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Vorwort
V
Revision
Vorwort
Vorwort Das Vergaberecht hat eine rasante Entwicklung hin zu einem zentralen Gebiet des öffentlichen Wirtschaftsrechts erlebt; der rasche Veränderungsprozess geht ungebrochen weiter. Rechtspolitisch ist er allerdings nicht unumstritten. Zwar stehen die grundlegenden Strukturen des Vergaberechts sowie seine Notwendigkeit an sich außer Streit. Doch insbesondere die Ausdehnung des Vergaberechts mit seinen spezifisch ökonomischen Zielsetzungen auf Bereiche öffentlicher Leistungserbringung und Leistungssicherung außerhalb des Kernbereichs klassischer Beschaffungsvorgänge birgt die Gefahr, dass das Vergaberecht dort seine legitimierende Rationalität verliert. Hohe Transaktionskosten stellen zudem die ökonomische Begründung in Frage. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich der tragenden Zielsetzungen des Vergaberechts zu vergewissern: Was kann es warum leisten und wofür ist es das geeignete rechtliche Instrument? Zur Beantwortung dieser Fragen soll der vorliegende Grundriss beitragen. Dass er dabei vor allem das Ziel einer systematischen Einführung in das österreichische und europäische Vergaberecht verfolgt, liegt auf der Hand. Dieses Lehrbuch ist aus einem gleichnamigen Skriptum gewissermaßen „herausgewachsen“ und begleitend zu einer Lehrveranstaltung entstanden, die am Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht (IOER) an der Wirtschaftsuniversität Wien angeboten wird. Sein Ziel ist eine systematische Darstellung des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe, die die grundlegenden Regelungsstrukturen des Vergaberechts aufzeigt. In diesem Sinn haben wir uns insbesondere bemüht, auch die hinter den Einzelregelungen stehenden grundsätzlichen ökonomischen und politischen Zielsetzungen des europäischen und österreichischen Vergaberechts deutlich zu machen. Zahlreiche Fälle und Beispiele sollen im jeweiligen sachlichen Zusammenhang das Zusammenwirken der Zielsetzungen und Instrumente des Vergaberechts vom konkreten Einzelfall her vermitteln. Weiters haben wir versucht, komplexe Regelungszusammenhänge durch graphische Elemente unterstützend aufzubereiten und durch tabellarische Darstellungen übersichtlicher zu gestalten. Die im Anhang enthaltenen Hinweise auf Literatur und Informationen im www runden den vorliegenden Grundriss ab. Für ihre Unterstützung haben wir Dr. Martina Weinhandl, die an dem zugrundeliegenden Skriptum als Mitautorin beteiligt war, auch weiterhin herzlichst zu danken. Dr. Peter Sander leistete bei der graphischen Aufbereitung, Mag. Claudia Hanslik in redaktionellen Belangen maßgebliche
VI
Vorwort
Hilfestellung. Das als Verein organisierte Institut für Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsrecht hat die Arbeiten nachhaltig unterstützt. Über Anregungen und Kritik würden wir uns sehr freuen! Michael Holoubek/Claudia Fuchs/Kerstin Holzinger
Inhaltsverzeichnis
VII
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis I. Grundfragen und Struktur des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe .............................................................................................. A. Beschaffungswesen und Vergaberecht .................................................. B. Der Staat als Nachfrager am Markt ........................................................ C. Notwendigkeit rechtlicher Vorgaben für die öffentliche Auftragsvergabe .................................................................................................... 1. Effizienzargumente ........................................................................... 2. Rechtsschutzargumente .................................................................... 3. Zusammenspiel von Effizienz- und Rechtsschutzargumenten ....... D. Funktionsweise und Zielsetzungen des Vergabeverfahrens................. E. Wirtschaftliche Bedeutung ..................................................................... F. Was sind „öffentliche Aufträge“? ............................................................ G. Öffentliche Auftragsvergabe als privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates......................................................................................................
1 1 1 3 3 6 8 9 10 11 12
II. Die öffentliche Auftragsvergabe im europäischen Kontext ........... A. Grundlagen ............................................................................................. B. Primärrechtliche Vorgaben ..................................................................... 1. Allgemeines ....................................................................................... 2. Die Rechtsgrundlagen des EGV ....................................................... 3. Die aus dem EG-Primärrecht abgeleiteten Grundanforderungen für Auftragsvergaben......................................................................... C. Harmonisierung des Vergaberechts durch Vergaberichtlinien ............. D. Richtlinien über das Verfahren der Auftragsvergabe ............................ E. Rechtsmittelrichtlinien ............................................................................ F. Persönlicher Geltungsbereich der Vergaberichtlinien........................... G Konsequenzen für das österreichische Recht .......................................
14 14 15 15 16 18 19 21 21 24 25
III. Völkerrechtliche Grundlagen ................................................................ A. Agreement on Government Procurement (GPA) .................................. B. Weitere völkerrechtliche Rechtsgrundlagen ..........................................
27 27 28
IV. Das österreichische Vergaberecht ........................................................ A. Kompetenzrechtliche Grundlagen ......................................................... B. Das BVergG 2006.................................................................................... 1. Persönlicher Geltungsbereich........................................................... a) Entwicklung des Auftraggeberbegriffs ........................................ b) Klassische öffentliche Auftraggeber ............................................ c) Einrichtungen des öffentlichen Rechts........................................ (1) (Teil-) Rechtsfähigkeit............................................................. (2) Im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art ................................................................................. (a) Aufgaben im Allgemeininteresse .....................................
30 30 32 33 35 37 37 39 39 40
VIII
Inhaltsverzeichnis
(b) Aufgaben nicht gewerblicher Art .................................... (c) Besonderer Gründungszweck.......................................... (3) Staatliche Beherrschung......................................................... (a) Überwiegende staatliche Finanzierung ........................... (b) Leitungsaufsicht ................................................................ (c) Zusammensetzung der Organe ........................................ (d) Zusammenspiel der Beherrschungskriterien .................. d) Sektorenauftraggeber ................................................................... (1) Tätigkeitsbezogene Auftraggeberdefinition .......................... (2) Auftraggebertypen .................................................................. (3) Doppelnatur öffentlicher Auftraggeber ................................. e) Sonstige Auftraggeber .................................................................. 2. Der sachliche Geltungsbereich ........................................................ a) Umfassender Geltungsbereich..................................................... b) Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge ................................... c) Gemischte Aufträge ...................................................................... d) Entgeltlichkeit ............................................................................... e) Vergabe nicht-prioritärer Dienstleistungen ................................. f) Vergabe von Konzessionsverträgen............................................. (1) Baukonzessionsverträge ......................................................... (2) Dienstleistungskonzessionsverträge ...................................... (3) Anwendungsfelder.................................................................. g) Ausnahmen vom Geltungsbereich .............................................. h) Inhouse-Vergaben......................................................................... (1) „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“ ............................ (2) „Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber“ ...................................................................................... i) Schwellenwerte.............................................................................
41 44 45 46 48 49 49 50 51 53 54 54 54 56 58 60 62 62 63 63 64 66 67 69 71
V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG ........................................... A. Grundsätze des Vergabeverfahrens ....................................................... 1. Freier, fairer und lauterer Wettbewerb............................................. 2. Gleichbehandlungsgebot.................................................................. 3. Transparenzgebot.............................................................................. 4. Vorarbeiten ........................................................................................ 5. Vergabe an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer............................................................................................... 6. Vergabe zu angemessenen Preisen.................................................. 7. Tatsächliche Absicht zur Auftragsvergabe ....................................... 8. Berücksichtigung „vergabefremder“ Kriterien ................................. B. Arten und Wahl der Vergabeverfahren.................................................. 1. Vergabeverfahrensarten .................................................................... 2. Ein- und zweistufige Vergabeverfahren........................................... 3. Offenes Verfahren ............................................................................. 4. Nicht offenes Verfahren .................................................................... a) Nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung ........ b) Nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung....... 5. Verhandlungsverfahren..................................................................... a) Struktur und Wahl des Verhandlungsverfahrens........................ b) Exkurs: Geistige Dienstleistungen .............................................. 6. Rahmenvereinbarung........................................................................ 7. Dynamisches Beschaffungssystem................................................... 8. Wettbewerblicher Dialog ..................................................................
78 78 79 81 82 83
74 75
84 85 85 86 89 89 89 91 92 93 94 94 95 97 97 99 99
Inhaltsverzeichnis
IX
9. Direktvergabe .................................................................................... 10. Elektronische Auktion....................................................................... 11. Wettbewerb ....................................................................................... C. Überblick: Wahl der Vergabeverfahrensart............................................ 1. Wahlmöglichkeiten im OSB (vereinfachte Zusammenfassung) ..... 2. Zusätzliche Wahlmöglichkeiten im USB (vereinfachte Zusammenfassung) .................................................... D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens ........................... 1. Bekanntmachung .............................................................................. 2. Ausschreibung der Leistung und Ausschreibungsunterlagen......... a) Leistungsbeschreibung ................................................................. b) Bestimmungen über den Leistungsvertrag.................................. c) Anforderungen an die Eignung der Bieter ................................. d) Alternativ, Abänderungs- und Variantenangebot........................ e) Subunternehmerleistungen .......................................................... f) Angebotsfrist – Teilnahmefrist – Zuschlagsfrist .......................... g) Zuschlagsprinzip und Zuschlagskriterien ................................... h) Vadium .......................................................................................... i) Bindung an die Ausschreibungsunterlagen und Berichtigung .. 3. Das Angebot...................................................................................... a) Allgemeines .................................................................................. b) Angebote von Arbeits- und Bietergemeinschaften..................... 4. Entgegennahme und Öffnung der Angebote .................................. 5. Eignungsprüfung............................................................................... a) Prüfung der Befugnis .................................................................... b) Prüfung der Zuverlässigkeit und Ausschlussgründe.................... c) Prüfung der Leistungsfähigkeit (fachliche Eignung) ................... 6. Angebotsprüfung .............................................................................. a) Angemessenheit der Preise, vertiefte Angebotsprüfung ............ b) Behebbare und unbehebbare Angebotsmängel ......................... c) Ausscheiden von Angeboten ....................................................... 7. Zuschlagsverfahren ........................................................................... a) Auswahl des Best- oder Billigstbieters ........................................ b) Zuschlagsentscheidung ................................................................ c) Zuschlagserteilung........................................................................ 8. Widerruf der Ausschreibung.............................................................
101 102 104 104 104 106 106 106 108 108 109 109 110 111 112 112 113 113 114 114 115 117 117 118 118 119 120 120 121 122 122 122 124 125 125
VI. Besonderheiten für Auftragsvergaben in den Sektoren.................. A. Auftragsvergabe an verbundene Unternehmen .................................... B. Wahl des Vergabeverfahrens .................................................................. C. Freistellung vom Anwendungsbereich ..................................................
129 129 129 130
VII. Rechtsschutz.............................................................................................. A. Allgemeines............................................................................................. B. Innerstaatlicher Rechtsschutz ................................................................. 1. Rechtsschutzverfahren vor dem Bundesvergabeamt ...................... a) Nachprüfungsverfahren................................................................ (1) Gesondert und nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen........................................................................................... (2) Anfechtungsfristen und Präklusion........................................ (3) Inhalt und Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags................
132 132 133 135 136 137 139 141
X
Inhaltsverzeichnis
(4) Parteistellung........................................................................... (5) Entscheidung des BVA ........................................................... b) Vorläufiger Rechtsschutz .............................................................. c) Feststellungsverfahren.................................................................. d) Gebühren ...................................................................................... e) Landesrechtliche Besonderheiten................................................ f) Vergabekontrollbehörden in den Ländern.................................. 2. Rechtsschutz durch Zivilgerichte ..................................................... a) Schadenersatzverfahren ............................................................... b) Wettbewerbsrecht ......................................................................... C. Rechtsschutz durch Europäische Instanzen .......................................... 1. Europäische Kommission ................................................................. a) Korrekturmechanismus ................................................................ b) Bescheinigungsverfahren und Außerstaatliche Schlichtung ...... 2. Europäischer Gerichtshof .................................................................
141 142 142 144 146 147 148 149 149 150 152 152 152 152 153
VIII. Vergabenachprüfungsgesetze der Länder.......................................... 154 IX. Weiterführende Hinweise....................................................................... 155 A. Literatur zum Vergaberecht .................................................................... 155 B. Vergaberecht online................................................................................ 155 Stichwortregister.............................................................................................. 157
Abkürzungsverzeichnis
XI
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ABl Abs AG Anm ARGE Art ASVG AVG
Amtsblatt Absatz Aktiengesellschaft Anmerkung Arbeitsgemeinschaft Artikel Allgemeines Sozialversicherungsgesetz Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz
BGBl BK BlgNR BMVG BMWA BVA BVergG B-VG B-VKK BWG bzw
Bundesgesetzblatt Bundeskanzler Beilagen des Nationalrates Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Bundesvergabeamt Bundesvergabegesetz 2006, BGBl I 2006/17 idF BGBl I 2007/86 Bundes-Verfassungsgesetz Bundes-Vergabekontrollkommission Bankwesengesetz beziehungsweise
dh
das heißt
EG EGV EGVG ElWOG Erk etc EU EuGH EUR EWR
Europäische Gemeinschaft Vertrag der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetz Erkenntnis et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Euro Europäischer Wirtschaftsraum
f ff
folgend folgende
gem GmbH GP GPA
gemäß Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetzgebungsperiode Agreement on Government Procurement
Hrsg hL
Herausgeber herrschende Lehre
idR idS
in der Regel in diesem Sinn
XII
Abkürzungsverzeichnis
idF ieS insb iSv iVm
in der Fassung im engeren Sinn insbesondere im Sinne von in Verbindung mit
JBl
Juristische Blätter
KG
Kommanditgesellschaft
LGBl LH LReg
Landesgesetzblatt Landeshauptmann Landesregierung
MA Mat maW Mio Mrd
Magistratsabteilung Materialien mit anderen Worten Million(en) Milliarden
NÖGKK nv
Niederösterreichische Gebietskrankenkasse nicht veröffentlicht
OGH OG ÖNORM ORF OSB ÖZW
Oberster Gerichtshof Offene Gesellschaft Österreichische Norm Österreichischer Rundfunk Oberschwellenbereich Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Pkt PPP
Punkt Public Private Partnership
RdW RIS RL RPA Rs RV Rz
Recht der Wirtschaft Rechtsinformationssystem des Bundes Richtlinie Recht und Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe Rechtssache Regierungsvorlage Randziffer
s Slg st SZR
siehe Sammlung ständig(e) Sonderziehungsrecht
TKG
Telekommunikationsgesetz
ua UMTS USB USt UVS UWG
unter anderem; und andere Universal Mobile Telecommunication System Unterschwellenbereich Umsatzsteuer Unabhängiger Verwaltungssenat Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
Abkürzungsverzeichnis
v va verb VfGH VfSlg vgl VKS VO VwGH
von, vom vor allem verbunden(e) Verfassungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse des VfGH vergleiche Vergabekontrollsenat Verordnung Verwaltungsgerichtshof
WTO
World Trade Organization, Welthandelsorganisation
Z zB ZVB
Ziffer zum Beispiel Zeitschrift für Vergaberecht und Beschaffungspraxis
XIII
B. Der Staat als Nachfrager am Markt
1
Revision
I. Grundfragen und Struktur des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe A. Beschaffungswesen und Vergaberecht Das Vergaberecht befasst sich mit den Rechtsgrundlagen der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber. Wenngleich die Vergabe öffentlicher Aufträge seit geraumer Zeit zu den Instrumenten staatlicher Wirtschaftstätigkeit zählt (vgl dazu etwa die Untersuchungen von Bös, Öffentliche Aufträge in Österreich [1968] und Wenger, Das Recht der öffentlichen Aufträge [1977]), ist das Vergaberecht ein vergleichsweise junges Rechtsgebiet. Der mittlerweile hohe Grad rechtlicher Durchdringung ist zu einem guten Teil auf europarechtliche Regelungsvorgaben zurückzuführen. Trotz mehrfacher Anläufe in Österreich, die Regelungen für das öffentliche Auftragswesen auf eine rechtsstaatlich geordnete gesetzliche Basis zu stellen (s nur Korinek/Rill [Hrsg], Zur Reform des Vergaberechts [1985]), hat erst die Notwendigkeit der Umsetzung sekundären Gemeinschaftsrechts (der EG-Vergaberichtlinien) zu einer außenwirksamen gesetzlichen Regelung der öffentlichen Auftragsvergabe geführt. Das Vergaberecht ist damit ein Beispiel dafür, dass vom europäischen Integrationsprozess auch wesentliche rechtsstaatliche Impulse ausgehen können. Besonders die (gemeinschaftsrechtlich gebotene) Einführung effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten hat zur Herausbildung eines detaillierten Regelungsrahmens und einer umfangreichen Judikatur im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe beigetragen. Dem europäischen Vergaberecht kommt mithin eine Schlüsselposition für die (Fort-) Entwicklung des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe zu, wiewohl das Vergaberecht in seiner heutigen Struktur auch maßgeblich von innerstaatlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Anforderungen bestimmt ist. Zudem ist eine ansteigende Internationalisierung des Vergaberechts zu konstatieren, was wiederum Rückwirkungen auf den europäischen und innerstaatlichen Regelungsrahmen zeitigt.
B. Der Staat als Nachfrager am Markt Der Staat in seinen verschiedenen Ausformungen benötigt zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben Sachgüter und Dienstleistungen. Dies kann sich von Utensilien für die tägliche Verwaltungsführung (sogenannte Bedarfsdeckungsverwaltung) über Gesundheitsgüter bis hin zu Groß-
2
I. Grundfragen und Struktur des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe
projekten der Bauwirtschaft oder der Hochtechnologie (insbesondere in der Sozial- und Leistungsverwaltung zur Erfüllung von Daseinsvorsorgeaufgaben) erstrecken. Diese Bedürfnisse können in einem bestimmten Ausmaß durch „staatliche Eigenleistung“ gedeckt werden. Die Möglichkeit zur Bedarfsdeckung durch zwangsweise Beschaffung (zB durch Enteignung) sei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber genannt. Aufgrund der verfassungsrechtlichen, insbesondere grundrechtlichen Vorgaben kommt der zwangsweisen Beschaffung außerhalb von Krisen- und Notsituationen keine Bedeutung zu.
Im Rahmen dieser staatlichen Eigenleistung erbringen Regiebetriebe, die organisatorisch in die allgemeine Verwaltung (zumeist auf kommunaler Ebene in die Gemeindeverwaltung) eingegliedert und weitgehend unselbstständig sind, in erster Linie aber öffentliche Unternehmen die gewünschten Leistungen.
Regiebetriebe Regiebetriebe finden sich hauptsächlich auf kommunaler Ebene, wie zB im Bereich der Müllabfuhr (MA 48 als Regiebetrieb der Gemeinde Wien zur Besorgung der Müllabfuhr), der Friedhofsverwaltung, der Abwasserentsorgung, der Wasserversorgung etc. Öffentliche Unternehmen Öffentliche Unternehmen sind ein wesentliches Instrument, mit dem der Staat seine Aufgaben der Sozial-, Kultur- oder Wirtschaftsverwaltung in eigener Verantwortung zu erfüllen trachtet und dabei gleichzeitig den Anforderungen an eine im betriebswirtschaftlichen Sinn effiziente Leistungserbringung möglichst weitgehend Rechnung tragen will. Die Rahmenbedingungen des Tätigwerdens öffentlicher Unternehmen haben im letzten Jahrzehnt vor allem unter dem Einfluss des europäischen Gemeinschaftsrechts eine wesentliche Veränderung erfahren, indem die Sonderstellung öffentlicher Unternehmen deutlich begrenzt und ihre Tätigkeit in vielfacher Hinsicht (insbesondere unter Transparenzgesichtspunkten) reglementiert wurde. Dennoch sind öffentliche Unternehmen nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil staatlicher Leistungserbringung (von der Staatsopern GmbH über die Tiergarten Schönbrunn GmbH, Forschungsförderungseinrichtungen wie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften [ÖAW] hin zu konzernartigen Strukturen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, beispielsweise im Rahmen der Wiener Stadtwerke Holding AG und ihrer Konzernunternehmen wie etwa der Wiener Linien GmbH & CO KG). Die jüngsten Entwicklungen auf den Finanz- und Wirtschaftsmärkten zeigen darüber hinaus, dass die Bedeutung staatlicher Beteiligung an Marktunternehmen mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen die staatliche Wirtschafts- und Finanzpolitik agieren muss, eng zusammenhängt.
C. Rechtliche Vorgaben für die öffentliche Auftragsvergabe
3
Das in der Praxis weitaus bedeutendste Instrument der Beschaffungstätigkeit des Staates ist die öffentliche Auftragsvergabe. Dabei bezieht der Staat die benötigten Güter und Leistungen „vom Markt“ und damit grundsätzlich unter denselben Bedingungen wie ein Privater: Er tritt am Markt als Nachfrager auf und beauftragt anbietende Unternehmen durch Abschluss entsprechender Verträge (ĺ öffentliche Aufträge). Für die Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistungen erhält der beauftragte Unternehmer eine Gegenleistung, üblicherweise in Form eines Entgelts. Die Vergabe öffentlicher Aufträge zählt damit gleichzeitig zu den praktisch bedeutsamsten Instrumenten der nichthoheitlichen, auf privatrechtlichen Gestaltungsmitteln beruhenden Verwaltung (ĺ Privatwirtschaftsverwaltung).
C. Notwendigkeit rechtlicher Vorgaben für die öffentliche Auftragsvergabe C. Rechtliche Vorgaben für die öffentliche Auftragsvergabe
Die Notwendigkeit rechtlicher Vorgaben für die öffentliche Auftragsvergabe ergibt sich aus mehreren Gründen. Zum einen nimmt der Staat bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zwar grundsätzlich „wie ein Privater“ am allgemeinen Marktgeschehen teil; in seiner Eigenschaft als Nachfrager unterscheidet er sich aber in vielerlei Hinsicht von den sonstigen Marktteilnehmern. Das macht spezifische Regelungen erforderlich, die auf die sich daraus ergebenden besonderen Konstellationen Bedacht nehmen. Zum anderen ist es von erheblicher Bedeutung, dass den Bietern in einem Vergabeverfahren gegenüber der oftmals „übermächtigen“ öffentlichen Hand durchsetzbare Rechte eingeräumt werden, und zwar auch dann, wenn der Staat mit Mitteln des Privatrechts (und eben nicht hoheitlich) tätig wird und deshalb die „üblichen“ verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzmechanismen, die rechtsformgebunden am Hoheitsakt anknüpfen, nicht greifen. Diese beiden, für die rechtliche Regelung der öffentlichen Auftragsvergabe zentralen Gesichtspunkte, lassen sich mit den Schlagworten Effizienz und Rechtsschutz zusammenfassen. Darüber hinaus können auch organisationswirtschaftliche und wirtschaftspolitische Argumente für eine rechtliche Regelung der öffentlichen Auftragsvergabe ins Treffen geführt werden.
1. Effizienzargumente Der Staat als Nachfrager ist im Regelfall nicht den Kräften des freien Markts ausgesetzt. Im Unterschied zu privaten Unternehmen, die im Allgemeinen auf einem bestimmten Markt im Wettbewerb tätig sind, wird „unwirtschaftliches Handeln“ der öffentlichen Hand nicht unmit-
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I. Grundfragen und Struktur des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe
telbar vom Markt sanktioniert. Darüber hinaus steht dem Staat in Form von Steuergeldern und sonstigen Abgaben eine fortwährende Einnahmequelle zur Verfügung, weshalb er grundsätzlich auch nicht dazu angehalten ist, zur Deckung seines Finanzbedarfs Gewinne zu erzielen. Der Staat unterliegt mit seiner Tätigkeit im Normalfall auch keinem „Insolvenzrisiko“. All diese Gesichtspunkte tragen dazu bei, dass der staatliche Beschaffungsapparat in besonderem Maße für Intervention und – wie überhaupt Großorganisationen – für Korruption anfällig ist. Die staatliche Auftragsvergabe war und ist vor allem aber in vielfacher Weise der Versuchung ausgesetzt, für „externe“, also nicht rein wirtschaftliche Zielsetzungen wirtschafts-, sozial- oder strukturpolitischer Art eingesetzt zu werden. Man darf nicht übersehen, dass öffentliche Aufträge vielfach sensible Bereiche staatlicher Aufgabenerfüllung betreffen. Das gilt für die Frage, wer mit der Wasserversorgung oder der Abfallentsorgung in einer Gemeinde beauftragt wird ebenso wie für die Frage, wer staatliche Sozialleistungen verteilt, Schulungen für Langzeitarbeitslose durchführt oder die Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln oder -behelfen sicherstellt. Hinter solchen „Auftragsvergaben“ stehen komplexe wirtschafts-, sozial- und strukturpolitische (Prognose-) Entscheidungen. Aber auch auf kleinerer Ebene kommen staatliche Entscheidungsträger bei öffentlichen Auftragsvergaben insbesondere dann, wenn sie sehr nahe an ihrer „politischen Basis“ agieren, bisweilen unter „Rechtfertigungsdruck“. So wird es für den Bürgermeister einer Gemeinde mitunter nicht einfach zu erklären sein, warum er unter dem Gesichtspunkt eines effizienten Beschaffungswesens Aufträge der Gemeinde an – als „weit entfernt“ empfundene – gemeindeexterne, und nicht an in der Gemeinde selbst ansässige Unternehmen vergibt und damit – aus der Sicht der Gemeindebürger – nicht sie, sondern „andere“ im wirtschaftlichen Wettbewerb „unterstützt“. Die besondere Problematik, wenn der Staat derartige Finanzvolumina zur Leistungsvergabe einsetzt, liegt darin, dass wirtschaftliche Eigentümerinteressen nicht in einem mit privaten Unternehmen vergleichbaren Maße vorhanden sind und die Signalfunktion der Marktergebnisse für unwirtschaftliches Marktverhalten nicht wie bei privaten Unternehmen wirkt. Im Ergebnis funktioniert somit bei der öffentlichen Hand eine Wirtschaftlichkeitskontrolle durch den Markterfolg nicht in dem Sinne, in dem der Markt eine Kontrollfunktion gegenüber privaten Unternehmen wahrnimmt. Das gesetzlich geregelte Vergabeverfahren soll daher für „den Staat“, also öffentliche Auftraggeber, jene Wettbewerbsbedingungen bei der Auswahl seiner Vertragspartner am Markt organisieren, die für private Unternehmen am Markt bestehen. Daher spricht man mit einem von Josef Aicher geprägten Begriff auch vom Vergabeverfahren als „organisierter Parallelwettbewerb“ (s Aicher, Die Vergabekontrollkommission in ihrer Bedeutung für die österreichische Rechtsentwicklung und für die Angleichung an das Recht der EG, in Korinek/ Aicher, Vergabekontrollkommission [1991] 19 [19]).
C. Rechtliche Vorgaben für die öffentliche Auftragsvergabe
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Das Vergaberecht zielt grundsätzlich darauf ab, Beschaffungsvorgänge der öffentlichen Hand nach Maßgabe ökonomischer Effizienzkriterien auszurichten. Dadurch soll – unter Erzielung von Einsparungseffekten – letztlich das ökonomisch günstigste Ergebnis erreicht werden. Diese an sich strikte Ausrichtung des Vergaberechts an ökonomischen Effizienzkriterien bringt es mit sich, dass Beschaffungsvorgänge auch tatsächlich auf den ökonomischen Beschaffungseffekt fokussiert sein sollen. Das geltende Vergaberecht wendet sich insofern bewusst gegen das historische Verständnis der öffentlichen Auftragsvergabe, die lange Zeit auch als wirtschafts-, sozial-, umweltpolitisches Instrument zum Einsatz gelangte (sogenanntes „government by procurement“); so räumte das österreichische Vergaberecht ursprünglich beispielsweise die Möglichkeit sogenannter Lokalpräferenzierungen (der Bevorzugung ortsansässiger Bieter) ein, ein Instrument, das durch gezielte Förderung typischer Weise das Ziel der Stärkung der heimischen Wirtschaft vor Augen hatte. Es beruht auf dem Grundgedanken der Trennung staatlicher Beschaffungsvorgänge von politischen Steuerungsinstrumenten, um die gewünschten Einsparungseffekte für die öffentlichen Haushalte zu erzielen. Diesem Konzept folgend ist der öffentlichen Auftragsvergabe die Funktion als politisches Gestaltungsinstrumentarium nach geltendem Vergaberecht weitgehend entzogen (vgl aber die Ausführungen zur Möglichkeit der Berücksichtigung sogenannter vergabefremder Kriterien unter Pkt V.A.8.). Das Vergaberecht fußt damit – wie jede rechtliche Regelung – auf politischen Prämissen, hier insbesondere derjenigen, dass bei einer gesamthaften, „volkswirtschaftlichen“ Betrachtungsweise die Trennung staatlicher Beschaffungsinstrumente von politischen Steuerungsinstrumenten sinnvoll ist, weil durch die damit verbundene Transparenz und „Kostenwahrheit“ sowie die Orientierung an betriebswirtschaftlichen Effizienzkriterien wesentliche Einsparungseffekte für die öffentlichen Haushalte erzielt werden können. Diese Mittel sollen so – etwa im Wege staatlicher Subvention – zur Erfüllung anderer staatlicher Zielsetzungen (kultur-, sozial- oder wirtschaftspolitischer Art) eingesetzt werden können. Wichtig ist, dass es diesem volkswirtschaftlichen Argument nicht darauf ankommt, ob der behauptete Einsparungseffekt bei jedem individuellen Vergabevorgang auch tatsächlich erzielt wird. Es sind freilich auch eine Reihe von Argumenten denkbar, die gegen die dargestellte Prämisse angeführt werden können. Zu nennen sind vor allem die hohen Transaktionskosten, die komplexe und oft langwierige Vergabeverfahren mit sich bringen. Weiters ist in Betracht zu ziehen, dass das Vergabeverfahren zwar in Kernbereichen staatlicher Beschaffungstätigkeit (insbesondere im Bereich von Liefer- und Bauaufträgen) durchaus die geschilderte marktöffnende und damit effizienzsteigernde Wirkung nach sich gezogen hat, dass aber eine zu weitgehende Ausdehnung der Anwendung des Vergabeverfahrens im technischen Sinn auch
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I. Grundfragen und Struktur des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe
auf komplexe staatliche Leistungsvergaben vor allem im Sozial- und Daseinsvorsorgebereich wegen der damit verbundenen, einseitig auf Kostenstrukturen ausgerichteten Effizienzbetrachtung überwiegend negative Folgen für Qualität und Dauerhaftigkeit dieser Leistungen mit sich bringen kann. Ob man die dargestellten, in erster Linie wirtschaftspolitischen und – soweit zu sehen – wissenschaftlich in diesem Umfang kaum bestätigten Prämissen des geltenden Vergaberechts teilt, wie man die einzelnen Argumente und Gegenargumente in ihrer Bedeutung bewertet und wie man schließlich schlussfolgernd entsprechende Abwägungsentscheidungen trifft, all dies ist freilich keine rechtsdogmatische, sondern eine rechtspolitische Frage. Für eine rechtsdogmatische Beschreibung des geltenden Vergaberechts ist es aber wichtig, seine Prämissen zu verstehen, um die Regelungen sachangemessen auslegen zu können. Und auch die Tücken und Probleme dieser Prämissen sind wichtig, weil die Grenzen der „inneren Logik“ des Systems des Vergaberechts dazu beitragen, die Inhalte des Vergaberechts insbesondere in den Grenzbereichen seiner Anwendung adäquat ermitteln zu können.
2. Rechtsschutzargumente Vor dem Hintergrund, dass die Funktionsfähigkeit eines vergaberechtlichen Regelungssystems die Möglichkeit seiner Kontrolle notwendig macht, können vor allem auch Rechtsschutzargumente für eine rechtliche Regelung der öffentlichen Auftragsvergabe ins Treffen geführt werden. Sollen sich Bieter gegen die Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber zur Wehr setzen und einen Verstoß gegen die Vergabevorschriften geltend machen können, muss ein effizientes vergabespezifisches Rechtsschutzinstrumentarium zur Verfügung stehen, das eine objektive Nachprüfbarkeit von Vergabeentscheidungen gewährleistet. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit eindeutiger und präziser Vorschriften, die den Ablauf des Vergabevorgangs regeln, auf deren Einhaltung der übergangene Bieter „klagen“ kann. Dieses Rechtsschutzargument zugunsten der Bieter hat auch eine wesentliche Bedeutung für die Sicherung fairen Bieterverhaltens. Indem sich sowohl der nachfragende Staat als auch die um einen Auftrag werbenden Bieter an klar vorgegebene Verfahrensregeln halten müssen, die ein faires und gleiches Vergabeverfahren sicherstellen, soll auch unsachliches Bieterverhalten (zB wettbewerbswidrige Absprachen, „Vergabekartelle“ der Bieter) verhindert werden. Staatliche Auftragsvergaben erfolgen in manchen Bereichen aber auch unter Rahmenbedingungen, die dem Staat eine starke Stellung zuweisen und ihn den Anbietern gegenüber mit einer gewissen Marktmacht ausstatten. Das daraus resultierende Machtungleichgewicht zwi-
C. Rechtliche Vorgaben für die öffentliche Auftragsvergabe
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schen dem nachfragenden Staat und den einzelnen Bietern kann eine missbräuchliche Ausnutzung der Nachfrageübermacht der öffentlichen Hand auf der einen bzw unfaire, wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen durch die Bieter auf der anderen Seite zur Folge haben. In dieser Konstellation kann ein rechtlich organisierter Vergabeprozess machtneutralisierende Wirkung entfalten und wettbewerbsbeschränkende oder missbräuchliche Verhaltensweisen auf beiden Seiten weitgehend unterbinden: Solange sich beide Seiten an die Regeln halten, sind die Chancen bei regelkonformem Verhalten auch für das einzelne Unternehmen höher als die Risiken rechtswidriger Absprachen. Starke Nachfragemacht des Staates Eine besonders starke Nachfragemacht des Staates besteht im Bereich des Tiefbaus: Brücken, Straßen oder Tunnel werden nahezu ausschließlich durch den Staat nachgefragt. Tiefbauunternehmen sind damit wirtschaftlich von staatlichen Aufträgen abhängig. Machtneutralisierende Wirkung des Vergabewettbewerbs Im Vergabeverfahren besteht grundsätzlich ein Verhandlungsverbot zwischen dem Auftraggeber und Bietern, wodurch es den Bietern prinzipiell nicht möglich ist, ihre Angebote nach erfolgter Angebotsöffnung zu ändern. Dahinter steht die Zielsetzung, wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen wie die Bevorzugung eines Bieters durch nachträgliches Verhandeln über den Auftragsgegenstand oder das Ausnutzen der Nachfrageübermacht des Staates durch offensives „Preisverhandeln“ zu verhindern.
Rechtliche Regelungen des Vergabeverfahrens, deren Einhaltung die Bieter überprüfen und durchsetzen können, sichern nicht nur das Vertrauen der Bieter in das Vergabeverfahren und damit die Akzeptanz des Ergebnisses, es kommt ihnen auch eine Präventivwirkung zu, da sie wettbewerbsbeschädigendem Verhalten der bei der Auftragsvergabe handelnden Akteure vorbeugen sollen. Gleichzeitig wird jenen Zielsetzungen zum Durchbruch verholfen, die den „Effizienzargumenten“ zu Grunde liegen (s dazu oben Pkt I.C.1.).
Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung Gesetzliche Regelungen des Vergabeverfahrens können die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit sowie die Publizität und Gleichförmigkeit der Handlungen des Auftraggebers für potentielle Bieter gewährleisten.
Das Rechtsschutzargument zielt also insgesamt darauf ab, auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe und damit in einem Bereich, in dem der Staat den Bürgern nicht mit Hoheitsgewalt (imperium), sondern mit Mitteln des Privatrechts gegenübertritt, entsprechende effiziente Rechts-
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I. Grundfragen und Struktur des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe
schutzmöglichkeiten zu schaffen und den Bietern effektiv durchsetzbare, subjektive Rechte gegenüber den Auftraggebern einzuräumen.
3. Zusammenspiel von Effizienz- und Rechtsschutzargumenten Die beiden zentralen Zielsetzungen des Vergabeverfahrens – Effizienz und Rechtsschutz – greifen in der Regel ineinander und können einander insoweit auch wechselseitig befördern. So steht, wie dargestellt, die Einräumung subjektiver Bieterrechte nicht nur im Dienste von Rechtsschutzerwägungen, sondern ist in erheblichem Maße auch der Durchsetzung von Effizienzgesichtspunkten zuträglich. Die mitunter divergierende Stoßrichtung der Zielsetzungen des Vergabeverfahrens kann aber in bestimmten Verfahrenskonstellationen auch ein Spannungsverhältnis zur Folge haben, dessen Ausgleich nicht immer einfach zu finden ist.
Spannungsverhältnis Effizienz – Rechtsschutz Der EuGH hatte die Frage zu beantworten, ob einem Angebot, das nach Ausscheiden anderer Angebote als einziges im Vergabeverfahren verblieben ist, zwingend der Zuschlag zu erteilen ist. Aus Rechtsschutzgesichtspunkten wäre diese Frage wohl zu bejahen; das Vergabeverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt und der verbliebene Bieter durfte darauf vertrauen, dass sein Angebot für den Fall, dass es sich im Verfahren als das beste erweist, den Zuschlag erhalten wird. Die durch Ausscheiden der anderen Angebote bewirkte Verringerung des Wettbewerbs steht aber gleichzeitig in einem gewissen Widerspruch zur Zielsetzung einer effizienten Auftragsvergabe, da sich die Frage stellt, ob der Auftraggeber in der genannten Situation noch in der Lage ist, im Sinne eines echten Vergabewettbewerbs die verschiedenen Angebote miteinander zu vergleichen und den Zuschlag aufgrund objektiver Kriterien auch tatsächlich dem besten Angebot zu erteilen. Der EuGH kam im Ausgangssachverhalt zu dem Schluss, dass den Auftraggeber keine Verpflichtung trifft, den Auftrag dem einzigen verbliebenen Bieter zu erteilen (Rs C-27/98, Metalmeccanica, Slg 1999, I-5697).
Daneben können auch organisationswirtschaftliche Argumente für eine rechtliche Regelung des Vergabevorgangs vorgebracht werden. Diese zielen auf ein Vereinfachungs- und Vereinheitlichungspotential ab, das bei wiederkehrenden Abläufen (wie im gegebenen Fall Beschaffungen – vgl etwa die „Beschaffungshandbücher“ größerer Unternehmen) durch standardisierte Regeln ausgeschöpft werden kann. Insofern soll ein rechtlich geregeltes Vergabeverfahren, indem es standardisierte Regeln für den Prozess der Entscheidungsfindung aufstellt, eine weitergehende Prozessökonomie bewirken. Standardisierte Verfahren und transparente Entscheidungsabläufe tragen vor allem in Großorganisationen (wie insbesondere auch der öffentlichen Verwaltung) schließlich dazu bei, das Risiko von Betrug und Korruption einzudämmen.
D. Funktionsweise und Zielsetzungen des Vergabeverfahrens
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D. Funktionsweise und Zielsetzungen des Vergabeverfahrens Da die inhaltliche Determinierung der eigentlichen Vergabeentscheidung, also der Entscheidung, wer den öffentlichen Auftrag erhalten soll, aufgrund der Bandbreite möglicher Auftragsgegenstände nur beschränkt bzw kaum möglich ist, organisiert das rechtlich geregelte Vergabeverfahren einen allen Bietern faire und gleiche Chancen ermöglichenden Wettbewerb. Das Verhalten des Auftraggebers wird nicht inhaltlich, sondern weitgehend prozedural, dh durch Vorgabe eines stark regulierten Verfahrens, in dessen Rahmen der Vergabewettbewerb stattzufinden hat, gesteuert („Vergabeverfahrensrecht“)). Dieser verfahrensrechtliche Rahmen soll zum einen eine effiziente Beschaffung gewährleisten, zum anderen die Chancengleichheit der Bieter wahren, im Ergebnis also sowohl Effizienz- als auch Rechtsschutzaspekte verwirklichen.
Vergaberecht als „Vergabeverfahrensrecht“ Welche Unternehmer die fachliche Eignung für die Ausführung des zu vergebenden Auftrags aufweisen bzw welches Angebot das technisch und wirtschaftlich günstigste für die Zuschlagserteilung ist, kann aufgrund der Verschiedenheit der Auftragsgegenstände nicht allgemein inhaltlich vorgegeben werden. Die Auswahl der Unternehmer und ihrer Angebote wird daher vergabegesetzlich nur insofern determiniert, als Vorgaben für die Wahl und Ausgestaltung derjenigen Kriterien getroffen werden, die vom Auftraggeber bei Prüfung und Bewertung der Unternehmer und Angebote anzuwenden sind (insbesondere Eignungs- und Zuschlagskriterien). Bei Festlegung dieser Kriterien kommt dem Auftraggeber ein deutlicher Spielraum zu.
Das Vergaberecht geht von der Prämisse aus, dass – gerade und nur – ein nach den rechtlichen Regeln durchgeführtes Vergabeverfahren die Effizienz der öffentlichen Beschaffung und die Sicherung der Bieterrechte garantiert. Das Ergebnis des Vergabewettbewerbs hat daher – sind die Verfahrensregeln und damit die „Spielregeln“ eingehalten worden – die Vermutung der Sachangemessenheit für sich.
Akzeptanz des Ergebnisses des Vergabewettbewerbs Das Vergabeverfahren als dasjenige Verfahren, in dem (nach Durchführung eines Parallelwettbewerbs) der angemessene Preis ermittelt wird, hat die Vermutung für sich, dass die Vergabe auch tatsächlich zu einem angemessenen Preis erfolgt. Dieses Ergebnis ist von den Beteiligten zu akzeptieren. Es sind somit nicht nur die Bieter an ihre Angebote, sondern auch der Auftraggeber an das Ergebnis des Verfahrens gebunden. „Preisdrücken“ durch den Auftraggeber ist daher ebenso unzulässig wie der Rücktritt vom Angebot.
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I. Grundfragen und Struktur des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe
E. Wirtschaftliche Bedeutung Wenngleich das Wirtschaftsvolumen öffentlicher Auftragsvergabe nur schwer an Hand konkreter Zahlen festzumachen ist, wird im Allgemeinen – sowohl innerstaatlich als auch gemeinschaftsweit – von einer erheblichen volkswirtschaftlichen Relevanz des öffentlichen Auftragswesens ausgegangen. Das Ausmaß der in Österreich jährlich vergebenen öffentlichen Aufträge wird auf über € 35 Mrd geschätzt. Gemeinschaftsweit wurde von der Europäischen Kommission für die von der öffentlichen Hand vergebenen Auftragsvolumina zuletzt (2004) ein Annäherungswert von über € 1.500 Mrd ermittelt, was in etwa 16 % des gesamten BIP der EU entspricht. Gleichwohl konnte für direkte grenzüberschreitende Beschaffungsvorgänge nur ein Volumen von 3 % festgestellt werden, was die Gemeinschaft dazu veranlasste, ihre Bemühungen um eine Liberalisierung des „Vergabebinnenmarktes für öffentliche Aufträge“ noch zu verstärken. Die genannten Zahlen müssen allerdings dahingehend relativiert werden, als dem signifikant niedrigen Anteil Binnengrenzen überschreitender Auftragsvergaben die Vermutung gegenübersteht, dass vielfach multinationale Konzerne Leistungserbringer für die öffentliche Hand sind, die über eigene Niederlassungen in den einzelnen Mitgliedstaaten verfügen; damit werden aber Auftragsvergaben an derartige Konzernunternehmen von der Statistik von vornherein nicht als „grenzüberschreitend“ erfasst. Der Markt der öffentlichen Auftragsvergabe ist nach wie vor in Expansion begriffen. Die Bandbreite der nachgefragten Leistungen erstreckt sich immer mehr vom ursprünglichen Bereich der Liefer- und Bauleistungen über komplexe Planungsvorhaben hinein in den hoch spezialisierten Dienstleistungsbereich. Darüber hinaus führen Ausgliederungen ehemals vom Staat erbrachter Dienstleistungen und eine damit verbundene Privatisierung von Staatsaufgaben zu einer erhöhten staatlichen Nachfrage nach Leistungen am Markt. Insoweit könnten zwischen öffentlicher Unternehmenstätigkeit und staatlicher Auftragsvergabe gewisse Substitutionsbeziehungen bestehen, womit die mit den Schlagworten „von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung“ beschriebene derzeitige Entwicklung staatlicher Aufgaben und staatlichen Selbstverständnisses auch auf eine Expansion des Instruments der öffentlichen Auftragsvergabe hindeutet. Bandbreite möglicher Auftragsgegenstände ZB Lieferung neuer hoch technisierter Radiologie-Geräte für Krankenversicherungsträger; Erbringung von IT-Dienstleistungen für die öffentliche Verwaltung; Schulungs- und Ausbildungsleistungen für das Arbeitsmarktservice (AMS); lärmtechnische Untersuchungen für die Autobahnen- und SchnellstraßenfinanzierungsAG (ASFINAG) etc.
F. Was sind „öffentliche Aufträge“?
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F. Was sind „öffentliche Aufträge“? Die öffentliche Auftragsvergabe erfolgt auf Grundlage privatrechtlicher Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, womit sich letztere verpflichten, für den öffentlichen Auftraggeber eine bestimmte Leistung gegen Entgelt zu erbringen. Der öffentliche Auftraggeber tritt dem Anbieter nicht mit Hoheitsgewalt (zB durch Erlassen eines Bescheids) gegenüber, sondern schließt mit den jeweiligen Anbietern privatrechtliche Verträge über die gewünschten Leistungen ab. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Privatrechts repräsentiert dabei die Ausschreibung die Aufforderung zur Anbotstellung, das Angebot des jeweiligen Bieters die Offerte und der Zuschlag schließlich die Angebotsannahme. Hoheitliche „Vergabe“ Die bescheidmäßige „Vergabe“ von Konzessionen (zB nach dem BWG, dem Glücksspielgesetz [zum Glücksspielgesetz s zB BVA F-29/97-3] oder die Vergabe von UMTS-Lizenzen nach dem TKG) erfolgt hoheitlich und stellt daher keinen öffentlichen Auftrag dar.
Abbildung 1: Öffentlicher Auftrag
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I. Grundfragen und Struktur des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe
Während das Vergaberecht im eigentlichen Sinn auf öffentlich-rechtlicher Ebene ein Verfahren determiniert, auf dessen Grundlage der Auftraggeber den künftigen Vertragspartner und den Leistungsinhalt ermittelt, ist das letztlich zu schließende Vertragsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet. Der am Ende des Vergabeverfahrens stehende Zuschlag begründet – gleichsam als Schnittpunkt zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht – das zivilrechtliche Vertragsverhältnis und damit den eigentlichen öffentlichen Auftrag.
G. Öffentliche Auftragsvergabe als privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates G. Öffentliche Auftragsvergabe als privatwirtschaftliche Tätigkeit
Soweit der Staat im engeren Sinn als öffentlicher Auftraggeber tätig wird, zählt diese Tätigkeit – trotz Heranziehung privatrechtlicher Gestaltungsmittel – zur staatlichen Verwaltungstätigkeit, genauer zur Privatwirtschaftsverwaltung. Aber auch ausgegliederte Rechtsträger, die weiterhin staatlich beherrscht sind, unterliegen als öffentliche Auftraggeber nach einhelliger Auffassung den verfassungsrechtlichen Bindungen, wie sie den im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung agierenden Staat selbst treffen. Öffentliche Auftraggeber sind bei Vergabe öffentlicher Aufträge daher stärker als ein Privater in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt und unterliegen verschiedenen (verfassungs-) rechtlichen Bindungen. Insbesondere ist der dem Staat zuzurechnende öffentliche Auftraggeber bei der Auftragsvergabe nach herrschender Lehre und Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden (Fiskalgeltung der Grundrechte)), wobei dem Gleichheitssatz – der sich vergaberechtlich insbesondere im Diskriminierungsverbot manifestiert – besondere Bedeutung zukommt.
Fiskalgeltung der Grundrechte – Gleichbehandlungsgebot Aus dem Gleichbehandlungsgebot hat der OGH geschlossen, dass die Zuschlagserteilung trotz des Vorliegens von Widerrufsgründen einen Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung aller Bieter darstellt. Es ist daher lediglich darauf abzustellen, ob ein Widerrufsgrund objektiv vorliegt, sodass der Widerruf des Vergabeverfahrens auch dann möglich sein muss, wenn dieser Widerrufsgrund (zB ein Ausschreibungsmangel) dem Auftraggeber anzulasten ist. Den Bietern – insbesondere denjenigen, die aufgrund der unvollständigen oder verfehlten Ausschreibung kein Angebot gelegt haben – würde andernfalls die Möglichkeit genommen, sich an einer allfälligen Neuausschreibung im Rahmen eines fairen Vergabewettbewerbs (mit einem neuen Angebot) zu beteiligen (OGH 25.3.2003, 1 Ob 110/02m; OGH 29.4.2004, 6 Ob 177/03b).
G. Öffentliche Auftragsvergabe als privatwirtschaftliche Tätigkeit
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Außerhalb des Anwendungsbereichs der Vergabegesetze können intern verbindliche Verwaltungsvorschriften (zB interne Dienstanweisungen) oder auch ÖNORMen als Konkretisierung des Gleichheitsgrundsatzes fungieren. Diese werden von der Rechtsprechung als Maßstab für die den Auftraggeber im Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses treffenden Sorgfaltspflichten angesehen, sodass ihre Verletzung gleichzeitig einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz indiziert und Schadenersatzansprüche zur Folge haben kann. Schadenersatzansprüche Nach ständiger Rechtsprechung des OGH stehen übergangenen Bietern bei Verletzung des Gleichheitsgebots Schadenersatzansprüche zu; jedenfalls ist der Vertrauensschaden zu ersetzen (zB 19.10.1994, 7 Ob 568/94). Der übergangene Bestbieter – wenn er nachweisen kann, tatsächlich Bestbieter gewesen zu sein – hat darüber hinaus auch Anspruch auf Ersatz seines Erfüllungsinteresses (zB OGH 29.3.2000, 7 Ob 92/99a)
Die Geltung des Legalitätsprinzips für die Privatwirtschaftsverwaltung wird von der überwiegenden Lehre und Judikatur zwar abgelehnt; im Anwendungsbereich vergabegesetzlicher Regelungen ist der privatrechtliche Gestaltungsspielraum der öffentlichen Hand aber infolge der weitgehenden Determinierung durch außenrechtswirksame gesetzliche Regelungen in erheblichem Maß eingeschränkt. Man kann heute davon ausgehen, dass das Handeln öffentlicher Auftraggeber bei Beschaffungsvorgängen in einer Weise gesetzlich determiniert ist, die dem Determinierungsgrad vieler Bereiche der klassischen Hoheitsverwaltung um nichts nachsteht. Diese außenrechtswirksamen Regelungen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe hat der Gesetzgeber in Umsetzung des Gemeinschaftsrechts primär aus Rechtsschutzüberlegungen getroffen. Ebenfalls aufgrund von Vorgaben des Gemeinschaftsrechts hat der Gesetzgeber, in für die Privatwirtschaftsverwaltung an sich untypischer Weise, den Privatrechtsschutz durch die ordentliche Gerichtsbarkeit durch ein spezifisches öffentlich-rechtliches Rechtsschutzsystem überlagert und überformt. Im Unterschied zum Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe (ĺ Vergabeverfahren) ist die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Vergabekontrolle (ĺ Vergaberechtsschutz) vor Verwaltungsbehörden Teil der staatlichen Hoheitsverwaltung. Vergabespezifischer Rechtsschutz Das BVergG räumt den Bietern in einem Vergabeverfahren individuell durchsetzbare Rechte ein, etwa das Recht auf Gleichbehandlung der Bieter untereinander. Wird dieses Recht durch eine Auftraggeberentscheidung im Vergabeverfahren verletzt, steht den Betroffenen die Möglichkeit offen, ihre Rechte durch Anrufung der zuständigen Vergaberechtsschutzbehörde durchzusetzen; die angerufene Vergabekontrollbehörde entscheidet über dieses Rechtsmittel mit Bescheid.
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II. Die öffentliche Auftragsvergabe im europäischen Kontext
II. Die öffentliche Auftragsvergabe im europäischen Kontext A. Grundlagen Protektionistisches Vorgehen der Mitgliedstaaten und national unterschiedliche Gepflogenheiten bringen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens die Gefahr einer Abschottung nationaler Märkte mit sich. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Beschaffungswesens und des traditionell hohen Grades seiner Ausrichtung an nationalen, regionalen oder auch lokalen Märkten wird die Auftragsvergabe vom europäischen Gemeinschaftsrecht als einer der Kernbereiche der europäischen – wirtschaftlichen – Integration und insbesondere der Verwirklichung des EG-Binnenmarkts, in dem gemäß Art 14 EGV Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital frei zirkulieren können, angesehen. Das Gemeinschaftsrecht kennt sowohl auf primär- wie auch auf sekundärrechtlicher Ebene Regelungen mit Bedeutung für die Vergabe öffentlicher Aufträge: Die Gründungsverträge der Gemeinschaften enthalten zunächst keine speziellen Vorschriften, die explizit auf die öffentliche Auftragsvergabe abstellen. Vielmehr kommen für öffentliche Auftragsvergaben die allgemeinen primärrechtlichen Regelungen zum Tragen, wie insbesondere jene zur Verwirklichung des Binnenmarkts. Mittels Anwendung der Grundfreiheiten, ergänzt durch das allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, soll eine Öffnung nationaler Märkte für Auftragsvergaben bewirkt und der grenzüberschreitende Wettbewerb gefördert werden. In Konkretisierung und Ergänzung der primärrechtlichen Grundlagen wurden, beginnend in den 1970er Jahren, Richtlinien erlassen, die Vorgaben für die mitgliedstaatlichen Verfahren für die Vergabe zunächst öffentlicher Bau- und Lieferaufträge, in weiterer Folge auch für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen sowie die Vergabe durch Auftraggeber in den sogenannten Sektoren enthielten. Diese Richtlinien setzten sich die Liberalisierung der Ausschreibungsmärkte zum Ziel und verpflichteten die Auftraggeber zunächst vor allem zur europaweiten Ausschreibung öffentlicher Aufträge. Die Schaffung eines sekundärrechtlichen Rechtsrahmens für öffentliche Auftragsvergaben wurde auf Gemeinschaftsebene vor allem deshalb als erforderlich erachtet, weil sich die aus den Grundfreiheiten ergebende Verbotswirkung als nicht ausreichend erwies, um den Binnenmarkt zu verwirklichen. Die sekundär-
B. Primärrechtliche Vorgaben
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rechtliche (Teil-) Harmonisierung und die damit bewirkte Notwendigkeit, innerstaatlich die Vergabeverfahren auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, hatte nämlich vor allem auch zur Konsequenz, dass sich nunmehr auch Unternehmen aus dem jeweils eigenen Mitgliedstaat gegenüber öffentlichen Auftraggebern auf die Einhaltung der Vergaberegeln berufen konnten. Ein „grenzüberschreitender Bezug“, wie er für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten vorliegen muss, ist in diesem Fall nicht mehr notwendig. Die sekundärrechtliche Regelung des Vergabeverfahrens hat damit auf diese Weise in den Mitgliedstaaten erhebliche marktöffnende Wirkungen entfaltet, weil sehr oft eingefahrene Strukturen sogenannter „Haus- und Hoflieferanten“ aufgebrochen wurden. Mit dem Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarkts aus dem Jahr 1985 (Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat zur Vollendung des Binnenmarkts, 14.6.1985, KOM [85] 310 endg) machte die Europäische Kommission die vollständige Liberalisierung des öffentlichen Auftragswesens schließlich zu einem Hauptanliegen der Gemeinschaft. Als wesentliche Gründe für das Vorantreiben des Liberalisierungsprozesses wurden der Abbau technischer Hindernisse und Einsparungen im Staatshaushalt, vor allem aber auch eine durch Marktöffnung und grenzüberschreitenden Wettbewerb bewirkte Steigerung der Rationalität von Vergabeentscheidungen und die Verbesserung der Produktionsstruktur in der Gemeinschaft angeführt.
B. Primärrechtliche Vorgaben 1. Allgemeines Anders als die Vergaberichtlinien, die nur für Aufträge zur Anwendung gelangen, deren Wert gewisse Schwellen erreicht (s dazu näher unten Pkt IV.B.2.i.) greifen die EG-primärrechtlichen Rechtsgrundlagen unabhängig vom Auftragswert, also sowohl unter- als auch oberhalb der sogenannten Schwellenwerte. Den primärrechtlichen Rechtsgrundlagen kommt vor allem dann Bedeutung zu, wenn die betreffende Auftragsvergabe nicht vom Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien erfasst ist. Dies ist nicht nur bei Vergabeverfahren unterhalb der für die Anwendung der Richtlinien maßgeblichen Schwellenwerte, sondern auch bei Aufträgen über sogenannte nicht-prioritäre Dienstleistungen, die nur zum Teil unter die Vergaberichtlinien fallen, sowie bei vergabeähnlichen Vorgängen, die vom sachlichen Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien ausgenommen sind (zB die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen), der Fall. Die Grundfreiheiten und das allgemeine Diskriminierungsverbot des EGV, aus denen der EuGH eine Reihe von Grundanforderungen für die Auftragsvergabe ableitet, sind somit auch in nicht harmonisierten Bereichen von den öffentlichen Auftraggebern zu beachten.
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II. Die öffentliche Auftragsvergabe im europäischen Kontext
Die Normen des EG-Primärrechts sind aber auch im Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien als gegenüber den Richtlinien höherrangiges Recht zu beachten. Da die Vergaberichtlinien ihrerseits den Gehalt der primärrechtlichen Vorgaben konkretisieren, beschränkt sich die Bedeutung der Grundfreiheiten bzw des allgemeinen Diskriminierungsverbots im Allgemeinen auf einen Auslegungsgrundsatz: Die Richtlinien sind im Lichte der Bestimmungen und Ziele des EGV auszulegen. Umgekehrt führt gerade die Tatsache, dass die Vergaberichtlinien im Wesentlichen die primärrechtlichen Rechtsgrundlagen konkretisieren, dazu, dass der EuGH für das Verständnis der Grundfreiheiten mitunter auf die Richtlinien zurückgreift. Insofern besteht auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene durchaus eine Wechselwirkung zwischen Primär- und Sekundärrecht: Beide Rechtsgrundlagen kommen nicht nur parallel zur Anwendung, sie werden auch wechselseitig zur Auslegung herangezogen.
2. Die Rechtsgrundlagen des EGV Das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art 12 EGV) untersagt unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Unzulässig sind nicht nur staatliche Maßnahmen, die rein an der Herkunft bzw der Staatsangehörigkeit anknüpfen und aufgrund dessen eine ausdrückliche Ungleichbehandlung vorsehen (zB Vergabe von Aufträgen nur an örtlich ansässige Unternehmen), sondern auch formal unterschiedslos für alle Bieter geltende Maßnahmen, die aber in ihrer tatsächlichen Wirkung von Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten schwerer bzw gar nicht zu erfüllen sind (zB die Ausschreibungsbedingung, dass nachgefragte Produkte zwingend nach einer innerstaatlichen ÖNORM zertifiziert sein müssen). Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit spielt im Vergaberecht (Stichwort: Abschottung nationaler Märkte durch „heimatnahe“ Auftragsvergabe) eine besondere Rolle. Gegenüber den spezielleren Grundfreiheiten, die ihrerseits wiederum Diskriminierungsverbote enthalten, kommt das allgemeine Diskriminierungsverbot nur subsidiär zur Anwendung. Zudem enthalten auch die Vergaberichtlinien explizite Diskriminierungsverbote. Auf Ebene der Grundfreiheiten sind neben der Warenverkehrsfreiheit, die im Regelfall bei Lieferaufträgen betroffen ist, vor allem die Dienstleistungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit, die im Wesentlichen für Bau- und Dienstleistungsaufträge bedeutsam sind, als die für Auftragsvergaben primär einschlägigen Rechtsgrundlagen anzusehen. Daneben kann mitunter auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit berührt sein. Es ist jedenfalls für den Einzelfall festzustellen, welche Grundfreiheit(en) den relevanten Prüfungsmaßstab bildet (bilden).
B. Primärrechtliche Vorgaben
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Im Bereich der Warenverkehrsfreiheit bewirken vor allem sogenannte Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen eine Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels. Die an die Unternehmer bzw an die nachgefragten Leistungen gestellten Anforderungen können – gemeinschaftsrechtlich verbotene – Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen. Verboten ist jede Art der Bevorzugung inländischer Produkte oder Unternehmen, wie sie etwa Lokalpräferenzierungen oder die Spezifizierung technischer Merkmale ausschließlich anhand innerstaatlicher Kriterien (sofern der öffentliche Auftraggeber nicht zumindest die Möglichkeit eröffnet, den jeweiligen Nachweis auch auf andere Art und Weise zu erbringen) zur Folge haben könnten.
Vorgaben des EG-Primärrechts für die öffentliche Auftragsvergabe Ein niederländischer Auftraggeber schrieb einen Auftrag für die Lieferung und Instandhaltung einer Wetterwarte aus. Als Betriebssystem sollte – so verlangten es die Ausschreibungsunterlagen – das „Unix“-System verwendet werden. Der EuGH kam zu dem Schluss, dass die Verwendung eines Warenzeichens, die, wie im vorliegende Fall, ohne den Zusatz „oder gleichwertiger Art“ erfolgt, dazu führt, dass der Markt jenen Lieferanten vorbehalten bleibt, die das genannte System anzuwenden beabsichtigen. Da dadurch der innergemeinschaftliche Handel behindert wird, liegt ein Widerspruch zur Warenverkehrsfreiheit vor (EuGH Rs C-359/93, Kommission/Niederlande, Slg 1995, I-157). Unvereinbar mit der Warenverkehrsfreiheit sind nach Auffassung des EuGH weiters Ausschreibungsklauseln, die, um entwicklungsschwache Regionen eines Mitgliedstaates zu fördern, öffentliche Auftraggeber verpflichten, einen bestimmten Anteil der für die Auftragsausführung zu beschaffenden Materialien aus den betreffenden Regionen zu beziehen. Dies bewirke eine unzulässige Bevorzugung von Produkten aus der geförderten Heimatregion gegenüber eingeführten Konkurrenzprodukten (EuGH Rs 21/88, Du Pont de Nemours, Slg 1990, I-889). Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sah der EuGH darin, dass in Ausschreibungsunterlagen auf Klassifizierungen nationaler Berufsverbände (im gegebenen Fall französische Klassifizierungen) Bezug genommen wurde: Nur einheimische Bieter könnten die Bedeutung dieser Klassifizierung unumschränkt verstehen, während ausländische Unternehmer dadurch abgeschreckt würden (EuGH Rs C-225/98, Kommission/Frankreich, Slg 2000, I-7445). Die in einem Vergabeverfahren zur Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen in Form häuslicher Atemtherapien bzw Ventilationsunterstützung als Zulassungsvoraussetzung formulierte Bedingung, dass die Bieter bei Abgabe ihres Angebots über einen Geschäftsraum in der Hauptstadt der betreffenden Provinz verfügen müssen, in der die Dienstleistung erbracht wird, qualifizierte der EuGH als dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit, weil damit eine überschießende Anforderung normiert wurde (EuGH Rs C-234/03, Contse, Slg 2005, I-9315).
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II. Die öffentliche Auftragsvergabe im europäischen Kontext
Die primärrechtlichen Anforderungen an die Auftragsvergabe kommen nur im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts zum Tragen. Es muss maW ein Sachverhalt mit grenzüberschreitendem Bezug gegeben sein. Der EuGH legt der Beurteilung, ob die in Rede stehende Auftragsvergabe dem Gemeinschaftsrecht unterfällt, ein großzügiges Verständnis zugunsten des Anwendungsbereichs des Gemeinschaftsrechts zugrunde. Grenzüberschreitender Bezug Die „Binnenmarktrelevanz“ einer Auftragsvergabe bejaht der EuGH im Allgemeinen schon deswegen, weil Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten potentiell Interesse an einem Auftrag haben könnten (und zB durch mangelnde Transparenz gar nicht vom Auftrag erfahren konnten). Nur wenn besondere Umstände – wie beispielsweise die geringfügige wirtschaftliche Bedeutung des Auftrags – vorliegen, die vernünftigerweise davon ausgehen lassen, dass Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat kein Interesse an dem betreffenden Auftrag hätten, ist die Binnenmarktrelevanz und damit eine Anwendung der Grundfreiheiten zu verneinen (EuGH Rs C-231/03, Coname, Slg 2005, I-7287).
3. Die aus dem EG-Primärrecht abgeleiteten Grundanforderungen für Auftragsvergaben Der EuGH leitet aus dem Primärrecht eine Reihe von Grundsätzen für die öffentliche Auftragsvergabe ab. Neben den aus der allgemeinen Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten bekannten Verboten der Diskriminierung und unverhältnismäßiger Beschränkungen schließt etwa das Diskriminierungsverbot nach der Rechtsprechung des EuGH im Vergaberecht auch eine Verpflichtung zur Transparenz mit ein, aufgrund welcher der Auftraggeber für einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit zugunsten potentieller Bieter Sorge tragen muss. Auf diesem Weg sollen – indem „Informationsdefizite“ über Auftragsvergaben gegenüber Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten abgebaut werden – mitgliedstaatliche Beschaffungsmärkte dem (gemeinschaftsweiten) Wettbewerb geöffnet werden. Das bedeutet freilich nicht, dass ausschließlich unter dem Blickwinkel der Grundfreiheiten für Beschaffungsvorgänge dieselben Transparenzregeln, insbesondere Veröffentlichungspflichten gelten, wie sie das sekundäre Vergaberecht und seine innerstaatliche Umsetzung aufstellen. Daher kann es im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten auch genügen, wenn ein Auftraggeber einen Beschaffungsvorgang in einer dem Gegenstand angemessenen, in den Verkehrskreisen üblichen Weise publik macht; dazu kann es auch ausreichen, wenn die beabsichtigte Vergabe auf der Homepage des Auftraggebers bekannt gemacht wird. Zur Durchsetzung des Diskriminierungsverbots trägt das Transparenzgebot aber vor allem auch insoweit bei, als diskriminierende Auf-
C. Harmonisierung des Vergaberechts durch Vergaberichtlinien
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tragsvergaben, wenn aufgrund der Publizität des Verfahrens festgestellt werden kann, ob das Verbot beachtet und das Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurde, erheblich erschwert werden. Insofern konsequent leitet der EuGH im Vergaberecht aus den Grundfreiheiten und dem Transparenzgebot das Gebot der Nachprüfbarkeit der Auftragsvergabe ab. Auch hier gilt, dass damit unter den Grundfreiheiten nicht dasselbe System eines besonderen vergabespezifischen Rechtsschutzes, wie es durch die Rechtsmittelrichtlinien vorgegeben ist, gefordert wird. Hier können etwa auch zivilrechtliche Rechtsschutzinstrumente, selbst wenn sie für die Bieter in gewisser Weise, insbesondere auch im Hinblick auf das Kostenrisiko „schwieriger“ sind, durchaus ausreichen. Denn dass grundsätzlich auch zivilrechtlicher Rechtsschutz effektiver Rechtsschutz ist, lässt sich nicht bestreiten. Mit dem Diskriminierungsverbot eng verknüpft ist weiters der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, den der EuGH ebenfalls aus den Grundfreiheiten herleitet. Die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung und Transparenz stehen über weite Strecken zueinander in einem Bedingungszusammenhang.
Gleichbehandlungsgrundsatz Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter verlangt, dass alle Angebote den Vorschriften der Ausschreibungsunterlagen entsprechen, damit ein objektiver Vergleich der einzelnen Bieter gewährleistet ist (EuGH Rs C-243/ 89, Kommission/Dänemark, Slg 1993, I-3353). Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter und die sich daraus ergebende Verpflichtung zur Transparenz verlangen, dass alle Kriterien, die vom Auftraggeber bei der Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebots berücksichtigt werden, und ihre relative Bedeutung den potenziellen Bietern zum Zeitpunkt der Vorbereitung ihrer Angebote bekannt sind (EuGH Slg 2008 I-251 Rs C-532/06, Lianakis).
C. Harmonisierung des Vergaberechts durch Vergaberichtlinien In Ergänzung und Konkretisierung der primärrechtlichen Grundlagen verfolgen die EG-Vergaberichtlinien das Ziel, innerstaatliche Beschaffungsmärkte zu öffnen und einen europaweiten Wettbewerb um öffentliche Aufträge herbeizuführen. Dies soll durch eine Harmonisierung (die Richtlinien sprechen von „Koordinierung“) mitgliedstaatlicher Rechtsvorschriften zwecks Verwirklichung der Grundfreiheiten im Bereich der Auftragsvergabe erreicht werden.
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II. Die öffentliche Auftragsvergabe im europäischen Kontext
Im Unterschied zum EG-Primärrecht kommen die Vergaberichtlinien auch dann zur Anwendung, wenn kein grenzüberschreitender Vorgang oder eine sonstige Auslandsbeziehung gegeben ist. Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien Ein österreichischer Bieter kann sich, selbst wenn er in keiner Weise grenzüberschreitend tätig wird, gegenüber einem österreichischen Auftraggeber auf die ihm in den Vergaberichtlinien eingeräumten Rechte berufen.
Gleichwohl folgen die Vergaberichtlinien nicht dem Anspruch, das Vergaberecht abschließend zu regeln. Sie bewirken daher keine Voll-, sondern eine Teilharmonisierung des Vergaberechts, wenn sie auch über die Regelung wesentlicher Grundzüge des Vergabeverfahrens bzw des Vergaberechtsschutzes vielfach hinausgehen und mitunter sehr präzise Bestimmungen enthalten, die den Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten entsprechend einschränken. Innerhalb der von den Richtlinien abgesteckten Grenzen kommt den Mitgliedstaaten aber ein Regelungsspielraum zu, der in manchen Bereichen auch strengere nationale Regelungen zulässt. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten wie der politische Gestaltungsspielraum des Gemeinschaftsgesetzgebers werden durch die – weitreichende – Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Vergaberecht signifikant eingeschränkt. So ist der EuGH etwa dazu übergegangen, Bereiche, die keine ausdrückliche Regelung in den Richtlinien erfahren haben, durch allgemeine Vergabegrundsätze (wie insbesondere Gleichbehandlung der Bieter und Transparenz) „aufzufüllen“. Zudem trägt ein großzügiges Verständnis des Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinien, gepaart mit einer restriktiven Interpretation von Ausnahmebestimmungen, zu einer dynamischen, den Geltungsbereich des gemeinschaftlichen Rechtsrahmens beinahe kontinuierlich erweiternden Rechtsentwicklung bei. Der sekundärrechtliche Vergaberechtsrahmen besteht aus derzeit vier in Geltung stehenden Vergaberichtlinien. Zwei dieser Richtlinien befassen sich mit der Auftragsvergabe selbst und regeln das Vergabeverfahren als solches (materielle Vergaberichtlinien); die beiden anderen Richtlinien beziehen sich auf den vergaberechtlichen Rechtsschutz (Rechtsmittelrichtlinien). Die Vergaberichtlinien werden durch weitere Sekundärrechtsakte ergänzt.
E. Rechtsmittelrichtlinien
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D. Richtlinien über das Verfahren der Auftragsvergabe Die Richtlinien x über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (RL 2004/18/EG) = allgemeine Vergaberichtlinie (wird auch als Richtlinie für den „klassischen“ Bereich bezeichnet), x zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (RL 2004/17/EG) = Sektorenrichtlinie
vereinheitlichen die Vergabeverfahrensvorschriften der Mitgliedstaaten und verpflichten die Auftraggeber im Wesentlichen dazu, ihre Beschaffungswünsche gemeinschaftsweit auszuschreiben und im Rahmen bestimmter Verfahren zu vergeben. Auf diesem Weg soll mehr Wettbewerb und Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge hergestellt werden. Die allgemeine Vergaberichtlinie erfasst Auftragsvergaben der öffentlichen Hand und der ihr zurechenbaren Auftraggeber. Sie regelt Aufträge im Bau-, Liefer- und Dienstleistungsbereich und tritt insofern an die Stelle der früher in einzelne (Bau-, Liefer- und Dienstleistungs-) Koordinierungsrichtlinien aufgespaltenen Rechtsgrundlagen. Adressaten der Sektorenrichtlinie sind Auftraggeber in bestimmten Versorgungssektoren. Unter gewissen Umständen können dazu auch private Unternehmen zählen. Für Auftragsvergaben im Sektorenbereich bestehen im Vergleich zu klassischen öffentlichen Auftragsvergaben einige Besonderheiten, insbesondere werden Sektorenauftraggebern größere Freiräume bei der Auftragsvergabe zugemessen. Beide Vergaberichtlinien traten am 30.4.2004 in Kraft und waren von den Mitgliedstaaten bis 31.1.2006 umzusetzen. Dieser Verpflichtung kam Österreich mit einer Neuerlassung des Bundesvergabegesetzes als BVergG 2006 nach.
E. Rechtsmittelrichtlinien Zur Verstärkung der in den materiellen Vergaberichtlinien enthaltenen Garantien und Grundsätze sowie zu ihrer effektiver Durchsetzung wurden spezifische Rechtsschutzrichtlinien – die sogenannte Rechtsmittelrichtlinien – erlassen, um ein gemeinschaftsweites Instrumentarium für eine wirksame und rasche Nachprüfung von Vergabeentscheidungen zu
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II. Die öffentliche Auftragsvergabe im europäischen Kontext
schaffen. Zusätzlich zum Vergabevorgang selbst, der in den materiellen Vergaberichtlinien harmonisiert wird, wurden mit den Rechtsmittelrichtlinien auch für den Rechtsschutzbereich gemeinschaftsweite Grundstandards geschaffen, denen die Mitgliedstaaten bei der innerstaatlichen Umsetzung verpflichtet sind. Bemerkenswert ist, dass mit den Rechtsmittelrichtlinien verfahrensund organisationsrechtliche Aspekte des innerstaatlichen Vollzugs von Gemeinschaftsrecht aufgegriffen und harmonisiert werden, also Bereiche, die typischer Weise als jene Agenden bezeichnet werden, deren Regelung primär Sache der Mitgliedstaaten ist („Organisations- und Verfahrensautonomie“ der Mitgliedstaaten). Die Notwendigkeit für ein legislatives Tätigwerden im Bereich des vergaberechtlichen Rechtsschutzes ergab sich für die Gemeinschaft vor allem infolge der unterschiedlichen nationalen Rechtsschutzstandards. Deren Unübersichtlichkeit und Uneinheitlichkeit stellte ein Hemmnis für die grenzüberschreitende Beteiligung an Vergabeverfahren dar und bewirkte nach Auffassung der Kommission eine Ungleichbehandlung der innerhalb der Gemeinschaft tätigen Unternehmen. Die Rechtsmittelrichtlinien zielen vor allem darauf ab, die tatsächliche Anwendung der materiellen Vergaberichtlinien in den Mitgliedstaaten sicherzustellen. Zudem sollen sie die einheitliche Anwendung des EGVergaberechts gemeinschaftsweit gewährleisten. Zu diesem Zweck statuieren die Rechtsmittelrichtlinien ein einheitliches (Mindest-) Rechtsschutzniveau für Auftragsvergaben.. Neben verfahrensrechtlichen Regelungen, die insbesondere die Einräumung individuell durchsetzbarer Bieterrechte vorsehen, treffen die Rechtsmittelrichtlinien Vorgaben hinsichtlich der Organisation der Rechtsschutzinstanzen. Beide Aspekte – Verfahren und Organisation – dienen letztlich der Durchsetzung der in den materiellen Vergaberichtlinien grundlegend vorgegebenen Zielsetzungen. Die Einräumung durchsetzbarer Bieterrechte trägt nicht nur Gesichtspunkten des subjektiven Rechtsschutzes Rechnung, sie dient gleichzeitig der Gewährleistung der objektiven Rechtsrichtigkeit der Vergabeverfahren. Denn die Überwachung der Mitgliedstaaten durch die Kommission kann notwendig immer nur punktuell in besonderen Fällen greifen; demgegenüber besteht eine begründete Vermutung, dass Bieter, denen subjektive Rechte eingeräumt werden, diese in den einzelnen Vergabeverfahren dazu nutzen werden, auf die Rechtsrichtigkeit der Vergaben zu drängen. Diese Form der Sicherung der Einhaltung der vergaberechtlichen Regelungen und damit insbesondere auch der damit intendierten Effizienzziele ist weitaus effektiver als jede Überwachung durch Gemeinschaftsorgane (man spricht in diesem Zusammenhang von der „Mobilisierung der Bürger zur Einhaltung des Gemeinschaftsrechts“).
E. Rechtsmittelrichtlinien
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Abbildung 2: Europäisches Vergaberecht
Ähnlich verfolgen auch organisationsrechtliche Vorgaben für die mit der Vergabekontrolle betrauten Nachprüfungsinstanzen nicht nur die Zielsetzung einer unabhängigen und sachlich objektiven Nachprüfung; entsprechende Vorgaben an die organisatorische Ausgestaltung sollen letztlich auch die Vorlageberechtigung der Kontrollinstanzen an den EuGH absichern, was wiederum den Zugang zum EuGH im Wege von Vorabentscheidungsverfahren (Art 234 EGV) und damit eine europaweit einheitliche Auslegung und Anwendung der materiellen Vergabebestimmungen gewährleisten soll. Wie im materiellen Bereich wurden Auftragsvergaben durch öffentliche Auftraggeber und Auftragsvergaben im Sektorenbereich auch für den Rechtschutzbereich in zwei Richtlinien aufgegliedert:
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II. Die öffentliche Auftragsvergabe im europäischen Kontext
x Rechtsmittelrichtlinie für die Bereiche der Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge (RL 89/665/EWG – wird auch als Rechtsmittelrichtlinie für den „klassischen Bereich“ bezeichnet) und x Rechtsmittelrichtlinie für den Sektorenbereich (RL 92/13/EWG).
Um die bestehenden Rechtsmittelrichtlinien an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, wurde Ende 2007 eine Änderungsrichtlinie (RL 2007/66/EG) erlassen. Die durch diese Richtlinie eingeführten Neuerungen zielen insbesondere darauf ab, unzulässige Direktvergaben zu unterbinden und durch Einführung verpflichtender Stillhaltefristen den Rechtsschutz und somit auch das Vertrauen der Bieter in Vergabeverfahren zu stärken. Die Mitgliedstaaten haben diese Richtlinie bis 20.12.2009 in innerstaatliches Recht umzusetzen.
F. Persönlicher Geltungsbereich der Vergaberichtlinien Die Vergaberichtlinien gelten für Auftragsvergaben von öffentlichen Auftraggebern und Sektorenauftraggebern. Öffentliche Auftraggeber sind gemäß Art 1 Abs 9 der allgemeinen Vergaberichtlinie x der Staat und die Gebietskörperschaften sowie x vom Staat beherrschte Einrichtungen, sofern diese zu dem besonderen Zweck gegründet worden sind, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind.
Besonderes gilt für die Sektorenrichtlinie: Sie erfasst Auftraggeber, die in den Bereichen der Wasser-, Energie-, Verkehrsversorgung oder im Postsektor tätig sind; mit einem Überbegriff werden diese Bereiche als Sektoren bezeichnet. Neben den genannten öffentlichen Auftraggebern, die, sofern sie (auch) einer Sektorentätigkeit nachkommen, diesbezüglich als Sektorenauftraggeber zu qualifizieren sind, zählen öffentliche Unternehmen sowie uU auch private Unternehmen, sofern sie über sogenannte besondere oder ausschließliche Rechte verfügen, zum Kreis der Sektorenauftraggeber.
Sektorenauftraggeber ZB öffentliche Unternehmen, die Verkehrsdienste erbringen oder private Verkehrsdienstleister, die von besonderen oder ausschließlichen Rechten profitieren; öffentliche Energieversorgungs- oder Wasserversorgungsunternehmen.
G. Konsequenzen für das österreichische Recht
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G. Konsequenzen für das österreichische Recht Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben müssen von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Dies betrifft in erster Linie die Vergaberichtlinien, die an die Mitgliedstaaten adressiert sind und diese verpflichten, den Anforderungen der Richtlinie – zumeist innerhalb bestimmter Fristen – durch Erlassung der erforderlichen Rechtsvorschriften nachzukommen. Auch die EG-primärrechtlichen Rahmenbedingungen spielen aber für das österreichische Vergaberecht eine entscheidende Rolle, vor allem dann, wenn die betreffende Auftragsvergabe nicht vom Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien erfasst ist (zu solchen Konstellationen s bereits Pkt II.B.1.). Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, wozu vor allem die Verpflichtung zur außenwirksamen gesetzlichen Regelung des Vergabeverfahrens in dem von den Vergaberichtlinien erfassten Bereich oberhalb der Schwellenwerte zählt, haben wesentliche Rückwirkungen auf das gesamte österreichische Vergaberecht. Der innerstaatliche Gesetzgeber unterliegt bei der Ausgestaltung des Vergaberechts nicht nur den gemeinschaftsrechtlichen Determinanten, sondern dort, wo das Gemeinschaftsrecht keine Vorgaben enthält oder Spielräume eröffnet, auch den Anforderungen, die sich aus dem österreichischen Verfassungsrecht ergeben. Dieser, vom österreichischen Verfassungsgerichtshof geprägte Grundsatz (zB VfSlg 14.863/1997, 17.022/2003), wird auch als „doppelte Bindung“ des Gesetzgebers (an das Gemeinschaftsrecht und an das Verfassungsrecht) umschrieben. Die innerstaatliche gesetzliche Regelung des Vergabeverfahrens beschränkte sich zunächst darauf, die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (insbesondere auch jene hinsichtlich des Zugangs zum vergabespezifischen Rechtsschutz) nur im OSB umzusetzen; dies hatte zur Konsequenz, dass es unterhalb der Schwellenwerte, also außerhalb des Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinien, bei einer (objektiven) Bindung der Auftraggeber an verwaltungsinterne Vorschriften und dem zivilrechtlichen Rechtsschutz verblieb. In diesem Bereich kamen den Bietern daher Ansprüche nur soweit zu, als dies aus der grundrechtlichen Bindung (insbesondere aus dem Gleichheitssatz) und den diese Bindung ausführenden verwaltungsinternen Vorschriften folgte. Der VfGH hielt eine derartige, ausschließlich an Betragsgrenzen orientierte Ungleichbehandlung von Auftragsvergaben über und unter den Schwellenwerten für mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar. Der Gerichtshof konnte keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennen, dass den Bietern unterhalb der Schwellenwerte eine gesetzliche Regelung einschließlich entsprechender Bieterrechte und ein Zugang zum „einfacheren“ vergabespezifischen Rechtsschutz grundsätzlich verwehrt sein sollten (grundlegend VfSlg 16.027/2000; s dazu weiters unten Pkt IV.B.2.a.).
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II. Die öffentliche Auftragsvergabe im europäischen Kontext
Im Ergebnis hat damit die gemeinschaftsrechtliche Harmonisierung der Vorschriften für das Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte wesentliche Rückwirkungen auch auf die gesetzliche Regelung des Vergabeverfahrens insgesamt. Der Gesetzgeber ist heute aufgrund gemeinschaftsrechtlicher und verfassungsrechtlicher Bindungen zur gesetzlichen Regelung des Vergabeverfahrens und zur Gewährleistung eines grundsätzlich gleichwertigen Rechtsschutzes im gesamten Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe verpflichtet. Das Vergaberecht ist damit aber auch ein Beispiel dafür, dass vom Gemeinschaftsrecht rechtsstaatliche Innovationen in den Mitgliedstaaten ausgehen können und dass gemeinschaftsrechtlich gesetzte rechtsstaatliche Standards auf Ebene der Mitgliedstaaten dann selbst in nicht durch das Gemeinschaftsrecht harmonisierten, aber sachlich zusammenhängenden Bereichen, nicht mehr unterschritten werden können. Das Gemeinschaftsrecht präsentiert sich in diesen Fällen auch als wesentlicher Motor rechtsstaatlichen Fortschritts.
A. Agreement on Government Procurement (GPA)
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III. Völkerrechtliche Grundlagen Das öffentliche Auftragswesen unterliegt einer Reihe von völkerrechtlichen Vorgaben, die für die Ausgestaltung des Vergaberechts in der Gemeinschaftsrechtsordnung ebenso wie in den nationalen Rechtsordnungen von Bedeutung sind.
A. Agreement on Government Procurement (GPA) Das Agreement on Government Procurement (GPA) wurde 1994 im Rahmen der Uruguay-Runde der WTO abgeschlossen. Das GPA, das am 1.1.1996 in Kraft trat, ist als sogenanntes plurilaterales Abkommen nur für diejenigen Mitgliedstaaten der WTO verbindlich, die es unterzeichnet haben. Die Annahme des GPA stellt keine Bedingung für den Beitritt zur WTO dar. Das GPA wurde zwar von der EG, nicht aber von allen ihren Mitgliedstaaten ratifiziert. Dies geht auf eine zwischen dem Rat und der Europäischen Kommission geführte Diskussion über die Frage zurück, ob sich die EG für den Abschluss des GPA auf eine ausschließliche Gemeinschaftskompetenz berufen konnte oder ob diesbezüglich auch eine Kompetenz der Mitgliedstaaten anzunehmen ist. Die heute wohl hL geht davon aus, dass die EG das GPA zwar hinsichtlich der Lieferungen abgeschlossen hat, das Abkommen allerdings hinsichtlich des größten Teils der Dienstleistungen und der Bauleistungen von den Mitgliedstaaten zu unterzeichnen war. Insofern wäre für die Frage, ob die Regelungen des GPA für den Bau- bzw Dienstleistungsbereich maßgeblich sind, darauf abzustellen, ob der betreffende Mitgliedstaat das GPA ratifiziert hat. Diese Frage ist aber umstritten und soweit zu sehen nicht durch gerichtliche Entscheidungen oder Entschließungen im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens der WTO geklärt. Der Anwendungsbereich des GPA ist im Wesentlichen durch drei Voraussetzungen bestimmt: Erstens unterliegen nur Auftragsvergaben durch die dem GPA unterstellten Auftraggeber den einschlägigen rechtlichen Regelungen. Zweitens muss es sich um die Beschaffung von Waren oder Leistungen handeln, die in den jeweiligen Anhängen des Abkommens verzeichnet sind. Dazu zählen die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen ebenso wie die Erbringung von Bauleistungen. Und Drittens kommt das GPA erst ab bestimmten Schwellenwerten zur Anwendung, die mittels sogenannter Sonderziehungsrechte (SZR) angegeben und mit den Vertragsstaaten gesondert ausverhandelt werden. Die
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III. Völkerrechtliche Grundlagen
maßgeblichen Schwellenwerte bestimmen sich jeweils danach, welcher Auftraggeberkategorie die Beschaffungsstelle und welcher Auftragsart die Beschaffung zuzuordnen ist. Dieser grundsätzliche Anwendungsbereich des GPA ist relativ flexibel und kann durch entsprechende Übereinkunft sowohl in persönlicher wie auch in sachlicher Hinsicht eingeschränkt bzw auch erweitert werden, was im Ergebnis eine gewisse Unübersichtlichkeit hinsichtlich der jeweils geltenden Regelungen bewirkt. Der Regelungsgehalt des GPA umfasst im Kern das Prinzip der Nichtdiskriminierung sowie ein Gebot der Inländergleichbehandlung. Das Diskriminierungsverbot untersagt Diskriminierungen aufgrund der ausländischen Beteiligung an inländischen Unternehmen sowie Diskriminierungen von Waren, die von einem inländischen Unternehmen angeboten werden und aus einem Vertragsstaat stammen. Dem Gebot der Inländergleichbehandlung entsprechend dürfen Produkte, Dienstleistungen und Anbieter von anderen Vertragsparteien nicht ungünstiger behandelt werden als diejenigen aus dem Inland. Darüber hinaus dürfen Waren, Dienstleistungen und Anbieter anderer Vertragsparteien im Verhältnis zueinander nicht ungleich behandelt werden. Entsprechend dem Gebot der Meistbegünstigung ist die günstigste Behandlung, die einem Vertragsstaat zuteil wird, auch den anderen Mitgliedern zu gewähren. Die innergemeinschaftliche und damit auch die innerstaatliche Wirksamkeit des GPA ist aufgrund der restriktiven Judikatur des EuGH zur (fehlenden) unmittelbaren Anwendbarkeit von WTO-Recht relativ beschränkt. Demnach ist die Durchsetzung des GPA in der Gemeinschaft grundsätzlich nur nach Maßgabe der Vergaberichtlinien möglich, die die völkerrechtlichen Vorgaben entsprechend umzusetzen haben. Auch für das GPA gelten die Bestimmungen über das Streitbeilegungssystem der WTO, aufgrund dessen Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien vor den zuständigen Streitbeilegungsorganen („Panel“ und „Appellate Body“) verbindlich geschlichtet werden können. Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Bietern, die vom Anwendungsbereich des GPA erfasst sind, nicht-diskriminierende, transparente und effektive Rechtsschutzverfahren vor einer unabhängigen und unparteiischen Instanz zur Verfügung zu stellen.
B. Weitere völkerrechtliche Rechtsgrundlagen Weitere Abkommen der EG mit Drittstaaten ergänzen den völkerrechtlichen Vergaberechtsrahmen. Insbesondere bestehen – meist nur auf gewisse Sektoren bezogene – Übereinkommen mit den USA, der Schweiz und bestimmten anderen Ländern. Außerhalb des Anwendungsbereichs
B. Weitere völkerrechtliche Rechtsgrundlagen
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internationaler Abkommen sind die EG-Mitgliedstaaten im Umgang mit Anbietern aus Drittstaaten im Wesentlichen frei. Schließlich ist auf das im Rahmen der Kommission der Vereinten Nationen für Internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law-UNCITRAL) erarbeitete UNCITRAL-Modellgesetz über die öffentliche Auftragsvergabe hinzuweisen, das – als rechtlich per se unverbindliche Rechtsgrundlage – auf eine Verstärkung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz im öffentlichen Auftragswesen abzielt. Das Modellgesetz soll interessierten Staaten Anhaltspunkte dafür geben, wie nationale Gesetzgebungsmaßnahmen zu einer sinnvollen Ausgestaltung des Vergaberechts beitragen können und ist insoweit vom Gedanken einer internationalen Vereinheitlichung des Vergaberechts getragen.
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IV. Das österreichische Vergaberecht
IV. Das österreichische Vergaberecht Das Vergaberecht wurde in Österreich auf Bundesebene erstmals im Jahr 1993 mit einem Bundesvergabegesetz (das BVergG 1993, BGBl 1993/462, trat am 1.1.1994, dem Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zum EWR in Kraft) gesetzlich geregelt. Zuvor fungierte die ÖNORM A 2050, deren wesentliche Elemente später in die Gesetzgebung einflossen, als zentrale Rechtsgrundlage für Auftragsvergaben. ÖNORMen sind vom Österreichischen Normungsinstitut verfasste Empfehlungen; diese sind nicht per se rechtsverbindlich, sondern bedürfen einer gesonderten Verbindlicherklärung durch Gesetz, Verordnung oder Vertrag. Im Einzelnen wurde die ÖNORM A 2050 sohin entweder von Bundes-, Landes- oder Gemeindeorganen für verbindlich erklärt oder es wurden sogenannte Vergabeordnungen erlassen, die sich inhaltlich an der ÖNORM A 2050 orientierten.
Da das BVergG 1993 aufgrund der damaligen verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung nur Auftragsvergaben durch den Bund bzw dem Bund zurechenbare Einrichtungen erfasste, war zusätzlich die Erlassung von Landesvergabegesetzen für Vergaben im Landes- und Gemeindebereich erforderlich. Auch das BVergG 1997, BGBl I 1997/56, war (noch) von einer kompetenzrechtlichen Zweiteilung zwischen Bund und Ländern geprägt. Konsequenz dieser fortdauernden Zweiteilung war eine zunehmende Zersplitterung des Rechtsgebiets mit zehn einander zwar ähnelnden, im Detail aber doch unterschiedlichen Vergabegesetzen.
A. Kompetenzrechtliche Grundlagen Die allgemeine Kompetenzverteilung des B-VG kannte lange Zeit keinen Kompetenztatbestand „Vergabewesen“, weshalb die kompetenzrechtliche Zuordnung des Vergaberechts immer wieder Gegenstand der Diskussion war. Auffassungsunterschiede bestanden in der Literatur vor allem bezüglich der Regelungen über das Vergabeverfahren selbst, durch die die vergebenden Stellen gebunden und den Bietern subjektive Rechte eingeräumt werden sollten. Dabei wurde zum Teil vertreten, dass der jeweilige Materiengesetzgeber zur Regelung des Vergabeverfahrens zuständig sei (Korinek/Schwarzer, Verfassungsrechtliche Grundlagen der Auftragsvergabe [1981] 64 ff), wie auch, dass die Regelungszuständigkeit für das Vergabeverfahren Ausfluss der Organisationskompetenz der jeweiligen Gebietskörperschaften ist (Pernthaler, Die innerstaatliche Umsetzung der Vergaberichtlinien der EG aus Sicht der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung in Österreich, in Funk/Marko/Pernthaler [Hrsg] Die
A. Kompetenzrechtliche Grundlagen
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innerstaatliche Umsetzung der Vergaberichtlinien der EG [1992] 47 [86 f]). Einer weiteren Auffassung zufolge war das Vergaberecht dem Kompetenztatbestand des Zivilrechtswesens (Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG) zuzuordnen (Thienel, Bundesvergaberecht und Zivilrechtswesen, ÖJZ 1993, 609 ff), mit der Konsequenz einer allgemeinen Regelungszuständigkeit des Bundes. Der VfGH (VfSlg 15.286/1998) gab dieser Diskussion im Jahr 1998 insofern eine Richtung vor, als er die Zuständigkeit für die Regelung des Vergabeverfahrens und des Rechtsschutzes für Vergaben durch die öffentliche Hand als Ausfluss der Organisationshoheit, für Vergaben durch privatrechtlich organisierte Auftraggeber als Ausfluss der Zivilrechtskompetenz des Bundes ansah. Dem Bundesgesetzgeber kam nach dem Erkenntnis des VfGH die Regelungskompetenz für Vergaben im Bundesbereich und für private Sektorenauftraggeber zu, während der Landesgesetzgeber für Vergaben im Landes- und Gemeindebereich zuständig war. Insoweit perpetuierte die Rechtsprechung des VfGH die kompetenzrechtliche Zergliederung des Vergaberechts. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, bedurfte es einer kompetenzrechtlichen Neuordnung. Diese erfolgte im Jahr 2002 durch einen neu in das B-VG eingeführten Kompetenztatbestand „Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens“ in Gestalt des Art 14 b B-VG. Hinsichtlich der diesem neuen Kompetenztatbestand unterfallenden Regelungsbereiche ist zwischen „Vergabeverfahren“ und „Vergabekontrolle“ zu unterscheiden. Während das Vergabeverfahrensrecht, gleichwohl als „materielles“ Vergaberecht bezeichnet, die Vorgehensweise bei der Vergabe eines Auftrags umschreibt (dazu zählen etwa Vorschriften betreffend Ausschreibung, Prüfung der Eignung der Bieter, Festlegung von Zuschlagskriterien etc), umfasst die Vergabekontrolle verfahrens- und organisationsrechtliche Bestimmungen des vergabespezifischen Rechtsschutzverfahrens. Für die Regelung des Vergabeverfahrens weist Art 14 b Abs 1 B-VG die Zuständigkeit zur Gesetzgebung dem Bund zu, während die „Vollziehung“ in diesem Bereich gemäß Art 14b Abs 2 B-VG zwischen Bund und Ländern geteilt ist. Die Vollzugskompetenz, also das Recht zur Durchführung der Vergabeverfahren kommt hiebei dem Bund bei Auftragsvergaben durch den Bund selbst, durch öffentliche Einrichtungen des Bundes, durch diesem zuzuordnende Unternehmen sowie durch private Sektorenauftraggeber zu. Landessache ist die Vollziehung hinsichtlich der Auftragsvergaben durch die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie durch die diesen zuzuordnende Unternehmen. Bei Vergaben, die vom Bund und den Ländern gemeinsam durchgeführt werden, ist der Bund mit der Vollziehung betraut, wenn der Anteil des Bundes am geschätzten Gesamtauftragswert mindestens gleich groß ist wie derjenige der Summe der Länder. Im gegenteiligen Fall ist die Vollziehung Landessache.
Im Unterschied dazu ist die Nachprüfung im Rahmen der Vergabe von Aufträgen (Vergabekontrolle) kompetenzrechtlich in Gesetzgebung
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IV. Das österreichische Vergaberecht
und Vollziehung zwischen Bund und Ländern geteilt. (Art 14 b Abs 3 B-VG): Gesetzgebung und Vollziehung sind im Vollzugsbereich des Bundes und hinsichtlich privater Sektorenauftraggeber dem Bund, im Vollzugsbereich der Länder bzw der Gemeinden den Ländern zugewiesen. Als Ergebnis der kompetenzrechtlichen Neuordnung wurde für das materielle Vergaberecht erstmals mit dem BVergG 2002 – sowie in weiterer Folge mit dem nunmehr in Geltung stehenden BVergG 2006 – ein einheitliches Regelungsregime für Auftragsvergaben sämtlicher öffentlicher Auftraggeber – sowohl im Bundes- als auch im Landesbereich – geschaffen. Auch die materiellen Sektorenregelungen des BVergG gelten gleichermaßen für alle Sektorenauftraggeber, der kompetenzrechtlich zwischen Bund und Ländern geteilte vergabespezifische Rechtsschutz macht allerdings eine Differenzierung nach Bund oder Ländern auch hier erforderlich: Entsprechend der durch Art 14 b B-VG getroffenen kompetenzrechtlichen Zuordnung unterliegen private Sektorenauftraggeber dem Rechtsschutz durch den Bund, während sowohl öffentliche Unternehmen im Sinne des § 165 BVergG als auch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, sofern sie eine Sektorentätigkeit ausüben, je nach den für die Rechnungshofkontrolle jeweils maßgeblichen Beteiligungs- bzw Beherrschungsverhältnissen dem Bundes- oder dem Landesvollzugsbereich zugerechnet werden. Aufgrund der Sonderregelung des Art 14 b Abs 4 B-VG hat der Bund den Ländern Gelegenheit zu geben, an der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben, die von seinem Kompetenzbereich erfasst sind, mitzuwirken. Soweit dies gesetzliche Bestimmungen betrifft, die in Vollziehung Landessache sind, bedarf die Kundmachung der Zustimmung der Länder.
B. Das BVergG 2006 Die aufgrund der Neukodifikation der europäischen Vergaberichtlinien im Jahr 2004 erforderliche Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben wurde zum Anlass genommen, das österreichische Bundesvergabegesetz neu zu strukturieren und zu vereinfachen. Das BVergG 2006 gliedert sich im Wesentlichen in drei Hauptteile: Verfahrensbestimmungen für öffentliche Auftraggeber, Verfahrensbestimmungen für Sektorenauftraggeber und Rechtsschutzvorschriften. Die beiden verfahrensrechtlichen Teile sind dabei wiederum für sich in thematische Abschnitte untergliedert, die für einen gleichlaufenden Aufbau der Bestimmungen im „klassischen“ Vergabeverfahren und der Regelungen im Sektorenbereich sorgen. Komplettiert werden die Verfahrens- und Rechtsschutzbestimmungen durch eine einleitende Definition des Regelungsgegenstandes und Begriffsbestimmungen sowie eine abschließende Regelung der
B. Das BVergG 2006
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außerstaatlichen Kontrolle und der zivilrechtlichen Bestimmungen. Diese Regelungen gelten – ebenso wie der Rechtsschutzteil und die Schlussund Übergangsbestimmungen – gleichermaßen für die klassischen öffentlichen Auftragsvergaben wie für Sektorenauftragsvergaben. Während das BVergG 2006 in materiell-rechtlicher Hinsicht ein einheitliches Vergaberecht für Bund und Länder enthält, bleibt der vergabespezifische Rechtsschutz nach wie vor gespalten: Zwar gelangen für den Bund auch im Rechtsschutzbereich die einschlägigen Bestimmungen des BVergG zur Anwendung. Auf Länderebene gibt es hingegen eigene „Landesvergaberechtsschutzgesetze“. Der Rechtsschutz gegen Auftragsvergaben im Vollzugsbereich der Länder richtet sich somit nach den jeweils einschlägigen – dem im BVergG vorgegebenen Rechtsschutzsystem zum überwiegenden Teil nachgebildeten – Landesgesetzen (s dazu näher Pkt VII. sowie die Aufstellung der Vergabenachprüfungsgesetze der Länder in Pkt VIII.; zur Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben in Österreich s sogleich Abbildung 3).
Landesvergaberechtsschutzgesetze ZB Bgld Vergabe-Nachprüfungsgesetz, NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz, Kärntner Vergaberechtsschutzgesetz, Wiener Vergaberechtsschutzgesetz.
1. Persönlicher Geltungsbereich Die Bestimmungen über den persönlichen Geltungsbereich des BVergG legen fest, welche Auftraggeber im Zuge ihrer Beschaffungstätigkeit zur Anwendung des BVergG verpflichtet sind. Die in den §§ 3 und 164 bis 166 BVergG enthaltenen Kriterien definieren den persönlichen Geltungsbereich des BVergG abschließend (s zum Folgenden näher die Kommentierungen zu den genannten Bestimmungen von Holoubek/Fuchs in Schramm ua [Hrsg] Bundesvergabegesetz 2006 Kommentar [2009], denen die Darstellung folgt). Das bedeutet, dass das BVergG ausschließlich auf die Beschaffungstätigkeiten jener Rechtsträger Anwendung findet, die Auftraggeber im Sinne dieser Bestimmungen sind und somit vom Anwendungsbereich des BVergG erfasst werden. Jene Auftraggeber, die der Definition des § 3 BVergG unterfallen, haben die materiellen vergaberechtlichen Regelungen über die klassische öffentliche Auftragsvergabe anzuwenden (s die Überschrift zum 2. Teil des BVergG: „Vergabeverfahren für öffentliche Auftraggeber“). Für Vergaben von Auftraggebern, die gemäß §§ 164 bis 166 BVergG als Sektorenauftraggeber zu qualifizieren sind, ist der Regelungsteil über Vergaben im Sektorenbereich maßgeblich (3. Teil des BVergG: „Vergabeverfahren für Sektorenauftraggeber“).
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IV. Das österreichische Vergaberecht
Abbildung 3: Umsetzung in Österreich
Hingegen sind Beschaffungen rein privater Unternehmer, sofern diese nicht ausnahmsweise den Bestimmungen für Sektorenauftraggeber unterliegen, nicht den vergaberechtlichen Regelungen unterworfen. Die Abwicklung privater Beschaffungsvorhaben (etwa privater Hausbau oder Autokauf oder der Ankauf technischer Anlagen durch ein Privatunter-
B. Das BVergG 2006
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nehmen), insbesondere die Wahl des Vertragspartners, ist daher nicht Gegenstand des Vergaberechts im hier dargestellten Sinn (auch wenn mitunter bei solchen rein privaten Beschaffungen auch von „Auftragsvergabe“ gesprochen wird). a) Entwicklung des Auftraggeberbegriffs Der Begriff des öffentlichen Auftraggebers orientierte sich ursprünglich an einem klassischen, an der rechtlichen Stellung der jeweiligen Institutionen orientierten Verständnis. Der Kreis der erfassten Auftraggeber war typischer Weise stark von der institutionellen Eingliederung der vergebenden Stelle in die Staatsorganisation im eigentlichen Sinn geprägt (ĺ institutioneller Auftraggeberbegriff). Deshalb waren primär die Gebietskörperschaften und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts als öffentliche Auftraggeber zur Einhaltung vergaberechtlicher Regelungen verpflichtet. Nur unspezifisch wurden auch privatrechtlich organisierte Einrichtungen in den Kreis der öffentlichen Auftraggeber einbezogen, wenn sie zu einem für öffentliche Auftraggeber typischen Verhalten verpflichtet werden konnten, organisatorisch unter dem Einfluss der Gebietskörperschaften standen und/ oder zur Finanzierung ihrer Aufträge öffentliche Mittel erhielten. Diese Einbeziehung auch privatrechtlich organisierter Einrichtungen beruhte auf dem Gedanken, dass eine rein auf die Rechtsform und institutionelle Zugehörigkeit zum Staat im eigentlichen Sinn abstellende Begriffsbestimmung zu wenig Spielraum biete, um die verschiedenartigen Organisationsformen staatlicher Aufgabenwahrnehmung möglichst genau erfassen zu können.
Mit fortschreitender Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens erwies sich auch auf Ebene des Gemeinschaftsrechts eine Definition des Auftraggeberbegriffs allein an Hand formaler Kriterien als nicht ausreichend, da Einrichtungen, die staatliche Aufgaben wahrnahmen, ohne formell Organisationseinheit des Staates zu sein, vom institutionellen Auftraggeberbegriff im Regelfall nicht erfasst wurden. Basierend auf einem funktionellen Verständnis der Zurechnung der Tätigkeit des Auftraggebers zum Staat wurde daher zunehmend vom „funktionellen Auftraggeberbegriff“ gesprochen, der nicht mehr nur auf die formale Einbindung einer Einrichtung in die Staatsorganisation im eigentlichen Sinn abstellt, sondern auf die von dieser wahrzunehmende „staatliche“ Aufgabe und damit auf die funktionelle Zurechnung zum Staat. Der EuGH (Rs 31/87, Beentjes, Slg 1988, I-4635, Rz 11) begründet die Notwendigkeit eines funktionellen Verständnisses des Auftraggeberbegriffs damit, dass das Ziel der Vergaberichtlinien, nämlich die Verwirklichung der Grundfreiheiten, gefährdet wäre, wenn diese allein deswegen unanwendbar wären, weil ein „öffentlicher Auftrag“ von einer Einrichtung vergeben wird, die geschaffen wurde, um staatliche Aufgaben zu erfüllen, die jedoch nicht förmlich in die staatliche Verwaltung eingegliedert ist.
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IV. Das österreichische Vergaberecht
Wahrnehmung staatlicher Aufgaben Zu den Einrichtungen außerhalb der Staatsorganisation im engeren Sinn, die typischer Weise staatliche Aufgaben wahrnehmen, zählen beispielsweise die BIG, diverse „Regulierungsbehörden“ wie die RTR-GmbH oder die EnergieControl-GmbH, die BRZ GmbH, die Österreichische Staatsdruckerei GmbH, die Austro Control GmbH, die Österreichische Nationalbank AG (OeNB AG) etc.
Der funktionelle Auftraggeberbegriff soll daher auch dafür Gewähr leisten, dass die Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Disposition über die Anwendung des EG-Vergaberechts durch Wahl der Organisationsform des Aufgabenträgers weitgehend eingedämmt wird (ĺ keine „Flucht ins Privatrecht“). Das vom EuGH entwickelte Konzept des funktionellen Auftraggeberverständnisses wurde in der Folge in den Vergaberichtlinien ausdrücklich sekundärrechtlich verankert: Neben dem Staat und den Gebietskörperschaften erfassen diese als öffentliche Auftraggeber auch Einrichtungen, die vom Staat beherrscht werden (ĺ Einrichtungen öffentlichen Rechts). Mit diesem Begriff wird auf die funktionelle Zuordnung zum Staat – unabhängig von der Rechtsform des Rechtsträgers – abgestellt. Einrichtungen öffentlichen Rechts Zusätzlich zu den bereits oben genannten Einrichtungen sind dies zB Innsbrucker Kommunalbetriebe AG, AMS, Agrarmarkt Austria (AMA), ASFINAG etc.
Im Sektorenbereich werden Auftraggeber aufgrund ihrer Tätigkeit in bestimmten Bereichen (ĺ Sektoren) dem Vergaberechtsregime unterworfen. Neben „klassischen“ öffentlichen Auftraggebern und öffentlichen Unternehmen können unter bestimmten Voraussetzungen auch private Rechtsträger, bei denen grundsätzlich keine funktionelle Zurechnung zum Staat (mehr) vorliegt, zur Anwendung des Sektorenvergaberechts verpflichtet sein. Sektorenauftraggeber Zu den wichtigsten Sektorenauftraggebern in Österreich zählen neben den einzelnen Untergliederungen des Konzerns der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) [etwa die Personenverkehr AG, die Infrastruktur Bau AG oder die DienstleistungsGmbH] insbesondere die Wiener Linien GmbH & Co KG und die Flughafen Wien AG. Auch reine „Private“, wie etwa private Energieversorgungs- oder Verkehrsunternehmen, können dem Begriff des Sektorenauftraggebers unterfallen.
B. Das BVergG 2006
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b) Klassische öffentliche Auftraggeber Gemäß § 3 Abs 1 Z 1 BVergG sind öffentliche Auftraggeber der Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände. Dazu zählen auch alle diesen formal-organisatorisch zugehörigen Untergliederungen (insbesondere deren Organe bzw nachgeordnete Dienststellen) ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Untergliederungen öffentlicher Auftraggeber So können für den Auftraggeber „Bund“ zB die jeweils ressortmäßig zuständigen Bundesminister tätig werden, für den Auftraggeber „Land“ die jeweilige Landesregierung. Wenn Gemeinden öffentliche Aufträge vergeben, treten meist der Bürgermeister oder der Gemeinderat als handelnde Organe in Erscheinung.
Für die Qualifikation als öffentlicher Auftraggeber ist es irrelevant, ob das Organ der gesetzgebenden, der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt zuzurechnen ist. Auftraggebereigenschaft eines Organs der Gesetzgebung In einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien stellte der EuGH fest, dass auch der Vlaamse Rat (das flämische Parlament im belgischen föderativen System) bei der Vergabe eines Auftrags – wie in dem zu beurteilenden Fall zur Errichtung eines Parlamentsgebäudes – an die Vergaberichtlinien gebunden ist (EuGH Rs C-323/96, Kommission/Belgien, Slg 1998, I-5063).
Abgrenzungs- und Zuordnungsfragen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden können sich dann stellen, wenn Einrichtungen als Auftraggeber für eine Gebietskörperschaft tätig werden, ohne dieser in einem formalorganisatorischen Sinn anzugehören. Das ist vor allem im Bereich der sogenannten Auftragsverwaltung der Fall. Dabei nehmen zumeist Landesbehörden, die im Rahmen der ihnen vom ressortmäßig zuständigen Bundesminister übertragenen Aufgaben (dazu gehören insbesondere der Bundeshochbau und die Verwaltung bundeseigener Liegenschaften) als Auftraggeber tätig werden, inhaltlich Agenden des Bundes wahr. Im Lichte des jeweiligen Auftragsprojekts ist das Beschaffungsverhalten der – organisatorisch – Landesorgane dem Bund als dem jeweils dahinter stehenden „wahren“ Auftraggeber funktionell zuzurechnen. Mit dem Begriff der Auftragsverwaltung wird allgemein die auf Grundlage des Art 104 Abs 2 B-VG ermöglichte mittelbare Verwaltung durch die Länder im Bereich der nichthoheitlichen Verwaltung des Bundes bezeichnet.
c) Einrichtungen des öffentlichen Rechts Zu den öffentlichen Auftraggebern gehören neben den genannten „klassischen“ öffentlichen Auftraggebern gemäß § 3 Abs 1 Z 2 BVergG – im Sinne des funktionellen Auftraggeberbegriffs – Einrichtungen, die
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i) zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind und ii) zumindest teilrechtsfähig sind und iii) überwiegend von öffentlichen Auftraggebern finanziert werden oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegen oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die von öffentlichen Auftraggebern ernannt worden sind. Für diese Einrichtungen hat sich allgemein der Begriff „Einrichtungen (des) öffentlichen Rechts“ durchgesetzt. Es sind dies Einrichtungen, die mit der öffentlichen Hand „eng verbunden“ sind und bei denen Grund zur Annahme besteht, dass sie sich bei ihren Vergabeentscheidungen wesentlich auch von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lassen (können). Erfasst vom Begriff der Einrichtungen öffentlichen Rechts sind damit in erster Linie sogenannte ausgegliederte Rechtsträger, also Einrichtungen, die von Gebietskörperschaften kontrolliert oder finanziert werden. Der Begriff der Einrichtung öffentlichen Rechts stellt nicht auf die Unterscheidung zwischen „öffentlichem“ und „privatem“ Recht ab, vielmehr können auch Privatrechtssubjekte bei Erfüllen der entsprechenden Voraussetzungen als Einrichtungen öffentlichen Rechts zu qualifizieren sein. Öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen öffentlichen Rechts ZB Wirtschaftskammern, Arbeiterkammern, Gebietskrankenkassen, Universitäten, Österreichischer Rundfunk (ORF), AMS, ÖAW, AMA, Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), Wasserverbände im Sinne des WRG, Salzburger Festspielfonds, Museen nach dem Bundesmuseen-Gesetz etc. Privatrechtlich organisierte Einrichtungen öffentlichen Rechts ZB BIG, Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen GmbH (ÖSAG), OeNB AG, ASFINAG, BRZ GmbH, Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), Umweltbundesamt GmbH, Brenner Eisenbahn GmbH, Verein Österreich Werbung etc.
Den EG-Mitgliedstaaten wurde die Möglichkeit zur Auflistung derjenigen innerstaatlichen Institutionen gegeben, die nach ihrem Verständnis als Einrichtungen öffentlichen Rechts zu qualifizieren sind. Diese mitgliedstaatlichen Verzeichnisse, die in Anhang III der allgemeinen Vergaberichtlinie wiedergegeben sind, haben aber nur deklarativen Charakter (und sind daher nicht konstitutiv). Österreich verzichtete im Unterschied zu anderen Mitgliedstaaten auf eine namentliche Auflistung und formulierte stattdessen in Anhang III der allgemeinen Vergaberichtlinie, dass „alle Einrichtungen die der Haushaltskontrolle durch den Rechnungshof unterliegen, sofern sie nicht gewerblichen Charakter haben“ als Einrichtungen öffentlichen Rechts zu qualifizieren sind.
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Eine Einrichtung kann nur dann als Einrichtung öffentlichen Rechts im Sinn des § 3 Abs 1 Z 2 BVergG eingestuft werden, wenn die drei der oben unter i) bis iii) genannten Tatbestandsmerkmale kumulativ vorliegen: Sämtliche der genannten Voraussetzungen – Teilrechtsfähigkeit, Gründung zum Zweck der Erfüllung im Allgemeininteresse liegender Aufgaben nicht gewerblicher Art sowie überwiegende Finanzierung oder Beherrschung durch einen öffentlichen Auftraggeber – müssen also jeweils für sich erfüllt sein. Umgekehrt gewendet ist eine Einrichtung nicht schon dann öffentlicher Auftraggeber, wenn bloß eines der drei genannten Merkmale gegeben ist (vgl EuGH Rs C-44/96, Mannesmann, Slg 1998, I-73, Rz 21). Da es sich bei den Tatbestandsmerkmalen um gemeinschaftsrechtliche Begriffe (sie entstammen den europäischen Vergaberichtlinien) handelt, sind diese nicht anhand des nationalen Rechts, sondern autonom auszulegen. Um Divergenzen in der Interpretation zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zu vermeiden, ist zur autonomen Auslegung von Gemeinschaftsrecht grundsätzlich der EuGH berufen. Der Judikatur des EuGH kommt daher für das Verständnis der nachfolgend erklärten Begriffe besondere Bedeutung zu. (1) (Teil-) Rechtsfähigkeit Das Kriterium der (Teil-) Rechtsfähigkeit erfüllen jedenfalls vollrechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts (Körperschaften, Anstalten, Fonds) sowie des Privatrechts (zB Kapitalgesellschaften, Vereine, Privatstiftungen, Genossenschaften), aber auch die Europäische Gesellschaft (SE) oder die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV). Auch privatrechtliche Gesellschaften im Gründungsstadium (wie Vor-GmbH, Vor-AG) und Personengesellschaften des Privatrechts (OG, KG), aber auch öffentlich-rechtliche Einrichtungen, die mangels Vollrechtsfähigkeit nicht als juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten, verfügen nach herrschender Ansicht grundsätzlich über die notwendige Rechtsfähigkeit, um als Auftraggeber im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Rechte und Pflichten eingehen zu können. Eigenbetriebe von Gebietskörperschaften (zB die MA 48 der Gemeinde Wien), denen es an eigener Rechtspersönlichkeit mangelt, weisen demgegenüber keine (Teil-) Rechtsfähigkeit auf. (2) Im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art Das zweite Kriterium, das erfüllt sein muss, damit von einer Einrichtung öffentlichen Rechts gesprochen werden kann, besteht in der Wahrnehmung von Aufgaben, die im Allgemeininteresse liegen und nicht gewerblicher Art sind. Dieses Kriterium bereitet aufgrund der beiden zentralen, unbestimmt formulierten Teilkriterien beträchtliche Auslegungs-
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schwierigkeiten. Aus diesem Grund werden die Merkmale „im Allgemeininteresse liegend“ und „nicht gewerblicher Art“ im Folgenden getrennt dargestellt. Es handelt sich bei „im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht gewerblicher Art“ aber dessen ungeachtet um ein Kriterium der Einrichtungen öffentlichen Rechts, das freilich nur bei Vorliegen beider Teilmerkmale erfüllt ist. (a) Aufgaben im Allgemeininteresse Generell können solche Aufgaben als im Allgemeininteresse liegend angesehen werden, die nicht ausschließlich der Förderung von (subjektiven) Einzelinteressen, sondern (auch) der Beförderung von (objektiv) gemeinsamen Interessen der Gesamtbevölkerung oder einzelner Bevölkerungsgruppen zuträglich sind. Sie umfassen ein gewisses Spektrum an Agenden, die im Interesse des Gemeinwohles vom Staat als Träger des Interesses der Gesamtheit besorgt werden (zB im Bereich der Daseinsvorsorge). Aufgaben im Allgemeininteresse Tätigkeiten im Bereich Müllabfuhr, Betrieb einer Kläranlage, Bau von Schnellstraßen und Autobahnen, Betrieb kommunaler Verkehrsnetze, Versorgung mit Gas, Wasser, Strom sowie Abfallbeseitigung, Bereitstellung von Studentenheimplätzen, Schulwesen, Schulungsmaßnahmen für Arbeitslose, Herstellung von amtlichen Druckerzeugnissen, Betreiben eines Krankenhauses, Leichen- und Bestattungswesen, Amortisation und Errichtung von Strafvollzugsanstalten, Hochwasserschutz, Umweltschutz, Stadtentwicklung etc.
Darüber hinaus kann auch die Beförderung von Drittinteressen eine Tätigkeit im Allgemeininteresse darstellen, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn diese Tätigkeit geeignet ist, wirtschaftspolitische Zielsetzungen des Staates zu verwirklichen.
Beförderung wirtschaftspolitischer Zielsetzungen des Staates Der EuGH sah in der Ausrichtung von Messeveranstaltungen eine im Allgemeininteresse liegende Tätigkeit, weil damit nicht nur ein Ort zur Förderung des Absatzes der Erzeugnisse und Waren von Herstellern und Händlern zur Verfügung gestellt werde, sondern auch den Verbrauchern notwendige Informationen vermittelt würden. Den aus dieser Tätigkeit insgesamt resultierenden Impuls für den Handel sah der EuGH als im Allgemeininteresse liegend an (verb Rsen C-223/99 und C-260/99, Agorà, Slg 2001, I-3605).
Ein Blick auf die bisherige Judikatur sowohl auf gemeinschaftsrechtlicher als auch auf innerstaatlicher Ebene zeigt, dass der Begriff des Allgemeininteresses von den Vergabekontrollinstanzen durchaus weit verstanden wird.
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Weites Begriffsverständnis Der EuGH sah in der Erhaltung der nationalen Wälder und eigener Forstindustrie (Rs C-306/97, Connemara, Slg 1998, I-8761 bzw Rs C-353/96, Kommission/Irland, Slg 1998, I-8565), im Betreiben einer Universität (Rs C-380/98, University of Cambridge, Slg 2000, I-8035) oder im Bau von Sozialwohnungen (Rs C-237/99, Kommission/Frankreich, Slg 2001, I-939) im Allgemeininteresse liegende Tätigkeiten. Kein Allgemeininteresse mangels Zweckgebung der Aufgabenerfüllung Das BVA verneinte das Vorliegen einer im Allgemeininteresse liegenden Tätigkeit im Fall einer zu 100 % im Eigentum der Österreichischen Industrieholding AG (ÖIAG) stehenden Tochtergesellschaft, da es einer Gesellschaft, die aufgrund ihrer früheren industriellen Tätigkeit zur Altlastensanierung verpflichtet ist, an der besonderen im Allgemeininteresse liegenden Zweckgebung der Aufgabenerfüllung mangelt (BVA 12.7.2006, N/0041-BVA/07/2006-49).
(b) Aufgaben nicht gewerblicher Art Der Begriff der Aufgaben „nicht gewerblicher Art“ hat nichts mit dem innerstaatlichen Begriff der „Gewerbsmäßigkeit“ etwa im Sinne des Gewerbe- oder Steuerrechts zu tun. Es handelt sich hier um ein gutes Beispiel dafür, dass die Rechtsordnung oft dieselben Begriffe in unterschiedlichem Zusammenhang mit (ganz) unterschiedlicher Bedeutung verwendet. „Nicht gewerblich“ im vergaberechtlichen Sinn ist eine Tätigkeit dann, wenn der Staat – unmittelbar oder mittelbar – Einfluss auf die Unternehmensgebarung nehmen und damit die Stellung dieses Unternehmens gegenüber potentiellen Mitbewerbern am Markt verbessern kann. Das Kriterium der Erfüllung von Aufgaben nicht gewerblicher Art stellt darauf ab, ob die betreffende Einrichtung unter Marktbedingungen tätig wird, also ob sie bei Erbringung ihrer Tätigkeiten in einer Wettbewerbssituation mit Privaten steht. Allein der Umstand, dass die Aufgaben, die die Einrichtung erfüllt, grundsätzlich auch von Privatunternehmen erbracht werden (können), schließt jedoch das Vorliegen einer im Allgemeininteresse liegenden Tätigkeit nicht gewerblicher Art noch nicht aus, zumal Aufgaben, die keinesfalls von Privatunternehmen erfüllt werden können, kaum mehr vorstellbar sind (so EuGH Rs C-360/96, BFI Holding, Slg 1998, I-6821, Rz 40 ff).
Bevorrechtete Stellung der Einrichtung Ist eine Einrichtung zur ausschließlichen Erbringung einer bestimmten Tätigkeit berechtigt, ist sie keiner Konkurrenz ausgesetzt. So kommt beispielsweise der Österreichischen Staatsdruckerei das ausschließliche Recht zur Herstellung von amtlichen Druckwerken zu, weshalb diese – da auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind – eine Einrichtung öffentlichen Rechts ist (EuGH Rs C-44/96, Mannesmann, Slg 1998, I-73).
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Der Wiener Linien GmbH&Co KG ist ein ausschließliches Recht zur Beförderung von Personen im Gebiet der Stadt Wien eingeräumt, weshalb auch diese als Einrichtung öffentlichen Rechts gilt und den Bestimmungen des BVergG unterliegt (B-VKK 20.9.2000, S-95/00-9; BVA 21.10.1997, F-18/97-7).
Mit dem Kriterium der „Aufgaben nicht gewerblichen Art“ kommt ein dem Vergaberecht zugrunde liegender Gedanke zum Ausdruck, der daran anknüpft, ob die Tätigkeit einer Einrichtung prinzipiell an den gleichen wirtschaftlichen Zielsetzungen orientiert ist wie die Tätigkeit anderer Wirtschaftsunternehmen. Es geht darum, ob die betreffende Einrichtung so vollständig unter Wettbewerbsbedingungen agiert, dass der Markt ein hinreichendes Korrektiv dagegen bietet, dass sich die fragliche Einrichtung „von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt“ (zB EuGH Rs C-470/99, Universale-Bau, Slg 2002, I-11617, Rz 52 mwN). Ist das nicht der Fall, haben dieses Korrektiv die vergaberechtlichen Regelungen zu übernehmen (siehe dazu oben Pkt I.C.1.). Abgrenzung gewerbliche/nicht gewerbliche Tätigkeit Die (damalige) B-VKK (dazu noch unten Pkt VII.B.1.) hatte zu beurteilen, ob die „Kapruner Bergbahnen AG“, deren Unternehmensgegenstand die Errichtung und der Betrieb von Bergbahnen ist, die nach unternehmerischen Grundsätzen gewinnorientiert tätig wird und die mit einer Mehrzahl von Schigroßräumen im Wettbewerb steht, eine nicht gewerbliche Tätigkeit ausübt. Für die Beantwortung dieser Frage stellte die B-VKK darauf ab, ob die Einrichtung ihre Aufgaben in einer Wettbewerbssituation zu privaten bzw an privatwirtschaftlichen Maximen orientierten Unternehmen erfüllt, oder ob sie einer dadurch bewirkten „Konkurrenzsituation“ auf Grund einer besonderen rechtlichen oder faktischen Stellung am einschlägigen Markt zumindest ein Stück weit entzogen ist. Insofern komme es auf den räumlich und sachlich relevanten Markt an, der aus dem Blickwinkel der Nachfrager zu bestimmen sei. Die B-VKK kam zu dem Schluss, dass die Einrichtung auf dem relevanten Markt ihre Aufgaben in einer Wettbewerbssituation zu anderen privaten bzw an privatwirtschaftlichen Maximen orientierten Unternehmen erfülle. Da sie zudem unternehmerisch und an privatwirtschaftlichen Maximen orientiert tätig werde, könne der Markt ein hinreichendes Korrektiv für eine effiziente unternehmerische Auftragsvergabe bieten, sodass von einer gewerblichen Tätigkeit auszugehen ist (B-VKK 11.7.2001, G 1/01 = bbl 2001/167; dazu Holoubek, ZVB 2001, 17 ff). Obwohl die einschlägigen anlagenrechtlichen Bestimmungen dem Unternehmen für ein bestimmtes Schigebiet ein Ausschließlichkeitsrecht einräumen, bewirkt dies keine Sonderstellung gegenüber anderen Wettbewerbern, weil diese für andere, mit demjenigen des in Rede stehenden Unternehmens in Wettbewerb stehenden Schigebiete vergleichbare Ausschließlichkeitsrechte erlangen können. Wesentlich ist also, dass der Einrichtung keine besondere Stellung zukommt, die im gleichen Markt tätige Wettbewerber nicht erlangen können. Eine solche Sonderstellung kann etwa daraus resultieren, dass eine Einrichtung – wie beispielsweise die Bundestheaterservice GmbH oder die BRZ-GmbH – gesicherte Aufträge von öffentlichen Auftraggebern aufgrund einschlägiger Regelungen erhalten.
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Der Rechtsprechung des EuGH können mehrere Anhaltspunkte entnommen werden, die für das Vorliegen einer Aufgabe nicht gewerblicher Art sprechen: x Fehlen einer grundsätzlichen Gewinnerzielungsabsicht, x Fehlen von Wettbewerb auf dem Markt, x Risikotragung durch andere als die Einrichtung selbst (vor allem „Ausfallshaftung“ durch den Staat), x Finanzierung der Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln.
Diese Merkmale nicht gewerblichen Tätigwerdens sind weder abschließend, noch müssen sie kumulativ vorliegen. Sie sind lediglich als Indikatoren für das Vorliegen einer nicht gewerblichen Tätigkeit zu verstehen. Eine abschließende Definition von Aufgaben nicht gewerblicher Art lässt sich anhand dieser Gesichtspunkte nicht gewinnen. Vielmehr muss in jedem Einzelfall anhand einer Gesamtbetrachtung der konkreten Umstände des Tätigwerdens der Einrichtung gesondert geprüft werden, ob die ausgeübte Tätigkeit eine Aufgabe nicht gewerblicher Art darstellt. Aufgaben nicht gewerblicher Art Öffentlich-rechtlicher Programmauftrag des ORF, staatlich-behördliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Leitung und Verwaltung der Wiener Börse, Wahrnehmung von Regulierungsaufgaben durch die Energie-ControlGmbH, Erfüllung behördlicher Aufgaben der Zivilluftfahrt durch die AustroControl GmbH, Tätigkeit der Sozialversicherungsträger, der OeNB gesetzlich zugewiesene Aufgaben, Bewirtschaftung und Verwertung von Liegenschaften der ÖBB aufgrund eines der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH übertragenen ausschließlichen Rechts etc.
Die Auftraggebereigenschaft einer Einrichtung hängt nicht davon ab, ob ausschließlich oder überwiegend im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art erfüllt werden. An der Qualifikation einer Einrichtung als öffentlicher Auftraggeber ändert sich selbst dann nichts, wenn die Erbringung von Aufgaben nicht gewerblicher Art einen nur unbedeutenden Anteil an der Gesamttätigkeit darstellt. Da der nicht gewerbliche Teil der Aufgabenerbringung somit den gewerblichen Teil im Hinblick auf die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber „infiziert“, spricht man vom Infizierungsprinzip bzw dem „Alles-oder-NichtsPrinzip“. Keine Relevanz des Ausmaßes gewerblicher Tätigkeit, sofern auch nicht gewerblicher Tätigkeit nachgegangen wird Die österreichische Staatsdruckerei (ein eigener Wirtschaftskörper mit Rechtspersönlichkeit) wurde gegründet, um die Aufgabe der Herstellung von amtlichen Druckprodukten ausschließlich wahrzunehmen. Bei einigen
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dieser Druckprodukte (Reisepässe, Führerscheine, Personalausweise) ist Geheimhaltung oder die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften geboten, während andere der Veröffentlichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Staates dienen (Bundesgesetzblatt, Entscheidungssammlungen etc). Die Preise der Druckprodukte, die die Staatsdruckerei herzustellen hat, werden von einem Organ festgesetzt, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Bundeskanzler und verschiedenen Bundesministern entsandt werden; mit der Überwachung des Sicherheitsdrucks ist ein staatlicher Kontrolldienst betraut. Die Staatsdruckerei ist von Gesetzes wegen auch zur Ausübung anderer Tätigkeiten (etwa die Herstellung sonstiger Druckprodukte sowie der Verlag und der Vertrieb von Büchern, Zeitschriften etc) befugt und übt diese Tätigkeiten – im Wettbewerb mit anderen – auch tatsächlich aus. Anlässlich der Ausschreibung zur Vergabe von haustechnischen Anlagen richtete das BVA an den EuGH die Frage zur Vorabentscheidung, ob die Staatsdruckerei insgesamt dem Geltungsbereich dieser Richtlinie zu unterwerfen ist, selbst wenn ihre nicht gewerblichen Tätigkeiten nur einen Teil des Geschäftsbereichs ausmachen und sie auch als kommerzielles Unternehmen am Markt teilnimmt. Der EuGH bejahte die Qualifikation der Staatsdruckerei als Einrichtung öffentlichen Rechts mit dem Argument, dass diese zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Dabei kommt es nach Auffassung des EuGH nicht darauf an, ob die betreffende Einrichtung nur dieser Aufgabe nachkommt oder auch andere Tätigkeiten (zum Beispiel die Herstellung sonstiger Druckprodukte oder Verlag und Vertrieb von Büchern) ausüben darf (und tatsächlich ausübt). Auch auf den Umstand, dass die Erfüllung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben tatsächlich nur einen relativ geringen Teil der Tätigkeiten der Staatsdruckerei ausmache, kann es nach Meinung des Gerichtshofs nicht ankommen, wenn diese Einrichtung weiterhin die Aufgaben wahrnimmt, die sie als besondere Pflicht zu erfüllen hat (Rs C-44/96, Mannesmann, Slg 1998, I-73).
(c) Besonderer Gründungszweck Die Wahrnehmung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht gewerblicher Art muss sich schließlich grundsätzlich bereits bei Gründung der betreffenden Einrichtung manifestieren. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 3 Abs 1 Z 2 lit a BVergG („zu dem besonderen Zweck gegründet“). Der EuGH bejaht allerdings die Auftraggebereigenschaft einer Einrichtung auch dann, wenn diese zwar ursprünglich zu einem anderen Zweck gegründet wurde, später aber mit der Erfüllung im Allgemeininteresse liegender Aufgaben nicht gewerblicher Art betraut wird (Rs C-470/99, Universale-Bau, Slg 2002, I-11617). Dieses Ergebnis begründet der EuGH damit, dass die praktische Wirksamkeit der Vergaberichtlinien gefährdet wäre, könnte die Anwendbarkeit der Richtlinienbestimmungen auf eine Einrichtung allein deshalb ausgeschlossen werden, weil die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht gewerblicher Art, die diese Einrichtung erfüllt, ihr nicht bereits im Zeitpunkt ihrer Gründung übertragen wurden. Die Mitgliedstaaten könnten so bis zu
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einem gewissen Grad über die Anwendbarkeit der Vergaberichtlinien disponieren. Gerade dies soll aber nicht ermöglicht werden. Deshalb folgert der EuGH, dass eine Einrichtung von einem ehemals privaten Auftraggeber zum öffentlichen Auftraggeber werden kann, wenn ihr nachträglich und über den ursprünglichen Gründungszweck bzw über den Inhalt der dem Gründungsakt zugrunde liegenden Rechtsakte (zB Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag, Statuten) hinaus im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art übertragen werden. Maßgeblich ist allein die tatsächlich ausgeübte, objektiv feststellbare Tätigkeit. Nachträgliche Änderung des Gründungszwecks: Die Entsorgungsbetriebe Simmering GmbH (EBS), eine Tochtergesellschaft der Stadt Wien bzw der dieser zuzurechnenden Einrichtungen, wurden ihrem Gesellschaftsvertrag zu Folge ursprünglich zum Zweck der Planung, Errichtung und dem Betrieb einer Sonderabfallentsorgungs- und einer Schlammverbrennungsanlage gegründet. Alle diese Aufgaben wurden gewerblich und im Wettbewerb mit anderen Abfallentsorgern (zB privaten Deponiebetreibern) erfüllt. Später wurden die EBS mit der Aufgabe betraut, die Hauptkläranlage der Stadt Wien zu betreiben. Dafür entrichtete die Stadt Wien ein „angemessenes und einheitliches Entgelt, das einen kostendeckenden Betrieb der Hauptkläranlage und der bestehenden Abfallbeseitigungsanlagen samt einer angemessenen Kapitalverzinsung gewährleistet“. Dieser Tätigkeitsbereich der EBS wird nicht gewerblich geführt. Aus Anlass eines von den EBS ausgeschriebenen Auftrags zur Erweiterung der Hauptkläranlage ersuchte der VKS Wien den EuGH um Vorabentscheidung zur Frage, ob als öffentlicher Auftraggeber auch eine juristische Person gilt, die nicht zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben, die nicht gewerblicher Art sind, zu erfüllen, jedoch nunmehr solche Aufgaben wahrnimmt. Unter Hinweis darauf, dass die praktische Wirksamkeit der Vergaberichtlinie nicht vollständig gewährleistet wäre, wenn die Anwendung der Richtlinie auf eine Einrichtung allein deshalb ausgeschlossen sein könnte, weil die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht gewerblicher Art, die die Einrichtung erfüllt, ihr nicht schon zum Zeitpunkt ihrer Gründung übertragen wurden, kam der EuGH zum Schluss, dass auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustellen ist (Rs C-470/99, Universale-Bau, Slg 2002, I-11617).
Konsequenterweise muss diese vom EuGH angezogene Überlegung auch im umgekehrten Fall zum Tragen kommen. So kann eine Einrichtung ihre Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber verlieren, wenn sie – entgegen anderslautendem Gründungszweck – im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art im weiteren Verlauf nicht (mehr) wahrnimmt. (3) Staatliche Beherrschung Eine Einrichtung muss darüber hinaus vom Staat beherrscht werden, um als öffentlicher Auftraggeber eingestuft zu werden. Staatliche Beherr-
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schung liegt dann vor, wenn die Gebietskörperschaften oder andere öffentliche Auftraggeber x durch überwiegende staatliche Finanzierung oder x durch Aufsicht über die Leitung oder x durch Einfluss auf die Zusammensetzung der Organe eine besondere Kontrolle auf die betreffende Einrichtung ausüben können. Es handelt sich dabei um alternative Tatbestandsmerkmale, sodass die Auftraggebereigenschaft erfüllt ist, sobald eines der drei genannten Kriterien vorliegt. MaW schadet es der rechtlichen Einstufung als Einrichtung öffentlichen Rechts nicht, wenn etwa „nur“ die Organernennung der betreffenden Einrichtung durch öffentliche Auftraggeber erfolgt, hingegen eine überwiegende Finanzierung oder Leitungsaufsicht im konkreten Fall nicht festgestellt werden kann. (a) Überwiegende staatliche Finanzierung Das Kriterium der überwiegenden staatlichen Finanzierung ist als erfüllt anzusehen, wenn eine Finanzhilfe ohne spezifische Gegenleistung durch öffentliche Auftraggeber erfolgt, auf deren Basis die Tätigkeiten der betreffenden Einrichtung überwiegend, also zu mehr als der Hälfte, finanziert und unterstützt werden (EuGH Rs C-380/98, University of Cambridge, Slg 2000, I-8035, Rz 21). Nicht erforderlich ist es hingegen, dass mit der staatlichen Finanzierung eine konkrete Einflussnahme staatlicher Stellen auf operative Entscheidungen der in Rede stehenden Einrichtung, also insbesondere auf die von dieser Einrichtung vorgenommenen Auftragsvergaben einhergeht. Diese Rechtsprechung des EuGH (Rs C-337/06, Rundfunkanstalten, Slg 2007, I-1117, Rz 51 ff) ist insofern bemerkenswert, als auch argumentiert werden könnte, dass das Vergaberecht gerade wegen einer solchen Einflussnahme des Staates auf Auftragsvergaben durch derartig beherrschte Einrichtungen zur Anwendung kommen soll. Jedoch ist die Auffassung des EuGH sehr wohl konsequent, wenn man darauf abstellt, dass die staatliche Finanzierung schon die Einrichtung selbst in die Lage versetzt, ihre Entscheidungen auch nach anderen als marktorientiert betriebswirtschaftlichen Kriterien auszurichten. Dies will das Vergaberecht unabhängig davon ausschließen, ob eine solche Ausrichtung durch staatliche Vorgabe oder aufgrund autonomer Entscheidung der in Rede stehenden Einrichtung erfolgt. Finanzhilfe ohne spezifische Gegenleistung Der Rechtsprechung des EuGH zufolge sind beispielsweise Fördermittel oder Zuwendungen zur Unterstützung der Forschung an einer Universität derartige „Finanzhilfen ohne spezifische Gegenleistung“, und zwar unabhängig davon, wem diese Finanzhilfen im Endeffekt zu Gute kommen. Demgegenüber gelten Zahlungen, die als Gegenleistung für die Erstellung
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von Gutachten, die Veranstaltung von Tagungen oder auch Forschungsleistungen geleistet werden, nicht als Finanzhilfen, die eine staatliche Beherrschung begründen könnten (Rs C-380/98, University of Cambridge, Slg 2000, I-8035). Finanzierung des öffentlichen Rundfunks Im Zusammenhang mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland stellte der EuGH fest, dass das Kriterium der „überwiegenden staatlichen Finanzierung“ funktional zu verstehen und deshalb auch dann als erfüllt anzusehen ist, wenn – wie im Fall des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der über Gebühren, die durch die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) im Wege hoheitlichen Handels, dh mittels Gebührenbescheid, eingehoben werden, finanziert wird – die Finanzmittel nicht den öffentlichen Haushalt durchlaufen oder einer Einrichtung (in diesem Fall der GEZ) das Recht zur Gebühreneinhebung gesetzlich eingeräumt ist (Rs C-337/06, Rundfunkanstalten, Slg 2007, I-1117). Keine überwiegende staatliche Finanzierung bloß aufgrund ständiger Kooperation Intensive wirtschaftliche Zusammenarbeit mit öffentlichen Auftraggebern, insbesondere eine ständige Auftragsübernahme für die öffentliche Hand, vermag keine überwiegende staatliche Finanzierung im Sinne des dargelegten Verständnisses zu bewirken. So ist eine Unternehmung nicht schon dann staatlich „beherrscht“, wenn sie – ihrerseits als Auftragnehmer – überwiegend über staatlichen Auftrag tätig wird (zB Tiefbauunternehmen, soziale Einrichtungen).
Das Merkmal der „überwiegenden“ Finanzierung ist als quantitatives Kriterium iSv mehr als der Hälfte zu verstehen; einer „qualifizierten“ überwiegenden Finanzierung (etwa mindestens ¾ der Gesamtfinanzierung) bedarf es nicht. Bei der Prüfung, ob eine überwiegende staatliche Finanzierung vorliegt, ist auf die Gesamtmittel, über die die Einrichtung verfügt (inklusive solcher, die aus gewerblicher Tätigkeit stammen), abzustellen. Unerheblich ist es, ob die Finanzierung durch eine oder mehrere Gebietskörperschaften bzw eine oder mehrere Einrichtungen öffentlichen Rechts oder von Gebietskörperschaften und Einrichtungen öffentlichen Rechts gemeinsam erfolgt. Es kommt konsequent auf die überwiegende Finanzierung durch (andere) öffentliche Auftraggeber an. Umgekehrt verliert eine Einrichtung ihre Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber nicht schon dann, wenn sie teilweise aus anderen, nicht öffentlichen Mitteln finanziert wird. Sofern die Zusammensetzung der Gesamtfinanzierung einer Einrichtung variiert, kann sich die Eigenschaft einer Einrichtung als öffentlicher Auftraggeber im Laufe der Zeit verändern, sodass eine Einrichtung – je nach den aktuell gegebenen Finanzierungsmodalitäten – einmal als öffentlicher Auftraggeber einzustufen ist, ein anderes Mal aber das Kriterium der überwiegenden staatlichen Finanzierung nicht erfüllt (zB EuGH Rs C-380/98, University of Cambridge, Slg 2000, I-8035, Rz 37 ff). Um
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dennoch der Rechtssicherheit und Transparenz Rechnung zu tragen, ist die Berechnung der Finanzierung auf jährlicher Basis vorzunehmen. Während eines konkreten Vergabeverfahrens darf der vergaberechtliche Status einer Einrichtung jedenfalls keine Änderung erfahren (EuGH Rs C-380/98, University of Cambridge, Slg 2000, I-8035, Rz 40 ff; vgl auch BVA 17.5.1999, N-17/96-34). (b) Leitungsaufsicht Staatliche Beherrschung liegt auch vor, wenn eine Einrichtung hinsichtlich ihrer Leitung einer qualifizierten Aufsicht öffentlicher Auftraggeber unterliegt. Entscheidend für das Vorliegen von Leitungsaufsicht ist, ob die Aufsicht eine Einflussnahme nach spezifischen staatlichen Kriterien ermöglicht, sodass der Staat, wenn auch nur mittelbar, die Entscheidungen dieser Einrichtung in Bezug auf öffentliche Aufträge beeinflussen kann (EuGH 17.12.1998, Rs C-306/97, Connemara, Slg 1998, I-8761, Rz 34; s auch die Mat zum BVergG 2006, RV 1171 BlgNR 22. GP 25). Die Aufsicht muss Steuerungsmöglichkeiten bezüglich der Leitung der Einrichtung eröffnen. Hier liegt die Situation also anders als beim Beherrschungstatbestand aufgrund überwiegender staatlicher Finanzierung. Während letztere die Einrichtung selbst in die Lage versetzt, insbesondere auch Vergabeentscheidungen möglicherweise nach anderen als marktorientiert betriebswirtschaftlichen Kriterien zu vergeben, begründet der Tatbestand der Leitungsaufsicht diese Möglichkeit (und damit die Anwendung des Vergaberechts) nur dann, wenn damit eine spezifische Beeinflussungsmöglichkeit operativer Entscheidungen der Einrichtungen, insbesondere von Entscheidungen in Vergabevorgängen einhergeht. Staatliche Steuerungsmöglichkeiten Staatliche Steuerungsmöglichkeiten werden etwa durch Bestimmung des Geschäftsführungsprofils, durch Kontrolle des Jahresabschlusses und der laufenden Gebarung oder durch Befugnis zur vorläufigen Amtsenthebung der Leitungsorgane und zur Geschäftsauflösung eingeräumt.
Eine bloß nachprüfende Kontrolle der Leitung der betreffenden Einrichtung kann dies im Regelfall nicht gewährleisten. Keine ausreichende Leitungsaufsicht Keine ausreichende Leitungsaufsicht wird zB durch die bloße nachprüfende Kontrolle der Gebarung durch den Rechnungshof oder durch eine Rechtmäßigkeitskontrolle durch Gewerbe- oder Umweltbehörden hergestellt.
Die spezielle „Leitungsaufsicht“, die eine staatliche Beherrschung im Sinne des § 3 Abs 1 Z 2 lit c BVergG begründet, unterscheidet sich von anderen Formen staatlicher Aufsicht. Die Leitungsaufsicht muss eine staatliche Einflussnahme auf die operative Führung der Einrichtung eröffnen, die es staatlichen Organen ermöglicht, Vergabeentscheidungen
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dieser Einrichtung dahingehend zu beeinflussen, dass nichtwirtschaftliche – sondern eben bestimmte sonstige, von diesen staatlichen Organen verfolgte – Zielsetzungen die Vergabeentscheidung bestimmen (ĺ Entscheidungsbeeinflussung nach spezifisch staatsbezogenen Kriterien). Das unterscheidet die hier maßgebliche Leitungsaufsicht von anderen Formen staatlicher Aufsicht, die zwar oft ebenfalls weitreichend in die Tätigkeit der beaufsichtigten Einrichtung einwirken, dies aber anhand gesetzlich festgelegter Aufsichtskriterien und Aufsichtsziele, die die vergaberechtlich geforderte Einflussnahme gerade nicht vermitteln.
Sonstige Formen staatlicher Aufsicht Allein die staatliche Kapitalmarktaufsicht oder auch die „Regulierung“ von Unternehmen durch eine sektorspezifische Marktregulierung (etwa im Energie- oder Telekommunikationsbereich) machen die beaufsichtigten oder regulierten Unternehmen nicht zu staatlich beherrschten Unternehmen im Sinne des § 3 Abs 1 Z 2 lit c BVergG.
(c) Zusammensetzung der Organe Schließlich kann auch die Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans einer Einrichtung eine enge Verbindung mit dem Staat hervorrufen. Hier kommt es auf eine mehrheitliche Beschickung der für die Lenkung einer Unternehmung – und damit auch für den Bereich der Auftragsvergabe – verantwortlichen Organe durch die öffentliche Hand an. Die Bestellungsbefugnisse können dabei dem Staat unmittelbar oder mittelbar (dh durch ein Organ, das selbst wiederum mehrheitlich von Staatsorganen beschickt wird) zustehen. (d) Zusammenspiel der Beherrschungskriterien Eine an der Zielsetzung des § 3 Abs 1 Z 2 lit c BVergG orientierte Auslegung spricht dafür, die einzelnen Kriterien als typische Erscheinungsformen staatlicher Beherrschung zu verstehen. Eine Einrichtung ist daher auch dann staatlich beherrscht, wenn zwar keines der genannten Alternativkriterien vollständig, aber mehrere der aufgezählten Beherrschungskriterien weitgehend erfüllt werden und eine Gesamtbetrachtung keine Zweifel an einer staatlichen Beherrschung offen lässt. In diese Richtung (wenn auch nicht explizit) geht die Beurteilung des EuGH in der Rs, Mannesmann, (Rs C-44/96, Slg 1998, I-73), wo er alle drei Merkmale unter einem prüfte und in einer Gesamtbetrachtung ein Naheverhältnis zur öffentlichen Hand bejahte (idS auch B-VKK 1.3.2001, G-2/00-3 zum Salzburger Festspielfonds). Bei diesem Verständnis bilden die Beherrschungskriterien ein „bewegliches System“.
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d) Sektorenauftraggeber Mit der Einbeziehung von Sektorenauftraggebern in den persönlichen Geltungsbereich des BVergG (§§ 164 bis 166) werden neben öffentlichen auch private Auftraggeber dem Regime der Vergabebestimmungen unterstellt. Der Begriff „Sektorenauftraggeber“ bezeichnet Auftraggeber, die in den sogenannten „Sektoren“ tätig sind. Entscheidend für die Einstufung als Sektorenauftraggeber ist das Ausüben einer der in den §§ 167 bis 172 BVergG genannten Tätigkeiten. Im Wesentlichen handelt es sich bei diesen um die Infrastrukturbereiche der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste. Nur ein Auftraggeber, der Aktivitäten in einem dieser Bereiche verfolgt, kann als Sektorenauftraggeber eingestuft werden. Als Sektorenauftraggeber erfasst das BVergG im Einzelnen Auftraggeber, die x feste Netze zur Versorgung der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Erzeugung/Gewinnung, Fortleitung und der Abgabe von o Trinkwasser, o Elektrizität (die Erzeugung von Strom in Österreich ist aufgrund einer Freistellungsentscheidung der Kommission vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen; s dazu unten Pkt VI.C.), o Gas oder o Wärme bereitstellen oder betreiben oder die Trinkwasser, Elektrizität, Gas oder Wärme in diese Netze einspeisen (§ 167 Abs 1 und 3, § 168 Abs 1 BVergG), x Netze zur Versorgung der Öffentlichkeit im Bereich des Verkehrs auf der Schiene, mit automatischen Systemen, mit der Straßenbahn, mit Bus, mit Oberleitungsbussen oder mit Kabel (Seilbahnen) bereitstellen oder betreiben (§ 169 Abs 1 BVergG), x Postdienste (darunter fallen die Abholung, das Sortieren, der Transport und die Zustellung von Postsendungen) bereitstellen (§ 170 Abs 1 und 2 BVergG), x geographisch abgegrenzte Gebiete zum Zwecke der o Suche oder Förderung von Erdöl, Erdgas, Kohle oder anderen Festbrennstoffen (§ 171 BVergG), oder o Bereitstellung von Flughäfen, Häfen und anderen Verkehrsendeinrichtungen für Beförderungsunternehmen im Luft-, See- und Binnenschiffsverkehr (§ 172 BVergG) nutzen.
Zusätzlich kommt es für die Einstufung als Sektorenauftraggeber auch darauf an, ob der Auftraggeber aufgrund bestehender Nahebeziehungen dem Einflussbereich des Staates zuzuordnen ist.
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Sektorenauftraggeber ZB Flughäfen (Flughafen Wien AG, Tiroler Flughafenbetriebsgesellschaft mbH, Flughafen Linz GmbH), Verkehrsdienstleister (EvoBus Austria GmbH, Wiener Linien GmbH & Co KG, ÖBB bzw ihre Konzerntöchter, Brenner Eisenbahn GmbH), Trinkwasserverbände, Elektrizitätswerke, Hafenbetriebsgesellschaften etc.
(1) Tätigkeitsbezogene Auftraggeberdefinition Die Gefahr einer nicht oder nicht ausschließlich an markt- und betriebswirtschaftlichen Maximen orientierten Auftragsvergabe besteht bei Auftragsvergaben im Sektorenbereich aus zweierlei Gründen: staatlicher Einfluss und fehlender Wettbewerb. Zum einen handelt es sich bei den Sektoren um Bereiche, die aufgrund ihrer Abhängigkeit von Netzen und Leitungssystemen im Allgemeinen zur Monopol- bzw Oligopolbildung tendieren und daher herkömmlicher Weise nicht vollständig wettbewerblich geprägt sind. Sektorenunternehmen haben daher in gewisser Hinsicht die Möglichkeit, ihre Vergabeentscheidungen an anderen als marktorientiert-betriebswirtschaftlichen Kriterien auszurichten, wobei diese Möglichkeit eng mit ihrer verwaltungsrechtlich begründeten Stellung am Markt zusammenhängt. Leistungserbringer in den Sektoren profitieren also traditionell von staatlich eingeräumten besonderen oder ausschließlichen Rechten. Durch die Anwendung der Regeln über die Auftragsvergabe in den Sektoren soll daher die in diesen Bereichen typischer Weise stark ausgeprägte staatliche Einflussnahme auf das Beschaffungsverhalten der auf dem Markt agierenden Einrichtungen hintangehalten werden. Der Begriff des Sektorenauftraggebers knüpft an die Besonderheiten des spezifischen Tätigkeitsbereichs des jeweiligen Auftraggebers an und unterstellt Auftragsvergaben im Sektorenbereich einem im Vergleich zu den klassischen Vergaberegelungen gelockerten Vergaberechtsregime. Die Begründung für die vergaberechtliche Privilegierung von Sektorenauftraggebern ist darin zu sehen, dass diese – jedenfalls bei einer Durchschnittsbetrachtung – „marktnäher“ als klassische öffentliche Auftraggeber agieren: Der typische öffentliche Auftraggeber im Sektorenbereich (zB Verkehrsbetriebe, Energieversorgungsunternehmen) wird in einem Umfeld tätig, das von einem mehr oder weniger fortgeschrittenen Liberalisierungsprozess und der damit verbundenen beginnenden Marktöffnung und wettbewerblichen Orientierung geprägt ist; er unterliegt damit anderen (rechtlichen wie wirtschaftlichen) Rahmenbedingungen als etwa Gebietskörperschaften im klassischen Bereich. Insoweit können Überlegungen der Wettbewerbsgleichheit die Differenzierung in der Behandlung öffentlicher Auftraggeber je nachdem, ob sie im klassischen oder im Sektorenbereich tätig werden, rechtfertigen.
Die Sektorenbestimmungen (im Wesentlichen im 3. Teil des BVergG zusammengefasst) kommen nur dann zur Anwendung, wenn der konkrete Beschaffungsvorgang im Rahmen der Ausübung einer Sektorentätigkeit erfolgt (ĺ tätigkeitsbezogene Auftraggeberdefinition). Wäre
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IV. Das österreichische Vergaberecht
zwar der Auftraggeber an und für sich als Sektorenauftraggeber zu qualifizieren, dient die konkrete Auftragsvergabe aber nicht der Ausübung einer Sektorentätigkeit, ist der Auftraggeber für diesen Vergabevorgang nicht als Sektorenauftraggeber einzustufen. Für den Fall, dass ein Beschaffungsvorhaben nicht in Zusammenhang mit einer Sektorentätigkeit steht (ĺ sektorenfremde Beschaffung), fehlt nämlich auch die Rechtfertigung für eine regulierte Auftragsvergabe. Für die konkrete Beschaffungstätigkeit wäre der Auftraggeber daher an sich „vergaberechtsfrei“. Allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: Ist der Auftraggeber gleichzeitig klassischer öffentlicher Auftraggeber (Gebietskörperschaft, Einrichtung öffentlichen Rechts), fällt er wieder in das klassische Vergaberegime zurück und ist demzufolge an die (strengeren) klassischen Vergabebestimmungen gebunden (zu dieser sogenannten Doppelnatur öffentlicher Auftraggeber s sogleich). Beschaffungsvorgang zur Ausübung einer Sektorentätigkeit Ein Schienenverkehrsunternehmen, das einen Auftrag für Ausbau und Sanierung von Bahnhofsgebäuden vergibt, ist als Sektorenauftraggeber einzustufen, weil der zu vergebende Auftrag der Ausübung einer Sektorentätigkeit (Schienenverkehr) dient. Vergibt das Schienenverkehrsunternehmen hingegen einen Auftrag zur Errichtung einer Freizeit- und Sportanlage, finden die Sektorenbestimmungen keine Anwendung auf die konkrete Auftragsvergabe, da diese nicht die Ausübung einer Sektorentätigkeit zum Zweck hat. Sofern das Schienenverkehrsunternehmen als öffentlicher Auftraggeber zu qualifizieren ist, hat es allerdings bei dieser Auftragsvergabe die klassischen Bestimmungen des BVergG zu beachten. Die Errichtung eines „Towers“ (eines Gebäudes zur Luftraumüberwachung) dient der Tätigkeit eines Flughafens und ist daher nach den Regelungen für Sektorenauftraggeber nach dem BVergG auszuschreiben (BVA 11.12.2003, 17N-115/03-30).
Die Anhänge der Sektorenrichtlinie enthalten Verzeichnisse der den Richtlinienbestimmungen unterliegenden Auftraggeber. Diese Aufzählung ist allerdings weder abschließend noch rechtsverbindlich und beschränkt die Anwendbarkeit der Sektorenbestimmungen nicht auf die verzeichneten Einrichtungen. Insbesondere wird dadurch die Anwendung der klassischen Vergaberegelungen auf Beschaffungsvorhaben der betreffenden Einrichtungen nicht ausgeschlossen. Verzeichnis der Sektorenauftraggeber Österreich hat von der Möglichkeit, in den Anhängen der Sektorenrichtlinie die jeweiligen Auftraggeber zu verzeichnen, teils mittels abstrakter Definition, teils im Wege der konkreter Nennung der jeweiligen Stellen Gebrauch gemacht. Als Auftraggeber im Bereich Elektrizität wird etwa abstrakt auf jene Stellen verwiesen, die gemäß den Bestimmungen des ElWOG bzw den entsprechenden Landesgesetzen ein Übertragungs- oder Verteilernetz betreiben. Hingegen verweisen die Anhänge im Bereich der Eisenbahndienste ua explizit auf die ÖBB.
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(2) Auftraggebertypen Auftraggeber im Sektorenbereich sind gemäß §§ 164 bis 166 BVergG entweder x öffentliche Auftraggeber (§ 3 Abs 1 BVergG), x öffentliche Unternehmen oder x private Unternehmen, die eine Sektorentätigkeit auf der Grundlage besonderer oder ausschließlichen Rechten ausüben.
Den erfassten Auftraggebertypen ist gemeinsam, dass ein Naheverhältnis zum Staat bzw eine besondere staatliche Einflussmöglichkeit auf das Beschaffungsverhalten der betreffenden Einrichtung besteht. Öffentliche Unternehmen sind entsprechend der in § 165 Abs 2 BVergG enthaltenen Legaldefinition Unternehmen, auf die ein öffentlicher Auftraggeber einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Insofern wird die Einflussnahmemöglichkeit des Staates bereits durch die Struktur der betreffenden Einrichtungen impliziert. Öffentliche Unternehmen Als öffentliche Unternehmen wurden bislang etwa qualifiziert: Niederösterreichische Schneebergbahn GmbH (BVA 9.5.2008, N/0033-BVA/13/2008-30), Wien Strom GmbH (VKS Wien 2.10.2007; VKS-6808/07), Telekom Austria AG (EuGH Rs C-324/98, Telaustria, Slg 2000, I-10745, Rz 35 ff).
Mittels Einräumung besonderer oder ausschließlicher Rechte im Sinne des § 166 Abs 2 BVergG zur Erbringung einer bestimmten (Sektoren-) Tätigkeit wird (auch rein) privaten Unternehmen eine privilegierte Stellung vermittelt, die diese dem Wettbewerb ein Stück weit entzieht und die Gefahr hervorruft, dass eine Auftragsvergabe nicht nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien erfolgt Besondere oder ausschließliche Rechte sind gemäß § 166 Abs 2 BVergG „Rechte, die von der zuständigen Behörde gewährt wurden und dazu führen, dass die Ausübung einer Sektorentätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird“. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Rechte, die der betreffenden Einrichtung für die Erbringung ihrer Tätigkeiten ein Monopol bzw zumindest eine beherrschende Stellung einräumen.
Mit der Einbeziehung von öffentlichen Unternehmen und Einrichtungen, denen ein besonderes oder ausschließliches Recht zukommt, wird der persönliche Anwendungsbereich des BVergG um Auftraggeber erweitert, die per se nicht vergaberechtspflichtig wären (ĺ sektorenspezifische Auftraggeber). „Echte“ Private, also private Rechtsträger außerhalb eines staatlichen Beherrschungsverhältnisses, unterliegen jedoch nur dann
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und insoweit dem Sektorenvergaberecht, als sie auf Grundlage besonderer oder ausschließlicher Rechte eine Sektorentätigkeit ausüben. Öffentliche Unternehmen werden indes bereits mit Wahrnehmung einer Sektorentätigkeit zu Sektorenauftraggebern. (3) Doppelnatur öffentlicher Auftraggeber Sektorenauftraggeber, die gleichzeitig öffentliche Auftraggeber sind (zB StadtwerkeAG, kommunale VersorgungsGmbH), sind nur soweit als Sektorenauftraggeber einzustufen, als der betreffende Auftrag zur Besorgung einer Sektorentätigkeit vergeben wird. Bei darüber hinausgehenden Beschaffungsvorhaben (ĺ sektorenfremde Beschaffungen) haben sie hingegen die klassischen Vergabebestimmungen zu beachten. Je nach Aufgabenbereich, der die konkrete Auftragsvergabe zu dienen bestimmt ist, unterliegt der öffentliche Auftraggeber daher dem Sektoren- oder dem klassischen Vergaberegime (ĺ Doppelnatur öffentlicher Auftraggeber). Eine Einrichtung kann allerdings bei einer bestimmten Auftragsvergabe nur entweder öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber sein. Die Eigenschaft als Sektorenauftraggeber bei einem konkreten Beschaffungsvorhaben schließt daher – bei demselben Vergabeverfahren – die Einstufung als öffentlicher Auftraggeber aus. e) Sonstige Auftraggeber Die Vorschriften des § 3 Abs 2 bis 5 BVergG beziehen zusätzlich Auftraggeber, die nicht als öffentliche Auftraggeber im Sinn des Abs 1 zu qualifizieren sind, in den persönlichen Geltungsbereich des BVergG ein. Dabei handelt es sich um x private Förderungsnehmer, die zu mehr als 50 % von öffentlichen Auftraggebern direkt subventioniert werden und die bestimmte (gemeinnützige) Aufträge vergeben, x private Baukonzessionäre, sowie um x Einrichtungen, die aufgrund besonderer oder ausschließlicher Rechte tätig werden.
Einrichtungen, die aufgrund besonderer oder ausschließlicher Rechte tätig werden, unterliegen dem BVergG allerdings nur dann, wenn in dem Rechtsakt über die Zuerkennung des besonderen oder ausschließlichen Rechts die Beachtlichkeit der Bestimmungen des BVergG bestimmt ist. Gemeinsam ist diesen Auftraggebertypen, dass die (klassischen) Vorschriften des BVergG nur eingeschränkt, mitunter sogar nur punktuell zur Anwendung gelangen.
2. Der sachliche Geltungsbereich Während die Bestimmung des persönlichen Geltungsbereichs maßgeblich dafür ist, welche Auftraggeber das BVergG zu beachten haben, wird
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mit dem sachlichen Geltungsbereich definiert, welche Auftragsvergaben vom BVergG erfasst sind. Der sachliche Geltungsbereich des BVergG ist durch mehrere Faktoren begrenzt: Gemäß § 1 findet das BVergG auf „Verfahren zur Beschaffung von Leistungen (Vergabeverfahren)“ Anwendung. Bei diesen „Leistungen“ handelt es sich um sachlich näher umschriebene „Aufträge“, worunter im Kern öffentliche Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge fallen. Darüber hinaus sind vom Begriff des „Vergabeverfahrens“ auch die Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionsverträgen sowie die Durchführung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber erfasst. Begrenzung auf Leistungsverträge – Leistungsnachfrage durch öffentlichen Auftraggeber Die NÖGKK, die unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet ist, ihren Versicherungsnehmern Kostenersatz für Krankentransporte zu gewähren, hat mit einigen Unternehmungen Verträge abgeschlossen, die eine direkte Verrechnung der bei Inanspruchnahme dieser Unternehmen durch die Versicherten angelaufenen Kosten ermöglichen. Da mit derartigen Verträgen aber weder generell noch für den Einzelfall von der NÖGKK ein Auftrag zur Erbringung der Transportdienstleistungen erteilt wird (und für den konkreten Fall jeweils der Versicherte Auftraggeber ist), kam der VfGH zu dem Schluss, dass die Direktverrechnungsverträge nur die Abwicklung des dem Versicherten zustehenden Kostenersatzes erleichterten und nicht entgeltliche Dienstleistungen betreffen, sodass das BVergG nicht zur Anwendung gelangt (VfSlg 16.697/2002). Demgegenüber hat das BVA Rahmenverträge über die Direktversorgung mit Medizinprodukten, die anspruchsberechtigten Versicherungsnehmern eine Direktbelieferung mit Heilbehelfen und dem Lieferanten eine Direktverrechnung mit dem Versicherungsträger ermöglichen, als vergabepflichtige Lieferaufträge qualifiziert. Da seitens des Versicherungsträgers durch seine Informationen Direktbelieferungen favorisiert werden oder Anforderungen von Heilbehelfen ausnahmslos direkt an Vertragspartner weitergeleitet werden, liege – ungeachtet der Möglichkeit des Kostenersatzes für durch den Anspruchsberechtigten selbst bei anderen Unternehmen gekaufte Heilbehelfe – wegen der de facto Ausschließlichkeit ohne Wahlmöglichkeit des Anspruchsberechtigten eine Beschaffungssituation vor (BVA 5.8.2008, F/0003-BVA/10/2008-42). Die Vergabe von Berechtigungen zur Sammlung und Verwertung von Alttextilien, für die von dem Erwerber ein Entgelt an die öffentliche Hand entrichtet wird, unterliegt nicht den Rechtsvorschriften über die Auftragsvergabe (VfSlg 15.476/1996). Der Verkauf von Alkohol durch einen öffentlichen Auftraggeber an ein privates Unternehmen unterliegt mangels Leistungsnachfrage durch einen öffentlichen Auftraggeber nicht dem BVergG (BVA 1.8.1995, F-6/95-3).
In den sachlichen Geltungsbereich werden nur Aufträge einbezogen, die in Form privatrechtlicher, entgeltlicher Verträge vergeben werden. Damit sind umgekehrt mehrere Vorgänge, denen ebenfalls eine be-
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stimmte „Auswahlfunktion“ zugrunde liegt, nicht unter den Begriff des öffentlichen Auftrags zu subsumieren. Das trifft vor allem auf die hoheitliche „Vergabe“ von Berechtigungen zu, und zwar selbst dann, wenn diese gegen Entgelt erfolgt. Ferner unterliegen „Veräußerungsgeschäfte“, bei denen der Staat als Leistungsanbieter und nicht als Leistungsnachfrager auftritt, nicht dem BVergG. Das gilt grundsätzlich vor allem für die sogenannte Vermögensprivatisierung, die per se keinen Beschaffungsvorgang darstellt.
Nicht dem BVergG unterliegen weiters „Vergabeverfahren“, für die aufgrund einschlägiger Spezialgesetze besondere Bestimmungen gelten. Zwar ist auch in diesen Fällen mitunter eine Bewerberauswahl nach sachlichen Gesichtspunkten erforderlich, sie erfolgt aber nach einem im Vergleich zum BVergG spezialgesetzlich geregelten Procedere. Sondergesetzlich geregelte „Vergabeverfahren“ Der VfGH hatte zu beurteilen, ob die Vergabe von Kassenplanstellen nach Maßgabe des BVergG vorzunehmen ist und für diesen Fall etwa als Dienstleistungsauftrag qualifiziert werden könnte. Die Vergabe von Kassenplanstellen erfolgt mittels Einzelverträgen, die nach den Vorgaben des ASVG auf Grundlage sogenannter Gesamtverträge zwischen dem Krankenversicherungsträger und den einzelnen Ärzten (sogenannte Vertragsärzte) geschlossen werden. Der Abschluss solcher Einzelverträge zwischen Versicherungsträger und Facharzt bewirkt aber allein, dass eine Direktverrechnung der vom Arzt erbrachten Leistungen mit dem Krankenversicherungsträger erfolgen kann. Der VfGH kam daher zum Schluss, dass Gegenstand eines Kassenvertrags nicht die Erbringung einer entgeltlichen Dienstleistung ist, sondern damit lediglich ein rechtlicher Rahmen für die Abwicklung des Kostenersatzes vorgegeben wird (VfSlg 17.367/2004). Als ein weiteres Beispiel für sondergesetzlich geregelte Auswahl- bzw Vergabeverfahren könnte etwa die Auswahl der Mitarbeitervorsorgekasse nach dem BMVG genannt werden. In manchen Fällen kann es notwendig sein, scheinbare Widersprüchlichkeiten zwischen vergabegesetzlichen Regelungen und materienspezifischen Sonderbestimmungen durch eine kumulative Anwendung beider Vorschriften aufzulösen. So stellt es etwa besondere Anforderungen an eine harmonisierende Interpretation, die unternehmensgesetzlichen Vorschriften über die Wahl und Bestellung von Abschlussprüfern (§§ 270 ff UGB) und jene Bestimmungen des BVergG, die die Vergabe von Leistungen des Abschlussprüfers als prioritäre Dienstleistungen (Kategorie 9, Anhang III BVergG) den Bestimmungen des BVergG unterwerfen, in Einklang zu bringen. Derartige Konstellationen entstehen insbesondere deshalb, da die allgemeinen Vorschriften des BVergG auf Spezialfälle wie den eben geschilderten, keine Rücksicht nehmen (können).
a) Umfassender Geltungsbereich Das BVergG gilt unabhängig vom Auftragswert grundsätzlich für sämtliche sachlich erfassten Aufträge, also sowohl im OSB als auch im
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USB, und zwar für klassische Aufträge wie auch für Sektorenvergaben. Je nach Auftragsart und Auftragswert ist für bestimmte Konstellationen allerdings ein erleichtertes und flexibleres System vorgesehen (zB Vereinfachungen insbesondere in Form verkürzter Fristen, erleichterter Bekanntmachungsvorschriften und der Zurverfügungstellung vereinfachter Vergabeverfahren) bzw die Geltung der vergaberechtlichen Regelungen für bestimmte Auftragsvergaben eingeschränkt. Der – im Vergleich zu den Vergaberichtlinien, die nur im OSB zum Tragen kommen – umfassende Geltungsbereich des BVergG ist als Folge der Rechtsprechung des VfGH zu den in den Vorgängerreglungen (BVergG 1993 und BVergG 1997) enthaltenen Schwellenwertregelungen zu verstehen (zur „doppelten Bedingtheit“ der innerstaatlichen Gesetzgebung s oben Pkt II.G.). Dem VfGH zufolge widersprach es nämlich einerseits dem Gleichheitssatz, außenwirksame gesetzliche Regelungen lediglich für den OSB vorzusehen, hingegen den Bewerbern und Bietern unterhalb der Schwellenwerte keine subjektiven Rechte einzuräumen, sowie den vergabespezifischen Rechtsschutz im USB gänzlich auszuschließen (s für die Rechtslage nach dem BVergG 1993 VfSlg 16.027/2000; für die Rechtslage nach dem BVergG 1997 VfSlg 16.073/2001, 16.315/2001, 16.445/2002 ua; auf Länderebene zB VfSlg 16.443/2002, 16.444/2002). Zudem widersprach das Fehlen eines vergabespezifischen Rechtsschutzes für bestimmte Vergaben dem Rechtsstaatsgebot, da den Bewerbern und Bietern damit ein „den besonderen Anforderungen des Vergabewesens entsprechender, umfassender, rascher und effektiver Rechtsschutz“ vorenthalten wurde (VfSlg 15.106/1998; so auch VfSlg 15.204/1998; 15.321/1998; in den konkreten Fällen ging es um den Ausschluss eines vergabespezifischen Rechtsschutzes im Sektorenbereich). Dass man dies insbesondere im Lichte eines grundrechtlichen Gleichheitsgebots nicht zwingend so sehen muss, zeigte das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das zu einer vergleichbaren Ausgangssituation genau gegenteilig entschieden hat (BVerfG 13.6.2006, 1 BvR 1160/03). Das BVerfG stellte schwergewichtig darauf ab, dass der Gesetzgeber im USB das Interesse des erfolglosen Bieters im Verhältnis zu den anderen betroffenen Interessen, insbesondere denjenigen an einer raschen Vergabeentscheidung und an alsbaldiger Rechtssicherheit, die von Seiten sowohl des öffentlichen Auftraggebers wie auch des erfolgreichen Bieters bestehen, als weniger gewichtig bewerten durfte. Entscheidend war, dass das BVerfG von vornherein das Vergabeverfahren stärker als der VfGH als Dreieckskonstellation begriff, an der die staatliche Stelle, die den umstrittenen Auftrag vergibt, um ihre öffentlichen Aufgaben zu erfüllen, der erfolgreiche Bieter, der ein Interesse an einer raschen Zuschlagsentscheidung und einer zuverlässigen Vertragserfüllung hat, und schließlich der erfolglose Bieter, der ein Interesse an möglichst effektivem Schutz seiner subjektiven Verfahrensrechte hat, beteiligt sind.
Als Konsequenz der Judikatur des VfGH unterstellt das BVergG 2006 (wie bereits zuvor das BVergG 2002) grundsätzlich sämtliche öffentliche
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Aufträge einem gesetzlich geregelten Vergabeverfahren und unterwirft diese ebenso einem vergabespezifischen Rechtsschutz. b) Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge Das BVergG gilt in erster Linie für die Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen. Bauaufträge sind entgeltliche Aufträge, deren Vertragsgegenstand die x Ausführung oder die gleichzeitige Ausführung und Planung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang I genannten Tätigkeiten, x Ausführung eines Bauwerkes, oder x Erbringung einer Bauleistung durch Dritte gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen ist (§ 4 BVergG). Die für Bauaufträge maßgeblichen Berufsbilder sind in Anhang I des BVergG aufgelistet, der sich seinerseits an der Allgemeinen Systematik der Wirtschaftszweige der Europäischen Union (NACE) orientiert. Das Baugewerbe gliedert sich demnach in vier Untergruppen: Allgemeines Baugewerbe, Rohbaugewerbe/Hochbau, Tiefbau, Bauinstallation und Hausbaugewerbe/Ausbaugewerbe, die wiederum durch weitere Untergruppen näher aufgeschlüsselt sind. Bauaufträge ZB Neu-, Zu- und Umbau eines Krankenhauses; Planung und Ausführung des Neubaus einer Sportstätte; Bau von Abwasserentsorgungsanlagen; Errichtung von Schienennetzen; Revitalisierung eines Museums und Fenstersanierung etc.
Lieferaufträge sind entgeltliche Aufträge, deren Vertragsgegenstand der Kauf, das Leasing, die Miete, die Pacht oder der Ratenkauf von Waren ist (§ 5 BVergG). Vom Warenbegriff sind sämtliche Erzeugnisse erfasst, die einen Geldwert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sein können. Darunter fallen zB auch Elektrizität oder unbewegliche Gegenstände. Lieferaufträge ZB Lieferung und Austausch technischer Anlagesysteme; Kauf (handelsüblicher) Software; Kauf einer Büroinneneinrichtung; Lieferung von Elektrizität; Ankauf von Medikamenten; Leasing von Kraftfahrzeugen etc.
Dienstleistungsaufträge sind entgeltliche Aufträge, die keine Bauoder Lieferaufträge sind und deren Vertragsgegenstand Dienstleistungen sind (§ 6 BVergG).
B. Das BVergG 2006
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§ 6 BVergG fungiert als Auffangtatbestand, da Leistungen, die weder Gegenstand eines Liefer- noch eines Bauauftrags sind und auch keinen Ausnahmetatbestand erfüllen, als Dienstleistungen einzustufen sind.
Das BVergG differenziert zwischen Dienstleistungen im Sinne des Anhanges III (ĺ prioritäre Dienstleistungen) und Dienstleistungen im Sinne des Anhanges IV (ĺ nicht-prioritäre Dienstleistungen). Während die prioritären Dienstleistungen in Anhang III taxativ aufgelistet sind, enthält Anhang IV hinsichtlich der nicht-prioritären Dienstleistungen eine demonstrative Aufzählung mit einer Generalklausel, derzufolge alle nicht genannten Dienstleistungen als „sonstige Dienstleistungen“ zu den nicht-prioritären Dienstleistungen zu zählen sind.
Dienstleistungsaufträge ZB Durchführung umwelttechnischer Untersuchungen; Beratungs- und Planungsleistungen; Erstellung von Ausschreibungsunterlagen und Ausschreibungsabwicklung im Rahmen eines Vergabeverfahrens; Bereitstellung von Rundfunkdiensten; Reinigungsdienstleistungen; Abhalten von Schulungen, Fort- und Weiterbildungen etc. Prioritäre Dienstleistungen ZB Instandhaltungs- und Reparaturaufträge; Aufträge auf dem Gebiet der Architektur, Buchhalter- und Wirtschaftsprüferleistungen; Aufträge im Verkehrsbereich, im Bereich der Abfall- und Abwasserbeseitigung oder sanitärer Dienstleistungen, der Gebäudereinigung, der Datenverarbeitung, der Marktforschung, der Werbung etc. Nicht-prioritäre Dienstleistungen ZB Rechtsberatungsdienste; Dienstleistungen in den Bereichen Erholung, Kultur, Unterrichtswesen und Sport etc.
Die Unterscheidung zwischen prioritären und nicht-prioritären Dienstleistungen ergibt sich aus dem Gemeinschaftsrecht, genauer aus den Anhängen IIA und IIB der allgemeinen Vergaberichtlinie. Begründet werden kann diese unterschiedliche Regelung damit, dass die volle Anwendung der Vergabevorschriften zunächst auf solche Dienstleistungsaufträge beschränkt bleiben sollte, bei denen die vergaberechtlichen Regelungen dazu beitragen, das Potenzial für mehr grenzüberschreitende Geschäfte voll auszunutzen. Demgegenüber sollten auf Aufträge, denen – nach Ansicht des Gemeinschaftsgesetzgebers – aufgrund ihres spezifischen Charakters a priori keine grenzüberschreitende Bedeutung zukommt (EuGH Rs C-507/03, Irische Post, Slg 2007, I-9777, Rz 25), und die zudem für ein Vergabeverfahren im technischen Sinn als nicht geeignet angesehen wurden (zB Dienstleistungen im sozialen und kulturellen Bereich), nur sehr ausgewählte Bestimmungen der Vergaberichtlinien zur Anwendung kommen.
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IV. Das österreichische Vergaberecht
Auch das BVergG gilt deshalb für nicht-prioritäre Dienstleistungsaufträge nur eingeschränkt. Die exakte Zuordnung einer Dienstleistung zu einer der in Anhang III oder IV des BVergG genannten Dienstleistungen ist anhand eines international vorgegebenen Klassifizierungssystems vorzunehmen. Den in den Anhängen aufgezählten Dienstleistungskategorien sind jeweils Referenznummern zugewiesen, die auf eine eigene Nomenklatur (Central Product Classification) verweisen. Dabei handelt es sich um ein aus dem Zollbereich stammendes Güterklassifizierungssystem der Vereinten Nationen. Anhand dieses Katalogs wird die in Rede stehende Dienstleistung näher aufgegliedert, was eine möglichst treffsichere Zuordnung als prioritäre oder nicht-prioritäre Dienstleistung ermöglichen soll.
c) Gemischte Aufträge Sollen Aufträge vergeben werden, die Elemente verschiedener Auftragsarten beinhalten (ĺ „gemischte Aufträge“), ist für die vergaberechtliche Zuordnung eine Kategorisierung des gesamten zur Vergabe gelangenden Auftrags als Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsauftrag erforderlich. Für einige solcher Auftragskonstellationen sieht das BVergG besondere Vorschriften vor: Bei Aufträgen, die sowohl Lieferungen als auch Dienstleistungen umfassen, ist gemäß § 9 Abs 1 BVergG eine Zuordnung des Gesamtvertrags als Liefer- oder Dienstleistungsauftrag anhand des jeweiligen Wertes der Auftragsbestandteile zu treffen. Überwiegt der Wert der vom Auftrag erfassten Dienstleistungen, liegt ein Dienstleistungsauftrag vor. Im umgekehrten Fall, wenn der Gesamtwert der Waren höher ist als der Wert der erfassten Dienstleistungen, ist der gemischte Auftrag als Lieferauftrag einzustufen (ĺ main value test). Zu beachten ist dabei, dass vom Begriff des Lieferauftrags auch Nebenarbeiten, wie das Verlegen oder die Installation erfasst sind (§ 5 BVergG); insoweit kann also ein Lieferauftrag auch Dienstleistungselemente beinhalten, ohne dass diese selbst als Dienstleistungsaufträge einzuordnen wären. Eine Abgrenzung anhand des main value tests ist hier aufgrund des dominierenden Lieferelements nicht notwendig. Das gilt allerdings nur für Nebenarbeiten, also für Dienstleistungen, die angesichts dieses dominierenden Lieferelements wertmäßig nicht ins Gewicht fallen. Die speziellen gesetzlichen Abgrenzungsregelungen des § 9 Abs 1 BVergG kommen demnach nur dann zur Anwendung, wenn das Ausmaß der Teil des Auftrags bildenden Dienstleistung über die Qualifikation als Nebenarbeit hinausgeht. Enthält ein Auftrag sowohl Bau- als auch Dienstleistungen, so ist für die erforderliche Zuordnung des Gesamtvertrages gemäß § 9 Abs 2 BVergG darauf abzustellen, welcher Leistungsbestandteil den Hauptgegenstand des Auftrags bildet (ĺ main object test). Soweit ein Bauauftrag auch Dienstleistungen umfasst dadurch jedoch am Hauptgegenstand
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des Vertrags, nämlich der Durchführung von Bauleistungen, keine inhaltliche und funktionale Änderung eintritt, ist der Auftrag in seiner Gesamtheit als Bauauftrag zu qualifizieren. Umgekehrt gelten Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen, die als Nebenarbeiten im Verhältnis zum Hauptauftragsgegenstand auch Bauleistungen umfassen, als Dienstleistungsaufträge. Die Vergabe eines Auftrags zur gleichzeitigen Ausführung und Planung von Bauvorhaben ist gemäß § 4 Z 1 BVergG jedenfalls als Bauauftrag zu qualifizieren, unabhängig davon, ob in concreto das Bau- oder das Dienstleistungselement überwiegt. Wird die Planungsleistung allerdings getrennt von der Bauleistung vergeben, ist sie als Dienstleistungsauftrag zu qualifizieren. Gemischte Aufträge Im Zuge der Ausschreibung der Errichtung und des Betriebs eines LKWMautsystems stellte sich die Frage nach der vergaberechtlichen Klassifikation des Auftragsgegenstandes, da sich die ausgeschriebene Leistung der „Planung, Finanzierung, Errichtung und des Betriebs eines Systems zur Mauteinhebung“ für Fahrzeuge über einer bestimmten Gewichtsklasse aus Elementen verschiedener Auftragsarten zusammensetzte. Das BVA stellte zunächst fest, dass Hauptziel und Zweck des Vertrages nicht in der Herstellung eines Bauwerks, sondern in der Errichtung und dem Betrieb des Mautsystems liegen. Allfällige dazu erforderliche Bauleistungen seien in den Ausschreibungsunterlagen nicht näher beschrieben und hiefür auch keine eigene Vergütung vorgesehen gewesen. Es liege demnach kein Bauauftrag vor. Aber auch die Lieferung von Waren an den Auftraggeber sei nicht Gegenstand der ausgeschriebenen Leistung; die zur Erbringung der Dienstleistung „Betreiben des Mautsystems“ erforderlichen Geräte (Fahrzeuggeräte bei den mautpflichtigen LKWs und entsprechende Hilfsmittel für die Kontrollorgane) würden nämlich nicht an den Auftraggeber geliefert, sondern müssten vom Dienstleistungserbringer (= Auftragnehmer des Vergabeverfahrens) selbst bei der Erbringung der Dienstleistung eingesetzt bzw für deren Erbringung an die Mautpflichtigen abgegeben werden. Im Ergebnis sei der Auftrag, dessen zentraler Gegenstand in der Einhebung der Maut liege, als Dienstleistungsauftrag zu qualifizieren (BVA 14.6.2002, N-9/02-48). Das BVA qualifizierte den Auftrag „Lieferung und Einbau von Abluftjalousieklappen in einem Straßentunnel“ als Bauauftrag und stellte für die Abgrenzung zwischen Bau- und Lieferauftrag darauf ab, ob das Ergebnis der Leistung fest mit dem Gebäude verbunden ist und aus diesem nicht ohne Wertverlust oder Änderung seiner Bestimmung wieder entfernt werden kann (BVA 27.12.2001, N-135/01-8). Die Vergabe eines Auftrags betreffend „Lieferung, Montage, Implementierung von diversen Netzwerk-Elektronik-Bauteilen und Netzwerkmanagement, Software inklusive Schulung“ des Auftraggebers AUVA wurde als Lieferauftrag qualifiziert (BVA 8.1.2002, N-107/01-23).
Bei gemischten Dienstleistungsaufträgen, die sich sowohl aus prioritären als auch aus nicht-prioritären Dienstleistungen zusammensetzen, kommt es für die vergaberechtliche Einordnung des Gesamtvertrags auf
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das finanzielle Überwiegen der jeweiligen Dienstleistung an (ĺ main value test). Gemischte Dienstleistungsaufträge Der EuGH hatte die Frage zu beantworten, ob die Dienstleistungen des Rettungs- und Krankentransports unter Begleitung eines Sanitäters als prioritäre oder als nicht-prioritäre Dienstleistungen zu qualifizieren sind. Da Krankentransportdienste Verkehrsdienstleistungen ebenso wie Gesundheitsdienstleistungen umfassen, kämen als mögliche Kategorien, denen die betreffenden Dienstleistungen zuzuordnen sein könnten, sowohl „Landverkehr“ – eine prioritäre Dienstleistung – als auch „Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen“, das zu den nicht-prioritären Dienstleistungen zählt, in Frage. Der EuGH kam zum Ergebnis, dass für die vergaberechtliche Zuordnung des Gesamtauftrags auf die Überwiegensregel und damit darauf abzustellen ist, welcher Dienstleistungsbestandteil im konkreten Fall finanziell überwiegt (EuGH Rs C-76/97, Tögel, Slg 1998, I-5357).
d) Entgeltlichkeit Bei den vom BVergG erfassten Leistungsverträgen handelt es sich durchwegs um entgeltliche Verträge. Der Begriff der Entgeltlichkeit ist in einem weiten Sinn zu verstehen und umfasst neben Geld auch andere in Geld bewertbare Leistungen. Maßgeblich ist das Vorliegen einer vermögenswerten Gegenleistung im Allgemeinen, die auch nicht unbedingt in einer einmaligen Gegenleistung bestehen muss. e) Vergabe nicht-prioritärer Dienstleistungen Für die Vergabe von nicht-prioritären Dienstleistungen gilt das BVergG nur eingeschränkt. Neben den in § 141 BVergG selbst enthaltenen Vorschriften finden ausschließlich jene Bestimmungen Anwendung, auf die § 141 verweist. Das bedeutet vor allem, dass der Auftraggeber bei der Vergabe von nicht-prioritären Dienstleistungsaufträgen keinen besonderen Vorgaben hinsichtlich der Wahl des Vergabeverfahrens unterliegt. Insbesondere ist er nicht an den im BVergG verankerten Katalog der Vergabeverfahrensarten und an die jeweiligen besonderen Voraussetzungen für ihre Wahl gebunden, sondern vielmehr lediglich gehalten, die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten sowie das Diskriminierungsverbot zu beachten. Somit steht es dem öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe von Aufträgen über nicht-prioritäre Dienstleistungen grundsätzlich frei, selbst ein Verfahren zu entwerfen, das den genannten gesetzlichen Anforderungen entspricht. Beschränkt wird diese Freiheit aber durch zwei wesentliche gesetzliche Vorgaben: Zum einen gebietet § 141 Abs 2 BVergG, dass – wenn und soweit es aufgrund des Werts und des Gegenstands des Auftrags erforderlich scheint – nicht-prioritäre Dienstleistungsaufträge in einem Verfahren mit mehreren Unternehmern, durch das ein angemessener Grad von
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Öffentlichkeit gewährleistetet ist und das dem Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbes entspricht, zu vergeben sind. Bei der Beurteilung der „Angemessenheit“ der Transparenz ist auf den jeweiligen Einzelfall, vor allem auf den Auftragsgegenstand und den Auftragswert abzustellen. Je höher der Auftragswert und je bedeutender der Auftragsgegenstand ist, desto höher sollen auch die Anforderungen an die Transparenz sein (vgl RV 1171 BlgNR 22. GP 91).
Zum anderen schreibt § 141 Abs 3 BVergG vor, dass eine Direktvergabe (s unten Pkt V.B.9.) auch bei der Vergabe nicht-prioritärer Dienstleistungen nur bist zu einer bestimmten Wertgrenze zulässig ist. Eine Sonderregelung besteht hier nur für die Vergabe sogenannter geistiger Dienstleistungen (dazu noch Pkt V.B.5.b.). Im Gegensatz zu der bloß eingeschränkten Anwendbarkeit der materiellen Vergabebestimmungen kommen die Rechtsschutzbestimmungen des BVergG auch für die Vergabe nicht-prioritärer Dienstleistungen zur Gänze zum Tragen. f) Vergabe von Konzessionsverträgen Als Konzessionsverträge werden im Vergaberecht jene Verträge bezeichnet, bei denen die Gegenleistung für die vom Konzessionär erbrachte Leistung statt oder neben einem Entgelt in der Einräumung des Rechts an den Konzessionär besteht, die betreffende Leistung zu nutzen und von Dritten Entgelte für die Leistungserbringung einzuheben. Damit trägt der Konzessionär auch das wirtschaftliche Risiko (mit), das sich aus der Nutzung der jeweiligen Leistung ergibt. Dieses Risikoelement ist ein wichtiger Bestandteil des Konzessionsbegriffs. Konzessionsvertrag ZB Beauftragung eines Unternehmens mit Errichtung und Betrieb einer Abwasserentsorgungsanlage, wobei dem Unternehmen anstatt eines Entgelts das alleinige Recht eingeräumt wird, die von den Leistungsempfängern zu entrichtenden Gebühren einzuheben und zu verwenden.
(1) Baukonzessionsverträge Baukonzessionsverträge sind Verträge, deren Vertragsgegenstand von Bauaufträgen nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Arbeiten ausschließlich in dem Recht zur Nutzung des Bauwerkes oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht (§ 7 BVergG). Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum Bauauftrag ist daher, dass dem Bauunternehmer als Gegenleistung (anstelle oder neben einem Entgelt) das Recht zur Nutzung des Bauwerkes gewährt wird. Dieses
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Recht liegt im konzessionsvertraglichen Sinn darin, dass der Konzessionär das Bauwerk oder dessen Nutzung Dritten zur Verfügung stellt und sich (auch) aus den von diesen Dritten dafür erbrachten Entgelten oder Gebühren finanziert. Der Konzessionär trägt damit ein wirtschaftliches Risiko, weil er im Regelfall davon abhängig ist, ob und wie viele Dritte die von ihm zur Verfügung gestellte Nutzung eines Bauwerks in Anspruch nehmen. Das BVergG enthält besondere Bestimmungen für die Vergabe von Baukonzessionsverträgen und die Vergabe von Bauaufträgen an Dritte durch Baukonzessionäre (§§ 142 ff BVergG): x Für Baukonzessionsverträge sind erleichterte Vergaberegeln vorgesehen, insbesondere stehen dem Auftraggeber zusätzliche Möglichkeiten für die Wahl des Vergabeverfahrens offen. x Für die Auftragsvergabe durch den Baukonzessionär, der nicht selbst öffentlicher Auftraggeber ist (ĺ privater Baukonzessionär), kommen nur einige besondere Bestimmungen zur Anwendung (§ 142 Abs 3 BVergG).
Baukonzessionsvertrag Eine Gesellschaft wird mit der Finanzierung, Errichtung und dem Betrieb eines Autobahnteilstücks (ein Tunnel, ein Talübergang, eine Bergstrecke etc) beauftragt, wobei sich das Unternehmen (auch) durch Einhebung einer Maut von den Autobahnbenutzern refinanziert (ein Baukonzessionsvertrag liegt auch dann vor, wenn die das Unternehmen beauftragende öffentliche Hand nicht ein vorab festgelegtes Entgelt zahlt, sondern eine sogenannte „Schattenmaut“, also das Unternehmen entsprechend der Zahl der Autobahnbenutzer refinanziert).
(2) Dienstleistungskonzessionsverträge Dienstleistungskonzessionsverträge sind Verträge, deren Vertragsgegenstand von Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht (§ 8 BVergG). Auch hier kommt es zu einem Übergang des wirtschaftlichen Risikos an den Konzessionär, der im Gegensatz zum Dienstleistungsauftrag das Risiko der Erbringung der Dienstleistung und deren Nutzung selbst (mit-) trägt. Beim Auftragsgegenstand von Dienstleistungskonzessionsverträgen handelt es sich häufig um Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (zu praktischen Anwendungsfällen der Dienstleistungskonzession s sogleich unten Pkt (IV.B.2.f. [3].).
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Dienstleistungskonzessionsvertrag Die frühere Telekom Austria AG, ein Sektorenauftraggeber, war gesetzlich verpflichtet, Teilnehmerverzeichnisse (insbesondere Telefonbücher) zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck schloss sie einen Vertrag mit einem privaten Unternehmer und verpflichtete diesen zur Herstellung gedruckter und elektronisch nutzbarer Telefonverzeichnisse. Die Vergütung sollte laut Vertrag nicht durch direkte Entgeltleistung erfolgen; vielmehr wurde dem Unternehmer gestattet, die von ihm erbrachte Leistung kommerziell zu verwerten (also insbesondere durch Werbeinserate etc). Der EuGH kam zum Schluss, dass dieser Vertrag als Dienstleistungskonzession „beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts“ vom Anwendungsbereich der Sektorenrichtlinie ausgenommen sei, weil die Gegenleistung, die das Unternehmen für die Erbringung seiner Leistung erhält, darin besteht, dass dieses als Vergütung das Recht zur Verwertung seiner eigenen Leistung zugesprochen bekommt (Rs C-324/98, Telaustria, Slg 2000, I-10745).
Im Unterschied zu Baukonzessionen sind Dienstleistungskonzessionen nicht von den EG-Vergaberichtlinien erfasst (EuGH Rs C-324/98, Telaustria). Dies lässt sich anhand einer historischen Interpretation und aufgrund des Umstands, dass die Richtlinien Bauaufträge und Baukonzessionsverträge, aber eben nur Dienstleistungsverträge in ihren Geltungsbereich einbeziehen, nachweisen. Begründet liegt dies darin, dass insbesondere die romanischen Länder um Frankreich wesentliche Bereiche ihrer Daseinsvorsorgeleistungen im Wege sogenannter „services publics“ rechtlich ausgestalten, die von ihrer Struktur her Dienstleistungskonzessionen im vergaberechtlichen Sinn nicht unähnlich sind. Diese wollten die Mitgliedstaaten aber gerade nicht den strengen Regelungen des Vergaberechts unterwerfen.
Der EuGH hat allerdings gewisse Anforderungen an die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen aus dem Primärrecht abgeleitet. Insbesondere haben, so der EuGH, die Auftraggeber „die Grundregeln des Vertrages (Anm: EGV) im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten“ (Rs Telaustria, Rz 60 ff). Damit ergeben sich für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen mehrere Vorgaben aus dem EG-Primärrecht: Der Auftraggeber ist an das Diskriminierungsverbot gebunden und hat zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherzustellen (ĺ Transparenzgebot), der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet (ĺ Wettbewerbsprinzip) und eine Nachprüfung der unparteiischen Durchführung des Vergabeverfahrens ermöglicht (ĺ Unparteilichkeit des Konzessionsgebers). Im Ergebnis hat damit die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen, die an sich eben gerade nicht den Vergaberichtlinien unterliegt, nach jenen Grundsätzen zu erfolgen, wie sie sich im Wesentlichen auch in den Richtlinien wieder finden: Durchführung eines Vergabeverfahrens nach einer Art öffentlicher Bekanntmachung (bzw Ausschreibung) und Möglichkeit zur Nachprüfung der Vergabeentscheidung.
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Das BVergG bezieht Dienstleistungskonzessionen nur sehr begrenzt in seinen Geltungsbereich ein. Gemäß § 11 BVergG sind Dienstleistungskonzessionen unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbots und – soweit dies aufgrund des Wertes und des Gegenstandes des Vertrages erforderlich scheint – grundsätzlich in einem Verfahren mit mehreren Unternehmern, durch das ein angemessener Grad an Öffentlichkeit gewährleistet ist und das den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbs entspricht, zu vergeben. Darüber hinaus werden bloß punktuell Bestimmungen des BVergG für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen für anwendbar erklärt. Zusammenfassend folgt daraus im Wesentlichen, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen durch das BVergG nur dazu verpflichtet wird, ein den genannten Anforderungen entsprechendes Vergabeverfahren einschließlich entsprechender Bekanntmachung durchzuführen. Die einschlägigen Detailregelungen, etwa betreffend die Wahl der Vergabeart im technischen Sinn, Fristenregelungen oder bestimmte Publikationsgebote, kommen demgegenüber nicht zur Anwendung. Wesentlich ist weiters, dass der vergabespezifische Rechtsschutz keine Anwendung auf die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen findet, womit es diesfalls zur Gewährleistung der Nachprüfbarkeit beim zivilrechtlichen Bieterschutz verbleibt. (3) Anwendungsfelder Als Instrument zur Übertragung von Aufgaben an einen Privaten/ein privates Unternehmen kommen Bau- und Dienstleistungskonzessionen vor allem im Zusammenhang mit der Auslagerung der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge (Infrastrukturaufgaben) in den privaten Sektor zum Tragen. Dabei geht die Beauftragung zur Leistungserbringung mit der Übertragung der Nutzungsberechtigung an der zu erbringenden Leistung auf den privaten Betreiber (ĺ Konzessionär) einher. Je nach konkreter Ausgestaltung kann der solcherart für die betreffende Leistungserbringung begründeten Partnerschaft zwischen der öffentlichen Hand (zB Gemeinde, Wasserverband) und dem Privaten (ĺ man spricht diesfalls von einem Public Private Partnership, kurz PPP) ein Bau- oder Dienstleistungskonzessionsvertrag zugrunde liegen. Bestimmt der öffentliche Auftraggeber die zu errichtenden Bauwerke bzw die durchzuführenden Bauleistungen und erhält der Auftragnehmer anstatt des vollen Entgelts das Recht zur Nutzung dieses Bauwerks auf bestimmte Zeit, liegt ein Baukonzessionsvertrag vor. Von einem Dienstleistungskonzessionsvertrag ist beispielsweise dann auszugehen, wenn dem Privaten das Nutzungsrecht an einer Infrastruktureinrichtung übertragen und er dazu ermächtigt wird, seine Leistungen durch Einhebung von Entgelten oder Gebühren bei den Leistungsempfängern zu finanzieren (zB durch Abschluss zivilrechtlicher Verträge mit diesen oder durch Weiterleitung eingehobener Gebühren).
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Die Vorzüge solcher „Konzessionsmodelle“, die ursprünglich der englischen bzw der französischen Rechtstradition entstammen, können gerade in Infrastruktursektoren (insbesondere Verkehr, Siedlungswasserwirtschaft) für den öffentlichen Partner darin gesehen werden, dass die – oft kostenintensive – Herstellung der (baulichen) Infrastruktur sowie deren nachfolgender Betrieb bzw die Bewirtschaftung auf Private übertragen werden können, während die Gegenleistung zur Gänze oder zu einem guten Teil „lediglich“ darin besteht, dass dem Privaten das Nutzungsrecht an der von ihm erbrachten Leistung eingeräumt wird. Demgegenüber können die Anreize für den privaten Partner darin gesehen werden, dass er seine Leistungen eigenwirtschaftlich gegenüber Dritten, den eigentlichen Leistungsbeziehern, erbringen und verwerten kann, wenngleich damit freilich – wie bereits dargelegt – auch das unternehmerische Risiko an der Erbringung und Bewirtschaftung der erbrachten Leistung zu einem maßgeblichen Teil vom privaten Partner zu tragen ist.
Abbildung 4: Konzessionsmodell
g) Ausnahmen vom Geltungsbereich Das BVergG nimmt bestimmte, taxativ aufgezählte Vergaben von seinem Geltungsbereich explizit aus. Zu diesen Ausnahmen zählen gemäß § 10 BVergG ua: x bestimmte Auftragsvergaben im Bereich der Landesverteidigung x „Programmeinkäufe“ von öffentlichen Rundfunkanstalten x „Inhouse-Vergaben“ (dazu im Folgenden Pkt IV.B.2.h.)
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x Aufträge über Immobilien Verträge über den Erwerb oder die Miete von oder Rechte an Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden sowie anderem unbeweglichen Vermögen sind – ungeachtet der Finanzierungsmodalitäten – vom Anwendungsbereich des BVergG ausgenommen. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Immobilien in der Regel so unterschiedlich sind, dass sie nur schwierig vergleichbar sind. Weiters gibt es bei derartigen Verträgen zumeist nur einen oder sehr wenige Anbieter, die den nachgefragten Vergabegegenstand anbieten können, weshalb die Anwendung der Vergaberegelungen hier ungeeignet wäre. Möchte beispielsweise die WU Wien expandieren und zu diesem Zweck eine in unmittelbarer Nähe des Standorts gelegene Immobilie anmieten oder kaufen, so ist die Zahl jener Immobilien, die diese Voraussetzung erfüllen und somit die Zahl der potentiellen Anbieter naturgemäß begrenzt.
x Arbeitsverträge x bestimmte Aufträge über Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen x Beauftragung einer zentralen Beschaffungsstelle mit der Beschaffung von Leistungen sowie Beschaffung von Leistungen von einer Beschaffungsstelle Mit dieser Ausnahmebestimmung werden Leistungsbeziehungen zwischen einer zentralen Beschaffungsstelle und denjenigen öffentlichen Auftraggebern, für die diese zentrale Beschaffungsstelle tätig wird, vom Anwendungsbereich des BVergG ausgenommen. Der Sinn solcher zentralen Beschaffungsstellen liegt darin, die Leistungsnachfrage öffentlicher Auftraggeber gebündelt dem Vergaberecht zu unterwerfen ( ĺ „Einkaufsorganisation der öffentlichen Hand“). Als zentrale Beschaffungsstelle fungiert in Österreich die Bundesbeschaffung GmbH (BBG). Unternehmensgegenstand dieser Gesellschaft ist die Wahrnehmung von Aufgaben auf dem Gebiet des Beschaffungswesens mit dem Ziel einer ökonomisch sinnvollen Volumens- und Bedarfsbündelung zur Optimierung der Einkaufsbedingungen des Bundes nach wirtschaftlichen und qualitativen Kriterien. Die BBG ist selbst öffentlicher Auftraggeber; sie hat daher bei den gebündelten Beschaffungsvorhaben das BVergG einzuhalten. Vom Anwendungsbereich des BVergG ausgenommen ist einerseits die Beauftragung der Beschaffungsstelle durch einen Auftraggeber mit der Beschaffung von Leistungen, andererseits aber auch die Beschaffung von Leistungen durch einen Auftraggeber direkt von der Beschaffungsstelle.
x finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem public debt management Dabei handelt es sich um Verträge über finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe und dem Handel von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten, Dienstleistungen der Zentralbanken sowie Verträge betreffend die Geld- und Kreditpolitik der öffentlichen Hand. Dieser Ausnahmetatbestand geht darauf zurück, dass die spezifischen Eigengesetzlichkeiten des Markts und ein besonderes kapitalmarktbezogenes Vertrauensverhältnis die Anwendung des Vergaberechts auf Verträge über finanzielle Dienstleistungen im Bereich des public debt managements unzweckmäßig erscheinen lassen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind diese Ausnahmetatbestände, da sie die Anwendbarkeit des Vergaberechts ausschließen,
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eng auszulegen (zB Rs C-414/97, Kommission/Spanien, Slg 1999, I-5585, Rz 21 f). h) Inhouse-Vergaben Zentrales Anliegen des Vergaberechts ist es, die Nachfrage des Staates nach Leistungen auf dem Markt als Ergebnis eines Wettbewerbs der anbietenden Unternehmen zu organisieren. Leistungen, die der Staat selbst, also ohne Nachfrage auf dem Markt und mit eigenen Ressourcen erbringt, sind demgegenüber – so die daraus im Allgemeinen gezogene Schlussfolgerung – vom Normzweck des Vergaberechts nicht umfasst. Insofern zählt die klassische staatliche „Eigenleistung“, also die Leistungserbringung durch (unselbstständige) Einrichtungen, die dem leistungsnachfragenden Rechtsträger zuzurechnen sind (insbesondere Regiebetriebe), nicht zum Anwendungsbereich des Vergaberechts. Dies ist insofern konsequent, als es bei „Auftragsvergaben“ im Innenverhältnis eines öffentlichen Auftraggebers regelmäßig an dem – für die Anwendbarkeit des Vergaberechts notwendigen – Vertragsabschluss mit einem Dritten fehlt. Dahinter steht eine wichtige Grundsatzentscheidung: Das Vergaberecht verhält sich bei der Frage, ob der Staat bestimmte Aufgaben selbst erfüllen soll oder ob er dies dem Markt überlässt (und im Einzelfall diese Leistungen vom Markt nachfragt), grundsätzlich neutral. Das Vergaberecht greift erst dann ein, wenn diese Entscheidung gefallen ist und der Staat Leistungen vom Markt beschaffen möchte. In Weiterführung dieses Gedankens wird die Geltung des Vergaberechts auch für Auftragsvergaben an rechtlich verselbständigte, meist aus der staatlichen Verwaltung ausgegliederte Rechtsträger verneint; soweit der Rechtsträger nämlich aufgrund der gewählten Organisationsform oder staatlicher Beherrschung nach wie vor dem Staat zuzurechnen und damit vor allem wirtschaftlich nicht eigenständig ist, ist die begründete Rechtsbeziehung materiell betrachtet einer staatlichen Eigenleistung äquivalent. Soweit die Leistungserbringung also die staatliche Sphäre nicht verlässt, dh insbesondere keine Leistungsnachfrage vom Markt erfolgt, bleibt es materiell gesehen bei einer Leistungserbringung durch den Staat. Diese als Inhouse-Vergabe bezeichnete Ausnahme vom Anwendungsbereich des Vergaberechts soll, wie der EuGH in der Rs Teckal aussprach, aber nur dann zulässig sein, „wenn die Gebietskörperschaft 1. über die fragliche Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn 2. diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben“.
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Diese beiden „Teckal-Kriterien“ wurden in der weiteren Judikatur des EuGH zum Teil konkretisiert, wenngleich sie aufgrund ihrer unbestimmten Formulierung nach wie vor zahlreiche Fragen aufwerfen. Inhouse-Vergabe – EuGH Rs Teckal Eine italienische Gemeinde übertrug einem aus mehreren Gemeinden bestehenden Konsortium, dem sie auch selbst angehörte, einen Auftrag zur Betreibung von Heizungsanlagen in bestimmten Gemeindegebäuden. Der Auftragserteilung war kein Ausschreibungsverfahren vorausgegangen. Der EuGH hatte die Frage zu beantworten, ob die Vergaberichtlinien auf diesen Vergabevorgang Anwendung finden würden. Er kam zu dem Schluss, dass die Anwendbarkeit der Richtlinien danach zu beurteilen ist, ob ein Vertrag im Sinne einer Vereinbarung zwischen zwei verschiedenen Personen geschlossen wurde. Davon könne nur dann ausgegangen werden, wenn es sich beim Auftragnehmer um eine Einrichtung handelt, die sich formal vom Auftraggeber unterscheidet und die diesem gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitzt. Umgekehrt finden die Vergaberichtlinien dann keine Anwendung, wenn die Gebietskörperschaft über den Auftragnehmer eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn der Auftragnehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft(en) verrichtet, die seine Anteile innehat/innehaben (EuGH Rs C-107/98, Teckal, Slg 1999, I-8121).
In Umsetzung dieser EuGH-Judikatur nimmt § 10 Z 7 BVergG Aufträge, die ein öffentlicher Auftraggeber durch eine Einrichtung erbringen lässt, über die er eine Aufsicht wie über eine eigene Dienststelle ausübt und die ihre Leistungen im Wesentlichen für den oder die öffentlichen Auftraggeber erbringt, die ihre Anteile innehaben oder aus denen sie sich zusammensetzt, aus seinem Geltungsbereich aus.
Abbildung 5: Inhouse-Vergabe
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Die weitere Entwicklung, die der Ausnahmetatbestand der „InhouseVergabe“ in der Judikatur (des EuGH) genommen hat, soll für die beiden Teckal-Kriterien gesondert veranschaulicht werden: (1) „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“ Unter Berufung auf das „Inhouse-Privileg“ sah man es infolge der TeckalEntscheidung zunächst im Allgemeinen als zulässig an, Aufträge an gemischt wirtschaftliche Unternehmen, die sich aus einem mehrheitsbeteiligten public partner (ĺ der öffentlichen Hand: zB Gemeinde, Wasserverband) und einem oder mehreren Privaten (ĺ private partner) zusammensetzen, ohne Durchführung eines formellen Vergabeverfahren vergeben zu können: Nach der Gründung einer Kooperationsgesellschaft, die als rein gesellschaftsrechtlicher Vorgang „vergaberechtsneutral“ ist, erfolgte die unmittelbare Betrauung der Kooperationsgesellschaft mit der Leistungserbringung für die öffentliche Hand. Dieses Modell des PPP (ĺ Kooperationsmodell) konnte vor allem von der Unbestimmtheit des vom EuGH statuierten „Beherrschungskriteriums“ profitieren; in der Praxis wurde nämlich bereits eine einfache Beteiligungsmehrheit der öffentlichen Hand an der Kooperationsgesellschaft iaR als ausreichend für eine Inhouse-Vergabe betrachtet.
Abbildung 6: PPP-Kooperationsmodell
Der EuGH hat schließlich in der Rs Stadt Halle eine Klarstellung getroffen, indem er entschied, dass die – auch nur minderheitliche – Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, es auf jeden Fall ausschließt, dass der öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen.
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Inhouse-Vergabe – EuGH Rs Stadt Halle Die deutsche Stadt Halle hatte, ohne zuvor ein förmliches Vergabeverfahren durchzuführen, einen Auftrag zur Abfallbeseitigung und -verwertung an eine Gesellschaft erteilt, an der sie selbst zu 75,1 % beteiligt war, während die restlichen 24,9 % von einem privaten Unternehmen gehalten wurden. Hinsichtlich der Frage, ob dieser Vergabevorgang nach den Vorgaben der Vergaberichtlinien abzuwickeln gewesen wäre, traf der EuGH einige konkretisierende Aussagen zu dem im Urteil Teckal allgemein formulierten „Beherrschungskriterium“: Zum einen sei die Beziehung zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und seinen Dienststellen von Überlegungen und Erfordernissen bestimmt, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielsetzungen in Zusammenhang stehen. Die Anlage von privatem Kapital verfolge hingegen private Interessen und beruhe daher auf andersartigen Zielsetzungen. Zum anderen würde die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens dem Grundsatz des freien und unverfälschten Wettbewerbs widersprechen und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessen beeinträchtigen, da damit den am Kapital der Gesellschaft beteiligten Privaten ein Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten eingeräumt würden. Aufgrund dieser Erwägungen kam der EuGH zu dem Schluss, dass der gegenständliche Auftrag nach den in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Verfahren zur Vergabe gelangen hätte müssen (Rs C-26/03, Stadt Halle, Slg 2005, I-1).
Zudem ist, der weiteren Rechtsprechung folgend, die Veräußerung von Anteilen einer öffentlichen Eigengesellschaft an einen Privaten in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Auftragsvergabe als – unzulässige – Umgehung des Vergaberechts zu qualifizieren. Inhouse-Vergabe – EuGH Rs Stadt Mödling Die Stadtgemeinde Mödling übertrug einer in ihrem Eigentum stehenden GmbH ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens das ausschließliche Recht zur Sammlung und Behandlung von Müll. Bevor die Gesellschaft jedoch ihre Tätigkeit aufnahm, wurden 49 % der Anteile der Gesellschaft an eine private Dienstleistungsgesellschaft übertragen. Der EuGH stellte in seinem Urteil zunächst fest, dass für die Beurteilung der Frage, ob ein Vergabeverfahren durchzuführen ist, grundsätzlich die Umstände im Zeitpunkt der Vergabe ausschlaggebend seien. In besonderen Fällen (wie dem vorliegenden) müssten jedoch auch Umstände, die erst nach bereits erfolgter Vergabe eintreten, berücksichtigt werden. Sodann verwies der EuGH auf die bereits im Urteil Teckal getroffene Feststellung, dass jede – auch nur minderheitliche – Beteiligung eines privaten Unternehmens ausschließe, dass der öffentliche Auftraggeber über die Gesellschaft eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübe. Der EuGH kam deshalb zu dem Ergebnis, dass der gegenständliche Auftrag in einem den Vergaberichtlinien entsprechenden Verfahren hätte vergeben werden müssen (Rs C-29/04, Stadt Mödling, Slg 2005, I-9705).
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Aber auch eine verfahrensfreie Vergabe an eine vollständig im Eigentum des öffentlichen Auftraggebers stehende Gesellschaft ist nicht in jedem Fall zulässig, da das Kontrollkriterium auch dann als nicht erfüllt angesehen werden kann, wenn der Gesellschaft im Verhältnis zum öffentlichen Auftraggeber eine weitreichende Selbstständigkeit eingeräumt ist. Für die Erfüllung des Beherrschungskriteriums muss im Einzelfall geprüft werden, ob die fragliche Einrichtung einer Kontrolle unterworfen ist, die es dem öffentlichen Auftraggeber ermöglicht, auf die Entscheidungen dieser Einrichtung einzuwirken. Es muss sich dabei um die Möglichkeit handeln, sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen ausschlaggebenden Einfluss zu nehmen (EuGH Rs C-458/03, Parking Brixen, Slg 2005, I-8612, Rz 64 ff). Dahinter steht der Gedanke, dass zwischen dem Staat (einem öffentlichen Auftraggeber) und einer derartigen Einrichtung keine echte Vertragsbeziehung bestehen kann, weil der eine Vertragspartner, nämlich die „beherrschte“ Einrichtung, gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber keinen eigenständigen Parteiwillen bilden kann. Diese rechtstechnische Begründung tritt zu der allgemeinen Argumentation, dass hier die Leistungserbringung die staatliche Sphäre nicht verlässt, hinzu. Erstere wird insbesondere dann tragend, wenn mehrere öffentliche Auftraggeber etwa eine in ihrem gemeinsamen Eigentum stehende Gesellschaft gründen und über diese bestimmte Leistungen als Eigenleistungen erbringen wollen. Für diesen Fall, dass die Einrichtung im Eigentum mehrerer öffentlicher Auftraggeber steht, ist aber nicht zwingend geboten, dass alle Anteilseigner auf wichtige Entscheidungen der auftragnehmenden Einrichtung Einfluss nehmen können.
Inhouse-Vergabe – EuGH Rs ASEMFO Der spanische Staat hielt an einer spanischen Gesellschaft (Transformación Agraria SA) 99 % der Anteile, vier Autonome Regionen hielten gemeinsam 1 %. Der EuGH stellte anlässlich eines Vorabentscheidungsersuchens eines spanischen Gerichts, das über eine Beschwerde gegen diese Gesellschaft, wegen Missachtung der Vergabevorschriften zu entscheiden hatte, fest, dass sowohl der spanische Staat als auch die Autonomen Regionen über die Gesellschaft eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausüben. Ausschlaggebend für dieses Ergebnis war insbesondere der Umstand, dass der auftragnehmenden Gesellschaft rechtlich keine Möglichkeit zukam, die Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit für die öffentlichen Auftraggeber abzuändern. Aufgrund der Abhängigkeit der beauftragten Einrichtung in Bezug auf den Vertragsabschluss sowie die Vertragsbedingungen nahm der EuGH an, dass auch die Autonomen Regionen über die Einrichtung eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübten (Rs C-295/05, ASEMFO, Slg 2007, I-2999).
Allerdings widerspricht es dem Vergaberecht, Verwaltungskooperationen, also vertragliche Beziehungen zwischen Einrichtungen der öffent-
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lichen Verwaltung, schlechthin vom Anwendungsbereich des Vergaberechts auszuschließen. Vielmehr sind öffentliche Auftraggeber auch dann, wenn sie ihrerseits nur mit öffentlichen Auftraggebern kontrahieren, nicht grundsätzlich von der Durchführung eines Vergabeverfahrens befreit (EuGH Rs C-220/05, Auroux, Slg 2007, I-385). Inhouse-Vergabe – EuGH Rs Kommission gegen Spanien Die Europäische Kommission leitete gegen Spanien ein Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelhafter Umsetzung der Vergaberichtlinien ein. Ua beanstandete sie eine Regelung in dem neuen spanischen Vergabegesetz, derzufolge Kooperationsvereinbarungen zwischen Einrichtungen des öffentlichen Rechts von dem Anwendungsbereich des spanischen (Vergabe-) Gesetzes generell ausgenommen waren. Der EuGH gab der Kommission dahingehend Recht, als er feststellte, dass die absolute Ausnahme von Vereinbarungen zwischen Verwaltungen von dem Anwendungsbereich des Gesetzes nicht mit den Bestimmungen der Vergaberichtlinien vereinbar sei. Die Richtlinien seien nämlich grundsätzlich auf jeden Vertrag, der zwischen einer Gebietskörperschaft und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person geschlossen wurde, anwendbar. Etwas anderes könne nur gelten, wenn die beiden „Teckal-Kriterien“ erfüllt seien. Die spanische Regelung entsprach demzufolge nicht den Richtlinienvorgaben (EuGH Rs C-84/03, Kommission/Spanien, Slg 2005, I-139).
Maßgeblich ist also stets die besondere Konstellation des Einzelfalls. Heute stehen hier vor allem Leistungsbeziehungen im sogenannten „öffentlichen Konzern“ in Rede. Hier spielt insbesondere die Frage eine Rolle, ob eine im Sinne des ersten Teckal-Kriteriums ausreichende Beherrschung auch dadurch erreicht werden kann, dass der Einfluss zwischen zwei in ausschließlich staatlichem Eigentum stehenden Einrichtungen über eine gemeinsame Mutter, etwa eine Holdinggesellschaft, ausgeübt wird. Stellt man auf die Zielsetzung des Vergaberechts und die Begründung, die der Inhouse-Ausnahme zugrunde liegt, ab, so ist diese Frage grundsätzlich zu bejahen. Vom Wortlaut der einschlägigen Ausnahmebestimmung des § 10 Z 7 BVergG ist diese Fallkonstellation allerdings nicht umfasst. Hier ist es aber wichtig zu sehen, dass gerade diese Ausnahmebestimmung nicht auf eine einschlägige Richtlinienbestimmung zurückgeht. Anders als bei den anderen Ausnahmebestimmungen des § 10 BVergG handelt es sich bei der Inhouse-Ausnahme auch nicht um eine Ausnahmebestimmung im eigentlichen Sinn (öffentliche Aufträge, die ansonsten dem Vergaberecht unterfallen würden, sind explizit von der Anwendung ausgenommen), sondern um die Auslegung der allgemeinen Regeln über den Anwendungsbereich des Vergaberechts und deren insbesondere als systematisch und teleologisch zutreffendes Verständnis. (2) „Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber“ Hinsichtlich des Kriteriums der „wesentlichen“ Leistungserbringung für den beherrschenden öffentlichen Auftraggeber wurde in der bisherigen
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Rechtsprechung des EuGH klargestellt, dass es darauf ankommen soll, ob die betreffende Einrichtung hauptsächlich für die auftraggebende Körperschaft tätig wird und jede andere wirtschaftliche Tätigkeit „rein nebensächlich“ ist. Der EuGH stellte in diesem Zusammenhang fest, dass eine 90 %ige Tätigkeit des Auftragnehmers für den öffentlichen Auftraggeber ausreicht, um das Kriterium der „Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber“ zu erfüllen (Rs C-295/05, ASEMFO, Slg 2007, I-2999). Bei einer solchen Beurteilung sind alle Tätigkeiten zu berücksichtigen, die die auftragnehmende Einrichtung aufgrund einer Vergabe durch den öffentlichen Auftraggeber verrichtet, unabhängig davon, wer diese Tätigkeit vergütet – sei es der öffentliche Auftraggeber selbst oder ein Dritter, der für die Nutzung der Leistung ein Entgelt entrichtet (EuGH Rs C-340/04, Carbotermo, Slg 2006, I-4137, Rz 60 ff). Daraus kann geschlossen werden, dass in bestimmtem (aber jedenfalls untergeordnetem Ausmaß) auch Leistungen für Dritte am Markt durch den ausgegliederten Rechtsträger der Erfüllung dieses zweiten TeckalKriteriums nicht schaden, sofern es sich dabei nicht um einen bedeutenden Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit handelt, anderenfalls könnte es nicht (mehr) gerechtfertigt werden. Auftragsvergaben an diese auf sich auf dem Markt im Wettbewerb mit anderen Unternehmen tätige Einrichtung vom Vergaberecht auszunehmen. Als Leitlinie kann hier darauf abgestellt werden, ob und inwieweit die Einrichtung für ihren Bestand auf eine derartige Tätigkeit für Dritte angewiesen ist. Insoweit hängt dieses Kriterium mit dem Beherrschungskriterium zusammen, weil eine in dem Sinn untergeordnete Tätigkeit für Dritte, die keine Abhängigkeit von solchen Leistungen begründet, die Beherrschung durch die öffentliche Hand abstützt.
Eine Inhouse-Konstellation kann auch bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen vorliegen. In diesem Fall würden die vom EuGH aus den Grundfreiheiten abgeleiteten Anforderungen an die Vergabe derartiger Verträge aufgrund des Inhouse-Privilegs nicht zur Anwendung kommen (EuGH Rs C-458/03, Parking Brixen, Slg 2005, I-8612; Rs C-410/04, ANAV, Slg 2006, I-3303, Rz 24 ff; Rs C-340/04, Carbotermo, Slg 2006, I-4137, Rz 34 ff). i) Schwellenwerte Das BVergG erfasst Aufträge ober- wie unterhalb der Schwellenwerte. Mit dem Erreichen der gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Schwellenwerte sind jedoch besondere Rechtsfolgen verbunden. So gelangt im USB ein flexibleres vergaberechtliches Regime zur Anwendung, dem Auftraggeber kommt bei der Wahl der Vergabeverfahrensart eine größere Auswahlmöglichkeit zu, bestimmte Fristen verkürzen sich für den USB entsprechend etc. Die Höhe der Schwellenwerte ist in § 12 bzw § 180 BVergG bestimmt. Da jedoch gleichzeitig mit der Novelle zum BVergG 2006 die
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IV. Das österreichische Vergaberecht
(unmittelbar wirksame) VO 1422/2007/EG (ABl v 5.12.2007, L 317/34) der EG-Kommission in Kraft trat, die ihrerseits neue Schwellenwerte einführte, sind – aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts – nicht die im BVergG festgelegten Schwellenwerte maßgeblich, sondern jene, die in der EG-VO vorgesehen sind. Durch diese SchwellenwertVO wurden die Schwellenwerte der Vergaberichtlinien an jene des GPA angepasst. So soll sichergestellt sein, dass der Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien und jener des GPA deckungsgleich sind und öffentliche Auftraggeber, die die Richtlinien beachten gleichzeitig auch das GPA erfüllen. Sowohl die VO 1422/2007/EG als auch das BVergG geben die Schwellenwerte in EUR an. Die Schwellenwerte variieren je nach den einzelnen Auftragsarten und betragen zusammengefasst und vereinfacht gem Art 1 der VO: klassischer Bereich
Schwellenwert
Lieferaufträge
EUR 206.000,–
Bauaufträge und Baukonzessionsverträge
EUR 5.150.000,–
Dienstleistungsaufträge
EUR 206.000,–
Sektorenbereich
Schwellenwert
Liefer- und Dienstleistungsaufträge
EUR 412.000,–
Bauaufträge und Baukonzessionsverträge
EUR 5.150.000,–
Für Auftragsvergaben durch bestimmte, in Anhang V BVergG verzeichnete „zentrale öffentliche Auftraggeber“ (dazu zählen im Wesentlichen die Bundesministerien, die BBG und die BRZ GmbH) gelten besondere (etwas niedrigere) Schwellenwerte. Um zu bestimmen, ob ein Auftrag im OSB oder im USB vergeben wird, ist der geschätzte Auftragswert zu berechnen. Hiefür kennt das BVergG besondere Berechnungsvorschriften (§§ 13 ff, 181 ff BVergG). Ganz grundsätzlich ist der geschätzte Auftragswert ohne USt heranzuziehen. Die Berechnung des geschätzten Auftragswertes ist vom Auftraggeber in umsichtiger und sachkundiger Weise vorzunehmen. Sie darf insbesondere nicht mit der Absicht erfolgen, die Anwendung des BVergG zu umgehen. Unzulässig ist es demnach, gleichartige, also sachlich und zeitlich in Zusammenhang stehende Aufträge zu splitten, um das Erreichen der maßgeblichen Schwellenwerte zu vermeiden (vgl § 13 Abs 4 BVergG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des geschätzten Auftragswerts ist die Einleitung des konkreten Vergabeverfahrens (§ 13 Abs 3 BVergG), was im offenen Verfahren etwa durch die Absendung
B. Das BVergG 2006
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der Vergabebekanntmachung bewirkt wird. Der geschätzte Auftragswert ist vom Auftraggeber ex ante zu ermitteln; stellt sich im Laufe des Vergabeverfahrens heraus, dass der Auftragswert tatsächlich höher ist, schadet dies nicht, solange die ex ante-Schätzung sachgerecht und angemessen erfolgt und auch entsprechend dokumentiert ist (zum Zusammenspiel zwischen dem ex ante zu ermittelnden geschätzten Auftragswert und dem im Vergabewettbewerb zu ermittelnden angemessenen Preis s bereits oben Pkt I.D. sowie unten Pkt V.A.6.).
78
V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG A. Grundsätze des Vergabeverfahrens Das BVergG enthält in § 19 allgemein gefasste Grundsätze des Vergabeverfahrens für Auftragsvergaben ober- und unterhalb der Schwellenwerte. Schlagwortartig lassen sich diese wie folgt zusammenfassen: x Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und des Diskriminierungsverbots, x freier, fairer und lauterer Wettbewerb, x Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter. (Zur Unterscheidung zwischen Bietern und Bewerbern s § 2 Z 12 und 13 BVergG. Soweit im Folgenden nicht näher zwischen Bietern und Bewerbern differenziert wird, wird der Begriff „Bieter“ als Oberbegriff verwendet.)
Diese Grundsätze, insbesondere der Grundsatz des fairen und gleichen Vergabewettbewerbs, umschreiben das Leitbild der vom BVergG geregelten Vergabeverfahren, auf das letztlich das gesamte Regelungsregime hin ausgerichtet ist. Darüber hinaus kennt § 19 BVergG eine Reihe weiterer Grundsätze, die ihrerseits zu diesem Leitbild in Bezug zu setzen sind: x x x x x
Vergabe an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer, Vergabe zu angemessenen Preisen, tatsächliche Vergabeabsicht des Auftraggebers, Bedachtnahme auf die Umweltgerechtheit der Leistung, Möglichkeit zur Berücksichtigung sozialer Aspekte.
Zusammengefasst sind daher Aufträge über Leistungen nach einem im BVergG vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbots entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu vergeben. Den Grundsätzen des Vergabeverfahrens kommt im System des BVergG besondere Bedeutung zu. Zahlreiche Einzelvorschriften zum Vergabeverfahren lassen sich als Konkretisierung und Ausgestaltung dieser allgemeinen Grundsätze eines fairen und gleichen Vergabewettbewerbs verstehen. Das bedeutet aber auch, dass diese Einzelvorschriften im Lichte der allgemeinen Vergabegrundsätze zu interpretieren sind. Ihnen kommt also wesentliche auslegungssteuernde Funktion zu.
A. Grundsätze des Vergabeverfahrens
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Die Vergabegrundsätze bauen zu einem Großteil auf den entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen – vor allem den primärrechtlichen – Vorgaben bzw deren einschlägiger Konkretisierung durch die Rechtsprechung des EuGH auf. Fairer und gleicher Vergabewettbewerb als allgemeiner Systemgrundsatz Konkrete vergaberechtliche Auslegungsfragen sind vor dem Hintergrund zu beantworten, ob durch die in Rede stehende Maßnahme alle Bieter gleich behandelt werden (und nicht einem oder einzelnen von ihnen ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile entstehen) und ob, auch wenn alle Bieter gleichermaßen betroffen sind, diese Maßnahme nicht unfaire Hindernisse für die Bieter errichtet. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Fehler in einem Angebot einen verbesserungsfähigen Mangel darstellt oder nicht, ist nach der Judikatur des VwGH darauf abzustellen, ob die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbietern durch eine Mängelbehebung materiell verbessert würde (s dazu grundlegend VwGH 25.2.2004, 2003/04/0186). Unter Anwendung dieses Grundsatzes kam das BVA zu dem Ergebnis, dass die bloß fehlende Fertigung eines Angebots an der vom Auftraggeber hierfür vorgesehenen Stelle einen behebbaren Mangel darstellt, sofern der Bieter das Angebot an anderer Stelle gefertigt hat (BVA 26.7.2007, N/0064-BVA/14/ 2007-26). Wenn die einem Verfahren zur Vergabe eines Bauauftrags zugrunde liegenden Ausschreibungsunterlagen in den Bedingungen für den Leistungsvertrag die Regelung enthalten, dass das sogenannte „Baugrundrisiko“ ausschließlich der Auftragnehmer zu tragen hat, ist zu prüfen, ob – auch wenn hier alle Bieter gleichbehandelt werden – eine solche Vertragsklausel nicht eine völlig einseitige Risikoverteilung zu Lasten des Auftragnehmers und somit aus der Sicht der Bieter eine unfaire Beschränkung des Vergabewettbewerbs durch den öffentlichen Auftraggeber darstellt.
1. Freier, fairer und lauterer Wettbewerb Die Grundsätze des freien, fairen und lauteren Wettbewerbs sowie der Gleichbehandlung der Bieter sind bestimmend für den Verlauf des Vergabeverfahrens und für die Vorgehensweise der daran Beteiligten. An ihrem Maßstab sind die Entscheidungen des Auftraggebers und die Verhaltensweisen der Bieter zu bewerten. Angesprochen ist damit sowohl das Verhältnis des Auftraggebers zu den Bietern als auch dasjenige der Bieter untereinander. Freier Wettbewerb bezeichnet den nicht behinderten, also keinen unzulässigen Zugangs- oder Ausübungsbeschränkungen unterliegenden Wettbewerb. Freier Wettbewerb Dem Grundsatz des freien Wettbewerbs würde es etwa widersprechen, den Zugang zu einer Ausschreibung ohne sachliche Rechtfertigung auf gewisse Berufssparten zu beschränken, wenn die Berechtigung zur Erbringung der Leistung auch bei anderen Unternehmen gegeben ist.
80
V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Das Gebot des fairen Wettbewerbs muss im Verhältnis des Auftraggebers zu den Bietern bzw in den Beziehungen der Bieter untereinander verwirklicht sein. Der Auftraggeber hat sich in diesem Sinne bei der Auftragsvergabe auf sachliche und angemessene Forderungen zu beschränken. Der Grundsatz des lauteren Wettbewerbs betrifft schließlich das Verhältnis zwischen den Bietern und richtet sich gegen wettbewerbswidrige Absprachen auf Unternehmerseite. Lauterer Wettbewerb Unlauterer Wettbewerb liegt dann vor, wenn ein Bieter durch Ausnützen seiner marktbeherrschenden Stellung einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu lukrieren sucht. Auch Bieterabsprachen (Preisabsprachen) widersprechen dem Wettbewerbsprinzip und sind daher unzulässig. Ist ein und dieselbe Person sowohl Mitglied des Aufsichtsrats des Auftraggebers als auch Mitglied des Aufsichtsrats eines Bieters, könnte die Sicherstellung eines lauteren Vergabewettbewerbs aufgrund möglicher Interessenkollisionen gefährdet sein. Da die operative Führung einer AG allerdings vom Vorstand und nicht vom Aufsichtsrat wahrgenommen wird und letzterem lediglich die Kontrolle und strategische Grundsatzentscheidungen zukommen, sah das BVA in einem solchen Fall keine Beeinträchtigung des Wettbewerbsgrundsatzes (BVA 6.6.2003, 9N-30/03-9).
Das BVergG sieht spezifische Mechanismen vor, die wettbewerbswidriges Verhalten der Bieter für den konkreten Vergabewettbewerb unterbinden sollen. Zudem stellt es dem Auftraggeber Instrumente zur Verfügung, anhand derer dem Vergabewettbewerb abträgliche Verhaltensweisen der Bieter für das betreffende Vergabeverfahren sanktioniert werden können bzw müssen. Ausscheiden von Angeboten Angebote von Bietern, die mit anderen Bietern wettbewerbswidrige Abreden getroffen haben, dürfen im Vergabeverfahren nicht berücksichtigt werden und sind daher vom Auftraggeber auszuscheiden (§ 129 Z 8 BVergG). Vertiefte Angebotsprüfung Ungewöhnlich niedrige bzw ungewöhnlich hohe oder offensichtlich unangemessene Preise sind vom Auftraggeber einer vertieften Angebotsprüfung zu unterziehen (§ 125 Abs 3 BVergG).
Das Vergaberecht greift im Rahmen des Wettbewerbsprinzips nur gewisse Aspekte des Verhältnisses der Bieter untereinander auf. Das Verhältnis der Unternehmer untereinander ist daher primär eine Frage des allgemeinen Wettbewerbsrechts. Es ist vor allem Aufgabe des Kartellrechts, dafür Sorge zu tragen, dass der Anbieterwettbewerb nicht durch kartellrechtswidrige Vorgehensweisen (Absprachen) unterlaufen wird. Auch die
A. Grundsätze des Vergabeverfahrens
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Teilnahme subventionierter Unternehmen am (Vergabe-) Wettbewerb ist primär eine Frage des Beihilfenrechts und daher keine solche, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Ausschlussgründe in einem Vergabeverfahren zu prüfen hätte (s dazu sogleich).
2. Gleichbehandlungsgebot Das vergaberechtliche Gleichbehandlungsgebot hat seine Wurzeln im gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot, das die Gleichstellung aller Bieter gebietet und die Diskriminierung von Staatsangehörigen der EU gegenüber Inländern untersagt. Auch der verfassungsrechtlich verankerte Gleichheitsgrundsatz wird durch die Bestimmungen des BVergG näher ausgestaltet. Konkretisiert wird das Gleichbehandlungsgebot in zahlreichen Bestimmungen des BVergG, so ua durch das Gebot der neutralen Leistungsbeschreibung, auf deren Grundlage keinem Bieter Wettbewerbsvorteile eingeräumt werden dürfen (§ 96 Abs 3 BVergG) oder durch das Verbot diskriminierender technischer Spezifikationen (§ 98 BVergG). Produktspezifische Ausschreibungen stellen den klassischen Fall einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots dar, weil damit allen anderen Herstellern von vornherein die Möglichkeit genommen wird, mit Aussicht auf Erfolg am Vergabeverfahren teilzunehmen. Die Verwendung von Produktbezeichnungen ist daher nur im Ausnahmefall (wenn die Leistung sonst nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand beschrieben werden kann) und nur unter der Bedingung zulässig, dass durch den ausdrücklichen Zusatz „oder gleichwertig“ klargestellt wird, dass auch andere funktionsäquivalente Produkte die Leistungsanforderung erfüllen (§ 98 Abs 7 BVergG). Unzulässige Produktbezeichnung Handelt es sich bei den zu liefernden Produkten um alltägliche persönliche Gebrauchs- und Verbrauchsgüter, die hinreichend genau in einer allgemein verständlichen Bezeichnung in einer Ausschreibung beschrieben werden können, so stellt der namentliche Verweis auf bisher verwendete Produkte einen Verstoß gegen § 98 BVergG dar (BVA 24.5.2006, N/0025-BVA/04/2006-28). Subventionierte Bieter im Vergabeverfahren Der EuGH hatte die Frage zu beantworten, ob es einem öffentlichen Auftraggeber verwehrt ist, Einrichtungen zum Vergabewettbewerb zuzulassen, deren Kosten zum Teil von einem Mitgliedstaat – gegebenenfalls durch Gewährung von Beihilfen iSv Art 87 EGV – übernommen werden. Es wurde vorgebracht, dass eine Beteiligung von Bietern, die öffentliche Zuwendungen erhalten, zwingend zu einer Ungleichbehandlung und Benachteiligung der nicht subventionierten Bieter im Rahmen der Ermittlung des Bestbieters führt, weil die teilweise Kostentragung durch den Staat den subventionierten Bieter bei der Kalkulation seines Angebots begünstigt. Da in den Vergaberichtlinien keine Bestimmung vorgesehen ist, wonach ein Bieter allein des-
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
halb auszuschließen oder sein Angebot abzulehnen wäre, weil er öffentliche Zuwendungen erhält, kam der EuGH aber zum Schluss, dass das Gleichbehandlungsgebot durch Zulassung einer subventionierten Einrichtung zum Vergabeverfahren nicht verletzt wird, mag diese auch öffentliche Zuwendungen erhalten haben, die es ihr ermöglichen, erheblich unter den Preisen ihrer Mitbewerber anzubieten (Rs C-94/99, ARGE Gewässerschutz, Slg 2000, I-11037). Dies überzeugt, wenn man darauf abstellt, dass das Beihilfenrecht die Frage entscheidet, ob der Staat rechtmäßigerweise einem Unternehmen eine Förderung zu Teil werden lassen darf. Fällt die Entscheidung positiv aus, dann soll das Unternehmen aber am Markt wie alle anderen teilnehmen können. Die Wettbewerbsgleichheit ist nach diesem Verständnis im Beihilfeverfahren sicherzustellen.
3. Transparenzgebot Dem Diskriminierungsverbot bzw dem Gleichbehandlungsgebot entnimmt die Rechtsprechung ein Gebot zur Transparenz, das dem gesamten Vergaberecht zu Grunde liegt (zum gemeinschaftsrechtlichen Transparenzgrundsatz s bereits oben Pkt II.B.). Der Auftraggeber hat einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit zugunsten potentieller Bieter herzustellen, der den Markt dem Wettbewerb öffnet und eine objektive Nachprüfung ermöglicht. Transparenz ist die Voraussetzung von Wettbewerb. Indem ein angemessener Grad an Öffentlichkeit hergestellt wird, wird nicht nur ein größerer Interessentenkreis angesprochen, es wird ganz allgemein das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens gefördert und die Grundlage für eine objektive Nachprüfbarkeit des Vergabevorgangs geschaffen. Ausgestaltet wird das Transparenzgebot zunächst durch eine Vielzahl von Bekanntmachungsvorschriften (s dazu unten Pkt V.D.1.). Das Transparenzgebot soll aber insbesondere auch sicherstellen, dass die „Spielregeln“ in einem Vergabeverfahren am Anfang feststehen und den Bietern auch bekannt sind. Damit will das BVergG eine seiner wesentlichen Zielsetzungen erreichen, nämlich Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass der Auftraggeber erst in Kenntnis der konkreten Angebote Bedingungen oder Beurteilungskriterien festsetzt oder diese abändert und so in die Lage versetzt wird, sich den von ihm „gewünschten“ Bieter auszusuchen. Transparenzgebot Der Auftraggeber hat es unterlassen, den Bietern in einem Verhandlungsverfahren bekannt zu geben, inwieweit der nachgefragten Leistung Granit- oder Kalkstein zu Grunde zu legen ist. Damit hat er gegen das Transparenzgebot verstoßen, denn es stünde ihm insbesondere frei, den jeweils gewünschten Zuschlagsempfänger durch entsprechende (Um-) Gestaltung des Leistungsverzeichnisses frei zu wählen (BVA 2.10.2003, 16N-74/03-21).
A. Grundsätze des Vergabeverfahrens
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Durch Offenlegung der Zuschlagskriterien und ihrer relativen Bedeutung zueinander wird auch sichergestellt, dass der Auftraggeber, wenn er sich für einen „Qualitätswettbewerb“ entscheidet, nicht unter dem Eindruck eines äußerst preisgünstigen Angebots „das System wechselt“ und bei der Zuschlagsentscheidung ausschließlich auf den Preis und damit das Billigstbieterprinzip abstellt.
4. Vorarbeiten Als besondere Ausprägung des Grundsatzes eines fairen und lauteren Vergabeverfahrens ist die Bestimmung des § 20 Abs 5 BVergG hinsichtlich der Durchführung von Vorarbeiten zu verstehen: Unternehmer, die an der Erarbeitung der Unterlagen für das Vergabeverfahren mittelbar oder unmittelbar beteiligt waren sowie mit diesen verbundene Unternehmen sind von der Teilnahme am Vergabeverfahren um die Leistung auszuschließen, soweit durch ihre Teilnahme ein fairer und lauterer Wettbewerb ausgeschlossen wäre. Beteiligung an der Erarbeitung von Unterlagen Als Beteiligung an der Erarbeitung von Unterlagen sind neben der unmittelbaren Mitwirkung an der Ausarbeitung der Ausschreibungsunterlagen bzw des Leistungsverzeichnisses auch Erkundungsarbeiten, Pilotversuche oder die Erstellung von Detailplanungen zur Vorbereitung eines Vergabeverfahrens anzusehen.
Vergaberechtlich problematisch ist die Mitarbeit an der Erarbeitung von Unterlagen für das Vergabeverfahren vor allem deshalb, weil der Unternehmer durch seine vorbereitende Tätigkeit spezifische Vorkenntnisse des Sachverhalts erwerben kann, die ihn gegebenenfalls im späteren Vergabeverfahren von einem Wissens- oder Zeitvorsprung und damit von einem Wettbewerbsvorteil den anderen Bietern gegenüber profitieren lassen. Nicht jede Beteiligung eines Unternehmens an Vorarbeiten muss allerdings zwingend zum Ausschluss vom Vergabeverfahren führen. Zum einen kommt es darauf an, ob eine solche Beteiligung tatsächlich einen (relevanten) Wettbewerbsvorsprung bewirkt, was unter Berücksichtigung von Art und Gegenstand des zur Vergabe stehenden Auftrags zu beurteilen ist. Wettbewerbsvorsprung – kein kategorischer Ausschluss Marginale Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch die Beteiligung an Vorarbeiten werden den Materialien zum BVergG zufolge von der Regelung des § 20 Abs 5 toleriert. Da aber jedenfalls auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls und den tatsächlich entstandenen Wettbewerbsvorteil abzustellen ist, ist ein kategorischer Ausschluss von an Vorarbeiten beteiligten Bietern unzulässig (vgl VfSlg 16.211/2001).
84
V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Der EuGH hat in seinem Urteil in der Rs C-21/03 ua, Fabricom, Slg 2005, I-1559, Rz 36, ausgesprochen, dass einem Unternehmer, der an Vorarbeiten beteiligt war, jedenfalls die Möglichkeit gegeben werden muss, darzulegen, dass nach den Umständen des Einzelfalls die von ihm erworbene Erfahrung den Wettbewerb nicht verfälschen konnte. Zwar erfordere der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht, dass das vorarbeitende Unternehmen wie die anderen Bieter zu behandeln sei; ein genereller Ausschluss von an Vorarbeiten beteiligten Bietern gehe aber über das hinaus, was zum Erreichen des Zieles der Gleichbehandlung aller Bieter erforderlich ist
Kann der Wissens- oder Zeitvorsprung des an Vorarbeiten beteiligten Bieters im Verhältnis zu den anderen Bietern ausgeglichen werden (zB durch Weitergabe der relevanten Informationen an alle Bieter und durch entsprechende Verlängerung der Angebotsfrist) und damit die Gleichheit der Wettbewerbschancen der Bieter wiederhergestellt werden, entfällt auch die Notwendigkeit des Ausschlusses vom Vergabeverfahren. Zum anderen ist das Absehen vom Ausschluss vom Vergabeverfahren jedenfalls dann zulässig, wenn auf die Beteiligung des vorarbeitenden Unternehmers in begründeten Ausnahmefällen nicht verzichtet werden kann. Ein solcher „begründeter Ausnahmefall“ kann vorliegen, wenn die Teilnahme des vorarbeitenden Bieters am Vergabeverfahren notwendig ist, um überhaupt einen Vergabewettbewerb zu ermöglichen.
„Begründeter Ausnahmefall“ Das BVA verneinte das Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalls bei fünf in einem zweistufigen Vergabeverfahren für die zweite Stufe ausgewählten Bietern (BVA 18.8.2000, N-40/00-20 ua). In einem zweistufigen Vergabeverfahren, in dem von sechs Teilnahmeanträgen nur zwei Unternehmer eine hinreichende Expertise aufweisen konnten, bejahte das BVA das Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalls und ließ jenes Unternehmen, das durch Leistung von Vorarbeiten gewisse Vorteile gewonnen hatte, zur Teilnahme am weiteren Vergabeverfahren zu, da auf die Teilnahme dieses Unternehmens „im Sinne des geforderten Wettbewerbes nicht verzichtet“ werden konnte (BVA 12.12.2003, 4N-107/03-38).
5. Vergabe an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer Der Auftragnehmer muss im Sinne des Grundsatzes der Vergabe an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zur Leistungserbringung nicht nur berechtigt, sondern auch wirtschaftlich und technisch leistungsfähig und zuverlässig sein. Angebote, die diese Kriterien nicht erfüllen, sind im Zuge der Eignungsprüfung (s dazu unten Pkt V.D.5.) auszuscheiden.
A. Grundsätze des Vergabeverfahrens
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Mangelnde Befugnis Einem Unternehmer darf kein öffentlicher Bauauftrag erteilt werden, wenn er nicht über die notwendige Gewerbeberechtigung für das Baumeistergewerbe verfügt. Mangelnde wirtschaftliche und mangelnde technische Leistungsfähigkeit Einem befugten Baumeister, der in den letzten fünf Jahren im Wohnbaubereich und dort ganz überwiegend mit dem Bau von Einfamilienhäusern beschäftigt war und dessen Unternehmen einen durchschnittlichen jährlichen Umsatz von 3,5 Mio EUR aufweist, darf kein Auftrag zum Bau eines Eisenbahntunnels oder einer Donaubrücke mit einem diesen jährlichen Umsatz um ein Vielfaches übersteigenden Auftragswert erteilt werden.
6. Vergabe zu angemessenen Preisen Auch der Grundsatz der Vergabe zu angemessenen Preisen dient der Gewährleistung effektiven Wettbewerbs. Die Angemessenheit des Preises soll Ausdruck der am relevanten Markt bestehenden Verhältnisse sein. Solange das Verhältnis zwischen Preis und Leistung nicht ungewöhnlich ist, ist von der Angemessenheit des Preises auszugehen. Werden die Regelungen des Vergaberechts eingehalten, streitet für das Ergebnis des Vergabeverfahrens die Richtigkeitsgewähr des Vergabewettbewerbs. Die Preisangemessenheit ist somit mehr ein prozeduraler, denn ein materieller Begriff. Konkretisiert wird der Grundsatz der Preisangemessenheit in den §§ 123 Abs 2 Z 4 bzw 125 BVergG. Diesen Bestimmungen zu Folge sind die eingelangten Angebote auf ihre Preisangemessenheit zu prüfen. Dabei hat der Auftraggeber von vergleichbaren Erfahrungswerten, von den vorliegenden Unterlagen und den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen. Weisen die geprüften Angebote im Verhältnis zur Leistung ungewöhnliche Preise auf, sind sie einer vertieften Angebotsprüfung zu unterziehen (s dazu noch unten Pkt V.D.6.a.).
7. Tatsächliche Absicht zur Auftragsvergabe Als weiteren Vergabegrundsatz enthält § 19 Abs 4 BVergG das Gebot, Vergabeverfahren nur durchzuführen, wenn tatsächlich die Absicht zur Auftragsvergabe besteht. Dem Auftraggeber ist es demnach insbesondere untersagt, ein Vergabeverfahren zum bloßen Zweck durchzuführen, die Marktlage bzw das Preisniveau für die gewünschte Leistung zu erkunden oder Lösungsvorschläge von interessierten Unternehmern einzuholen.
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Unzulässige Markterkundung ohne Vergabeabsicht Ein öffentlicher Auftraggeber schreibt die Vergabe eines Bauauftrags aus, obwohl er eigentlich nur wissen möchte, wie sehr ein ihm aus einer anderen Ausschreibung vorliegendes Angebot von der derzeitigen Preissituation in der Bauwirtschaft abweicht. Konkretisierter Leistungsumfang Ein nur allgemein gefasster, in den Ausschreibungsunterlagen sehr vage und unscharf dargelegter Wille zur Durchführung von Revitalisierungsmaßnahmen ohne endgültige Vorstellung über die konkret zu beziehende Leistung widerspricht dem Grundsatz der tatsächlichen Vergabeabsicht (BVA 3.4.2003, 10F-14/02-25).
Der Grundsatz der Leistungsvergabe beinhaltet aber nicht nur ein subjektives Wollenselement, sondern auch die objektive Möglichkeit, das beabsichtigte Vergabeverfahren tatsächlich durchzuführen. Der Auftraggeber muss demnach auch Vorsorge für die technische und finanzielle Abwicklung treffen (so RV 1171 BlgNR 22. GP 39), also insbesondere die budgetäre und personelle Deckung für die Projektdurchführung sicherstellen; andernfalls hat er die Einleitung des Vergabeverfahrens zu unterlassen. Der Auftraggeber ist aber nicht verpflichtet, ein begonnenes Vergabeverfahren zwingend durch Zuschlag zu beenden (kein „Zwang zum Zuschlag“; in diesem Sinne die st Rechtsprechung des EuGH, zB Rs C-244/02, Kauppatalo Hansel Oy, Slg 2003, I-12139, Rz 24). Das Verfahren kann auch mit einem Widerruf enden, also ergebnislos abgebrochen werden. Die schuldhafte Verwirklichung eines Widerrufsgrundes durch den Auftraggeber hat aber im Regelfall schadenersatzrechtliche Konsequenzen (s dazu Pkt V.D.8.). Widerruf – unverbindliche Markterkundung Zwar ist ein Widerruf bei einem nachträglichen und unvorhergesehenen Wegfall der budgetären Deckung oder bei einem durch überhöhte Angebotspreise bewirkten Überschreiten des vorgesehenen, anhand sorgfältiger Auftragswertschätzung ermittelten Kostenrahmens als vergaberechtlich zulässig anzusehen (VwGH 26.6.2001, 2001/04/0106; B-VKK 27.1.1997, S-4/97). Ein Auftraggeber, der nur unverbindlich den Markt erkunden will und sich im Rahmen eines Vergabeverfahrens Lösungsvorschläge oder Preisvergleiche erhofft, dem es also an der Vergabeabsicht mangelt, wird hingegen, wenn er das Vergabeverfahren aus diesem Grund widerruft, im Allgemeinen den Bietern gegenüber schadenersatzpflichtig werden.
8. Berücksichtigung „vergabefremder“ Kriterien Im Zuge öffentlicher Beschaffungsvorhaben dürfen – dem Gedanken der wirtschaftlichen Effizienz verpflichtet – grundsätzlich nur solche Kriterien
A. Grundsätze des Vergabeverfahrens
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eine Rolle spielen, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Auftrag stehen und die Auswahl des wirtschaftlich günstigsten Angebots nach betriebswirtschaftlichen Effizienzgesichtspunkten ermöglichen. Das Vergaberecht sieht allerdings Durchbrechungen von diesem marktwirtschaftlichen Konzept des Vergabeverfahrens vor und ermöglicht es den Auftraggebern, auch andere als rein ökonomische Belange zu verfolgen. Diese „anderen“ (nicht reinwirtschaftlichen) Aspekte werden im Allgemeinen als Sekundärzwecke der Vergabe oder vergabefremde Kriterien (weil nicht mit dem Auftragsgegenstand in unmittelbarem Zusammenhang stehend) bezeichnet. Das BVergG enthält mehrere Bestimmungen, die auf die Einbeziehung von Sekundärzwecken in den Beschaffungsvorgang Bezug nehmen, wobei zwischen den verfolgten Zielen differenziert wird und im Hinblick darauf wiederum unterschiedliche Regelungen zum Tragen kommen. Die zentralen Bestimmungen für die Möglichkeit zur Berücksichtigung vergabefremder Kriterien im Rahmen öffentlicher Auftragsvergaben bilden § 19 Abs 5 und 6 BVergG, die im Wesentlichen zwischen der Berücksichtigung ökologischer und sozialer Belange unterscheiden und in zahlreichen weiteren Bestimmungen näher konkretisiert werden. Gemäß § 19 Abs 5 BVergG hat der Auftraggeber im Vergabeverfahren auf die Umweltgerechtheit der Leistung Bedacht zu nehmen. Demgegenüber ist er gemäß § 19 Abs 6 BVergG zur Berücksichtigung sozialpolitischer Belange (Beschäftigung von Frauen, von Personen im Ausbildungsverhältnis, von Langzeitarbeitslosen, von Menschen mit Behinderung und älteren Arbeitnehmern etc) ausdrücklich nur berechtigt, nicht jedoch verpflichtet. Bedachtnahme auf die Umweltgerechtheit der Leistung Die Berücksichtigung von Umweltschutzgesichtspunkten (Schadstoffausstoß, Fahrlärm) als Zuschlagskriterien ist bei der Anschaffung von Bussen zulässig (EuGH Rs C-513/99, Concordia Bus, Slg 2002, I-7213).
Ungeachtet dessen, ob im Einzelnen auf ein Umwelt- oder auf ein Sozialkriterium abgestellt werden soll, bedarf die Einbeziehung vergabefremder Kriterien einer entsprechenden Festlegung des Auftraggebers zu Beginn des Vergabeverfahrens, also in der Bekanntmachung bzw der Ausschreibung (ĺ Transparenzgebot). Bei der Anwendung der von ihm festgelegten Kriterien hat der Auftraggeber zudem auf die Gleichbehandlung aller Bieter und Bewerber Bedacht zu nehmen, insbesondere darf der freie und lautere Vergabewettbewerb nicht beeinträchtigt werden. Im Laufe eines Vergabeverfahrens kommen verschiedene Stadien in Betracht, die prinzipiell für eine Berücksichtigung vergabefremder Aspekte Bedeutung gewinnen können. Dem chronologischen Ablauf eines Vergabeverfahrens folgend zählen dazu die Bestimmung des Leistungsgegenstandes, die Leistungsbeschreibung und die Festlegung der techni-
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
schen Spezifikationen, die Berücksichtigung im Rahmen der Ausschlussgründe und bei der Festlegung der Eignungskriterien, die Festlegung der Zuschlagskriterien sowie die Festlegung von Bedingungen für den Leistungsvertrag. (Diese Aufzählung geht über den Katalog des § 19 Abs 5 bzw 6 BVergG hinaus, dem offenbar demonstrativer Charakter zukommen soll [arg „insbesondere“].) Konkretisierungen des § 19 Abs 5 und 6 BVergG ZB § 96 Abs 4 BVergG: In der Leistungsbeschreibung ist gegebenenfalls die Spezifikation für umweltgerechte Produkte und umweltgerechte Verfahren anzugeben. ZB § 99 Abs 1 Z 13 BVergG: Festlegungen von frauen-, behinderten-, sozialund beschäftigungspolitischen sowie ökologischen Bedingungen für den Leistungsvertrag sind möglich.
Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen vergabefremde Aspekte nur soweit berücksichtigt werden, als x sie mit dem konkreten Auftragsgegenstand zusammenhängen, x das Diskriminierungsverbot und die wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts Beachtung finden und x dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit eingeräumt wird. Als wesentliche Eckpunkte der Judikatur des EuGH zur Frage der Zulässigkeit vergabefremder Kriterien können die Urteile Rs 31/87, Beentjes (Slg 1988, 4635), Rs C-225/98, Nord-Pas-de-Calais (Slg 2000, I-7445), Rs C-513/99, Concordia Bus (Slg 2002, I-7213) sowie Rs C-448/01, EVN und Wienstrom (Slg 2003, I-14527) genannt werden, wobei zu konstatieren ist, dass sich in der Rechtsprechung des EuGH zur Reichweite der Zulässigkeit vergabefremder Kriterien – insbesondere auch zur Frage, inwieweit die von ihm entwickelten Kriterien gleichermaßen auf ökologische wie auf soziale Aspekte zutreffen – (noch) keine eindeutige Linie entwickelt hat. Soweit der EuGH darauf abstellt, dass nur auftragsbezogene Kriterien (also Kriterien, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Auftrag stehen) eine objektive und nichtdiskriminierende Auswahl des wirtschaftlich und technisch günstigsten Angebots sicherstellen können, ist davon auszugehen, dass sozialpolitische Zielsetzungen, die typischer Weise Eigenschaften des Unternehmens, nicht hingegen des Auftragsgegenstandes zum Gegenstand haben, nach der derzeit geltenden Rechtslage im Vergabeverfahren nur in eingeschränktem Ausmaß Berücksichtigung finden dürfen. Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand Als nicht mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängend qualifizierte der EuGH ein Zuschlagskriterium, das sich ausschließlich auf die Menge an Strom aus erneuerbaren Energieträgern bezog, die den im Rahmen des ausgeschriebenen Auftrags zu erwartenden jährlichen Verbrauch übersteigt (Rs C-448/01, EVN und Wienstrom, Slg 2003, I-14527).
B. Arten und Wahl der Vergabeverfahren
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Auftraggeber sind darüber hinaus gemäß § 21 BVergG berechtigt, bestimmte Aufträge geschützten Werkstätten oder integrativen Betrieben vorzubehalten. Bekanntmachungen haben auf diese Einschränkung hinzuweisen.
B. Arten und Wahl der Vergabeverfahren 1. Vergabeverfahrensarten Der Auftraggeber kann sich einer Reihe von Verfahrensarten bedienen, um den Unternehmer zu ermitteln, der die gewünschte Leistung erbringen soll. Das BVergG enthält detaillierte Regelungen, wann welches Vergabeverfahren gewählt werden kann. Ganz grundsätzlich stehen dem Auftraggeber das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren, die Rahmenvereinbarung, das dynamische Beschaffungssystem, der wettbewerbliche Dialog und die Direktvergabe zur Verfügung (§ 25 Abs 1 BVergG). In Kombination mit anderen Verfahren kann der Auftraggeber zur Ermittlung des Angebots, dem der Zuschlag erteilt werden soll, auch die elektronische Auktion heranziehen. Die Aufzählung der Vergabeverfahrensarten ist insofern als abschließend zu betrachten, als sich der Auftraggeber bei der Auftragsvergabe immer eines der genannten Vergabeverfahren bedienen muss (numerus clausus möglicher Verfahrensarten), ohne dabei die einzelnen Vergabeverfahrensarten zu vermischen (ĺ Typenzwang). Insbesondere ist es nicht zulässig, während eines laufenden Verfahrens zwischen den verschiedenen Verfahren zu wechseln. Das Verfahren muss in der zu Beginn gewählten Form beendet werden. Erweist sich diese als ungeeignet, hat der Auftraggeber das Vergabeverfahren zu widerrufen (und den Auftrag gegebenenfalls – in anderer Form – neu auszuschreiben).
2. Ein- und zweistufige Vergabeverfahren Die einzelnen Vergabeverfahrensarten unterscheiden sich vor allem in ihrem Ablauf sowie in der Methode zur Bestimmung des Bieterkreises. Anhand ihrer Grundstruktur wird im Allgemeinen zwischen ein- und zweistufigen Vergabeverfahren unterschieden. Als einstufige Vergabeverfahren werden jene Verfahren bezeichnet, die mit der an einen unbestimmten Interessentenkreis adressierten Einladung des Auftraggebers zur Erstellung von Angeboten beginnen. Interessierte Unternehmer haben zusammen mit ihrem Angebot alle zusätzlich geforderten Unterlagen, insbesondere auch die für die Eignungsprüfung erforderlichen Nachweise vorzulegen. Nach Angebotsöffnung prüft der Auftraggeber zunächst die Eignung des jeweiligen Bieters. Nur die Angebote der als geeignet befundenen Bieter werden in
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
weiterer Folge auf ihren Inhalt hin beurteilt. Obwohl Eignungsprüfung und Angebotsbewertung zumeist zeitlich zusammenfallen, bleiben sie doch zwei getrennte Vorgänge, die nach Maßgabe jeweils eigener Prüfkriterien erfolgen. Schließlich trifft der Auftraggeber die Entscheidung darüber, welcher Bieter den Zuschlag erhalten soll (ĺ Zuschlagsentscheidung). Abgeschlossen wird das Vergabeverfahren durch die Zuschlagserteilung, die den privatrechtlichen Vertragsschluss mit dem ausgewählten Bieter bewirkt. Da der Auftraggeber im Rahmen einstufiger Vergabeverfahren keine Vorauswahl trifft, wen er zur Angebotsabgabe auffordert, findet im Wesentlichen nur eine „Auswahlentscheidung“ statt, nämlich die Beurteilung, welches Angebot den Zuschlag erhält. Als typisches einstufiges Vergabeverfahren ist das offene Verfahren anzusehen. Vorteile einstufiger Vergabeverfahren Mittels Durchführung eines einstufigen Verfahrens wird eine vergleichsweise rasche und einfache Abwicklung des Vergabeverfahrens ermöglicht. Einstufige Verfahren eignen sich daher in besonderem Maße für Auftragsvergaben, deren Anforderungen es nicht erforderlich machen, den Kreis der Unternehmer bereits vorab einzuschränken.
In einem zweistufigen Vergabeverfahren wird zunächst ein – grundsätzlich unbeschränkter – Interessentenkreis zur Abgabe von Teilnahmeanträgen aufgefordert. Auf der ersten Verfahrensstufe wird die Eignung der Bewerber (= diejenigen Unternehmer, die einen Teilnahmeantrag gestellt haben) geprüft. Dies erfolgt anhand von Eignungskriterien, die die vom Auftraggeber definierten Mindestanforderungen darstellen, sowie gegebenenfalls anhand von Auswahlkriterien. Letztere sind einer vergleichenden Wertung zugänglich und schränken den Teilnehmerkreis zusätzlich anhand von objektiven, unternehmensbezogenen Merkmalen ein. An die vom Auftraggeber als geeignet qualifizierten und entsprechend ausgewählten Bewerber ergeht auf der zweiten Verfahrensstufe die Aufforderung zur Angebotsabgabe. Nach deren Einlangen werden die Angebote der Bieter (sobald ein Bewerber ein Angebot abgegeben hat, wird er als Bieter bezeichnet, s § 2 Z 13 BVergG) vom Auftraggeber geprüft, der in weiterer Folge die Zuschlagsentscheidung trifft und den Zuschlag erteilt. Im Rahmen zweistufiger Vergabeverfahren kann der Auftraggeber sohin bereits auf Ebene der Eignungsprüfung eine Auswahlentscheidung treffen, die dazu dient, den Kreis der Bewerber bereits vor Angebotslegung einzugrenzen: nur die vom Auftraggeber als besonders geeignet erkannten Bewerber werden dann für das weitere Verfahren und die Angebotserstellung zugelassen.
B. Arten und Wahl der Vergabeverfahren
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Zu den zweistufigen Vergabeverfahren zählen das nicht offene Verfahren mit Bekanntmachung sowie das Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung.
Vorteile zweistufiger Vergabeverfahren Im Wege eines zweistufigen Vergabeverfahrens wird es ermöglicht, den Anforderungen komplexer Beschaffungsvorhaben adäquat zu begegnen. Damit steigt aber auch der zeit- und kostenmäßige Aufwand für die Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens
3. Offenes Verfahren Das offene Verfahren kann als das prototypische Vergabeverfahren angesehen werden. Im offenen Verfahren hat der Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufzufordern. Es steht jedem potenziell interessierten Unternehmer frei, mittels Erstellung eines Angebots am Verfahren teilzunehmen; der Zugang zum offenen Verfahren darf vom Auftraggeber nicht beschränkt werden. Dadurch wird ein hoher Grad an Transparenz und Wettbewerb hergestellt. Anzahl und Namen der Unternehmer, die ein Angebot gelegt haben, sind bis zur Angebotsöffnung geheim zu halten (§ 117 Abs 2 BVergG). Die Angebotsöffnung erfolgt kommissionell an einem vorab festgesetzten Ort, zu einem festgelegten Zeitpunkt (§ 118 Abs 1 BVergG). Die Bieter sind berechtigt, an der Angebotsöffnung teilzunehmen. Wesentliche Angebotsinhalte (dazu zählen vor allem Angaben zum Bieter und die Gesamtpreise der Angebote) werden verlesen und in eine Niederschrift aufgenommen. Die im Verfahren als Konkurrenten auftretenden Unternehmer wissen daher bereits aufgrund der Angebotsöffnung um die preisliche Position ihres Angebots im Wettbewerb mit den anderen Bietern. Auf diesem Weg wird eine zusätzliche Kontrolle des Vergabeverfahrens durch die Bieter hergestellt, zumal das Preiskriterium im offenen Verfahren eine oft dominante Rolle spielt.
Der Auftraggeber darf im offenen Verfahren nicht mit dem Bieter über eine Angebotsänderung verhandeln (ĺ Verhandlungsverbot, § 101 Abs 4 BVergG). Aufklärungsgespräche zur Einholung von Auskünften über die wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit sowie Auskünfte, die zur Prüfung der Preisangemessenheit und Gleichwertigkeit von Alternativangeboten erforderlich sind, widersprechen dem Verhandlungsgebot für sich nicht und sind daher grundsätzlich zulässig, sofern sie nicht zu einer inhaltlichen Änderung des Angebots führen.
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Verhandlungsverbot Ausschreibungsbestimmungen, die den Bieter zur Weitergabe von nach Angebotsöffnung, aber vor Zuschlagserteilung erfolgten Preisreduktionen der Hersteller oder Vertriebsfirmen verpflichten, verletzen das Verhandlungsverbot und bewirken die Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens (BVA 16.11.1999, N-22/98-22, F-16/98-10).
Die Bieter sind innerhalb der – mit Ablauf der Angebotsfrist beginnenden – Zuschlagsfrist an ihr Angebot gebunden und insbesondere nicht (mehr) berechtigt, dieses inhaltlich zu verändern (e contrario § 106 Abs 8 BVergG). So soll sichergestellt werden, dass keinem Bieter unsachliche Vorteile in Bezug auf die Erteilung des Zuschlags zukommen und dass der Zuschlag einem Angebot erteilt wird, das – mit diesem Inhalt – schon bei der Angebotsöffnung bestanden hat. Das offene Verfahren ist im BVergG – neben dem nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung – als Regelverfahren konzipiert, dessen Wahl sowohl oberhalb als auch unterhalb der Schwellenwerte uneingeschränkt möglich ist. Der Auftraggeber kann sohin – je nach dem, welches Verfahren sich in der konkreten Situation für ihn als vorteilhaft erweist – frei zwischen dem offenen Verfahren und dem nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung wählen (§ 27 BVergG). Wahl und Vor-/Nachteile des offenen Verfahrens Das offene Verfahren hat aufgrund seiner einstufigen, vergleichsweise „anwenderfreundlichen“ Ausgestaltung in der Praxis große Bedeutung erlangt. Die Wahl des offenen Verfahrens bietet sich vor allem dann an, wenn keine besonderen Gründe für eine notwendige Vorauswahl von Bewerbern sprechen und die Leistung von vornherein so eindeutig beschrieben werden kann, dass die Angebote vergleichbar sind und unmittelbar durch Zuschlag ein Leistungsvertrag zustande kommen kann. Eine „Vorauswahl“ kann etwa dann notwendig sein, wenn die Angebotsunterlagen wegen eines allenfalls sensiblen Inhalts nicht jedem Bewerber zur Verfügung gestellt werden sollen (zB Übersiedlung der Notenbank einschließlich der Druckvorrichtungen für Banknoten) oder weil nicht ein Angebotsprüfungsverfahren mit einer von vornherein unbegrenzten Anzahl von Bietern durchgeführt werden soll, da der Aufwand des Angebotsprüfungsverfahrens hoch ist und bei einer großen Zahl der zu prüfenden Angebote wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll wäre.
4. Nicht offenes Verfahren Im nicht offenen Verfahren werden zunächst Unternehmer zur Teilnahme am Vergabeverfahren eingeladen. Im Rahmen des auf erster Stufe stattfindenden Teilnahmewettbewerbs prüft der Auftraggeber die Eig-
B. Arten und Wahl der Vergabeverfahren
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nung der Bewerber. Aus dem Kreis der geeigneten Bewerber wird sodann eine beschränkte Anzahl an Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert. Je nach dem, ob sich der Auftraggeber im Zuge der Einladung zur Teilnahme am nicht offenen Verfahren an einen unbeschränkten oder einen beschränkten Interessentenkreis wendet, wird zwischen dem nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung (§ 25 Abs 3 BVergG) und dem nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung (§ 25 Abs 4 BVergG) unterschieden. a) Nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung Im Rahmen des nicht offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung fordert der Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern mittels Bekanntmachung öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Die Anträge auf Teilnahme am Verfahren sind innerhalb einer bestimmten Frist (ĺ Teilnahmefrist; §§ 59, 64 BVergG) zu stellen. Die Anzahl der zur Angebotsabgabe einzuladenden Bewerber, die der Auftraggeber entsprechend der nachgefragten Leistung bestimmt, wird in der Bekanntmachung angegeben. Die festgelegte Anzahl muss geeignet sein, einen echten Wettbewerb zu gewährleisten, darf jedoch nicht unter fünf liegen (§ 103 Abs 6 BVergG). Wird nach Prüfung der Eignung der Bewerber die vorgesehene Teilnehmerzahl überschritten, wählt der Auftraggeber unter den geeigneten Bewerbern anhand von Auswahlkriterien die besten Bewerber aus (§ 103 Abs 7 BVergG). Bei diesen handelt es sich um unternehmensbezogene Kriterien, mit denen die Qualität der Bewerber beurteilt wird und die vom Auftraggeber in der Reihenfolge ihrer Bedeutung im Vorhinein festzulegen sind (§ 2 Z 20 lit a BVergG). Im Unterschied zu Eignungskriterien sind Auswahlkriterien keine absoluten (Ausschluss-) Kriterien, sondern lassen eine qualitativ-quantitative Wertung iSv „besser qualifiziert“/„schlechter qualifiziert“ zu. Welche Auswahlkriterien ein Auftraggeber bestimmt, liegt – sofern dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung Rechnung getragen wird und eine Abstimmung mit dem Auftragsgegenstand erfolgt ist – grundsätzlich in seinem Ermessen. Regelmäßig wird eine Bewertung der Referenzen des Bewerbers oder der Ausbildung und Erfahrung seines Personals vorgenommen. Nach der Auswahl der Bewerber hat der Auftraggeber die ausgewählten Bewerber zur Angebotsabgabe einzuladen, womit die zweite Stufe des Verfahrens beginnt. Wahl und Vor-/Nachteile des nicht offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung Aufgrund seiner zweistufigen, komplexen Struktur kommt dem nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Vergleich zum offenen
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Verfahren eine deutlich geringere praktische Bedeutung zu. Dies kann zum Teil darauf zurückgeführt werden, dass die Abhaltung eines Auswahlverfahrens eine vertiefte Kenntnis über die Marktbeschaffenheit voraussetzt. Hingegen kann ein nicht offenes Verfahren mit Bekanntmachung dann als vorzugswürdig angesehen werden, wenn die Durchführung eines offenen Verfahrens im Hinblick auf die Eigenart oder den Wert der Leistung wirtschaftlich nicht vertretbar erscheint (etwa wenn zu viele Angebote einlangen würden und der Prüfaufwand des Auftraggebers in keiner Relation zum Wert des Auftragsgegenstandes stünde).
b) Nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung Beim nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung wird eine beschränkte Anzahl geeigneter Unternehmer unmittelbar zur Abgabe von Angeboten eingeladen. Die Eignungsvoraussetzungen sind vom Auftraggeber vorab (also vor Aufforderung zur Angebotsabgabe) zu prüfen und festzuhalten. Die Auswahl der Unternehmer hat in nicht diskriminierender Weise stattzufinden. Die Anzahl der aufgeforderten Unternehmer darf nicht unter fünf liegen (§ 102 Abs 3 BVergG).
Wahl und Vor-/Nachteile des nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung In Anbetracht der herabgesetzten Transparenz ist die Durchführung eines nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung nur im USB und nur bis zum Erreichen zusätzlicher, strengerer Wertgrenzen erlaubt: Bauaufträge dürfen im nicht offenen Verfahren ohne Bekanntmachung nur bis zu einem geschätzten Auftragswert von EUR 120.000,–, Liefer- und Dienstleistungsaufträge nur bis EUR 80.000,– vergeben werden (§ 37 BVergG).
5. Verhandlungsverfahren Auch beim Verhandlungsverfahren wird zwischen dem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung (§ 25 Abs 5 BVergG) und dem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung unterschieden (§ 25 Abs 6 BVergG). Beim Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung werden, nachdem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen aufgefordert wurde, ausgewählte Bewerber zur Abgabe von Angeboten aufgefordert (§ 103 BVergG). Beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung wird demgegenüber eine beschränkte Anzahl von geeigneten (befugten, leistungsfähigen und zuverlässigen) Unternehmern zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Die Anzahl der einzuladenden Unternehmer ist entsprechend der Leistung festzulegen und darf grundsätzlich nicht unter drei liegen (§ 102 BVergG).
B. Arten und Wahl der Vergabeverfahren
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a) Struktur und Wahl des Verhandlungsverfahrens Charakteristikum des Verhandlungsverfahrens ist, dass der Auftraggeber mit den Bietern über den gesamten Auftragsinhalt, also den Auftragsgegenstand samt den damit verbundenen Bedingungen der Leistungserbringung, verhandelt. Ein explizites Verbot reiner Preisverhandlungen, wie es noch das BVergG 2002 vorsah, kennt das BVergG 2006 nicht (mehr). Die diskriminierende Weitergabe von (Preis-) Informationen, um gewisse Bieter zu begünstigen, ist allerdings rechtswidrig (§ 105 Abs 1 BVergG).
Da das Verhandlungsverfahren keinen einheitlich ausgestalteten Strukturen folgt und ein detaillierter rechtlicher Rahmen weitgehend fehlt, steht es dem Auftraggeber grundsätzlich frei, eine oder mehrere Verhandlungsrunden durchführen. In letzterem Fall werden die Bieter nach jeder Runde zu einer Überarbeitung ihres Angebots aufgefordert und die Verhandlungen auf Grundlage des verbesserten Angebots weitergeführt. Im Verlauf des Verfahrens kann der Auftraggeber auch die Anzahl der Angebote im Wege des sogenannten short-listing anhand eines festgelegten Procederes verringern (§ 105 BVergG). Gerade weil ein durchgehendes Regelungskorsett zu einem guten Teil fehlt – und die Spielräume für Auftraggeber und Bieter dementsprechend größer werden – kommt den allgemeinen Grundsätzen des Vergabeverfahrens für das Verhandlungsverfahren eine besondere Bedeutung zu. Das gilt in erster Linie für den Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz, aber auch für den Wettbewerbsgrundsatz.
Gleichbehandlungsgrundsatz Die Verfahrens- und Verhandlungsführung hat die Chancengleichheit der Bewerber/Bieter zu wahren, insbesondere sind Informationen grundsätzlich an alle Bieter gleichermaßen weiterzugeben. Unzulässig ist demnach jegliche Bevorzugung oder Benachteilung bestimmter Bieter, etwa durch selektive Informationsweitergabe oder verkürzte/verlängerte Ausarbeitungsfristen. Zudem müssen sämtlichen Bietern dieselben Verhandlungsgegenstände zur Verhandlung angeboten werden (vgl BVA 29.4.1998, F-26/97-22). Transparenzgebot Der Auftraggeber hat das Vergabeverfahren für die Bieter durchschaubar und nachvollziehbar zu gestalten und die einzelnen Verfahrensstadien, an deren Ablauf er in weiterer Folge auch gebunden ist, klar und präzise in den Ausschreibungsunterlagen darzustellen.
Das Verhandlungsverfahren ist als Ausnahmeverfahren konzipiert. Nur bei Vorliegen bestimmter, im BVergG abschließend genannter Gründe
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
darf der Auftraggeber vom Verhandlungsverfahren Gebrauch machen. Die Gründe für das Heranziehen des Verhandlungsverfahrens sind nach der st Rechtsprechung des EuGH einschränkend zu verstehen und der Auftraggeber, der sich auf ihr Vorliegen berufen will, hat dies darzulegen (zB Rs C-84/03 ua, Kommission/Spanien, Slg 2005, I-139). Gemäß §§ 28 ff BVergG ist die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens zusammengefasst und vereinfacht nur dann zulässig, x wenn im Rahmen eines bereits durchgeführten offenen oder nicht offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung keine ordnungsgemäßen Angebote abgegeben worden sind, x wenn die Leistung ihrer Natur nach oder wegen der mit der Leistungserbringung verbundenen Risiken eine vorherige globale Preisgestaltung nicht zulässt, x wenn die Leistung aus technischen oder künstlerischen Gründen oder aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Unternehmer ausgeführt werden kann oder x wenn dringliche, zwingende Gründe die Durchführung eines offenen oder nicht offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung nicht zulassen. Globale Preisgestaltung Bei der Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen auf einem Flughafen ist eine globale Preisgestaltung nicht möglich, wenn die Bieter keine festen Preise für ihre Leistung angeben können, weil sie Eventualitäten berücksichtigen müssen, die einen direkten Vergleich unmöglich machen. Im konkreten Fall war daher die Wahl des offenen Verfahrens durch den Auftraggeber unzulässig, da ein Verhandlungsverfahren durchzuführen gewesen wäre (BVA 24.10.2003, 3 N-87/03-20).
Im USB sind zusätzliche Möglichkeiten für die Wahl des Verhandlungsverfahrens vorgesehen (§ 38 BVergG). Wahl und Vor-/Nachteile des Verhandlungsverfahrens Da der Auftragsgegenstand (erst) im Zuge der Verhandlungen mit den Bietern konkretisiert wird und dabei auf die Wünsche des Auftraggebers Bedacht genommen werden kann, bietet sich die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens vor allem dann an, wenn der Leistungsgegenstand vom Auftraggeber nicht ausreichend beschrieben werden kann. Die flexible(re)n Strukturen des Verhandlungsverfahrens bieten Raum für innovative Lösungen der Bieter. Allerdings ist gerade dann, wenn der Auftragsgegenstand nicht umfassend konkretisiert werden kann, besonderer Bedacht auf die Vergleichbarkeit der Angebote zu nehmen, zumal auch für das Verhandlungsverfahren der dem Gleichbehandlungsgebot immanente Grundsatz gilt, dass die Vergabeentscheidung auf einem objektiven Vergleich der Angebote beruhen muss.
B. Arten und Wahl der Vergabeverfahren
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Im konkreten Einzelfall hat der Auftraggeber in aller Regel einen gewissen Spielraum, ob er wegen der mangelnden Beschreibbarkeit der Leistung ein Verhandlungsverfahren wählt, oder sich zB in einem nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung in der zweiten Stufe der Technik einer funktionalen Leistungsbeschreibung bedient. In deren Rahmen wird der Leistungsgegenstand nicht nach der zu erbringenden Teilleistungen in einem Leistungsverzeichnis aufgegliedert, sondern die Leistung wird im Sinne des § 95 Abs 3 BVergG als Aufgabenstellung durch Festlegung von Leistungs- oder Funktionsanforderungen beschrieben (s noch Pkt V.D.2.a.).
b) Exkurs: Geistige Dienstleistungen Das Problem der Vergleichbarkeit von Angeboten stellt sich in besonderer Weise bei der Vergabe von geistigen Dienstleistungen. Darunter sind Dienstleistungen zu verstehen, für die ihrer Art nach zwar eine Zieloder Aufgabenbeschreibung, nicht aber eine vorherige eindeutige und vollständige Leistungsbeschreibung möglich ist (§ 2 Z 18 BVergG). Für die Qualifikation als geistige Dienstleistung kommt es daher im Allgemeinen darauf an, ob der Leistung ein kreatives oder innovatives Element zu Grunde liegt. Geistige Dienstleistungen ZB Planungs- und Forschungsleistungen, Softwareentwicklung (IT-Lösungen), Werbekonzepte, Bauplanungsdienstleistungen etc (s RV 1171 BlgNR 22. GP 15 f). Als geistige Dienstleistungen wurden auch Generalplanerleistungen samt Entwicklung eines Raumkonzepts angesehen, da diese Leistungen komplex sind und gestalterische Eigenleistung verlangen (UVS Bgld 17.12.1998, 85/06/98003).
An die Qualifikation als geistige Dienstleistung knüpfen unterschiedliche Konsequenzen für das Vergabeverfahren, die ihre Ursache im Wesentlichen in der mangelnden Beschreibbarkeit der zu erbringenden Leistung haben. Das gilt in erster Linie für die Leistungsbeschreibung und – aufgrund der Schwierigkeit der Vergleichbarkeit der Angebote – für die Gewichtung der Zuschlagskriterien. Zudem enthält das BVergG Sonderregelungen für die Wahl des Vergabeverfahrens. Jedenfalls ist die Vergabe geistiger Dienstleistungen im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung zulässig (§ 30 Abs 1 Z 3 BVergG).
6. Rahmenvereinbarung Rahmenvereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen einem oder mehreren Auftraggebern und einem oder mehreren Unternehmern, die zum
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Ziel haben, die Bedingungen für Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums (drei, ausnahmsweise fünf Jahre) vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den in Aussicht genommenen Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge (§ 25 Abs 7 BVergG). Nach Durchführung eines „fiktiven“ – weil nicht mit Zuschlags- und damit Auftragserteilung endenden – Vergabeverfahrens wird eine Rahmenvereinbarung mit einem oder mehreren – dann mindestens mit drei – Unternehmern abgeschlossen. Damit wird der Bieterkreis für künftige Einzelaufträge eingeschränkt. „Vergabe“ einer Rahmenvereinbarung Ein Auftraggeber schreibt das Vergabeverfahren „Jahresbauvertrag Tiefbauarbeiten 2004“ als offenes Verfahren im USB mit Rahmenvereinbarung aus (UVS Stmk 3.5.2004, 44.15-2/2004).
Während der Laufzeit der Rahmenvereinbarung sind die an der Rahmenvereinbarung beteiligten Unternehmer an ihr Angebot gebunden. Der Auftraggeber kann auf Basis der in der Rahmenvereinbarung festgelegten Preise, Mengen und Bedingungen Aufträge an den (die) jeweiligen Unternehmer, mit dem/denen eine Rahmenvereinbarung geschlossen wurde, erteilen. Erst diese Leistungsverträge stellen dann die eigentliche Auftragsvergabe dar, für die deutlich erleichterte Bedingungen zum Tragen kommen (§ 152 BVergG). Ein besonderes Merkmal der Rahmenvereinbarung ist, dass der Auftraggeber nicht verpflichtet ist, die Leistungen während der Dauer der Rahmenvereinbarung tatsächlich abzurufen, selbst dann nicht, wenn die Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Unternehmer abgeschlossen wurde (ĺ keine Abnahmeverpflichtung). Wahl und Vor-/Nachteile der Rahmenvereinbarung Mittels Abschluss einer Rahmenvereinbarung kann der Auftraggeber eine Art „Vorselektion“ unter den in Frage kommenden Unternehmern durchführen und den Pool an Interessenten für künftige Auftragsvergaben entsprechend eingrenzen. Der Auftraggeber soll so in die Lage versetzt werden, auch auf Märkten, die stetigen (insbesondere technologischen) Weiterentwicklungen unterworfen sind (zB Beschaffungen im EDV-, Energie- und Telekombereich) seine Leistungen möglichst optimal zu beziehen. Ein zusätzlicher Vorteil ist darin zu sehen, dass während der Laufzeit der Rahmenvereinbarung für den jeweiligen Vertragsschluss vergleichsweise geringe Kosten erwachsen.
Rahmenvereinbarungen können ober- und unterhalb der Schwellenwerte zum Einsatz kommen. Im OSB setzt der Abschluss eines Rahmenvereinbarung voraus, dass der Auftraggeber zuvor ein offenes oder nicht offe-
B. Arten und Wahl der Vergabeverfahren
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nes Verfahren mit Bekanntmachung oder ein Verhandlungsverfahren durchgeführt hat (§ 32 BVergG). Im USB besteht eine zusätzliche Möglichkeit zur Auftragsvergabe auf Grund einer Rahmenvereinbarung (§ 40 BVergG).
7. Dynamisches Beschaffungssystem Das dynamische Beschaffungssystem ähnelt seiner Struktur nach der Rahmenvereinbarung, wird aber im Unterschied dazu ausschließlich auf elektronischem Weg eingerichtet und betrieben und ist während seiner Laufzeit für alle Unternehmer offen, sodass der Eintritt interessierter Unternehmer (als sogenannte Newcomer) grundsätzlich jederzeit möglich ist. Die Einrichtung eines dynamischen Beschaffungssystems erfolgt auf Basis eines „fiktiven“ offenen Verfahrens ohne Zuschlagserteilung (§§ 33, 156 BVergG). Durch öffentliche Bekanntmachung wird eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern zur Abgabe unverbindlicher Erklärungen zur Leistungserbringung aufgefordert. Alle geeigneten Unternehmer, die zulässige Erklärungen zur Leistungserbringung abgegeben haben, werden zur Teilnahme am System, dessen Laufzeit vier Jahre nicht überschreiten darf, zugelassen. Kosten für die Teilnahme dürfen den Unternehmern nicht verrechnet werden. Die eigentliche Leistung wird dann – wiederum auf elektronischem Wege – nach einer gesonderten Aufforderung zur Angebotsabgabe mittels Vergabe eines Einzelauftrags von einem Teilnehmer am System bezogen. Der Zuschlag kann mittels elektronischer Auktion oder anhand vorab vom Auftraggeber definierter Zuschlagskriterien erfolgen. Die Einrichtung eines dynamischen Beschaffungssystems ist – nur nach Durchführung eines offenen Verfahrens – unabhängig vom Auftragswert im OSB und USB zulässig (§ 33 BVergG). Wahl und Vor-/Nachteile des dynamischen Beschaffungssystems Das dynamische Beschaffungssystem darf nur für die Beschaffung marktüblicher Leistungen herangezogen werden, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des Auftraggebers genügen. Das dynamische Beschaffungssystem ist daher insbesondere der Beschaffung geistiger Dienstleistungen unzugänglich.
8. Wettbewerblicher Dialog Beim wettbewerblichen Dialog handelt es sich um ein mehrstufiges Vergabeverfahren, das strukturell als Weiterentwicklung des Verhandlungsverfahrens gesehen werden kann. Während beim Verhandlungsver-
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fahren ausgehend von einer einheitlichen Angebotsunterlage mit allen Bietern verhandelt wird, bietet der wettbewerbliche Dialog die Möglichkeit, in einer sogenannten Dialogphase mit den einzelnen Bietern an jeweils unterschiedlichen Lösungen und damit auf Basis unterschiedlicher Verfahrensunterlagen zu arbeiten. Während im Verhandlungsverfahren am Ende mehrere Angebote zu einer Angebotsunterlage des Auftraggebers miteinander verglichen werden, steht am Ende des wettbewerblichen Dialogs grundsätzlich der Vergleich mehrerer Lösungen und darauf aufbauender Angebote. Der wettbewerbliche Dialog kann vom Auftraggeber dann gewählt werden, wenn besonders komplexe Aufträge vergeben werden oder die Vergabe im Wege eines offenen oder nicht offenen Verfahrens nach Ansicht des Auftraggebers nicht möglich ist (§ 34 BVergG). Als besonders komplex ist ein Auftrag anzusehen, wenn der Auftraggeber objektiv nicht in der Lage ist, die technischen Spezifikationen des Auftragsgegenstandes, mit denen seine Bedürfnisse und Anforderungen erfüllt werden können, oder die rechtlichen oder finanziellen Konditionen des Vorhabens genau zu beschreiben (§ 34 Abs 2 BVergG).
Der wettbewerbliche Dialog untergliedert sich im Wesentlichen in drei Phasen (§§ 160 ff BVergG): 1. In einem ersten Schritt begibt sich der Auftraggeber auf Interessentensuche, indem er eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auffordert. 2. Mit – zumindest drei – anhand der bekannt gemachten Auswahl- und Eignungskriterien ausgewählten Bewerbern tritt der Auftraggeber in die Dialogphase ein, deren Zielsetzung darin liegt, eine oder mehrere den Bedürfnissen und Anforderungen des Auftraggebers entsprechende Lösung(en) zu ermitteln. Während der Dialogphase werden sämtliche Aspekte des Auftrags – sowohl des Leistungsgegenstandes als auch der Bedingungen zur Leistungserbringung – erörtert. Dabei hat der Auftraggeber die einzelnen, von den Teilnehmern erarbeiteten Lösungen vertraulich zu behandeln und darf Informationen nicht in einer andere Teilnehmer begünstigenden Weise weitergeben. Der Dialog ist so lange zu führen, bis eine bzw mehrere geeignete Lösung(en) ermittelt wurden; ist dies nicht möglich, ist der Dialog abzubrechen. Teilnehmer, deren Lösungen nicht weiter berücksichtigt werden, sind hievon unverzüglich zu verständigen. 3. Auf Basis der in der Dialogphase erarbeiteten Lösung(en) fordert der Auftraggeber den oder die verbliebenen Teilnehmer in der dritten Phase auf, ein Angebot zu erstellen. Wesentlich ist, dass die Angebote nur aufgrund der vom jeweiligen Teilnehmer selbst vorgelegten und in der Dialogphase näher ausgeführten Lösung(en) erstellt werden, weshalb die vom Auftraggeber ausgewählten Lösungen den anderen Teilnehmern bei Abschluss der Dialogphase nur in
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Grundzügen bekannt gegeben werden dürfen. Auf Verlangen des Auftraggebers kann der Bieter sein Angebot klarstellen und ergänzen, sofern dies nicht zu einer Änderung der grundlegenden Elemente des Angebots oder der Beschreibung führt, die den Wettbewerb verfälschen oder sich diskriminierend auswirken könnte.
Aus den eingelangten Angeboten hat der Auftraggeber anhand der von ihm festgelegten Zuschlagskriterien das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot auszuwählen. Wahl und Vor-/Nachteile des wettbewerblichen Dialogs Der wettbewerbliche Dialog gibt dem Auftraggeber die Möglichkeit, die Konditionen von Beschaffungsvorhaben, deren technische, finanzielle und rechtliche Anforderungen der Auftraggeber nicht exakt definieren kann, in vertraulich geführten Gesprächen mit den Teilnehmern zu erarbeiten und nur mit jenen Teilnehmern, die eine geeignete Lösung präsentiert haben, in Verhandlungen über die Auftragsvergabe einzutreten. Gerade dies erweist sich aber auch als potentielle Schwäche des wettbewerblichen Dialogs, denn für die teilnehmenden Unternehmer liegt es nahe, die für die Erarbeitung eines Lösungsvorschlags erforderliche Kreativität und Arbeitskraft nur dann zu investieren, wenn sie mit großer Wahrscheinlichkeit den Auftrag auch selbst erhalten oder zumindest sichergestellt ist, dass ihre geistige Leistung nicht von anderen Bietern verwendet wird. Das Interesse des Auftraggebers kann demgegenüber gerade darin bestehen, unterschiedliche Lösungsansätze zu kombinieren und auf diese Weise die Leistungsgestaltung zu optimieren. In diesem Spannungsfeld kommt der Bestimmung des § 161 Abs 4 BVergG wesentliche Bedeutung zu, derzufolge der Auftraggeber auch Teile von Lösungen oder vertrauliche Informationen eines Teilnehmers nur mit dessen Zustimmung an die anderen Teilnehmer des wettbewerblichen Dialogs weitergeben darf.
Die Wahl des wettbewerblichen Dialogs ist – unter den bereits genannten Voraussetzungen (§ 34 BVergG) – ober- und unterhalb der Schwellenwerte zulässig. Im Sektorenbereich ist der wettbewerbliche Dialog nicht vorgesehen. Sektorenauftraggeber können allerdings jederzeit ihre Aufträge in einem Verhandlungsverfahren nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb vergeben (vgl § 194 BVergG), weshalb eine Sonderregelung für besonders komplexe Aufträge nicht als notwendig erachtet wurde (RV 1171 BlgNR 22. GP 109).
9. Direktvergabe Mittels Direktvergabe wird eine Leistung formfrei – also insbesondere ohne Vergleichsangebote einzuholen oder mit mehreren Bietern zu verhandeln – unmittelbar von einem ausgewählten befugten, leistungsfähigen und zuverlässigen Unternehmer gegen Entgelt bezogen (§ 25 Abs 10 BVergG).
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Mit der Möglichkeit, Aufträge direkt vergeben zu können, wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass dem BVergG zwar auch Aufträge im USB zur Gänze (also ab dem „1-Cent-Auftrag“) unterliegen, die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens bei wertmäßig geringfügigen Auftragsvergaben aber in keinerlei ökonomischer Relation zum Wert der Leistung steht und ein aufwendiges Verfahren zur Bestbieterermittlung in diesen Fällen weitgehend ineffizient wäre. Im Wege der Direktvergabe kann die gewünschte Leistung daher (nahezu) ohne Verfahrenskosten und sehr rasch bezogen werden. Aufgrund ihrer Formfreiheit und der dadurch bedingten Anfälligkeit für sachwidrige Einflüsse ist die Direktvergabe allerdings nur bis zum geschätzten Auftragswert von EUR 40.000,– zulässig. Unter bestimmten Umständen können auch gemeinschaftlich kofinanzierte Projekte unterhalb der Schwellenwerte direkt vergeben werden (§ 41 Abs 2 BVergG). Bei einem direkten (ohne vorheriges Vergabeverfahren getätigten) Vertragsschluss mit einem Unternehmer, obwohl die Voraussetzungen für eine Direktvergabe offenkundig nicht gegeben sind, handelt es sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Vergaberecht (ĺ unzulässige Direktvergabe). Da übergangene Unternehmer in der Regel von derartigen Vorgängen keine Kenntnis haben, kommt es zu Rechtsschutzlücken. Aus diesem Grund ist das BVA über Antrag befugt, die offenkundige Unzulässigkeit dieser Vorgangsweise festzustellen, was zur Folge hat, dass der evident rechtswidriger Weise „vergaberechtsfrei“ geschlossene Vertrag (mit Wirkung ex nunc) nichtig wird und daher zivilrechtlich rückabgewickelt werden muss (§§ 132 Abs 3, 312 Abs 3 BVergG). Offenkundig unzulässige Direktvergabe Als Beispiel für eine offenkundig unzulässige Direktvergabe nennen die Gesetzesmaterialien die vergabefreie Beauftragung hoch standardisierter Leistungen im OSB. Kein derart „offenkundiger“ Rechtsverstoß sei aber dann gegeben, wenn der Auftraggeber über das Vorliegen eines Tatbestands, der die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens mit nur einem Bieter rechtfertigt, einem entschuldbaren Irrtum unterlegen ist (RV 1171 BlgNR 22. GP 87 f).
10. Elektronische Auktion In Abweichung zu den bereits genannten Vergabeverfahrensarten stellt die elektronische Auktion kein vollständiges, für sich selbstständiges Vergabeverfahren dar, sondern dient – eingebettet in ein anderes, eigenständiges Vergabeverfahren – lediglich der Ermittlung des Angebots, das den Zuschlag erhalten soll. Eine elektronische Auktion kann mit einem offenen Verfahren, einem nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung, bestimmten Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung, sowie Auftragsvergaben im Wege einer Rahmenver-
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einbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems kombiniert werden (§§ 31 Abs 2, 146 BVergG). Wie das dynamische Beschaffungssystem ist auch die elektronische Auktion ein vollelektronischer Vorgang. Im Rahmen der elektronischen Auktion werden vom Auftraggeber gewünschte standardisierte Leistungen bis zu einem bestimmten Auftragswert im Internet unter geeigneten Unternehmen gleichsam versteigert, indem diese Unternehmer in einem iterativen Verfahren Angebote legen und die gebotenen Preise damit stetig nach unten korrigieren. Zur elektronischen Auktion sind grundsätzlich alle Bieter am Verfahren zuzulassen, die im vorgelagerten, eigentlichen Vergabeverfahren zulässige Angebote gelegt haben. Der Ablauf der Auktion richtet sich nach einer vom Auftraggeber erstellten und in den Ausschreibungsunterlagen bekannt gegebenen Auktionsordnung. Die Identität der Bieter unterliegt während der Auktion der Geheimhaltung. Die elektronische Auktion kann sich nur auf Angebote bzw Angebotsteile beziehen, die in eindeutiger und objektiv nachvollziehbarer Weise so quantifizierbar sind, dass sie in Zahlen bzw Prozentangaben darstellbar sind. Bau- oder Dienstleistungen, die geistige Leistungen zum Gegenstand haben, sind demgegenüber mangels Quantifizierbarkeit und damit mangels hinreichender Vergleichbarkeit der Angebote einer elektronischen Auktion nicht zugänglich. Das BVergG unterscheidet zwischen der einfachen elektronischen Auktion, in deren Rahmen der Zuschlag nur dem Angebot mit dem niedrigsten Preis (ĺ Preisauktion) erteilt werden darf (ĺ Billigstbieterprinzip), und der sonstigen elektronischen Auktion, in deren Rahmen der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot (ĺ Bestbieterprinzip) erteilt wird (§ 31 BVergG). Dem Auftraggeber kommt insoweit freie Wahlmöglichkeit zu. Wahl und Vor-/Nachteile der elektronischen Auktion Die elektronische Auktion stellt für den Auftraggeber eine vergleichsweise kostengünstige Form der Auftragsvergabe dar. Umgekehrt führt sie vor allem in der Anfangsphase zu erheblichen Anschaffungskosten im technischen Bereich, was gerade die Bieterseite und hier insbesondere kleinere Unternehmen mit erhöhten finanziellen Belastungen konfrontiert. Die Funktionsweise der elektronischen Auktion lässt den Auftraggeber zwar vom unmittelbaren Preiswettbewerb der Bieter profitieren, der damit entstehende Preisdruck kann aber negative Konsequenzen für den Qualitätswettbewerb entfalten.
Das Verfahren der elektronischen Auktion darf vom Auftraggeber – unter den gegebenen Voraussetzungen – ober- und unterhalb der Schwellenwerte herangezogen werden.
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
11. Wettbewerb Das BVergG kennt die Möglichkeit der Vergabe eines Auftrags nach Durchführung eines sogenannten Wettbewerbs (§ 26 BVergG). Dabei handelt es sich um Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber dazu dienen, sich etwa auf den Gebieten der Raumplanung, der Stadtplanung, der Architektur, der Werbung oder der Datenverarbeitung einen Plan oder eine Planung zu verschaffen (ĺ Ideenwettbewerb). Die Auswahl dieser Pläne erfolgt durch ein Preisgericht mit oder ohne Preisverteilung. Je nachdem, in welcher Weise die Bestimmung des Teilnehmerkreises erfolgen soll, kann ein Wettbewerb als offener, nicht offener oder geladener Wettbewerb durchgeführt werden (§ 154 BVergG), wobei letzterer nur im USB zulässig ist. Die Durchführung eines Wettbewerbs als Ideenwettbewerb dient vor allem der Suche nach Ideen bzw der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen durch die Wettbewerbsteilnehmer, ohne damit eine Verpflichtung zur nachfolgenden Auftragsvergabe einzugehen. Insofern können Wettbewerbe einem späteren Vergabeverfahren vorausgehen, zwingend ist dies jedoch nicht. Eine besondere, privilegierende Regelung ist für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen vorgesehen, die im Anschluss an einen Wettbewerb an den oder an einen der Gewinner erfolgt: In diesem Fall – man spricht vom Realisierungswettbewerb – ist die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung zulässig (§ 30 Abs 2 Z 6 BVergG). Die Zielsetzung des Realisierungswettbewerbs geht sohin über diejenige des bloßen Ideenwettbewerbs hinaus und ist auf Vertragsabschluss und Leistungsbezug gerichtet.
C. Überblick: Wahl der Vergabeverfahrensart 1. Wahlmöglichkeiten im OSB (vereinfachte Zusammenfassung) Verfahrensart
Wahlmöglichkeit
offenes Verfahren
x freie Wahl
nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung
x freie Wahl
Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung
x Dienstleistungen können vertraglich nicht hinreichend spezifiziert werden (insbesondere geistige oder finanzielle Dienstleistungen)
C. Überblick: Wahl der Vergabeverfahrensart
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Verfahrensart
Wahlmöglichkeit
Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung
x Eigenheiten des Auftrags ermöglichen keine vorherige globale Preisgestaltung bzw die mit der Leistungserbringung verbundenen Risiken verhindern eine solche x offenes/nicht offenes Verfahren/wettbewerblicher Dialog hat keine geeigneten Angebote erbracht x Auftragsvergabe nur zu Forschungs-, Versuchs- oder Entwicklungszwecken
Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung
x dringliche, zwingende Gründe, die nicht dem Auftraggeber zuzuschreiben sind, lassen die Durchführung eines Verfahrens mit Bekanntmachung nicht zu (Fristen könnten nicht eingehalten werden) x Auftrag kann aus technischen oder künstlerischen Gründen oder wegen des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Unternehmer ausgeführt werden x zusätzliche Leistungen zu bereits früher erbrachten Leistungen werden vergeben x neue Bau- und Dienstleistungen bestehen in der Wiederholung gleichartiger Leistungen
elektronische Auktion
x bei Durchführung eines offenen Verfahrens, eines nicht offenen Verfahrens mit vorheriger Bekanntmachung, bestimmter Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung, bei Auftragsvergaben aufgrund einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems, sofern jeweils die Spezifikationen des Auftragsgegenstands eindeutig und vollständig beschreibbar sind
x nach Durchführung eines offenen Verfahrens, eines nicht offenen Verfahrens mit Rahmenvereinbarung Bekanntmachung oder eines Verhandlungsverfahrens
dynamisches Beschaffungssystem
x nach Durchführung eines offenen Verfahrens
wettbewerblicher Dialog
x bei besonders komplexen Aufträgen, wenn die Vergabe im offenen oder nicht offenen Verfahren nicht möglich ist
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
2. Zusätzliche Wahlmöglichkeiten im USB (vereinfachte Zusammenfassung) Verfahrensart
Wahlmöglichkeit
nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung
x dem Auftraggeber sind genügend geeignete Unternehmer bekannt und der Auftragswert überschreitet EUR 120.000,– (Bauaufträge) bzw EUR 80.000,– (Lieferund Dienstleistungsaufträge) nicht
Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung
x freie Wahl für Liefer- und Dienstleistungsaufträge x Bauaufträge bis EUR 350.000,–
Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung
x Bauaufträge bis EUR 80.000,– x Liefer- und Dienstleistungsaufträge bis EUR 60.000,– x Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen zu besonders günstigen Bedingungen x Vergabe geistiger Dienstleistungen, wenn Durchführung eines wettbewerblichen Auswahlverfahrens wirtschaftlich nicht vertretbar und nur bis zur Hälfte des maßgeblichen Schwellenwerts (hier ist Verhandlungsverfahren mit nur einem Unternehmer möglich)
Direktvergabe
x bis EUR 40.000,–
D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens Unabhängig davon, welche Vergabeverfahrensart gewählt wurde, läuft jedes Vergabeverfahren nach einem ähnlichen Grundmuster ab. Im Folgenden werden die einschlägigen Bestimmungen über den Ablauf eines Vergabeverfahrens dargestellt. Die Darstellung orientiert sich am Ablauf des offenen Verfahrens, dem vergaberechtlichen Regelverfahren.
1. Bekanntmachung Der Beschaffungswunsch des öffentlichen Auftraggebers unterliegt gewissen Bekanntmachungspflichten (§ 46 BVergG). Für den OSB besteht zunächst eine Pflicht zur Bekanntmachung der beabsichtigten Vergabe auf Gemeinschaftsebene. Der Auftraggeber hat
D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens
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Bekanntmachungen und Mitteilungen unverzüglich der Europäischen Kommission zu übermitteln (§ 50 BVergG). Dabei sind die Formularvorgaben der EG-StandardformularVO heranzuziehen. Um gemeinschaftsweit einheitliche Bezeichnungen sicherzustellen, hat die Beschreibung des Auftragsgegenstands anhand der Bezeichnungen des Codes des Gemeinsamen Vokabulars für das öffentliche Auftragswesen (CPV – Common Procurement Vocabulary) zu erfolgen (§ 51 BVergG). Beim CPV handelt es sich um eine von der EU entwickelte Nomenklatur für öffentliche Auftragsvergaben, die als gemeinsames Klassifikationssystem eine einheitliche Beschreibung des Auftragsgegenstandes durch die Auftraggeber sicherstellen soll (vgl VO >EG@ 2195/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge, ABl 16.12.2002, L 340, 1, zuletzt geändert durch VO [EG] 213/2008 der Kommission, ABl 15.3.2008, L 74/1).
Die gemeinschaftsweite Veröffentlichung der Bekanntmachung erfolgt schließlich in der elektronischen Datenbank Tender Electronics Daily (TED). Dies ist die Datenbank für öffentliche Aufträge, die im Supplement S zum Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht sind. Zusätzlich dazu ist eine nationale Bekanntmachung zu veröffentlichen. Die jeweils maßgeblichen Publikationsmedien bestimmen sich je nach Vollzugsbereich durch VO des Bundeskanzlers bzw durch VO der jeweiligen Landesregierung (§ 52 BVergG). Publikationsmedien Auftragsvergaben im Vollzugsbereich des Bundes sind im Amtlichen Lieferungsanzeiger als Teil des Amtsblattes zur Wiener Zeitung bekannt zu machen (VO des BK v 10.8.2006 über die Festlegung des Publikationsmediums für Bekanntmachungen gemäß dem BVergG, BGBl II 2006/300). Auftragsvergaben im Vollzugsbereich des Landes Wien sind im Internet unter der Adresse www.gemeinderecht.wien.at zu veröffentlichen (VO der Wr LReg v 2.6.2006 über die Festlegung für Bekanntmachungen gemäß dem BVergG 2006, LGBl 2006/33).
Im USB ist die beabsichtigte Auftragsvergabe nur national bekannt zu machen (§ 55 BVergG), sodass die Bekanntmachung entsprechend nur in nationalen Publikationsmedien erfolgen muss (die sich mit den für den OSB vorgesehenen weitgehend decken). Der Mindestinhalt von Bekanntmachungen kann den Anhängen VIII bis XV zum BVergG entnommen werden. Aus der Bekanntmachung hat insbesondere hervorzugehen, bei welcher Stelle die Ausschreibungsunterlagen angefordert werden können und welche Kosten dafür allenfalls zu entrichten sind.
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
2. Ausschreibung der Leistung und Ausschreibungsunterlagen Zentraler Bestandteil eines Vergabeverfahrens ist die Ausschreibung. § 2 Z 10 BVergG definiert die „Ausschreibung“ als die an eine bestimmte oder unbestimmte Zahl von Unternehmern gerichtete Erklärung des Auftraggebers, in der er festlegt, welche Leistung er zu welchen Bestimmungen erhalten möchte. In den Ausschreibungsunterlagen umschreibt der Auftraggeber die gewünschte Leistung in technischer, kaufmännischer und rechtlicher Hinsicht und definiert die Bedingungen für die Leistungsausführung. Ausschreibungsunterlagen bestehen somit im Wesentlichen aus der Leistungsbeschreibung (ĺ technische Spezifikationen) und aus den Bestimmungen über den Leistungsvertrag (ĺ vertragliche Spezifikationen). Die konkrete Erstellung der Ausschreibungsunterlagen, insbesondere die Gliederung und der Inhalt der einzelnen Teile, richtet sich im Einzelnen nach der zu beschaffenden Leistung. Das BVergG enthält detaillierte Vorgaben für die Ausgestaltung der Ausschreibungsunterlagen, die je nach Verfahrensart variieren (§§ 79 ff BVergG). a) Leistungsbeschreibung Den Kern der Ausschreibung bildet die Leistungsbeschreibung. Die gewünschten Leistungen sind vom Auftraggeber hinreichend genau und neutral zu beschreiben. Dadurch soll eine sinnvolle Information der Bieter, deren Schutz vor willkürlichen Entscheidungen des Auftraggebers sowie die Vergleichbarkeit und Gleichbehandlung der Angebote sichergestellt werden. Insbesondere darf die Leistung und Aufgabenstellung nicht so umschrieben werden, dass bestimmte Bieter von vornherein Wettbewerbsvorteile genießen (§ 96 Abs 3 BVergG) Die genaue Leistungsbeschreibung erfolgt anhand von technischen Spezifikationen (§ 98 BVergG). Dies sind sämtliche technische Anforderungen sowie sonstige Eigenschaften (zB Umweltleistungsstufen, Vorgaben für die Gebrauchstauglichkeit einschließlich Qualitätssicherungsverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung, Gebrauchsanleitungen, Produktionsprozesse und -methoden etc) der zu beschaffenden Leistung. Hinsichtlich der Art der Leistungsbeschreibung stellt das BVergG mit der konstruktiven und der funktionalen Leistungsbeschreibung dem Auftraggeber zwei gleichrangige Möglichkeiten zur Verfügung. Bei der Entscheidung, welche der beiden Arten der Leistungsbeschreibung er anwenden möchte, ist der Auftraggeber frei. Im Rahmen der konstruktiven Leistungsbeschreibung werden die gewünschten und von den Unternehmern anzubietenden Leistungen
D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens
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vom Auftraggeber in einem Leistungsverzeichnis in einzelne Teilleistungen aufgegliedert und beschrieben (§ 95 Abs 2 BVergG). Von wenigen Ausnahmen abgesehen (s dazu unten Alternativ-, Abänderungs- und Variantenangebot, Pkt V.D.2.d.) sind die Bieter genau an die Vorgaben im Leistungsverzeichnis gebunden. Der Handlungs- und Gestaltungsspielraum auf Auftraggeber- und Bieterseite ist bei der konstruktiven Leistungsbeschreibung signifikant eingeschränkt, sodass eine solche insbesondere dann nicht zielführend sein wird, wenn zu einem guten Teil auch Lösungsvorschläge der Bieter gewünscht sind. Kennt ein Auftraggeber nur das zu realisierende Ziel seines Auftrags, kann aber das „Wie“ der Zielerreichung nicht definieren, besteht die Möglichkeit einer funktionalen Leistungsbeschreibung, also einer Beschreibung der gewünschten Leistung als Aufgabenstellung mit bestimmten Leistungs- oder Funktionsanforderungen (§ 95 Abs 3 BVergG). Aus der Beschreibung der Leistung müssen ihr Zweck und die an die Leistung gestellten Anforderungen in technischer, wirtschaftlicher, gestalterischer, funktionsbedingter und sonstiger Hinsicht erkennbar sein. Leistungs- und Funktionsanforderungen müssen so ausreichend präzisiert werden, dass sie den Bietern eine klare Vorstellung über den Auftragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Vergabe des Auftrags ermöglichen (§ 96 Abs 2 BVergG). Eine funktionale Leistungsbeschreibung wird sich in jenen Fällen anbieten, in denen den Bietern nach der Art der nachgefragten Leistung ein unternehmerischer Gestaltungsspielraum zukommen kann und soll. b) Bestimmungen über den Leistungsvertrag Weiters enthalten die Ausschreibungsunterlagen Bestimmungen über den Leistungsvertrag. Soweit sich diese nicht schon aus der Beschreibung der Leistung selbst ergeben, sind diese Bestimmungen so eindeutig und umfassend festzulegen, dass ein eindeutiger Leistungsvertrag zustande kommen kann (§ 99 Abs 1 BVergG). Hier können sämtliche Regelungen, die für einen zivilrechtlichen Vertrag Gültigkeit haben, festgelegt werden. Dies sind beispielsweise Bestimmungen über den Erfüllungszeitraum, Sicherstellungen, Prämien, Vorauszahlungen, anzuwendendes Recht und Gerichtsstand, Gewährleistung und Haftung, Versicherungen etc. c) Anforderungen an die Eignung der Bieter § 19 Abs 1 letzter Satz BVergG schreibt vor, dass öffentliche Aufträge nur an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer vergeben werden dürfen. In den Ausschreibungsunterlagen hat der Auftraggeber deshalb Eignungskriterien (§ 2 Z 20 lit c BVergG) festzuschreiben, anhand derer er prüft, ob – bezogen auf den konkreten Auftrag – ein Unternehmer zur Auftragsausführung befugt, hinreichend leistungsfähig und zuverlässig ist. Bei den Eignungskriterien handelt es sich um jene
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Mindestanforderungen, die ein Bieter oder Bewerber zwingend erfüllen muss, will er am weiteren Vergabeverfahren teilnehmen („K.O.Kriterien“; genauer zu den Eignungskriterien und zur Eignungsprüfung s unten Pkt V.D.5.). d) Alternativ, Abänderungs- und Variantenangebot In den Ausschreibungsunterlagen sind weiters Angaben darüber zu treffen, inwieweit Alternativangebote zulässig sind (§ 81 BVergG). Nach der Definition des BVergG handelt es sich bei Alternativangeboten um Angebote über einen alternativen Leistungsvorschlag des Bieters (§ 2 Z 2 BVergG). Da Alternativangebote vom ausgeschriebenen Vertragsinhalt in gewisser Weise abweichen, stellen sie eine Ausnahme vom Grundsatz der Kongruenz zwischen Ausschreibung und Angebot (s dazu unten Pkt V.D.3.) dar. Die Möglichkeit zur Einbringung von Alternativangeboten muss vom Auftraggeber ausdrücklich eröffnet werden. Auf diesem Weg kann der Auftraggeber die Möglichkeit zur Einbringung neuer Ideen durch die Bieter, die eine der ausgeschriebenen Leistung qualitativ gleichwertige Alternative anbieten können, ausschöpfen. Alternativangebote können sich auf die Gesamtleistung oder auf Teile der Leistung bzw die wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen der Leistungserbringung beziehen. Alternativangebote Die Fahrbahndecke einer Autobahn wird in der Ausschreibung als Bauauftrag in Asphaltbauweise ausgeschrieben. Ein Alternativangebot dazu kann bei Gleichwertigkeit der Leistung auch Betonbauweise vorschlagen.
Alternativangebote können vom Auftraggeber nur bei Aufträgen, die nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden, zugelassen werden (bei Aufträgen, die nach dem Billigstbieterprinzip vergeben werden, sind Alternativangebote nicht zulässig, da eine objektive Beurteilung eines Änderungsvorschlags nicht möglich wäre). Legt der Auftraggeber nicht Abweichendes fest, sind Alternativangebote nur neben einem ausschreibungskonformen Angebot möglich. Hat der Auftraggeber keine Angabe über die Zulässigkeit von Alternativangeboten gemacht, sind diese nicht zugelassen. In den Ausschreibungsunterlagen hat der Auftraggeber weiters festzuschreiben, welche Art von Alternativangeboten (wirtschaftliche, technische oder rechtliche) zulässig ist. Um die spätere Vergleichbarkeit der Angebote sicherzustellen, hat der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen Mindestanforderungen anzugeben, denen Alternativangebote zu entsprechen haben (§ 81 Abs 2 BVergG). Abänderungsangebote sind gemäß § 2 Z 1 BVergG Angebote, die im Hinblick auf die ausgeschriebene Leistung eine lediglich geringfügige
D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens
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technische, jedoch gleichwertige Änderung beinhalten und von dieser in einem nicht so weitgehenden Ausmaß wie Alternativangebote abweichen. § 82 BVergG sieht vor, dass derartige Angebote – sofern der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen nicht anderes vorschreibt – neben der Abgabe eines ausschreibungskonformen Angebots zulässig sind. Anders als Alternativangeboten sind Abänderungsangebote auch dann möglich, wenn der Auftrag nach dem Billigstbieterprinzip vergeben werden soll. Variantenangebote sind im Unterscheid zu Alternativ- und Abänderungsangeboten Angebote, die aufgrund einer Ausschreibungsvariante des Auftraggebers gelegt werden (§ 2 Z 38 BVergG). Der Auftraggeber gibt dabei den Bietern die Möglichkeit, ihr Angebot aufgrund von technischen oder vertraglichen Spezifikationen (= Varianten) zu erweitern und so das Hauptangebot durch das Variantenangebot zu ersetzen. Die Ausschreibung kann Varianten für die ganze Leistung oder für Teile derselben vorsehen (§ 79 Abs 6 BVergG). Der Unterschied zwischen Alternativ- und Variantenangebot liegt darin, dass Alternativangebote auf Initiative der Bieter eingebracht werden, Variantenangebote hingegen auf einer Vorgabe des Auftraggebers beruhen. e) Subunternehmerleistungen Der Bieter kann zur Erbringung einzelner Tätigkeiten Subunternehmer beiziehen, also einzelne Leistungsbestandteile weitervergeben (ĺ „subvergeben“). Von eminenter praktischer Bedeutung ist die Möglichkeit zur Subvergabe bei größeren, auch komplexeren Auftragsgegenständen und für die Substituierung fehlender Leistungsfähigkeit des Bieters selbst. Die Ausschreibungsunterlagen haben Informationen über die Zulässigkeit von Subunternehmerleistungen zu enthalten (§ 83 BVergG). Möchte ein Bieter einzelne Leistungen subvergeben, so hat er dies bereits in seinem Angebot bekannt zu geben und gleichzeitig die dafür vorgesehenen Unternehmer zu benennen (VwGH 29.5.2002, 2002/04/0023). Das gilt insbesondere dann, wenn der Bieter seine fehlende technische, finanzielle oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch einen Subunternehmer substituieren möchte. Dabei muss der Bieter beweisen, dass er tatsächlich über die Mittel und Kapazitäten des Subunternehmers verfügt, was im Regelfall dann anzunehmen ist, wenn er über ein verbindliches Angebot des Subunternehmers verfügt (vgl dazu EuGH Rs C-176/98, Holst Italia, Slg 1999, I-8607). In jedem Fall muss der in Aussicht genommene Subunternehmer über die für die Ausführung seines Teils erforderliche Eignung verfügen (§ 83 letzter Satz BVergG). Ein Subunternehmer hat seine Eignung nur für jene Teile der Leistung nachzuweisen, die er auch tatsächlich erbringen wird, nicht aber für die Gesamtleistung.
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Zulässig ist lediglich die Weitergabe von Teilen der Leistung, nicht allerdings die Weitergabe des gesamten Auftrags (Verbot der Gesamtweitergabe). Ein generelles Verbot der Subvergabe durch den Auftraggeber wäre gemeinschaftsrechtlich als problematisch einzustufen. f) Angebotsfrist – Teilnahmefrist – Zuschlagsfrist In den Ausschreibungsunterlagen hat der Auftraggeber weiters jene Fristen anzugeben, die den zeitlichen Ablauf des weiteren Vergabeverfahrens bestimmen. Die Angebotsfrist gibt den Zeitraum an, in dem ein Unternehmer ein Angebot legen muss. Sie ist vom Auftraggeber so zu bemessen, dass den Bietern – unter Berücksichtigung des Postlaufs – hinreichend Zeit zur Erstellung der Angebote verbleibt. Das BVergG normiert Mindestfristen, die nur in bestimmten Fällen unterschritten werden dürfen (§§ 60 ff BVergG); diese Fristen sind im OSB und im USB unterschiedlich. Angebotsfrist Im offenen Verfahren beträgt die Angebotsfrist im OSB mindestens 52, im nicht offenen Verfahren mindestens 40 Tage (§ 60 BVergG).
Als Teilnahmefrist wird jene Zeitspanne bezeichnet, innerhalb welcher im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung, im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung und beim wettbewerblichen Dialog die Teilnahmeanträge eingehen müssen. Teilnahmefrist Die vom Auftraggeber festzusetzende Frist für den Eingang der Anträge auf Teilnahme am Vergabeverfahren beträgt im OSB beim nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung, beim Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung und beim wettbewerblichen Dialog mindestens 37 Tage (§ 59 BVergG).
Von der Angebotsfrist bzw der Teilnahmefrist zu unterscheiden ist schließlich die Zuschlagsfrist, also jene Zeitspanne, die zwischen dem Ende der Angebotsfrist und der Zuschlagserteilung liegt (§ 112 BVergG). Sie ist kurz zu halten und darf außer in Ausnahmefällen fünf Monate nicht überschreiten. Ist in der Ausschreibung keine Zuschlagsfrist angegeben, beträgt sie ex lege einen Monat (§ 112 Abs 1 BVergG). Der Bieter ist während der Zuschlagsfrist an sein Angebot gebunden. g) Zuschlagsprinzip und Zuschlagskriterien Der Auftraggeber hat in der Ausschreibung auch anzugeben, ob der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot (ĺ Bestbieterprinzip) oder dem Angebot mit dem niedrigsten Preis (ĺ Bil-
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ligstbieterprinzip) erteilt werden soll (§ 80 Abs 3 BVergG). Entscheidet sich der Auftraggeber für eine Vergabe nach dem Billigstbieterprinzip, so ist gemäß § 2 Z 20 lit d sublit bb BVergG der Preis das einzige Zuschlagskriterium. Das Billigstbieterprinzip darf im OSB nur gewählt werden, wenn der Qualitätsstandard der Leistung klar und eindeutig definiert ist. Im USB kann der Auftraggeber frei zwischen Billigst- und Bestbieterprinzip wählen (§ 100 BVergG).
Bestimmt der Auftraggeber, dass die Vergabe nach dem Bestbieterprinzip erfolgen soll, so hat er bereits in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen jene Kriterien (ĺ Zuschlagskriterien) festzulegen, anhand derer er das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot ermitteln wird. h) Vadium Um sicherzustellen, dass der Bieter nicht während der Zuschlagsfrist von seinem Angebot zurücktritt, wird in den Ausschreibungsunterlagen häufig die Hinterlegung eines Vadiums durch die Bieter gefordert (§ 86 BVergG). Das Vadium soll grundsätzlich 5 % des geschätzten Auftragswertes nicht überschreiten. Bei größeren Auftragsvorhaben kann die Festsetzung eines Vadiums auch bewusst dazu führen, finanzschwache oder zu knapp kalkulierende Unternehmen aus Risikogründen von der Teilnahme am Vergabeverfahren „abzuschrecken“. Dem Angebot des Bieters ist ein Nachweis über den Erlag des Vadiums beizulegen. Spätestens 14 Tage nach Erteilung des Zuschlags bzw nach Widerruf der Ausschreibung ist das Vadium zurückzustellen. i) Bindung an die Ausschreibungsunterlagen und Berichtigung Der Auftraggeber ist an die Ausschreibungsbedingungen gebunden und darf davon grundsätzlich nicht mehr abgehen, da dies insbesondere dem Gleichbehandlungsgebot widersprechen würde. Auch die Bieter haben sich bei der Erstellung ihrer Angebote im offenen und nicht offenen Verfahren an die Vorgaben der Ausschreibung zu halten (§ 106 Abs 1 BVergG). Ist die Ausschreibung fehlerhaft, kann dieser Mangel – sofern er vom Auftraggeber nicht berichtigt wird oder berichtigt werden kann (§ 90 BVergG) – zum Widerruf der Ausschreibung oder allenfalls zur Nichtigerklärung der Ausschreibung durch das BVA führen (vgl Pkt VII.B.1.). Bieter, die eine Berichtigung der Ausschreibung durch den Auftraggeber für notwendig erachten, sind verpflichtet, dies unverzüglich dem Auftraggeber anzuzeigen (ĺ Rügeobliegenheit, § 106 Abs 6 BVergG). Hingegen darf ein Bieter selbst keine Berichtigung der Ausschreibungsunterlagen vornehmen. Eine Missachtung der Rügeobliegenheit ist nicht
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nur in einem allfälligen Rechtsschutzverfahren entsprechend zu „bewerten“, sondern kann auch zur Verminderung von Schadenersatzansprüchen des Bieters führen. Diese Regelung dient in erster Linie dazu, Fehler, die in einem Vergabeverfahren passieren, möglichst frühzeitig aufgreifen und beheben zu können. Der Auftraggeber kann – wenn dies erforderlich ist – die Ausschreibung auch von sich aus während der Angebotsfrist verändern („berichtigen“, § 90 BVergG). Änderungen hat er den Bietern unverzüglich mitzuteilen. Gegebenenfalls ist die Ausschreibungsfrist zu verlängern. Insgesamt hat die Ausschreibung somit im Wesentlichen folgende Angaben zu enthalten (§ 80 BVergG): Notwendiger Inhalt der Ausschreibungsunterlagen (Auswahl) 9 Bezeichnung des Auftraggebers 9 Vergabe im OSB oder im USB 9 Zuständigkeit der Vergabekontrollbehörde (vgl Pkt VII.) 9 Eignungsnachweise 9 Zuschlagsprinzip, allenfalls Zuschlagskriterien 9 technische Spezifikationen 9 Rechenfehlerregelung
3. Das Angebot a) Allgemeines Aufgrund der Ausschreibung können die interessierten Bieter Angebote (§ 2 Z 3 BVergG) legen. Im offenen und im nicht offenen Verfahren müssen sich die Bieter dabei genau an die Ausschreibung halten, der vorgeschriebene Text darf weder geändert noch ergänzt werden (ĺ Kongruenz zwischen Ausschreibung und Angebot, § 106 Abs 1 BVergG). In wenigen Fällen (im Verhandlungsverfahren, wo es im Zuge der Verhandlungen zwischen Auftraggeber und Bieter zu Änderungen in der Leistungsbeschreibung kommen kann oder im Fall des Alternativangebots) kann das Angebot von der Ausschreibung abweichen. Bei Anbieten eines Alternativangebots hat der Bieter dieses als solches zu kennzeichnen und den Nachweis der Gleichwertigkeit mit der gewünschten Leistung zu erbringen (vgl oben Pkt V.D.2.d.) und § 106 Abs 4 BVergG). Ist in den Ausschreibungsunterlagen nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit der Einreichung von Teilangeboten hingewiesen, so hat sich jedes Angebot gemäß § 106 Abs 3 BVergG auf die Gesamtleistung zu beziehen.
D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens
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§ 107 BVergG bestimmt, welche Formvorschriften Angebote zu erfüllen haben: Zunächst sind sie an die in den Ausschreibungsunterlagen vorgeschriebene Form gebunden. Sie sind grundsätzlich in deutscher Sprache zu erstellen und haben alle Beträge in EUR auszuweisen. Angebote müssen vollständig, frei von Zahlen- oder Rechenfehlern und so ausgefertigt sein, dass Veränderungen bemerkbar oder nachweisbar wären. Jedes Angebot hat zudem gewisse inhaltliche Kriterien zu erfüllen. So sind gemäß § 108 Abs 1 BVergG insbesondere der Name und Geschäftssitz des Bieters, der Nachweis über das erlegte Vadium, Preisangaben sowie die rechtsgültige Unterfertigung des Bieters unbedingte Angebotsbestandteile. Angebote werden im Regelfall in Papierform eingereicht. Verfügt der Auftraggeber über die entsprechenden technischen Voraussetzungen und hat er die Zulässigkeit der elektronischen Angebotsabgabe (spätestens in den Ausschreibungsunterlagen) bekannt gegeben, können Angebote auch elektronisch übermittelt werden. Angebote sind grundsätzlich ohne gesonderte Vergütung zu erstellen (§ 111 Abs 1 BVergG). Allerdings sind den Bietern auf deren Verlangen die Kosten der Ausschreibungsunterlagen zurückzuerstatten, wenn die Ausschreibung aus Gründen, die der Auftraggeber zu vertreten hat, widerrufen worden ist (§ 111 Abs 2 BVergG). Mit Abgabe des Angebots ist der Bieter bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist zivilrechtlich an sein Angebot gebunden. Lediglich bis zum Ende der Angebotsfrist kann ein bereits eingereichtes Angebot vom Bieter geändert oder ergänzt werden. Innerhalb dieses Zeitraums ist auch ein Rücktritt vom Angebot noch möglich (§ 106 Abs 8 BVergG). b) Angebote von Arbeits- und Bietergemeinschaften Angebote können auch von Arbeitsgemeinschaften und Bietergemeinschaften eingebracht werden. Das BVergG definiert Arbeitsgemeinschaften (ARGE) als Zusammenschluss mehrerer Unternehmer, die sich dem Auftraggeber solidarisch zur vertragsgemäßen Erbringung einer Leistung verpflichten. Diese Verpflichtung kann sich auf die gleiche oder verschiedene Fachrichtungen beziehen (§ 2 Z 7 BVergG). ARGEs sind als Gelegenheitsgesellschafen nicht auf den Betrieb eines bestimmten Geschäftszweiges, sondern auf ein bestimmtes Geschäft gerichtet. Als Bietergemeinschaft wird demgegenüber der Zusammenschluss mehrerer Unternehmer zum Zweck des Einreichens eines gemeinsamen Angebots bezeichnet (§ 2 Z 14 BVergG). Bietergemeinschaften sind nicht verpflichtet, zwecks Einreichens des Angebots eine bestimmte Rechtsform anzunehmen. Im Auftragsfall schulden Bietergemeinschaften aller-
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dings als Arbeitsgemeinschaften die solidarische Leistungserbringung (§ 20 Abs 2 letzter Satz BVergG). Beim nicht offenen Verfahren und beim Verhandlungsverfahren ist die Bildung einer ARGE oder einer Bietergemeinschaft dem Auftraggeber gemäß § 20 Abs 2 BVergG vor Ablauf der halben Angebotsfrist mitzuteilen. Damit soll dem Auftraggeber noch die Möglichkeit gegeben werden, auf die dadurch bewirkte Verkleinerung des Bieterkreises – durch zusätzliche Aufforderungen zur Angebotsabgabe – reagieren zu können.
Die Vorteile des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmer zu einer ARGE bzw einer Bietergemeinschaft liegen – insbesondere bei größeren, komplexeren Auftragsprojekten – in der Ermöglichung einer breiten Streuung des finanziellen Risikos unter den Beteiligten sowie der Zusammenarbeit verschiedener Unternehmer, die alleine weder fachlich noch technisch oder personell zur Auftragsausführung in der Lage wären. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eines Zusammenschlusses zu einer ARGE oder einer Bietergemeinschaft hat nach dem allgemeinen Wettbewerbsrecht zu erfolgen. Demzufolge können Bieter- und Arbeitsgemeinschaften verbotene Kartelle nach § 1 KartG 2005 darstellen. Dies kann dazu führen, dass Angebote kartellrechtlich nicht „gerechtfertigter“ Bietergemeinschaften vom Auftraggeber gemäß § 129 Abs 1 Z 8 BVergG ausgeschieden werden müssen. ARGEs/Bietergemeinschaften und Wettbewerbsrecht Wettbewerbsrechtlich gerechtfertigt kann die Bildung einer Bietergemeinschaft etwa dann sein, wenn die beteiligten Unternehmen für sich genommen nicht über die erforderliche Kapazität zur Durchführung des ausgeschriebenen Auftrags verfügen oder auch ungeachtet der erforderlichen Kapazität der einzelnen Unternehmen diese erst durch die Zusammenarbeit in Form einer Bietergemeinschaft in die Lage versetzt werden, ein erfolgversprechendes Angebot abzugeben (vgl dazu weiterführend Eilmansberger/ Holoubek, Der öffentliche Auftraggeber als Kartellbehörde? – Zur kartellrechtlichen Überprüfung von Angeboten einer Bietergemeinschaft im Vergabeverfahren, ÖZW 2008, 2).
Die lange Zeit diskutierte Frage, wie eine Arbeits- oder Bietergemeinschaft den Nachweis der Befugnis zu erbringen hat, beantwortet nunmehr § 70 Abs 5 BVergG: Umfasst der Leistungsgegenstand ausschließlich Leistungen, für die dieselbe Befugnis erforderlich ist, so haben alle Mitglieder einer Bietergemeinschaft die entsprechende Befugnis nachzuweisen. Im Falle der Ausschreibung einer Gesamtleistung, die unterschiedliche Befugnisse in verschiedenen Fachrichtungen erfordert, hat jedes Mitglied der Bietergemeinschaft (nur) die Befugnis für den ihm konkret zufallenden Leistungsteil nachzuweisen. Zum Nachweis der Leistungsfähigkeit können sich Mitglieder einer Bieter- und Arbeitsgemeinschaft gemäß § 76 Abs 2 BVergG auch auf die Kapazitäten der anderen
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Mitglieder (sowie auch anderer Unternehmer) stützen. Dies bedeutet, dass die Gemeinschaft insgesamt die für die Auftragsausführung erforderliche Eignung aufweisen muss (bzw zum Nachweis der Eignung auch auf andere Unternehmen verweisen kann, wenn und soweit sie nachweisen kann, dass ihr die Mittel eines Dritten für die Auftragsausführung tatsächlich zur Verfügung stehen).
4. Entgegennahme und Öffnung der Angebote Nach Einbringung und Entgegennahme der Angebote werden diese geöffnet und geprüft; der Zeitpunkt des Einlangens wird vermerkt (§§ 117 ff BVergG). Die Öffnung der Angebote erfolgt beim offenen und beim nicht offenen Verfahren an einem festgesetzten Ort zu festgesetzter Zeit. Die Bieter haben das Recht, anwesend zu sein. Gewisse Angaben, wie Name und Geschäftssitz des Bieters, der Gesamtpreis sowie wesentliche Vorbehalte und Erklärungen der Bieter, sind vorzulesen und in einer Niederschrift festzuhalten (§ 118 Abs 5 BVergG). Beim Verhandlungsverfahren ist keine formalisierte Vorgehensweise vorgesehen; die Bieter sind bei der Angebotsöffnung auch nicht zugegen, weil im Verhandlungsverfahren Geheimhaltungspflicht besteht (§ 118 Abs 2 BVergG).
5. Eignungsprüfung Im Zuge der Eignungsprüfung wird festgestellt, welche Bieter die Voraussetzungen erfüllen, also geeignet und berechtigt sind, um am weiteren Vergabewettbewerb teilnehmen zu dürfen. Während im offenen Verfahren die Eignung erst nach Angebotsöffnung zu prüfen ist (sie muss freilich im Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen), muss sie im nicht offenen Verfahren und im Verhandlungsverfahren bereits vor der Einladung zur Angebotslegung geprüft und nachgewiesen werden. Sektorenauftraggebern steht zudem die Möglichkeit offen, im Rahmen eines Prüfsystems die Qualifikation der Bieter bereits vorab zu überprüfen (ĺ Präqualifikation, § 232 BVergG).
Ob ein Unternehmer geeignet ist, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen, wird an Hand seiner Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit beurteilt (§ 19 Abs 1 BVergG). Diese Eignungsbestandteile müssen kumulativ erfüllt werden. Die Nachweise, die von einem Unternehmer hinsichtlich seiner Eignung verlangt werden können, sind in §§ 71 ff BVergG abschließend genannt. Auch die gesetzlich vorgesehenen Nachweise darf der Auftraggeber aber nur soweit fordern, als dies durch den Gegenstand des Auftrags ge-
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rechtfertigt (ĺ Eignung für eine konkrete Leistung) und verhältnismäßig (ĺ Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) ist (§ 70 Abs 2 BVergG). Welche Nachweise von den Unternehmern in concreto zu erbringen sind, hat der Auftraggeber bereits in der Bekanntmachung bzw in den Ausschreibungsunterlagen verbindlich anzugeben Der Vorgang der Eignungsprüfung gliedert sich im Wesentlichen in drei Abschnitte: 1. die Prüfung der Befugnis, 2. das Ausschlussverfahren, in dem die Zuverlässigkeit der einzelnen Bieter beurteilt wird, und 3. das Verfahren zur Prüfung der Leistungsfähigkeit der Bieter an Hand der Eignungskriterien. a) Prüfung der Befugnis Die Befugnis (ĺ die Berechtigung, eine bestimmte Tätigkeit [Gewerbe] auszuüben) kann der Auftraggeber an Hand der im BVergG genannten Nachweise überprüfen. Nachweis der Befugnis Als Nachweis der Befugnis kann eine beglaubigte Abschrift des Berufs- und Handelsregisters des Herkunftslandes des Unternehmers verlangt werden (§ 71 BVergG).
b) Prüfung der Zuverlässigkeit und Ausschlussgründe Bei der Zuverlässigkeitsprüfung wird das berufliche Verhalten eines Unternehmers und seine rechtliche Situation bewertet, um eine ordnungsgemäße Leistungserbringung sicherzustellen. § 68 BVergG nennt jene Gründe, bei deren Vorliegen ein Unternehmer mangels Zuverlässigkeit zwingend von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen ist (ĺ Ausschlussgründe). Dies sind beispielsweise bestimmte rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen, die Liquidation des Unternehmens, schwere Verfehlungen gegen arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften oder ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Gemäß § 68 Abs 3 BVergG kann vom Ausschluss trotz Vorliegen eines Ausschlussgrundes dann Abstand genommen werden, wenn auf die Beteiligung des betreffenden Unternehmers am weiteren Vergabeverfahren aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nicht verzichtet werden kann. Zum Beleg dafür, dass keiner der in § 68 BVergG taxativ genannten Ausschlussgründe vorliegt, kann der Auftraggeber bestimmte, in § 72 BVergG aufgezählte Nachweise verlangen. Nachweise über die Zuverlässigkeit ZB Firmenbuchauszug, Strafregisterbescheinigung, Kontoauszug der zuständigen Sozialversicherungsanstalt etc.
D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens
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c) Prüfung der Leistungsfähigkeit (fachliche Eignung) Die Leistungsfähigkeit eines Unternehmers ist anhand von wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Kriterien zu prüfen. Von den Eignungsnachweisen sind die – dahinter stehenden – Eignungskriterien zu unterscheiden. Zwar enthält das BVergG keinen Katalog an Eignungskriterien, implizit kann aber aus der Auflistung der Nachweise auf die damit in der Sache jeweils angesprochenen Eignungskriterien geschlossen werden. Insofern ist auch der Auftraggeber bei der Festlegung der Eignungskriterien durch die Aufzählung dieser Nachweise beschränkt. Bei der Prüfung der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist festzustellen, ob der Unternehmer auf Grund seiner finanziellen Situation in der Lage sein wird, den Auftrag entsprechend den Vorgaben des Auftraggebers auszuführen. Zum Beleg der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann der Auftraggeber bestimmte, in § 74 Abs 1 BVergG aufgezählte Nachweise verlangen. Zusätzliche Nachweise dürfen nur dann verlangt werden, wenn sie durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kann durch eine Bonitätsauskunft der Bank, durch Vorlage von Bilanzen und Auszügen oder eine Erklärung über den Gesamtumsatz nachgewiesen werden (§ 74 Abs 1 BVergG).
Die technische Leistungsfähigkeit ist gemäß § 75 BVergG anhand der materiellen und personellen Fähigkeit des Unternehmers, die ausgeschriebene Leistung zu erbringen, zu beurteilen. Die Nachweise, die der Auftraggeber in diesem Zusammenhang verlangen darf, sind gesetzlich abschließend geregelt. Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit Der Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit kann zB durch eine Beschreibung der technischen Ausrüstung des Unternehmers, an Hand von Mustern und Beschreibungen sowie durch Bescheinigungen von amtlichen Qualitätskontrolleinrichtungen erfolgen (§ 75 BVergG).
Ergibt die Eignungsprüfung, dass ein Unternehmen „ungeeignet“ ist, dass es also einen der Eignungsbestandteile nicht erfüllen kann, so ist dessen Angebot vom Auftraggeber auszuscheiden (§ 129 Abs 1 Z 2 BVergG). Im Unterschied zu Auswahlkriterien (s oben Pkt V.B.4.) sind Eignungskriterien somit absolute Kriterien, die entweder erfüllt werden oder
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
nicht erfüllt werden (ĺ K.O.-Kriterien). Eine qualitativ-vergleichende Wertung iSv „besser qualifiziert“ – „schlechter qualifiziert“ ist nicht möglich. Gemeinsam ist den Eignungs- und Auswahlkriterien aber ihre Unternehmerbezogenheit, dh es wird die Qualität der Bewerber und nicht die Qualität ihrer Angebote beurteilt. Letzteres findet im Rahmen des Zuschlagsverfahrens mittels Zuschlagskriterien statt.
6. Angebotsprüfung In einem zweiten Prüfschritt werden im Zuge der Angebotsprüfung die Angebote der geeigneten Bieter bewertet und im Hinblick auf die in der Ausschreibung genannten Leistungsanforderungen überprüft. Die Prüfung der Angebote hat in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Kriterien zu erfolgen. Geprüft werden insbesondere (§§ 123 ff BVergG) x die Formrichtigkeit und Vollständigkeit der Angebote, x die rechnerische Richtigkeit der Angebote und x die Angemessenheit der Preise.
Über die Prüfung der Angebote und ihr Ergebnis ist eine Niederschrift zu verfassen, in der die Umstände, die für die Bewertung der Angebote wesentlich waren, festzuhalten sind. a) Angemessenheit der Preise, vertiefte Angebotsprüfung Der Auftraggeber hat die Angemessenheit der Preise in Bezug auf die ausgeschriebene Leistung zu prüfen (§ 125 BVergG). Dabei ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, vorliegenden Unterlagen sowie den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen. Sind bei Angeboten x die Gesamtpreise ungewöhnlich niedrig, x die Einheitspreise zu hoch oder zu niedrig, x oder bestehen begründete Zweifel an der Angemessenheit der Angebotspreise,
hat der Auftraggeber eine vertiefte Angebotsprüfung einzuleiten und vom Bieter Aufklärung über die Positionen des Angebots zu verlangen. Durch eine solche besondere, vertiefte Prüfung der Angebote soll eine spekulative bzw unseriöse Angebotsgestaltung ausgeschlossen werden. Werden im Zuge der vertieften Angebotsprüfung Mängel bei der Kalkulation festgestellt, ist vom Bieter eine verbindliche schriftliche Aufklärung zu verlangen. Auf diese Weise sollen die Bieter die Seriosität ihrer Angebote darlegen können, also die Preise betriebswirtschaftlich erklärbar und für den Auftraggeber nachvollziehbar machen. Kann der Bieter die Zusammensetzung der Angebotspreise trotz vertiefter Angebotsprüfung nicht plausibel darlegen, ist das betreffende Angebot auszuscheiden. Ein automatisches Ausscheiden (ohne vertiefte Angebotsprüfung) unangemessen erscheinender Angebote ist allerdings unzulässig.
D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens
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b) Behebbare und unbehebbare Angebotsmängel Der Bieter kann während laufender Angebotsfrist sein Angebot – mangels Bindungswirkung – ändern, ergänzen bzw wieder zurückziehen. Nach Ablauf der Angebotsfrist – und damit jedenfalls bereits zum Zeitpunkt der Angebotsprüfung – ist er an sein Angebot aber gebunden. Zwar können unter bestimmten Voraussetzungen nach wie vor Angebotsmodifikationen vorgenommen werden, allerdings liegt diese Änderungsmöglichkeit nicht mehr uneingeschränkt beim Bieter. Für die Beurteilung, ob eine „nachträgliche“ Angebotsänderung vorgenommen werden darf, unterscheidet das BVergG zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln. Diese Unterscheidung ergibt sich aus § 129 Abs 1 Z 7 BVergG, wonach fehlerhafte oder unvollständige Angebote auszuscheiden sind, sofern die Mängel nicht behoben wurden oder behebbar sind.
Ob ein Mangel behebbar oder unbehebbar ist, hat der Auftraggeber an Hand eines objektiven, an den allgemeinen Vergabegrundsätzen (insbesondere Wettbewerbsgebot, Gleichbehandlungsgebot) orientierten Maßstabs zu beurteilen. Im Allgemeinen wird ein Mangel dann als verbesserungsfähig anzusehen sein, wenn die Mängelbehebung nicht zu einer Veränderung der Wettbewerbsstellung führt, also für den betroffenen Bieter insbesondere keine Besserstellung im Vergabewettbewerb bewirkt. Veränderung der Wettbewerbsstellung Eine Veränderung der Wettbewerbsstellung liegt im Regelfall (aber nicht notwendiger Weise) dann vor, wenn die Mängelbehebung eine Veränderung des Wertes oder des Preises der Leistung sowie der zur Leistungserbringung aufzuwendenden Kosten in einem nicht unwesentlichen Ausmaß herbeiführt.
Mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben ist bei der Beurteilung jeweils auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen. Behebbare Mängel Das Hauptfeld für die Sanierung von behebbaren Mängeln liegt bei unvollständigen Angeboten bzw Angeboten, die einen Formalfehler aufweisen: zB Vorlage einer zu alten Strafregisterauskunft, bloßes Fehlen der rechtmäßigen Fertigung eines Angebots etc (diese und weitere Judikaturbeispiele bei Fink/ Schiefer in Heid/Preslmayr [Hrsg], Handbuch Vergaberecht2 >2005@ 405 f). Unbehebbare Mängel Als unbehebbar wurden bisher zB qualifiziert: fehlende Angabe der bewertungsrelevanten Preise; Nichtangabe des Auftragsbestandteils, der subvergeben werden soll; Nichtangabe der Subunternehmer; Verweis auf die Geltung eigener Geschäftsbedingungen etc.
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
c) Ausscheiden von Angeboten Aufgrund der Ergebnisse der Eignungs- und Angebotsprüfung hat der Auftraggeber von den eingelangten Angeboten diejenigen auszuscheiden, die nicht dem geforderten Inhalt oder den vorgegebenen Formalerfordernissen entsprechen (§ 129 BVergG). Darunter fallen insbesondere x verspätet eingelangte Angebote, x rechnerisch fehlerhafte Angebote, x Angebote von Bietern, bei denen die Befugnis, die Leistungsfähigkeit oder die Zuverlässigkeit nicht gegeben ist, x Angebote, die keine plausiblen Gesamtpreise aufweisen, x Angebote von Bietern, die gegen den Grundsatz des Wettbewerbs oder die guten Sitten verstoßende Absprachen getroffen haben, x Angebote, bei denen ein Vadium verlangt wurde, dessen Nachweis bei Angebotsöffnung jedoch fehlt, sowie x fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn die Mängel nicht behoben wurden bzw nicht behebbar sind.
7. Zuschlagsverfahren Im Rahmen des Zuschlagsverfahrens wird schließlich jenes Angebot ermittelt, dem der Zuschlag erteilt werden soll (§§ 130 ff BVergG). Das Zuschlagsverfahren verläuft in mehreren Schritten. a) Auswahl des Best- oder Billigstbieters Unter jenen Angeboten, die nach dem Ausscheiden der anderen Angebote im Vergabeverfahren verbleiben, ist der Zuschlag gemäß den in der Ausschreibung gemachten Angaben entweder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot (ĺ Bestbieterprinzip) oder dem Angebot mit dem niedrigsten Preis (ĺ Billigstbieterprinzip) zu erteilen (§ 130 Abs 1 BVergG). Der Auftraggeber hat somit im Zuschlagsverfahren den Bestbieter bzw den Billigstbieter zu ermitteln und damit zu entscheiden, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll (= Zuschlagsentscheidung). Ob die Zuschlagsentscheidung anhand des Billigst- oder Bestbieterprinzips erfolgen wird, hat der Auftraggeber grundsätzlich bereits in den Ausschreibungsunterlagen festzulegen (s Pkt V.D.2.g.). Erfolgte keine Festlegung betreffend des Zuschlagsprinzips, ist der Zuschlag dem Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen (§ 80 Abs 3 BVergG).
Bei den Zuschlagskriterien handelt es sich im Unterschied zu den Eignungs- bzw Auswahlkriterien nicht um bieterbezogene, sondern um angebots- und auftragsbezogene Kriterien, anhand derer das Ange-
D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens
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bot, dem letztlich der Zuschlag zu erteilen ist, ermittelt wird. Eignungsund Zuschlagskriterien sind deutlich zu differenzieren und stellen zwei voneinander getrennte (wenn auch im offenen Verfahren zeitlich regelmäßig zusammenfallende) Prüfungsvorgänge im Rahmen eines Vergabeverfahrens dar. Unzulässig wäre demnach die Heranziehung eines Eignungskriteriums als Zuschlagskriterium oder umgekehrt (ĺ Doppelverwertungsverbot). Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien Beim Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit handelt es sich um ein Eignungskriterium, sodass dessen Festsetzung als Zuschlagskriterium in der Ausschreibung rechtswidrig ist (BVA 19.3.2003, 13F-08/02-8).
Auch Auswahl- und Zuschlagskriterien sind voneinander zu unterscheiden und dürfen nicht wechselseitig zur Prüfung herangezogen werden, allerdings ist hier eine trennscharfe Abgrenzung nicht immer leicht vorzunehmen. Bei der Festlegung der Zuschlagskriterien ist der Auftraggeber an mehrere Grundsätze gebunden: x Wirtschaftlichkeitsgebot: Die Zuschlagskriterien müssen zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots tauglich sein. x Konkretisierungsgebot: Der Auftraggeber muss die Zuschlagskriterien klar und eindeutig festlegen. x Gewichtungs- bzw Reihungsgebot: Der Auftraggeber muss die Zuschlagkriterien im Verhältnis ihrer Bedeutung festlegen. Die bloße Angabe der Bedeutung der Zuschlagskriterien in der Reihenfolge ihrer Bedeutung (also ohne Gewichtung) ist nur ausnahmsweise zulässig (§ 80 Abs 3 BVergG). Die Bewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien erfolgt in der Praxis zumeist durch eine entsprechende Punktevergabe des Auftraggebers (zB erhält ein Angebot 25 Punkte für den Faktor „Preis“ und 47 Punkte für den Faktor „Qualität“).
x Transparenzgebot: Die Zuschlagkriterien sind den Bietern vorab (in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen) bekannt zu geben. x Objektivitäts- bzw Nichtdiskriminierungsgebot: Die Ermittlung des Bestbieters muss nachvollziehbar und überprüfbar sein. Zusammenhang von Zuschlagskriterium und Auftrag Bezieht sich ein Zuschlagskriterium nicht auf die Leistung, die Gegenstand des Auftrags ist, sondern auf die maximale Produktionskapazität der dem Bieter gehörenden Anlagen überhaupt, ist dieses als nicht mit dem Zweck des Auftrags zusammenhängend zu qualifizieren, da es nicht der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dient (EuGH Rs C-234/03, Contse, Slg 2005, I-9315).
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Gewichtung der Zuschlagskriterien Als Zuschlagskriterien für die Vergabe eines Bauvorhabens werden der Preis mit 65 %, „Referenzen“ (möglichst ähnliche Objekte, Termintreue, Baustellenkoordination etc) mit 25 % und „Dokumentation“ mit 10 % festgesetzt (BVA 19.5.2003, 14N-38/03-16). Die Gewichtung der Zuschlagskriterien hat – wenn nicht ausnahmsweise die bloße Angabe der Reihenfolge der Kriterien zulässig ist – bereits mit der Ausschreibung zu erfolgen. Eine nachträgliche Festlegung von Gewichtungskoeffizienten ist aus Gründen der Transparenz und Gleichbehandlung unzulässig (vgl zuletzt EuGH Rs C-532/06, Lianakis, Slg 2008, I-251) Nichtdiskrimierungsgebot Ein Zuschlagskriterium, wonach bei Bietern, die im Zuschlagsverfahren gleich bewertet wurden (Punktegleichheit), der Zuschlag automatisch demjenigen zu erteilen ist, der die Leistung bereits zuvor erbracht hat, ist diskriminierend, weil damit derjenige Unternehmer bevorzugt wird, der bereits auf dem betreffenden Markt tätig ist (EuGH Rs C-234/03, Contse, Slg 2005, I-9315).
Auch sogenannte vergabefremde Kriterien (s dazu bereits oben Pkt V.A.8.) können in gewissem Ausmaß bei der Wahl des wirtschaftlich günstigsten Angebots herangezogen werden. Neben ökologischen Kriterien (zB niedriger Schadstoffausstoß oder geringer Lärmpegel) können in diesem Rahmen auch sozialpolitische Kriterien (zB Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, Behinderten oder Frauen) für die Zuschlagsentscheidung in Betracht kommen, soweit sie auftragsbezogen sind. b) Zuschlagsentscheidung Die Zuschlagsentscheidung ist die Entscheidung des Auftraggebers, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll (§ 2 Z 48 BVergG). Sie ist den Bietern gleichzeitig, unverzüglich und nachweislich elektronisch oder mittels Telefax mitzuteilen (§ 131 BVergG). Ein Zuschlag, der ohne Einhaltung dieser Mitteilungspflicht erteilt wurde, ist ex tunc (von Anbeginn an) nichtig (§ 132 Abs 2 BVergG). Die Zuschlagsentscheidung selbst bewirkt (noch) keine Auftragsvergabe, also keinen privatrechtlichen Vertragsschluss. Sie ist lediglich eine Wissenserklärung des Auftraggebers, eine Absichtserklärung, an welchen Bieter die Zuschlagserteilung erfolgen soll. An die Zuschlagsentscheidung knüpft sich eine 14-tägige „Stillhaltefrist“, innerhalb derer der Auftraggeber den Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit nicht erteilen darf (§ 132 BVergG). Bei bestimmten Vergabeverfahren, insbesondere bei Auftragsvergaben im USB, verkürzt sich die Stillhaltefrist auf 7 Tage.
D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens
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c) Zuschlagserteilung Erst nach Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung und nach Ablauf der Stillhaltefrist darf der Auftraggeber mit dem in Aussicht genommenen Bieter den Vertrag abschließen und damit den Zuschlag tatsächlich erteilen. Die Zuschlagserteilung (ĺ die Erklärung des Auftraggebers an den Bieter, sein Angebot anzunehmen) hat schriftlich zu erfolgen (§ 2 Z 49 BVergG). Das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Bieter kommt grundsätzlich mit der schriftlichen Verständigung des Bieters durch den Auftraggeber zustande. Hat der Auftraggeber die Zuschlagsfrist hingegen überschritten, bedarf es – da der Bieter nun nicht mehr an sein Angebot gebunden ist – einer zusätzlichen schriftlichen Erklärung des Bieters, den Auftrag annehmen zu wollen (§ 133 BVergG).
Der Zuschlag darf grundsätzlich nur auf die gesamte ausgeschriebene Leistung erteilt werden (ĺ Gesamtvergabe). Eine Teilvergabe ist ausnahmsweise zulässig, wenn die Vergabe getrennter Teile der Leistung bereits in der Ausschreibung vorgesehen wurde (§ 22 Abs 2 BVergG). Teilvergabe In der Praxis erfolgen Teilvergaben zumeist im Baubereich, man spricht in diesem Fall von der Vergabe sogenannter Lose oder Gewerke: zB Tiefbauarbeiten bzw Trockenbauarbeiten etc als Teilleistungen/Gewerke des gesamten Bauvorhabens.
Über die erfolgreiche Auftragsvergabe hat der Auftraggeber einen Vergabevermerk anzufertigen (§ 136 BVergG).
8. Widerruf der Ausschreibung Ein Vergabeverfahren endet regelmäßig mit Erteilung des Zuschlags, also mit Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages zwischen dem Auftraggeber und dem Best-/Billigstbieter über die Erbringung der auftragsgegenständlichen Leistung. In besonderen Fällen kann das Vergabeverfahren aber auch durch Widerruf der Ausschreibung enden (§§ 138 ff BVergG). Mangels Zuschlagserteilung kommt es im Fall des Widerrufs zu keinem Vertragsschluss, also auch zu keiner Auftragserteilung. Ähnlich der zweistufigen Struktur der Zuschlagserteilung hat der Auftraggeber auch für den Fall des Widerrufs des Vergabeverfahrens grundsätzlich zunächst eine Widerrufsentscheidung zu treffen, bevor der (endgültige) Widerruf erfolgt:
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Eine Widerrufsentscheidung ist die an Unternehmer abgegebene, nicht verbindliche Erklärung des Auftraggebers, ein Vergabeverfahren widerrufen zu wollen (§ 2 Z 44 BVergG). An diese Erklärung schließt eine in der Regel 14-tägige Stillhaltefrist, innerhalb welcher der Widerruf bei sonstiger Unwirksamkeit nicht erklärt werden darf (§ 140 Abs 3 BVergG). Vor Ablauf der Stillhaltefrist darf ein neues Vergabeverfahren über den gleichen Auftragsgegenstand nicht eingeleitet werden, soweit die Beschaffung nicht aus dringlichen, zwingenden Gründen erforderlich ist. Die Stillhaltefrist verkürzt sich bei bestimmten Vergabeverfahren, insbesondere bei Verfahren im USB, auf 7 Tage.
Nach Ablauf der Stillhaltefrist darf die Widerrufserklärung (Widerruf) erfolgen. Diese ist die an Unternehmer abgegebene Erklärung des Auftraggebers, ein Vergabeverfahren ohne Zuschlagserteilung bzw ohne Ermittlung des Gewinners bzw des Teilnehmers zu beenden (§ 2 Z 45 BVergG). Der Widerruf beendet das Vergabeverfahren. Die Bieter sind nicht weiter an ihre Angebote gebunden. Im USB kann der Auftraggeber auch ohne Widerrufsentscheidung unmittelbar den Widerruf erklären und so das Vergabeverfahren ohne Abwarten einer Stillhaltefrist endgültig beenden (§ 140 Abs 8 BVergG).
Bei der Beurteilung, ob ein Widerruf zulässig ist, hat man in erster Linie zu beachten, ob dieser vor oder nach Ablauf der Angebotsfrist erfolgen soll: Vor Ablauf der Angebotsfrist muss ein Vergabeverfahren widerrufen werden (ĺ zwingender Widerruf), wenn Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor der Ausschreibung bekannt gewesen, eine Ausschreibung ausgeschlossen oder zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten. Zwingender Widerruf Nach der Rechtsprechung haben vor allem rechtswidrige Ausschreibungsbestimmungen, wenn sie zu einer wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten, zum zwingenden Widerruf zu führen. Das gilt insbesondere für gänzlich fehlende oder fehlerhafte (nicht gewichtete, unzulässige) Zuschlagskriterien, die falsche Verfahrenswahl oder fehlende, notwendige Angaben in den Ausschreibungsunterlagen. Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Auch die Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann einen zwingenden Widerrufsgrund darstellen: Erst nachträglich gelangt einem Auftraggeber zur Kenntnis, dass Budgetkürzungen ins Haus stehen, die eine Auftragsvergabe in der ausgeschriebenen Form nicht zulassen (B-VKK 27.1.1997, S-4/97). Dem Auftraggeber war es in Ansehung des ihm zur Verfügung stehenden Kostenrahmens unzumutbar, an dem Projekt und damit an der Ausschreibung festzuhalten, zumal die nach den eingelangten Anboten dafür tatsächlich zu entrichtenden Kosten ganz erheblich über den veranschlagten Kosten gelegen wären (VwGH 26.6.2001, 2001/04/0106).
D. Grundstruktur des Ablaufs eines Vergabeverfahrens
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Sollten andere Gründe vorliegen, die einen Widerruf sachlich rechtfertigen, so kann der Auftraggeber das Vergabeverfahren widerrufen (ĺ fakultativer Widerruf). Fakultativer Widerruf Nach der Ausschreibung treten Veränderungen in Bezug auf die Ausschreibungsgrundlagen (zB neue Technologien) zu Tage, die mit technischen und wirtschaftlichen Vorteilen verknüpft sind. Finanzielle Gründe Auch finanzielle Gründe (nachträgliches Hervorkommen von Einsparungsmöglichkeiten, Budgetkürzungen, Angebotspreise liegen deutlich über dem Marktpreis oder sind unangemessen etc) können einen fakultativen Widerruf rechtfertigen.
Auch nach Ablauf der Angebotsfrist ist das Vergabeverfahren zwingend zu widerrufen, wenn Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor der Ausschreibung bekannt gewesen, eine Ausschreibung ausgeschlossen oder zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten. Weiters ist der Widerruf dann zwingend vorgesehen, wenn kein Angebot eingelangt ist oder wenn nach dem Ausscheiden von Angeboten kein Angebot im Vergabeverfahren verbleibt. Demgegenüber kann das Vergabeverfahren nach Ablauf der Angebotsfrist widerrufen werden, wenn nur ein Angebot eingelangt ist, nach dem Ausscheiden von Angeboten nur ein Angebot im Verfahren verbleibt, oder sonstige sachliche Gründe bestehen, die einen Widerruf zu rechtfertigen vermögen (§ 139 Abs 2 BVergG). § 140 Abs 10 BVergG sieht darüber hinaus noch eine besondere Form des Widerrufs vor: Wird durch eine Vergabekontrollbehörde rechtskräftig festgestellt, dass der Auftraggeber nach erheblicher Überschreitung der Zuschlagsfrist und entgegen dem Ersuchen des Bieters um Fortführung des Verfahrens ein Verfahren zur Vergabe eines Auftrags weder durch Widerruf noch durch Zuschlag beendet noch das Verfahren in angemessener Weise fortgeführt hat, so gilt dies als Erklärung des Widerrufs im Sinne des BVergG (ex lege-Widerruf). Von der Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist die Frage nach dem Entstehen von Schadenersatzansprüchen zu trennen: Selbst wenn ein Widerruf (etwa bei Überschreiten des vorab vom Auftraggeber ermittelten Preisniveaus) gerechtfertigt ist, können – sofern die Gründe, die zum Widerruf geführt haben, vom Auftraggeber verschuldet sind – die Bieter Schadenersatzansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen (dazu näher unten Pkt VII.B.2.).
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V. Das Vergabeverfahren nach dem BVergG
Abbildung 7: Ablauf des Vergabeverfahrens
B. Wahl des Vergabeverfahrens
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VI. Besonderheiten für Auftragsvergaben in den Sektoren Das BVergG sieht für Auftragsvergaben in den Sektoren vereinfachte Regelungen vor, wodurch Sektorenauftraggebern grundsätzlich mehr Gestaltungsfreiheit als öffentlichen Auftraggebern zukommt. Die Bestimmungen des 3. Teils des BVergG enthalten besondere Regelungen für Auftragsvergaben im Sektorenbereich bzw spezifische weitergehende Ausnahmebestimmungen. Die wesentlichen Besonderheiten werden im Folgenden kurz dargestellt.
A. Auftragsvergabe an verbundene Unternehmen Die Sektorenbestimmungen kennen besondere Privilegierungen für Leistungsbeziehungen zwischen („im Konzern“) verbundenen Unternehmen (§ 2 Z 39 BVergG) sowie zwischen Gemeinschaftsunternehmen und ihren Gesellschaftern (§ 176 BVergG). Leistungsvergaben durch Sektorenauftraggeber sind innerhalb bestehender Unternehmensgruppen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen, sodass grundsätzlich weder konzerninterne Beschaffungen (die Ausnahmeregelung knüpft allerdings an bestimmte Umsatzgrenzen an, s § 176 Abs 2 BVergG) noch Leistungsbeziehungen zwischen joint ventures und ihren Gründungsunternehmen (wobei die Beziehung zwischen Gründungsunternehmen und dem gemeinsamen Unternehmen eine gewisse zeitliche Dauer aufweisen muss, vgl § 176 Abs 4 BVergG) einer vergaberechtlichen Ausschreibungspflicht unterliegen. Diese für Sektorenauftraggeber vorgesehene besondere Ausnahmebestimmung für „Aufträge an verbundene Unternehmen“ ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass der Anbietermarkt gerade in den (netzgebundenen) Infrastruktursektoren stark von konzernartigen Strukturen geprägt ist.
B. Wahl des Vergabeverfahrens Die Wahl des Vergabeverfahrens ist für Sektorenauftraggeber in den §§ 194 ff BVergG gesondert geregelt. Grundsätzlich können Sektorenauftraggeber frei zwischen dem offenen Verfahren, dem nicht offenen Verfahren nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb und dem Verhandlungsverfahren nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb wählen. Im Unterschied zur öffentlichen Auftragsvergabe zählt das Verhandlungsverfahren sohin im Sektorenbereich zu den Regelverfahren. Voraussetzung ist, dass ein Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wird, was
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VI. Besonderheiten für Auftragsvergaben in den Sektoren
im Wesentlichen mittels öffentlicher Bekanntmachung oder durch Bekanntmachung über das Bestehen eines Prüfsystems (§ 232 BVergG) erfolgen kann. Vom vorherigen Aufruf zum Wettbewerb kann nur unter den in § 195 BVergG genannten Gründen abgesehen werden. Mit der im Unterschied zu den klassischen Auftraggebern erweiterten Wahlfreiheit soll den Sektorenauftraggebern mehr Flexibilität im wirtschaftlichen Wettbewerb ermöglicht werden. Angesichts dieser Privilegierung steht Auftraggebern im Sektorenbereich der wettbewerbliche Dialog nicht zur Verfügung. Die rechtspolitische Sinnhaftigkeit dieser Differenzierung zwischen klassischem und Sektorenbereich ist allerdings zu hinterfragen. Wenn der wettbewerbliche Dialog für bestimmte Fallkonstellationen eine leistungsfähigere Alternative zum Verhandlungsverfahren darstellen soll, dann kann der Verweis auf die freie Wahlmöglichkeit des Verhandlungsverfahrens nicht rechtfertigen, dass dieses Instrument den Sektorenauftraggebern nicht zur Verfügung steht, zumal gerade im Sektorenbereich die Vergabe komplexer Infrastrukturvorhaben eine besondere Rolle spielt.
Im USB hat der Sektorenauftraggeber die freie Wahl zwischen allen Vergabeverfahren, ausschließlich der Direktvergabe, die nur bis zu einem Auftragswert von EUR 60.000,– zulässig ist (§ 201 BVergG). Hinzuweisen ist auch darauf, dass im Sektorenbereich Wahlfreiheit der Auftraggeber hinsichtlich des Einsatzes des Best- oder Billigstbieterprinzips besteht (§ 271 BVergG).
C. Freistellung vom Anwendungsbereich Die Regulierung der Auftragsvergabe in den Sektoren zielt auf Tätigkeitsfelder ab, in denen sich wettbewerblich geprägte Märkte – insbesondere aufgrund staatlicher Einflussnahme – (noch) nicht etablieren konnten. Nicht dem (Sektoren-) Vergaberecht unterfallen sollen demgegenüber Tätigkeiten, die auf Märkten ohne Zugangsbeschränkungen dem freien Wettbewerb ausgesetzt sind. Basierend auf diesem Grundgedanken sieht § 179 BVergG ein Verfahren vor, das die Freistellung von Sektorentätigkeiten aus dem Anwendungsbereich der Vergabebestimmungen für alle Sektorentätigkeiten ermöglicht, wenn die Sektorentätigkeit in Österreich auf einem Markt mit freiem Zugang unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist. Der freie Marktzugang wird vermutet, wenn bestimmte gemeinschaftliche Rechtsvorschriften zur Liberalisierung des betroffenen Sektors oder Teilsektors in Österreich umgesetzt wurden und angewendet werden. Basiert der freie Zugang zum Markt hingegen nicht auf gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, etwa weil in diesem Bereich noch keine gemeinschaftsweiten Liberalisierungsakte erlassen wurden, muss dieser „de iure und de facto“ nachgewiesen werden.
C. Freistellung vom Anwendungsbereich
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Ob die betroffene Sektorentätigkeit unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Wettbewerbsregeln des EGV. Maßgeblich dabei sind die Merkmale der betreffenden Waren und Dienstleistungen, das Vorhandensein von Alternativen sowie die Preis- und Anbieterstruktur auf dem relevanten Markt.
Die Freistellung vom Sektorenvergaberecht setzt eine entsprechende Entscheidung der Europäischen Kommission voraus. Das Verfahren kann von einem Mitgliedstaat, einem Sektorenauftraggeber oder von Amts wegen eingeleitet werden. Infolge einer positiven Freistellungsentscheidung der Kommission sind die betroffenen Sektorenauftraggeber zur Gänze vom Anwendungsbereich des BVergG ausgenommen, sie unterliegen daher auch nicht mehr dem Anwendungsbereich der klassischen Vergabebestimmungen (vgl § 179 Abs 1 BVergG [„Vergabeverfahren von Sektorenauftraggebern fallen nicht unter dieses Bundesgesetz …“] sowie Art 12 Abs 1 allgemeine Vergaberichtlinie). Freistellungsentscheidung Aufgrund einer Freistellungsentscheidung der Europäischen Kommission ist die Erzeugung von Strom in Österreich von der Anwendung der Sektorenrichtlinie ausgenommen (Entscheidung der Kommission vom 7.7.2008, ABl v 16.7.2008, L 188/28).
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VII. Rechtsschutz
VII. Rechtsschutz A. Allgemeines Die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Vergabewettbewerbs und damit die Vorsorge für eine wirtschaftliche, effiziente Auftragsvergabe ist eng mit der Sicherung und Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens verschränkt. Die Gewährleistung von Individualrechtsschutz für die Bieter trägt zur Intensität des Vergabewettbewerbs bei, indem sie das Vertrauen in eine rechtsrichtige Vergabeentscheidung und damit die Bereitschaft, sich an einem Vergabewettbewerb zu beteiligen, erhöht. Der Vergabekontrolle kommt daher für die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Vergabewettbewerbs und den Bieterschutz besondere Bedeutung zu (s zu den Zielsetzungen des Vergaberechts und zu deren Zusammenwirken oben Pkt I.D.). Die öffentlich-rechtliche Kontrolle der Vergabeentscheidungen war in Österreich lange Zeit auf die allgemeinen Möglichkeiten der öffentlichen Verwaltungskontrolle (dazu zählen die Kontrolle durch Rechnungshof, Volksanwaltschaft, politisch-parlamentarische Kontrolle oder Aufsichtsbeschwerde) beschränkt. Zu den Schwachpunkten dieser Kontrollmechanismen zählte neben dem Umstand, dass sie im Regelfall auf eine bloße ex post (also nachträgliche) Kontrolle hinausliefen, zudem, dass der einzelne Bieter auf das Tätigwerden der jeweiligen Einrichtung im Regelfall keinen Einfluss nehmen konnte. Im Ergebnis mangelte es daher an effektiven Rechtsschutzmechanismen. Der Grundstock für eine nachhaltige(re) Ausgestaltung des Rechtsschutzes im Vergaberecht entwickelte sich aus dem Zivilrecht. In der Rechtsprechung der Zivilgerichte wurden zum einen den übergangenen Bietern bei Verletzung der vorvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten Schadenersatzansprüche aus der culpa in contrahendo-Haftung zugesprochen. Zum anderen wurde den von der Auftragsvergabe ausgeschlossenen Interessenten ein auf die Fiskalgeltung des Gleichheitssatzes gestützter privatrechtlicher Anspruch auf Teilnahme am Vergabeverfahren eingeräumt. Der gerichtliche Bieterschutz leistete so einen zentralen Beitrag zur weiteren Entwicklung des Rechtsschutzes im Vergaberecht. Allerdings warfen das im Vergleich zum verwaltungsbehördlichen Verfahren hohe Prozesskostenrisiko, das ein Bieter auf sich nehmen muss, wenn er etwa seinen Anspruch auf Teilnahme am Vergabewettbewerb einzuklagen beabsichtigt, und die verhältnismäßig lange Dauer der Verfahren
B. Innerstaatlicher Rechtsschutz
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Zweifel daran auf, ob dadurch ein effizienter Rechtsschutz, wie ihn das Gemeinschaftsrecht fordert, gewährleistet werden kann. Für die Nachprüfung und Kontrolle von Vergabeverfahren wurde daher der Weg eines öffentlich-rechtlich ausgeformten, vergabespezifischen Rechtsschutzes vor Vergabekontrolleinrichtungen eingeschlagen. Für die Erlangung von Schadenersatz ist – zusätzlich dazu – (nach wie vor) die Anrufung ordentlicher Zivilgerichte erforderlich. Hinzu kommen die Regelungen des allgemeinen Wettbewerbsrechts (s dazu oben Pkt V.D.3.b.). Schließlich sind auch auf europäischer Ebene Mechanismen vorgesehen, die den Bietern Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnen. Die Ausgestaltung des vergabespezifischen Rechtsschutzes hat neben gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch auf die Anforderungen des innerstaatlichen Verfassungsrechts Bedacht zu nehmen: So war es nach Auffassung des VfGH gleichheitswidrig und damit verfassungswidrig, dass zunächst (mit den ursprünglichen Vergabegesetzen) außenwirksame Regelungen des Vergabeverfahrens nur im OSB vorgesehen wurden und den Bietern nur in diesem Bereich Rechtspositionen zukamen und ein vergaberechtlicher Rechtsschutz gewährt wurde (vgl für das BVergG 1993 VfSlg 16.027/2000 sowie für die Rechtslage nach dem BVergG 1997 VfSlg 16.073/2001 und die Folgejudikatur zu den – damaligen – Vergabegesetzen der Länder). Diese unsachliche Differenzierung konnte auch durch das Gemeinschaftsrecht, das außenwirksame gesetzliche Regelungen bloß für Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte gebietet (s dazu Pkt II.C.), nicht gerechtfertigt werden. Vielmehr ist nach der Judikatur des VfGH auch eine allfällige Gemeinschaftsrechtskonformität keine sachliche Rechtfertigung für eine (verfassungswidrige) Ungleichbehandlung der Bieter unter- und oberhalb der Schwellenwerte, da der innerstaatliche Gesetzgeber sowohl an gemeinschaftsrechtliche, als auch an innerstaatlich-verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden ist und damit eben einer doppelten Bindung unterliegt (dazu schon oben Pkt II.G.). Diese Rechtsprechung des VfGH machte eine Ausdehnung des vergabespezifischen Rechtsschutzes vor Vergabekontrollbehörden auch auf Auftragsvergaben unterhalb der in den EG-Vergaberichtlinien verankerten Schwellenwerte erforderlich.
B. Innerstaatlicher Rechtsschutz Die kompetenzrechtliche Grundlage für Gesetzgebung und Vollziehung im Bereich des vergabespezifischen Rechtsschutzes enthält Art 14b B-VG. Dieser weist „Angelegenheiten der Nachprüfung“ im Rahmen der Vergabe von Aufträgen durch dem Bund zurechenbare Auftraggeber in die Gesetzgebungs- und Vollzugskompetenz des Bundes. Hinsichtlich der Nachprüfung von Auftragsvergaben durch dem Land zurechenbare Auftraggeber ist die Gesetzgebung und Vollziehung hingegen Landessache (Art 14b Abs 3 iVm Abs 2 Z 2 B-VG).
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VII. Rechtsschutz
Auftragsvergaben im Vollzugsbereich der Länder unterliegen somit einem geteilten vergaberechtlichen Regelungsregime, das für die „materiellen“ Vergaberegelungen vom Bund, für den vergaberechtlichen Rechtsschutz von den Ländern wahrgenommen wird. Die im BVergG enthaltenen Regelungen über den vergabespezifischen Rechtsschutz finden daher grundsätzlich nur auf jene Vergabeverfahren Anwendung, die von Organen des Bundes bzw dem Bund zurechenbaren öffentlichen Auftraggebern durchgeführt werden. Umgekehrt hat die Beurteilung, welche Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Auftragsvergaben von Organen der Länder bzw den Ländern zurechenbaren öffentlichen Auftraggebern zur Verfügung stehen, auf Basis der Vergabenachprüfungsgesetze der Länder (s dazu die Auflistung unter Pkt VIII.) zu erfolgen. Auftraggeber im Vollzugsbereich des Bundes ZB BRZ GmbH, Bundesimmobiliengesellschaft mbH (BIG), Österreichische Bundesforste AG, Umweltbundesamt GmbH, Museum nach dem Bundesmuseengesetz (zB Kunsthistorisches oder Technisches Museum), DonauUniversität Krems, ASFINAG, AUVA, Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) etc. Auftraggeber im Vollzugsbereich der Länder ZB Innsbrucker Kommunalbetriebe AG, Wiener Linien GmbH & Co KG. „Fußballstadion Klagenfurt“ Die besondere Relevanz der umschriebenen Zuständigkeitsregeln zeigte sich anhand des – schließlich an den VfGH herangetragenen – Falles „Fußballstadion Klagenfurt“: Der Österreichische Fußballbund und der Schweizer Fußballverband haben den Zuschlag zur Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2008 (EURO 2008) erhalten. Als Austragungsort war ua Klagenfurt vorgesehen, wobei das Stadion Klagenfurt den Vorgaben des Europäischen Fußballverbandes (UEFA) entsprechen musste. Zu diesem Zweck schlossen das Land Kärnten, die Stadt Klagenfurt sowie der Bund eine „Grundsatzvereinbarung“ betreffend den Neubau des Stadions Klagenfurt. Diese Grundsatzvereinbarung sah ua Folgendes vor: „Die Stadt Klagenfurt verpflichtet sich zum Neubau des Basisstadions und dessen Ausbau bis 30. September 2006. Die Stadt Klagenfurt kann zur Erfüllung dieser Verpflichtung einen anderen Rechtsträger heranziehen bzw ein PPP-Modell verwirklichen, wenn es zur effizienteren Durchführung des Projektes zweckmäßig ist.“ Die Vergabebekanntmachung erfolgte am 3.1.2004 im ABl der EG. Der öffentliche Auftraggeber wurde wie folgt bezeichnet: „Offizieller Name und Anschrift des öffentlichen Auftraggebers: Republik Österreich BUND, ÖISS Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau.“ Die Bezeichnung des Auftrags durch den Auftraggeber lautete: „Stadionneubau inkludierend Baufreimachung, Planung und Errichtung in Klagenfurt Waidmannsdorf für EURO 2008 – 30.000 Sitzplätze netto sowie Rückbau.“ Im Verlauf dieses Vergabeverfahrens stellten mehrere Bieter Rechtsmittelanträge an den UVS Kärnten sowie an das BVA; diese Rechtsschutzanträge wurden jedoch von beiden Rechtsschutzeinrichtungen mangels Zuständigkeit mit Bescheid zurückgewiesen. Während der UVS Kärnten den Bund als
B. Innerstaatlicher Rechtsschutz
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öffentlichen Auftraggeber ansah und demzufolge von der Zuständigkeit des BVA zur Durchführung des Rechtsschutzverfahrens ausging, kam das BVA seinerseits zum Schluss, dass als öffentlicher Auftraggeber die Stadt Klagenfurt zu werten sei, sodass nicht das BVA, sondern der UVS Kärnten zur Entscheidung über die Rechtsschutzanträge berufen sei. Aus Anlass dieses „negativen Kompetenzkonflikts“ zwischen einem Land und dem Bund (Art 138 Abs 1 Z 3 B-VG) hatte sich der VfGH mit der Frage der Zuständigkeit der Rechtsschutzinstanzen zu befassen. Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass die Landeshauptstadt Klagenfurt beabsichtigte, den Bauauftrag mit der in Aussicht genommenen Bietergemeinschaft abzuschließen und daher auch als Auftraggeber anzusehen sei. Dies hatte zur Folge, dass der UVS Kärnten (und nicht das BVA) zur Entscheidung über die gegen die Auftraggeberentscheidungen gerichteten Rechtsschutzanträge zuständig war. Dass in der Vergabebekanntmachung fälschlicher Weise der Bund als öffentlicher Auftraggeber genannt wurde, könne laut VfGH zwar die Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens zur Folge haben; an der Zuständigkeit des UVS Kärnten für das Nachprüfungsverfahren betreffend die Entscheidung einer Kärntner Gemeinde ändere dies aber nichts (VfSlg 17.678/2005).
1. Rechtsschutzverfahren vor dem Bundesvergabeamt Im Bundesbereich obliegt die Wahrnehmung des vergabespezifischen Rechtsschutzes dem Bundesvergabeamt (BVA). Dabei handelt es sich um eine durch entsprechende Verfassungsbestimmungen eingerichtete oberste Kollegialbehörde eigener Art. Die Mitglieder des beim BMWA angesiedelten BVA sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und weisungsfrei (§ 295 BVergG, Verfassungsbestimmung). Die im Geschäftsapparat tätigen Bediensteten unterstehen fachlich nur den Weisungen des Vorsitzenden (§ 309 Abs 2 BVergG, Verfassungsbestimmung). Zudem ist das BVA – wie auch sämtliche Vergabekontrollbehörden der Länder – gemäß Art 14b Abs 6 B-VG zur Kontrolle von Entscheidungen der obersten Verwaltungsorgane ermächtigt. Die Absicherung dieser Kontrollbefugnis als Verfassungsbestimmung war notwendig, um die (nachprüfende) Kontrolle von Vergabeentscheidungen oberster Bundes- und Landesorgane (und deren Behebung im Fall ihrer Rechtswidrigkeit) durch Verwaltungsbehörden – was der besonderen Stellung oberster Organe im Sinne des Art 19 Abs 1 B-VG widersprechen würde – verfassungsrechtlich zu ermöglichen (vgl VfSlg 15.578/1999).
Das BVA entscheidet grundsätzlich in Dreiersenaten. Jeder Senat besteht aus einem Senatsvorsitzenden, der hauptberuflich tätig ist, und zwei Beisitzern, von denen jeweils einer dem Kreis der Arbeitgeber und einer dem Kreis der Arbeitnehmer angehört. Über Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entscheidet alleine der jeweilige Vorsitzende des zuständigen Senates. Die Geschäftsordnung und die Geschäftsverteilung des BVA werden im Vorhinein für das folgende Kalenderjahr beschlossen (feste Geschäftsverteilung).
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VII. Rechtsschutz
Das BVA übt die ihm auf Grund des BVergG zugewiesenen Zuständigkeiten gleichzeitig in erster und letzter Instanz aus. Gegen Bescheide des BVA ist Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (VfGH und VwGH) möglich. Auf das Verfahren vor dem BVA kommen die Bestimmungen des AVG zur Anwendung (Art I Abs 2 lit c Z 37 EGVG). Eine Sonderstellung im vergaberechtlichen Rechtsschutz kam der BundesVergabekontrollkommission (B-VKK) zu, die als „Vorbote“ für die Errichtung des vergabespezifischen Rechtsschutzsystems bereits 1990 beim BMWA eingerichtet wurde und mit Ergehen des BVergG 1993 zunächst als obligatorische Schlichtungs- und Gutachtensinstanz (ohne behördliche Befugnisse) der Vergabekontrolle durch das BVA vorgeschalten war. Mit dem BVergG 2002 ist die Einschaltung der B-VKK auf eine rein freiwillige Inanspruchnahme zurückgeschraubt worden, das BVergG 2006 hat die B-VKK mangels praktischer Relevanz gänzlich aufgelöst.
Die Ausgestaltung des Rechtsschutzverfahrens vor dem BVA geht auf umfassende gemeinschaftsrechtliche, vor allem sekundärrechtliche Vorgaben zurück: Die Rechtsmittelrichtlinien setzen die Einräumung subjektiv durchsetzbarer Rechte der Bieter und Bewerber auf Einhaltung der Vergabebestimmungen voraus und verpflichten die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer wirksamen und raschen Nachprüfung (vgl Art 1 Abs 1 RL 89/665; s auch Art 1 Abs 1 RL 92/13/EWG für den Sektorenbereich); sie legen auch fest, welchen organisatorischen Anforderungen die Kontrollinstanzen zu entsprechen haben und mit welchen Befugnissen diese auszustatten sind. Den Vorgaben der Rechtsmittelrichtlinien ist weiters zu entnehmen, dass die zur Vergabekontrolle berufene Instanz 1. mit der Befugnis zur Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers, 2. zum Erlass vorläufiger Maßnahmen im Wege einstweiliger Verfügungen sowie 3. zur Entschädigung von infolge eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften eingetretenen Nachteilen auszustatten ist (Art 2 Abs 1 RL 89/665). Die genannten Befugnisse müssen allerdings nicht bei einer Instanz konzentriert sein, sondern können auf unterschiedliche Einrichtungen verteilt werden (Art 2 Abs 2 RL 89/665). Im Lichte dieser gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen wurde das Rechtsschutzverfahren vor dem BVA in mehrere Verfahrensarten untergliedert. Konkret finden vor dem BVA drei Arten von Verfahren statt: Nachprüfungsverfahren, Provisorialverfahren und Feststellungsverfahren. a) Nachprüfungsverfahren Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens werden Auftraggeberentscheidungen, die in einem noch laufenden Vergabeverfahren getroffen wur-
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den, einer (begleitenden) Rechtmäßigkeitskontrolle unterzogen. Nachprüfungsverfahren sind demgemäß nur bis zur Beendigung des Vergabeverfahrens durch Zuschlagserteilung oder Widerrufserklärung zulässig; die Zuschlagserteilung bzw Widerrufserklärung selbst können demgegenüber mittels Nachprüfungsantrag nicht mehr überprüft werden. Das BVA ist auf Grundlage eines Nachprüfungsantrags ermächtigt, Entscheidungen des Auftraggebers mit Bescheid für nichtig zu erklären. Dadurch tritt das Vergabeverfahren in den Zustand vor Ergehen der rechtswidrigen Auftraggeberentscheidung zurück (es wird durch die Entscheidung des BVA maW der Zustand der „Nichtentscheidung“ hergestellt). Das BVA ist nicht befugt, Handlungen anstelle des Auftraggebers zu setzen, etwa indem Auftraggeberentscheidungen abgeändert oder durch die Behörde „suppliert“ werden. Keine Entscheidungen anstelle des Auftraggebers Das BVA ist nicht befugt, über den Antrag eines Bieters, sein Angebot „inhaltlich richtigstellen“ zu dürfen, inhaltlich abzusprechen. Auch ein Antrag, bestimmte Angebote (anstelle des Auftraggebers) aus dem Vergabeverfahren auszuscheiden, wäre vom BVA als unzulässig zurückzuweisen.
(1) Gesondert und nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sind Entscheidungen des Auftraggebers, wobei das BVergG den Begriff „Entscheidung“ als „jede Festlegung eines Auftraggebers im Vergabeverfahren“ definiert. Nur bestimmte, sogenannte gesondert anfechtbare Entscheidungen können unmittelbar – mittels Nachprüfungsantrag – angefochten und von den Vergabekontrollbehörden für nichtig erklärt werden. Die gesondert anfechtbaren Entscheidungen des Auftraggebers sind in § 2 Z 16 lit a BVergG abschließend verzeichnet. Welche Entscheidungen gesondert anfechtbar sind, unterscheidet sich je nach Verfahrensart. Alle übrigen Entscheidungen, die den gesondert anfechtbaren Entscheidungen zeitlich vorangehen, werden als nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen bezeichnet (§ 2 Z 16 lit b BVergG). Deren Rechtswidrigkeit kann nur im Zuge der Bekämpfung der nächstfolgenden gesondert anfechtbaren Entscheidung geltend gemacht werden. Ein gegen eine nicht gesondert anfechtbare Entscheidung gerichteter Nachprüfungsantrag wäre daher vom BVA als unzulässig zurückzuweisen. Bekämpfen nicht gesondert anfechtbarer Entscheidungen Im offenen Verfahren zählen die Ausschreibung, sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist, das Ausscheiden eines Angebots, die Widerrufsentscheidung sowie die Zuschlagsentscheidung zu den gesondert anfechtbaren
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VII. Rechtsschutz
Entscheidungen. Will daher ein Bieter eine Mitteilung des Auftraggebers bekämpfen, wonach sein Angebot einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen wird und hiefür bestimmte Nachweise zu erbringen sind, muss er die Zuschlagsentscheidung, die die nächstfolgende, gesondert anfechtbare Entscheidung darstellt, zum Gegenstand seines Nachprüfungsantrags machen.
Überblicksweise stellen sich die gesondert anfechtbaren Entscheidungen für die wichtigsten Verfahrensarten wie folgt dar (§ 2 Z 16 lit a BVergG): Verfahrensart
Gesondert anfechtbare Entscheidung(en)
offenes Verfahren
– Ausschreibung – sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist – Ausscheiden eines Angebots – Widerrufsentscheidung – Zuschlagsentscheidung
nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung bzw nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb
– Ausschreibung (Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrags) – Nicht-Zulassung zur Teilnahme – Aufforderung zur Angebotsabgabe – sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist – Ausscheiden eines Angebots – Widerrufsentscheidung – Zuschlagsentscheidung
nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung bzw ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb
– Aufforderung zur Angebotsabgabe – sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist – Ausscheiden eines Angebots – Widerrufsentscheidung – Zuschlagsentscheidung
Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung bzw nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb
– Ausschreibung (Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrags) – Nicht-Zulassung zur Teilnahme – Aufforderung zur Angebotsabgabe – sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw der Angebotsfrist – Ausscheiden eines Angebots – Widerrufsentscheidung – Zuschlagsentscheidung
B. Innerstaatlicher Rechtsschutz
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Verfahrensart
Gesondert anfechtbare Entscheidung(en)
Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung bzw ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb
– Aufforderung zur Angebotsabgabe – sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw der Angebotsfrist – Ausscheiden eines Angebots – Widerrufsentscheidung – Zuschlagsentscheidung
Direktvergabe
– Wahl des Vergabeverfahrens
(2) Anfechtungsfristen und Präklusion Anträge auf Nachprüfung gesondert anfechtbarer Entscheidungen müssen – bei sonstiger Unzulässigkeit – innerhalb bestimmter Anfechtungsfristen eingebracht werden (§ 321 iVm § 322 Abs 2 Z 2 BVergG). Erfolgt keine Anfechtung innerhalb der vorgesehenen Antragsfristen, kommt es zur Präklusion. Die betreffende gesondert anfechtbare Entscheidung (und die ihr vorangehenden nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen) können in weiterer Folge nicht mehr mittels Nachprüfungsantrag bekämpft werden. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass möglichst frühzeitig über eine allfällige Rechtswidrigkeit von Auftraggeberentscheidungen abgesprochen wird und nicht die Rechtmäßigkeit vorangegangener Verfahrensstadien erst zu einem späteren Zeitpunkt, in dem das Vergabeverfahren möglicher Weise bereits sehr weit fortgeschritten ist, in Frage gestellt werden kann. Die Anfechtungsfrist beginnt ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Antragsteller von der gesondert anfechtbaren Entscheidung Kenntnis erlangt hat bzw erlangen hätte können.
Präklusion Bekämpft ein Bieter mittels Nachprüfungsantrag die Zuschlagsentscheidung im Vergabeverfahren mit dem Argument, eine Ausschreibungsbestimmung lasse die objektive Vergleichbarkeit der eingelangten Angebote nicht zu, so ist er, wenn er die Ausschreibung (als gesondert anfechtbare Entscheidung) nicht beeinsprucht hat, mit diesem Vorbringen präkludiert. Das BVA erachtet sich daher bei Anfechtung nachfolgender Auftraggeberentscheidungen nicht (mehr) zur Prüfung der – „bestandsfest“ gewordenen – Ausschreibungsunterlagen befugt (zB BVA 10.5.2007, N/0007-BVA/15/2007-67 mwN). Im Einzelnen ist die Spruchpraxis zur Frage der Reichweite der „Bestandskraft nicht bekämpfter Auftragsgeberentscheidungen sowie insbesondere zur Möglichkeit ihrer „Durchbrechung“ aber uneinheitlich.
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VII. Rechtsschutz
Überblicksweise stellen sich die Anfechtungsfristen wie folgt dar (§ 321 BVergG). Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibungs- oder Wettbewerbsunterlagen bzw der Aufforderung zur Einbringung eines Teilnahmeantrags
Frist
– sofern die Angebotsfrist, die Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten oder die Teilnahmefrist weniger als 15 Tage beträgt
3 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist, der Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten oder der Teilnahmefrist
– in allen übrigen Fällen
7 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist, der Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten oder der Teilnahmefrist
Anträge auf Nachprüfung einer sonstigen gesondert anfechtbaren Entscheidung
Frist
– bei beschleunigten Verfahren wegen Dringlichkeit (§ 63 BVergG) – bei Verfahren, in denen die Angebotsfristen gemäß § 61 und gleichzeitig gemäß § 62 kumuliert verkürzt wurden – im Falle der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung bei der Vergabe von Aufträgen im Wege einer elektronischen Auktion oder auf Grund eines dynamischen Beschaffungssystems – im Falle der Bekämpfung der Widerrufsentscheidung bei Verfahren mit verkürzter Stillhaltefrist (§ 140 Abs 4 bzw 279 Abs 4 BVergG) – bei Direktvergaben – bei Verfahren im USB
7 Tage
– in allen übrigen Fällen
14 Tage
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(3) Inhalt und Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags Das Nachprüfungsverfahren vor dem BVA ist antragsbedürftig. Zur Einleitung des Nachprüfungsverfahrens legitimiert ist gemäß §§ 320 Abs 1 BVergG ein Unternehmer, der am Abschluss eines dem BVergG unterliegenden Vertrages interessiert ist, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Die Antragsvoraussetzungen müssen kumulativ (dh alle gemeinsam) vorliegen. Nachprüfungsanträge müssen jedenfalls folgenden Inhalt aufweisen (§ 322 Abs 1 BVergG): x genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens und der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung, x genaue Bezeichnung des Auftraggebers, x Sachverhaltsdarstellung, x Darlegung des Interesses des Antragstellers am Vertragsabschluss, x Angaben über den entstandenen oder drohenden Schaden für den Antragsteller, x Bezeichnung des verletzten Rechts, x Gründe der Rechtswidrigkeit, x Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung, x Angaben, die zur Beurteilung der Fristgerechtigkeit des Antrages erforderlich sind.
Anträge, die sich gegen eine nicht gesondert anfechtbare Entscheidung richten, die nicht innerhalb der Anfechtungsfrist gestellt wurden oder die nicht ordnungsgemäß vergebührt wurden, sind unzulässig und zurückzuweisen (§ 322 Abs 2 BVergG). Der Eingang eines Nachprüfungsantrags ist vom zuständigen Senatsvorsitzenden des BVA unverzüglich im Internet bekannt zu machen (s http://www.bva.gv.at/BVA/Amtstafel/Verfahrenseinleitung/default.htm). (4) Parteistellung Parteien des Nachprüfungsverfahrens sind jedenfalls der Antragsteller und der Auftraggeber (§ 324 Abs 1 BVergG). Parteistellung kommt ferner jenen Unternehmern zu, die durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen nachteilig betroffen sein können (ĺ Antragsgegner). Insbesondere ist im Falle der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung der für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieter Partei des Nachprüfungsverfahrens.
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VII. Rechtsschutz
Die Antragsgegner verlieren allerdings ihre Parteistellung, wenn sie ihre begründeten Einwendungen gegen die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht binnen einer Frist von zwei Wochen erheben (§ 324 Abs 3 BVergG). Findet vor Ablauf dieser Frist eine mündliche Verhandlung statt, müssen die Einwendungen spätestens in der mündlichen Verhandlung erhoben werden. (5) Entscheidung des BVA Das BVA ist bei seiner Prüfung an das gestellte Begehren und den geltend gemachten Beschwerdepunkt gebunden. Es ist dem BVA damit grundsätzlich verwehrt, die angefochtene Auftraggeberentscheidung umfassend und in jede Richtung auf ihre Rechtmäßigkeit zu untersuchen. Vielmehr dient das Nachprüfungsverfahren der Klärung der Frage, ob das vom Antragsteller bezeichnete subjektive Recht, in dem er sich durch den Auftraggeber als verletzt erachtet, tatsächlich verletzt wurde. Andere als die vom Antragsteller geltend gemachten Rechtswidrigkeiten dürfen vom BVA nicht aufgegriffen werden. Beschwerdepunkt Als subjektive Rechtsverletzungen können zB das Recht des Bieters auf „Zuschlagsentscheidung zu seinen Gunsten“, auf ein „transparentes Vergabeverfahren“, das Recht auf Gleichbehandlung aller Bieter etc geltend gemacht werden.
Kommt das BVA zum Ergebnis, dass der Nachprüfungsantrag begründet ist, so hat es die angefochtene, gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 325 Abs 1 BVergG für nichtig zu erklären, wenn diese oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung die im Rahmen des Beschwerdepunktes geltend gemachten subjektiven Rechte des Antragstellers verletzt und wenn die festgestellte Rechtswidrigkeit für den Verfahrensausgang von wesentlichem Einfluss ist. Zur Nichtigerklärung einer Auftraggeberentscheidung sollen also nur jene Rechtsverstöße führen, die ein anderes Ergebnis des Vergabeverfahrens bewirken könnten. b) Vorläufiger Rechtsschutz Die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens hat keine Suspensivwirkung (also keine aufschiebende Wirkung) für das laufende Vergabeverfahren, sodass trotz Nachprüfungsantrags das Vergabeverfahren grundsätzlich weiterläuft. Über Antrag kann aber vorläufiger Rechtsschutz (Provisorialrechtsschutz) vor dem BVA erlangt werden, was verhindern soll, dass der Auftraggeber im Vergabeverfahren unumkehrbare Tatsachen schafft, bevor das BVA über die vom Antragsteller behauptete Rechtswidrigkeit in der Hauptsache entschieden hat. Dem Rechtsschutz-
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suchenden steht daher, um das laufende Vergabeverfahren für einen gewissen Zeitraum aussetzen und damit insbesondere die Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter aufschieben zu können, die Möglichkeit zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung offen. Das Verfahren über den Antrag auf einstweilige Verfügung (ĺ Provisorialverfahren) ist grundsätzlich als eigenständiges, antragsgebundenes Verfahren vor dem BVA ausgestaltet. Es steht aber nicht vollkommen losgelöst neben dem Hauptsacheverfahren (= Nachprüfungsverfahren), sondern setzt dessen prinzipielles Bestehen voraus: Wurde noch kein Nachprüfungsantrag gestellt, sind Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur zulässig, wenn sie binnen offener Nachprüfungsfrist beim BVA eingebracht werden (§ 328 Abs 3 BVergG). Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung selbst ist nur ausnahmsweise mit Suspensivwirkung verbunden; im Regelfall bewirkt erst die stattgebende Entscheidung des BVA und damit die – bescheidförmige – Erlassung der einstweiligen Verfügung das Eintreten des Provisorialrechtsschutzes. Lediglich solche Anträge, die die Untersagung der Zuschlagserteilung oder der Widerrufserklärung bzw die Unterlassung der Angebotsöffnung mittels einstweiliger Verfügung begehren, entfalten bis zur behördlichen Entscheidung über den Antrag aufschiebende Wirkung (§ 328 Abs 5 BVergG). Das BVA ist gemäß § 329 Abs 2 BVergG ermächtigt, mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Auftraggeberentscheidungen bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorübergehend auszusetzen oder sonstige geeignete Maßnahmen anzuordnen. Zu diesem Zweck ist eine Interessenabwägung zwischen den Interessen der Öffentlichkeit, jenen des Auftraggebers und der Bieter vorzunehmen: Die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens sind gegeneinander abzuwägen. Es handelt sich dabei naturgemäß um Einzelfallbeurteilungen. Zu prüfen ist daher für den jeweiligen Einzelfall nicht nur, ob es besondere öffentliche Interessen an der Fortführung des Vergabeverfahrens gibt, sondern diese besonderen öffentlichen Interessen sind auch den Interessen des Bieters oder allfälligen öffentlichen Interessen an einer Klärung des Rechtsstreits vor Weiterführung des Vergabeverfahrens gegenüber zu stellen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abzuweisen. Interessenabwägung Als Beispiel für die Kriterien, die das BVA im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt, sowie deren Gewichtung kann auf die Spruchpraxis im Verkehrsbereich verwiesen werden: Zwar kommt dabei der körperlichen Sicherheit der Verkehrsteilnehmer traditionell große Bedeutung zu, nicht
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VII. Rechtsschutz
jede Straßenerhaltungsmaßnahme wird aber automatisch als unmittelbare Sicherung von Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer angesehen. Auch in diesem Bereich können daher die Bieterinteressen, also die Interessen an der einstweiligen Aussetzung des Vergabeverfahrens, das Interesse an der raschen Durchführung des Projekts überwiegen. Ein besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens bestand bei einer durch Verschiebung der Bauarbeiten bewirkten Verlängerung der Unfallhäufigkeit (BVA 14.10.2002, 9N-49/02-9), bei einem Sicherheitsdefizit und starker Verkehrsbelastung im Tunnelsanierungsbau (BVA 23.10.2002, 12N-55/02-12) oder bei der durch die Verzögerung der Lieferung von Impfstoffen bewirkten Beeinträchtigung von Leib und Leben bzw der körperlichen Unversehrtheit von Kleinstkindern (BVA 11.1.2008, N/0007-BVA/05/2008-EV15).
Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar und vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpfbar. Sie dürfen nur befristet ergehen und treten spätestens mit der Hauptsachentscheidung (= Entscheidung über den Nachprüfungsantrag) außer Kraft (§ 329 Abs 3 und 4 BVergG). c) Feststellungsverfahren Nach Beendigung des Vergabeverfahrens durch Zuschlagserteilung oder Widerruf können die das Verfahren abschließenden Entscheidungen des Auftraggebers auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Es handelt sich dabei um einen nachträglichen Kontrollmechanismus, da das Vergabeverfahren grundsätzlich bereits beendet ist und nicht – jedenfalls nicht im Rahmen des Rechtsschutzverfahrens vor dem BVA – wieder aufgerollt werden kann. Demgemäß sind Feststellungsanträge auf die bescheidmäßige Feststellung eines Rechtsverstoßes des Auftraggebers gerichtet. Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens kann gemäß § 331 BVergG das BVA auf Antrag mit Bescheid feststellen, dass: x die Wahl der Direktvergabe oder eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung rechtswidrig war; x der Zuschlag rechtswidriger Weise nicht dem Best- oder Billigstbieter erteilt wurde; x die Widerrufserklärung rechtswidrig war; x die Zuschlagserteilung, die ohne Verfahrensbeteiligung weiterer Unternehmer direkt an einen Unternehmer erfolgte, offenkundig unzulässig war.
Diese Feststellungen hat das BVA nur dann zu treffen, wenn die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss war (§ 334 BVergG). Gegenanträge des Auftraggebers und des Zuschlagsempfängers auf Feststellung, dass der Antragsteller auch bei Einhaltung der Bestimmungen des
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BVergG und der dazu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, sind im Feststellungsverfahren zur Überprüfung der Zuschlagserteilung und der Rechtmäßigkeit der Widerrufserklärung möglich. Einer derartigen Feststellung kommt besondere Bedeutung für einen allfälligen Schadenersatzprozess zu: Hat das BVA festgestellt, dass der Geschädigte auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, besteht kein Anspruch auf Zuerkennung von Schadenersatz (§ 338 Abs 1 BVergG). Die Feststellung dient daher auch der Entlastung der ordentlichen Gerichte in Vergabeangelegenheiten (dazu sogleich Pkt VII.B.2.).
Überdies besteht für den am Vertragsschluss interessierten Bieter die Möglichkeit, Feststellung darüber zu beantragen, dass der Auftraggeber nach erheblichem Überschreiten der Zuschlagsfrist und entgegen dem Ersuchen des Bieters um Fortsetzung des Verfahrens das Verfahren weder beendet (durch Zuschlag oder Widerruf) noch in angemessener Frist fortgeführt hat. Auf diesem Wege kann Rechtsschutz dagegen erlangt werden, dass ein Auftraggeber ein Vergabeverfahren faktisch nicht weiterführt, ohne eine förmliche Entscheidung über die Beendigung des Verfahrens zu treffen. Ein entsprechender Bescheid des BVA darf nur erlassen werden, wenn der Antragsteller den Auftraggeber um Fortführung des Vergabeverfahrens ersucht hat. Die Feststellung des BVA ersetzt die förmliche Widerrufserklärung des Auftraggebers (s dazu schon oben Pkt V.D.8.). Das Feststellungsverfahren vor dem BVA ist ein subsidiäres Verfahren: Hätte die geltend gemachte Rechtswidrigkeit bereits in einem Nachprüfungsverfahren vor dem BVA angefochten werden können, ist der Feststellungsantrag unzulässig und vom BVA zurückzuweisen (§ 332 Abs 5 BVergG). Dadurch soll verhindert werden, dass rechtswidrige Auftraggeberentscheidungen erst relativ spät geltend gemacht werden, nämlich dann, wenn kein Primärrechtsschutz (durch Nachprüfungsantrag und Nichtigerklärung der Auftraggeberentscheidung) mehr gewährt werden kann.
Für die Einbringung einer Schadenersatzklage setzt § 341 Abs 2 BVergG das Vorliegen eines Feststellungsbescheids als Zulässigkeitsvoraussetzung voraus. Das bedeutet, dass in der Regel immer dann, wenn der Bieter die (objektive) Möglichkeit hatte, eine behauptete Rechtswidrigkeit im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens zu bekämpfen, kein Feststellungsverfahren und damit in der Folge auch kein Schadenersatzanspruch des Bieters in Frage kommt. Feststellungsantrag als subsidiärer Rechtsbehelf Das Feststellungsverfahren spielt praktisch vor allem dort eine Rolle, wo mangels entsprechender Transparenz potentielle Bewerber oder Bieter objektiv gar keine Möglichkeit hatten, von der Durchführung eines Vergabeverfahrens Kenntnis zu erlangen und daher auch kein Nachprüfungsverfahren beantragen konnten.
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VII. Rechtsschutz
Parteien des Feststellungsverfahrens sind gemäß § 333 BVergG der Antragsteller, der Auftraggeber und ein allfälliger Zuschlagsempfänger. Die Frist zur Stellung eines Feststellungsantrags beträgt gemäß § 332 Abs 2 BVergG sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von der rechtswidrigen Auftraggeberhandlung Kenntnis erlangt hat oder erlangen hätte können (ĺ subjektive Frist). Der Feststellungsantrag ist jedoch längstens innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten zu stellen, nachdem der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen wurde (ĺ objektive Frist). Das Recht auf Feststellung, dass eine Zuschlagserteilung, die ohne Verfahrensbeteiligung weiterer Unternehmer direkt an einen Unternehmer erfolgte, offenkundig unzulässig war, erlischt, wenn der Antrag nicht binnen einer Frist von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von der rechtswidrigen Zuschlagserteilung, oder ab dem Zeitpunkt, in dem man hiervon Kenntnis hätte haben können, längstens jedoch innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten, nachdem der Zuschlag erteilt wurde, erfolgt (§ 332 Abs 3 BVergG). Mit dieser vergleichsweise kurzen Frist soll – angesichts dessen, dass der geschlossene Vertrag mit Rechtskraft des Feststellungsbescheids nichtig wird – ein Ausgleich zwischen Rechtsschutz und Rechtssicherheit hergestellt werden.
d) Gebühren Für die Inanspruchnahme des BVA sind Gebühren zu entrichten. Es handelt sich dabei um Pauschalgebühren, die je nach Erreichen der Schwellenwerte bzw je nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren variieren. Weitere Gebühren (nach dem Gebührengesetz) sind nicht vorgesehen. Pauschalgebühren fallen – jeweils gesondert – für Nachprüfungsanträge, Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie für Feststellungsanträge an. Die Gebühr ist bei Antragstellung fällig. Wird sie trotz erfolgtem Verbesserungsauftrag nicht entrichtet, ist der Antrag vom BVA als unzulässig zurückzuweisen. Der vor dem BVA – wenn auch nur teilweise – obsiegende Antragsteller hat gemäß § 319 BVergG Anspruch auf Ersatz der von ihm entrichteten Gebühr durch den Antragsgegner (Auftraggeber). Ein Gebührenersatzanspruch steht dem Antragsteller ferner dann zu, wenn er während eines anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird. Über den Gebührenersatz entscheidet das BVA. Der VfGH hat in der – früheren – Gebührenregelung des BVergG 2002, die in der Folge auch nahezu unverändert in das BVergG 2006 übernommen worden war, aufgrund der Kumulierung und Multiplizierung der – hohen – Gebühren, die für jede gesondert anfechtbare Entscheidung zu entrichten waren, eine verfassungswidrige Behinderung
B. Innerstaatlicher Rechtsschutz
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der Effizienz des Rechtsschutzes 17.775/2006 und 17.783/2006).
festgestellt
(grundlegend
VfSlg
Der Gesetzgeber sah sich deshalb gezwungen, ein neues Pauschalgebührensystem einzuführen. Die Neuregelung sieht nunmehr im Wesentlichen vor, dass im Falle einer zwei- oder mehrfachen Befassung des BVA in derselben Rechtssache nur für den ersten Antrag die volle Gebühr zu entrichten ist. Für jeden weiteren Antrag beläuft sich diese auf 80 % der festgesetzten Gebühr. Die zu entrichtende Gebühr reduziert sich im Falle des rechtzeitigen (dh vor Bescheiderlassung bzw vor Anberaumung einer mündlichen Verhandlung) Zurückziehens des Antrages auf die Hälfte. Die Gebührensätze stellen sich überblicksweise wie folgt dar (Anhang XIX BVergG): Vergabeverfahrensart Art des zu vergebenden Auftrags
Gebühr
Direktvergabe
EUR 200,–
direkte Zuschlagserteilung (§ 132 Abs 3, § 273 Abs 3) im OSB
EUR 600,–
direkte Zuschlagserteilung (§ 132 Abs 3, § 273 Abs 3) im USB
EUR 300,–
Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im USB
Bauaufträge Liefer- und Dienstleistungsaufträge geistige Dienstleistungen
EUR 400,–
nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung im USB
Bauaufträge Liefer- und Dienstleistungsaufträge
EUR 600,– EUR 350,–
sonstige Verfahren im USB
Bauaufträge Liefer- und Dienstleistungsaufträge
EUR 2.500,– EUR 800,–
sonstige Verfahren im OSB
Bauaufträge Liefer- und Dienstleistungsaufträge
EUR 5.000,– EUR 1.600,–
EUR 300,– EUR 350,–
e) Landesrechtliche Besonderheiten In den Ländern sind mit Ausnahme von Salzburg und Wien, wo jeweils eine eigene, mit der Vergabekontrolle betraute Verwaltungsbehörde ge-
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VII. Rechtsschutz
schaffen wurden (ĺ Vergabekontrollsenate), die UVS mit dem vergabespezifischen Rechtsschutz betraut. Die Landes-Vergaberechtsschutzgesetze (s Pkt VIII.) orientieren sich hinsichtlich der Ausgestaltung der Rechtsschutzverfahren weitestgehend an den Vorschriften des BVergG für das Verfahren vor dem BVA. f) Vergabekontrollbehörden in den Ländern Bundesland
zuständige Vergabekontrollbehörde und verfahrensrechtliche Besonderheiten
Burgenland
UVS
Kärnten
UVS, Vorverfahren durch Ombudsstelle
Niederösterreich
UVS, vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren
Oberösterreich
UVS
Salzburg
VKS Salzburg Die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge obliegt dem VKS. Dieser ist als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag gem Art 133 Z 4 B-VG eingerichtet. Der VKS besteht aus einem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter und der erforderlichen Anzahl weiterer Mitglieder, die von der LReg für sechs Jahre bestellt werden, Vorsitzender und Stellvertreter gehören dem Richterstand an. Die Mitglieder sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Die Anrufung des VwGH ist zulässig.
Steiermark
UVS
Tirol
UVS, Schlichtungsversuch durch UVS möglich
Vorarlberg
UVS
Wien
VKS Wien Als Nachprüfungsbehörde wurde in Wien der VKS als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag iSd Art 133 Z 4 B-VG eingerichtet. Der VKS besteht aus sieben Mitgliedern, die von der LReg für jeweils sechs Jahre zu bestellen sind. Der Vorsitzende hat zum Zeitpunkt seiner Ernennung dem aktiven Richterstand anzugehören. Die Mitglieder des VKS sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Gegen Bescheide des VKS Wien ist die Anrufung des VwGH zulässig.
B. Innerstaatlicher Rechtsschutz
149
2. Rechtsschutz durch Zivilgerichte a) Schadenersatzverfahren Die Zuerkennung von Schadenersatz an übergangene Bieter oder Bewerber fällt in den Zuständigkeitsbereich der ordentlichen Zivilgerichte. Das BVergG enthält aber diesbezüglich einige materiell-rechtliche wie verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen (§§ 338 ff BVergG). Ein übergangener Bewerber, Bieter oder Bestbieter hat bei schuldhafter Verletzung des BVergG oder der auf dessen Grundlage ergangener Verordnungen gegenüber dem Auftraggeber, dem das Verhalten der vergebenden Stelle zuzurechnen ist, Anspruch auf Schadenersatz. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH (zB 29.4.2004, 6 Ob 177/03b; 17.8.2006, 10 Ob 37/06y) gebührt dem übergangenen Bieter der Ersatz des Erfüllungsinteresses, wenn ihm bei rechtmäßiger Vorgangsweise der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Im Zuge des Ersatzes des Erfüllungsinteresses ist grundsätzlich der entgangene Geschäftsgewinn zu ersetzen. Der übergangene Bieter hat in diesem Fall den Nachweis dafür zu erbringen, dass ihm ohne die Verletzung vergabegesetzlicher Vorschriften der Zuschlag erteilt worden und somit ein Vertrag zustande gekommen wäre. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften bereits in der Ausschreibung erfolgt ist (OGH 8.7.2008, 4 Ob 98/08b). Hier wird es für den übergangenen Bieter jedoch ungleich schwieriger bzw in manchen Fällen sogar unmöglich sein, den Nachweis dafür zu erbringen, dass ihm als Bestbieter der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Rechtswidrigkeit der Ausschreibung Ist die Ausschreibung beispielsweise deshalb rechtswidrig, weil der Auftraggeber keine Gewichtung der Zuschlagskriterien vorgenommen hat, ist es für einen übergangenen Bieter unmöglich nachzuweisen, dass er Bestbieter gewesen wäre. Denn die Gewichtung der Zuschlagskriterien liegt ausschließlich im Ermessen des Auftraggebers und aufgrund der Vielfalt der möglichen Kombinationen an Kriterien kann ein solcher Nachweis nicht erbracht werden.
Gelingt dieser Nachweis nicht, so hat der übergangene Bieter oder Bewerber, der aufgrund des zum Auftraggeber bestehenden vorvertraglichen Schuldverhältnisses darauf vertrauen durfte, zumindest eine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags zu haben, einen Anspruch auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens. Der Bieter oder Bewerber ist so zu stellen, als hätte er nie auf eine solche echte Chance auf Zuschlagserteilung vertraut; es ist ihm der Vertrauensschaden (auch über die im BVergG normierten ersatzfähigen Kosten hinaus) zu ersetzen. Zulässigkeitsvoraussetzung für die Einbringung einer Schadenersatzklage ist ein Feststellungsbescheid des BVA (§ 341 Abs 2 BVergG).
150
VII. Rechtsschutz
Stellt das BVA – auf Antrag des Auftraggebers – fest, dass der Geschädigte auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, besteht kein Anspruch auf Schadenersatz. Dasselbe gilt für den Fall, dass der Schaden durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung sowie durch Stellen eines Nachprüfungsantrags abgewendet hätte werden können (§ 338 Abs 2 BVergG). Die „echte Chance“ ist danach zu beurteilen, ob der betreffende Bieter in den engeren Auswahlkreis hinsichtlich der Auftragsvergabe gekommen wäre (RV 1171 BlgNR 22. GP 134).
Das Gericht ist an die Feststellungen des BVA gebunden. Hält es den Bescheid für rechtswidrig, hat es das Verfahren zu unterbrechen und beim VwGH die Feststellung der Rechtswidrigkeit gemäß Art 131 Abs 2 B-VG zu begehren (§ 341 Abs 4 BVergG). Zur Entscheidung über Schadenersatzansprüche sind ungeachtet des Streitwerts die Gerichtshöfe erster Instanz zuständig; die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Sitz des Auftraggebers. b) Wettbewerbsrecht Auch im Verhältnis der Bieter untereinander entfalten die Vergaberechtsbestimmungen bindende Wirkung, schützen sie doch auch die Bieter wechselseitig vor unlauteren Vorgangsweisen. Das BVergG selbst enthält keine dem einzelnen Bieter gegenüber Mitbietern eingeräumten Ansprüche wegen Verletzung der Vergaberechtsvorschriften. Eine gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen gegen Mitbieter kann aber in § 1 UWG gesehen werden. Gemäß § 1 UWG kann derjenige, der im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden.
Ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG gegen einen Mitbieter besteht etwa, wenn dieser selbst an der Ausschreibung mitgewirkt hat und daher von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren ausgeschlossen war; denn der Mitbewerber trägt mit seinem Angebot zum Gesetzesverstoß des Auftraggebers bei und veranlasst diesen bewusst zu gesetzwidrigem Handeln. Mitwirken an der Ausschreibung Die Tatsache, dass ein Unternehmen in Kenntnis der Vergabevorschriften und in Anbetracht des Umstands, dass sein Prokurist an der Ausschreibung mitgewirkt hatte, ein Anbot legte, qualifizierte der OGH als dem § 1 UWG widersprechende Aufforderung an die den Auftrag vergebende Stelle, sich über die Vorschriften des BVergG hinwegzusetzen und damit einen Gesetzesverstoß zu begehen (OGH 13.9.1999, 4 Ob 155/99v).
Abbildung 8: Rechtsschutz gegen Zuschlagsentscheidung und -erteilung
B. Innerstaatlicher Rechtsschutz 151
152
VII. Rechtsschutz
Auch Ansprüche aus dem Lauterkeitsrecht sind von der Feststellung eines Verstoßes gegen das BVergG durch die zuständige Vergabekontrollbehörde abhängig. Einem Unternehmer, der nicht zur Stellung eines Feststellungsantrags beim BVA berechtigt ist, ist demzufolge auch der Zugang zu den ordentlichen Gerichten verwehrt (s dazu OLG Wien 25.2.2008, 2 R 227/07b).
C. Rechtsschutz durch Europäische Instanzen Neben dem Rechtsschutz durch innerstaatliche Instanzen kann es – parallel oder unabhängig davon – zu einem Rechtsschutzverfahren vor europäischen Instanzen kommen. Zuständig für die Vergabekontrolle auf europäischer Ebene ist neben dem EuGH vor allem die Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
1. Europäische Kommission a) Korrekturmechanismus Die Europäische Kommission kann die Republik Österreich und einen (öffentlichen oder Sektoren-) Auftraggeber bei einem klaren und eindeutigen Verstoß gegen die im Gemeinschaftsrecht enthaltenen Vergabevorschriften zur Beseitigung dieses Verstoßes auffordern. Die geänderten Rechtsmittelrichtlinien sehen vor, dass der Korrekturmechanismus auf „schwere Verstöße“ zu beschränken ist.
Der Korrekturmechanismus zielt auf eine gütliche Beilegung von Vergabekonflikten ab und ist insofern als eigenständiges Instrument objektiver Rechtskontrolle konzipiert. Zwar sieht der Korrekturmechanismus selbst keine besondere Sanktion für den Fall der Nichtbeseitigung des gerügten Vergabeverstoßes vor, es besteht aber insoweit eine Verschränkung mit dem Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art 226 EGV, als die im Rahmen des Korrekturmechanismus erstattete Mitteilung an den Mitgliedstaat, den Vergabeverstoß durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen, zugleich die rechtlichen Anforderungen eines Mahnschreibens erfüllt, auf deren Grundlage die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren beim EuGH einleiten kann. Nähere Regelungen zum Ablauf des Verfahrens treffen Art 3 RL 89/665/EWG, Art 8 RL 92/13/EWG sowie § 335 BVergG. b) Bescheinigungsverfahren und Außerstaatliche Schlichtung Eine besondere Methode zur Überprüfung der Verfahren und Praktiken der Auftragsvergabe stellt das Bescheinigungsverfahren dar, das allerdings nur von Sektorenauftraggebern wahrgenommen werden kann. Diesen steht es frei, mittels Überprüfung ihrer Vergabepraktiken durch einen Attestor oder eine Bescheinigungsstelle eine Bescheinigung dar-
C. Rechtsschutz durch Europäische Instanzen
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über zu erlangen, dass ihre Vorgehensweisen mit dem Gemeinschaftsrecht und dem BVergG übereinstimmen. Solcherart soll das Vertrauen der Bieter in eine ordnungsgemäße Vergabe gestärkt und mögliche Rechtswidrigkeiten in den Vergabeverfahren der Auftraggeber sollen von vornherein vermieden werden (s Art 3 ff RL 92/13/EWG, § 336 BVergG). Das Schlichtungsverfahren ist ein besonderes Rechtsschutzinstrument, das, ebenfalls ausschließlich im Sektorenbereich, zu den allgemeinen Rechtsschutzverfahren hinzutritt. Jeder Unternehmer, der Interesse an einem bestimmten Auftrag im Bereich der Sektorenvergabe hat oder hatte und der behauptet, dass ihm aufgrund einer rechtswidrigen Vorgehensweise im Vergabeverfahren ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, kann vor der Europäischen Kommission ein außerstaatliches Schlichtungsverfahren beantragen. Wesentliches Merkmal des Schlichtungsverfahrens ist seine Freiwilligkeit – neben dem Antrag des Unternehmers auf Schlichtung bedarf es auch der Zustimmung des Auftraggebers. Ziel des Schlichtungsverfahrens ist eine gütliche Einigung der Beteiligten (Art 9 ff RL 92/13/EWG, § 337 BVergG). Mangels praktischer Relevanz sind sowohl das Bescheinigungsverfahren als auch die Möglichkeit der Außerstaatlichen Schlichtung in der geänderten Rechtsmittelrichtlinie nicht mehr vorgesehen (vgl Erwägungsgrund 29 und 30 RL 2007/66/EG).
2. Europäischer Gerichtshof Der Rechtsschutz durch den EuGH wird im Vergaberecht im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrensund des Vorabentscheidungsverfahrens gewährleistet. Als Gerichte im Sinne des Art 234 EGV und damit zur Vorlage an den EuGH befugt sind sowohl das BVA als auch die UVS und die besonderen Vergabekontrollbehörden der Länder (VKS Salzburg, VKS Wien) anzusehen.
154
VIII. Vergabenachprüfungsgesetze der Länder
VIII. Vergabenachprüfungsgesetze der Länder Burgenländisches Vergaberechtsschutzgesetz – Bgld. VergRSG, LGBl 2006/66 Kärntner Vergaberechtsschutzgesetz – K-VergRG, LGBl 2003/17 idgF Nö Vergabe-Nachprüfungsgesetz, LGBl 7200-0 idgF Oö Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl 2006/130 Salzburger Vergabekontrollgesetz 2007 – S.VKG 2007, LGBl 2007/28 idgF Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz – StVergRG, LGBl 2006/154 Tiroler Vergabenachprüfungsgesetz 2006, LGBl 2006/70 Vergabenachprüfungsgesetz Vorarlberg, LGBl 2003/1 idgF Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2007 – WVRG 2007, LGBl 2006/65
B. Vergaberecht online
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IX. Weiterführende Hinweise A. Literatur zum Vergaberecht Arrowsmith, The law of Public and Utilities Procurement2 (2005). Bachmann, Vergaberecht, in Bachmann et al (Hrsg), Besonderes Verwaltungsrecht7 (2008), 331 ff. Fink/Heid/Holoubek (Hrsg), VergE Entscheidungssammlung zum österreichischen und europäischen Vergaberecht (2006). Frenz, Handbuch Europarecht (Band 3), Beihilfe- und Vergaberecht (2007). Gast, Das öffentliche Vergabewesen in Österreich (2006). Griller/Holoubek (Hrsg), Grundfragen des Bundesvergabegesetzes 2002 (2004). Heid/Preslmayr (Hrsg), Handbuch Vergaberecht2 (2005). Holly/Maier, Vergaberecht, in Winkler (Hrsg), öffentliches Wirtschaftsrecht (2008). Holoubek/Fuchs, Vergaberecht, in Holoubek/Potacs (Hrsg), Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts2 (2007), Band 1, 791 ff. Korinek, Vergaberecht, in Raschauer (Hrsg), Österreichisches Wirtschaftsrecht2 (2003), 313 ff. Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts3 (2005). Rill/Griller (Hrsg), Grundfragen der öffentlichen Auftragsvergabe (2000). Sachs/Hahnl, BVergSlg (Band I 2004, Band II 2005). Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel (Hrsg), Bundesvergabegesetz 2006 Kommentar (2009). Werschitz/Ragoßnig, Österreichisches Vergaberecht2 (2006).
B. Vergaberecht online http://www.bva.gv.at/BVA/default.htm (BVA) http://www.vergabe.at/ (ANKÖ, Auftragnehmerkataster Österreich) https://bbg.portal.at (BBG, Bundesbeschaffung GmbH) http://www.bmwa.gv.at/BMWA/default.htm (BMWA) http://www.lieferanzeiger.at/ (Ausschreibungen online) http://www.auftrag.at/ (Ausschreibungen online) http://www.ris.bka.gv.at/auswahl/ (RIS) http://www.help.gv.at/ (Amtshelfer) http://portal.wko.at/ (Wirtschaftskammer Österreich) http://www.wienerzeitung.at/frameless/amtsblatt.htm (Amtsblatt der Republik Österreich)
156
IX. Weiterführende Hinweise
http://www.wien.gv.at/recht/gemeinderecht-wien/index.htm (Ausschreibungsbekanntmachungen, Kundmachungen Wien) http://www.bka.gv.at/site/5099/default.aspx (Abteilung für Vergabewesen im Bundeskanzleramt) http://europa.eu.int/publicprocurement/index_de.htm (Politik der EU im Bereich des öffentlichen Auftragswesens) http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/index_de.htm (Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen, Europäische Kommission, Abteilung Vergaberecht) http://simap.eu.int/ (SIMAP, European Electronic Procurement Service) http://europa.eu.int/public-services/index_de.htm (Informationen über grenzüberschreitende öffentliche Dienstleistungen in Europa) http://europa.eu.int/eur-lex/lex/JOIndex.do?ihmlang=de (Amtsblatt der Europäischen Union) http://ted.publications.eu.int/official/ (Tenders Electronic Daily, EU Datenbank für öffentliche Aufträge, die im Supplement S zum ABl veröffentlicht sind) http://publications.europa.eu/index_de.htm (Amt für Veröffentlichungen) http://europa.eu.int/eur-lex/lex/de/repert/index.htm (EUR-Lex, Fundstellennachweis des Gemeinschaftsrechts) http://www.wto.org/english/tratop_e/gproc_e/gproc_e.htm (GPA)
Stichwortverzeichnis
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Erstversand
Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen Abänderungsangebot ĺ Angebot Abgrenzung – Dienstleistungs- von Bauauftrag 60 f – Liefer- von Bauauftrag 61 – Liefer- von Dienstleistungsauftrag 60 – Prioritärer von nicht-prioritärer Dienstleistung 61 f Ablauf eines Vergabeverfahrens ĺ Vergabeverfahren Agreement on Government Procurement ĺ GPA Alternativangebot ĺ Angebot Anfechtungsfrist ĺ Fristen Angebot 11, 114 ff Abänderungsangebot 110 f Alternativangebot 110 f, 114 Ausscheiden von Angeboten 8, 80, 120, 122 Mangel 79, 121 f – Öffnung 117 – Prüfung 120 ff – Vertiefte Angebotsprüfung 120 – Variantenangebot 111 – Von Arbeits- und Bietergemeinschaften 115 f Angebotsfrist ĺ Fristen Angebotsöffnung ĺ Angebot Angebotsprüfung ĺ Angebot Anwendungsbereich ĺ Geltungsbereich Arbeitsgemeinschaft 115 f Aufgaben im Allgemeininteresse 38, 39 ff Aufgaben nicht gewerblicher Art 38, 41 ff Auftrag – Gemischter 60 ff – Öffentlicher 3, 9, 10, 11 f, 35 Auftraggeber 33 – Öffentlicher 35 f, 37 ff – Privater 34, 36, – Sektorenauftraggeber 36, 50 ff Auftraggeberbegriff – Funktioneller 35 ff – Institutioneller 35
Ausnahmen vom Geltungsbereich ĺ Geltungsbereich Ausscheiden von Angeboten ĺ Angebot Ausschlussgründe 118 Ausschreibungsunterlagen 108 f – Bindung 113 f – Inhalt 114 Auswahlkriterien 90, 93, 119 f, 122 Außerstaatliche Schlichtung ĺ Rechtsschutz Bauauftrag 5, 58, 76 Baukonzession 63 ff, 76 Baukonzessionär 54, 64 Befugnis ĺ Eignungskriterien Bekanntmachung, öffentliche 65, 77, 106 f Bescheinigungsverfahren ĺ Rechtsschutz Bestbieterprinzip ĺ Zuschlagsprinzip Bietergemeinschaft 115 f Billigstbieterprinzip ĺ Zuschlagsprinzip Bundesvergabeamt ĺ Rechtsschutz CPV 107 Dienstleistungen 1 – Geistige 97 – Prioritäre 59 f, 61 f – Nicht-prioritäre 15, 59f, 61 ff Dienstleistungsauftrag 58 f Dienstleistungskonzession 64 ff Direktvergabe ĺ Vergabeverfahren Dynamisches Beschaffungssystem ĺ Vergabeverfahren Eignung 9, 31, 84, 109 Eignungskriterien 90, 109 f, 118, 119 – Befugnis 116, 118 – Leistungsfähigkeit 119 – Zuverlässigkeit 118 f Eignungsprüfung 117 f
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Einrichtung (des) öffentlichen Rechts 24, 32, 36, 37 ff Einstweilige Verfügung ĺ Rechtsschutz, vorläufiger Elektronische Auktion ĺ Vergabeverfahren Entscheidung – Gesondert anfechtbare 137, 138 f – Nicht gesondert anfechtbare 137 f Erfüllungsinteresse ĺ Rechtsschutz Feststellungsverfahren ĺ Rechtsschutz Freistellung vom Anwendungsbereich ĺ Sektorenbereich Fristen 57, 75 – Anfechtungsfrist 139 ff – Angebotsfrist 112 – Stillhaltefrist 24, 124 – Teilnahmefrist 112 – Zuschlagsfrist 112 Gebühren ĺ Rechtsschutz Geistige Dienstleistungen ĺ Dienstleistungen Geltungsbereich des EG-Vergaberechts 18, 20 f Geltungsbereich des BVergG 13 – Ausnahmen vom 67 ff – Persönlicher 33 ff, 50 ff, 54 – Sachlicher 54 Geltungsbereich der Vergaberichtlinien 15 f, 25 – Persönlicher 24 – Sachlicher 13 Gesondert anfechtbare Entscheidung ĺ Entscheidung Gleichbehandlungsgebot ĺ Grundsätze des Vergabeverfahrens GPA 27 ff, 76 Grundfreiheiten ĺ Primärrecht Grundsätze des Vergabeverfahrens 18 ff, 78 ff Diskriminierungsverbot (Nichtdiskriminierung) 16, 19, 62, 66, 81, 88 Gleichbehandlungsgebot 19, 81 f, 95 – Transparenzgebot 18 f, 95 – Wettbewerbsprinzip 79 ff Inhouse-Vergabe 67, 69 ff Kompetenzverteilung 30 ff, 133 ff Konzession 11, 63 ff
Stichwortverzeichnis
Konzessionsmodell ĺ Public Private Partnership Kooperationsmodell ĺ Public Private Partnership Korrekturmechanismus ĺ Rechtsschutz Landesvergaberechtsschutzgesetze 33, 154 Leistungsbeschreibung – Funktionale 109 – Konstruktive 108 f Leistungsfähigkeit ĺ Eignungskriterien Leistungsvertrag 55, 62, 109 Lieferauftrag 16, 58 Main-object-test 60 Main-value-test 60, 62 Mangel ĺ Angebot Nachprüfungsverfahren ĺ Rechtsschutz Nicht gesondert anfechtbare Entscheidung ĺ Entscheidung Nicht offenes Verfahren ĺ Vergabeverfahren Nicht-prioritäre Dienstleistungen ĺ Dienstleistungen Oberschwellenberech 25, 56 f, 76 Offenes Verfahren ĺ Vergabeverfahren Öffentlicher Auftrag ĺ Auftrag Öffentlicher Auftraggeber ĺ Auftraggeber ÖNORM 13, 16 – A 2050 30 Persönlicher Geltungsbereich ĺ Geltungsbereich Preis 63, 64 – Angemessener 9, 77, 85 – Vertiefte Angebotsprüfung ĺ Angebot Primärrecht 14, 15 ff – Grundfreiheiten 14 ff, 18 ff, 35, 62, 66, 75 – Grundsätze 18 ff Prioritäre Dienstleistungen ĺ Dienstleistungen Privater Auftraggeber ĺ Auftraggeber PPP ĺ Public Private Partnership
Stichwortverzeichnis
Public Private Partnership 66 ff – Konzessionsmodell 67 – Kooperationsmodell 71 Publikationsmedien 107 Rahmenvereinbarung ĺ Vergabeverfahren Rechtsmittelrichtlinien ĺ Sekundärrecht Rechtsschutz 132 ff – Außerstaatliche Schlichtung 153 – Bescheinigungsverfahren 152 f – BVA 135 ff – Effektiver 1, 19, 28, 57 – Erfüllungsinteresse 149 – Feststellungsverfahren 144 f – Gebühren 146 f – Korrekturmechanismus 152 – Nachprüfungsverfahren 136 ff – Schadenersatz 13, 127, 145 – Unterlassungsanspruch 150 – Vergabekontrollbehörden der Länder 148 – Vergabespezifischer 6, 13, 25, 31, 33, 57, 58, 66 – Vertrauensschutz 150 – Vorläufiger 142 ff – Wettbewerbsrecht 150 Sachlicher Geltungsbereich ĺ Geltungsbereich Schadenersatz ĺ Rechtsschutz Schwellenwerte 15, 25 f ,27f, 57, 75 ff Sekundärrecht 14, 19 f – Allgemeine Vergaberichtlinie 21 – Harmonisierung 19 f – Rechtsmittelrichtlinien 21 ff, 136 Sektorenrichtlinie 21 Sektorenauftraggeber ĺ Auftraggeber Sektorenbereich 21, 33, 36, 51 – Besonderheiten 129 ff – Freistellung vom Anwendungsbereich 50 – Wahl des Vergabeverfahrens 129 f Sektorenrichtlinie ĺ Sekundärrecht Sektorentätigkeiten 24, 32, 51 ff Stillhaltefrist ĺ Fristen Subunternehmer 111 Technische Spezifikationen 81 Teilnahmeantrag 90, 93, 94, 100, 122 Teilnahmefrist ĺ Fristen
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Transparenzgebot ĺ Grundsätze des Vergabeverfahrens Unterlassungsanspruch ĺ Rechtsschutz Unterschwellenbereich 57, 75 f, 94, 96, 98, 99, 102, 104, 106, 113, 124, 126 Vadium 113 Variantenangebot ĺ Angebot Vergabefremde Kriterien 5, 86 ff Vergabekontrollbehörden der Länder ĺ Rechtsschutz Vergabenachprüfungsgesetze ĺ Landesvergaberechtsschutzgesetze Vergaberichtlinie, allgemeine ĺ Sekundärrecht Vergabeverfahren – Ablauf 106 ff, 128 – Arten und Wahl 89 ff, 104 ff – Direktvergabe 101 f – Dynamisches Beschaffungssystem 99 – Elektronische Auktion 102 f – Grundsätze ĺ Grundsätze des Vergabeverfahrens – Nicht offenes Verfahren 92 ff – Numerus clausus 89 – Offenes Verfahren 91 f – Rahmenvereinbarung 97 ff – Typenzwang 89 Verhandlungsverfahren 94 ff – Wettbewerb 104 – Wettbewerblicher Dialog 99 ff Verhandlungsverbot 7, 91 ff Verhandlungsverfahren ĺ Vergabeverfahren Vertiefte Angebotsprüfung ĺ Angebot Vertrauensschutz ĺ Rechtsschutz Vorarbeiten 83 ff Vorläufiger Rechtsschutz ĺ Rechtsschutz Wettbewerb ĺ Vergabeverfahren Wettbewerblicher Dialog ĺ Vergabeverfahren Wettbewerbsrecht ĺ Rechtsschutz Widerruf 86, 125 ff – Fakultativ 127 – Nach Ablauf der Angebotsfrist 127 – Vor Ablauf der Angebotsfrist 126 f – Widerrufsgründe 12, 126 f – Zwingend 126, 127
160
Widerrufsentscheidung 126 Widerrufserteilung 126 Zuschlag, 11, 86 Zuschlagsentscheidung 126 Zuschlagserteilung 125
Stichwortverzeichnis
Zuschlagsfrist ĺ Fristen Zuschlagskriterien 86 f, 112 f, 122ff Zuschlagsprinzip112 f, 122 ff, 130 – Bestbieterprinzip 103, 110, 112 f – Billigstbieterprinzip 103, 110, 112f Zuverlässigkeit ĺ Eignungskriterien