. 10-36. Giddens, A. (1997): Die Konstitution der Gesellschaft, 3. Aufl., Frankfurt a. M. Gioia, D. A./Manz, C. C. (1985): Linking Cognition and Behavior: A Script Processing Interpretation of Vicarious Learning, in: Academy of Management Review, Vol. 10, Nr. 3, S. 527-539. Glaser, B. G./Strauss, A. L. (1998): Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung, Bern et al. Gleich, R. (2001): Das System des Performance Measurement. Theoretisches Grundkonzept, Entwicklungs- und Anwendungsstand, München. Gleich, R. (2002): "Innovation Action Research" als neue Methodik der Controllingforschung, in: Weber, J./Hirsch, B. (Hrsg.): Controlling als akademische Disziplin. Eine Bestandsaufnahme, Wiesbaden, S. 439-447. Gollwitzer/Schmitt (2006): Sozialpsychologie, Weinheim.
Teil 0
Literaturverzeichnis
255
Gosselin, M. (1997): The Effect of Strategy and Organizational Structure on the Adoption and Implementation of Activity-Based Costing, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 22, Nr. 2, S. 105-122. Goulding, C. (2001): Grounded Theory: A Magical Formula or a Potential Nightmare, in: The Marketing Review, Vol. 2, Nr. 1, S. 21-34. Granlund, M. (2001): Towards Explaining Stability in and around Management Accounting Systems, in: Management Accounting Research, Vol. 12, Nr. 2, S. 141-166. Grochla, E. (1976): Praxeologische Organisationstheorie durch sachliche und methodische Integration, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 28. Jhg., S. 617-637. Grothe, M. (1997): Ordnung als betriebswirtschaftliches Phänomen. Die Bedeutung der Koordination und Komplexität, Wiesbaden. Günther, T./Grüning, M. (2000): Performance Measurement Systeme im praktischen Einsatz, Dresdner Beiträge zur BWL Nr. 44, Dresden. Gupta, A. K./Govindarajan, V. (1984): Business Unit Strategy, Managerial Characteristics, and Business Unit Effectiveness at Strategy Implementation, in: Academy of Management Journal, Vol. 27, Nr. 1, S. 25-41. Haas, M. d./Kleingeld, A. (1999): Multilevel Design of Performance Measurement Systems: Enhancing Strategic Dialogue throughout the Organization, in: Management Accounting Research, Vol. 10, Nr. 3, S. 233-261. Hansen, A./Mouritsen, J. (2005): Strategies and Organisational Problems: Constructing Corporate Value and Coherence in Balanced Scorecard Processes, in: Chapman, C. S. (Hrsg.): Controlling Strategy: Management, Accounting and Performance Measurement, Oxford, S. 125-150. Harris, S. G. (1994): Organizational Culture and Individual Sensemaking: A SchemaBased Perspective, in: Organization Science, Vol. 5, Nr. 3, S. 309-321. Heidenreich, K. (1999): Grundbegriffe der Meß- und Testtheorie, in: Roth, E./Heidenreich, K. (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Methoden. Lehr- und Handbuch für Forschung und Praxis, München, S. 342-374. Heider, F. (1946): Attitudes and Cognitive Organizations, in: Journal of Psychology, Vol. 21, S. 107-112. Heidmann, M. (2008): The Role of Management Accounting Systems in Strategic Sensemaking, Wiesbaden.
256
Literaturverzeichnis
Teil 0
Heine, B.-O./Hirsch, B./Hufschlag, K./Lesch, M./Meyer, M./Müller, R./Paefgen, A./Pieroth, G. (2006): Zur Modellierung ökonomischer Akteure mit begrenzten kognitiven Fähigkeiten - Anleitung zu einer problemspezifischen Ausdifferenzierung des Homo oeconomicus, WHU-Forschungspapier Nr. 110, Vallendar. Hendricks, K./Menor, L./Wiedman, C. (2004): The Balanced Scorecard: To Adopt or not to Adopt?, in: Ivey Business Journal, Vol. 69, Nr. 6, S. 1-7. Henschel, T. (2003): Risikomanagement im Mittelstand - Eine empirische Untersuchung, in: Zeitschrift für Controlling und Management, 47. Jhg., Nr. 5, S. 331-337. Henschel, T./Bischoff, D. (2006): Unternehmensplanung: State of the Art, in: Controller Magazin, 31. Jhg., Nr. 1, S. 78-81. Hepworth, P. (1998): Weighing it Up: A Literature Review for the Balanced Scorecard, in: Journal of Management, Vol. 17, Nr. 8, S. 559-563. Herrmann, A./Homburg, C. (1999): Marktforschung. Methoden, Anwendungen, Praxisbeispiele, Wiesbaden. Hofstede, G./Neuijen, B./Ohayv, D. D./Sanders, G. (1990): Measuring Organizational Cultures: A Qualitative and Quantitative Study across Twenty Cases, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 35, Nr. 2, S. 286-316. Homburg, C. (2000): Quantitative Betriebswirtschaftslehre. Entscheidungsunterstützung durch Modelle, 3., überarb. Aufl., Wiesbaden. Hope, J./Fraser, R. (2003): Beyond Budgeting, Boston. Hopwood, A. G. (1983): On Trying to Study Accounting in the Contexts in which it Operates, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 8, Nr. 2/3, S. 287-305. Hoque, Z. (2003): Total Quality Management and the Balanced Scorecard Approach: A Critical Analysis of their potential Relationships and Directions for Research, in: Critical Perspectives on Accounting, Vol. 14, Nr. 5, S. 553-566. Hoque, Z./James, W. (2000): Linking Balanced Scorecard Measures to Size and Market Factors: Impact on Organizational Performace, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 12, S. 1-17. Hornsby, J. S./Kuratko, D. F./Zahra, S. A. (2003): Middle Managers’ Perception of the Internal Environment for Corporate Entrepreneurship: Assessing a Measurement Scale, in: Journal of Business Venturing, Vol. 17, Nr. 3, S. 253-273. Horváth, P. (2000): Umsetzungserfahrungen mit der Balanced Scorecard, in: Kostenrechnungspraxis, 44. Jhg., Sonderheft Nr. 2, S. 125-127.
Teil 0
Literaturverzeichnis
257
Horváth, P. (2001): Wissensmanagement steuern. Die Balanced Scorecard als innovatives Controllinginstrument, in: Antoni, C. H./Sommerlatte, T. (Hrsg.): Spezialreport Wissensmanagement - Wie deutsche Firmen ihr Wissen profitabel machen, 3. Aufl., Düsseldorf, S. 55-63. Horváth, P. (2006): Controlling, 10., vollst. überarb. Aufl., München. Horváth, P./Gaiser, B. (2000): Implementierungserfahrungen mit der Balanced Scorecard im deutschen Sprachraum. Anstöße zur konzeptionellen Weiterentwicklung, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 52. Jhg., Nr. 1, S. 17-35. Horváth, P./Gleich, R. (1998): Die Balanced Scorecard in der produzierenden Industrie. Konzeptidee, Anwendung und Verbreitung, in: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, 93. Jhg., Nr. 11, S. 562-568. Horváth, P./Minning, F./Lyne, S./Gehrke, I./Hinterhuber, H./Genovese, G./Pechlaner, H. (2001): Value Based Management and Balanced Scorecard in European Companies. An International Comparison between Germany, France, Great Britain and Italy, Controlling-Forschungsbericht Nr. 67, Stuttgart. Horváth&Partners (Hrsg.)(2002): Studie "100 x Balanced Scorecard", Stuttgart. Horváth&Partners (Hrsg.)(2004a): Balanced Scorecard umsetzen, 3., vollst. überarb. Aufl., Stuttgart. Horváth&Partners (Hrsg.)(2004b): Studie "100 x Balanced Scorecard" 2003, Stuttgart. Horváth&Partners (Hrsg.)(2005): Balanced-Scorecard-Studie 2005, Stuttgart. Hoskin, K. (1998): The Mysterious Case of the Case Study: A Re-Thinking, in: Accounting Education, Vol. 7, Nr. 4, S. 57-70. Innes, J./Mitchell, F. (1995): A Survey of Activity-Based Costing in the UK's Largest Companies, in: Management Accounting Research, Vol. 6, Nr. 2, S. 137-153. Isabella, L. A. (1990): Evolving Interpretations as a Change Unfolds: How Managers Construe Key Organizational Events, in: Academy of Management Journal, Vol. 33, Nr. 1, S. 7-41. Ittner, C. D./Larcker, D. F. (1998): Innovations in Performance Measurement: Trends and Research Implications, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 10, S. 205-238. Ittner, C. D./Larcker, D. F. (2003): Coming up Short on Nonfinancial Performance Measurement, in: Harvard Business Review, Vol. 81, Nr. 11, S. 88-95.
258
Literaturverzeichnis
Teil 0
Ittner, C. D./Larcker, D. F./Meyer, M. W. (1997): Performance, Compensation, and the Balanced Scorecard, Working Paper, University of Pennsylvania. Ittner, C. D./Larcker, D. F./Meyer, M. W. (2003): Subjectivity and the Weighting of Performance Measures: Evidence from a Balanced Scorecard, in: The Accounting Review, Vol. 78, Nr. 3, S. 725-758. Ittner, C. D./Larcker, D. F./Randall, T. (2003): Performance Implications of Strategic Performance Measurement in Financial Services Firms, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 28, Nr. 7/8, S. 715-741. Jelinek, M./Smircich, L./Hirsch, P. (1983): Introduction: A Code of Many Colors, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 28, Nr. 3, S. 331-338. Jermias, J. (2001): Cognitive Dissonance and Resistance to Change: The Influence of Commitment Confirmation and Feedback on Judgment Usefulness of Accounting Systems, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 26, Nr. 2, S. 141-160. Johanson, U./Skoog, M./Backlund, A./Almqvist, R. (2006): Balancing Dilemmas of the Balanced Scorecard, in: Accounting, Auditing and Accountability Journal, Vol. 19, Nr. 6, S. 842-857. Johnson, H. T./Kaplan, R. S. (1987): Relevance Lost. The Rise and Fall of Management Accounting, Boston. Joseph, G. (2006): Understanding Management Accounting Techniques in the Context of Organizational Change, in: Management Accounting Quarterly, Vol. 7, Nr. 4, S. 2432. Joshi, P. L. (2001): The International Diffusion of New Management Accounting Practices: The Case of India, in: Journal of International Accounting, Auditing & Taxation, Vol. 10, Nr. 1, S. 85-109. Judd, C. M./Smith, E. R./Kidder , L. H. (1991): Research Methods in Social Relations, 6. Aufl., Fort Worth et al. Judson, A. (1966): A Manager's Guide to Making Changes, London. Kald, M./Nilsson, F. (2000): Performance Measurement at Nordic Companies, in: European Management Journal, Vol. 18, Nr. 1, S. 113-127. Kaplan, R. S. (1986): The Role for Empirical Research in Management Accounting, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 11, Nr. 4/5, S. 429-452. Kaplan, R. S. (1993): Research Opportunities in Management Accounting, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 5, S. 1-14.
Teil 0
Literaturverzeichnis
259
Kaplan, R. S. (1998): Innovation Action Research: Creating New Management Theory and Practice, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 10, S. 89-118. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1992): The Balanced Scorecard - Measures that Drive Performance, in: Harvard Business Review, Vol. 70, Nr. 1, S. 71-79. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1993): Putting the Balanced Scorecard to Work, in: Harvard Business Review, Vol. 71, Nr. 5, S. 134-142. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1996a): The Balanced Scorecard. Translating Strategy into Action, Boston. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1996b): Linking the Balanced Scorecard to Strategy, in: California Management Review, Vol. 39, Nr. 1, S. 53-79. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1996c): Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System, in: Harvard Business Review, Vol. 74, Nr. 1, S. 75-85. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (2000): Having Trouble with Your Strategy? Then Map it, in: Harvard Business Review, Vol. 78, Nr. 5, S. 167-176. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (2001a): The Strategy-Focused Organization. How Balanced Scorecard Companies Thrive in the New Business Environment, Boston. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (2001b): Transforming the Balanced Scorecard from Performance Measurement to Strategic Management: Part I, in: Accounting Horizons, Vol. 15, Nr. 1, S. 87-104. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (2001c): Transforming the Balanced Scorecard from Performance Measurement to Strategic Management: Part II, in: Accounting Horizons, Vol. 15, Nr. 2, S. 147-160. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (2004): Strategy Maps. Converting Intangible Assets into Tangible Outcomes, Boston. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (2006a): Alignment. Using the Balanced Scorecard to Create Corporate Synergies, Boston. Kaplan, R. S./Norton, D. P. (2006b): How to Implement a New Strategy without Disrupting Your Organization, in: Harvard Business Review, Vol. 84, Nr. 3, S. 100-109. Kasurinen, T. (2002): Exploring Management Accounting Change: The Case of Balanced Scorecard Implementation, in: Management Accounting Research, Vol. 13, Nr. 3, S. 323-343.
260
Literaturverzeichnis
Teil 0
Keating, P. (1995): A Framework for Classifying and Evaluating the Theoretical Contributions of Case Research in Management Accounting, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 7, S. 66-86. Kerr, S. (1975): On the Folly of Rewarding A, while Hoping for B, in: Academy of Management Journal, Vol. 18, Nr. 4, S. 769-783. Kieser, A. (2000): Die Balanced Scorecard als Managementmode, in: Kostenrechnungspraxis, 44. Jhg., Sonderheft Nr. 2, S. 123-124. Kieser, A. (2002): Organisationstheorien, 5., unveränd. Aufl., Stuttgart. Kim, D. H. (1993): The Link between Individual and Organizational Learning, in: Sloan Management Review, Vol. 35, Nr. 1, S. 37-50. Kirk, J./Miller, M. L. (1986): Reliability and Validity in Qualitative Research, Band 1, Newbury Park et al. Kirsch, W. (1981): Über den Sinn der empirischen Forschung in der angewandten Betriebswirtschaftslehre, in: Witte, E. (Hrsg.): Der praktische Nutzen empirischer Forschung, Tübingen, S. 189-229. Kotter, J. P. (1995): Leading Change. Why Transformation Efforts Fail, in: Harvard Business Review, Vol. 73, Nr. 2, S. 59-67. Kotter, J. P. (1997): Chaos, Wandel, Führung. Leading Change, Düsseldorf. Kraimer, K. (1995): Einzelfallstudien, in: König, E./Zedler, P. (Hrsg.): Bilanz qualitativer Forschung. Band II: Methoden, Weinheim, S. 463-497. Kromrey, H. (2006): Empirische Sozialforschung, 11., überarb. Aufl., Stuttgart. Kron, R. G./Parvis-Trevisany, N./Schäffer, U. (2004): Zum Erfolg der Implementierung von Controllinginstrumenten, European Business School Working Paper on Management Accounting and Control No. 13, Oestrich-Winkel. Krüger, W. (1994): Umsetzung neuer Organisationsstrategien - Das Implementierungsproblem, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 46. Jhg., Sonderheft Nr. 33, S. 197-221. Kunda, G. (1992): Engineering Culture. Control and Commitment in a High-Tech Corporation, Philadelphia. Küßner, M. (1999): Überwindung von Implementierungsbarrieren, in: Zeitschrift für Planung und Unternehmenssteuerung, 10. Jhg., Nr. 3, S. 269-282.
Teil 0
Literaturverzeichnis
261
Kvale, S. (1996): InterViews. An Introduction to Qualitative Research Interviewing, Thousand Oaks et al. Labianca, G./Gray, B./Brass, D. J. (2000): A Grounded Model of Organizational Schema Change during Empowerment, in: Organization Science, Vol. 11, Nr. 2, S. 235-257. LaClair, J. A./Rao, R. P. (2002): Helping Employees Embrace Change, in: The McKinsey Quarterly, Vol. o., Nr. 4, S. 17-20. Lamnek, S. (2005): Qualitative Sozialforschung, 4., vollst. überarb. Aufl., Weinheim/Basel. Lawrence, S./Sharma, U. (2002): Commodification of Education and Academic Labour: Using the Balanced Scorecard in a University Setting, in: Critical Perspectives on Accounting, Vol. 13, Nr. 5/6, S. 661-677. Lawrie, G./Cobbold, I. (2004): Third-Generation Balanced Scorecard: Evolution of an Effective Strategic Control Tool, in: International Journal of Productivity and Performance Measurement, Vol. 53, Nr. 7, S. 611-623. Lawson, R./Stratton, W./Hatch, T. (2005): Scorecarding in North America: Moving towards a Best-Practices Framework, Part I, in: Journal of Cost Management, Vol. 19, Nr. 4, S. 25-34. Lawson, R./Stratton, W./Hatch, T. (2006a): Scorecarding Goes Global, in: Strategic Finance, Vol. 87, Nr. 9, S. 35-41. Lawson, R./Stratton, W./Hatch, T. (2006b): Scorecarding: Success or Failure? It's Your Call, in: CMA Management, Vol. 80, Nr. 7, S. 36-39. Lawson, R./Stratton, W./Hatch, T. (2006c): Strategic Focus - Does Your Scorecarding System Have it?, in: CMA Management, Vol. 80, Nr. 6, S. 35-39. Lebas, M. (1994): Managerical Accounting in France: Overview of Past Tradition and Current Practice, in: The European Accounting Review, Vol. 3, Nr. 3, S. 471-487. Lee, T. W. (1999): Using Qualitative Methods in Organizational Research, Thousand Oaks et al. Libby, T./Salterio, S./Webb, A. (2004): The Balanced Scorecard: The Effects of Assurance and Process Accountability on Managerial Judgement, in: The Accounting Review, Vol. 79, Nr. 4, S. 1075-1094.
262
Literaturverzeichnis
Teil 0
Lillis, A. M./Mundy, J. (2005): Cross-sectional Field Studies in Management Accounting Research - Closing the Gaps between Surveys and Case Studies, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 17, S. 119-141. Lingnau, V./Henseler, J./Jonen, A. (2004): Die Rolle des Controllings bei der Ein- und Weiterführung der Balanced Scorecard. Eine empirische Untersuchung, Beiträge zur Controlling-Forschung Nr. 7, Kaiserslautern. Lipe, M. G./Salterio, S. E. (2000): The Balanced Scorecard: Judgemental Effects of Common and Unique Performance Measures, in: The Accounting Review, Vol. 75, Nr. 3, S. 283-298. Lipe, M. G./Salterio, S. E. (2002): A Note on the Judgemental Effects of the Balanced Scorecard's Information Organization, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 27, Nr. 6, S. 531-540. Lok, P./Hung, R. Y./Walsh, P./Wang, P./Crawford, J. (2005): An Integrative Framework for Measuring the Extent to which Organizational Variables Influence the Success of Process Improvement Programmes, in: Journal of Management Studies, Vol. 42, Nr. 7, S. 1357-1381. Lord, B. R./Shanahan, Y. P./Gage, M. J. (2005): The Balanced Scorecard: A New Zealand Perspective, in: Pacific Accounting Review, Vol. 17, Nr. 1, S. 49-77. Louis, M. R. (1980): Surprise and Sense Making: What Newcomers Experience in Entering Unfamiliar Organizational Settings, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 25, Nr. 2, S. 226-251. Lukka, K. (2005): Approaches to Case Research in Management Accounting: The Nature of Empirical Intervention and Theory Linkage, in: Jönsson, S./Mouritsen, J. (Hrsg.): Accounting in Scandinavia. The Northern Lights, Kopenhagen, S. 375-399. Lukka, K./Kasanen, E. (1995): Methodological Themes. The Problem of Generalizability: Anecdotes and Evidence in Accounting Research, in: Accounting, Auditing and Accountability Journal, Vol. 8, Nr. 5, S. 71-90. Lumpkin, G. T./Dess, G. G. (1996): Clarifying the Entrepreneurial Orientation Construct and Linking it to Performance, in: Academy of Management Review, Vol. 21, Nr. 1, S. 135-172. Maiga, A. S./Jacobs, F. A. (2003): Balanced Scorecard, Activity-Based Costing and Company Performance: An Empirical Analysis, in: Journal of Managerial Issues, Vol. 15, Nr. 3, S. 283-301. Maisel, L. S. (1992): Performance Measurement: The Balanced Scorecard Approach, in: Journal of Cost Management, Vol. 6, Nr. 2, S. 47-52.
Teil 0
Literaturverzeichnis
263
Malhotra, Y./Galleta, D. (2005): A Multidimensional Commitment Model of Volitional Systems Adoption and Usage Behavior, in: Journal of Management Information Systems, Vol. 22, Nr. 1, S. 117-151. Malina, M. A./Selto, F. H. (2001): Communicating and Controlling Strategy: An Empirical Study of the Effectiveness of the Balanced Scorecard, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 13, S. 47-90. Malina, M. A./Selto, F. H. (2004): Causality in a Performance Measurement Model, Working Paper, University of Colorado, Boulder. Malmi, T. (1997): Towards Explaining Activity-Based Costing Failure: Accounting and Control in a Decentralized Organization, in: Management Accounting Research, Vol. 8, Nr. 4, S. 459-480. Malmi, T. (2001): Balanced Scorecard in Finnish Companies: A Research Note, in: Management Accounting Research, Vol. 12, Nr. 2, S. 207-220. March, J. G./Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable, in: Organization Science, Vol. 8, Nr. 6, S. 698-710. Markus, H./Zajonc, R. B. (1985): The Cognitive Perspective in Social Psychology, in: Lindzey, G./Aronson, E. (Hrsg.): The Handbook of Social Psychology, New York, S. 137-230. Markus, M. L./Pfeffer, J. (1983): Power and the Design and Implementation of Accounting and Control Systems, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 8, Nr. 2/3, S. 205-218. Marr, B. (2001): Scored for Life, in: Financial Management, o. Jhg., April 2001, S. 30. Marr, B. (2005): Business Performance Measurement: An Overview of the Current State of Use in the USA, in: Measuring Business Excellence, Vol. 9, Nr. 3, S. 56-62. Mayring, P. (2001): Kombination und Integration qualitativer und quantitativer Analysen, Forum Qualitative Sozialforschung, letzter Zugriff am 18.03.2007, http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/1-01/1-01mayring-d.htm. Mayring, P. (2002): Einführung in die qualitative Sozialforschung, 5., neu ausgest. Aufl., Weinheim. McGowan, A. S./Klammer, T. P. (1997): Satisfaction with Activity-Based Cost Management Implementation, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 9, S. 217-237.
264
Literaturverzeichnis
Teil 0
McIlwee, J. S./Robinson, J. G. (1992): Women in Engineering. Gender, Power, and Workplace Culture, Albany. Merchant, K. (1984): Influences on Departmental Budgeting: An Empirical Examination of a Contingency Model, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 9, Nr. 3/4, S. 291-307. Metzger, W. (1975): Psychologie, 5. Aufl., Darmstadt. Metzger, W. (1986): Gestaltpsychologie - Ausgewählte Werke aus den Jahren 1950 bis 1982, herausgegeben und eingeleitet von Michael Stadler und Heinrich Craubs, Frankfurt a.M. Meyer, J.-A. (2003): Die Fallstudie in der betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 32. Jhg., Nr. 8, S. 475-479. Meyer, M. (2005): Akteursmodell und ökonomischer Ansatz - Eine Verhältnisbestimmung, WHU-Forschungspapier Nr. 106, Vallendar. Meyer, M./Heine, B.-O. (2005): Motivation und Einordnung des "Akteursmodells" Überlegungen zur Integration von Anreizen und Kognition in der betriebswirtschaftlichen Forschung, WHU-Forschungspapier Nr. 105, Vallendar. Miles, M. B. (1979): Qualitative Data as an Attractive Nuisance - The Problem of Analysis, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 24, Nr. 4, S. 590-601. Miles, R. W./Snow, C. C. (1978): Organizational Strategy, Structure and Process, New York. Miller, G. A. (1956): The Magical Number Seven, Plus or Minus Two: Some Limits on our Capacity for Processing Information, in: The Psychological Review, Vol. 63, Nr. 2, S. 81-97. Miller, S. (1997): Implementing Strategic Decisions: Four Key Success Factors, in: Organization Studies, Vol. 18, Nr. 4, S. 577-602. Modell, S. (2005): Triangulation between Case Study and Survey Methods in Management Accounting Research: An Assessment of Validity Implications, in: Management Accounting Research, Vol. 16, Nr. 2, S. 231-254. Mooraj, S./Oyon, D./Hostettler, D. (1999): The Balanced Scorecard: A Necessary Good or an Unnecessary Evil?, in: European Management Journal, Vol. 17, Nr. 5, S. 481-491.
Teil 0
Literaturverzeichnis
265
Müller-Böling, D./Klandt, H. (1996): Methoden empirischer Wirtschafts- und Sozialforschung. Eine Einführung mit wirtschaftswissenschaftlichem Schwerpunkt, 3. Aufl., Köln/Dortmund. Nadler, D. A./Tushman, M. L. (1997): Competing by Design, New York. Newcomb, T. M. (1968): Interpersonal Balance, in: Abelson, R. P. (Hrsg.): Theories of Cognitive Consistency, Chicago, S. 28-51. Nicolai, A./Kieser, A. (2002): Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs, in: Die Betriebswirtschaft, 62. Jhg., Nr. 6, S. 579-596. Nilsson, F./Olve, N.-G. (2001): Control Systems in Multibusiness Companies: From Performance Management to Strategic Management, in: European Management Journal, Vol. 19, Nr. 4, S. 344-358. Noble, C. H. (1999): The Eclectic Roots of Strategy Implementation Research, in: Journal of Business Research, Vol. 45, Nr. 2, S. 119-134. Nørreklit, H. (2000): The Balance on the Balanced Scorecard - A Critical Analysis of some of its Assumptions, in: Management Accounting Research, Vol. 11, Nr. 1, S. 6588. Nørreklit, H. (2003): The Balanced Scorecard: What is the Score? A Rethorical Analysis of the Balanced Scorecard, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 28, Nr. 6, S. 591-619. Nørreklit, L./Nørreklit, H./Israelsen, P. (2006): The Validity of Management Control Topoi - Towards Constructivist Pragmatism, in: Management Accounting Research, Vol. 17, Nr. 1, S. 42-71. Norton, D. P./Kappler, F. (2000): Balanced Scorecard Best Practices. Trends and Research Implications, in: Controlling, 12. Jhg., Nr. 1, S. 15-22. O'Reilly, C./Chatman, J./Caldwell, D. (1991): People and Organizational Culture: A Profile Comparison Approach to Assessing Person-Organization Fit, in: Academy of Management Journal, Vol. 34, Nr. 3, S. 487-516. Oke, A. (2004): Barriers to Innovation Management in Service Companies, in: Journal of Change Management, Vol. 4, Nr. 1, S. 31-44. Olson, E. M./Slater, S. F. (2002): The Balanced Scorecard, Competitive Strategy, and Performance, in: Business Horizons, Vol. 45, Nr. 3, S. 11-16.
266
Literaturverzeichnis
Teil 0
Olve, N.-G./Petri, C.-J./Roy, J./Roy, S. (2004): Twelve Years later: Understanding and Realizing the Value of Balanced Scorecards, in: Ivey Business Journal, Vol. 68, Nr. 5, S. 1-7. Ortmann, G./Sydow, J./Windeler, A. (1997): Organisation als reflexive Strukturation, in: Ortmann, G./Sydow, J./Türk, K. (Hrsg.): Theorien der Organisation. Die Rückkehr der Organisation, Opladen, S. 315-354. Otley, D. T. (1980): The Contingency Theory of Management Accounting: Achievement and Prognosis, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 5, Nr. 4, S. 413428. Otley, D. T. (1999): Performance Management: A Framework for Management Control Systems Research, in: Management Accounting Research, Vol. 10, Nr. 4, S. 363-382. Otley, D. T. (2001): Extending the Boundaries of Management Accounting Research: Developing Systems for Performance Management, in: British Accounting Review, Vol. 33, Nr. 3, S. 243-261. Otley, D. T. (2003): Management Control and Performance Management: Whence and Whither?, in: The British Accounting Review, Vol. 35, Nr. 4, S. 309-326. Otley, D. T./Berry, A. J. (1998): Case Study Research in Management Accounting and Control, in: Accounting Education, Vol. 7, Nr. 4, S. S105-S127. Pandey, I. M. (2005): Balanced Scorecard: Myth and Reality, in: Vikalpa, Vol. 30, Nr. 1, S. 51-66. Papalexandris, A./Ioannou, G./Prastacos, G. (2004): Implementing the Balanced Scorecard in Greece: A Software Firm's Experience, in: Long Range Planning, Vol. 37, Nr. 4, S. 351-366. Papalexandris, A./Ioannou, G./Prastacos, G./Soderquist, K. E. (2005): An Integrated Methodology for Putting the Balanced Scorecard into Action, in: European Management Journal, Vol. 23, Nr. 2, S. 214-227. Parkhe, A. (1993): "Messy" Research, Methodological Predispositions, and Theory Development in International Joint Ventures, in: Academy of Management Review, Vol. 18, Nr. 2, S. 227-268. Parvis-Trevisany, N. (2006): Implementierung von Controllinginstrumenten. Identifkation und Überwindung von Implementierungsbarrieren, Wiesbaden.
Teil 0
Literaturverzeichnis
267
Parvis-Trevisany, N./Schäffer, U. (2006): Barrieren im Prozeß der Implementierung von Controllinginstrumenten, in: Zeitschrift für Controlling und Innovationsmanagement, 1. Jhg., Nr. 2, S. 69-78. Paulsen, K. (2001): Bringing the Score Up - By Taking it Down, in: Agency Sales, Vol. 31, Nr. 9, S. 15-17. Perlitz, M. (1998): Unternehmen durch Performance Measurement erfolgreich machen, in: Gabler's Magazin, 13. Jhg., Nr. 2, S. 6-10. Perren, L./Ram, M. (2004): Case-Study Method in Small Business and Entrepreneurial Research: Mapping Boundaries and Perspectives, in: International Small Business Journal, Vol. 22, Nr. 1, S. 83-101. Peter, J. P. (1979): Reliability: A Review of Psychometric Basics and Recent Marketing Practices, in: Journal of Marketing Research, Vol. 16, Nr. 1, S. 6-17. Petersen, T. (2002): Das Feldexperiment in der Umfrageforschung, Frankfurt a. M. Pfaff, D./Kunz, A. H./Pfeiffer, T. (2000): Zu Risiken und Nebenwirkungen eines Ausbaus der Balanced Scorecard vom Planungs- zum Anreizinstrument, in: Kostenrechnungspraxis, 44. Jhg., Sonderheft Nr. 2, S. 129-132. Piaget, J. (1974): Psychologie der Intelligenz, 6. Aufl., Opladen/Freiburg. Piderit, S. K. (2000): Rethinking Resistance and Recognizing Ambivalence: A Multidimensional View of Attitudes toward an Organizational Change, in: Academy of Management Review, Vol. 25, Nr. 4, S. 783-794. Platt, J. (1992): Case Study in American Methodological Thought, in: Current Sociology, Vol. 40, Nr. 1, S. 17-48. Poole, P. P./Gioia, D. A./Gray, B. (1989): Influence Modes, Schema Change, and Organizational Transformation, in: The Journal of Applied Behavioural Science, Vol. 25, Nr. 3, S. 271-289. Popper, K. R. (2000): Die Autonomie der Soziologie, in: Miller, D. (Hrsg.): Karl R. Popper. Lesebuch: Ausgewählte Texte zu Erkenntnistheorie, Philosophie der Naturwissenschaften, Metaphysik, Sozialphilosophie, Tübingen, S. 337-349. Porter, M. E. (1980): Competitive Strategy. Techniques for Analyzing Industries and Competitors, New York. Pritsch, G. (2000): Realoptionen als Controllinginstrument, Wiesbaden.
268
Literaturverzeichnis
Teil 0
PwC (Hrsg.)(2001): Die Balanced Scorecard im Praxistest: Wie zufrieden sind Anwender?, Frankfurt a. M. Quattrone, P./Hopper, T. (2001): What Does Organizational Change Mean? Speculations on a Taken for Granted Category, in: Management Accounting Research, Vol. 12, Nr. 4, S. 403-435. Rautenstrauch, T./Müller, C. (2006): Strategisches Controlling in mittelständischen Unternehmen, in: Controller Magazin, 31. Jhg., Nr. 3, S. 226-229. Reger, R. K./Mullane, J. V. (1994): Creating Earthquakes to Change Organizational Mindsets, in: Academy of Management Executive, Vol. 8, Nr. 4, S. 31-43. Ribeiro, J. A./Scapens, R. W. (2006): Institutional Theories in Management Accounting Change - Contributions, Issues and Paths for Development, in: Qualitative Research in Accounting & Management, Vol. 3, Nr. 2, S. 94-111. Richardson, S. (2004): The Key Elements of Balanced Scorecard Success, in: Ivey Business Journal, Vol. 69, Nr. 2, S. 7-9. Riemenschneider, F. (2001): Implementierung integrierter Managementsysteme. Erfolgsfaktoren für die Unternehmenspraxis, Wiesbaden. Rigby, D. (1998): What’s Today’s Special at the Consultant’s Café?, in: Fortune, Vol. o., Nr. 9, S. 86-70. Rigby, D. (2001): Management Tools and Techniques: A Survey, in: California Management Review, Vol. 43, Nr. 2, S. 139-160. Rigby, D. (2003): Management Tools Survey 2003. Usage up as Companies Strive to Make Headway in Tough Times, in: Strategy & Leadership, Vol. 31, Nr. 5, S. 4-11. Roberts, M. L./Albright, T. L./Hibbets, A. R. (2002): Improving Utilization of Unique Measures in the Balanced Scorecard, Working Paper, The University of Alabama. Roberts, M. L./Albright, T. L./Hibbets, A. R. (2004): Debiasing Balanced Scorecard Evaluations, in: Behavioral Research in Accounting, Vol. 16, S. 75-88. Roberts, M. W./Silvester, K. J. (1996): Why ABC Failed and how it May yet Succeed, in: Journal of Cost Management, Vol. 10, Nr. 9, S. 23-35. Roll, M. (2003): Fallstudien als Instrument der Controllingforschung. Ein Überblick zu ihrer Einordnung, Beurteilung und Durchführung, in: Zeitschrift für Controlling und Management, 47. Jhg., Nr. 5, S. 315-317.
Teil 0
Literaturverzeichnis
269
Salterio, S./Webb, A. (2003): The Balanced Scorecard, in: CA Magazine, Vol. 136, Nr. 6, S. 39-41. Samtleben, M./Müller, A./Hess, T. (2005): Unterstützung der Balanced Scorecard durch Informationstechnologie: Eine Bestandsaufnahme für den deutschsprachigen Raum, in: Zeitschrift für Controlling & Management, 49. Jhg., Nr. 6, S. 400-407. Sandt, J. (2004): Management mit Kennzahlen und Kennzahlensystemen. Bestandsaufnahme, Determinanten und Erfolgsauswirkungen, Wiesbaden. Sapolsky, H. M. (1972): The Polaris System Development, Boston. Scapens, R. W. (1990): Researching Management Accounting Practice: The Role of Case Study Methods, in: British Accounting Review, Vol. 22, Nr. 3, S. 259-281. Scapens, R. W. (2006): Understanding Management Accounting Practices. A Personal Journey, in: British Accounting Review, Vol. 38, Nr. 1, S. 1-30. Schachner, M./Speckbacher, G./Wentges, P. (2006): Steuerung mittelständischer Unternehmen: Größeneffekte und Einfluss der Eigentums- und Führungsstruktur, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 76. Jhg., Nr. 6, S. 589-614. Schäffer, U. (1996): Controlling für selbstabstimmende Gruppen?, Wiesbaden. Schäffer, U. (2001): Kontrolle als Lernprozess, Wiesbaden. Schäffer, U./Brettel, T. (2005): Ein Plädoyer für Fallstudien, in: Zeitschrift für Controlling und Management, 49. Jhg., Nr. 1, S. 43-46. Schäffer, U./Kron, R. G./Parvis-Trevisany, N. (2005): Theorie ökonomischer Akteure als Basis für die Modellierung von Implementierungsprozessen - Vorschläge zur Erweiterung des Akteursmodells, European Business School Working Paper on Management Accounting and Control No. 21, Oestrich-Winkel. Schäffer, U./Steiners, D. (2003): Zum Begriff des Controllinginstruments, European Business School Working Paper on Management Accounting and Control No. 6, Oestrich-Winkel. Schäffer, U./Steiners, D. (2005): ZP-Stichwort: Controllinginstrumente, in: Zeitschrift für Planung und Unternehmenssteuerung, 16. Jhg., Nr. 1, S. 115-120. Schäffer, U./Zyder, M. (2003): Beyond Budgeting - ein neuer Management Hype?, in: Zeitschrift für Controlling & Management, 47. Jhg., Sonderheft Nr. 1, S. 101-110. Schanz, G. (1988): Methodologie für Betriebswirte, 2., überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart.
270
Literaturverzeichnis
Teil 0
Schein, E. H. (1996): Three Cultures of Management: The Key to Organizational Learning, in: Sloan Management Review, Vol. 38, Nr. 1, S. 9-20. Schein, E. H. (2004): Organizational Culture and Leadership, 3. Aufl., San Francisco. Scheytt, T./Soin, K. (2002): Accounting Complexity - Making Sense of Sensemaking in the Implementation Process of Management Accounting Systems, Critical Perspectives on Accounting Conference, Baruch College, City University of New York. Schick, A. G./Gordon, L. A./Haka, S. (1990): Information Overload: A Temporal Approach, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 15, Nr. 3, S. 199-220. Schwarz, N. (1985): Theorien konzeptgesteuerter Informationsverarbeitung in der Sozialpsychologie, in: Frey, D./Irle, M. (Hrsg.): Theorien der Sozialpsychologie, Band III: Motivations- und Informationsverarbeitungstheorien, Bern et al., S. 269-291. Shields, M. D. (1995): An Empirical Analysis of Firms' Implementation Experiences with Activity-Based Costing, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 7, S. 148-166. Shields, M. D. (1997): Research in Management Accounting by North Americans in the 1990s, in: Journal of Management Accounting Research, Vol. 9, S. 3-61. Silk, S. (1998): Automating the Balanced Scorecard, in: Management Accounting, Vol. 79, Nr. 11, S. 38. Simonis, A. (2001): Gestalttheorie von Goethe bis Benjamin. Diskursgeschichte einer deutschen Denkfigur, Köln. Simons, R. (1995): Levers of Control. How Managers Use Innovative Control Systems to Drive Strategic Renewal, Boston. Slevin, D. P./Covin, J. G. (1990): Juggling Entrepreneurial Style and Organizational Structure - How to Get Your Act Together, in: Sloan Management Review, Vol. 31, Nr. 2, S. 43-53. Soltani, E./Lai, P.-C./Gharneh, N. S. (2005): Breaking through Barriers to TQM Effectiveness: Lack of Commitment of Upper-Level Management, in: Total Quality Management & Business Excellence, Vol. 16, Nr. 8/9, S. 1009-1021. Speckbacher, G./Bischof, J. (2000): Die Balanced Scorecard als innovatives Managementsystem, in: Die Betriebswirtschaft, 60. Jhg., Nr. 6, S. 795-810. Speckbacher, G./Bischof, J./Pfeiffer, T. (2003): A Descriptive Analysis on the Implementation of Balanced Scorecards in German-Speaking Countries, in: Management Accounting Research, Vol. 14, Nr. 4, S. 361-387.
Teil 0
Literaturverzeichnis
271
Sprinkle, G. B. (2003): Perspectives on Experimental Research in Managerial Accounting, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 28, Nr. 2/3, S. 287-318. Stachowiak, H. (1973): Allgemeine Modelltheorie, Wien/New York. Stake, R. E. (1995): The Art of Case Study Research, Thousand Oaks. Stake, R. E. (2000): Case Sudies, in: Denzin, N. K./Lincoln, Y. S. (Hrsg.): Handbook of Qualitative Research, 2. Aufl., Thousand Oaks et al. , S. 435-454. Stapf, K. H. (1999): Laboruntersuchungen, in: Roth, E./Heidenreich, K. (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Methoden. Lehr- und Handbuch für Forschung und Praxis, München, S. 228-244. Steinke, I. (2004): Gütekriterien qualitativer Forschung, in: Flick, U./von Kardorff, E./Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung, Reinbek b. Hamburg, S. 319-331. Stelzl, I. (1999): Experiment, in: Roth, E./Heidenreich, K. (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Methoden. Lehr- und Handbuch für Forschung und Praxis, München, S. 108-125. Stier, W. (1999): Empirische Forschungsmethoden, 2. Aufl., Berlin et al. Taylor, W. A./Wright, G. H. (2003): A Longitudinal Study of TQM Implementation: Factors Influencing Success and Failure, in: Omega, Vol. 31, Nr. 2, S. 97-111. Tieke, R./Landgraf, F. (1998): Neue Instrumente für neue Sicht, in: is report, 3. Jhg., Nr. 4, S. 10-11. Tomschi, P./Bauer, R./Klenk, P./Szinovatz, A. (2002): Die Balanced Scorecard im Scheinwerferlicht - Ergebnisse einer empirischen Studie im deutschsprachigen Raum, in: risknews, o. Jhg., Nr. 5, S. 23-27. Töpfer, A./Lindstädt, G./Förster, K. (2002): Balanced Score Card. Hoher Nutzen trotz zu langer Einführungszeit, in: Controlling, 14. Jhg., Nr. 2, S. 79-84. Towers-Perrin (1996): Inside "the Balanced Scorecard", in: Compuscan Report, o. Jhg., Nr. 1, S. 1-5. Tuomela, T.-S. (2005): The Interplay of Different Levers of Control: A Case Study of Introducing a New Performance Measurement System, in: Management Accounting Research, Vol. 16, Nr. 3, S. 293-320. Vaus, D. d. (2001): Research Design in Social Research, Thousand Oaks et al.
272
Literaturverzeichnis
Teil 0
VDA (2007): Deutsche Automobilindustrie erhöht ihre Wettbewerbsfähigkeit, letzter Zugriff am 01.04.2007, http://www.vda.de/de/aktuell/statistik/auto+wirtschaft/ schluesselbranche.html. Venkatraman, G./Gering, M. (2000): The Balanced Scorecard, in: Ivey Business Journal, Vol. 64, Nr. 3, S. 10-13. Voss, C./Tsikriktsis, N./Frohlich, M. (2002): Case Research in Operations Management, in: International Journal of Operaitons and Production Management, Vol. 22, Nr. 2, S. 195-219. Wagner, S. W./Kaufmann, L. (2004): Overcoming the Main Barriers in Initiating and Using Purchasing-BSCs, in: Journal of Purchasing and Supply Management, Vol. 10, Nr. 6, S. 269-281. Walgenbach, P. (2001): Giddens' Theorie der Strukturation, in: Kieser, A. (Hrsg.): Organisationstheorien, 4., unveränd. Aufl., S. 355-375. Walker, O./Ruekert, R. (1987): Marketing's Role in the Implementation of Business Strategies, in: Journal of Marketing, Vol. 51, Nr. 3, S. 15-33. Wall, F. (2001): Ursache-Wirkungsbeziehungen als ein zentraler Bestandteil der Balanced Scorecard. Möglichkeiten und Grenzen ihrer Gewinnbarkeit, in: Controlling, 13. Jhg., Nr. 2, S. 65-74. Wallenburg, C. M./Weber, J. (2006): Ursache-Wirkungsbeziehungen der Balanced Scorecard - Empirische Erkenntnisse zu ihrer Existenz, in: Zeitschrift für Controlling & Management, 50. Jhg., Nr. 4, S. 245-256. Waterhouse, J. H./Tiessen, P. (1978): A Contingency Framework for Management Accounting Systems Research in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 3, Nr. 1, S. 65-76. Weber, J. (2000): Balanced Scorecard - Management-Innovation oder alter Wein in neuen Schläuchen, in: Kostenrechnungspraxis, 44. Jhg., Sonderheft Nr. 2, S. 5-15. Weber, J. (2002): Einführung in das Controlling, 9., kompl. überarb. Aufl., Stuttgart. Weber, J./Bramsemann, U./Heineke, C./Hirsch, B. (2004): Wertorientierte Unternehmenssteuerung. Konzepte - Implementierung - Praxisstatements, Wiesbaden. Weber, J./Brettel, M./Schäffer, U. (1996): Gedanken zur Unternehmensführung, WHU Forschungspapier Nr. 35, Vallendar. Weber, J./Grothe, M./Schäffer, U. (2000): ZP-Stichwort: Mentale Modelle, in: Zeitschrift für Planung und Unternehmenssteuerung, 11. Jhg., Nr. 2, S. 239-244.
Teil 0
Literaturverzeichnis
273
Weber, J./Grothe, M./Schäffer, U. (2001): Mentale Modelle, in: Weber, J./Schäffer, U. (Hrsg.): Rationalitätssicherung der Führung. Beiträge zu einer Theorie des Controlling, Wiesbaden, S. 105-111. Weber, J./Radtke, B./Schäffer, U. (2006): Erfahrungen mit der Balanced Scorecard Revisited, Schriftenreihe Advanced Controlling, Band 50, Weinheim. Weber, J./Schäffer, U. (1998): Balanced Scorecard - Gedanken zur Einordnung des Konzepts in das bisherige Controlling-Instrumentarium, in: Zeitschrift für Planung, Vol. 9, Nr. 4, S. 341-365. Weber, J./Schäffer, U. (2000a): Balanced Scorecard & Controlling. Implementierung Nutzen für Manager und Controller - Erfahrungen in deutschen Unternehmen, 3. überarb. Aufl., Wiesbaden. Weber, J./Schäffer, U. (2000b): Einführung der Balanced Scorecard - 8 Erfolgsfaktoren, in: Controller Magazin, 25. Jhg., Nr. 1, S. 3-7. Weber, J./Schäffer, U. (2006): Einführung in das Controlling, 11., vollst. überarb. Aufl., Stuttgart. Weber, W./Mayrhofer, W./Nienhüser, W./Rodehuth, M./Rüther, B. (1994): Betriebliche Bildungsentscheidungen, Entscheidungsverläufe und Entscheidungsergebnisse, München. Welsch, E. (2002): Dealing with Data: Using NVivo in the Qualitative Data Analysis Process, Forum Qualitative Sozialforschung, letzter Zugriff am 18.03.2007, http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-02/2-02welsh-e.htm. Wenisch, S. (2004): The Diffusion of a Balanced Scorecard in a Divisionalized Firm Adoption and Implementation in a Practical Context, Dissertation, Unviersität Umeå. Wildavsky, A. (1978): Policy Analysis is what Information Systems Are not, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 3, Nr. 1, S. 77-88. Williams, S. (2001): Drive Your Business Forward with the Balanced Scorecard, in: Management Services, Vol. 45, Nr. 6, S. 28-30. Wong-On-Wing, B./Guo, L./Li, W./Yang, D. (2007): Reducing Conflict in Balanced Scorecard Evaluations, in: Accounting, Organizations and Society, Vol. 32, Nr. 4/5, S. 363-377. Wood, W. (2000): Attitude Change: Persuasion and Social Influence, in: Annual Review of Psychology, Vol. 51, Nr. 1, S. 539-570.
274
Literaturverzeichnis
Teil 0
Yin, R. K. (1981): The Case Study Crisis: Some Answers, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 26, Nr. 1, S. 58-65. Yin, R. K. (1984): Case Study Research. Design and Methods, Beverly Hills. Yin, R. K. (2003): Case Study Research. Design and Methods, 3. Aufl., Thousand Oaks et al. Zaltman, G./Duncan, R. (1977): Strategies for Planned Change, Toronto. Zaugg, R. J. (2002): Fallstudien als Forschungsdesign der Betriebswirtschaftslehre. Anleitung zur Erarbeitung von Fallstudien, Arbeitspapier Nr. 58, Institut for Organisation und Personal der Universität Bern, Bern. Zdrowomylsaw, N./Eckern, V.v./Meißner, A. (2003): Akzeptanz und Verbreitung der BSC, in: Betrieb und Wirtschaft, 57. Jhg., Nr. 9, S. 356-358. Zimbardo, P. G./Gerrig, R. J. (2004): Psychologie, 16., aktual. Aufl., München et al. Zimmermann, G./Jöhnk, T. (2000): Ein empirisches Schlaglicht, in: Controlling, 12. Jhg., Nr. 12, S. 601-606. Zühlke, J. P. (2007): Die Verbreitung von Wissen zu Controlling-Instrumenten, Wiesbaden.