Michaela Grubbauer Spielen als pädagogische Maßnahme
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Michaela Grubbauer
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Michaela Grubbauer Spielen als pädagogische Maßnahme
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Michaela Grubbauer
Spielen als pädagogische Maßnahme Präventive, spielorientierte Förderung und Stärkung elterlicher Kompetenz Mit einem Geleitwort von Univ.-Prof. Dr. Josef Christian Aigner
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch | Britta Göhrisch-Radmacher VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18142-4
Geleitwort
Spielen als pädagogische Chance im Kampf gegen soziale Benachteiligung In den letzten Jahren und Monaten war – bedingt durch die eine Menge nationale und internationale Unruhe hervorrufenden Ergebnisse der PISA-Studien – viel von der Förderung und Kompensation von Lerndefiziten bei Kindern und Jugendlichen die Rede. Für viele Beobachter – so auch für mich – hatte dies oft den schalen Beigeschmack, dass es in diesen "Messungen" von Leistungsmöglichkeiten Heranwachsender sehr stark um kognitive Fertigkeiten und Kombinationsfähigkeiten ging, die allesamt auf das Lebensfeld Schule zugeschnitten sind. Gleichzeitig wurde und wird bei diesen Gelegenheiten immer wieder der Ruf nach mehr Bildungsanstrengungen für Kinder von klein auf, also vor allem in der Früherziehung und Elementarpädagogik, laut. Dass es in diesem Bereich dringend einer gesellschaftlichen und bildungspolitischen Aufwertung bedarf, ist keine Frage: europaweit werden curriculare und qualitätsbezogene Kriterien zur Anhebung der elementarpädagogischen Ausbildungsgänge diskutiert und auch umgesetzt. In Österreich erfolgt ja die Erzieher/innen- und Kindergartenpädagogik-Ausbildung nach wie vor im Sekundar-Schulbereich, sodass dringend Nachholbedarf in der Professionalisierung dieses Berufsfeldes besteht. Die geforderten Bildungsanstrengungen im Elementarbereich lassen im öffentlichen Diskurs darüber aber gelegentlich auch eine Art Verlängerung der Leistungsschule nach unten befürchten. Der Kindergarten soll sozusagen schon die Arbeitsmarktprobleme hinsichtlich ausreichend geeigneter Fachkräfte für die Zukunft mit im Blick haben. Dagegen kann sich eine kindorientierte Elementarpädagogik nur kritisch verhalten: Lernen und Entwicklung wird durch so viele verschiedene Förderungen und Prozesse angeregt, dass es eine viel zu enge und erwachsenenzentrierte Sicht wäre, hier schon sehr früh mit strikten und konkreten Leistungsanforderungen zu beginnen.
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Geleitwort
Das Spiel hingegen, auch als Lernfeld und als Bildungsfaktor, das im Mittelpunkt dieser Arbeit steht, insbesondere das Spiel in Kontakt und Beziehung zu den Eltern, bleibt in dieser Diskussion weitgehend unterbelichtet. Das ist auch das besondere Verdienst der vorliegenden Arbeit von Michaela Grubbauer. Ihr geht es um die Unterstützung von Eltern aus sozial benachteiligten Milieus und um die Frage, wie sie mittels Spielens die sensomotorische, kognitive und emotionale Entwicklung ihrer Kinder fördern können. Das Spiel bedeutet Auseinandersetzung des Kindes mit seiner materiellen und sozialen Umwelt mit dem Ziel, sie zu begreifen und auf sie einzuwirken, und ist als solche an sich schon bildsam. Frühkindliches Spiel ist dabei ganz besonders spontanes, selbst initiiertes Lernen, bei dem eine Integration von frühen Erfahrungen, von erlebter Kommunikation und damit auch von Symbolisierung stattfindet, die für kognitive und emotionale Prozesse sehr wichtig ist. Spielpartner sind dabei zunächst die Eltern. Diese wiederum haben die Aufgabe, die erfahrungs-integrativen und kommunikativen Bedürfnisse der Kinder und ihren kontinuierlichen Spracherwerb zu unterstützen. Diese Fähigkeit der Unterstützung ist entlang der Bildungs- und Sozialschichten innerhalb der Gesellschaft aber ungleich verteilt. Und diese Benachteiligung stellt ein Risiko- und Belastungspotential in der Entwicklung der betroffenen Kinder dar. Ökonomische und psychosoziale Belastungen sowie mangelnde Problemlösungsstrategien können daher die entwicklungsfördernde spielerische Interaktion der Eltern mit ihren Kindern erschweren. In der öffentlichen Diskussion über Bildungsbenachteiligung geht es aber wie gesagt meist nur um die Schule; die Ressourcen der Eltern und der Familien zu stärken und damit ausgleichende Prozesse in Richtung verbesserter Entwicklungschancen der Kinder zu erzielen, kommt in den Forderungskatalogen der Politik kaum vor. Es ist das Verdienst der Autorin, diesen Aspekt in ihrer Studie besonders herausgearbeitet zu haben. Neben einer Diskussion der Hauptrichtungen der Spieltheorie, einer umfassenden Analyse der Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit, den verschiedensten Arten von Spielen und ihrer Förderlichkeit diskutiert die Autorin auch die dynamischen Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung, stellt also eine Art sozialökologischen Bezug her, in den eingebettet kindliches Spiel zu sehen ist und unter dessen Berücksichtigung erst wirklich förderliche Entwicklungen angeregt werden können.
Geleitwort
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"Spielförderung" meint dabei immer mehr als mit dem Spiel erreichbare kognitive, emotionale oder sensomotorische Lernziele. Bei sozial benachteiligten Kindern kann Spielförderung langfristig nur Erfolge erzielen, wenn die entsprechenden Maßnahmen auch Veränderungen im Eltern-Kind-System und auch Veränderungen auf der infrastrukturellen und institutionellen Ebene anpeilen (also Fragen der pädagogischen Bedeutung von Strassen, Spielhöfen, Spielplätzen u.a.m. bis hin zu Organisationsformen der Schule). Anhand des Modellprojekts "Opstapje" – einem präventiven Spiel- und Lernprogramm für Kleinkinder aus sozial benachteiligten Familien aus den Niederlanden – zeigt die Autorin auf, dass der autonome Prozess der Entwicklung des Kindes von 18 Monaten bis 3 Jahren im Spiel und in sozialer Interaktion so verläuft, dass den Ressourcen der Eltern und ihren Beziehungen zu den Kindern eine wichtige Bedeutung zukommt und dass er durch eine ganze Reihe kultureller Merkmale und Unterschiede beeinflusst wird, die man bei der Planung solcher Unterstützungsmaßnahmen kennen und beachten muss. Es wäre eine wichtige Ergänzung der Maßnahmen um schulische Förderprogramme, wenn derartige präventiv-orientierte Modelle für sozial benachteiligte Kinder stärker in die pädagogische Diskussion Eingang fänden. Michaela Grubbauer hat mit ihrem Buch dazu einen wichtigen Beitrag geleistet. Univ.-Prof. Dr. Josef Christian Aigner Leiter des Instituts für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung an der Universität Innsbruck
Danksagung
Ein Buch zu veröffentlichen benötigt viele unterstützende Köpfe und Hände im Vorfeld – während des Schreibens und im Nachhinein. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Personen bedanken, die zur Erstellung vorliegender Arbeit beigetragen haben. Allen voran gilt mein besonderer Dank Herrn Univ.-Prof. Dr. Josef Christian Aigner, Leiter des Instituts für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung an der Universität Innsbruck, für seine Unterstützung und seinen Zuspruch die Arbeit zu veröffentlichen. Bei Frau Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler, Herrn Prof. Dr. Hans Jörg Walter, Herrn Prof. Dr. Johannes Bilstein und Herrn Dr. Anton Perzy möchte ich mich für die kreativen Diskussionen und fachlichen Hinweise während ihrer Tätigkeit an der Bildungswissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck bedanken. Meine Vorgesetzte, Frau DI Dr. Ingeborg Hochmair, Gründerin und CEO von MED-EL, schuf die notwendigen Rahmenbedingungen und das professionelle Umfeld, um diese Arbeit zu verfassen. Besonderer Dank gilt auch Frau Mag. Christina Schatz für das Korrekturlesen des Skriptes. Bei Isolde Zwerger und Evelyn Kitzbichler bedanke ich mich für die Genehmigung verwendetes Bildmaterial abdrucken zu dürfen. Abschließend danken möchte ich von ganzem Herzen meiner Familie, ganz besonders meinem Mann Markus und meiner Tochter Tamira für ihre Geduld und ihr Verständnis. Michaela Grubbauer
Inhaltsverzeichnis
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Einleitung ................................................................................................. 17
2
Hauptrichtungen der Spieltheorie ......................................................... 21 2.1 Klassische Annahmen ....................................................................... 21 2.2 Differentielle Annahmen .................................................................. 22 2.2.1 Spieltheorie ............................................................................ 23 2.2.2 Emotionale Spieltheorie ......................................................... 23 2.2.3 Kognitive Spieltheorie ........................................................... 25 2.2.4 Soziologische Spieltheorie...................................................... 26 2.3 Zusammenfassung ............................................................................ 26 2.4 „Spiel“ und „spielen“ ........................................................................ 28
3
Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit ............................... 31 3.1 Psychomotorische Spiele ................................................................... 31 3.1.1 Begriff und Formen ................................................................ 31 3.1.2 Entwicklung psychomotorischer Spiele.................................. 37 3.1.3 Sozialspiele............................................................................. 41 3.1.4 Objektspiele............................................................................ 46 3.2 Fantasie- und Rollenspiele................................................................. 46 3.2.1 Begriff und Formen ............................................................... 46 3.2.2 Bedeutung des Fantasie- und Rollenspiels für die kindliche Entwicklung............................................................................ 49 3.2.3 Entwicklung des Fantasie- und Rollenspiels ........................ 51
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Inhaltsverzeichnis
3.3 Konstruktions- / Bauspiele ................................................................ 58 3.3.1 Begriff und Formen ............................................................... 58 3.3.2 Entwicklung der Bauspiele .................................................... 61 3.3.3 Problemlösung und Konstruktionsspiel ................................. 62 3.3.4 Verständnis und Konstruktionsspiel ...................................... 62 3.4 Regelspiele ........................................................................................ 63 3.4.1 Begriff und Formen ............................................................... 63 3.4.2 Entwicklung des Spielens durch Regelspiele ........................ 65 3.4.3 Sozialentwicklung .................................................................. 66 4
Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung............................................................................ 69 4.1 Soziale Benachteiligung..................................................................... 70 4.1.1 Theorie der sozialen Struktur.................................................. 70 4.1.2 Sozialökologische Sozialisationsforschung ............................ 72 4.1.3 Definition sozialer Benachteiligung ....................................... 75 4.2 Spielmittel und kognitive Entwicklung.............................................. 78 4.3 Spielumgebung .................................................................................. 78 4.4 Bedeutung der Eltern für die kindliche Spieltätigkeit ........................ 79 4.5 Erziehungsstil und kindliche Spieltätigkeit ........................................ 81 4.6 Kindliche Spieltätigkeit und Entwicklung ......................................... 84 4.7 Kultureller Wandel des Kinderspiels ................................................. 85 4.8 Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder ....................................... 85 4.8.1 Soziale und kognitive Dimension ........................................... 85 4.8.2 Sensomotorische und emotionale Dimension ......................... 89 4.8.3 Zusammenfassung .................................................................. 90
Inhaltsverzeichnis
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Spielförderung .......................................................................................... 91 5.1 Generelle Aspekte .............................................................................. 91 5.1.1 Indirekte Spielführung ............................................................ 91 5.1.2 Direkte Spielführung .............................................................. 91 5.2 Spielanregungsmethode ..................................................................... 92 5.3 Spielförderung bei sozial benachteiligten Kindern ............................ 93 5.4 Bedingungen früher Fördermaßnahmen ............................................ 95 5.4.1 Indikationsgründe für „frühe Hilfe“ ....................................... 96 5.4.2 Kriterien zur Wirksamkeit und Gestaltung „früher Hilfen“.... 98 5.5 Modellprojekt „Opstapje – Schritt für Schritt“ ..................... 100 5.5.1 Konzeption des Programms .................................................. 101 5.5.2 Zielgruppe............................................................................. 102 5.5.3 Methoden .............................................................................. 103 5.5.4 Ziele ...................................................................................... 104 5.5.5 Materialien ............................................................................ 106 5.5.6 Wissenschaftliche Evaluationsergebnisse............................. 106 5.5.7 Beispiele für Arbeitsblätter ................................................... 108 5.5.8 Vergleichbare Konzeptionen ................................................ 112
6
Zusammenfassung / Schlussfolgerung .................................................. 113
7
Literaturverzeichnis ............................................................................... 116
Sachregister.................................................................................................... ..125
Abbildungen und Tabellen
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19:
Kindliche Spieltätigkeit und spieltheoretische Aspekte ..........27 Wechselwirkung zwischen Spieltätigkeit, subjektiven und sozialen Bedingungsfaktoren...................................................28 Baby mit Rassel .......................................................................32 Freude am Tun.........................................................................33 Purzeln .....................................................................................36 Entwicklung des psychomotorischen Spiels ............................40 Guck-Guck-Spiel ....................................................................44 Kleine-Welt-Spielzeug Einkaufsladen ....................................47 Spaß am Rollenspiel ................................................................48 Spiel mit Legosteinen ..............................................................59 HABAS Stapelwürfel ..............................................................60 Puzzelbuch ..............................................................................61 Einbettung des Spiels in Umfeldsysteme ................................69 Bedingungskomplex sozialer Benachteiligung........................74 Erweitertes Prozessmodell elterlichen Erziehungsverhalten ...82 Instruktionsblatt für die Hausbesucherin, Seite 1 ..................108 Instruktionsblatt für die Hausbesucherin, Seite 2 ..................109 Arbeitsblatt für die Eltern, Seite 1 .........................................110 Arbeitsblatt für die Familie, Seite 2.......................................111
Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3:
Ergebnis systematischer Beobachtungsstudien .......................38 Spielbedürfnis und psychomotorische Fähigkeiten .................45 Entwicklung des Symbolspiels ................................................52
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Bedeutung des Spiels in Eltern-KindInteraktionen, dabei steht die Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder im Vordergrund. Iben (1984, S. 128) hält aufgrund seiner Untersuchungen „Kinder sozialer Randgruppen“ fest, „dass sich ungünstige Einkommens-, Vermögens- und Wohnsituation, in infrastruktureller Unterversorgung und in ungleiche Chancen zur Artikulierung und Durchsetzung von Interessen niederschlägt“. Soziale Benachteiligung stellt ein Belastungs- und Risikopotential für die kindliche Entwicklung dar. Materielle Entbehrungen, gravierende ökonomische und psychosoziale Belastungen sowie mangelnde Problemlösungsstrategien/-möglichkeiten können eine entwicklungsförderliche Interaktion zwischen Eltern und ihren Kindern erschweren (vgl. Weiß 2005, S. 186). Armut und die damit einhergehenden Folgen sozialer Benachteiligung für Kinder wurden erst seit Ende der 1990er Jahre in der Armuts- und Kindheitsforschung thematisiert. Vorher wurden die Folgen sozialer Benachteiligung für Kinder nicht als eigenständiges Problem abgehandelt. Das heißt Kinder wurden allenfalls als Ursache von Familienarmut gesehen oder als Angehörige einkommensarmer und sozial benachteiligter Haushalte. Ende der 1990er Jahre kommt es, zunächst im Kontext der Sozialberichterstattung, zum Perspektivenwechsel. Kinder werden nun als eigenständige Subjekte wahrgenommen. Die kindliche Wahrnehmung der Lebenslage und die kindlichen Deutungs-, Bewältigungs- und Handlungsmuster werden zum Thema. Nunmehr werden die Auswirkungen sozialer Benachteiligung nicht mehr nur als Unterversorgung im ökonomischen Sinn verstanden, sondern es erfolgt ein mehrdimensionaler Zugang zur Erfassung von Wirkung und Bewältigung sozialer Benachteiligung bei Kindern. Das bedeutet, dass nicht mehr nur die materielle Situation betrachtet wird, sondern die Auswirkungen für die Lebenssituation und die Entwicklung des Kindes mit einbezogen werden (vgl. Holz 2005, S. 88f).
M. Grubbauer, Spielen als pädagogische Maßnahme, DOI 10.1007/978-3-531-92855-5_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Einleitung
Studien, wie beispielsweise die PISA Studie (Artel et al. 2000, S. 35) haben gezeigt, dass der Bildungserfolg im hohen Maße von der sozialen Herkunft abhängt. Besonders von Benachteiligung und Ausschluss betroffen sind Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status und geringem Bildungsniveau der Eltern (vgl. Artel et al. 2000, S. 35). Aktuell wird in Österreich der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg im 2. Armutsund Reichtumsbericht der ÖGPP thematisiert (vgl. ÖGPP 2008, S. 140f). „Die soziale Herkunft einer Person, also zum Beispiel Bildung und Einkommen der Eltern, hat immer noch starken Einfluss auf ihre [sic] zukünftigen Lebens- und Einkommenschancen der Kinder.“ (ÖGPP 2008, S. 140f)
Weiters weist der Bericht in Bezug auf Bildung auf „soziale Selektivität“ hin: „Bildung, die wohl bedeutendste Variable im Bezug auf die späteren Erwerbs- und Einkommenschancen, wird noch immer durch ‚soziale Selektivität und die eher gering ausgeprägte Mobilität im österreichischen Bildungssystem’ gekennzeichnet.“ (ÖGPP 2008, S. 141)
Infolge der PISA Studien wurden intensive Debatten um mögliche Handlungsansätze, wie Bildungschancen von Kindern aus sozial benachteiligten Verhältnissen verbessert werden können (vgl. Sann et al. 2005, S. 10), diskutiert. Dabei wurde der Focus auf eine Veränderung des Schulsystems und auf eine bessere Schulvorbereitung durch Kinderbetreuungseinrichtungen gelegt. Vernachlässigt wurde bislang die Seite der Familie (vgl. Sann et al. 2005, S. 10f), was den Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen in einer Stellungnahme dazu veranlasst, die „bildungspolitische Bedeutung der Familie als wichtigsten Ausgangspunkt für alle Bildungsprozesse“ (BMFSFJ 2002, S. 9) anzuerkennen und die Ressourcen der Familien zu stärken, und damit die Entwicklungschancen der Kinder zu verbessern (vgl. BMFSFJ 2002, S. 9). Das heißt zielgruppenspezifische Angebote, die vor allem auf die Bedürfnisse sozial benachteiligter Familien und ihrer Kinder eingehen, müssen verstärkt in das Angebotsspektrum der Kinder- und Jugendwohlfahrtsverbände der Länder und Gemeinden aufgenommen werden (vgl. Sann et al. 2005, S. 11). Das Ziel vorliegender Arbeit besteht deshalb in der Darstellung möglicher Spielfördermaßnahmen für sozial benachteiligte Kinder im Rahmen einer ganzheitlichen „spiel-orientierten“ Erziehungskonzeption, welche zur Verbesserung
1 Einleitung
19
der Eltern-Kind-Interaktion beitragen und die sensomotorische, kognitive, soziale und emotionale Entwicklungsbereiche des Kindes sowie Sprach- und Begriffsentwicklung anregen und fördern können. Kindliches Spiel wird als Bestandteil kindlicher Entwicklung angesehen und ist als solche beobachtbar (vgl. Heimlich 1989, S. 13). Die Auseinandersetzung des Kleinkindes mit seiner materiellen und sozialen Umwelt, sie zu begreifen und auf sie einzuwirken, findet in spielerischer Form statt (vgl. Bühler Ch. 1931, Oerter 1993, Einsiedler 1999). Das frühkindliche Spiel ist spontanes, selbst initiiertes Lernen, das die zweckfreie Kontaktaufnahme und die Integration von Erfahrungen mit der Umwelt beinhaltet (vgl. Heimlich S. 49; Einsiedler 1999, S. 15). Im Spiel findet die Integration von Erfahrung, Kommunikation, Symbolisierung und Sprache statt (vgl. Piaget 1975; Oerter 1987; Einsiedler 1999). Das Spielen erfolgt nicht von der Umwelt abgeschottet. Vielmehr ist das kindliche Spiel eine vorwiegend soziale Aktivität (vgl. Oerter 1987; SuttonSmith 1978; Heimlich 1989; Mogel 1991; Einsiedler 1999), deren Ursprung und Weiterentwicklung eng mit der Interaktion sozialer Partner verbunden ist. Für das Kind sind diese Partner zunächst die Eltern. Die Aufgabe der Eltern in diesem Prozess besteht darin, die integrativen und kommunikativen Bedürfnisse und den höheren Spracherwerb des Kindes zu unterstützen (vgl. Smilansky 1973; Oerter 1987; Mogel 1994, Einsiedler 1999). Eltern sind in der Lage durch Bereitstellen von Spielmittel, Spielraum, Zeit, Spielmöglichkeiten und einer förderlichen Einstellung zum Spiel, die kindliche Spieltätigkeit sowie die kindliche Entwicklung nachhaltig zu beeinflussen (vgl. Heimlich 1984, S. 73; S. 100f; Mogel 1991, S. 48, S. 160; vgl. Einsiedler 1999, S. 38ff). Untersuchungen der Spieltätigkeit im Zusammenhang mit der direkten Spielumwelt sozial benachteiligter Kinder (vgl. Hetzer 1937; Smilansky 1973; Rubin 1976) ergaben, dass Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen, im Vergleich zu nicht-benachteiligten Kindern, bestimmte Entwicklungsniveaus ihrer Spieltätigkeit – unter sozialen, kognitiven und sensomotorischen Aspekten betrachtet – erst später erreichten. Das heißt eine spätere Spielentwicklung durchliefen (vgl. Heimlich 1989, S. 125; Einsiedler 1999, S. 49). Die Annäherung an die Thematik erfolgt im ersten Schritt in der Auseinandersetzung mit den Hauptrichtungen der Spieltheorie sowie in der terminologischen Klärung der Begriffe „Spiel“ und „spielen“ (siehe Kapitel 2).
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1 Einleitung
Im darauffolgenden Kapitel steht im Mittelpunkt der Betrachtung die Spieltätigkeit des Kindes. Diese wird unter dem sensomotorischen Aspekt (Welche Funktionen übt das Kind im Spiel aus?), dem emotionalen Aspekt (Welche seelischen Konflikte agiert das Kind im Spiel aus?), dem kognitiven Aspekt (Welche kognitiven Schemata erwirbt das Kind im Spiel?) und dem sozialen Aspekt (Wie spielt das Kind in Beziehung zu anderen Kindern und Erwachsenen?) strukturiert dargestellt (siehe Kapitel 3). Kindliche Spieltätigkeit ist als eine in „Individuum-Umwelt-Zusammenhang eingebettete Form menschlicher und damit gleichzeitig sozialer Handlung“ (Heimlich 1989, S. 41) anzusehen. Dieser Zusammenhang zeichnet sich durch ein Verhältnis dynamischer Wechselwirkungen aus (vgl. Einsiedler 1999, S. 38; Mogel 1991, S. 48ff). Die Spielumwelt und weitere, das Spiel bedingende Faktoren, erhalten für die Erfassung des Spiels sozial benachteiligter Kinder eine besondere Bedeutung. Es ist daher erforderlich, über die Betrachtung des Spiels hinaus, den Begriff „soziale Benachteiligung“ zu definieren und sich mit den Voraussetzungen, Beeinträchtigungen und sozialen Möglichkeiten, die das kindliche Spiel fördern oder hemmen, auseinanderzusetzen, was Thema des Kapitels 4 sein wird. Anschließend sollen die vorhandenen pädagogischen Ansätze zur Förderung sozial benachteiligter Kinder untersucht werden, um aus dieser Diskussion eine mögliche Konzeption für Spielfördermaßnahmen bei sozial benachteiligten Kindern abzuleiten (siehe Kapitel 5).
2 Hauptrichtungen der Spieltheorie
Schon Aristoteles beschäftigte sich mit dem Spiel und sah im Spiel eine psychohygienische Funktion (vgl. Mogel 1991, S. 22). Abreaktion, Ausgleich, Entspannung und Erholung fand als Funktion des Spiels Einzug in die mittelalterliche und neuzeitliche Philosophie und führte die Denktradition Aristoteles fort (vgl. Mogel 1991, S. 22). Klassische Schriftsteller, wie beispielsweise Friedrich Schiller, beschreiben das Spiel als Inbegriff des Menschseins, der Freiheit und des ästhetischen Lebens. Das Spiel wird als „menschlichste Daseinsform“ (Mogel 1991, S. 22) verabsolutiert. Im 15. Brief „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ an Friedrich Christian, Herzog von Schleswig-Holstein-Augustenburg (1793) schrieb Schiller: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“1
Im 19. Jahrhundert wurde im Rahmen der vergleichenden Verhaltensforschung, als auch bei der Erforschung des Tierspiels im 20. Jahrhundert dem Spiel eine biologische Funktion zugeschrieben (vgl. Einsiedler 1999, S. 16f). Dieser Ansatz, seine Schwierigkeiten und neue, differentielle Annahmen zur Funktion des Kinderspiels werden nachfolgend erörtert. 2.1 Klassische Annahmen Klassische Spieltheorien versuchen die Entstehung von Spieltätigkeiten zu erfassen, ohne die kindliche Entwicklung in das Erklärungsmodell einzubeziehen. Vielmehr schreibt man dem Spiel eine biologische Funktion zu (vgl. Heimlich 1 Friedrich Schiller, 1759-1805: im 15. Brief „Über die aesthetische Erziehung des Menschen“ an Friedrich Christian, Herzog von Schleswig-Holstein-Augustenburg (1793)
M. Grubbauer, Spielen als pädagogische Maßnahme, DOI 10.1007/978-3-531-92855-5_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2 Hauptrichtungen der Spieltheorie
1989, S. 15f; Mogel 1991, S. 23; Einsiedler 1999, S. 16f). Spencer (1855) ging in seiner Energieüberschusstheorie davon aus, dass das Spiel aus einem Zuviel an Energie, welches zur Erhaltung der biologischen Art nicht mehr erforderlich ist, resultiere. Im Gegensatz dazu steht die Erholungs- und Entspannungstheorie von Lazarus (1883), der davon ausgeht, dass das Spiel einen Energiemangel aufheben soll (vgl. Heimlich 1989, S. 15). Groos (1899) bezog seinerzeit erstmals bei der Erklärung des kindlichen Spiels Ziel-, Zweck- und Zukunftsbezogenheit mit ein, was zu einer vollkommen neue Betrachtungsweise des Kinderspiels führte (vgl. Mogel 1999, S. 23). Für Groos (1899) hat das Spiel eine „Vorübungsfunktion“ (Einsiedler 1999, S. 17; Mogel 1991, S. 23), die der Bewältigung des Lebens im Erwachsenenalter dient. Das Spiel dient der Entwicklung sensorischer, motorischer und intellektueller Anlagen, so Groos (vgl. 1899, S. 7, S. 91, S. 151). Zweck des Spiels, gemäß Groos (1899), ist die Weiterentwicklung „unfertiger Anlagen“ (vgl. 1899, S. 151). Groos schreibt dem Spiel eine „biologische Funktion“ (Einsiedler 1999, S. 16) zu und geht von einem „instinkttheoretischen Ansatz“ (Einsiedler 1999, S. 17) aus. Z. B. Pflegeinstinkt der Mädchen, dieser äußert sich, gemäß Groos, im Puppenspiel (vgl. Gross 1899, S. 151). Groos’ Vorübungstheorie verbindet den Sinn, Nutzen und Zweck des Spiels mit der Zukunft. Groos sieht das Spielen nicht als eine selbst hervorgebrachte, eigenaktive Tätigkeit des Kindes an. Individuelle und psychogenetische Aspekte des Kindes bleiben in seiner Theorie unberücksichtigt. Das kindliche Spiel wird bei Groos noch nicht als eine selbst hervorgebrachte, eigenaktive Tätigkeit des Kindes angesehen (vgl. Mogel 1991, S. 23f).
2.2 Differentielle Annahmen Differentielle Annahmen, auch als „moderne Spieltheorien“ (Heimlich 1989, S. 16) bezeichnet, erfassen die Voraussetzungen und Wirkungen des kindlichen Spiels. Vor allem die aus der Psychologie hervorgegangenen Spieltheorien beschreiben und erklären beobachtbare kindliche Spieltätigkeiten unter Berücksichtigung kindlicher Entwicklung (vgl. Heimlich 1989, S. 17).
2.2 Differentielle Annahmen
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2.2.1 Spieltheorie Bühler K. (1930) stellt den Begriff „Funktionslust“ (1930, S. 457) in den Mittelpunkt. Bühler K. (vgl.1930, S. 455f) geht davon aus, dass beim Neugeborenen eine Funktionsunreife des Großhirns besteht. Diese macht erforderlich, dass „nicht angeborene“ Tätigkeiten erst geformt werden müssen. Durch häufiges Wiederholen von Betätigungen an verschiedenen Materialien oder Gegenständen werden diese ausgebildet. Diese Tätigkeiten werden vom Kind als lustvoll empfunden, weshalb es diese ständig wiederholt. Die Funktionslust ist, gemäß Bühler K. (vgl. 1930, S. 457), biologisch bedingt. Wie auch Groos (1899) nimmt Bühler K. (1930) an, dass das Spiel dazu dient, angeborene Anlagen weiter auszuformen (vgl. Bühler K. 1930, S. 464ff). Bühler Ch. (1967) bringt diese ersten Annäherungen an das kindliche Spiel mit Beobachtungsdaten aus verschiedenen Entwicklungsphasen zusammen. Im ersten Lebensjahr spielt der Materialcharakter für das Kind noch keine Rolle. Wesentlich für das Kind ist die Übung, das heißt die wiederholte Betätigung bestimmter Funktionen, bestimmter Bewegungen. „Funktionsbetätigung also nicht Materialformung ist das, was das Kind des 1. Lj. noch ausschließlich sucht“, so Bühler Ch. (1967, S. 69). Bühler Ch. (1967, S. 71) definiert das Spiel „als Bewegung mit intentionalem Bezug auf die Lust der Bemeisterung“. Als „reines Spiel“ (1967, S. 130) bezeichnet Bühler Ch. nur das Funktionsspiel der Kleinsten. Im zweiten Lebensjahr nehmen die meisten Spiele komplexen Charakter an (vgl. Bühler Ch. 1967, S. 130). Das Funktionsspiel tritt zurück und das Spiel nimmt mehr gestalterische Formen an, vor allem das „Konstruktionsspiel“ (vgl. Bühler Ch. S. 130f). Bühler K. (1930) und Bühler Ch. (1967) sehen die Bedeutung der Spieltätigkeit in der Formung sensorischer und motorischer Fertigkeiten.
2.2.2 Emotionale Spieltheorie Freud (vgl. 1908, S. 23, 1920, S. 213) selbst entwickelte keine eigene Theorie des Spiels, befasste sich aber im Rahmen der Thematik Lustprinzip, Humor und Witz mit dem Spiel und versuchte auf die „Warum-Frage“ eine Antwort zu fin-
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2 Hauptrichtungen der Spieltheorie
den. Demnach gehorcht die Wunscherfüllung dem Lustprinzip, das im Spiel (speziell im Fantasie- und Rollenspiel) über das Realitätsprinzip siegt, weil es sich nicht um die äußere Wirklichkeit kümmern muss. Die Wunscherfüllung wird erreicht durch das unmittelbare Ausleben des tabuisierten Impulses innerhalb des Spiels, welches im geschützten Rahmen stattfindet. Beispielweise durch die Identifizierung mit mächtigen Personen, die bewundert, geliebt, verehrt oder gefürchtet (Identifikation mit dem Aggressor) werden. Waelder (1974) vertieft Freuds erste Ansätze. Er unterscheidet zwischen lustvollen und unlustvollen Quellen der Spieltätigkeit (vgl. Waelder 1974, S. 51f). Seiner Ansicht nach bietet das Kinderspiel die Möglichkeit zur Befriedigung des Strebens nach Lust sowie die Bewältigung unlustvoller Erlebnisse. Einen der Gründe des kindlichen Spiels, sieht Waelder (vgl. 1974, S. 57), in der kathartischen Wirkung im Zusammenhang mit unlustvollen Erlebnissen. „Das ist wohl einer der Gründe, weshalb das spielerische Abreagieren des traumatischen Erlebens gerade in der Kindheit eine so große Rolle spielt.“ (Waelder 1974, S. 57)
Hartmann (1974) erweitert die psychoanalytischen Funktionstheorien um den Aspekt der angstabwehrenden Funktion des Spiels (Hartmann 1974, S. 82f). Gemäß Hartmann (vgl. 1974, S. 82f) leistet kindliche Spieltätigkeit Angstabwehr durch: 1.
2. 3.
Überwindung der Angst, indem die Angst in der Spielhandlung in Bewegung umgesetzt wird; „symbolische Wunscherfüllung“ aktive Herausforderung der Angst in der Spielhandlung – „Wendung von Passivität in Aktivität“ aggressives Ausleben der Angst
Erikson (1957) bezieht in seiner psychoanalytischen Spieltheorie erstmals den sozialen Aspekt mit ein. Die Herausbildung der Ich-Identität erfolgt in Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt. Das Ich muss sich in dieser behaupten. Erikson (vgl. 1957, S. 187ff) zufolge hat das Spiel kompensatorische Funktion, da es dem Kind ermöglicht im Spiel so zu sein wie ein Erwachsener. Das heißt so zu tun, als ob es die gleiche Kontrolle über die Realität ausüben könne,
2.2 Differentielle Annahmen
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wie ein Erwachsener. Das Kind bringt seine, in der Realität, noch unzureichenden Fähigkeiten in Einklang mit dem Wunsch, diese so zu beherrschen wie ein Erwachsener. Die psychoanalytische Beschreibung des kindlichen Spiels trägt vor allem zu einem Verständnis der emotionalen Dimension kindlicher Spieltätigkeit bei. Bestätigt wird diese Auffassung, so Heimlich (vgl. 1989, S. 22) durch die erfolgreiche Nutzung kindlicher Spieltätigkeiten im Rahmen der Spieltherapie (Klein 1932, Zulliger 1952) für Kinder mit schweren emotionalen Störungen.
2.2.3 Kognitive Spieltheorie Piaget (1975, S. 117f) bezieht sich in seiner Spieltheorie direkt auf Groos. Er überarbeitet die Vorstellung Groos’, dass das Kinderspiel eine Vorübungsfunktion2 für die Bewältigung des Lebens im Erwachsenenalter darstellt, und erweitert die funktionale Sichtweise des Kinderspiels. Im Gegensatz zu Groos sieht Piaget in großen Teilen des Kinderspiels keine Vorübung, sondern eine Übung der aktuellen Intelligenz (vgl. Piaget 1975, S. 196f). Für Piaget (vgl. 1975, S. 125f) sind sensorische und motorische Spiele des Kleinkindes nicht auf Lernen von Neuem ausgelegt, sondern dienen der Festigung bereits erworbener mentaler Wissensstrukturen – so genannter Schemata. Das heißt, das Einüben der aktuellen Intelligenz ist die Basis für etwas Neues. Im Bereich des sensomotorischen Übungsspiel stimmt Piaget (vgl. 1975, S. 149) größtenteils mit Groos überein, hingegen kritisiert Piaget (vgl. 1975, S. 149) Groos’ Auffassung vom Symbolspiel. Er wirft Groos vor, das Symbolspiel zu stark als inhaltliche Vorübung3 zu verstehen. Piaget (vgl. 1975, S. 207f) lehnt die instinkttheoretische Auffassung Groos’ ab. Vielmehr geht Piaget (vgl. 1975, S. 207f) von einer engen Verbindung zwischen Spiel und Denkentwicklung aus. Entscheidend ist für Piaget (1975, S. 207) der Begriff der „Assimilation“. Das Symbolspiel wird von ihm als reine Assimilation verstanden – darunter versteht 2 Bsp.: Puppenspiel der Mädchen zur Einübung in die Mutterrolle. Durch das Spiel übt das Kind motorische, sonsorische, psychische Funktionen, die ihm im späteren Leben als „Ernstfunktionen“ zu gute kommen. (vgl. Einsiedler: 1999, S. 18) 3 Groos begründet z. B. das Puppenspiel der Mädchen mit dem Pflegeinstinkt, das Raufen der Buben mit dem Kampfinstinkt usw. (vgl. Groos 1899, S. 151ff; Einsiedler 1999, S. 18)
26
2 Hauptrichtungen der Spieltheorie
Piaget, das Einbeziehen von Schemata in das Handlungsrepertoire des Kindes sowie das Konsolidieren durch das Ausüben spielender Funktionen (vgl. Piaget 1975, S. 207). Das Kind verfügt noch nicht über inneres, logisch-verbales Denken und benötigt deshalb im Spiel den Umgang mit Objekten und im Symbolspiel die Verdeutlichung und Belebung der Dinge, so Piaget (vgl. 1975, S. 199). Das Symbolspiel dient dem Kind, die Wirklichkeit, die es erlebt und erfährt, selbst aktiv nachzuahmen z. B. Puppenspiel, Verkaufsspiele, Putzen, Autofahren, Doktorspiel usw. (vgl. Piaget 1975, S. 198). Im Spiel findet die frühkindliche aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt statt, weshalb Piaget (vgl. 1975, S. 199) im kindlichen Spiel einen Weg zur Erkenntnis der Wirklichkeit sieht. Piagets Theorie orientiert sich an der kognitiven Entwicklung des Kindes (vgl. Mogel 1991, S. 25). Ihm wird oft vorgeworfen (u. a. von Sutton-Smith 1973, S. 114-125), dass er das Kinderspiel nicht als eigene Aktivitätsform untersucht hat, sondern dieses nur als einen Aspekt seiner kognitiven Entwicklungstheorie betrachtet. Trotz dieses Vorwurfes darf nicht übersehen werden, dass Piagets Untersuchungen wesentlich zum Verständnis kindlichen Spiels beigetragen haben (vgl. Mogel 1991, S. 27).
2.2.4 Soziologische Spieltheorie Während vorher genannte psychologische Spieltheorien kindliche Spieltätigkeit aus einer „individuellen Bedingtheit“ (Heimlich 1989, S. 26) heraus erklären, beschreibt Sutton-Smith (1978) in seiner Spieltheorie soziale Voraussetzungen und Funktionen des Spiels. Sutton-Smith (vgl. 1978, S. 43, S. 48, S. 53f, 96) bezeichnet Spiel als eine in einem sozialen Rahmen eingebettete Tätigkeit, die vor allem von gesamtgesellschaftlichen Faktoren wie kulturelle Komplexität abhängt und auch von dieser Seite konkret ausgeprägt wird.
2.3
Zusammenfassung
Dargestellte Spieltheorien betonen jeweils einen anderen Aspekt der kindlichen Spieltätigkeit, die sensomotorische, die emotionale, die kognitive und die soziale
27
2.3 Zusammenfassung
Dimension. Kindliches Spiel wird als Bestandteil kindlicher Entwicklung angesehen und ist als solche beobachtbar (vgl. Heimlich 1989, S. 13). Nach heutigen Erkenntnissen schließen sich die unterschiedlichen Spieltheorien nicht aus. Im praktischen Vollzug der Spielpädagogik müssen verschiedene Spieltheorien verfügbar sein, damit konkretes „Spielverhalten“ für Beobachtungen und Förderungen angemessen strukturiert werden kann. Das heißt unterschiedliche theoretische Auffassungen stehen nebeneinander anstatt gegeneinander (vgl. Heimlich 1989, S. 13).
Emotionaler Aspekt
Sensomotorischer Aspekt
Kindliche Spieltätigkeit
Kognitiver Aspekt Sozialer Aspekt
Abbildung 1: Kindliche Spieltätigkeit und spieltheoretische Aspekte
28 2.4
2 Hauptrichtungen der Spieltheorie
„Spiel“ und „spielen“
Abbildung 2 stellt in schematischer Form kindliche Spieltätigkeit in ihrer Abhängigkeit von ihren „exogenen Bedingungsfaktoren“ (Heimlich 1989, S. 39) dar.
Subjektive Bedingungsfaktoren ICH ES
Spieltätigkeit sensomotorischer Aspekt emotionaler Aspekt kognitiver Aspekt sozialer Aspekt
Soziale Bedingungsfaktoren Spielmittel Spielumgebung Spielpartner
Abbildung 2: Wechselwirkung zwischen Spieltätigkeit, subjektiven und sozialen Bedingungsfaktoren
Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die Spieltätigkeit des Kindes. Diese kann unter dem sensomotorischen Aspekt (Welche Funktionen übt das Kind im Spiel aus?), dem emotionalen Aspekt (Welche seelischen Konflikte agiert das Kind im Spiel aus?), dem kognitiven Aspekt (Welche kognitiven Schemata erwirbt das Kind im Spiel?) und dem sozialen Aspekt (Wie spielt das Kind in Beziehung zu anderen Kindern und Erwachsenen?), strukturiert werden (vgl. Heimlich 1989, S. 39f). Spieltätigkeit, subjektive und soziale Bedingungsfaktoren wirken wechselseitig aufeinander ein (vgl. Heimlich 1989, S. 39). Damit ist gemeint, dass das Kind nicht nur mit dem eigenen Körper spielt, sondern auch mit bestimmten Spielmitteln4 und wechselnden Spielpartnern in einer konkreten Spielumgebung, wie Kindergarten, Wohnung, Sandkasten usw. Spieltätigkeit und Spielumwelt sind die Bereiche des kindlichen Spiels, die der unmittelbaren Beobachtung zugänglich sind. Soziale Bedingungsfaktoren wirken in das Spiel hinein, können das Spiel hervorbringen oder auch hemmen, insgesamt aber wesentlich beein4 Spielmittel bezeichnet alle Gegenstände, die das Kind in seine spielerische Aktivität mit einbezieht. Dazu gehören nicht nur industriell gefertigtes Spielzeug, sondern auch alle Materialien, die dem Kind zur Verfügung stehen (vgl. Retter 1979, 207ff).
2.4 „Spiel“ und „spielen“
29
flussen (vgl. Heimlich 1989, S. 40; Mogel 1994, S. 12f; Einsiedler 1999, S. 38). Kindliche Spieltätigkeit stellt eine vom Kind ausgehende Aktivität dar, die in einem Spannungsverhältnis zwischen Verhalten und Handeln gesehen werden muss (vgl. Heimlich 1989, S. 49). Heimlich (vgl. 1989, S. 40) bezieht sich in seinen Ausführungen auf Roth (1971). Nach Roth lassen sich subjektive Einflussfaktoren wie folgt differenzieren:
das „Ich“ (als Entscheidungsinstanz für selbstbestimmte Handlungen) und das „Es“ (als Bezeichnung für die Anlagefaktoren allgemein).
In dem Maße in dem das „Ich“ über das „Es“ verfügen kann, schreitet die Spieltätigkeit vom bloßen „Verhalten“ zum „Handeln“ fort (Heimlich 1989, S. 40). Aufgrund der Wechselwirkung zwischen sozialen und subjektiven Bedingungsfaktoren nimmt, das zur selbstbestimmten Handlung fähige Kind, sowohl zum „Es“ als auch zur „Spielumwelt“ eine „stellungnehmende“ (Heimlich 1989, S. 40) Position ein. Sodass das „Spielhandeln“ im Unterschied zum „Spielverhalten“ erst als die entfaltete Form der Spielfähigkeit anzusehen ist (vgl. Heimlich 1989, s. 40). Ausgehend von einer wechselseitigen Beeinflussung zwischen Spieltätigkeit, subjektiven und sozialen Bedingungsfaktoren lässt sich Spiel wie folgt definieren (vgl. Heimlich 1989, S. 41): Spiel ist als eine menschliche Aktivitätsform zu bezeichnen (vgl. Heimlich 1989, S. 41),
die sich durch die Merkmale „Intrinsische Motivation“ von anderen separieren lässt; die unter sensomotorischem, emotionalem, kognitivem und sozialem Aspekt strukturiert werden kann und durch soziale und subjektive Bedingungsfaktoren konkret ausgeprägt wird.
Kindliche Spieltätigkeit ist eingebettet in einen sozialen Kontext. Subjektive, soziale Bedingungsfaktoren und kindliche Spieltätigkeit bedingen sich wechselseitig (vgl. Heimlich 1989, S. 41; Einsiedler 1999, S. 43; Mogel 1994, S. 13).
3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
Im Folgenden werden die „vier Grundformen“ (vgl. Einsiedler 1999) des kindlichen Spiels beschrieben und unter verschiedenen Aspekten bzw. Fragestellungen strukturiert.
Wie spielt das Kind in Beziehung zu anderen Kindern und Erwachsenen? (sozialer Aspekt) Welche kognitiven Schemata erwirbt das Kind im Spiel? (kognitiver Aspekt) Welche Funktionen übt das Kind im Spiel? (sensomotorischer Aspekt) Welche seelischen Konflikte agiert das Kind im Spiel aus? (emotionaler Aspekt)
3.1 Psychomotorische Spiele 3.1.1 Begriff und Formen In dieser Form des Spiels steht der Umgang mit dem eigenen Körper im Vordergrund (vgl. Mogel 1991, S. 143). Etwa das Baby, das mit seinen Beinchen strampelt oder seine Stimme erprobt, mit dem Speichel sprudelt usw. Die selbstgenügsame Bewegung, die ständig wiederholt wird, steht hier im Mittelpunkt, weil „die Abfolge von Erwartungshaltung, Steigerung der Erregung als lustvoll erfahren wird.“ (Wetzel 2005, S. 70).Psychomotorische Spielhandlungen, wie sie hier beschrieben werden, beschränken sich nicht auf die ersten 18. Lebensmonate des Kindes, sondern sie werden als kontinuierliche Spielhandlungen angesehen, die mit den späteren Bewegungsspielen in Kindheit und Jugend, selbst im Erwachsenenalter, im Zusammenhang stehen (vgl. Wetzel 2005, S. 70ff). Dazu zählen beispielsweise im Jugend- und Erwachsenenalter Sport, M. Grubbauer, Spielen als pädagogische Maßnahme, DOI 10.1007/978-3-531-92855-5_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
32
3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
Tanzen usw. Bühler Ch. (1967) beschreibt den spielerischen Umgang mit dem eigenen Körper und dem ersten Hantieren mit Gegenständen unter dem Begriff „Funktionsbetätigung“ (Bühler Ch. 1967, S. 69). Nach Auffassung Bühler’ steht im Mittelpunkt der körperlichen Betätigung das Betasten und Bewegen (z. B. Spiel mit einer Rassel). Dabei geht es dem Kind nicht um die Auseinandersetzung mit dem Material, sondern um das Vergnügen am Tun (z. B. am Schütteln, Quetschen, Schieben u. ä.) (vgl. Bühler Ch. 1967, S. 69).
Abbildung 3: Baby mit Rassel
Piaget (1975, S. 146) spricht vom „Übungsspiel“, das er folgendermaßen definiert: „Gewisse Spiele setzen keine besondere Technik voraus: Als einfache Übungen setzen sie eine vielfältige Gesamtheit von Verhaltensweisen ins Werk […]. Nur die Funktion definiert diese Spiele. […] ohne ein besonderes Ziel nur aus Vergnügen am Funktionieren.“ (Piaget 1975, S. 146)
3.1 Psychomotorische Spiele
33
Innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes spricht Piaget (1975, S. 146) auch vom „sensomotorischen Spielen“, um eine Abgrenzung zum Denken ab dem symbolischen Stadium zu schaffen. Die sensomotorische Intelligenz befähigt nur zum Handeln in der konkreten Wirklichkeit. Eine Vorstellung von Begriffen und Handlungen gibt es noch nicht. Das Tun ist auf die praktische Erfüllung, nicht auf Erkenntnis gerichtet (vgl. Piaget 1975, S. 146ff).
Abbildung 4: Freude am Tun Die Abbildung zeigt ein 5 Monate altes Baby, das mit einem aufgeblasenen Plastiksack spielt. Das Vergnügen besteht im raschelnden Geräusch, das durch das Material beim Greifen und Werfen entsteht.
Laut Einsiedler (vgl. 1999, S. 58) sind die Begriffe Funktions- und Übungsspiele zu formal und geben lediglich die Antwort auf die Frage: „Wozu spielt das Kind?“. Die Frage nach dem „Was spielt das Kind?“, bleibt offen. Aufgrund neuerer Forschungen und Beobachtungen, so Einsiedler (vgl. 1999, S. 58) bringt man die Tätigkeiten des Kindes schon im 1. Lebensjahr mit kognitiven Verarbeitungsprozessen, elementaren Wissensformen und intentionalen Handlungen in Verbindung. Laut Einsiedler (vgl. 1999, S. 59) beschreibt der Begriff „psychomotorisch“ diese Form der spielerischen Handlungen besser als der Begriff „sensomotorisch“. Einsiedler (vgl. 1999, S. 59) begründet dies wie folgt:
34
3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
Kinder bauen bereits im ersten Lebensjahr Erwartungen auf. Sie „wissen“ schon etwas von ihrer Umwelt und haben Erwartungen. Beispielsweise konnten an der Mimik der Kleinkinder Erwartungshaltungen hinsichtlich eines Spielzeugeffektes nachgewiesen werden. In Eltern-Kind-Interaktionen, zum Beispiel beim Kitzeln oder in Spielen, wie „es kommt die Maus“ oder „Hoppe-Hoppe-Reiter“ antizipieren Kinder dieses Ereignis.5
Kinder lernen sehr früh das „Kausalschema“ (Einsiedler 1999, S. 59). Darunter versteht Einsiedler, dass Kinder Effekte auf eigene Handlungen zurückführen können. So können sie beispielsweise eine Rassel bewegen, beim Guck-guck-Spiel sich selbst zudecken usw. Diese Spiele verbinden kognitive und motivierende Komponenten. (vgl. hierzu auch Mogel 1991, S. 143). Dies beschreiben auch Papoušek et al. (1979, S. 205) wie folgt: „Die Erfahrungen, die das Kind über eine Umweltsituation sammelt, werden integriert und führen zu Konzepten, die dem Kind Erwartungen über künftige Wiederholungen solcher Situationen ermöglichen. Hängt ein Ereignis mit der eigenen Tätigkeit zusammen, so ist bei dem Kind sehr deutlich die Tendenz zu beobachten, solche Wiederholungen selbst herbeizuführen und dadurch seine Erwartungen zu überprüfen“
Gegen Ende des ersten Lebensjahres kombiniert das Kind Gegenstände. Zum Beispiel legt es mit Klötzen eine Reihe, legt einen Deckel auf den Topf u. ä. (vgl. Einsiedler 1999, S. 59).
Die meisten Spielhandlungen im Kleinkindalter sind mit deutlichen emotionalen Äußerungen verbunden. Nach dem 4. Lebensmonat kann man im Spiel Lust und Freude, aber auch Anspannung und Missvergnügen beobachten (vgl. Einsiedler 1999, S. 59). Spiele, die Kindern Freude und Lust bereiten, versuchen sie zu wiederholen. Papoušek et al. (vgl. 1979, S. 205f) gehen davon aus, dass die Kinder etwas über Wirkung und Emotion wissen und dadurch bestrebt sind, die Umweltgegebenheiten entsprechend zu steuern.
5 Einsiedler referiert hierzu die Studie von Haith, Hazan & Goodman (1988): Expectation and anticipation of dynamic visual events by 3.5-month-old babies. Child Development 59, S. 467-479 (vgl. Einsiedler 1999, S. 59)
3.1 Psychomotorische Spiele
35
Einsiedler (vgl. 1999, S. 59) fasst den Begriff „psychomotorische Spiele“, wie folgt zusammen: „Die Freude am Spiel, das Erleben von Spannung und Entspannung, das Empfinden, Handlungsträger zu sein, scheint als Hauptmovens des Spiels zu wirken. Wir sprechen deshalb übergreifend von psychomotorischen Spielen und verstehen darunter alle Spiele, in denen eine Bewegung mit dem Körper ausgeführt, eine Körperfunktion betätigt oder ein Gegenstand bewegt wird, wobei die Freude an der Betätigung selbst Hauptziel ist (emotionale Komponente) und Erfahrungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge beteiligt sind (kognitive Komponente).“ (Einsiedler 1999, S. 59)
Die ersten Formen psychomotorischer Spiele sind meist Betätigungen, die von den Eltern ausgehen. Zum Beispiel: Die Eltern bewegen die Beinchen des Babys, kitzeln es leicht, blasen über die Haut, später werfen sie das Kind hoch, oder lassen es im Stehen tanzen u. ä. (vgl. Sutton-Smith 1974, S. 18ff, S. 21ff; Einsiedler 1999, S. 70). Warum kann man hier vom Spiel sprechen, obwohl die Handlungen nicht vom Kind selbst aus initiiert werden, sondern von den Eltern? Rauh (vgl. 1987, S. 151) betrachtet diese Art des Spiels als Interaktionseinheit. Für Rauh verfügt bereits das Kleinkind über eine spezielle Ausstattung für solche Interaktionen. Das Kind begleitet schon früh menschliche Sprache mit synchronen Bewegungen und ahmt Handlungen, wie Mundöffnen und ZungeHerausstrecken nach, ohne damit einen bestimmten Zweck zu verfolgen. In späterer Folge kommt es dann zu Interaktionsspielen, in denen auch die Kinder die Initiative ergreifen (z. B. Ball rollen, Guck-guck-Spiele, Versteckspiele u. ä.). (vgl. hierzu auch Einsiedler 1999, S. 60; Mogel 1991, S. 143f). Zu psychomotorischen Alleinspielen gehören beispielsweise „mit der Zunge“ spielen, mit Fingern und Zehen spielen, Lallen, Sprudeln, „sich fallen lassen“, Gegenstände schütteln, werfen, Planschen usw. (vgl. Einsiedler 1999, S. 60). Mit zunehmendem Alter spielen 1 ½ bis 2-jährige Kinder entsprechend ihrer kognitiven Entwicklung vermehrt mit einfachem Spielzeug wie Klötzen sowie Fantasiespielzeug (z. B. Puppengeschirr) oder Fahrzeugen, wobei es zu einer Zunahme von Fantasiespielprozessen mit symbolischen Handlungen kommt (vgl. Einsiedler 1999, S. 59). Trotzdem nehmen Bewegungsspiele, vor allem im Freien, wie Laufen, Fangen, Sich-Rollen, Purzeln, Rutschen, Ballspiele usw. weiterhin einen bedeutsamen Platz im Leben der Kinder ein. Diese Bewegungs-
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3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
spiele weisen die gleichen Merkmale wie die frühen Bewegungsspiele auf. Die Freude am Tun, das Gefühl etwas zu können6, stehen im Vordergrund und gelten als Hauptbeweggrund (vgl. Einsiedler 1999, S. 60; Mogel 1991, S. 32). Die Weiterentwicklung früher Bewegungsspiele wird beeinflusst von Umweltbedingungen und Erziehungspräferenzen (vgl. Einsiedler 1999, S.61; Mogel 1991, S. 60). Gemäß Einsiedler (vgl. 1999, S. 61) hängt die Weiterentwicklung der Bewegungsspiele in einem hohen Maß von der Aufgeschlossenheit und der Beteiligung der Eltern ab. Ob die Bewegungsspiele des 4- bis 6-jährigen Kindes in ein Interesse für Sportspiele übergehen, hängt beispielsweise davon ab, wie häufig der Vater mit seinem Sohn Fußball spielt. Eine positive Verstärkung bewegungsarmer Spiele, wie z. B. Konstruktionsspiele, führt unter Umständen zu einem Desinteresse an Sportspielen (vgl. Einsiedler 1999, S. 61).
Abbildung 5: Purzeln
Wichtig ist auch noch anzumerken, dass Spiele dieser Art einem, wie Einsiedler (1999, S. 61) es ausdrückt, „typischen kognitiven-motivationalen Spannungs6 Anmerkung: bezieht sich vor allem auf den Bereich der grobmotorischen Spiele wie z. B. Platten hüpfen oder auf feinmotorische Spiele wie z. B. Fadenspiele, Murmelspiele
3.1 Psychomotorische Spiele
37
verlauf“ unterliegen. Damit ist gemeint, dass das erkundende Spiel (psychomotorisches Spiel) mit der Entdeckung von etwas Unbekanntem, oder mit etwas Vertrautem mit erhöhter Komplexität beginnt. Durch das Unbekannte oder dem „Anderssein“ von etwas Vertrautem, kommt es zu einer kognitiven Diskrepanz. Dadurch wird auf der einen Seite Unsicherheit, auf der anderen Seite Neugierde hervorgerufen. Beides wirkt motivierend (vgl. Einsiedler 1999, S. 61; vgl. hierzu auch Mogel 1991, S. 58). Nach Weisler et al. (vgl. 1976, S. 492ff) wird das Kind spielerisch aktiv, wenn der Neuigkeitsgehalt einen mittleren Ausprägungsgrad besitzt, ansonsten entsteht Desinteresse oder ängstliche Passivität. Auch im Sozialspiel zwischen Eltern und Kind kommt es zu einer gegenseitigen Aktivierung, die Einsiedler (1999, S. 61) „Aktivierungszirkel“ nennt. In der spielerischen Interaktion durch die Eltern erfolgt die Bestimmung der Reizmenge und des Rhythmus’ des Spielens weitgehend seitens der Eltern (vgl. Einsiedler 1999, S. 61). Mehrere Untersuchungen von Crawley et al. (vgl. 1978, S. 30ff), bezogen auf Blickkontakte, Lächeln, taktile Stimulation, kognitive Anregungen u. v. m., ergaben, dass Eltern ihre Spielhandlungen meist optimal auf die Bedürfnisse des Kindes abstimmen können (vgl. hierzu auch Sutton-Smith 1974, S. 23). Spielhandlungen werden bestimmt durch Imitation, Geben und Nehmen sowie Herumbalgen und –toben. Fühlte sich das Kind von der Reizmenge oder dem Rhythmus überfordert, so signalisierte es Unbehagen und die Eltern modifizierten oder brachen das Spiel ab (vgl. Einsiedler 1999, S. 61).
3.1.2 Entwicklung psychomotorischer Spiele Untersuchungen psychomotorischer Spiele beschränken sich meist, aufgrund der Untersuchungspraktikabilität, auf Beobachtungen des manipulativen Spiels mit vorgegebenem Spielzeug der Kinder ab ca. dem 7. Lebensmonat (vgl. Einsiedler 1999, S. 62). Autoren, wie beispielsweise Rauh (vgl. 1978, S. 173), sehen ab dem 1. Lebensjahr die Erreichung eines zentralen Entwicklungsstandes, der die weitere Entwicklung nachhaltig beeinflusst. „…So scheint das Entstehen der einfachen Objektpermanenz (zwischen fünf und acht Monaten) einen ‚Knotenpunkt’ für andere Bereiche (z. B. Raum- und MittelZweck-Beziehung) zu bilden und das spätere und genauere Erfassen von Raumbe-
38
3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
ziehungen und Umwegen im Raum (14-17 Monate) einen Knotenpunkt für konkrete Mittel-Zweck-Beziehungen im Sinne von Werkzeuggebrauch (oder umgekehrt).“ (Rauh, 1978, S. 173)
Eine der ersten systematischen Beobachtungsstudien zum Spiel der Kleinkinder stammen von Rosenblatt (vgl. 1977, S. 33ff). Sie beobachtete Kinder in der häuslichen Umgebung, gab ihnen Spielzeugsets vor und erfasste mit einem Beobachtungsbogen in 5-Sekunden-Abständen das Spielverhalten der Kinder. Dabei kam sie zu folgendem Ergebnis:
1.
In 100 % der Beobachtungsz. B. Berühren, 9. Lebensmonat einheiten spielten Drehen, Schwenken, die Kinder „sensoStoßen motorische Spiele“ „Sensomotorische 9. – 24. LeKombinationen“ z. B. Klötze aufeinbensmonat wurden bei allen ander stellen, oder Kindern nur selBecher stapeln ten beobachtet Wechsel vom sensomotorischen zum repräsentationalen Spiel Reduzierung des einfache Fantasie15. – 18. Le„sensomotorischen bensmonat Spiels“, dafür Anspiele mit vorgegebenen Handlungen stieg des „repräsentationalen z. B. Spieltelefon, Puppenspiele Spiels“ mit einem Spielzeug von auf ca. 60% 18. -24. LeHäufigere „repräbensmonat sentationale Kombinationen“ Anz. B. Tee in Tasse stieg auf ca. 25 % gießen, Teddy baden
Tabelle 1:
Zusammenfassung der Ergebnisse der systematischen Beobachtungsstudien (vgl. Rosenblatt 1977, S. 33ff)
3.1 Psychomotorische Spiele
39
Einsiedler (vgl. 1999, S. 63) führt die Replikationsstudien von Fenson et al. (vgl. 1976, S. 232ff) sowie Zelazo et al. (vgl. 1980, S. 95ff) an. Die Autoren kamen zu folgenden Ergebnissen:
Kinder im 7. Lebensmonat untersuchten das Spielzeug überwiegend visuell und tastend, sie steckten das Spielzeug in den Mund, oder erzeugten damit Lärm.
Im 7. bis zum 9. Lebensmonat nahm das rationale Spiel (Gegenstände aneinanderbringen z. B. Bauklötze aufeinander stapeln) leicht zu und wieder ab. Das entspricht dem Ergebnis der Studie Rosenblatts (vgl. 1977, S. 33ff). Sachgerechter Spielzeuggebrauch (z. B. einen Spielzeuglöffel in einer Puppentasse rühren) nahm vom 9. bis zum 13. Lebensmonat signifikant zu und blieb auf einem hohen Niveau bis zum 20. Lebensmonat erhalten (vgl. Fenson et al. 1976, S. 232ff). Das symbolische Spiel (vgl. Zelazo et al. 1980, S. 95ff) trat, vergleichbar mit den „repräsentationalen Kombinationen“ aus der Studie Rosenblatts (vgl. 1977, S. 33ff), in der ersten Hälfte des 2. Lebensjahres auf.
Die Autoren Zelazo et al. (vgl. 1980, S. 95ff) gehen davon aus, dass Kinder bereits mit 9 ½ Lebensmonaten über motorische Fertigkeiten verfügen, die ihnen ermöglichen, bereits im Alter von 11 ½ Lebensmonaten Spielzeug funktionsgerecht7 zu benutzen. Trotz der vorhandenen motorischen Fertigkeiten konnte funktionales Spiel im Alter von 11 ½ Lebensmonaten nur in wenigen Fällen beobachtet werden. Erst ab 13 ½ Monaten konnte das funktionale Spiel bei allen Kindern beobachtet werden (vgl. Zelazo et al. 1980, S. 95ff). Daraus schließen Zelazo et al. (vgl. 1980, S. 95ff), dass etwa ab dem 12. Lebensmonat des Kindes kognitive Fähigkeiten vorhanden sind. Dazu gehören Ideen hervorbringen, Hypothesen prüfen, Informationen codieren und abrufen. Die Anwendung kognitiver Fähigkeiten auf adäquaten Spielzeuggebrauch bezeichnen sie als „Knotenpunkt“ (vgl. Einsiedler 1999, S. 64f) in der kindlichen Entwicklung, der vorangegangene Entwicklungslinien zusammenfasst und die 7 Zum Beispiel den Telefonhörer eines Spielzeugtelefons an das Ohr führen oder einen Deckel auf eine Spielzeugteekanne setzen.
40
3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
Grundlage für die Entstehung von Symbolisierung darstellt; z. B. die horizontale Verbindung zweier Entwicklungsbereiche wie etwa Spiel und Sprache (vgl. Einsiedler 1999, S. 64).
Abbildung 6: Entwicklung von drei Typen des psychomotorischen Spiels (Einsiedler 1999, S. 64)
Studien von Ungerer et al. (vgl. 1984, S. 1448ff) sowie Zukow (vgl. 1986, S. 223ff) unterstützen die Annahme, dass eine Korrelation zwischen sozialen Spielen und Sprachgebrauch besteht. Die Autoren Ungerer et al. (vgl. 1984, S. 1448ff) stellten in ihren Beobachtungen fest, dass Spielarten, die kommunikative Interaktion beinhalten (z. B. das auf Puppen oder auf Personen gerichtete Spiel), und Symbolspiele im 22. Lebensmonat signifikant mit der Sprachentwicklung in diesem Alter korrelieren. Die Autoren nehmen an, dass die Sprachentwicklung durch Umsetzungen von Symbolen im Spiel und der Kommunikation mit anderen Personen stimuliert wird. Zukow (vgl. 1986, S. 223ff) beobachtete ein fortgeschrittenes „kulturelles Wissen“, wenn das Kind nicht alleine, sondern mit einem Elternteil spielte. Zukow (vgl. 1986, S. 223ff) führt das zurück auf das Konzept Vygotskij’ (1980,
3.1 Psychomotorische Spiele
41
462) „Zone der nächsten Entwicklung“, welches besagt, dass Eltern es offensichtlich verstehen, genau passend die nächste Sprachentwicklungsanregungen zu geben. Laut Einsiedler (vgl. 1999, S. 65) sollten die Zusammenhänge zwischen frühen psychomotorischen Spielen und der Sprachentwicklung nicht überbewertet werden, da vermutlich andere Einflüsse, wie z. B. der elterliche Sprachstil während des 3. – 6. Lebensjahres des Kindes, stärker sind. Die Unterscheidung zwischen Kindern, die mit Objekten spielen, und Kindern, die mehr an Interaktionsspielen interessiert sind, lässt die Schlussfolgerung zu, dass bereits in den frühen psychomotorischen Spielen eine Interessensbildung erfolgt (vgl. Einsiedler 1999, S. 65).
3.1.3 Sozialspiele Im Alter von ca. 3 Monaten fangen Kinder an zu registrieren, was andere tun. Sie verbringen viel Zeit damit, die Mutter bei ihren Handlungen, zu beobachten. „Tatsächlich verbringen alle Kinder, nicht nur Babys, während ihrer ersten sechs Lebensjahre rund 60 % der Zeit, in der sie wach sind, damit, nur zuzuschauen“. (Sutton-Smith et al. 1986, S. 17)
Laut Rauh (vgl. 1987, S. 150) lassen sich folgende soziale Fähigkeiten schon bei Neugeborenen unterscheiden:
die Fähigkeit, Signale der Umwelt, die eng mit sozialer Interaktion gekoppelt sind, bevorzugt zu beachten;
die Fähigkeit, Signale auszusenden, die von der Umwelt als sozial interpretiert werden; Interaktionen und kommunikationsähnliche wechselseitige bzw. gemeinsame Spiele zwischen Kind und Erwachsenen.
Rauh (vgl. 1987, S. 151ff) führt Beobachtungen an, in denen festgestellt wurde, dass bereits das Neugeborene fähig ist Mundbewegungen nachzuahmen. Dieses Nachahmungsverhalten lässt sich nicht auf andere Überlebensfunktionen
42
3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
zurückführen oder aus biologischen Bedürfnissen herleiten. Deshalb geht Rauh (vgl. 1987, S. 151ff) davon aus, dass der Säugling bei seiner Geburt nicht nur für sein rein physisches Überleben (Nahrungsaufnahme usw.) ausgestattet ist, sondern auch für frühe soziale Interaktionen. Ein Beispiel dieser Sozialspiele sind so genannte Kitzel-, Schmuse- und Strampelverse. Bei dieser Art von Versen handelt es sich um überliefertes Volksgut (z. B. „Hoppe, hoppe Reiter“) (vgl. Sutton-Smith 1974, S. 37ff, Einsiedler 1999, S. 67). Zur Erläuterung folgt nachstehend ein Beispiel für den Ablauf eines bekannten Krabbelverses, der sich aufgrund der Kürze des Textes schon für die Allerkleinsten eignet. Da kommt die Maus, da kommt die Maus, (während dieser Satz aufgesagt wird, wird mit dem Fingern am Arm des Kindes „hochmarschiert“) klingelingeling, (am Ohr wird „geläutet“) ist der Herr zu Haus? (bei diesem Satz wird das Kind sanft an der Nase gezupft. Statt „Herr“ kann auch der Name des Kindes eingesetzt werden)
Das Charakteristikum dieses Spiels ist die Vorwegnahme (Antizipation) des Höhepunkts, was den Hauptspaß für das Kind ausmacht. Nach mehreren Wiederholungen erfasst das Baby das Spiel. Steigende Spannung und freudige Erregung zeichnen sich im Gesicht des Kindes ab – bis die Spannung sich in einem herzhaften, befreienden Lachen auflöst (vgl. Einsiedler 1999, S. 67). Durch die Sozialspiele erfahren Kinder wechselseitige Struktur sozialer Interaktionen und im „guten Ende“ der Spiele erleben sie Sicherheit und Vertrauen. Weiters erlernen die Kinder erste vorsprachliche inhaltliche Bedeutungen wie z. B. Signale für Geben und Nehmen (vgl. Einsiedler 1999, S. 67). „Die meisten Spiele, die Eltern mit ihren Kindern spielen, sind von dieser Art. Sie sind irgendwie einseitig, aber beide haben großes Vergnügen. Außerdem lernt das Baby etwas, ohne das kein Spiel möglich ist – nebenbei bemerkt, auch keine Interaktion im sozialen Leben – nämlich nach welchen Regeln man sich abwechselt.“ (Sutton-Smith 1986, S. 25)
3.1 Psychomotorische Spiele
43
Das gegenseitige Verstehen der Interaktionssignale und der meist beglückende Ablauf des Spiels deuten auf eine soziobiologische Absicherung der MutterKind-Beziehung in den ersten Lebensmonaten hin, so Einsiedler (vgl. 1999, S. 66). Die im Sozialspiel angewandten visuellen und taktilen Aktivitäten fördern die emotionale Basis zwischen Mutter und Kind. Emotionale Basis wird auf Seiten der Mutter als Feinfühligkeit und Liebe bezeichnet und auf Seiten des Kindes als Vertrauen (vgl. Einsiedler 1999, S. 66). Interaktive Feinfühligkeit wird als eine wichtige Determinante von Bindungssicherheit gesehen (vgl. Dornes 2007, S. 122). Gemäß Grossmann Klaus (vgl. 1977, S. 169) ermöglicht erst eine sichere Bindung dem Kind Erkundungs- und Spielverhalten. Kinder, die unsicher gebunden sind, stellen bald ihr Erkundungsverhalten ein und hören sehr schnell auf zu spielen (vgl. hierzu auch Smilansky 1973, S. 167ff). Recht detaillierte Untersuchungsergebnisse gibt es vom „Guck-guck-Spiel“, das als psychomotorisches Interaktionspiel bezeichnet wird. Einsiedler (vgl. 1999, S. 66) referiert hierzu die Studie der Autoren Bruner et al. (vgl. 1976, S. 28ff). Die Autoren analysierten den charakteristischen Ablauf des Spiels, welches meist mit Augenkontakt beginnt. Anfänglich wird das Spiel von der Mutter initiiert8. Sie versteckt z. B. ihr Gesicht mit einem Tuch. Später wird auch das Kind initiativ. Es zieht das Tuch vom Gesicht der Mutter weg oder beginnt selbst, sich zu verstecken. Während des Versteckt-seins halten Mütter oft sprachlich Kontakt zum Kind. Beim Aufdecken findet ein beträchtlicher Spannungsabfall statt – begleitet von starken Lautäußerungen und Lachen.
8 In der Vergangenheit wurde die Aufmerksamkeit der Spieleforschung hauptsächlich auf Aktionen zwischen Mutter und Kind gerichtet. Es spricht aber nichts dagegen, dass auch der Vater diese Arten von Spielen initiiert, und dadurch die emotionale Bindung zwischen Vater und Kind verstärkt werden kann. Sutton-Smith (1986) differenziert nicht zwischen Vater und Mutter, sondern spricht von Eltern oder einer der beiden Elternteile. Berichte und Arbeiten von Einsiedler et al (1987, 1989) haben eine geschlechterspezifische Unterscheidung zwischen väterlicher und mütterlicher Interaktion im Spiel mit dem Kind festgestellt, wobei auch darauf hingewiesen wurde, dass meist die Mutter aufgrund der Berufstätigkeit des Vaters mehr Zeit mit dem Kind verbringt.
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3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
Sutton-Smith (1986) beschreibt seine Interaktionsbeobachtungen des Guckguck-Spiels zwischen Eltern und Kind wie folgt: „Es liegt etwas ganz Besonderes darin, Kinder dabei zu beobachten, wie sie das Wiederauftauchen des vertrauten Gesichts von Mutter oder Vater antizipieren, mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen. Wenn das Gesicht dann in ihr Blickfeld gelangt, hat das zunächst einmal eine leicht verwirrende Wirkung, dann aber löst sich der Gesichtsaudruck in ein breites Lächeln auf.“ (Sutton-Smith 1986, S. 52)
Abbildung 7: Guck-Guck-Spiel . Die Mutter versteckt sich unter einer Stoffhose, das Kind (8 Monate) zieht der Mutter die Hose vom Kopf, danach versteckt das Kind die Mutter, indem es ihr die Hose vor das Gesicht hebt.
Entwicklungspsychologen bezeichnen das Guck-guck-Spiel als eine beträchtliche kognitive Leistung des Kindes. Die Kinder erfassen die räumliche und zeitliche Struktur der Umweltgegebenheiten, sie festigen das Konzept der Objektpermanenz9, sie bauen Handlungs-Ergebnis-Erwartungen sowie HandlungsFolge-Erwartungen auf (vgl. Einsiedler 1999 S. 67; Mogel 1991, S. 115). Die Synchronität zwischen Spielbedürfnissen und psychomotorischen Fähigkeiten des Kindes einerseits und den Spielabsichten der Mutter andererseits bleibt über viele Monate erhalten (vgl. Einsiedler 1999, S. 67). Folgende Beo9 Vorstellung von der Substanzhaftigkeit von Objekten, ihrer andauernden existent, auch unabhängig von der Wahrnehmung und Handhabung durch das Individuum. Piaget (1936, 1975) gilt als wesentlicher Autor der Darstellung des Erwerbs der Objektpermanenz. Für ein sechsmonatiges Baby ist ein Gegenstand nicht mehr existent, wenn es ihn nicht mehr sieht. Ein 10 bis 12-Monate altes Baby geht auf die Suche nach einem versteckten Gegenstand. (vgl. Rauh: 1987, S. 167). Das Guck-Guck-Spiel kann auch durch Verstecken eines Gegenstandes gespielt werden.
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3.1 Psychomotorische Spiele
bachtungen wurden von den Autoren Crawley et al. (vgl. 1978, S. 30ff) festgehalten:
Alter des Kindes
Spiele, die die Mütter initiierten
Mütter wählen vorwiegend Kitzeln und Streicheln taktile Anregungen. Mütter spielen jetzt signifikant Backe-backe-Kuchen häufiger; im 4. und 6. Guck-guck-Spiele 8. Lebensmonat Lebensmonat. Es werden Klatschen konventionelle Motorikspiel Winke-Winke-Machen gespielt Mit älteren Kindern werden mehr Spielvariationen gespielt als mit jüngeren. Je mehr Spielkontakte zu beobachten waren, desto häufiger waren auch allgemeine Blickkontakte und Lachen zwischen Mutter und Kind. Besonders Mütter, die viele konventionelle Motorikspiele anregten, hatten Kinder mit positiven Sozialreaktionen. 4. Lebensmonat
Tabelle 2:
Spielbedürfnis und psychomotorische Fähigkeiten (angelehnt an die Beobachtungsergebnissen der Autoren Crawley et al. 1978, S. 30ff)
Zusammengefasst lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass Mütter ihr Verhalten auf die sensomotorische Entwicklung des Kindes abstimmen. Sie regen der Entwicklung angemessene neue Spiele an oder umgekehrt: das Kind fordert mit seiner kognitiv-motorischen Entwicklung neue Spiele heraus (vgl. Einsiedler 1999, S. 67). Carew (vgl. 1977, S. 108ff) fand, dass die Verschiedenartigkeit der Erfahrungen in der sozialen Interaktion mit Erwachsenen in den ersten 1 ½ Lebensjahren zu unterschiedlichen kognitiven Fähigkeiten im 3. Lebensjahr führt. Zu solchen Erfahrungen werden Bücher ansehen, Bauen, kognitive Erklärungen der Eltern zu Alltagsproblemen, musische Tätigkeiten wie beispielsweise Malen gezählt. Unter diesen Erfahrungen in der sozialen Interaktion versteht Carew (vgl. 1977, S. 135) das selbstständige Lernen in Begleitung Erwachsener. Dem Sozialspiel zwischen Kind und Eltern oder anderen Bezugspersonen wird ein hoher Stellenwert eingeräumt wegen seiner Bedeutung für das Lernen sozialer Muster und allgemeinen Umweltwissens (vgl. Einsiedler 1999, S. 68).
46
3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
3.1.4 Objektspiele In der Längsstudie von Wachs (vgl. 1985, S. 31ff) wurden Zusammenhänge zwischen dem Vorhandensein von variablem und reagiblem Spielzeug in der häuslichen Umgebung und der kognitiven Entwicklung der Kinder nachgewiesen. Durch die Variabilität des Spielzeugs werden immer wieder neue Impulse zur Erkundung von Objekt- und Umweltgegebenheiten gesetzt. Empfehlenswert für Eltern und Erzieher erachtet Einsiedler (vgl. 1999, S. 69) bestimmtes Spielzeug in bestimmten Zeitabständen durch anderes zu ersetzen. Zudem sieht Einsiedler (vgl. 1999, S. 69) eine wichtige Funktion des Objektspieles darin, dass es Kinder zum Sozialspiel anregt. Dies begründet er damit, dass das Objektspiel „häufig in die spielerische Interaktion zwischen Kind und Bezugsperson integriert“ (Einsiedler 1999, S. 72) ist. Reagibles Spielzeug reagiert auf Handlungen der Kinder mit einem akustischen, visuell/mechanischen oder kombinierten Signal und ermöglicht besonders intensiv und häufig die Erfahrung des Kausalschemas, das heißt, das Kind erkennt das Ursache-Wirkungs-Prinzip (vgl. Einsiedler 1999, S. 69). Es gilt die Annahme, so Einsiedler (vgl. 1999, S. 61), dass Kinder beim Spiel mit Gegenständen physikalisches Wissen erwerben – beispielsweise durch Tasten der Oberfläche, die hart, weich, biegsam, samtig, eckig, rund usw. sein kann, erhalten Kinder einen Eigenschaftsbegriff. Schaukeln, Kippen, Fallen, Rollen gewährt ihnen einen Einblick in einfaches Statik- und Mechanikwissen.
3.2 Fantasie- und Rollenspiele
3.2.1 Begriff und Formen Mit ungefähr 2 Jahren beginnt das Kind Dinge nach seinen Vorstellungen zu nutzen, das heißt, es beginnt einen Gegenstand symbolisch durch einen anderen zu ersetzen (z. B. wird im Spiel aus dem Holzklötzchen ein Hund) (vgl. Einsiedler 1999, S. 75; Mogel 147). Mit dem zunehmenden Erwerb der Sprache erwei-
3.2 Fantasie- und Rollenspiele
47
tert sich das Symbolspiel zum Fantasie- und Rollenspiel (vgl. Einsiedler 1999, S. 77; Oerter 1993, S. 24). Im Rollenspiel lernt das Kind mit anderen zusammen zu spielen, sich in eine andere Person hinein zu versetzen. Dadurch werden wichtige soziale Grundfähigkeiten erlernt (vgl. Einsiedler 1999, S. 75). In den meisten Kulturen gibt es für Kinder ab dem 2./3. Lebensjahr das so genannte „Kleine-Welt-Spielzeug“ (z. B. Einkaufsladen, Puppenküche). Als wichtigsten Gegenstand bezeichnet Einsiedler (1999, S. 75) die Puppe. In Kulturen, in denen der Erwerb von Spielzeug zum Nachspielen von Alltagssituationen nicht möglich ist, wird berichtet, dass Kinder sich selbst aus Naturmaterialien Häuschen, Tiere und Puppen nachbilden (vgl. Einsiedler 1989, S. 75). Im Schulalter geht das „Als-ob-Spiel“ stärker in soziodramatisches Spiel, ohne spezielles Spielzeug, über. Die Kinder spielen dann z. B. Geburtstagsfeier, Batman, Familie usw. (vgl. Einsiedler 1999, S. 75).
Abbildung 8: Kleine-Welt-Spielzeug Einkaufsladen. Das Kind (2 Jahre) spielt mit seiner Mutter Einkaufen, wobei das Kind die Rolle der Verkäuferin einnimmt.
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3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
Einsiedler (vgl. 1999, S. 77) betont die Rollenübernahme als zentrale Komponente. Diese Rollenübernahme ist schon in der frühen Kindheit beobachtbar und kennzeichnet das freie als auch das vorgegebene Rollenspiel. Rollenspiele können Nachahmungshandlungen, irreale Spielideen, Metagespräche usw. umfassen und sind damit begrifflich umfassender bestimmt als das Symbolspiel, welches sich überwiegend auf Objektsubstitution bezieht (vgl. Einsiedler 1987, S. 87). Kinder vermischen häufig Bauspiele mit Fantasiespielen, z. B. wenn sie mit Bausteinen Landschaften bauen, darin mit kleinen Spielautos herumfahren und fiktive Unfälle bauen (vgl. Einsiedler 1999, S. 77).
Abbildung 9:
Spaß am Rollenspiel Die 4- und 5-jährigen Mädchen spielen „Model“. Zuerst bereiteten sie sich vor indem sie sich schminkten und vorhandene Utensilien aus dem Kleiderkasten zu „Outfits“ kombinierten.
3.2 Fantasie- und Rollenspiele
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3.2.2 Bedeutung des Fantasie- und Rollenspiels für die kindliche Entwicklung 3.2.2.1 Festigung kognitiver Strukturen Piaget bezeichnet die Fantasie- und Rollenspiele „bewusst“ (Einsiedler 1999, S. 77) als Symbolspiele, um im Vergleich zu den psychomotorischen Spielen die kognitive Entwicklungsfunktion des „So-tun-als-ob“ zu verdeutlichen. Das psychomotorische Spiel dient der Einübung von Handlungsschemata; durch das „So-tun-als-ob“ Spiel wird die kognitive Repräsentation in Form von Symbolen aufgebaut (vgl. Piaget 1975, S. 159). Für Piaget (vgl. 1975, S. 159) ist das Symbolspiel Assimilation. Damit ist gemeint, dass das Kind sich die Wirklichkeit unterordnet, indem es souverän über die alltäglichen Handlungen verfügt. Zum Beispiel ein Kind lässt im Spiel ein Klötzchen zum Auto werden. Durch Assimilation kann das Kind „die Umwelt nach Belieben umdeuten und den eigenen aktuellen Bedürfnissen anpassen“, so Oerter (1993, S. 24). Das wichtigste am Symbolspiel ist für Piaget (vgl. 1975, S. 209) der Übergang von der sensomotorischen Intelligenz ohne innere Vorstellung zum abstrakt-logischen Denken. Das Symbolspiel ist für Piaget (vgl. 1975, S. 209) eine Form des Denkens, das den Übergang von der sensomotorischen Ebene zur Ebene des repräsentativen Denkens vermittelt. Kinder, die sich vermehrt und ausgeprägt mit „So-tun-als-ob-Spielen“ beschäftigen, müssten demzufolge bei späteren kognitiven Leistungen, vor allem in der Schule, bei den dekontextualisierten Aufgaben10 im Vorteil sein. Längsschnittuntersuchungen beispielsweise von Einsiedler (1989) und Pellegrini et al. (1991) fanden in ihren Untersuchungen erste Hinweise auf einen positiven Zusammenhang (vgl. Oerter 1989, S. 24; Vygotskij 1980, S. 456).
10 Dekontextualisierte Aufgaben: die Fähigkeit zur Codierung und Decodierung von Informationen mittels Zeichen und Aufnahme von Informationen ohne konkrete Kontextmerkmale. Beide Kompetenzen sind von den ersten Schulwochen an gefordert, und auch in den weiteren Schulstufen müssen Schüler beständig Bedeutungen ohne konkreten Situationsbezug verarbeiten. (vgl. Einsiedler: 1989, S. 1)
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3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
3.2.2.2 Kreative Funktion Bretherton (vgl. 1984, S. 24f) sieht im Fantasiespiel nicht die Festigung kognitiver Strukturen, die Piaget (1975) dem Fantasiespiel zuschreibt. Für sie erfüllt das Fantasiespiel eine kreative Funktion. Bretherton (vgl. 1984, S. 24f) vertritt den Standpunkt, dass im Fantasiespiel keine getreue Rekonstruktion der Wirklichkeit erfolgt. Vielmehr erlaubt das Fantasiespiel Alternativen durchzuspielen und ermöglicht dadurch eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten. Das „So-tun-als-ob“ bringt Neues hervor. Dieses Neue kann sich im Spiel z. B. in Form phantasievoller Problemlösungen zeigen (vgl. Bretherton 1984, S. 33).
3.2.2.3 Emotionale Wirkung Kindern ist es nicht möglich, die Erfüllung von Wünschen planend aufzuschieben. Das Fantasiespiel gibt ihnen die Möglichkeit ihre Wünsche sofort zu erfüllen. Somit dient das Fantasiespiel als Hilfsmittel ihre Wünsche zu verwirklichen (vgl. Einsiedler 1999, S. 81). Dabei geht es, laut Einsiedler (vgl. 1999, S. 81), nicht um das Ausleben zufälliger Einzelwünsche, sondern im Spiel erfolgt eine Verallgemeinerung der Affekte. Gleichzeitig kommt dem Fantasiespiel eine kognitive Bedeutung zu (vgl. Einsiedler 1999, S. 81).
3.2.2.4 Kompensationsfunktion Wie bereits erwähnt, besteht für Piaget (vgl. 1975, S. 207) das wesentliche Merkmal des Fantasie- und Rollenspiels (Symbolspiel) in der Assimilation. Freud (1920) sieht das Spiel stellvertretend für die Erfüllung von Wünschen (Katharsis-Hypothese). Vygotskij (vgl. 1980, S. 443) sieht, vergleichbar mit Freud, den Ursprung des Spiels ebenfalls in den Wünschen des Kindes. Das Kind stößt im soziokulturellen Kontext immer wieder auf Grenzen und muss, in einem mitunter schmerzvollen Prozess, lernen, Ziele und Verhaltensweisen von der Umwelt zu übernehmen. Durch das Fantasie- und Rollenspiel ist
3.2 Fantasie- und Rollenspiele
51
es dem Kind möglich, sich eine Welt zu schaffen, in der es stellvertretend die eigenen Bedürfnisse und Probleme, mit denen es in der realen sozialen Welt konfrontiert wird, autonom handhaben kann (vgl. Oerter 1993, S. 13f). Das Kind schafft sich eine Realität, in der es sich glücklich und wohl fühlt (vgl. Oerter 1993, S. 13).
3.2.3 Entwicklung des Fantasie- und Rollenspiels Um Fantasie- und Rollenspiele spielen zu können, muss sich das Kind bereits Verständnis- und Objektpermanenz sowie den sinnvollen psychomotorischen Umgang mit Objekten angeeignet haben (vgl. Einsiedler 1999, S. 83). gibt einen Überblick über die Stufen der Entwicklung des sensomotorischen Spiels und des „So-tun-als-ob-Spiels“. Es werden die Ansätze von Piaget (1969), Belsky et al. (1981) und MacCune-Nicolich (1981) gegenüber gestellt. Die Gegenüberstellung verdeutlicht Gemeinsamkeiten und Abweichungen der Sichtweise der einzelnen Autoren. Angelehnt ist die Tabelle an die Ausführungen Einsiedlers (vgl. 1999, S. 83f) und entspricht der vereinfachten Darstellung Oerters (vgl. 1993, S. 41ff). Die Übersicht sollte nicht im Sinne von Entwicklungsnormen verstanden werden. Laut Einsiedler (vgl. 1999, S. 84) lässt sich dies zum einen deshalb revidieren, da Kinder nicht immer die höchsten Entwicklungsformen des Spiels wählen, sondern die Freiheit des Spiels nutzen, zwischen den Ebenen zu wechseln. Es gibt zwar einen Kern universeller Entwicklung des Fantasiespiels, spezifische Spielformen sind jedoch von unterschiedlichen Faktoren abhängig, wie kulturellen Gegebenheiten, Wertschätzung der Eltern, Spielzeugausstattung usw.
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3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
Piaget (1969)
McCune-Nicolich et al. (1981)
Belsky et al. (1981) Niveau I: In den Mund nehmen (alles wird wahllos in den Mund genommen)
Einfache Übungsspiele:
Niveau II:
Spielerisch-ritualisierte Wiederholung von Handlungen (z. B. Kieselsteine in den Teich werfen)
Einfaches Manipulieren (einen Gegenstand herumdrehen und betasten)
Kombination ohne Zweck:
Niveau III:
Konstruktion neuer Kombinationen (z. B. Kieselsteine in einen Eimer werfen, dann den Eimer umschütten)
Funktionsgerechtes Manipulieren (z.Bsp. Spielzeugtelefon bedienen, Lenkrad drehen, Auto schieben) Niveau IV: In-Beziehung-setzen (inadäquat). (z. B. Löffel und einen Stock zusammenbringen, eine Puppe auf ein Telefon legen)
Kombination mit Ziel:
Niveau V:
z. B. Einordnen von Gegenständen, am Bett herumturnen und verschiedene Handlungen durchführen.
Funktional-relationales Manipulieren. Zwei Objekte werden in angemessener Weise miteinander in Verbindung gebracht (z. B. eine Tasse auf die Untertasse setzen, eine geometrische Form in das dafür vorgesehene Loch stecken)
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3.2 Fantasie- und Rollenspiele
Übergang: Reproduktion eines sensomotorischen Schemas außerhalb seines üblichen Rahmens und in Abwesenheit eines üblichen Gegenstandes (etwas mit geschlossener Hand bringen, ohne dass die Hand einen Gegenstand enthält)
Vorsymbolische Schemata: Übergang von sensomotorischen Aktivitäten zum Als-ob-Spiel. Objekteigenschaften dienen als Anreiz für Handlung (z. B. Autofahren)
Handlungsmäßige Festlegung. Angenäherte Symbolhandlung, aber ohne Beleg für echtes Symbolverhalten (z. B. Tasse mit den Lippen berühren ohne Schlürfgeräusche, Telefonhörer zum Ohr bringen, ohne zu sprechen)
Selbstbezogene Schemata:
Niveau VII:
Erste symbolische Aktivitäten, die auf das Selbst gerichtet sind (sich kämmen, fiktiv aus einer leeren Tasse trinken und schlucken)
Stadium I: Typ I A: Projektion symbolischer Schemata auf neue Objekte (der Puppe zu essen geben; den Hund „weinen“ lassen). Typ I B: Projektion von Nachahmungsschemata auf neue Objekte (Handlungen von Modellen werden übernommen und auf sich selbst bzw. Puppe oder Bär umgewandt. z. B. Kind tut so, als lese es eine Zeitung, lässt die Puppe telefonieren)
Niveau VI:
Dezentrierte Symbolspiele mit einzelnen Schemata:
Symbolspiel mit Selbstbezug. Das Symbolverhalten ist auf sich selbst gerichtet, z. B. leere Tasse zum Mund führen, kippen, schlürfende Geräusche machen und schlucken; den Telefonhörer zum Ohr führen und dabei vokalisieren. Niveau VIII:
Symbolspiel mit Partnerbezug. Das SymbolverhalAndere Objekte und Perten richtet sich auf andere sonen werden als Rezi(z. B. Puppe mit dem Löfpienten/Agenten mit in die fel füttern) Handlung einbezogen (die Puppe füttern)
Niveau IX: Substitution. Ein Objekt wird in der Handlung umgedeutet (z. B. einen Plastikwürfel zum Trinken benutzen, mit einer Schachtel Auto fahren)
54 Typ II A: Assimilation eines Objektes an ein anderes (ein Schema wird herausgelöst und wird handlungsleitend fürs Spiel, z. B. Kind zeigt auf einen Stein und sagt „das ist ein Hund“ schiebt eine leere Schachtel hin und her und sagt „Auto“, verwendet denselben Gegenstand wie eine Muschelschale für mehrere fiktive Gegenstände)
3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
Kombinatorische Symbolspiele: Kombination einzelner Schemata als Übertragung der Schemata auf mehrere Objekte/Personen (singlescheme combination). Beispiel für singlescheme: kämmen bzw. zu trinken geben für mehrere Objekte/Personen; Beispiel für multi-scheme: für die Puppe kochen, sie füttern und sie zu Bett bringen.
Niveau X: Sequenzierung fiktiver Handlungen. Wiederholungen einzelner Symbolhandlungen (selbst trinken, der Puppe, der Mutter zu trinken geben) oder Verbindung zweier verschiedener symbolisierter Handlungsschemata (z. B. Puppe in die Wiege legen, dann zudecken; fiktiv in die Tasse eingießen, dann trinken).
Typ II B: Assimilation des eigenen Körpers an den Körper eines anderen oder an irgendwelche Objekte (eine Rolle spielen mit einer einzigen Handlung oder einer Kette von Handlungen, z. B. die Mutter spielen, den Briefträger darstellen, einen Kirchturm oder einen Baum markieren) Typ III A: Kombination von Einzelhandlungen zur Konstruktion ganzer Szenen (die Puppe füttern, dabei mit ihr sprechen und die Mahlzeit zu einer Szene gestalten; ein Bad vorbereiten, wobei eine Schachtel die Badewanne und ein Grashalm das Thermometer darstellt, dann die Badeszene mit der Puppe durchführen)
Intern kontrollierte (geplante) Symbolspiele: Planen, Substitution, aktive Rolle anderer Agenten. Die Handlungen erhalten eine hierarchische Struktur, es werden mehr als ein Objekt substituiert, die Puppe oder andere Objekte bzw. Partner erhalten eine aktive Rolle.
Niveau XI: Sequentierung fiktiver Handlungen mit Substitution. In der Handlungssequenz werden Objekte substituiert (z. B. die Puppe in die Wiege legen und sie mit einem Lätzchen als Decke zudecken; im Verkaufsspiel Waren gegen Legosteinchen als Geld verkaufen).
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3.2 Fantasie- und Rollenspiele
Typ III B:
Niveau XII:
Kompensatorische Kombination von Handlungsschemata (Kind darf nicht mit Wasser spielen, nimmt stattdessen eine leere Tasse und führt die gewünschte Handlung am verbotenen Waschzuber aus. Jaqueline, die mit 4 auf ihren Vater eifersüchtig ist, erfindet ein Mädchen, das einen abscheulichen Papa hat.
Doppelte Substitution: Zwei Gegenstände werden innerhalb einer einzigen Handlung transformiert (substitutiert), z. B. ein Holzstück als Puppe und ein Lätzchen als Decke benutzen, die „Puppe“ mit der „Decke“ zudecken und Gute Nacht sagen.
Typ III C: Versuch, mit einer Sache fertig zu werden. Jaqueline sieht eine tote und gerupfte Ente auf dem Küchentisch und liegt am nächsten Tag unbeweglich auf dem Sofa mit angezogenen Armen und Beinen: „Ich bin die tote Ente“). Stadium II: (vom 4. bis zum 7. Lebensjahr) Relative Ordnung der spielerischen Konstruktion, genaue Imitation der Wirklichkeit, Spiele mit Differenzierung und Präzisierung von Rollen (von Piaget als kollektive Symbolik bezeichnet). Stadium II: (vom 4. bis zum 7. Lebensjahr) Relative Ordnung der spielerischen Konstruktion, genaue Imitation der Wirklichkeit, Spiele mit Differenzierung und Präzisierung von Rollen (von Piaget als kollektive Symbolik bezeichnet).
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3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
Stadium III: (7./8. bis 11./12. Lebensjahr) Anwendung von Regeln zugunsten der Kooperation, symbolische Konstruktionen sind immer weniger deformierend und nähern sich der Arbeit.
Tabelle 3:
Entwicklung des Symbolspiels Eine Gegenüberstellung von Piaget (1969), McCuneNicolich (1981), Belsky & Most (1981). (vgl. Oerter 1993, S. 41f)
Bei den Entwicklungsschritten des Fantasiespiels handelt es sich um eine Veränderung des Spiels in verschiedenen Dimensionen. Einsiedler (vgl. 1999, S. 84) beschreibt diese Veränderungen wie folgt: Dezentralisierung Die ersten Fantasiespiele des Kindes sind egozentrisch / selbstbezogen. Mit dem eigenen Körper ahmt das Kind vertraute Handlungen nach. Später werden Puppen, Spielfiguren, andere Personen, in der Fantasie umgewandelte Gegenstände in das Spiel mit einbezogen. Dabei bezeichnet Einsiedler (vgl. 1999, S. 85) die Entwicklung weg vom selbstbezogenen Spiel hin zu Aktionen mit Personen, Figuren, Objekten usw. als „Dezentralisierung“. Dekontextualisierung Abgesehen von Spieltätigkeiten die durch Gestik darstellbar sind, benötigt das Kind bei frühen Fantasiespielen „realistisches Unterstützungsmaterial“ (Einsiedler 1999, S. 86). Später ist es dem Kind möglich sich von konkreten Materialien zu lösen, es nutzt einzelne Objekte als Symbol für einen gedachten Gegenstand, oder es führt Spielhandlungen ganz ohne Unterstützungsmaterial aus. Das Phänomen, unabhängig von konkreten Kontextmerkmalen Fantasiesituationen erzeugen und Objekte sowie Handlungen intern repräsentieren zu können, wird Dekontextualisierung genannt. Das heißt das spielende Kind löst sich durch sein fiktives Handeln von aktuellen, konkreten Umweltbeziehungen. Je mehr solche Herauslösungen in der Sozialisation des Kindes vollzogen werden, desto
3.2 Fantasie- und Rollenspiele
57
ausgeprägter wird die Fähigkeit im Rollen- und Fantasiespiel. (vgl. Oerter 1993, S. 54; Einsiedler 1999, S. 86f). Integration / Sequentierung Eine weitere Entwicklungsdimension im Fantasiespiel der Kinder ist die steigende Fähigkeit einzelne Handlungsschemata aneinanderzureihen und sinnvolle Handlungssequenzen zu bilden. In der Literatur wird für diesen Entwicklungsschritt der Begriff „Integration“ verwendet. Oerter (vgl. 1993, S. 40) sowie Einsiedler (vgl. 1999, S. 88) schlagen vor, hierfür den Begriff „Sequentierung“ zu verwenden, da sich mit diesem Terminus die planende Vorausschau auf eine „Kette von Tätigkeiten“ besser herausstellen lässt. Einsiedler (vgl. 1999, S. 88) unterscheidet zwischen der kombinierenden Anwendung eines Einzelschemas auf mehrere „Fälle“ (z. B. verschiedene Spielfiguren füttern) und der Kombination unterschiedlicher Schemata zu einer sinnvollen Sequenz (z. B. füttern, waschen, zu Bett bringen). Wie bereits erwähnt, korreliert die Sprachentwicklung mit der Entwicklung des Fantasiespiels. McCune-Nicolich et al. (vgl. 1982, S. 30ff) stellten in ihren Beobachtungsstudien fest, dass mit zunehmender Komplexität des Fantasiespiels die verbalen Äußerungen anstiegen. Satzmuster, die Handlungen ausdrückten, nahmen zu. Die Autoren kamen zum Schluss, dass die Sprachentwicklung mit der Entwicklung des Fantasiespiels korreliert. Fenson (vgl. 1984, S. 249ff) kam aufgrund seiner Studie zum Schluss, dass die häufigsten Sprachäußerungen sich auf die dezentrierte Spielform (Figuren übernehmen aktive Rollen) bezogen. Gemäß Fenson (vgl. 1984, S. 251) hat die Sprache hier die wichtige Funktion, die Empfindungen der Spielfigur auszudrücken, was durch bloße Handlungen nicht möglich ist. „[…] Speech and action might serve complementary roles; that is, certain forms of pretense may be more likely to be expressed verbally, others by action. Language might gradually take over as the primary mode for expression of pretense.” (Fenson 1984, S. 251)
Unbestritten dürfte, so Einsiedler (vgl. 1999, S. 89) die instrumentelle Funktion der Symbole für die Sprachentwicklung sein.
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3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
„Bedeutungsablösungen von Konkretationen und Bedeutungsverwendung sind in den Fantasie- und Rollenspielen 2- bis 4jähriger Kinder recht häufig. Deshalb ist ein Beitrag des Fantasiespiels für die Sprachentwicklung anzunehmen. Fantasiespiel und Sprache sind jeweils von der semiotischen Funktion bestimmt und somit zumindest indirekt miteinander verbunden.“ (Einsiedler 1999, S. 89f)
3.3 Konstruktions- / Bauspiele 3.3.1 Begriff und Formen Oerter (1993) erläutert das Kinderspiel aus handlungstheoretischer Sicht und beschreibt Spielen unter der Perspektive des Subjekt-Objekt-Bezugs. Für Oerter (vgl. 1993, S. 68) sind Spielhandlungen Wunscherfüllung durch Konstruktion einer dem Wunsch gemäßen Realität. Da es sich hierbei um eine fiktive Realität handelt, muss die Vorstellung den Hauptanteil bei der Aufrechterhaltung dieser illusorischen Realität übernehmen. Äußeren Zeichen, materiellen Relikten, kommt eine größere Bedeutung zu, da diese erst die Realität gewährleisten (vgl. Oerter 1993, S. 68). Baut ein Kind einen Gegenstand nach, so stellt das, gemäß Oerter (vgl. 1993, S. 68f), eine Repräsentation der Realität dar. Das Kind vergegenständlicht oder materialisiert etwas aus seinen Vorstellungen. Das Ergebnis ist nicht eine realitätsgetreue Abbildung, sondern ein „Abbild“ bildhafter Vorstellung des Kindes. Das Kind erblickt durch sein Werk etwas von seiner Vorstellung und erhält auf diese Weise ein neues Verhältnis zu seinen kognitiven Prozessen. Während des Bauens werden immer wieder Themen des Fantasiespiels aufgegriffen und das Konstruktionsspiel, in der Literatur wird auch der Begriff Bauspiel angeführt (Bühler Ch. 1967; Eibl-Eibesfeldt 1987; Einsiedler 1999), verwandelt sich in ein Rollen- bzw. Symbolspiel (vgl. Oerter 1993, S. 163). Das Herstellen eines Bauproduktes ermöglicht Kindern besonders intensiv die Erfahrung zu machen, Verursacher zu sein. Obwohl das Bauspiel hauptsächlich auf Vergegenständlichung ausgerichtet ist, enthält es einen Rückbezug auf motivationale und emotionale Prozesse im Subjekt. Aus Spiel wird Schaffen und dieser Vorgang ist mit Lust und Stolz verbunden. Die zunehmende Fähigkeit des Kindes, etwas durch das Bauen hervorzubringen, ein Werk zu schaffen, wird mit der Entwicklung der Leistungsmotivation in Zusammenhang gebracht. (vgl. Einsiedler 1999, S. 103).
3.3 Konstruktions- / Bauspiele
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Abbildung 10: Spiel mit Legosteinen
Befunde aus der vergleichenden Verhaltensforschung (vgl. Eibl-Eibesfeldt 1987, S. 412f) zeigen auf, dass das Bauspiel als eine Weiterführung des Objektspiels zu betrachten ist. Im Bauspiel werden, laut Einsiedler (vgl. 1999, S. 105), erworbene Erkenntnisse, wie beispielsweise Beschaffenheit, Form oder Farbe des Gegenstandes gefestigt. Weiters ist es dem Kind möglich, anhand von einfachen Reihungsbauspielen selbstständig relationales Wissen zu erwerben, beispielsweise Klassenbegriffe (Klötze, Stangen) oder Größer-Kleiner-Relationen. Auch topologische Erfahrungen werden gemacht, also innen-außen-neben-zwischen. Vor allem lernen Kinder Gesetze der Statik kennen (vgl. Einsiedler 1999, S. 105). Das Erlernen dieser statischen Gesetze kann man u. a. daran beobachten, wie Kinder schiefe Klötze zurecht rücken und die Basis erweitern, wenn sie einen Turm bauen wollen. Man geht davon aus (vgl. Einsiedler 1999, S. 105), dass das dreidimensionale Bauen die Raumvorstellung verbessert. Während des Bau-
60
3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
spiels kommen Kinder mit den Gesetzmäßigkeiten der Mechanik in Berührung, etwa beim Spielen mit schiefen Ebenen bei schräg gelegten Platten oder bei der Übersetzung unterschiedlich großer Zahnräder usw. (vgl. Einsiedler 1999, S. 105).
Abbildung 11: HABAS Stapelwürfel
Die Beschaffenheit des Bauspiels ist abhängig von den Materialgegebenheiten und der sich entwickelnden Geschicklichkeit des Kindes (vgl. Einsiedler 1999, S. 105). Die ersten Konstruktionsspiele werden mit Hohlwürfeln oder -dosen sowie mit Massivwürfeln aus Schaumstoff, Holz oder Kunststoff gespielt (vgl. Noschka et al. 200 Jahre Geschichte der Bauklötze). Zum Bauspiel wird auch das Spielen mit Sand und Plastilin gezählt (vgl. Einsiedler 1999, S. 105f). Der Umgang mit Puzzels wird ebenfalls zu einer Bauspielform gezählt (vgl. Einsiedler 1999, S. 106). Für die Kleinsten gibt es Puzzelbücher. Diese Bücher sind so aufgebaut, dass jeweils ein Gegenstand im Buch aus einem Puzzelteil besteht, welches das Kind aus dem Buch nehmen und wieder hineinstecken kann. Kinder ab dem 6. Lebensjahr wenden sich mehr dem Bauen mit Metallbaukästen und Kunststoffsteckkästen (Fischertechnik, Fisher Price, Legotechnik) zu (vgl. Einsiedler 1999, S. 106).
3.3 Konstruktions- / Bauspiele
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Diese Baukästen erlauben relativ komplexe Modellbauten. Dabei können Kinder, so Einsiedler (vgl. 1999, S. 106), wichtige Gesetze der Mechanik kennenlernen und erkunden, etwa Kurbel mit Seilzug, lenkbare Achsen, Kippvorrichtungen usw. Mit Legobaukästen, die bereits für das Alter von 8 bis 10 Jahren geeignet sind, können Kinder sogar Einzelradaufhängungen, Lenkgetriebe mit Zahnstange und Differential bauen.
Abbildung 12: Puzzlebuch
Eine weitere Bauform ist das Bauen von zeltähnlichen Gebilden im Haus oder im Freien sowie das Bauen von Hütten und Baumhäusern (vgl. Einsiedler 1999, S. 106). 3.3.2 Entwicklung der Bauspiele Einsiedler (vgl. 1999, S. 106) hält fest, dass zum kindlichen Bauspiel, im Vergleich zu jenem des Fantasiespieles im 2. und 5. Lebensjahr, weniger detaillierte
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3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
Angaben vorliegen. Er führt dies darauf zurück, dass Piaget (1969) das Bauspiel nicht in die Denkentwicklung eingeordnet hat, und weniger Annahmen über Beziehungen zwischen diesem Spiel und Fähigkeitsentwicklungen (Sprache, abstraktes Denken usw.) vorliegen. Die differenziertesten Aussagen bezüglich der Entwicklung der Bauspiele stammen nach wie vor von Hetzer (1931) und Bühler Ch. (1967), so Einsiedler (vgl. 1999, S. 106). Hetzer (1931) beobachtete Kinder beim Spielen mit Bausteinen, Plastilin, Sand und dem Matador-Baukasten. Ende des 1. Lebensjahres gehen Kinder zunächst noch zweckfrei mit den Materialien um. So spielen Kinder beispielsweise mit Würfel, stecken diese ineinander, jedoch ohne eine Gestalt entstehen zu lassen. Im 2. bis 4. Lebensjahr werden aufmerksam Würfelreihen gebildet, Türme gebaut und bei der Verwendung von Matador-Baukasten werden Steckverbindungen zur Konstruktion von Gebilden verwendet. Ab dem 4. Lebensjahr beginnt nach beiden Autorinnen zufolge die „Stufe der beabsichtigten Herstellung eines darstellenden Werkes“. In dieser Phase des Bauspiels sind klare Bauabsichten erkennbar. Die Kinder haben einen Handlungsplan (vgl. Hetzer 1931, S. 44, Bühler Ch. 1967, S. 131ff).
3.3.3 Problemlösung und Konstruktionsspiel Laut Einsiedler (vgl. 1999, S. 111f) ist nicht die sofortige Anwendung des gelernten Prinzips auf ein Problem mit nur einer Lösung der biologische Sinn des Lernens im Spiel. Vielmehr ist es die intuitive Erfahrung physikalischer Prinzipien im Spiel, die in Wiederholungen allmählich konsolidiert und bewusst wird und dann, unter Umständen zeitlich stark verzögert, in Problemlösungssituationen genutzt werden kann.
3.3.4 Verständnis und Konstruktionsspiel Wird durch Konstruktionsspiel das technische Verständnis gefördert? Gemäß Roth (vgl. 1974, S. 146f) wirkt sich das alleinige Besitzen eines Baukastens noch nicht auf das technische Verständnis 4- bis 10-Jähriger aus.
3.4 Regelspiele
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Die Untersuchungen Roths ergaben jedoch eine relativ hohe Korrelation zwischen Bauspielerfahrung zu Hause und dem technischen Verständnis der Kinder. Unter Bauspielerfahrungen zu Hause versteht der Autor in erster Linie gemeinsame Bau- und Bastelbeschäftigungen zwischen Vätern und deren Kindern. Daraus lässt sich schließen, dass wenn zum Bauspielmaterial die soziale Interaktion hinzukommt, die Grundlegung technischen Verständnisses bei Vorschulkindern aufgebaut werden kann (vgl. Einsiedler 1999, S. 121).
3.4 Regelspiele 3.4.1 Begriff und Formen Garvey (vgl. 1978, S. 124) versucht das Regelspiel über die in der englischen Sprache übliche Unterscheidung „play“ und „game“ einzugrenzen. „Ich habe versucht in diesem Buch die Begriffe „play“ und „game“ auseinanderzuhalten.“11. (Garvey 1978, S. 124)
Play: Dieser Begriff entspricht mehr dem freien, subjektiven Spielen. Vergleichbar mit den frühen Objektspielen (Gegenstände greifen, Materialien erkunden) und den freien Fantasiespielen (Essen für die Puppe zubereiten) (vgl. Garvey 1978, S. 124f).
Games: Dabei handelt es sich um institutionalisierte Spielaktivitäten (z. B. Kartenspiele wie Uno, Schwarzer Peter), die ausdrücklich durch Regeln strukturiert sind (vgl. Garvey 1978, S. 124f). Diese Regeln können, gemäß Garvey (vgl. 1978, S. 124f), genau mitgeteilt werden. Games lassen sich lernen und lehren. Es gibt einen festge-
11 Dieses semantische Problem durchzieht die ganze Literatur über das Spiel. Im Französischen und im Deutschen deckt jeweils ein Begriff („jeu“, „Spiel“,) die englischen Begriffe „play“ und „game“ ab. Übersetzer, die die Arbeiten Piagets oder Caillois’ ins Englische übertragen, müssen sich mit dieser Schwierigkeit herumschlagen und sind in ihrer englischen Wortwahl manchmal nicht ganz konsequent. Im umgangssprachlichen Englisch werden die Begriffe „play“ und „game“ auch nicht immer deutlich auseinandergehalten. (vgl. Garvey: 1978, S. 125)
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3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
legten Spielablauf und Spielplan. Vom Einhalten und Akzeptieren der expliziten Regeln ist die Existenz des Games abhängig. Verstöße haben gewöhnlich bestimmte Strafen und Sanktionen zur Folge. Sich den Regeln zu unterwerfen, klingt nicht gerade verlockend und es drängt sich zwangsweise die Frage auf: „Warum unterwerfen sich Kinder diesen Regeln?“. Vygotskij (1980, S. 458) beantwortet die Frage folgendermaßen: „Die Erfüllung der Regel ist die Quelle der Lust“
Damit meint Vygotskij (vgl. 1980, S. 458), dass eine solche Regel eine innere Regel ist, eine Regel der Selbsteinschränkung, Selbststeuerung, Selbstbestimmung und nicht eine Regel, der sich das Kind wie einem physikalischen Gesetz unterordnet. Gemäß Garvey (vgl.1978, S. 124f) tragen Games oft überlieferte Namen (z. B. Räuber und Gendarm). Diese können sich jedoch mit der Zeit ändern und werden in unterschiedlichen Gemeinschaften unterschiedlich benannt. Games haben die Qualität sozialer Objekte: es gibt einen klaren Anfang und ein klares Ende. Es sind klare Strukturen vorhanden, die als Schritte oder Züge in festgelegten Sequenzen bezeichnet werden können. Für Piaget (vgl. 1975, S. 185f) sind Regelspiele sensomotorische Kombinationsspiele (z. B. Laufspiele, Murmel- oder Ballspiele usw.) oder intellektuelle Kombinationsspiele (z. B. Kartenspiele usw.). Wobei es um einen Wettstreit zwischen Individuen geht („ohne dies wäre die Regel sinnlos“). Regelspiele sind reglementiert in Form von Normen, die von Generation zu Generation überliefert werden oder aber auch durch im Augenblick getroffene Übereinkommen. Folgende Einteilung, gemäß Einsiedler (vgl. 1999, S. 125), soll einen Einblick in den Facettenreichtum der Regelspiele im Kindesalter aufzeigen: a.
Einfache soziale Regelspiele: Guck-guck, Verstecken und Suchen, Blinde Kuh, Der Fuchs geht um, Ochs am Berg, Räuber und Gendarm, Katz und Maus usw.
b.
Einfache Kartenspiele: Schnippschnapp, Uno, Schwarzer Peter, Quartett, Mogeln, Quizspiele usw.
3.4 Regelspiele
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c.
Geschicklichkeitsspiele: Mikado, Murmelspiele, Himmel und Hölle, Gummihüpfen, Fadenspiele, Angelspiele, Senso usw.
d.
Brettspiele: Fang den Hut, Mensch ärgere dich nicht, Vier gewinnt usw.
e.
Denkspiele: Memory, Domino usw.
f.
Glücksspiele: Würfeln, Kniffel, Roulette, Knobeln usw.
g.
Sport-, Ball- und Mannschaftsspiele: Schwarzer Mann, Völkerball, Fußball, Federball, Seilspringen, Sackhüpfen, Seilziehen usw.
Eine altersbezogene Aufstellung aktueller Regel- und Gesellschaftsspiele findet sich im Buch: „Vom Spielzeug und vom Spielen“ (SPIEL GUT Arbeitsausschuss 2007, S. 232 – 233).
3.4.2 Entwicklung des Spielens durch Regelspiele Laut Einsiedler (vgl. 1999, S. 126) spielen Kinder viele Regelspiele zunächst nachahmend. Sie haben noch kein Verständnis für Regeln. Erst später wird ihnen die Bedeutung der Regeln klar, was das Umgehen mit Regeln dann auch erst ermöglicht. Neuere Studien haben gezeigt, dass Regelspiele im Kindergarten gegenüber anderen Spielen, vor allem den Fantasie- und Rollenspielen, wesentlich weniger gespielt werden. Treinies et al. (1986) stellten in ihren Untersuchungen einen signifikant geschlechtspezifischen und von häuslichen Bedingungen abhängigen Unterschied fest. Mädchen und Kinder, bei denen zu Hause häufig Regelspiele gespielt werden, bevorzugen im Kindergarten Regelspiele wie Memory, Lotto oder Domino (vgl. Einsiedler 1999, S. 129). Regelspiele, die von den Kindern bereits im Vorschulalter gespielt werden, stellen bereits intellektuelle Anforderungen an das Kind. Kinder müssen Regeln im Gedächtnis behalten. Sie müssen vorausschauend einen Spielplan entwickeln, Spielzüge des anderen einkalkulieren usw. Daraus ist zu schließen, dass es einen Zusammenhang zwischen den intellektuellen Anforderungen geben muss, die
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3 Bedeutung und Funktion kindlicher Spieltätigkeit
durch das Regelspiel an das Kind gestellt werden, und den kognitiven Voraussetzung, die das Kind mitbringen muss, um das Spiel zu beherrschen. (vgl. Einsiedler 1999, S. 129) Die Hauptanforderung vieler Regelspiele ist es, die eigene Spielstrategie auf die des Mitspielenden abzustimmen. Die Schwierigkeit bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr liegt darin, dass sie die Abhängigkeit ihres Spiels mit den Spielzügen des Mitspielers noch nicht einschätzen können. Erfolgreiches Regelspiel ist abhängig von der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel. Das Kind muss sich in den Mitspieler hineinversetzen und versuchen, dessen Spielplan zu verstehen, zum Beispiel bei „Vier gewinnt“. Hier muss sich das Kind in den Mitspieler hineindenken und versuchen, die Spielstrategie des Mitspielers gedanklich vorwegzunehmen. (vgl. Einsiedler 1999, S. 129)
3.4.3 Sozialentwicklung Die Sozialentwicklung der Kinder beschränkt sich nicht auf Regeleinhaltung und Perspektivenübernahme. Eine wichtige Rolle spielt die kommunikative Ebene (vgl. Einsiedler 1999, S. 139). Kinder beraten, planen, handeln Rollen aus, sie diskutieren über Regelfestlegung, Regelrevidierung und Regelvariationen. Aus diesem Grund bilden für Mead (vgl. 1968, S. 200f) Regelspiele einen umfassenden lebensgeschichtlichen und gesellschaftlichen Rahmen ab. In den Spielen sind Kinder gefordert zu organisieren und sich aufeinander abzustimmen. Bloße Selbstdurchsetzung würde den Spielverlauf gefährden. Die Einhaltung der Regeln erfolgt durch Erfahrung, durch das Bewusstsein, eigenes Handeln steuern zu können (vgl. Mead 1968, S. 201). Die Intensität der kommunikativen Auseinandersetzung erklärt Vygotskij (vgl. 1980, S. 457) durch das „Ansteckende“ im Spiel. Die Kinder möchten so spielen wie die älteren Mitspieler. Durch das Beachten der sozialen Regeln entsteht, gemäß Vygotskij (vgl. 1980, S. 457), ein größerer Lustgewinn. Krappmann (vgl. 1983, S. 113) beschreibt die sozialisatorische Wirkungen des Regelspiels wie folgt:
Das Kind muss sich auf andere einstellen, um mit ihnen interagieren zu können. Dadurch baut sich der Egozentrismus ab.
3.4 Regelspiele
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Kinder lernen einen flexiblen Umgang mit Erwartungen dadurch, dass sie die Möglichkeit haben, Neues in vielen Spielvariationen zu erproben, wobei Regeln und Rollen ihnen Sicherheit geben.
Um sich am Spiel beteiligen zu können, oder um Anerkennung zu finden, sind Kinder mit dominantem Verhalten oft angetrieben, ihre Wünsche oder ihr dominantes Verhalten zurückzunehmen. Dadurch lernen Kinder Toleranz gegenüber sich selbst.
Einsiedler (vgl. 1999, S. 140) betont, dass das Regelspiel hinsichtlich der Sozialisation nicht überschätzt werden dürfe. Für jüngere Kinder hat die Familie einen viel stärkeren Einfluss auf die Sozialisation als das Spiel mit Gleichaltrigen. Durch das Spiel mit Gleichaltrigen ist es dem Kind möglich, variable Handlungsweisen kennenzulernen, vor allem dann, wenn in der Familie Rollenfixierung stark vertreten ist. Eine weitere wichtige Bedeutung des Spiels mit Gleichaltrigen liegt darin, dass es zur nötigen, altersgerechten Selbstständigkeit beiträgt (vgl. Einsiedler 1999, S. 140).
4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
Kindliche Spieltätigkeit ist als eine in „Individuum-Umwelt-Zusammenhang eingebettete Form menschlicher und damit gleichzeitig sozialer Handlung“ (Heimlich 1989, S. 41) anzusehen. Dieser Zusammenhang zeichnet sich durch ein Verhältnis dynamischer Wechselwirkungen aus. Das heißt, Umweltfaktoren sowie elterlicher Erziehungsstil haben einen wesentlichen Einfluss auf die kindliche Spieltätigkeit. (vgl. Einsiedler 1999, S. 38; Mogel 1991, S. 48ff). Das kindliche Spiel ist eingebettet in „Umfeldsysteme“ (Einsiedler 1999, S. 43), diese beeinflussen sowohl die Entwicklung des Kindes, als auch die Entwicklung der kindlichen Spieltätigkeit (vgl. Mogel 1991, S. 70f; Einsiedler 1999, S. 38ff; Heimlich 1989, S. 88).
Normen
Erziehungsstil
soziales Netzwerk
Kin d Ob jek te M edienk on sum
Regeln
P erso nen
ökonomischer Kontext
F am ilien ko ns tellatio n Spielzeug
Werte
Wo hn um feld
k ultu reller Ko ntext Abbildung 13: Einbettung des Spiels in Umfeldsysteme (in Anlehnung an Einsiedler 1999, S. 43)
M. Grubbauer, Spielen als pädagogische Maßnahme, DOI 10.1007/978-3-531-92855-5_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
4.1 Soziale Benachteiligung Kindliche Spieltätigkeit als soziale Handlung zu begreifen, beinhaltet die Erfassung sozialer Bedingungsfaktoren (vgl. Heimlich 1989, S. 43). Gemäß der Thematik der Diplomarbeit wird nachfolgend soziale Benachteiligung als sozialer Bedingungsfaktor diskutiert.
4.1.1 Theorie der sozialen Struktur Soziale Benachteiligung war in den 1980iger Jahren eher als sozialpolitischer Terminus geläufig und bezeichnet in deskriptiver Form bestimmte Merkmale der sozialen Lage einer Bevölkerungsgruppe (vgl. Heimlich 1989, S. 43). Die soziale Struktur der Gesellschaft wird in „Klasse“ und „Schicht“ eingeteilt. Dabei geht es um die begriffliche Erfassung der vertikalen Gliederung einer Gesellschaft. Die Theorie der sozialen Schichtung gelangt mit „Verfahren zur Messung von Statuspositionen“ (Kleining 1975, S. 100) zu einer Differenzierung der Sozialstruktur in „sechs soziale Schichten“ (Kleining 1975, S 100), die darüber hinaus in drei Gruppen zusammengefasst werden: Oberschicht, Mittelschicht und Unterschicht (Kleining 1975, S 100). An dieser Theorie ist kritisch zu betrachten, dass es sich hierbei um eine oberflächliche Momentaufnahme handelt, so Heimlich (vgl. 1989, S. 43f). Kleining (1975) schränkt die Gültigkeit der Theorie sozialer Schichtung wie folgt ein: „Es bleibt anzumerken, daß [sic] der sozial glaubhaft gemachte Anspruch nicht gleichbedeutend mit dem Erwerb von Privilegien ist, wozu noch die Macht gehört, ihn durchzusetzen! Dafür ist der Klassenbegriff ein besserer Ausgangspunkt“. (Kleining 1975, S. 100)
Weiters kritisiert Kleining (vgl. 1975, S. 100f), dass andere „große Menschengruppen“, wie Kleinbürgertum durch das gegensätzliche Verhältnis nicht erfasst werden. Deshalb versucht er aus der „Zugehörigkeit der berufstätigen Männer zu Berufskreisen“ (1975, S. 101) eine Klasseneinteilung abzuleiten und benennt vier soziale Klassen: Bourgeoisie, Bauern, Bürokratie und Arbeiterklasse (vgl. Heimlich 1989, S. 44).
4.1 Soziale Benachteiligung
71
Heimlich (1989, S. 44f) merkt hierzu wie folgt an: „Als wesentliches Element der Sozialstrukturanalyse der gegenwärtigen Gesellschaft […] bleibt die soziale Ungleichheit festzuhalten. Können wir von einer sozialen Differenzierung in ‚Klasse’ und ‚Schicht’ ausgehen, so läßt [sic] sich folgern, daß [sic] die Analyse konkreter gesellschaftlicher Phänomene auch klassen- und schichtspezifische Lebensbedingungen hervorbringen wird.“
Damit wären unterschiedliche Möglichkeiten und Bedingungen sozialen Handelns gegeben. Vor diesem Hintergrund wird die Kategorie „soziale Benachteiligung“ sinnvoll, geht man davon aus, dass der Vergleich von Bedingungen und Möglichkeiten sozialen Handelns „Vor- und Nachteile“ erbringen müsste. Das heißt, dass soziale Ungleichheit soziale Benachteiligung bedingt (vgl. Heimlich 1989, S. 45). Bergmann (1969) geht zusätzlich zur vertikalen Gliederung (Klasse und Schicht) von einer horizontalen Differenzierung aus: „Die unter dem Gesichtspunkt des sozialen Wandels dominante Form der Ungleichheit ist weniger in der vertikalen Dimension der Ungleichheit von Schichten und Klassen zu suchen, als in der horizontalen Dimension der Disparität von Lebensbereichen, das heißt, der ungleichwertigen Befriedigung der verschiedenen Lebensbedürfnisse.“ (Bergmann 1969, S. 82)
Hierdurch wird, gemäß Heimliche (vgl. 1989, S. 45), der staatliche Einfluss auf die soziale Ungleichheit in die Sozialstrukturanalyse mit einbezogen. Damit sind, so Heimliche (vgl. 1989, S. 45) staatliche Interventionen in den Prozess kapitalistischer Produktion wie die Wirtschafts- und Einkommenspolitik gemeint. Diese bestimmen wichtige Befriedigungschancen für Lebensbedürfnisse, wie soziale sowie physische Sicherheit für Bedürfnisse wie Gesundheit, Bildung, Wohnung, Verkehr usw. (vgl. Heimlich 1989, S. 45). Den Kategorien „Klasse“ und „Schicht“ wird die Kategorie der „Situationsgruppen“ gegenübergestellt. Diese Bezeichnung gilt für Gruppen, „die situationsabhängigen Deprivationen und Frustrationen ausgesetzt sind, ohne daß [sic] der Status des Einzelnen in der Einkommensstruktur viel zur Behebung der Probleme und Krisen bewirken könnte.“ (Bergmann 1969, S. 85)
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4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
Das heißt, Mitglieder sozial benachteiligter Gruppen sind zusätzlich zu der vertikalen sozialen Benachteiligung durch die Position im Produktionsprozess und die Stellung in der Status- und Prestigeskala auch von wichtigen „Befriedigungschancen für Lebensbedürfnisse“ (Bergmann 1969, S. 81) im Sinne der horizontalen Ungleichheit von Lebensbereichen ausgeschlossen (vgl. Heimlich 1969, S. 46). „Soziale Benachteiligung“ wird demzufolge sowohl durch die vertikale als auch durch die horizontale Dimension sozialer Ungleichheit bedingt (vgl. Heimlich 1989, S. 46).
4.1.2 Sozialökologische Sozialisationsforschung Aufgrund oben angeführten Ausführungen erhält der situationsspezifische Ansatz zur Erfassung der „sozialen Situation“ einen wesentlich zentraleren Stellenwert gegenüber dem klassen- und schichtspezifischen. Wesentlich für den situationsspezifischen Ansatz ist die differenzierte Umweltanalyse (vgl. Heimlich 1989, S. 46f). Osterland et al. (1973, zit. n. Heimlich 1989, S. 48) beziehen in ihren Untersuchungen über die soziale Situation von Industriearbeitern die Fülle alltäglicher Erscheinungen mit ein und fassen diese in sieben Gruppen zusammen:
Erwerbsstruktur Arbeitssituation Ökonomische Situation Wohnsituation Familiensituation Ausbildungssituation Situation in der Freizeit
Aus den Analysen der Autoren geht hervor, dass es neben der sozialen Schichtzugehörigkeit noch eine Fülle von weiteren Daten gibt, die die tatsächlichen Lebensverhältnisse bedingen (vgl. Heimlich 1989, S. 48). Mit dem Konzept der sozialökologischen Sozialisationsforschung steht erstmals die „detaillierte Umwelterfassung“ im Vordergrund der Betrachtungs-
4.1 Soziale Benachteiligung
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weise, die über die vertikalen Modelle der Sozialstruktur hinausgeht (vgl. Heimlich 1989, S. 48). Der Begriff „soziale Situation“ gilt als grundlegende Kategorie, die den Termini „Klasse“ und „Schicht“ vorgezogen wird (vgl. Heimlich 1989, S. 48). Der situationsspezifische Ansatz gibt eine Antwort auf die innerhalb der Disparitäten-Theorie getroffene Feststellung, dass sozial benachteiligte Gruppen sowohl horizontalen als auch vertikalen Formen sozialer Benachteiligung ausgesetzt sind (vgl. Heimlich 1989, S. 48f). „Soziale Situationen“ lassen sich, gemäß Heimlich (vgl. 1989, S. 49), durch drei Merkmale kennzeichnen: 1. 2. 3.
Objektive Bedingungen, unter denen ein Individuum oder eine Gruppe handelt. Festgelegte Haltung des Individuums oder der Gruppe Bewusstsein des Individuums oder der Gruppe von deren Haltung und den Bedingungen.
Unter diesen Merkmalen werden subjektiv-menschliche Bedingungen sozialen Wandels mit einbezogen. Insofern stellt der situationsspezifische Ansatz eine integrative Konzeption dar, die sowohl in den Rahmen einer umfassenden sozialwissenschaftlichen Auffassung gestellt werden kann, als auch die unterschiedlichen Differenzierungen innerhalb der Sozialstruktur mit einbezieht (vgl. Heimlich 1989, S. 49; vgl. hierzu auch die Zusammenfassungen aus erziehungswissenschaftlicher und soziologischer Perspektive von Arnold 1981 und Buba 1980). Neuere Bemühungen, um die soziale Situation einzelner Gruppen besser verstehen zu können, beschäftigen sich mit der detaillierten Erfassung der Situation vom Individuum. Das Einbeziehen der Wohn-, Arbeits- und Familiensituation, des Einkommens, der Bildung, und der Situation in der Freizeit, ermöglicht eine differenzierte Beschreibung gesellschaftlicher Gruppen. (vgl. Liebenwein, 2008, S. 47) Darin sieht Liebenwein (vgl. 2008, S. 47f) den Vorteil gegenüber einem Schicht- und Klassenmodell oder Lebensstilmodell. Abbildung 14 veranschaulicht nochmals den Zusammenhang von Sozialstruktur und sozialer Benachteiligung.
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4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
S o z i a ls tr u k tu r
S o z i a le D if f e r en zierung
K lassen- und S ch ich ts truk tur
D ispar ität von L eb en sb er e ic h en
V er t ika l e soz i a l e Ung l e ichh e it
H o r i zon ta l e soz i a l e Ung l e ichh e it
S o z i a le S itu a tion
Arbeitssituation
Ökonomische Situation
Familiensituation
Wohnsituation
Situation in der Freizeit
Ausbildungssituation
So zia le Bena chteiligung
Abbildung 14: Bedingungskomplex sozialer Benachteiligung (angelehnt an Heimlich vgl. Heimlich 1989, S. 52)
4.1 Soziale Benachteiligung
75
4.1.3 Definition sozialer Benachteiligung Für die Erfassung sozialer Benachteiligung ist das Konzept „soziale Situation“ grundlegend. Die Merkmale der sozialen Situation sozial Benachteiligter nehmen bestimmte Ausprägungsgrade an, die wiederum als sozial bedingte Beeinträchtigungen zu bewerten sind (vgl. Heimlich 1984, S. 54f). Iben (1984, S. 128) hält aufgrund seiner Untersuchungen „Kinder sozialer Randgruppen“ fest: „[…] dass sich ungünstige Einkommens-, Vermögens- und Wohnsituation, in infrastruktureller Unterversorgung und in ungleiche Chancen zur Artikulierung und Durchsetzung von Interessen niederschlägt“. Den zahlenmäßigen Umfang des Problems verdeutlichen die aktuellen Daten des 2. Armuts- und Reichtumsbericht für Österreich (vgl. ÖGPP 2008, S. 127): Daraus resultiert, dass 101.000 Kinder und Jugendliche manifest arm sind. Das heißt neben einem geringen Einkommen des Haushalts in dem sie leben, treten schwierigste Lebensbedingungen auf, wie: beengte Wohnsituation, die Wohnung nicht warm halten können, keine unerwarteten Ausgaben tätigen können usw. 13 % der betroffenen Kinder und Jugendlichen leben in überbelegten Wohnungen, das ist deutlich mehr als der Bevölkerungsschnitt, der bei 7 % liegt. Diese Kinder haben somit keinen ausreichenden Platz zum Spielen oder Lernen. Eine weitere Benachteiligung armutsgefährdeter Kinder sieht Iben (vgl. 1984, S. 133) in der Familiensituation. Das Erziehungsverhalten bezeichnet er als weitgehend autoritär, physische Strafen sowie das häufige Schwanken zwischen Verwöhnen und Vernachlässigen seien vorherrschend. Allgemein seien die Frauen mit den Erziehungsaufgaben völlig überfordert, so Iben (vgl. 1984, S. 133). Liebenwein (2008) befasste sich in ihrer Forschungsarbeit mit den Begriffen „Erziehungsstil“ und „soziales Milieu“. Bei den Milieuangehörigen aus der „unteren Mittelschicht / Unterschicht“ hielt Liebenwein (2008) nachfolgende Ergebnisse fest, die mit den angeführten Ergebnissen Iben’ (1984) vergleichbar sind: Als Erziehungsmittel werden körperliche Bestrafung genauso eingesetzt wie Fernseh-, Handy- und Süßigkeitsverbote, Zimmerarrest, Schimpfen, Schreien, aus dem Raum oder ins Bett schicken (vgl. Liebenwein 2008, S. 186).
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4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
Der Erziehungsstil ist stark von Inkonsistenz und Inkonsequenz geprägt (vgl. Liebenwein 2008, 118). Der Erziehungsstil enthält autoritäre Komponenten (vgl. Liebenwein 2008, S. 186).
Als weitere aktuelle Studie ist die Sinus Milieustudie (2005) anzuführen. Liebenweins Ergebnisse decken sich mit den Untersuchungsergebnissen der Sinus Milieustudie (2005). Die Sinus Studie berichtet über das Erziehungsverhalten sozial benachteiligter Familien in gleicher Weise. Gemäß den Ergebnissen gehören körperliche Bestrafung, das Aussprechen von Verboten, ein Schwanken zwischen Verwöhnen und Vernachlässigung, Überforderung mit den Erziehungsaufgaben usw. zum Erziehungsverhalten der Eltern. (vgl. Sinus Sociovision 2005, S. 20ff; S. 46ff). Iben (vgl. 1984, S. 132) legt aufgrund seiner Untersuchungsergebnisse den Schluss nahe, dass Kinder aus Randgruppen bereits im frühen Kindesalter in ihrer individuellen Persönlichkeitsentwicklung benachteiligt sind. Schulversagen sieht er als mögliche Folge vorgezeichnet (vgl. Iben 1984, S. 132). Das Forschungsprojekt „Randgruppensozialisation“ unter der Leitung von Iben hat gezeigt „daß […] nur ein umfangreicher Maßnahmenkatalog (Vorschulerziehung, Arbeit mit Schülern, Jugendarbeit und Eltern- und Erwachsenenarbeit) zu einer spürbaren Verbesserung der sozialen Situation beitragen kann“ (Iben 1984, S. 136ff).
Die Verbesserung der sozialen Situation sozial benachteiligter Familien ist demnach nicht nur durch eine Verbesserung ihrer materiellen Situation zu erreichen, sondern muss ebenso auf die Aktivierung der Betroffenen abzielen. Weiters ist soziale Benachteiligung nicht ausschließlich als gesellschaftlich bedingtes Phänomen zu sehen, sondern auch als subjektive Herausforderung mit dem Ziel seiner Überwindung (vgl. Heimlich 1984, S. 57). Tschöpe-Scheffler (vgl. 2006, S. 108ff) bezieht einen ähnlichen Standpunkt und spricht sich unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe in Lebens- und Alltagsbewältigung“ (2006, S. 108) für eine Netzwerkbildung zur finanziellen und strukturellen Unterstützung, die eine Änderung der Rahmenbedingungen für sozial Benachteiligte ermöglicht und vorhandene Ressourcen der Betroffenen stärkt, aus.
4.1 Soziale Benachteiligung
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Die Auswirkungen sozialer Benachteiligung für Kinder lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. BMSG 2004, S. 226ff):
Mangelerfahrung Antizipation negativer Attribution Rückzug und Verleugnung Ängstlichkeit, Hilflosigkeit, geringes Selbstvertrauen Leistungsverlust in Schule und Ausbildung Kompensationsversuche durch negatives Gesundheitsverhalten
Aus dem vom BMSG veröffentlichen „Bericht über die soziale Lage 2003-2004“ (vgl. 2004, S. 226ff) geht hervor, dass Kinder, die in armutsgefährdeten Haushalten aufwachsen, ungünstigen Entwicklungsbedingungen hinsichtlich schulischer und beruflicher Ausbildung, familiären Beziehungen und Interaktionen, Freizeit und Interaktion in gleichaltrigen Gruppen, ausgesetzt sind. Diese Belastungen führen zu Beeinträchtigungen des emotionalen, sozialen, somatischen und physischen Wohlbefindens. Das heißt, Kinder die in einer von Armut betroffenen Lebenslage aufwachsen, erleben nicht nur die Unterversorgung als traumatisch, sondern auch die Ohnmacht der Eltern, die Probleme zu meistern, was die Kinder wiederum in der Entwicklung ihres Selbstwertgefühls entmutigt und in ihrer Entwicklung schwächt (vgl. Holz 2005, S. 105; Weiß 2005, S. 186). Der Begriff „soziale Benachteiligung“ steht in einem kausalen Zusammenhang zu den sozialen Lebensbedingungen (vgl. Heimlich 1984, S. 58). Wobei soziale Benachteiligung sich nicht zwangsläufig dort herausbildet, wo bestimmte Merkmale der sozialen Situation gegeben sind. Das heißt, soziale Benachteiligung stellt zwar ein Belastungs- und Risikopotential für davon betroffene Kinder dar. Daraus kann man jedoch nicht zwangsläufig schließen, dass jedes davon betroffene Kind entwicklungsgefährdet ist und zwangsläufig sozialisationserschwerende Verhaltens- und Interaktionsweisen ihrer Eltern ausgesetzt sind (vgl. Weiß 2005, S. 182, vgl. Holz 2005, S. 105). In der Deprivationsforschung konnte weiters nachgewiesen werden, dass sich unter bestimmten Umständen Kinder aus Multiproblemmilieus auch unauffällig und positiv entwickeln können und zu einem Ausgleich zwischen Individuation und Integration im Zuge einer gelungenen Identitätsentwicklung finden können (vgl. Dornes 2007, S. 104f).
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4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
4.2 Spielmittel und kognitive Entwicklung Spielmittel bezeichnet alle Gegenstände, die das Kind in seine spielerische Aktivität mit einbezieht. Dazu gehören nicht nur industriell gefertigtes Spielzeug, sondern auch alle Materialien, die dem Kind zur Verfügung stehen (vgl. Retter 1979, 207ff). Zahlreiche Auswertungen12, in denen untersucht wurde, ob Spielmittel einen Einfluss auf die kognitive Entwicklung des Kindes hat, kamen zu der Aussage, dass die Spielmittelvariable die höchste Korrelation hinsichtlich kognitiver Entwicklung aufweist. Beispielsweise geben Studien von Proshansky et al. (1981) oder Wachs (1985) Hinweise darauf, dass im Spiel mit Objekten wichtige kognitive Erfahrungen gemacht und gefestigt werden (vgl. Einsiedler 1999, S. 55). Trudewind (vgl. 1987; S. 179ff) konnte beispielsweise, im Zuge seiner Untersuchungen, Schulleistungen im 1. Schuljahr sowie die Leistungsmotivation „Hoffnung auf Erfolg“ auf die Kombination kindlichen Spielmittelgebrauchs und elterlicher Beschäftigung mit dem Kind zurückführen. Wolfgang et al. (vgl. 1985; S. 291ff) untersuchten den Wert einzelner Spielsachen für die kognitive Entwicklung. Dabei stellten sie fest, dass „Konstruktionsspielsachen“ wie Bausteine, Baukästen, Puzzle u. ä. die höchsten Prädikationswerte in den Bereichen Sprachentwicklung, Wahrnehmung, Zahlenverständnis und Gedächtnis aufweisen. Nach Annahme der Autoren erfordert Spielen mit Baukästen, Puzzles usw. mehr intellektuelle Anstrengungen als andere Spielformen, weshalb diese stärker mit der kognitiven Entwicklung des Kindes korrespondieren.
4.3 Spielumgebung Spielumgebung steht für die räumliche Einheit, die das Kind für die kindliche Spielaktivität nutzen kann, z. B. Kinderzimmer, Spielplatz usw. Die Spielumgebung trägt zur Ausprägung konkreter Spieltätigkeit des Kindes bei (z. B. Beschaffenheit eines Spielplatzes, Wohnung). Die Spielumgebung kann sich so12 HOME (Home Observation for Measurement of the Enviroment): zBsp. Studien von Elardo et al (1975), Caldwell et al (1979, 1980), Proshansky et al (1981), Wachs et al (1982)
4.4 Bedeutung der Eltern für die kindliche Spieltätigkeit
79
wohl förderlich als auch hemmend auf die Spieltätigkeit auswirken (vgl. Heimlich S. 1984, S. 142).
4.4 Bedeutung der Eltern für die kindliche Spieltätigkeit Eltern sind in der Lage, durch Bereitstellen von Spielmittel, Spielraum, Zeit, Spielmöglichkeiten und einer fördernden Einstellung zum Spiel, die kindliche Spieltätigkeit sowie die kindliche Entwicklung nachhaltig zu beeinflussen (vgl. Smilansky 1973, S. 167f; Heimlich 1984, S. 73; Heimlich 1989, S. 100ff; Mogel 1991, S. 48; S. 160; Einsiedler 1999, S. 38ff). Aus systematischen Beobachtungen (Belsky et al. 1980; Crawley et al. 1978; Dunn et al. 1977; Einsiedler 1989) geht hervor, dass Kinder spielfreudiger sind, wenn sie das Gefühl haben, dass ein Elternteil für sie da ist und auf ihre Aktivitäten reagiert. Dabei müssen Eltern nicht immer direkt mitspielen, sie können ihre Aufmerksamkeit auch bekunden, indem sie auf Zurufen ihres Kindes reagieren. Das aufmerksame Reagieren der Eltern, ruft bei den Kindern das Gefühl hervor, etwas Wichtiges zustande zu bringen (Wirksamkeitsmotivation), so Einsiedler (vgl. 1999, S. 47), aufgrund der Ergebnisse seines Forschungsprojektes „Eltern als Lehrer frühkindlicher Spielaktivitäten“ (1989). Grossmann Karin (1984; zit. n. Einsiedler 1999, S. 39) zeigte in ihrer Dissertation auf, wie sich mütterliches Verhalten auf die Spielfreude auswirkt und wie Spielhandlungen des Kindes wiederum Einfluss auf das Handeln der Mutter haben. Sie kam zu dem Schluss, dass geglücktes Zusammenspiel von Mutter und Kind zu einem kognitiv anspruchsvolleren Spiel und zu freudigerer Stimmung bei beiden führt. Verhaltensbiologische und entwicklungsbiologische Beobachtungen (Ainsworth 1972, Bruner 1976, Hassenstein 1980) haben gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Bindung und kindlichem Spiel gibt. Main (1977), so Einsiedler (vgl. 1999, S. 46), wies in seiner Studie den Einfluss einer sicheren Bindung auf das kindliche Spielverhalten nach. Eine sichere Bindung gibt dem Kind die Freiheit, sich auf Neues einzulassen. Emotional positive Bedingungen im Eltern-Kind-Verhältnis gehen meist mit spezifischen Anregungsaktivitäten der Eltern einher. Die Eltern zeigen Spielhandlungen vor, sie steuern durch bestätigendes Aufgreifen oder durch
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4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
Ignorieren / Ablehnen die Richtung des Spiels. Das heißt, durch emotionale Reaktionen der Eltern wird dem Kind vorgeführt, wie Spiel sein kann (vgl. Einsiedler 1999, S. 46 sowie Einsiedler 1989, S. 4ff). Smilansky (vgl. 1973, S. 168) sieht den positiven elterlichen Einfluss als Grundvoraussetzung für die Entwicklung von sozialen Rollenspielen. Dabei spricht Smilansky von indirektem Einfluss, den Eltern ausüben, in dem sie (vgl. 1973, S. 168)
für normale emotionale Beziehungen sorgen, wie sie für eine gesunde Identifikation grundlegend sind; begriffliche, informierende und sprachliche Mittel bieten, welche für das Verständnis menschlichen Verhaltens und sozialer Beziehungen grundlegend sind; das Kind ermutigen, positive Sozialbeziehungen sowohl zu den Eltern als auch zu den Altersgenossen aufzunehmen und dem direkten Einfluss, indem sie dem Kind Bedingungen schaffen, die zum Spiel anregen: Spielkameraden, Spielzeug, genügen Platz, Zeit usw. dem Kind fiktives Sprechen und Handeln („So-tun-als-ob“) beibringen.
Insgesamt haben Eltern Einfluss darauf (vgl. Mogel 1991, S. 70f; Einsiedler 1999, S. 38ff; Heimlich 1989, S. 88): a.
b. c.
d. e.
ob gespielt wird – oder aber – ob nicht gespielt wird (Ermöglichung oder Verhinderung des Spiels); Eltern haben darauf Einfluss in dem sie ihr Kind spielen lassen oder auch nicht; was gespielt wird (Inhalt des Spielens), können Eltern durch spezifische Anregungsaktivitäten lenken; womit gespielt wird, können Eltern beeinflussen in dem sie bestimmen welche Spielgegenstände, -materialien; -zeug dem Kind zugänglich sind (je kleiner das Kind, desto mehr gewinnt dieser Aspekt an Bedeutung); wie lange gespielt wird (Zeitraum, Dauer des Spiels); mit wem gespielt wird (Personen, Spielpartner); Eltern können mit ihren Kindern in Spielgruppen gehen, als direkter Spielpartner für das Kind zur
4.5 Erziehungsstil und kindliche Spieltätigkeit
f.
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Verfügung stehen, dem Kind ermöglichen mit Freunden zu Hause zu spielen usw.; wo gespielt wird (Spielumgebung); Eltern bestimmen welche Räume vom Kind zum Spielen genutzt werden können (z. B. Sandkasten, Spielplatz, Wohnung usw.).
4.5 Erziehungsstil und kindliche Spieltätigkeit Kulturelle, umweltmäßige Faktoren sowie der Erziehungsstil der Eltern können zu einer unangemessenen Spielstimulation des Kindes durch die Eltern führen (vgl. Einsiedler 1999, S. 148; Mogel 1991, S. 48). Der elterliche Erziehungsstil wird seit langem als wichtige Erziehungsbedingung angesehen. Darunter wird ein typisiertes und relativ stabiles Erziehungsverhalten, hinter dem bestimmte Erziehungseinstellungen und Persönlichkeitsmerkmale der Eltern stehen, verstanden. Erziehungsstile sind auf mindestens zwei Dimensionen zu differenzieren: Liebe vs. Feindseligkeit und Autonomie vs. Kontrolle (vgl. Oerter 1987, S. 94). Lewin (1963) unterscheidet zwischen (vgl. Oerter 1987, S. 94):
Autoritärer Erziehungsstil: Das Kind wird stark kontrolliert und die elterliche Autorität wird gewahrt. Zugleich zeigen die Eltern wenig liebevolle Zuwendung.
Autoritativer Stil: Dieser trägt klare Regeln und Aufforderungen an das Kind heran. Das Selbstständigkeitsstreben des Kindes wird ermuntert. Die Eltern zeigen sich liebevoll und warmherzig ihrem Kind gegenüber.
Permissiver Stil: Hier gibt es keine Regeln und Anforderungen. Die Eltern sind inkonsequent in ihrem Verhalten, zeigen sich aber dem Kind gegenüber liebevoll.
Neueren Ansätzen zu Folge bildet der Erziehungsstil keinen singulären Faktor, sondern wird von zahlreichen Aspekten beeinflusst, wie Kindmerkmale, selbst erfahrener Erziehungsstil sowie weitere biografische Erfahrungen, soziales
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4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
Netzwerk, Partnerbeziehung, ökonomische Arbeitssituation, Bildungsstand, Gesundheit, vorherrschende gesellschaftliche Erwartungen und Wertorientierung (vgl. Liebenwein 2008, S. 284f).
Abbildung 15: Erweitertes Prozessmodell elterlichen Erziehungsverhalten (vgl. Kruse 2001, S. 64)
Weitere Faktoren, wie elterliche Konflikte, erschweren ebenfalls die Entwicklung der Erziehungskompetenz, aber auch schwierige ökonomische Verhältnisse (z. B. Armut, hohe Verschuldung), niedriger Bildungsstand, ungünstige, weil belastende und unbefriedigende Arbeitsbedingungen, hemmen die Entwicklung bzw. Beibehaltung eines entwicklungsfördernden Erziehungsstils (vgl. Liebenwein 2008, S. 284f). Dabei kommen die Bedürfnisse des Kindes nach Schutz und Fürsorge sowie nach Spiel und Freiheit zu kurz, so Liebenwein (vgl. 2008, S. 285). Hohes Einkommen hingegen sowie hoher mütterlicher und großmütterlicher Bildungsstand gelten als förderlich für den Erziehungsstil (vgl. Liebenwein 2008, S. 284f).
4.6 Kindliche Spieltätigkeit und Entwicklung
83
Liebenwein (vgl. 2008, S. 285) kommt aufgrund ihrer Forschungsergebnisse zu folgenden Risikovariablen, die bei Eltern aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen zur Entwicklung eines problematischen Erziehungsstils beitragen:
geringes Alter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes; niedriges Bildungsniveau; geringes Selbstwertgefühl; niedrige Intelligenz; niedriges Einkommen; nicht vorhandener Partner; große Kinderzahl; schwieriges Temperament des Kindes
Laut Liebenwein (vgl. 2008, S. 285) verstärkt sich die geringere Erziehungskompetenz durch die Kumulation dieser Faktoren weiter z.B. verstärken sich als mangelhaft erlebte Erziehungskompetenzen, geringes Selbstwertgefühl und schwieriges Temperament des Kindes wechselseitig. Elkonin (vgl. 1980, S. 233ff) zufolge besteht eine enge Abhängigkeit der Entwicklung des Spielens von elterlichen Handlungsmustern und Anleitungen. Diese Annahme wird von Untersuchungen (vgl. Kasten 1980, Lütkenhaus 1985, Riemann 1987, Travers 1978) zur Bedeutung von Erziehungsstilvariablen für die Perspektivenübernahme und für das Regelspielverhalten unterstützt. Diese Untersuchungen haben gezeigt, dass elterliche Strenge und überdurchschnittliches Eingreifen in kindliche Spieltätigkeiten ungünstige Auswirkungen haben. Weiters wurde festgestellt, dass beispielsweise eine regelspielfreudige Haltung der Eltern bei den Kindern zur Bevorzugung von Regelspielen führte. Abhängigkeiten zwischen Spielerfahrungen und Spielverhalten wies Riemann (1987) nach. Nach Travers (1978) entstehen Spezialinteressen bereits im Kindesalter durch entsprechende Akzentsetzungen seitens der Eltern oder anderer Personen; gerade bei hochleistungsfähigen Schachspielern könne man solche Entwicklungslinien nachzeichnen (vgl. Einsiedler 1999, S. 130).
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4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
4.6 Kindliche Spieltätigkeit und Entwicklung Bisher konnten kausale Einflüsse des Spielens auf Entwicklungsprozesse nur zum Teil nachgewiesen werden. In vielen Bereichen kommt die kindliche Entwicklung auch ohne bestimmte Spielerfahrungen in Gang. Dies unterstützt die Annahme eines indirekten Einflusses des Spiels auf die Entwicklung. Das Wesentliche der sozial-kognitiven Entwicklung scheint die Entwicklung der Symbolisierungsfähigkeit, im Sinne einer zusammenhängenden Veränderung über die Zeit, auszumachen, so Einsiedler (vgl. 1999, S. 44) Entwicklung der Symbolisierungsfähigkeit: (vgl. Einsiedler 1999, S. 44)
1. Lebensjahr: Beginn mit den vorgestellten Erinnerungen an Personen und Objekten bei Objektpermanenz; 2. Lebensjahr: Geht über in eine bildliche, symbolisierte und versprachlichte Repräsentation augenscheinlich nicht vorhandener Objekte und mündet in die abstrakt-formale Denkfähigkeit.
Sprachentwicklung, Fantasieentwicklung, Entwicklung der Problemlösungsfähigkeit sowie Perspektivenwechsel wurden von der Spielforschung am häufigsten untersucht und als von der Symbolisierungsfähigkeit direkt beeinflusste Prozesse angegeben (vgl. Einsiedler 1999, S. 44). Nach Auffassung der Autoren Bruner (vgl. 1976, S. 54f) und Oerter (vgl. 1987, S. 24, 40, 54) trägt das Spiel in der Vorschulzeit entscheidend zur Dekontextualisierung13 bei. In der Schulzeit zielt das institutionalisierte Lehren und Lernen auf diese Fähigkeit. Neben dem Lernen im Spiel gibt es noch andere gewichtige Lernerfahrungen, die durch Spiel nicht zu ersetzen sind, so Einsiedler (vgl. 1999, S. 44). In der Vorschulzeit scheinen sich aber vor allem Fantasie-, Bau- und Regelspiel günstig auf die allgemeine Lernfähigkeit auszuwirken (vgl. Einsiedler 1999, S. 44f).
13 Dekontextualisierung: Fähigkeit von konkreten Denkhilfen allmählich unabhängig zu werden. (vgl. Einsiedler: 1990, S. 45)
4.8 Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder
85
4.7 Kultureller Wandel des Kinderspiels Für die Gegenwart lassen sich zum Wandel des Kinderspiels, gemäß Retter (vgl. 2002; S. 3), folgende Sachverhalte feststellen:
Traditionelles Kinderspiel von Nachbarschaftsgruppen auf der Straße ist selten geworden (man denke an „Tempel hüpfen“, „Murmeln“, „Gummitwist“ oder Ballspiele), obwohl Aktivitäten außerhalb des Hauses auch heute durchaus wichtig bleiben (z.B. Fahrrad fahren).
Spiel wird durch die Medien beeinflusst. Zum Beispiel werden inhaltliche Anregungen von Fernsehserien im freien Rollenspiel umgesetzt. Zum Teil haben Bildschirm- und Computerspiele traditionelle Spielformen ersetzt. Eine neue Qualität gewinnt diese Entwicklung zusätzlich durch das Internet, das Kinder und Jugendliche nutzen.
Bilderbücher und klassische Spielmittel (Gestaltungsmaterial, Figuren, Brettspiele) bilden, quantitativ gesehen, eher Ergänzungen gegenüber der Mediennutzung, sind aber in dieser Ergänzungsfunktion zumindest für das vorschulische Alter nach wie vor unentbehrlich.
4.8 Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder Untersuchungen der Spieltätigkeit, im Zusammenhang mit der direkten Spielumwelt sozial benachteiligter Kinder, kamen zu den nachfolgend referierten Ergebnissen.
4.8.1 Soziale und kognitive Dimension Smilansky (vgl. 1973, S. 177ff) beobachtete in 36 Kindergarten-Gruppen das soziale Rollenspiel der Kinder und analysierte die Ergebnisse im Hinblick auf die Qualität des Rollenhandelns, die benutzten Spielmittel, die Funktion der Sprache und die sozialen Prozesse. Ganz allgemein lässt sich festhalten, dass Smilansky (1973, S. 177) in der Gruppe D „kulturell benachteiligte Kinder“ we-
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4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
niger soziales Rollenspiel beobachtete, als in der Vergleichsgruppe (vgl. Smilansky 1973, S. 178). Bereits bei den Dreijährigen fiel Smilansky beim sozialen Rollenspiel ein niedrigeres Niveau auf, welches sich auch nicht in Abhängigkeit zum Alter veränderte. Darüber hinaus hatte die Sprache, ein wesentlicher Bestandteil des sozialen Rollenspiels, geringere Bedeutung. Sie verbalisierten weniger und wenn, dann um den Spielablauf zu dirigieren. Dies galt auch für die Länge der gesprochenen Sätze und dem aktiven Wortschatz (vgl. Smilansky 1973, S. 184ff) Beobachtungen des Gruppenprozesses zeigten, dass das Kind im sozialen Rollenspiel in der Regel als uneingeschränkte Autorität anzuerkennen war. Kinder der Gruppe D verhielten sich aggressiver gegenüber ihren Mitspielern. Kinder aus dem sozial benachteiligten Milieu zeigten aber auch durchaus Qualitäten im sozialen Rollenspiel, auch wenn weniger Spielphasen in dieser Gruppe beobachtet werden konnte (vgl. Smilansky 1973, S. 177ff). Heimlich (vgl. 1989, S. 123) kritisiert, dass Smilansky ihre Beobachtungen nur unter einer „Defizit-Fragestellung“ beschreibt. Heimlich (vgl. 1989, S. 123) argumentiert aufgrund der Ergebnisse von Eifermann (1971, S. 286), sie kommt in ihrer Langzeitbeobachtung zum Ergebnis, dass sozial benachteiligte Kinder den Höhepunkt des symbolischen Spiels zu einem späteren Zeitpunkt erreichen. „Demnach wäre zwar von einer differenten Entwicklung des sozialen Rollenspiels bei Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft auszugehen, allenfalls genauer zu beschreiben als verzögerte Spielentwicklung sozial benachteiligter Kinder, nicht jedoch als defizitäre Spielentwicklung“, so Heimlich (1989, S. 123f). Rosen (vgl. 1974, S. 922f) weist nach, dass sich das soziale Rollenspiel auf das Problemlösungsverhalten auswirkt. Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen, die eine Förderung im sozialen Rollenspiel erfahren haben, zeigten signifikant positive Differenzen bei der Lösung von Konstruktionsaufgaben gegenüber der Vergleichsgruppe. Weiters verfügten sie über effektivere Lösungsstrategien in Bezug auf kooperatives Verhalten. Ebenso sieht Heimlich (vgl. 1989, 125) als gesichert an, dass das soziale Rollenspiel – sieht man von der Wirkung der Spielförderung ab – Auswirkungen auf das Problemlösungsverhalten auf der kognitiven Ebene hat und mit Umfang des sozialen Rollenspiels variiert. Auch Einsiedler (vgl. 1999, S. 111ff) geht aufgrund der vorliegenden Forschungsergebnisse (Bruner et al. 1976; Vandenberg 1981; Rubin et al. 1983;
4.8 Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder
87
Simon et al. 1985; Hetzer 1931; Azimita 1988) mit Heimlich konform. Einsiedler (vgl. 1999, S. 116) merkt allerdings an, dass die im sozialen Rollenspiel erworbenen Fertigkeiten unter Umständen stark verzögert in Problemlösesituationen genutzt werden. „Der Grundgedanke des Lernens im Spiel ist die Erleichterung der Entdeckung von Prinzipien durch flexibles Denken, bei dem neue und ungewöhnliche Lösungen „durchgespielt“ werden. […] Entscheidend ist wohl die zunächst intuitive Erfahrung physikalischer Prinzipien im Spiel, die in Wiederholungen allmählich konsolidiert und bewusst werden und die dann u. U. zeitlich stark verzögert in Problemlösesituationen genutzt werden können.“ (Einsiedler 1999, S. 116)
Lovinger (vgl. 1974, S. 314ff) untersuchte den Zusammenhang zwischen Sprachentwicklung und der Förderung sozialen Rollenspiels bei sozial benachteiligten Kindern und konnte nachweisen, dass sich die sprachliche Fähigkeiten sozial benachteiligter Kinder positiv veränderten. Ergebnisse der Studien von McCune et al. (1982), Fenson (1984), Ungerer et al. (1984), Belsky et al. (1981) lassen ebenfalls auf einen Zusammenhang zwischen sozialem Rollenspiel und Sprachentwicklung schließen (vgl. Einsiedler 1999, S. 90; vgl. hierzu auch „Zur Parallelität von Spiel- und Sprachentwicklung sowie zur Sprachentwicklungsförderung durch Phantasiespiel“ von Bahr 1995, S. 246-254). Geht man davon aus, dass Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen lediglich zu einem späteren Zeitpunkt ein mit nicht-benachteiligten Kindern vergleichbares Niveau des sozialen Rollenspieles erreichen, so lassen die Ergebnisse (Rosen 1974; Lovinger 1974) darauf schließen, dass Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen auch eine verzögerte kognitive Spielentwicklung hinsichtlich des Problemlösungsverhalten und der Sprache durchmachen (vgl. Heimlich 1989, S. 125). Die Ergebnisse von Rosen (1974) und Lovinger (1974) sind ein weiterer Hinweis dafür, dass die Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder in sozialer und kognitiver Hinsicht nicht als defizitär, sondern lediglich als differenziert, zu beschreiben ist, so Heimlich (vgl. 1989, S. 125). Freyberg (vgl. 1973, S. 138) vermutet, dass sozial benachteiligte Kinder weniger Anregungen zum sozialen Rollenspiel erhalten und es ihnen vor allem an geeigneten Vorbildern fehlt, um die Rollenspielfähigkeit zu entwickeln. Darin sieht sie den Grund, dass Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen trotz der kurzen Fördereinheiten in ihren Untersuchungen, so gute Ergebnisse erzielen
88
4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
konnten. Neben den positiven Ergebnissen der Entwicklung des sozialen Rollenspiels und Problemlösungsverhalten, wirkt sich Fantasiespielförderung günstig auf die Vorstellungskraft und das Konzentrationsvermögen sozial benachteiligter Kinder aus (vgl. Freyberg 1973, S. 138). Ergebnisse der förderungsorientierten Untersuchung von Saltz et al. (1977, 62ff) bestätigen im gleichen Maße, dass soziales Rollenspiel vor allem die sozial-kognitive Dimension der Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder anspricht (vgl. Heimlich 1984, S. 127). Rubin et al. (1976) untersuchten das Freispielverhalten sozial benachteiligter Kinder. Dabei stellten sie fest, dass sozial benachteiligte Kinder eher für sich allein spielen (vgl. Rubin et al. 1976, S. 417). Zudem erprobten sie viele Spieltätigkeiten und Spielmittel, ohne zum Fantasie- und Konstruktionsspiel überzugehen. Die dabei erzielten Ergebnisse weichen von den Untersuchungsergebnissen Smilansky’ (1973) und Rosen’ (1974), hinsichtlich der Feststellung, dass sozial benachteiligte Kinder weniger soziales Rollenspiel zeigen als nichtbenachteiligte Kinder, ab (vgl. Rubin et al. 1976, S. 417). Hingegen wird, die aus den Ergebnissen abgeleitete Vermutung, dass die Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder in sozialer und kognitiver Hinsicht Besonderheiten aufweist, bestätigt (vgl. Heimlich 1984, S. 128; Einsiedler 1999, S. 107). Zusammenfassend lässt sich – bei aller Zurückhaltung hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Forschungsergebnisse (vgl. Heimlich 1989, S. 129) festhalten, dass Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen
eine differente Spielentwicklung gegenüber nicht-benachteiligten Kindern durchlaufen; das Niveau des sozialen Rollenspiels nicht-benachteiligten Kindern erst mit einer Entwicklungsverzögerung erreichen; weniger verbalisieren während einer Spieltätigkeit; mehr für sich alleine auf der Ebene des Funktionsspiels agieren;
4.8 Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder
89
4.8.2 Sensomotorische und emotionale Dimension Neben der sozial-kognitiven Dimension in der Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder wurde die sensomotorische Dimension vergleichsweise wenig erforscht (vgl. Heimlich 1984, S. 129). Hetzer (1937) wies bereits auf einen Unterschied im Konstruktionsspiel von Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft hin. Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen – in der Terminologie von Hetzer „ungepflegte Kinder“ (1937) – beschäftigten sich hauptsächlich mit Spieltätigkeiten die weitgehend ohne Einfluss Erwachsener zustande kommen (vgl. Hetzer 1937, S. 65). Diese finden in der Regel als Gruppenspiele statt und führen nur zu einem geringen Teil zur Behandlung von Materialien (vgl. Hetzer 1937, S. 65). Sozial benachteiligten Kindern steht kaum Spielzeug, welches das Kind zur Entwicklung von differenzierten sensomotorischen Fähigkeiten bedarf, zur Verfügung. Deshalb kommt es, laut Hetzer (vgl. 1937, S. 88), auch in diesem Bereich zu einer Entwicklungsverzögerung. Die Stufe der „werkhaften Materialbearbeitung“ (Hetzer 1937, S. 88) erreichen „ungepflegte“ (sozial benachteiligte) Kinder erst verspätet. Die Autoren Rubin et al. (vgl. 1976, S. 418), stellten – unter ausdrücklichen Rückbezug auf Hetzer – fest, dass bei sozial benachteiligten Kindern weniger Konstruktionsspiel beobachtet werden konnte. Dies führten sie auf einen Mangel an adäquatem Spielmaterial zurück. Das Angebot der Spielmaterialien, die Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen dann in Vorschuleinrichtungen vorfinden, ist für diese Kinder neuartig und muss erst auf der Ebene des Funktionsspiels erkundet werden, bevor es später zum Konstruktionsspiel genutzt wird. Diese Hinweise zur sensomotorischen Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder reichen nicht aus, um diese Spieldimension hinreichend zu erfassen. Neuere Studien (Christie et al. 1987; Johnson et al. 1980; Azimita 1988), die Einsiedler (1999) referiert, differenzieren nicht nach Milieuzugehörigkeit. Löschenkohl (vgl. 1981, S. 41) spricht von einer indirekten Wirkung sozialer Herkunft über die Intelligenz auf das Bauen. Noch dürftiger fallen Befunde zur emotionalen Dimension der Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder aus. Diesbezügliche Ergebnisse scheinen gelegentlich als Randbemerkungen auf und werden nicht weitergehend analysiert (vgl. Freyberg 1973, S. 142; Huston et al. 1977, S. 913; Heimlich 1984, S. 131).
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4 Dynamische Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Spiel und kindlicher Entwicklung
4.8.3 Zusammenfassung Vorliegende Untersuchungsergebnisse lassen darauf schließen, dass sozial benachteiligte Kinder, im Vergleich zu nicht-benachteiligten Kindern, bestimmte Entwicklungsniveaus ihrer Spieltätigkeit – unter sozialen, kognitiven und sensomotorischen Aspekten betrachtet – erst später erreichen, das heißt, gemäß Heimlich (vgl. 1984, S. 125), eine verzögerte Spielentwicklung durchlaufen. Weiters bleibt festzuhalten, dass eine defizitäre Spielentwicklung sozial benachteiligter Kinder nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Es gibt zwar Unterschiede in der Spielentwicklung, diese werden aber wieder zu einem späteren Zeitpunkt ausgeglichen (vgl. Heimlich 1984, S. 125, S.129, S. 130; Einsiedler 1999, S. 107). Als mögliche Ursachen für die verzögerte Spielentwicklung werden die ungenügende Ausstattung des häuslichen Umfeldes mit Spielmittel (vgl. Hetzer 1931, S. 88; Rubin et al. 1975, S. 418) sowie mangelnde Anregung durch familiäre Bezugspersonen (vgl. Freyberg 1973, S. 138) angenommen. Im Allgemeinen erfolgt die Beschreibung der Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder als „von-der-Mittelschicht-abweichende“, so Heimlich (vgl. 1989, S. 131f). Vorliegende Untersuchungen lassen Aussagen über „eigene Qualität in der Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder“ (Heimlich 1989, S. 132) vermissen.
5 Spielförderung
5.1 Generelle Aspekte Spielförderung beinhaltet in der ursprünglichen Wortbedeutung die Förderung des Spiels selbst. Das heißt, Spielförderung richtet sich im eigentlichen Sinne auf die kindliche Spieltätigkeit und nicht primär auf mit dem Spiel erreichbare kognitive, emotionale, soziale oder sensomotorische Lernziele (vgl. Heimlich 1989, S. 147). Generell wird in der Spielförderung zwischen indirekter und direkter Spielführung zu unterscheiden:
5.1.1 Indirekte Spielführung Hier wird für die geeignete zeitliche und räumliche Organisation des Spielens, für entwicklungsangemessene Spielmittel und für Sozialkontakte im Spiel Sorge getragen (vgl. Hoppe 1983, S. 174f; Hebenstreit 1979, S. 11; Heimlich 1984, S. 147ff, Einsiedler 1999, S. 149ff).
5.1.2 Direkte Spielführung Diese wird nur dann eingesetzt, wenn ein Kind im Spiel nicht weiterkommt oder wenn unverhältnismäßige Aggressionen auftreten (vgl. Smilansky (1973, S. 171, 174; Heimlich 1989, S. 151; Einsiedler 1999, S. 151). Für Smilansky (vgl. 1973, S. 171f) umfasst die direkte Spielförderung gezielte Methoden zur Anregung und Verbesserung von Fantasie- und sozialen Rollenspielen (z. B. das Bereitstellen spezifischen Spielzeugs, etwa die Miniatur-Nachbildungen wirklicher Gegenstände, das Mitspielen, Sprachanregung zu geben: „Wie geht es deinem Baby heute? Schreit es viel?“ oder „Hast du deine M. Grubbauer, Spielen als pädagogische Maßnahme, DOI 10.1007/978-3-531-92855-5_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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5 Spielförderung
Einkäufe schon erledigt?“ usw.). Zur Spielförderung zählt auch das „So-tun-alsob“ zu stimulieren und auszudifferenzieren („Sagen wir, das wäre jetzt das Zimmer“, „das wären die Betten und dort wäre der Tisch“). Durch die indirekte Spielförderung wird Spontaneität und das freie Spiel nicht beeinträchtigt. Indirekte Spielförderung zielt vor allem darauf ab, nicht nur die Selbstständigkeit zu fördern, sondern den durch Spiel gewonnen Wissenserwerb für die Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen (vgl. Einsiedler 1999, S. 150). Das Spielen zu fördern bedeutet, auf Basis umweltbezogener Definition des Spiels, eine pädagogische Gestaltung der Spielumwelt – also eine Interaktionsweise mit den Objekten und Personen der Umwelt unter Berücksichtigung der Qualität kindlicher Spieltätigkeit (vgl. Heimlich 1989, S. 151; Einsiedler 1999, S. 150f). Durch Spielförderung können vorstrukturierte Spielprozesse in offene Spielprozesse übergehen, wenn Kinder Anregungen vom Erzieher oder eben von einem Elternteil im freien Spiel wieder aufgreifen (vgl. Heimlich 1989, S. 154; Einsiedler 1999, S. 151; Flitner 1973, S. 195f).
5.2 Spielanregungsmethode Im Ansatz der Spielanregungsmethode geht es darum, situative Spielprozesse des Kindes aufzugreifen. Eltern sollen den Spielprozess ihres Kindes aktiver mit gestalten, als durch indirekte Spielunterstützung, z. B. Raum und Zeit zum Spielen schaffen (vgl. Einsiedler 1999, S. 151). Durch eine „situationsbezogene und gestaltende Spielförderung“ (vgl. Einsiedler 1999, S. 151) soll zur Entwicklung beigetragen werden, von niedrigen Spielniveaus zu „elaboriertem und hochqualitativem Spiel“ (vgl. Einsiedler 1999, S. 151) zu gelangen. Wozu situationsbezogene und gestaltende Spielförderung? Ein paar Beispiele (vgl. Einsiedler 1999, S. 151) sollen dies verdeutlichen:
Das Kind spielt Fantasiespiele, bleibt aber in monotonen Satzwiederholungen stecken.
5.3 Spielförderung bei sozial benachteiligten Kindern
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Das Kind spielt mit Lego einfaches Symbolspiel, kann aber die Möglichkeit des komplexen Bauens nicht erkennen. Kinder stellen sich einen anspruchsvollen Spielplan vor, können aber noch nicht vorausschauend planen. In einer Gruppe ist ein Kind sehr dominant und bestimmt autokrativ Rollenverteilung, Spielthemen usw. Spielt ein sozial isoliertes Kind immer allein, so versäumt es nicht nur Gelegenheiten sich im sozialen Austausch zu üben, sondern auch Anregungen für die Interessensentwicklung welche Eltern und andere ihm geben können.
5.3 Spielförderung bei sozial benachteiligten Kindern Spielförderung bei sozial benachteiligten Kindern wird langfristige Erfolge nur dann erzielen können, wenn sie auch auf sozioökonomische Intervention ausgelegt ist. Das heißt, entsprechende Fördermaßnahmen müssen Veränderungen im Eltern-Kind-System und Veränderung institutioneller Art mit anstreben (vgl. Heimlich 1989, S. 191). Situationsanalyse der Spielmöglichkeiten sozial benachteiligter Kinder: Beeinträchtigungen der Spielmöglichkeit sozial benachteiligter Kinder lassen sich nach Heimlich (vgl. 1989, S. 204), wie folgt erfassen: Spielraum innerhalb der Wohnung zur Verfügung stehende Spielmittel Raum zum Spielen Spielraum außerhalb der Wohnung Anzahl erreichbarer Spielplätze Ausstattung der Spielplätze Fehlen „natürlicher“ Spielräume Mangelhafte institutionelle Versorgung
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5 Spielförderung
Aus einer Befragung, durchgeführt von Iben (vgl. 1980, S. 14), geht hervor, dass räumliche Enge und mangelhafte Versorgung mit Spielmittel innerhalb der Wohnung dazu führte, dass Kinder überwiegend das Treppenhaus, den Hof und die Strasse als Spielorte nutzten. „Kinder, die solchen Beeinträchtigungen innerhalb der Wohnung ausgesetzt sind, bedürfen in einem hohen Maße einer Kompensation durch die Spielumgebung außerhalb der Wohnung. Gerade dort aber treffen sozial benachteiligte Kindern [sic] erneut auf schwerwiegende Mängel“, so Heimlich (vgl. 1989, S. 204). Iben (vgl. 1980, S. 14) kommt aufgrund seiner Beobachtungen weiter zu dem Ergebnis, dass sozial benachteiligten Kindern häufig die nötige „Geborgenheit und Ruhe“ fehlt. „Ängste, Hemmungen oder Aggressionen“ (Iben 1980, S. 14), sowie mangelndes Selbstvertrauen als Reflex auf die soziale Beeinträchtigung zeichnen die Spieltätigkeit sozial benachteiligter Kinder zusätzlich als different aus. Kindern aus sozial benachteiligten Verhältnissen, ist im Zuge der Spielförderung, die Möglichkeit zu eröffnen Kompetenzen im Umgang mit verschiedenen Spielmitteln, Spielpartnern und Spielumgebungen zu erwerben (vgl. Heimlich 1989, S. 205). Smilansky (vgl. 1973, S. 171) spricht vom „Ausgleich defizitärer Spielvoraussetzungen“ und erweiterte die Kompetenz der Kinder in Bezug auf soziales Rollenspiel. Neben der Ermöglichung von Spiel durch die Verfügbarmachung angemessener Umweltbedingungen (vgl. Iben 1980, S. 14) und der Weiterentwicklung der Spielfähigkeit durch die spezifische Gestaltung von Umweltbedingungen im Sinne einer Kompetenzerweiterung ergibt sich als übergeordnetes Ziel die Förderung autonomer Spielhandlungen, so Heimlich (vgl. 1989, S. 206). Die Maßnahmen der Spielförderung können sich auf (vgl. Heimlich 1989, S. 206)
die Einführung von Spielmittel das Rollenspiel konkurrenzfreie Spielformen und Aktionsspiele sowie „isolierte Förderung einzelner Fähigkeiten durch gezielt eingesetzte didaktische Spiele“ (Iben 1980, S. 15) beziehen.
5.4 Bedingungen früher Fördermaßnahmen
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Als wesentlich für den Erfolg der Spielförderung wird die Einbeziehung der Eltern sozial benachteiligter Kinder in spielpädagogische Handlungsformen gesehen. Sei es durch Mitarbeit von Müttern in Kindergarten und Hort oder bei öffentlichen Spielaktionen. (vgl. Heimlich 1989, S. 207) In die Spielfördermaßnahmen sollen die Spielumwelt in personaler (z. B. die Eltern) und materieller Hinsicht (z. B. Hof, Strasse, Sandkasten, Spielplatz usw.) mit einbezogen werden. Spielförderungsmaßnahmen werden langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn sowohl Kindergarten als auch das Elternhaus mit einbezogen werden, so Heimlich (vgl. 1989, S. 208).
5.4 Bedingungen früher Fördermaßnahmen Kinderarmut und damit einhergehende soziale Benachteiligung ist ein zunehmendes gesellschaftliches Problem (vgl. 2. Armuts- und Reichtumsbericht aus Österreich 2008; UNICEF-Studie über Kinderarmut14 2005) und führt zur Unterversorgung, zu sozialer Ausgrenzung sowie zu ungünstigen Entwicklungsbedingungen für die schulische und berufliche Ausbildung (vgl. BMSG 2004, S. 207ff; Holz 2005, 89). Der Bildungserfolg ist, wie unter anderem die PISAStudien (vgl. Artel et al. 2000, S. 35) gezeigt haben, in hohem Maße von der sozialen Herkunft abhängig. Besonders von Benachteiligung und Ausschluss betroffen sind Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status und geringem Bildungsniveau der Eltern (vgl. Artel et al. 2000, S. 35). Infolge der PISA Studien wurden intensive Debatten um mögliche Handlungsansätze, wie Bildungschancen von Kindern aus sozial benachteiligten Verhältnissen verbessert werden können (vgl. Sann et al. 2005, S. 10), geführt. Dabei wurde der Focus auf eine Veränderung des Schulsystems und auf eine bessere Schulvorbereitung durch Kinderbetreuungseinrichtungen gelegt. Vernachlässigt wurde bislang die Seite der Familien (vgl. Sann et al. S. 10f), was den Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen aufgrund der PISA Studie zu folgender Stellungnahme veranlasste: „[…] dass Kinder und Jugendliche nur dann individuell gefördert werden können und Chancengleichheit nur dann realisiert werden kann, wenn Familien in ihrer 14 http://www.unicef.de/kinderarmut.html (Zugriff: 18.02.2009; 09:25)
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5 Spielförderung
Leistungsfähigkeit gefördert und ihre Leistungen unterstützt werden. Dies ist auch eine zentrale Aufgabe der staatlichen Bildungspolitik.“ (BMFSFJ 2002, S. 9)
Die Familie wird im Bericht „Die bildungspolitische Bedeutung der Familie – Folgerungen aus der PISA-Studie“ (vgl. BMFSFJ 2002, S. 35) – als wichtiger Ausgangspunkt für alle Bildungsprozesse gesehen. Die Ressourcen der Familien zu stärken, und damit die Entwicklungschancen der Kinder zu verbessern, wird von der Familienpolitik gefordert (vgl. BMFSFJ 2002, S. 35). Zielgruppenspezifische Angebote, die vor allem auf sozial benachteiligte Familien und ihre Kinder eingehen, müssen verstärkt in das Angebotsspektrum der Kinder- und Jugendwohlfahrtsverbände, der Länder und Gemeinden aufgenommen werden (vgl. Sann et al. 2005, S. 11).
5.4.1 Indikationsgründe für „frühe Hilfe“ Soziale Benachteiligung stellt ein Belastungs- und Risikopotential für die davon betroffenen Kinder dar. Daraus kann man jedoch nicht zwangsläufig schließen, dass jedes davon betroffene Kind entwicklungsgefährdet ist (vgl. Weiß 2005, S. 182). Das heißt Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen sind nicht zwangsläufig sozialisationserschwerend Verhaltens- und Interaktionsweisen ihrer Eltern ausgesetzt, wenngleich die Auswirkungen sozialer Benachteiligungen ein Nährboden für diese sind. Es gelingt Familien aus sozial benachteiligten Verhältnissen, ungünstige Auswirkungen einer materiellen Mangelsituation auf die Entwicklung ihrer Kinder zu kompensieren. „Je besser den Eltern die Gestaltung des sozialen Netzwerkes und die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen gelingt, desto stärker tritt ein Entlastungsgefühl ein“, so Holz (2005, S. 104). Insbesondere wirken sich ein gutes Familienklima und regelmäßige familiäre Aktivitäten als bedeutsam für das Wohlergehen und die Zukunftschancen des Kindes aus (vgl. Holz 2005, S. 105). Allerdings kann Armut und soziale Benachteiligung, so Weiß (vgl. 2005, S. 182f), unter nachstehenden Umständen zu einem Entwicklungsrisiko für Kinder werden:
Bei komplexer und länger andauernden Armut und sozialer Benachteiligung mit erheblichen Belastungen und geringen Bewältigungsmöglichkeiten für Eltern und Kinder.
5.4 Bedingungen früher Fördermaßnahmen
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Bei gravierende Störungen der Eltern-Kind-Interaktionen. Materielle Entbehrungen, gravierende ökonomische und psychosoziale Belastungen sowie mangelnde Problemlösungsstrategien/-möglichkeiten können eine entwicklungsförderliche Interaktion zwischen Eltern und ihren Kindern erschweren (vgl. Weiß 2005, S. 186). Schreien, Weinen und Quengeln sind obligate Mittel eines Säuglings, um seinen Bedürfnissen nach Nahrung, Zuwendung, Trost und Beruhigung Ausdruck zu verleihen. Nach entsprechender Bedürfnisstillung ist der Säugling wieder beruhigt. Der Säugling ist in der Lage sich selbst zu regulieren. Ist ein Säugling beispielsweise durch beengte Wohnverhältnisse einem permanenten Zustand von Überreizung ausgesetzt, so wird die Selbstregulationsmöglichkeit des Säuglings erschwert. Werden Eltern, die ohnehin schon in einer belastenden Situation leben, durch lang anhaltendes Schreien des Säuglings irritiert, laufen sie Gefahr, nicht hinreichend feinfühlig auf den Säugling zu reagieren. Dies führt dann bei Säugling statt zu einer Verhaltensregulierung zu einer zusätzlichen Irritierung, die ihn aus seinem Schreiverhalten nicht mehr herausfinden lässt. Solche Irritationen zwischen Eltern und Säugling schaukeln sich hoch und können sich als dysfunktionale Erfahrungen verfestigen und chronifizieren. (vgl. Weiß 2005, S. 186)
Feinfühliges Verhalten der Bezugsperson(en) hängt nicht nur von Persönlichkeitsmerkmalen ab, sondern auch von der gesamten Lebenswirklichkeit. Mütter, denen der soziale Rückhalt in ihrer Rolle fehlt oder deren Lebenssituation im hohen Ausmaß durch materielle Not, durch Unterdrückung usw. geprägt ist, sind weniger in der Lage, dem Kind emotionale Bindungssicherheit zu geben (vgl. Weiß 2005, S. 187, vgl. hierzu auch Dornes 2007, S. 55f, S. 122).
In seinem Vortrag „Armut als Entwicklungsrisiko – Möglichkeiten der Prävention und Intervention“, den Weiß (vgl. 2004, S. 4) im Rahmen der Fachtagung „Früh übt sich“ zum Modellprojekt „Opstapje – Schritt für Schritt“ gehalten hat, bezieht der Autor sich auf US amerikanische Untersuchungen von Duncan et al. (1994) Smith et al. (1997) sowie Korenman et al. (1995), die feststellten, dass „chronischer“ Armut zu Einschränkungen in der kognitiven und sozialemotionalen Entwicklung des Kindes führt.
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5 Spielförderung
5.4.2 Kriterien zur Wirksamkeit und Gestaltung „früher Hilfen“ Der Begriff „frühe Hilfen“ (Weiß 2005, S. 189) ist ein Sammelbegriff, der alle Maßnahmen für Kinder, Eltern und Familien einschließt, die dazu beitragen, die Entwicklungsbedingungen eines in deprivierenden Lebensverhältnissen aufwachsenden Kindes zu verbessern (z. B. Fördermaßnahmen innerhalb der Familie, spezielle Fördermaßnahmen in Kindertagestätten usw.). Unter welchen Bedingungen können „frühe Hilfen“, angesichts der bestehenden Komplexität der Risikofaktoren bei Kindern, die in Armut und sozialer Benachteiligung aufwachsen, wirksam sein?
Möglichst frühzeitige und längerfristige Interventionen Die Wirksamkeit einer Frühfördermaßnahme ist umso größer, je früher sie beginnt und je länger sie andauert. Eine optimale Maßnahme beginnt im ersten Lebensjahr, da bereits hier Effekte auf die Aufgabenorientierung und auf das frühe Interesse an der Objektwelt beim Kind feststellbar sind (vgl. Weiß 2005, 189; Sann et al. 2005, S. 13).
Intensität der Intervention: Die Häufigkeit von Anleitungs- und Anregungssituationen, die einem Kind im Rahmen eines Frühförderprogrammes angeboten werden, beeinflusst deutlich die Wirksamkeit der Maßnahme (vgl. Weiß 2005, S. 189; Sann et al. 2005, S. 13). Eine hinreichende Intensität kann, so Weiß (vgl. 2005, S. 189), vor allem durch die Kombination familienorientierter und außerfamiliärer Förderung erreicht werden, indem einrichtungsbasierte Förderung eine intensive Zusammenarbeit mit den Eltern einschließt.
Ermöglichung von Schutz, Sicherheit und verlässlichen Beziehungen: Aus der Bindungs- und Resilienzforschung (vgl. Dornes 2007, 44ff, S. 103ff) geht hervor, dass verlässliche Beziehungserfahrungen ein wichtiger Schutzfaktor für das Kind darstellen. Die primäre Bezugsperson ist in den meisten Fällen Mutter oder Vater, kann aber auch eine Bezugsperson aus dem familiären (z. B. Großeltern, ältere Geschwister) oder außerfamiliären Umfeld sein (Lehrer, Erzieherin aus der Kindertagesstätte). Deshalb, so Weiß (vgl. 2005, S. 190), kommt es darauf an, die Eltern (Mütter) in der
5.4 Bedingungen früher Fördermaßnahmen
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Beziehung (Bindung) und Interaktion mit ihrem Kind zu stärken und gegebenenfalls zu versuchen, eine verlässliche (kompensatorische) Beziehung des Kindes zu einer anderen Bezugsperson anzuregen und zu sichern.
Fokussiertes Arbeiten innerhalb eines breiten Spektrums vernetzter inhaltlich abgestimmter Hilfsangebote: Aufgrund der Komplexität der Armuts- und Benachteiligungslage sind oftmals mehrdimensionale Interventionsansätze erforderlich: finanzielle, soziale, emotionale Unterstützung; konkrete Hilfen in der Alltagsgestaltung; Beratung und Unterstützung in Fragen des förderlichen Zusammenlebens mit dem Kind (vgl. Weiß 2005, S. 190, Tschöpe-Scheffler 2006, S. 108). Der Grund dafür liegt darin, dass Eltern in sozioökonomisch schwierigen Lebenslagen häufig von ihren existentiellen Problemen im Hier und Jetzt so sehr in Beschlag genommen werden, dass ihnen wenig psychische Energie bleibt, auf die Bedürfnisse und Probleme ihrer Kinder hinreichend zu achten (vgl. Weiß 2005, S. 190; Tschöpe-Scheffler 2003, S. 112f). Das erfordert neben niederschwelliger Begegnungs- und Hilfsangebote – als erste Glieder einer systematischen Beratungs- und Förderkette (z. B. ElternKind-Treffen in sozialen Brennpunkten) – interdisziplinäre Kooperation von Erziehungs- und Bildungssystemen sowie Gesundheits- und Sozialdiensten. Diese Art der Kooperation ist vor allem deshalb notwendig, weil diese Eltern aufgrund fehlender motivationaler Kräfte Hilfe nicht aktiv in Anspruch nehmen können, Hilfe aber dann annehmen, wenn sie ihnen angeboten wird (vgl. Tschöpe-Scheffler 2006, S. 108ff).
Flexibilität und individueller Zuschnitt familienorientierter Frühförderung. Es ist notwendig, die Angebote auf die jeweiligen Möglichkeiten und Bedürfnisse des Kindes und der Familie individuell zu gestalten (vgl. Weiß 2005, S. 192). Laut Weiß (vgl. 2005, S. 192f) ermöglicht erst die Abklärung unten angeführter Fragen die Gestaltung individueller Fördermaßnahmen: Wo steht das Kind und was braucht es an entwicklungsförderlichen Angeboten? Wo stehen Familien in ihrer Entwicklung? Was können Eltern in die Zusammenarbeit investieren?
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5 Spielförderung
Was sind ihre eigenen Erfahrungen bezüglich ihrer Situation und der des Kindes?
5.5 Modellprojekt „Opstapje – Schritt für Schritt“ Mögliche Spielfördermaßnahmen für sozial benachteiligte Kinder im Rahmen einer ganzheitlichen „spiel-orientierten“ Erziehungskonzeption, wird nachfolgend am Beispiel des Modellprojektes „Opstapje – Schritt für Schritt“ dargestellt. Dabei handelt es sich um ein präventives Spiel- und Lernprogramm für Kleinkinder aus sozial benachteiligten Familien und deren Eltern, welches in den Niederlanden entwickelt wurde. Durch das präventive Spiel- und Lernprogramm sollen sozial benachteiligte und bildungsferne Familien angesprochen werden, um sie in ihren Erziehungsleistungen zu unterstützen. Das Programm zeichnet sich vor allem durch seine „Geh-Struktur“ (Hausbesuche), den Einsatz semiprofessioneller Kräfte und seinen Fokus auf die Eltern-Kind-Interaktion aus (vgl. Sann et al. 2005, S. 12). Durch regelmäßige Hausbesuche und Gruppentreffen soll präventiv sowohl die Entwicklung der Kinder als auch die Erziehungskompetenz der Eltern gefördert werden. Dabei ist das Ziel Fehlentwicklungen in den Familien vorzubeugen und die Ressourcen der Familien zu stärken und zu erweitern. Dies bedeutet letztendlich ein Stück weit mehr Chancengleichheit für die in diesen Familien aufwachsenden Kindern und entlastet die Gesellschaft als Ganzes von teuren und aufwändigen Korrektur- und Rehabilitierungsmaßnahmen (vgl. Sann et al. 2005, S. 12). Die Auseinandersetzung des Kleinkindes mit seiner materiellen und sozialen Umwelt, sie zu begreifen und auf sie einzuwirken, findet in spielerischer Form statt. Das frühkindliche Spiel ist spontanes, selbst initiiertes Lernen, das die zweckfreie Kontaktaufnahme und die Integration von Erfahrungen mit der Umwelt beinhaltet. Im Spiel findet die Integration von Erfahrung, Kommunikation, Symbolisierung und Sprache statt. Die Aufgabe der Eltern in diesem Prozess besteht darin, die integrativen und kommunikativen Bedürfnisse und den höheren Spracherwerb des Kindes zu unterstützen. (vgl. Kapitel 1).
5.5 Modellprojekt „Opstapje – Schritt für Schritt“
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Das Programm Opstapje greift diese Aspekte kindlicher Spieltätigkeit auf und geht davon aus, dass die Entwicklung eines Kindes im Alter von 18 Monaten bis zu etwa drei Jahren ein autonomer Prozess ist, der im Spiel in sozialer Interaktion stattfindet, von der Bindung zwischen Eltern und Kind abhängt und durch kulturelle Unterschiede beeinflusst wird (vgl. Sann et al. 2005, S. 19). Mit Opstapje soll die Verbesserung der Eltern-Kind-Interaktion erfolgen und so der sensomotorische, kognitive, soziale und emotionale Entwicklungsbereich sowie Sprach- und Begriffsentwicklung des Kindes angeregt werden (vgl. Sann et al. 2005, S. 19).
5.5.1 Konzeption des Programms Opstapje setzt zu einem Zeitpunkt ein (ca. ab dem 18 Lebensmonat des Kindes), an dem die kindliche Entwicklung durch zusätzliche Fördermaßnahmen günstig beeinflusst werden kann. Die Beziehung der Eltern zu ihrem Kind ist in der Regel zu diesem Zeitpunkt sehr eng, vorhandene Interaktionsmuster sind noch nicht verfestigt. Positive Entwicklungsverläufe können so initiiert und unterstützt werden (vgl. Sann et al. 2005, S. 22). Charakteristisch ist die präventive Orientierung des Programms. Die Fördermaßnahmen setzen ein, bevor Probleme entstehen, die ansonsten aufgrund der Lebensumstände der Familie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftreten würden. Dabei wird nicht nur eine Entwicklungsförderung beim Kind angestrebt, sondern auch eine Kompetenzentwicklung bei den Eltern (vgl. Sann et al. 2005, S. 22). Um die spezielle Zielgruppe der sozial benachteiligten und bildungsfernen Familien zu erreichen, arbeitet Opstapje mit Hausbesuchen. Diese Geh-Struktur ermöglicht es, den Eltern ein Stück weit entgegenzukommen und ihnen beispielsweise längere Anfahrtswege oder Probleme mit der Betreuung von Geschwisterkindern zu ersparen (vgl. Sann et al. 2005, S. 22). Die Hausbesucherinnen selbst stammen aus dem Umfeld der Zielpopulation, was entscheidend zur Akzeptanz der Maßnahmen bei den Familien beiträgt, so Sann et al. (2005, S. 22). Die Hausbesucherinnen werden von einer sozialpädagogischen Fachkraft für ihren Aufgabenbereich geschult und fachlich begleitet (vgl. Sann et al. 2005, S. 22).
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5 Spielförderung
Die Dauer der Fördermaßnahmen liegt bei zwei Jahren. In diesem Zeitraum werden Familien anfangs wöchentlich, später vierzehntägig für jeweils eine halbe, später eine dreiviertel Stunde, besucht. Im Wechsel dazu findet zusätzlich alle zwei Wochen ein Gruppentreffen in wohnortnahen Räumen statt (vgl. Sann et al. 2005, S. 22). Die Anregung von neuen Verhaltensmustern findet im realen Kontext des Familienalltages statt. Das ermöglicht eine individuelle Bezugnahme zur jeweiligen Lebenssituation der Familie. (vgl. Sann et al. 2005, S. 22).
5.5.2 Zielgruppe Mit Opstapje sollen Eltern angesprochen werden, für die es – aus unterschiedlichen Gründen – in der aktuellen Lebenssituation schwierig ist, auf die Bedürfnisse ihres Kindes angemessen einzugehen. Mögliche Gründe dafür (vgl. Sann et al. 2005, S. 23):
Strukturelle soziale Benachteiligung wie Armut, Arbeitslosigkeit, ungünstige Wohnverhältnisse, Migrationshintergrund; Belastende familiäre Lebenssituation wie Konflikte, Trennung/Scheidung, Alleinerziehend; Individuelle Belastungen wie Überforderung, chronische Erkrankungen, psychische Probleme, Isolation, niedriges Bildungsniveau.
Die Auswahl der Familien erfolgt im Sinne eines sekundärpräventiven Programms. Das heißt, Risikofaktoren sind zwar erkennbar, jedoch sind noch keine schwer wiegenden Defizite oder Fehlentwicklungen vorhanden (vgl. Sann et al. 2005, S. 23). So genannte „Multi-Problemfamilien“ gehören nicht zur Zielgruppe des Programms, da diese die Leistungsfähigkeit der semiprofessionellen Hausbesucherinnen deutlich überfordern würden (vgl. Sann et al. 2005, S. 23). In diesen Fällen sieht sich Opstapje als ergänzendes Angebot mit dem Fokus auf die Eltern-Kind-Beziehung und die Entwicklungsförderung der Kinder, so Sann et al. (vgl.2005, S. 23). Aufgrund des Mehraufwandes, beispielsweise für die Koordination der verschiedenen Helfersysteme, empfehlen die Autorinnen Sann et al.
5.5 Modellprojekt „Opstapje – Schritt für Schritt“
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(vgl. 2005, S. 23) maximal zwei bis drei Familien in eine Gruppe von höchstens zwölf Familien zu integrieren.
5.5.3 Methoden Opstapje arbeitet mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen, um die Programminhalte zu vermitteln:
Der Fokus der Arbeit liegt in der Eltern-Kind-Interaktion: Gemeinsam üben Mutter und Kind bzw. Vater und Kind in angeleiteten Spielsituationen neue, entwicklungsförderliche Interaktionsmuster ein. Beispielsweise werden die Eltern an den Umgang mit Bilderbüchern herangeführt und dazu ermutigt, die gemeinsamen Aktivitäten sprachlich zu begleiten (vgl. Sann et al. 2005, S. 24).
Dem Lernen am Modell kommt ein besonderer Stellenwert zu: Die Hausbesucherin fungiert in den Familien als „Rollenmodell“ (vgl. Sann et al. 2005, S. 24), vor allem was die Gestaltung der gemeinsamen Spielsituationen mit dem Kind anbelangt. Als erfahrene Mutter, die in vergleichbaren Lebensumständen selbst Kinder erzieht, teilt sie die Erfahrungswelten der von ihr betreuten Eltern und findet dadurch leichter Zugang zur Familie. Die von ihr angebotenen Spielaktivitäten können von Eltern zuerst beobachtet und dann in das eigene Verhaltensrepertoire übernommen werden (vgl. Sann et al. 2005, S. 24).
Der Anregungsgehalt der häuslichen Umgebung wird erhöht: Die Hausbesucherinnen bringen pädagogisch wertvolle und altersgerechte Spielmaterialien mit in die Familie. Dazu gehören zwölf eigens für Opstapje konzipierte Bilderbücher. Die Eltern werden aber auch instruiert, wie sie selbst mit Alltagsgegenständen und Hausmaterialien ohne großen Aufwand Spielsituationen gestalten können, z. B. Wäsche nach Farben, oder Gegenstände nach Größen sortieren (vgl. Sann et al. 2005, S. 24).
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Gezielte Förderung der kindlichen Entwicklung: Sensomotorische, kognitive, emotionale und soziale Entwicklungsbereiche sowie Sprach- und Begriffsentwicklung des Kindes werden durch wöchentlich wechselnde Übungseinheiten gezielt stimuliert z. B. durch Trainieren der Feinmotorik, Geschicklichkeitsaufgaben wie Papierschneiden, Anregung der Begriffsbildung und sprachliche Entwicklung durch gemeinsame Bildbetrachtung (vgl. Sann et al. 2005, S. 25).
Wissen über die kindliche Entwicklung und Erziehung von Kleinkindern wird verständlich vermittelt: In den vierzehntägigen Gruppentreffen werden die Programminhalte vertieft und wichtige Informationen über das Leben mit Kleinkindern anschaulich vermittelt. Inhalte sind beispielsweise die für die Entwicklungsstufe des Kleinkindes typischen Erziehungsprobleme (Sauberkeitserziehung, Trotzphase usw.), aber auch allgemeine Fragen, wie Ernährung oder Sicherheit im Haushalt werden thematisiert. Je nach Bedürfnissen der Teilnehmer werden auch spezielle Themen, wie berufliche Qualifizierungsmöglichkeiten oder Gewalt in der Familie, aufgegriffen (vgl. Sann et al. 2005, S. 25).
Stärkung und Erweiterung der familiären Ressourcen: Die Gruppentreffen bieten die Gelegenheit soziale Netzwerke der Familien durch neue Kontakte zu erweitern. Den Teilnehmern werden zudem familienbezogene Angebote in der Wohnumgebung (Bibliothek, Familienbildungsangebote) näher gebracht, um die Hemmschwelle für eine Inanspruchnahme zu verringern (vgl. Sann et al. 2005).
5.5.4 Ziele Auf Seiten der Eltern (vgl. Sann et al. 2005, S. 26): Stärkung der Erziehungskompetenzen; Sensibilisierung der Eltern für die alterspezifischen Bedürfnisse ihres Kindes; Aufzeigen von neuen Möglichkeiten zur Förderung der kindlichen Entwicklung.
5.5 Modellprojekt „Opstapje – Schritt für Schritt“
105
Auf diese Weise möchte das Programm zu einem Zugewinn an Selbstwertgefühl, personaler Kontrolle und Lebenszufriedenheit der Eltern beitragen (vgl. Sann et al. 2005, S. 26). Auf Seiten des Kindes (vgl. Sann et al. 2005, S. 26): Stimulierung der Spielentwicklung durch ein vielfältiges, altersgerechtes Spielangebot; Vielfältige Erfahrungsmöglichkeiten im Umgang mit der physikalischen Umwelt durch Bereitstellung pädagogisch sinnvoller und altersgerechter Spielmaterialien (Spielzeug, Bücher, Musik) und Einbezug von alltäglichen Haushaltsgegenständen in die kindliche Spieltätigkeit; Anregung der sprachlichen und kognitiven Entwicklung durch begleitendes Verbalisieren der gemeinsamen Spielaktivitäten und gezielte Übungseinheiten zur Begriffsbildung; Erweiterung der Lernerfahrung im Bereich der Motorik, Sensomotorik und Wahrnehmung durch gezielte Übungseinheiten; Förderung der sozialen und emotionalen Entwicklung durch intensive gemeinsame Spielerlebnisse mit den Eltern und erste Gruppenerfahrungen; Förderung der Autonomie und Selbstbestimmung durch Sensibilisierung der Eltern für die Bedeutung der Unterstützung ihrer Kinder in dieser Hinsicht.
Für die Familie: Auf der Ebene des Eltern-Kind-Verhältnisses geht es in erster Linie um eine Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung. Dabei setzt Opstapje (vgl. Sann et al. 2005, S. 26) auf:
die Erhöhung der Frequenz von positiven Eltern-Kind-Interaktionen und die Initiierung, Einübung und Stabilisierung entwicklungsförderlicher Interaktionsmuster zwischen Eltern und Kindern.
Auch das Familiensystem als Ganzes profitiert vom Programm (vgl. Sann et al. 2005, S. 27) durch:
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5 Spielförderung
Identifizierung, Mobilisierung und Erweiterung der familiären Ressourcen, durch einen Ansatz, der explizit von den Stärken und positiven Motivationen der Teilnehmer ausgeht; Transfer der erworbenen Kompetenzen auf die Erziehung weiterer Kinder in der Familie; Entlastung der Familien durch die Hausbesuche und Gruppentreffen (mit Kinderbetreuung); Kennenlernen familienbezogener Angebote im Wohngebiet; Verbesserung der Integration der Familien in das soziale Umfeld.
5.5.5 Materialien Die Hausbesucherin nimmt altersgerechte, entwicklungspsychologisch wertvolle Spielmaterialien zu den Familien mit, die diese behalten dürfen (z. B. Puzzle, Memory, Malkasten, Stifte, Bauklötze usw.). Einen besonderen Stellenwert nehmen die zwölf programmeigenen Bilderbücher ein, die extra für die Spielaktivitäten entwickelt worden sind. Die Spielaktivitäten und das entsprechende Bilderbuch sind aufeinander abgestimmt. Bei etwa der Hälfte der Spielaktivitäten werden vorhandene Materialien aus dem Haushalt der Familie verwendet. Gerade bei einkommensschwachen Familien wird dies als wichtiger Aspekt angesehen, da damit vermittelt werden kann, dass auch ohne großen finanziellen Aufwand sinnvoll mit dem Kind gespielt werden kann. (vgl. Sann et al. 2005, S. 37) Zu allen Spielaktivitäten gibt es Arbeitsblätter für die Eltern, auf denen die jeweilige Spielaktivität detailliert dargestellt wird. Zusätzlich enthalten sie Informationen über den Fördergehalt der Aktivität und Tipps, wie die Eltern die Spielaktivität richtig umsetzen und variieren können (Sann et al. 2005, S. 37).
5.5.6 Wissenschaftliche Evaluationsergebnisse Die Evaluation ergab, dass mit dem präventiven Spiel- und Lernprogramm sozial benachteiligte, bildungsferne Familien mit Kleinkindern erreicht und über einen längeren Zeitraum bei der Förderung und Betreuung ihrer Kinder begleitet und
5.5 Modellprojekt „Opstapje – Schritt für Schritt“
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unterstützt werden konnten. Dazu trug vor allem die Niederschwelligkeit des Programms bei (vgl. Sann et al. 2005, S. 45). Die Gruppentreffen wurden von den Familien nicht oft genug wahrgenommen. Die Teilnahmequote betrug lediglich 50 %. Wünschenswert wäre eine regere Teilnahme an den Gruppentreffen, so Sann et al. (vgl. 2005, S. 45). Die Methoden des Programms zeigten Wirkung bei den Kleinkindern selbst, bei den Eltern, sowie in der Eltern-Kind-Beziehung:
Insbesondere Kinder, die zu Programmbeginn in ihrer Entwicklung hinter dem Durchschnitt zurücklagen, konnten in ihrer kognitiven, motorischen und Verhaltensentwicklung von der Teilnahme profitieren (vgl. Sann et al. 2005, S. 45); Die Eltern erlebten sich sozial kompetenter und als besser in die Gesellschaft integriert (vgl. Sann et al. 2005, S. 45); Die Eltern-Kind-Beziehung verbesserte sich, was sich auch in einer verbesserten Spielfeinfühligkeit und in der subjektiv vermehrten Beschäftigung mit dem Kind zeigte (vgl. Sann et al. 2005, S. 45).
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5.5 Modellprojekt „Opstapje – Schritt für Schritt“
5.5.7 Beispiele für Arbeitsblätter
Warum ist das wichtig?
Eine gut funktionierende Mundmotorik ist Voraussetzung für das Erlernen der Sprache. Aus diesem Grund ist es notwendig, den Kindern immer wieder Übungsmöglichkeiten für ihre Mundmotorik anzubieten. Pusten eignet sich besonders gut, um die Mundmuskulatur zu stärken und die Bewegungsfähigkeit des Mundes zu trainieren. „Leicht“ ist eine Eigenschaft, die das Kind noch nicht kennt. Durch den Einsatz von Alltags- und Spielmaterial, das besonders leicht ist, kann das Kind diese Eigenschaft erfahren und (be)greifen. Neue Erfahrungen werden vom Kind begreifbar, wenn die Informationen auf verschiedene Art und Weise erlebt werden, wie z. B. Anfassen, Fortbewegen, Fühlen, Erleben von Gegenständen etc. Noch ist das Kind nicht in dem Alter, in dem es diesen Begriff zuordnen kann. Erst im Laufe der Zeit, wenn es viele Möglichkeiten hat, immer wieder Dinge auszuprobieren, kann es dies lernen.
Was benötigen Sie? -
Mehrere Wattebäusche Papiertaschentücher, die sich auseinander ziehen lassen eine Feder einen Tisch, an dem gespielt werden kann
Worüber müssen Sie mit der Mutter sprechen?
Nehmen Sie das Arbeitsblatt und lesen Sie es gemeinsam mit der Mutter durch. Machen Sie darauf aufmerksam, dass die Muskeln des Kindes noch nicht so geübt und geschult sind wie die eines Erwachsenen. Das Kind braucht aus diesem Grund ein breites Übungsfeld, um seine Muskeln gut zu trainieren. Die Mundmuskulatur ist zum Spracherwerb besonders wichtig und bedarf ebenso der Übung wie die anderen Muskeln. Trainiert wird die Mundmuskulatur über Kaubewegungen beim Essen, Töne und Laute unterschiedlichster Art (Sprache und Singen) und auch durch das Pusten.
Was müssen Sie tun?
- Setzen Sie sich mit der Mutter und dem Kind an einen kleinen Tisch. - Geben Sie dem Kind das Material und lassen Sie es ausprobieren. - Erklären Sie dem Kind, dass alle Materialien ganz leicht sind, und zeigen Sie ihm, was das bedeutet: Sie lassen sich einfach fortbewegen, man spürt sie kaum auf der Haut, sie erzeugen ein zärtliches Gefühl etc. - Zeiten Sie dem Kind, wie Sie pusten. - Pusten Sie dem Kind etwas Luft in die Hand damit es spürt, dass beim Pusten Luft aus Ihrem Mund gelangt. - Pusten Sie gemeinsam mit der Mutter und dem Kind das Material über den Tisch. - Nehmen Sie das Papiertaschentuch und lösen Sie einzelne dünne Lagen. Die einzelnen Tücher können nun ebenfalls durch Pusten über den Tisch bewegt werden.
Abbildung 16: Instruktionsblatt für die Hausbesucherin, Seite 1 (Sann et al. 2005, S. 36)
5.5 Modellprojekt „Opstapje – Schritt für Schritt“
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Sprechen Sie mit dem Kind über: - Gegenstände: Watte, Papiertaschentuch, Feder, Luft - Eigenschaften: leicht - Tätigkeiten: Pusten, Bewegen
Sprechen Sie mit dem Kind über das gemeinsame Tun: Was haben wir gemacht? -
Wir haben gepustet. Beim Pusten kommt Luft aus dem Mund. Wenn wir pusten, bewegt sich die Watte über den Tisch. Die Watte ist ganz leicht. Wir haben viel Spaß gehabt.
Anregungen zum nochmaligen Tun: - Wir können die Feder über den Tisch pusten. - Wir können das Papiertaschentuch über den Tisch pusten. - Wir können aufpassen, dass die Dinge nicht vom Tisch fallen. Unterstützen Sie das Kind, wenn es versucht, ein Wort zu sprechen. Loben Sie es und versuchen Sie, das Wort in richtiger Aussprache zu wiederholen. Versuchen Sie, auch die Reaktion des Kindes in Sprache auszudrücken, da das Kind dies noch nicht kann, z. B. „Du freust dich jetzt“ oder „Du bist enttäuscht, weil du es noch nicht geschafft hast“ etc.
Entmutigen Sie nicht, sagen Sie nicht: - Das ist nicht richtig. - Das hast du falsch gemacht. - Du kannst das nicht.
Machen Sie dem Kind Mut: - Du hast gut aufgepasst. - Du kannst aber gut pusten. Helfen Sie dem Kind erst, wenn es Hilfe signalisiert! Achten Sie auf Initiative des Kindes und gehen Sie darauf ein!
Abbildung 17: Instruktionsblatt für die Hausbesucherin, Seite 2 (Sann et al. 2005, S. 68)
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5 Spielförderung
Was lernt das Kind? Wichtige Fertigkeiten - genaue Bewegungen mit seinem Mund auszuführen - verschiedene Materialien kennen lernen - sich konzentrieren
Wichtige Wörter - Mund, Watte, Papiertaschentuch, Feder - Pusten
Was brauchen Sie?
Was können Sie tun? - Setzen Sie sich mit ihrem Kind an einen kleinen Tisch. - Zeigen Sie ihrem Kind das Spielmaterial und lassen Sie es ausprobieren. - Zeigen Sie ihrem Kind, dass diese Gegenstände ganz leicht sind, indem Sie sie durch Pusten fortbewegen. - Zeigen Sie ihrem Kind, welche Mundbewegungen für das Pusten wichtig sind. - Zeigen Sie ihrem Kind, dass beim Pusten Luft aus ihrem Mund kommt, indem Sie ihm auf die Hand oder leicht ins Gesicht pusten.
Abbildung 18: Arbeitsblatt für die Eltern, Seite 1 (Sann et al. 2005, S. 69)
5.5 Modellprojekt „Opstapje – Schritt für Schritt“
- Bitten Sie ihr Kind, auch zu pusten. - Nun können Sie versuchen, die Watte und den Pingpongball über den Tisch zu pusten. - Wenn dies gut funktioniert, können Sie versuchen, nur durch Pusten (ohne die Hände zu gebrauchen) die Watte bzw. die Feder auf dem Tisch zu halten. - Probieren Sie das Papiertaschentuch aus (die dünnen Lagen müssen vorher auseinander gezogen werden). Es lässt sich ebenfalls über den Tisch pusten. - Überfordern Sie ihr Kind nicht – erst durch häufiges Üben wird es hier Erfolge erzielen. - Spaß und Freude miteinander sind das wichtigste Ziel.
Spielen Sie mit ihrem Kind! -
Das ist dein Mund. Wir haben Luft durch unseren Mund gepustet. Du kannst gut pusten. Die Watte ist ganz schnell über den Tisch gerutscht.
Abbildung 19: Arbeitsblatt für die Familie, Seite 2 (Sann et al. 2005, S. 70)
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5 Spielförderung
5.5.8 Vergleichbare Konzeptionen Ein weiteres Modellprojekt, welches an die Bedürfnisse von Kindern und Familien in schwierigen Lebenslagen ausgerichtet ist, wurde im Zeitraum Oktober 2005 bis September 2008 vom Orts- und Kreisverband Mainz und des Kinderschutzbundes, unter der wissenschaftlichen Begleitung durch Frau Dipl.-Psych. Krömker unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Hamburger, Johannes Gutenberg Universität Mainz, durchgeführt. Das Förderprogramm beginnt schon in der 7. Lebenswoche des Kindes und richtet sich an Familien, die durch soziale Benachteiligung, durch schlechte Wohnverhältnisse, Arbeitslosigkeit sowie geringe Bildung und Einkommensarmut belastet sind. Durch ein Hausbesuchsprogramm, Gruppentreffen und Mütterstammtischen soll zur Verbesserung der persönlichen, emotionalen und motivationalen Fertigkeiten der Bezugspersonen beigetragen werden (vgl. Aktionsprogramm Kinderfreundliches Rheinland-Pfalz 2005, S. 17). Auf meine Nachfrage hin teilte Frau Dipl.-Psych. Krömker (Verantwortliche für die wissenschaftliche Begleitung des Projektes) mir per E-Mail vom 24. Februar 2009 (Uhrzeit: 11:12) mit, dass der Abschlussbericht des Projektes in ca. drei Monaten vorliegen wird. Die Ergebnisse sollten bis Ende des Jahres veröffentlicht werden. 15 Im Mainzer Wochenblatt, vom 03. April 2008, war zu lesen, dass das Projekt „Starke Mütter – starke Kinder“ zwar im September 2008 ausläuft, aber aufgrund des durchaus reellen Bedarfs an Unterstützungsprojekten dieser Konzeption und der guten Akzeptanz dieser Art von Hilfestellung es ein „Frevel“ wäre, das Projekt auslaufen zu lassen. Das Projekt wird weitergeführt und von der Stadt Mainz, vom BMFSFJ, vom europäischen Sozialfond und dem Deutschen Kinderschutzbund unterstützt. Als weitere Konzeption ist das Programm „HIPPY” (Home Instruction Program for Preschool Youngsters) zu nennen. HIPPY ist ein frühkindliches Lernprogramm, welches die kognitiven und sprachlichen Kompetenzen von Kindern fördert und besonders bei der Frühförderung von Kindern mit Migrationshintergrund eingesetzt wird. 16 15 http://www.uni-mainz.de/FB/Paedagogik/AG%20Sozialpaedagogik/227.php (Zugriff 23.02.09; 12:39) 16 http://www.hippy-deutschland.de (Zugriff 23.02.09; 13:30)
6 Zusammenfassung / Schlussfolgerung
Wie aufgezeigt wurde, stellt Armut und die damit einhergehende soziale Benachteiligung ein Belastungs- und Risikopotential für die kindliche Entwicklung dar. Materielle Entbehrungen, gravierende ökonomische und psychosoziale Belastungen sowie mangelnde Problemlösungsstrategien/-möglichkeiten der Eltern können eine entwicklungsförderliche Interaktion zwischen Eltern und ihren Kindern erschweren. Es wurde verdeutlicht, dass sich die Auswirkungen sozialer Benachteilung dabei nicht nur auf eine Unterversorgung im ökonomischen Sinn beschränken, sondern sich auch auf die kindliche Lebenssituation und die Entwicklung des Kindes auswirken. Die Auseinandersetzung mit der kindlichen Spieltätigkeit hat gezeigt, dass im Spiel, sowohl die sensomotorischen, kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklungsbereiche sowie Sprach- und Begriffsentwicklung angeregt werden. Weiters wurde auf die Spielumwelt und weitere das Spiel bedingende Faktoren eingegangen. Über das Spiel hinaus erfolgte eine Darstellung der Voraussetzungen, Beeinträchtigungen und sozialen Möglichkeiten, die das kindliche Spiel fördern oder hemmen. Dabei wurde im besonderen auf die Bedeutung der Eltern für die kindliche Spielaktivität, den Erziehungsstil und die Auswirkungen sozialer Benachteiligung auf die kindliche Spieltätigkeit eingegangen. Wie sich gezeigt hat, können diese Faktoren entweder förderlich oder hemmend auf das kindliche Spiel einwirken. Dabei haben vorliegende empirische Untersuchungen aufgezeigt, dass sozial benachteiligte Kinder eine verzögerte Spielentwicklung durchlaufen. Dargestellte wissenschaftliche Evaluierungsergebnisse bestätigen, dass Spielfördermaßnahmen im Rahmen einer ganzheitlichen „spiel-orientierten“ Erziehungskonzeption, zu einer Verbesserung der Eltern-Kind-Interaktion beitragen und dass auf Seiten des Kindes die sensomotorischen, kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklungsbereiche sowie die Sprach- und Begriffsentwick-
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lung angeregt und gefördert werden können. Die Darstellung der empirischen Untersuchungen im Kapitel 1 haben gezeigt, dass sich die kindliche Spieltätigkeit gerade in der Vorschulzeit günstig auf die allgemeine Lernfähigkeit auswirkt, vor allem Fantasie-, Bau- und Regelspiel. In Deutschland veranlasste das Ergebnis der PISA Studie (vgl. Artel et al. 2000), welches darauf hinwies, dass Bildung in hohem Maße von der sozialen Herkunft abhängt – entsprechende Handlungsansätze auszuarbeiten. Vorerst konzentrierte man sich auf die Veränderung im Schulsystem und auf eine bessere Schulvorbereitung durch Kinderbetreuungseinrichtungen. Der wissenschaftliche Beirat für Familienfragen hingegen forderte die Ressourcen der Familien zu stärken und damit die Entwicklungschancen der Kinder zu verbessern. Die Familie ist der wichtigste Ausgangspunkt für alle Bildungsprozesse, so der wissenschaftliche Beirat (vgl. BMFSFJ 2002, S. 9 und S. 35). Damit begann man sich in Deutschland intensiver mit Forschungs- und Modellprojekten auseinanderzusetzen, welche auf die Bedürfnisse von Kindern und Familien in schweren Lebenslagen abgestimmt wurden. Diese Projekte setzen schon zu einem Zeitpunkt ein, an dem die kindliche Entwicklung durch zusätzliche Fördermaßnahmen günstig beeinflusst werden kann. Charakteristisch ist die präventive Orientierung dieser Programme. Die Fördermaßnahmen setzen ein bevor Probleme entstehen, die ansonsten aufgrund der Lebensumstände der Familie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftreten würden. Zudem findet nicht nur eine Entwicklungsförderung beim Kind statt, sondern es wird auch eine Kompetenzentwicklung bei den Eltern angestrebt, was sich letztendlich in einer positiven Veränderung des Eltern-Kind-Systems auswirkt. Wie angesprochen, ist der Bildungserfolg in einem hohen Maße von der sozialen Herkunft abhängig. Das österreichische Bildungssystem ist immer noch sozial selektiv und erschwert Kindern aus bildungsfernen Haushalten den Aufstieg. Wobei höhere Bildung zu besseren Chancen am Arbeitsmarkt und damit verbunden zu besserem Einkommen führt. Bildung darf kein individuelles Recht sein. Die Aufgabe des Staates ist es, allen Menschen die gleichen Möglichkeiten für Bildung zukommen zu lassen. Die politischen Parteien in Österreich haben zwar erkannt, dass Kinderarmut und damit verbundene soziale Benachteiligung auch in Österreich ein Thema ist. Die bisher diskutierten Maßnahmen beschränken sich allerdings auf Mil-
6 Zusammenfassung / Schlussfolgerung
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derung in materieller Hinsicht (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, besser bezahlte Erwerbsarbeit, Kinderbetreuungsgeld usw.) – also Maßnahmen, die nur indirekt dem Kind zugute kommen. (vgl. ÖGPP 2008, S. 143ff) Politische Maßnahmen können die kulturelle, soziale und ökonomische Benachteilung nicht schlagartig aus der Welt schaffen. Aber sie können dazu beitragen, dass Familien, die über eingeschränkte kulturelle, soziale und ökonomische Voraussetzungen verfügen, die nötige Unterstützung und Förderung erhalten. Die Unterstützung und Förderung sozial benachteiligter Familien bestimmt nicht nur die individuellen Lebensläufe, sondern auch die Entwicklung zukünftiger Gesellschaft. Wirksame Hilfen bei Kindern mit sozial bedingter Entwicklungsgefährdung sind nicht zum „Billig-Tarif“ zu haben. Die amerikanischen Studien (Barnett 2000; Reynolds et al. 2001) zeigen aber, dass sich langfristig die von der Gesellschaft investierten Kosten (mehr als) amortisieren, so Weiß (2005, S. 195). „Dies ist kein Plädoyer für ein problematisches Kosten-Nutzen-Denken, sondern empirisch gesicherte Erkenntnis in einer dem Sozialen verpflichteten Perspektive“, so Barnett (2000; zit. n. Weiß 2005, S. 195). Für die Zukunft wäre wünschenswert, dass auch in Österreich mehr präventiv orientierte Konzepte für Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen in Betracht gezogen werden. Durch präventive Fördermaßnahmen können Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen auf die Schule vorbereitet und beim Übergang in die Schule unterstützt werden. Durch eine ganzheitlich „spielorientierte“ Erziehungskonzeption, die sich an das Kind sowie an die Eltern richtet, wie bereits ausgeführt, können größere und länger andauernde Effekte innerhalb der Lebenssituation des Kindes sowie in der kindlichen Entwicklung bewirkt werden. Auf die Problematik von Kinder und Familien aus sozial benachteiligten Verhältnissen mit Migrationshintergrund und Multi-Problemfamilien konnte aufgrund der Komplexität im Rahmen dieser Arbeit nicht im Detail eingegangen werden.
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Sachregister
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entwicklungsgefährdet 77, 96 Entwicklungsprozesse 84 Entwicklungsschritt 57 Entwicklungsstandes 37 Entwicklungsverzögerung 88, 89 Erholungs- und Entspannungstheorie 22 Erwerbsstruktur 72 Erziehungsbedingung 81 Erziehungskonzeption 18, 100, 113, 115 Erziehungsmittel 75 Erziehungsverhalten 75, 76, 81, 82 F Familie 18, 47, 67, 96, 98, 99, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 111, 114, 117, 119, 121 Familienarmut 17 familienorientierter 98 Familiensituation 72, 73, 75 Fantasiespiel 50 Fantasiespielen 48, 50, 57, 58 Fantasiespielförderung 88 Förderung 20, 86, 87, 91, 94, 98, 104, 105, 115 Frühfördermaßnahme 98 frühkindliche Spiel 19 Funktionsbetätigung 23 Funktionslust 23 Funktionsspiel 23 G Gesetzmäßigkeiten 59 I instinkttheoretischen Ansatz 22 Integration 19, 57, 77, 100, 106, 117 Integration von Erfahrung 19, 100 Interaktion 17, 19, 37, 40, 41, 43, 45, 46, 63, 77, 97, 99, 100, 101, 103, 113 Interaktionssignale 43 Interaktionsspielen 41
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126 Intervention 93, 97, 98 Interventionsansätze 99 K Kinderspiel 24, 25, 26, 58, 85, 119, 120, 121, 122 Kindliches Spiel 19, 27 kognitiv 19, 20, 45, 79, 86 kognitive Entwicklungsfunktion 49 kognitive Fähigkeiten 39 Kommunikation 19, 40, 100 L Lebensbedingungen 71, 75, 77 Lebenssituation 17, 97, 102, 113, 115 Lernerfahrungen 84, 105 Lernfähigkeit 84, 114, 118, 119 Lernprogramm 100, 112, 121 M Milieu 75, 86 N Nachahmungshandlungen 48 O Objektpermanenz 37, 44, 51, 84 Objektspieles 46, 59 Objektsubstitution 48 Ökonomische Situation 72
P Persönlichkeitsentwicklung 76, 92 Prävention97, 122 Problemlösesituationen 87 Problemlösungsfähigkeit 84 Problemlösungsverhalten 86, 87, 88 psychoanalytischen Funktionstheorien 24 psychohygienische Funktion 21 R Raumvorstellung 59 Regeln 43, 56, 63, 64, 65, 66, 67, 81 Regelspiel 63, 66, 67, 84, 114 repräsentationalen Kombinationen 39 Rollenspiel 24, 47, 48, 50, 85, 86, 87, 88, 94 Rollenübernahme 48 S Schutzfaktor 98
Sachregister schwierigen Lebenslagen 99, 112 sensomotorisch 19, 33 sensomotorische Intelligenz 33 Sequentierung 54, 57 Situation in der Freizeit 72, 73 situationsspezifische Ansatz 73 sozial bedingte Beeinträchtigungen 75 sozial benachteiligten Verhältnissen 18, 19, 86, 87, 88, 89, 94, 95, 96, 115 sozial benachteiligter Haushalte 17 soziale Aktivität 19 soziale Benachteiligung 20, 70, 71, 77, 95, 96, 102, 113, 114 soziale Herkunft 18 soziale Selektivität 18 soziale Situation 72, 73, 75 soziale Ungleichheit 71 sozialen Situation 72, 75, 76, 77, 117 sozialer Bedingungsfaktoren 29, 70 sozialer Herkunft 18, 86, 89 sozialer Interaktionen 42 Sozialisation 56, 67, 119 sozialisationserschwerende Verhaltens- und Interaktionsweisen 77 Sozialspiel 37, 43, 45, 46 Spielentwicklung 19, 86, 87, 88, 90, 105, 113 Spielfördermaßnahmen 18, 20, 95, 100, 113 Spielhandlungen 24, 34 Spielmöglichkeit 93 Spielmöglichkeiten 19, 79, 93 spielorientiert 18 Spielprozesse 92 Spielraum 19, 79, 93 Spielverhalten 27, 29, 38, 43, 79, 83 Spielzeug 35, 37, 38, 39, 46, 47, 65, 78, 80, 89, 91, 105, 118, 120, 121 Sprach- und Begriffsentwicklung 19, 101, 104, 113, 114 Sprachanregung 91 Sprachäußerungen 57 Sprache 19, 35, 40, 46, 57, 58, 62, 63, 85, 87, 100 Sprachentwicklung 40, 41, 57, 58, 78, 84, 87 Sprachentwicklungsförderung 87 Spracherwerb 19, 100 sprachliche Fähigkeiten 87 symbolischen Handlungen 35 Symbolisierung 19, 40, 100 Symbolisierungsfähigkeit 84
Sachregister Symbolspiel 25, 26, 40, 47, 48, 49, 50, 53, 58, 93 U Übungsspiel 25, 32 Umfeldsysteme 69 Umweltbedingungen 36, 94 V Vorübungstheorie 22 W Wechselwirkungen 20, 28, 29, 69 Weiterentwicklung 19, 22, 36, 94 Wohnsituation 17, 72, 75
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