Gitarre zu spielen
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Gitarre zu spielen
ACOUSTIC
MUSIC BOOKS
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Gitarre zu spielen
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Je ACOUSTIC Acoustic Musk GmbH & Co. KG,
MUSIC
BOOKS Osnabrück
AMB3049
Danksagung Der größte Dank geht an meine Frau Angela Oberthür, die mir als strenge Lektorin, mit ihrer ehrlichen Kritik, aber auch mit Zuversicht
und Liebe eine große Hilfe beim Schreiben dieses Buches war, Bedanken mächte ich mich bei meinen Eltern für Ihr Vertrauen. bei meinen Freunden Doro und Charly Hanenberg-Sturm, Rainer Grusek und Hannes Kieffer, dem Flamenco Studio Renate Wagner und allen, die mir bewusst oder unbewusst bei diesem Buch geholfen haben.
Einen extra Dank
An Hans Reffert, "inspirierter Musiker, Maler, Komponist und Künstler" für die wunderschönen Grafiken.
Titelgestaltung: perform electronic publishing GmbH. Heidelberg
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck. auch auszugsweise, verboten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie. Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgeslaltung. reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet. vervielfaltigt oder verbreitet werden. @ 2003 Acoustic Music GmbH & Co. KG. Postfach 1945,
0-49009 Osnabrück. Germany Best.-Nr. AMB 3049, ISBN 3-931453-85-5, ISMN M-700070-85-4
Vorwort
Nachdem meine bei den Kinder zur Welt gekommen waren, hatte ich kaum mehr Zeit, Gitarre zu üben. Eine effektivere Übungsmethode musste her. Damals las ich gerade alles, was mir über Japan und China in die Hände fiel. Mir wurde dabei klar, dass das Bewusstsein, das der Schwertkunst, dem Bogenschießen und der Meditation zugrunde liegt, auch auf die Musik anwendbar ist. Also experimentierte ich mit verschiedensten Methoden und Ideen, die'ich dem östlichen Gedankengut entnahm. Im Gespräch mit Freunden und Schülern kamen weitere Ideen und
Methoden hinzu, und die daraus gewonnenen Erfahrungen und Erfolge brachten mich dazu, ein Buch darüber zu schreiben. Dieses Buch hat andere Zielsetzungen als die meisten anderen Gitarrenlehrbücher und unterscheidet sich daher auch in seiner Vorgehensweise. Der Ansatz dieses Buches ist nicht das "Was soll ich alles lernen, spielen, üben ... " - darüber gibt es schon zu viele gute Bücher - sondern das Wie:
Wie lerne ich leichter? Wie kann ich mir meine Stücke besser merken? Wie übe ich effektiver? Wie spiele ich entspannter? Wie kommen mir neue Ideen? usw. Dieses Buch setzt da an, wo du bisher beim Üben, in der Spielsituation oder in deiner Kreativität nicht mehr weitergekommen bist. Damit diese Frustration erst gar nicht entsteht, werden in diesem Buch sichere Methoden angeboten, um deine Übungsstunden effektiver zu gestalten, vor Publikum sicherer aufzutreten und dein ganzes kreatives Potential zu entfalten. Vielleicht wirst du auch einige deiner neuen Erfahrungen außerhalb des Gitarrespielens in deinen Alltag einfließen lassen wollen. Experimentiere und spiele mit den neuen Ideen. Ich bin sicher, du wirst viele Übungen und Methoden für deine Zwecke verwenden können. Noch klingt alles sehr geheimnisvoll, aber die einzelnen Kapitel sind einfach, klar und verständlich. Und nun: Viel SpaßI
Marco Göhringer 3
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Zur Arbeit mit diesem Buch. . . . . . . . . . ...... 1. Der Weg beginnt (Vorbereitung) . ......... 1.1 Der Einstieg (Was kommt vor dem Üben7). . . . . .. Übungen zur "Einstimmung" . . . . . . . . . . . . . . .. 1.2 Haltung ......... Übungen zum Thema "Haltung" . . . . . . . . . . 1.3 Atmung und Gefühl . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . Übungen zu "Atmung und Ausdruck". . . . • . . . .. 2. Laufen lernen 0Nie üben) 2.1 Inhaltliches Verstehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Übungen zu .,Inhaltlichem Verstehen". . . . • . . . .. 2.2 Gesamtüberblick bekommen' . . . . . . . . . . . . . . .. 2.3 Technische Voraussetzungen schaffen. . . . . . . . .. 2.4 Erfassen und Aufnehmen . . . . . . . . . . . . . . . • . .. Übungen zu "Erfassen und Aufnehmen" . . . 2.5 Geschwindigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Übung zu "Geschwindigkeit" . . . . . . . . . . . . • . . 2.6 Interpretation üben........................ Übungen zur Erweiterung deiner interpretatorischen Fähigkeiten. . . . . . . . .. 3. Unterwegs (Übungsalltag). .. .. . . . . . . . .. 3.1 Motivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . .. 3.2 Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . .. 3.3 Übungsplan . . ......... 3.4 Abwechslung im Übungsalltag 3.5 Dein Instrument (Equipment) 4. Die ersten Berge (Prüfungen, Bandvorspiel) . . . . . . . .. 4.1 Vorbereitung auf eine wichtige Spielsituation . . . 4.2 Möglicher Zeitplan vor einem Vorspiel. . . . . . . . . 5. Auf dem Weg (Spielen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5.1 Spielalltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5.2 Zusammenspiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . .. 6. Der Weg ist das Ziel (Kreativität) .......... 6.1 Vor dem ersten Werk. . . . . . . . ......... 6.2 Interpretation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6.3 Improvisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die zehn goldenen Regeln. . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . • .. Nachwort. . . . . . ...... .................... . literaturhinweise _. . . . . . . . . . . ..
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Zur Arbeit mit ~iescm Buch
lies alle Kapitel nacheinander aufmerksam durch und lasse dir genügend Zeit, über die Inhalte nachzudenken. Es wäre natürlich
gut, jede Übung mindestens einmal zu versuchen, bevor du an das nächste Kapitel herangehst. Auch wenn dir einzelne Übungen fremd vorkommen oder du keinen Bezug zum Gitarre spielen
erkennen kannst, probiere sie trotzdem aus. Die Übungen sind einfach und auch für Ungeübte durchführbar. Sie sollten locker, entspannt und ohne Erfolgszwang angegangen werden. Solche und ähnliche Übungen werden im Hochleistungssport genauso angewendet wie im Topmanagement.
Zu den Affirmationen Unser Leben ist von Gedankenmustern geprägt. Negative Gedankenmuster wären z. B. "Das schaffe ich niemals.". "Das Stück ist
zu schwer für mich.", "Musik ist brotlose Kunst."
U$W.
Negative
Glaubenssätze sind extrem hemmend und sollten darum, wann immer sie auftauchen, durch positive Gedankenmuster (Affirmati-
onen) ersetzt werden.
Zu den Visualisierungen Es hat sich gezeigt. dass Situationen und Bewegungsabläufe, die wir zuvor vor unserem inneren Auge durchgegangen sind, danach besser und präziser durchgeführt werden können. Je genauer und konzentrierter diese innere Vorschau durchgeführt wird, desto besser ist das Ergebnis. Visualisieren kann man durch Bilder oder Filme vor dem inneren Auge. Das Visualisieren fällt mit zunehmender Übung immer leichter.
7
1.
Der Weg beg;,-mt (Vorbereitung)
Jeder übt anders. Die meisten üben zuviel und dabei zu uneffektiv. Viele denken, sie üben, dabei spielen sie nur vor sich hin. Meist wird das Erarbeitete viel zu schnell vergessen und muss wieder neu erarbeitet werden. Desweiteren werden Übungsziele oft zu weit und zu hoch gesteckt, so dass ein Versagen schon im Vorfeld
abzusehen ist. Nicht zu vergessen: Üben soll Spaß machen' ,
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Verbissenes und verkrampftes Üben führt nur schwer zum Erfolg. Nur wer mit Freude übt, wird auf Dauer die nötige Energie zum Üben aufbringen können.
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Folgendes Prinzip steckt hinter jedem erfolgreichen Lernprozess: Entspannung und Konzentration! (
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Entspannung
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Nur wer sich wirklich gut entspannen kann, wird sich auch gut konzentrieren können. Aus diesem Grund werden dir immer wieder Entspannungsübungen angeboten. Sie sind genauso wichtig für effektives Üben wie die Konzentrationsübungen. Es gibt verschiedene Arten von Konzentration und unterschiedlichste Entspannungsmethoden. Je nach Charakter liegen dir manche mehr und andere weniger. Nimm für dich, was dir gut tut, aber praktiziere alle dir angebotenen Übungen wenigstens einmal.
Konzentration Jeder von uns hat das Gefühl tiefer Konzentration erlebt. Als Kind konnten wir uns stundenlang in ein Spiel versenken. Als Jugendli· ehe vergaßen wir die Welt beim Malen, Basteln oder Lesen. Selbst als Erwachsene können wir uns so in die Handlung eines Buches oder Films vertiefen, dass wir mit allen Emotionen darauf reagieren und unsere Umgebung nicht mehr wahrnehmen. In dieser tiefen Konzentration haben wir das größtmögiiche Aufnahmevermögen. 11
Konzentration und Entspannung sind erlernbar und lassen sich durch Übung erheblich verbessern, ähnlich wie Kondition und Geschicklichkeit. Es gibt Methoden, die uns dabei helfen. Einige davon wirst du im weiteren Verlauf des Buches kennenlernen.
1.1 Dl!r Eil1stkS (Was kommt vor dem Üben»
Normalerweise sieht diese Situation so aus: Dir fällt plötzlich ein, dass du mal wieder üben könntest. Du
nimmst dir also deine Gitarre, stimmst sie und spielst erst einmal dein Lieblingsstück oder deine schnellste Skala. Dann überlegst du dir, was du eigentlich schon immer können wolltest, suchst dann nach verschollenen Noten und Platten. Dann klingelt auch noch das Telefon, und die Muse zum Üben ist dahin. Sicher kennst du aber auch das tolle Gefühl einer Übungsstunde, in der einmal alles so richtig gestimmt hat. Folgende Voraussetzungen helfen dir dabei:
Die richtige Zeiteinteilung
Zuerst versuchst du, feste Übungstage mit genügend Zeit für dein
Übungsprogamm zu bestimmen. Tragesie in deinen Terminkalender ein und schreibe einen Stundenplan. Das hilft dir, nicht ständig auf neue Termine auszuweichen und Terminprobleme vorzuschieben. Jeder hat einen anderen Zeitrhythmus. Der eine übt lieber am Morgen, der andere wieder mitten in der Nacht. Versuche deine produktivste Tageszeit herauszufinden und diese dann zu nutzen. Setze deine Übungsstunden nicht all zu eng zwischen andere Termine, lasse dir genügend Anlaufzeit sowie eine ausreichende Auslaufzeit. Am besten wäre natürlich ein offenes Ende, um deine Kreativität auch fließen zu lassen. Die eigentlichen Übungspläne werden dann im Kapitel 3.3 besprochen.
Die richtigen Räumlichkeiten schaffen Du kannst nur in einem Raum entspannt üben, in dem du dich 12 wohl fühlst.
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Deine Gitarre, Noten, Metronom, Bleistift, evtl. ein Tonbandgerät sollten griffbereit liegen. Dein Raum sollte nicht zu viel Ton schlucken, besonders wenn du akustische Gitarre übst. Wenn du kannst, stelle dein Telefon ab. Sorge dafür, dass du nur im Notfall
gestört wirst. Du weißt, wie schwer es ist, nach einer Störung wieder seine Konzentration zu finden.
Die richtige innere Einstellung Ohne die richtige innere Einstellung läuft gar nichts. Weder mit
Gewalt noch mit einer allzu lässigen Einstellung wirst du einen guten Übungserfolg erzielen. ,
Übe mit Gelassenheit
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Das Üben sollte zu etwas Selbstverständlichem werden. Mit Ruhe, Gelassenheit und Konzentration absolvierst du dein Programm am leichtesten. Nur wenn du innerlich entspannt bist, wirst du richtig aufnahmefähig sein. Zu einer guten Konzentration kommt es nur, wenn du nicht ständig durch stärende Gedanken abgelenkt wirst. Sollte es also, während du übst oder während einer Entspannungsübung, zu stärenden Gedanken kommen, gehst du am
besten so vor: Du nimmst den Gedanken wertfrei auf, betrachtest ihn kurz, machst dir eine kleine Notiz im Hinterkopf oder auf Papier und wendest dich wieder deinem Übungsprogramm zu. Sei auf keinen Fall unzufrieden mit dir, weil du die Konzentration verloren hast. Es ist normal. dass uns immer wieder Gedanken durch den Kopf gehen. Man muss nur richtig damit umgehen.
Selbstversuch Versuche einmal, während einer Übungsstunde nebenbei ein paar Eier zu kochen, deine Freundin oder Tante telefonisch zu erreichen und im Fernsehen den Wetterbericht mitzubekommen. Du kannst dir den Erfolg dieser Übungsstunde sicherlich ausmalen.
Mit Affirmationen arbeiten Beispiel: Bei deiner Übungszeitplanung taucht das negative Gedankenmuster auf "Wie egoistisch von mir, jede Woche einfach vier Stunden für mich alleine zu beanspruchen." Du wirst bei diesen Gedanken ein unangenehmes Gefühl verspüren und an deinen Plänen zweifeln. Das ist dein Alarmzeichen, Prüfe für dich, ob hier nun ein altes, hemmendes Glaubensmuster vorliegt: Was ist egoistisch daran, üben zu wollen? - Was ist falsch daran, Zeit zum Üben zu beanspruchen? Am besten lässt sich das alte Gedankenmuster ersetzen, indem du dir deine Affirmation ein paar Mal laut vorliest, Du kannst sie auch aufschreiben oder sie einige Male in Gedanken wiederholen. Meist reicht es aus, sich einmal das negative Gedankenmuster bewusst zu machen und durch das neue zu ersetzen. Besonders hartnäckige Glaubenssätze solltest du durch tägliches Wiederholen der Affirmationen aus deinem Kopf schaffen können. Natürlich kannst du eigene Affirmationen erfinden, diese sollten aber positiver Natur sein und ein gutes Gefühl bei dir auslösen.
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Affirmationen
Es macht mir Freude zu üben. (ch bin ruhig und gelassen.
Ich übe und nichts kann mich stören.
Übungen zur "Einstimmung" Wenn du in Gedanken irgendwekhe Sorgen und Probleme zu lösen hast, wirst du dich kaum auf dein Gitarrenspiel konzentrieren können. Die folgenden drei Übungen sollen dir helfen, vom Alltag in die Übungssituation umzuschalten.
Übung 7: Ankommen Anfangs wirst du für diese Übung ungefähr 10 Minuten brauchen. Wenn sie dir dann vertrauter ist, sind 5 Minuten ausreichend. Setze dich dazu an deinen Übungsplatz, atme einige Male tief durch und schließe deine Augen. Spüre dein Gewicht auf deinem Stuhl. Mache dir klar, dass du es '4 bist, der hier sitzt. Jetzt lasse den Tag noch einmal vor deinem
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inneren Auge vorüberziehen: Wie bist du heute morgen aufgestanden? Wie war dein Arbeitsweg? Betrachte noch einmal alle wichtigen Situationen wertfrei von außen. Spiele evtl. die eine oder andere Situation noch einmal mit anderen Verhaltensweisen durch. Sollte dir noch etwas besonders Wichtiges dabei einfallen, notiere es in deinem Hinterkopf für später. Wenn du damit fertig bist, schließe in deiner Vorstellung noch einmal die Türe hinter dir und lasse alle Alltagsprobleme draußen. Spüre noch einmal deinen Atem und dein Gewicht auf dem Stuhl. Atme tief aus und freue dich auf deine wohlverdiente Übungsstunde.
Übung 2: Gehirn erfrischen
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Bei dieser Übung handelt es sich um eine Atemübung. Sie ist einfach, aber sehr effektiv. Sie führt zu einem klaren Kopf und erhöht spürbar die Konzentrationsfähigkeit. Auch vor Prüfungen, Vorstellungsgesprächen, Eignungstests etc. eignet sich diese Übung ganz hervorragend . Atme ein paar Mal tief durch, und dann geht es los. 1. Während du einatmest, zählst du langsam in Gedanken bis fünf. 2. Während du ausatmest, zählst du langsam in Gedanken bis zwölf. 3. Nach einer kleinen Atempause beginne wieder bei Punkt 1. Wiederhole diesen Vorgang je nach Bedarf bis zu fünf Minuten. Du wirst dich danach erfrischt und munter fühlen.
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Übung 3: Abstand gewinnen Manchmal setzen sich besonders hartnäckige Gedanken in deinem Kopf fest und halten dich von jeder Konzentration ab. Zuerst solltest du prüfen, ob sich das Problem nicht vielleicht doch lösen lässt. Leider lassen sich nicht alle Probleme so einfach lösen, und du wHIst vielleicht trotzdem dein Übungsprogramm absolvieren. Diese Übung wird dir helfen, den nötigen Abstand zu bekommen.
Es ist eine alte Yogaübung und sie eignet sich auch dafür, morgens besser in die Gänge zu kommen.
1. Strecken und dabei einatmen.
2. Hände bei gestreckten Beinen an die Füße bringen, dabei vom Nacken ausgehend Wirbel für Wirbel "abrollen". 3. In die Sprunghocke gehen und dabei einatmen. Linkes Bein ist
vorne. 4. Liegestütz mit hochgestrecktem Po und dabei ausatmen.
5. KobrasteIlung einnehmen und dabei gleichmäßig atmen.
6. Zurück in den Liegestütz mit hochgestrecktem Po und dabei ausatmen. 7. Sprunghocke einnehmen und dabei ausatmen. Rechtes Bein ist vorne.
8. Stellung 2 einnehmen und dabei ausatmen. 9. Aufrichten, dabei Wirbel für Wirbel vom Steißbein ausgehend "hochrollen". 1O. Wieder bei Punkt 1 beginnen.
Gehe diese Übung ruhig und gelassen, aber sehr bewusst an. Versuche in jeder Phase, deinen Körper wahrzunehmen. Wiederhole diese Runde 3 bis 10 Mal, je nach Beweglichkeit und Kondition.
1.2 Haltul1g Wer glaubt. Gitarre spiele man nur mit den Handen, liegt falsch Der ganze Körper spielt mit.
Ein Sänger arbeitet in seiner Ausbildung ständig an seiner Haltung. Nur wenn er richtig im Gleichgewicht steht, Schultern, Arme und
Brust nicht verspannt sind, und wenn seine Atmung ihm Stütze und Energie bietet, ohne ihn jedoch zu behindern, dann wird er seine Stimme voll zur Geltung bringen. Das Gleiche gilt auch für Gitarristen (und andere Instrumentalisten).
Selbstversuch
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Nimm deine Gitarre zur Hand. Stelle dich auf dein linkes Bein und strecke das rechte Bein nach hinten weg. Nun spiele ein technisch anspruchsvolles Stück mit aller Ausdruckskraft. Du siehst selbst, die Haltung wirkt sich störend auf dein Spiel aus, und das nicht nur im Extremfall, wie in unserem Beispiel, sondern auch kleinste Haltungsänderungen verändern dein Spiel.
Ein paar Beispiele Wer lange Zeit steif und verspannt übt, wird später - ob er es will oder nicht - in seinem Spiel verkrampft klingen. Wer beim Vortrag eines Stückes plötzlich eine ganz neue Haltung einnehmen muss, wird sich sofort unsicher fühlen. E-Gitarristen, die sitzend üben, kommen bei der ersten Probe im Stehen in ernsthafte Schwierigkeiten. Performance mit dem Instrument will geübt sein. Zwei Aspekte sind wichtig: a) Deine Haltung wirkt sich direkt auf den Ton aus. b) Beim Üben wird der Grundstein für Ton und Haltung schon gelegt.
Der Zusammenhang zwischen Haltung und Ton Nur wenn du dich richtig sicher fühlst, wirst du einen guten Ton haben. Eine unsichere Haltung führt zwangsläufig zu einem unsicheren Ton. 17
Dies gilt, wie du aus den Beispielen erkennen kannst, speziell für Gitarristen, die oft die Haltung verändern müssen. Der typische E-Gitarrist übt meist im Sitzen, probt dann im Stehen und beim Auftritt auf der Bühne bewegt er sich während des Spiels. Denke beim Üben über deine Proberaum- und Auftrittssituation nach. Gestalte dein Übungsprogramm hin und wieder praxisnah, das schützt dich vor manch bösen Überraschungen.
Wie finde ich die richtige Haltung? Der beste Weg, die richtige Haltung zu finden, ist die Selbstbeobachtung I Nimm mit deinem Instrument deine übliche Übungshaltung ein. Schließe die Augen und wandere durch deinen Körper. Stelle dir die folgenden Fragen und lasse sie dir von deiner inneren Stimme beantworten. Ist mein Rücken gerade? Sind Schultern und Nacken entspannt? Ist der Rest meines Körpers entspannt?
Fühlt sich meine Haltung natürlich an? Wenn du negative Antworten bekommst experimentiere mit deiner Haltung. Weiche minimal von deiner Haltung ab. Wie fühlt es sich jetzt an? Wenn du eine angenehme Haltung gefunden hast, speichere diese mit allen Empfindungen in deinem Bewusstsein ab. Überprüfe während des Übens immer wieder deine Haltung, und nimm wahr. ob diese vom Optimum abweicht. Überlege dir, warum du deine Haltung geändert hast. Spiele dieselbe Passage noch einmal und versuche dabei, in der richtigen Haltung zu bleiben. Diese permanente Haltungskontrolle wird sich sehr bald automatisieren und Bestandteil deines Übens sein. Es gibt viele Studien über die richtige Gitarrenhaltung, und sicher hat jede ihre Berechtigung. Wie sich diese verschiedenen Haltungen bei jedem einzelnen Spieler auswirken, muss jeder für sich selbst erspüren. Wer lange entspannt und schmerzfrei üben kann, hat für sich die richtige Haltung gefunden. Schmerzen und Verspannungen nehmen dir auch den Spaß beim Üben. Also: Schmerzt es irgendwo, dann experimentiere mit deiner HallS tung. Tut es danach immer noch weh, übe nicht sofort weiter.
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Nimm ein Bad, geh einmal um den Häuserblock, mache irgend etwas Entspannendes, bevor du es noch mal probierst. Sind die Schmerzen immer noch da, übe auf keinen Fall weiter, befrage deinen Gitarrenlehrer, Freunde oder einen Facharzt. Mit Haltungsschäden, Sehnenscheidenentzündung etc. ist leider nicht zu spaßen. Affirmation
Ich bin entspannt und schmerzfrei beim Üben. Ich vertraue meinem Körper; dass er die richtige Haltung für mich findet.
Übungen zum Thema "Haltung" Übung 4: Haltung Diese Übung soll dir helfen, dein Körperbewusstsein besser zu entwickeln. Die ersten Versuche mit dieser Übung empfehle ich vor dem Üben. Du kannst sie auch im Alltag verwenden, wenn Verspannungen auftreten, bei Rückenschmerzen etc. TeilA Nimm deine übliche Übungshaltung ein. Stell dir vor, hinter dir steht dein/deine Traummann/-frau und tastet dich mit geschulten Händen ab. Sorgfältig werden deine Nackenmuskeln gelockert und dein Kopf behutsam nach oben gezogen, so dass sich die Wirbelsäule entspannt. Nun werden die Schultern gelockert. Spüre, wie sich diese Entspannung in den Rücken und in die Arme bis zu den Händen ausbreitet. Jetzt werden deine Schultern leicht nach hinten gezogen, bis sich deine Brust etwas hebt und eine leichte Spannung in deiner Brustmuskulatur aufgebaut wird. Gut! Teil B Jetzt öffne die Augen. Fange an zu spielen. Sofort wirst du spüren, wie dein Körper in seine alte verspannte Haltung zurück will. Stelle dir nun vor, wie dein/e Partner/in dich sanft in die angenehme Haltung zurückzieht. Wiederhole Teil B einige Male, bis du keine Korrektur mehr brauchst, oder beginne je nach Bedürfnis wieder bei Teil A.
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Teil A der Übung kannst du in vielen Lebenssituationen anwenden. Sie wirkt wohltuend und erfrischend. Im Übungsalltag ist körperliche Entspannung sehr wichtig. Jece Verspannung kostet dich Energie, die du zum konzentrierten Üben brauchst. Schwimmen, Jogging und Stretching im besonderen, aber auch andere Sportarten mit Maß betrieben, sind wunderbare Hilfsmittel für eine gute Haltung und entspanntes Üben. Visualisierung Ich sitze wie in einer Pferdekutsche bei einer Geländefahrt: Mein Unterkörper ist fest verwurzelt. Nichts kann mich aus dem Gleichgewicht bringen. Mein Oberkörper gleicht elastisch alle Unebenheiten aus. '-'-"
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Wer ohne Empfindung übt, wird später auch ohne Empfindung spielen.
Atmung ist bei Sängern und Bläsern ein zentraler Punkt in ihrem Übungsprogramm. Bei ihnen wirkt sich Jede Gefühlsregung sofort auf den Ton aus. Bei Gitarristen werden - zumindest beim Üben - Gefühl und Atmung gänzlich vernachlässigt. Technische Aspekte stehen eindeutig im Vordergrund. Dabei wissen wir um die Zusammenhänge zwischen Atmung und Gefühl. Wenn wir Gefühle unterdrücken wollen, halten wir den Atem an. Sind wir erregt, atmen wir heftiger. Vor Schreck kann uns die Luft wegbleiben. Aber was heißt das konkret für den Gitarristen? Um verstehen zu können. dass Gefühle schon beim Üben dein Spiel mitgestalten, musst du dir über deine innere automatische Steuerung im Klaren sein. Du hast einen inneren Computer, den du beim Üben selbst programmierst.
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Automatische Steuerung Wenn du ein Stück wirklich gut beherrschst, werden die Finger nicht mehr vom Gehirn gesteuert. Motoneuronen, komplexe Nervenknoten, die z. B. dafür zuständig sind, dass du deine Finger von der heißen Herdplatte ziehst, bevor du darüber nachdenkst, übernehmen die Steuerung. Deine Finger oder besser die Motoneuronen kennen den Weg. Es läuft wie von selbst, als habe eine "automatische Steuerung" das Spielen übernommen. Aber diese "automatische Steuerung" hat nicht nur die Notenwerte gespeichert, nein auch die lautstärke, Intensität, Haltung, Atmung und Ausdruckskraft werden mit abgespeichert. Es ist logisch, dass auch Nachlässigkeit, Fehler und Ausdruckslosigkeit gespeichert werden. Wenn du dir diesen Mechanismus klar machst, verstehst du auch, wie wichtig es ist, konzentriert zu üben. ; "
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Gefühle sind immer anwesend. Sie geben dir Auskunft über dein seelisches Befinden. Gefühle können sich sehr verschieden ausdrücken. Du kannst nun deine persönlichen Gefühle zum Ausdruck bringen oder aber dich in ein anderes Gefühl hineinversetzen und dieses dann ausdrücken. Persönliche Gefühle: Du musst sie wahrnehmen und solltest sie dann zulassen. Habe keine Angst vor deinen Gefühlen. Letztendlich sind diese der Grund, warum du musizierst. Gefühle wollen sich ausdrücken, sie sind der "Motor" deines kreativen Schaffens. Je mehr Gefühle du zulässt, desto besser wird dieser "Motor" laufen. Eigene oder sehr persönliche Stücke wirst du sicherlich mit deinen eigenen Gefühlen spielen. Da sich Gefühle jeden Tag verändern, solltest du beim Üben besonders achtsam sein. Gefühle interpretieren: Viele Stücke verlangen einen ganz bestimmten Ausdruck. Um diesen Ausdruck auch glaubwürdig spielen zu können, solltest du dir schon beim Üben über diese Gefühle im Klaren sein: Welches Gefühl hatte der Komponist beim Schreiben des Stückes, welchen Ausdruck erwartet der Dirigent von dir, oder welches Zeitgefühl will das Stück ausdrücken? Je intensiver du dieses Gefühl in dir zulässt desto lebendiger wird das Stück klingen. 21
Folgende Fragen sollen dir beim Üben helfen: Was empfinde ich beim Üben'
Was will ich mit meiner Musik ausdrücken? Atme ich beim Üben ruhig und gleichmäßig?
Halte ich an technisch schwierigen Stellen den Atem an? Spiele ich auch technisch schwierige Stellen mit Gefühl? Spiele ich auch ruhige Passagen mit Ausdruck?
Ob deine Gefühle echt empfunden sind, lässt sich sehr einfach feststellen: Wahre Gefühle setzen Energie frei, wenn sie ausgedrückt werden. Habe keine Angst vor deinen Gefühlen. Lasse sie zu. Angst bremst. Gefühle sind nicht dazu da, um uns zu beherrschen. Sie sind Ausdruck unserer Empfindungen. Tipp: Es lassen sich auch Gefühle spielen wie z. B.: "Ist das lahgweilig!" "Ich habe heute keine Lust." "Ich empfihde gerade gar nichts."
Affirmation Ich habe keine Angst vor meinen Gefühlen.
Übungen zu "Atmung und Ausdruck" Übung 5: "Fühlen"
Wähle für diese Übung ein mittelschweres Stück, das du schon sehr gut spielen kannst und das nicht länger als 2-3 Minuten dauert. Du sollst es im Folgenden viermal durchspielen.
Vorgehensweise: Lies die erste Anweisung und spiele das Stück durch. Dann lies die nächsten Anweisungen und spiele das Stück usw. 1. Beim ersten Durchspielen ist es deine Aufgabe, dir selbst zuzuhören. Denke an nichts Besonderes, höre dir einfach nur zu. 2. Erinnere dich vor dem zweiten Durchspielen an eine traurige Begebenheit. Lasse dieses Gefühl in dir hochsteigen und lege es 22 jetzt in deine Musik. Höre dir dabei zu.
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3. Erinnere dich nun an eine fröhliche Begebenheit. Lasse dieses Gefühl in dir hochsteigen und spiele das Stück nun mit aller Fröhlichkeit. Höre dir dabei wieder zu.
Du hast nun gelernt, wie unterschiedlich ein Stück klingen kann, wenn du es mit unterschiedlichen Grundstimmungen spielst. 4. Jetzt kommt die schwierigste Aufgabe, und sei dir nicht böse, wenn du es viele, viele Male spielen musst, bis es für dich stimmt: Spiele das Stück mit deinem ganz persönlichen Gefühl. welches dich mit diesem Stück verbindet. Höre dir aufmerksam zu.
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Fazit: Es ist nicht einfach, mit wahrem Gefühl zu spielen. Deshalb sollte immer mit Ausdruck geübt werden. Erst dann ist ein Stück zu Ende geübt, wenn du es mit deinem persönlichen Ausdruck spielen kannst. Erinnere dich immer wieder an die Leitsätze dieses Kapitels. Es wird dir immer leichter fallen, mit Ausdruck zu üben. Mit der Zeit wird es dir dann zur Gewohnheit werden, und deine Musik wird deutlich an Qualität gewinnen.
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.' Übung 6: Atmungskontrolle Lies zuerst die Anweisungen, führe sie aus, lies dann die Fragen und beantworte sie. Anweisung 1: Suche dir eine einfache Tonleiter aus und spiele sie in angemessenem Tempo von unten nach oben und wieder zurück. Frage: Wie hast du dabei geatmet? Anweisung 2: Spiele dieselbe Tonleiter im selben Tempo wie zu~ vor, atme jedoch erst tief ein und halte während des Spielens die Luft an. Spiele die Tonleiter so lange rauf und runter, bis du wieder Luft holen musst. Achte auf dein Spielgefühl. Frage: Wie war dein Spielgefühl? Bist du zum Ende hin schneller geworden? Anweisung 3: Spiele dieselbe Tonleiter wie zuvor, atme jedoch erst alle Luft aus, Beginne zu spielen und atme während des Spielens heftig ein und aus. Spiele die Tonleiter so lange rauf und runter, bis du dein Spiel gefühl beschreiben kannst. 2J
Frage: Hatte deine Atmung einen Bezug zur Tonleiter?Wie unterschied sich dieses Spielgefühl vom vorherigen? Anweisung 4: Atme ein und spiele die Tonleiter fünf Töne nach oben. Atme dabei gleichmäßig aus. Atme ein und spiele die fünf Töne wieder zurück. Atme dabei gleichmäßig aus. Wiederhole dieses Muster so oft, bis es von selbst läuft. Frage: Bist Du, während du spieltest, schneller, langsamer, lauter oder leiser geworden?Wie unterschied sich dein Spielgefühl von den vorher erlebten Spielgefühlen? Fazit: Sicher hattest du unterschiedliche Spielgefühle bei den verschiedenen Anweisungen. Am besten meisterst du schwere Stellen, indem du zuvor etwas Luft holst und dann gleichmäßig ausatmest. Ansonsten atme so, dass du dich gut dabei fühlst. Auf keinen Fall darf die Luft angehalten werden. Auch übertrieben hektisches Atmen kann dein Spiel verunsichern.
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2. LaufcH lcrHcH (Wie üben)
Nachdem du die richtigen Voraussetzungen geschaffen hast, geht
es nun um das Üben als solches. Ab einem gewissen Schwierigkeitsgrad ist es nicht mehr möglich, ein Stück auf Anhieb in seiner Gesamtheit zu erfassen und es sofort perfekt zu spielen. Wie in vielen anderen Bereichen gilt auch
hier: Ein Ziel, das nicht einfach zu erreichen ist, wird in viele kleine Teil-
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ziele zerlegt. Diese müssen erreichbar sein, aufeinander aufbauen und zum Gesamtziel hinführen.
Das führt zu einem gründlichen Erarbeiten und außerdem zu vielen kleinen Erfolgserlebnissen. die wiederum positiv und motivierend
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wirken. Deutlich weniger Frustration und der Spaß, der daraus entsteht, helfen schließlich, das Gesamtziel zu erreichen . Folgende Aufteilung in Teilziele wäre möglich: Teilziele 1. Inhaltliches Verstehen 2. Gesamtüberblick bekommen 3. Technische Voraussetzungen schaffen 4. Erfassen und Aufnehmen der Teilabschnitte 5. Geschwindigkeit 6. Umgang mit schwierigen Stellen 7. Interpretation Möchtest du die Vorgehensweise "mit Teilzie!en arbeiten" nun an~ - wenden, wähle ein Stück aus, das du schon immer gerne spielen wolltest Besonders geeignet wäre ein Stück von ca. 3-7 Minuten Länge und einem Schwierigkeitsgrad, der etwas über deinem "Können" liegt. Ob es sich dabei um ein E-Gitarrensolo, eine Etüde, einen JazzStandard, einen Folksong usw. handelt, spielt dabei keine Rolle. Anhand der nächsten Kapitel kannst du nun dieses Stück mit dieser Methode erarbeiten. Affirmation
Ich komme mit jedem kleinen Schritt meinem Ziel näher
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2.1 Inha1tlich~s V~Tsteh~n ,.Inhaltliches Verstehen' Was soll das heißen?" wird wohl die erste
Frage zu dieser Überschrift lauten. Um die Bedeutung von "inhaltlichem Verstehen" zu erläutern, mächte ich erst einmal aufzeigen, was es heißt, musikalische Inhal-
te nicht zu verstehen. Nicht verstehen: Wer zum ersten Mal klassische indische Musik hört, wird sicher vor einem Rätsel stehen. Meine Eltern nannten die Musik der Beatles und der Stones "Urwald musik", Ich selbst konnte lange Zeit dem Jazz nichts abgewin-
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Musikalisches Verstehen ergibt sich oft aus kulturellen, traditionellen oder generationsbedingten Faktoren.
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Auch wenn das Spielvermägen perfekt ist, auch wenn schwierige Stellen gemeistert werden, wird ein unverstandenes Stück doch
sinnlos klingen. Wie kann man das Verstehen musikalischer Inhalte erlernen? Über das Hören: Man kann sich über das Hören verschiedenster Musik in ihre Inhalte hineinarbeiten. Wichtig ist dabei, diese Musik vorurteilsfrei, konzentriert und, wenn es geht, in guter musikalischer Qualität zu hören. Unge· wohnte Klänge und Harmonien z, B. können durch wiederholtes Hören vertraut werden. Über das lesen: Oft erschließen sich musikalische Inhalte über das Wissen um den Komponisten, seine lebensgeschichte und sein soziales Umfeld. Berichte und Interviews in Musikzeitschriften können zum Musikverständnis beitragen. Über das Erleben: Nichts kann das Live-Erlebnis ersetzen, Wenn der berühmte Funke von der Band. dem Solisten, dem Chor oder dem Orchester auf das Publikum überspringt, wenn das Gruppengefühl das eigene noch verstärkt, wenn Klang, Beleuchtung und die örtlichen Gegebenheiten als weitere Verstärker wirken, dann hast du ein intensives musikalisches Erlebnis. Hier geht es über das normale Verstehen hinaus, hier wird Musik erlebt, zu einer Lebenserfahrung. Natürlich ist auch hier eine vorurteilsfreie, offene 28 Grundeinsteilung Voraussetzung.
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Übungen zu "Inhaltlichem Verstehen" Übung 7: Zuhören Höre in der nächsten Zeit Musik unterschiedlichster Gattungen und Kulturkreise. Besuche Konzerte, schaue dir Videoclips und Musiksendungen aller Art an. Tue dies möglichst offen und vorurteilsfrei.
Achte dabei auf deine Empfindungen. Was löst die jeweilige Musik in dir aus? Was gefällt dir besonders gut und was nicht?
Wie verändert sich deine Stimmung? Welche Bilder löst die jeweilige Musik in dir aus'
Wirst du an etwas erinnert?
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Wichtig: Die Fähigkeit zum Zuhören ist für einen Musiker genauso wichtig, wie spielen zu können. Alles, was du beim Zuhören lernst, kannst du in deiner eigenen Musik verwenden. Alles, was du beim Zuhören empfindest, kannst du in deiner Musik ausdrücken.
Gutes Zuhören ist die beste Ergänzung zum Üben.
Übung 8: Weghören (Hinhören) Versuche, über einen längeren Zeitraum (mindestens einen Tag lang) keine Musik zu hören und zu spielen. Das ist gar nicht so einfach, da du ständig mit Musik bombardiert wirst: im Kaufhaus, im Bus, bei der Arbeit, auf Veranstaltungen usw. Überall läuft Musik. Am besten solltest du an deinem Weghör-Tag Urlaub haben und in die Natur fahren. Lasse alles, was dich ablenken könnte, wie Bücher, Spiele, Sportgeräte etc. zu Hause. Mache einen ausgedehnten Spaziergang, eine Wanderung oder suche dir ein ruhiges Plätzchen in der Natur. Nun achte auf das "Radio" in deinem Kopf. Höre deiner eigenen Musik zu und lasse deine Gedanken fließen, wohin sie gerade wollen. Sicherlich wirst du diesen Tag nicht so schnell vergessen.
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2.2 G~samffib~rblickb~komm~l1! Bevor du das von dir gewählte Stück in seine Bestandteile zerlegst und auf seine technischen Feinheiten hin untersuchst, ist es wichtig, sich einen Gesamteindruck zu verschaffen.
Warum Gesamtüberbfick? Ein Stück. das von Takt zu Takt, von einer schwierigen Stelle zur nächsten geübt wird, klingt anschließend unzusammenhängend.
Dazu kommt, dass dann beim Vortrag des Stückes möglicherweise von einer schwierigen Stelle zur nächsten gedacht wird. Dies ist für den Spielfluss und die Aussagekraft nicht zuträglich. Die Angst vor der nächsten schwierigen Stelle macht den Spieler unfrei. Die Stellen "dazwischen" werden dadurch ausdruckslos. Ein Stück muss unbedingt als Ganzes gesehen werden, auch wenn
es im weiteren Verlauf dieses Buches in noch so kleine Teile zerlegt wird. Zerlegungen dienen nur dem einfacheren Erfassen und dem Beherrschen technischer Schwierigkeiten.
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Wie du einen Gesamtüberblick bekommst Methode 1: Versuche dein gewähltes Stück von Anfang bis zum Ende durchzuspielen. Dabei spielt die Qualität keine Rolle. Wenn du einen Fehler machst, spiele einfach weiter. Vereinfache schwie~
rige Stellen, halte das Tempo und den Rhythmus so gut es geht. Versuche lediglich, einen Gesamteindruck zu bekommen.
Achtung: Wenn es mit dem Durchspielen nicht klappen sollte, lasse den Kopf nicht hängen und arbeite mit Methode 2 weiter. Versuche es zu einem späteren Zeitpunkt wieder und wieder. Weitere Vorteile von Methode 1: Das Durchspielen von Stücken auf Gedeih und Verderb hilft dir in vielen Ausnahmesituationen. Es
hilft dir, über eigene und fremde Fehler hinwegzuspielen, wieder in ein Stück hineinzukommen, wenn du mal den Faden verloren hast,
oder um Rhythmusschwankungen in der Gruppe aufzufangen. Methode 2: Lasse dir dein Stück von anderen Gitarristen vorspielen oder höre es dir auf Tonträger an. Höre konzentriert zu. Versu~ ehe auf jeden Fall, das Stück als Gesamtes zu erfassen. Technische Details und Verzierungen werden später untersucht. 30 Eine Hilfe ist es, die Melodie mitzusummen. Später kannst du beim
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Zuhören auch versuchen, den Spannungsbogen, die Dramaturgie des Stückes zu erfassen. Wenn du Noten lesen kannst, versuche auch einmal, die Noten mitzulesen.
Wie du den Gesamtüberblick bewahrst Durchspielen: Egal ob es mit dem Durchspielen geklappt hat oder nicht, es ist sinnvoll, das ganze Stück im Auge zu behalten. Versuche immer wieder, das ganze Stück durchzuspielen. Oie besten Zeitpunkte dafür sind der Anfang einer Übungsstunde und der Abschluss. Gut bewährt hat sich die Methode, ein Stück im Zeitlupentempo durchzuspielen.
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Anhören: Gibt es verschiedene Aufnahmen und Interpretationen deines gewählten Stückes, dann höre dir diese ebenfalls an. Nimm dein Stück gegebenenfalls immer wieder mal selbst auf, und höre es dir gezielt im Hinblick auf seine Gesamtheit an . Erinnern: Erinnere dich im laufe des Tages hin und wieder an dein Stück. Summe es dann vor dich hin oder höre es dir von deinem "inneren Radio" an. Auf diese Art arbeitest du bewusst an deinem Stück. Auch unbewusst arbeitet es in dir an deinem Stück, wenn du nach dem Üben nicht neue Themen in dein Unterbewusstsein schickst. Daher kommt es auch, dass ein Stück, das in der letzten Übungsstunde noch nicht geklappt hat, in der nächsten plötzlich viel besser geht Dein Unterbewusstsein hat für dich gearbeitet.
Übung 9: Visualisieren 9a: Vor dem Einschlafen solltest du dich noch einmal auf dein Stück konzentrieren. Stelle dir bei geschlossenen Augen vor, wie du an deinem Übungsplatz sitzt und dein Stück durchspielst. Siehe dir zu, wie du dich sammelst und dann zu spielen anfängst. Stelle dir weiterhin vor, wie du die schweren Stellen meisterst und das Stück konzentriert zu Ende bringst. Das war schon die ganze Übung. Den Rest besorgt dein Unterbewusstsein. 9b: Vor dem Üben spielst du das gesamte Stück einmal bei geschlossenen Augen nur in deinen Gedanken durch. Du wirst dabei sofort merken, wo dir der Gesamtüberblick fehlt, wo dir TextsteIlen fehlen oder wo du Probleme mit deiner Konzentration hast. 31
2.3 Ted·mische
Vora~sset%~115el1 schaffrn
Dass es keinen Sinn hat etwas spielen zu wollen, wozu einem die technischen Fähigkeiten fehlen, ist wohl klar. Aber jeder Mensch
ist durchaus in der Lage, mit unterschiedlichen Methoden neue Fertgikeiten zu erlernen oder seine Fähigkeiten zu verbessern. Die meisten technischen Probleme lassen sich reduzieren, verein-
fachen oder unterteilen, so dass sie ohne großen Aufwand zu üben sind. Was du dazu brauchst, ist Phantasie, ein Metronom, Geduld und Konzentration.
Was sind technische Probleme?
Wenn die Finger nicht das machen wollen, was auf dem Papier steht. Wenn ein Akkordwechsel zu lange dauert.
Wenn die rechte Hand immer zu spät kommt. Wenn die Läufe nicht flussig klingen. u5w.
Typische Vorgehensweise: Du fängst ein neues Stück an, spielst es, bis du auf die ersten technischen Probleme stößt. Nun probierst du die Stelle einige Male. Sollte es nicht klappen, legst du das Stück zur Seite. Vielleicht versuchst du es ein paar Tage später wieder, schaffst es dann, oder du gibst auf und suchst nach einem neuen Stück. Mit dem Stück, das du nun für dich ausgesucht hast, gehen wir jetzt anders vor. Technische Probleme richtig angehen Im Folgenden stelle ich eine Technik vor, die eine der einfachsten und effektivsten Lernmethoden Wr Musiker darstellt. Du brauchst dazu nur Disziplin und Konzentration. Dafür sparst du eine Menge Zeit, und das Erlernte bleibt dir auf Jahre hinaus erhalten. 1. Suche in deinem Stück die erste schwierige Stelle.
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Stelle dir den ersten Ton oder Akkord vor, dann spiele ihn. Jetzt lasse dir alle Zeit der Welt. Steife dir zuerst bildlich und mit geschlossenen Augen vor, wie der oder die Finger der linken Hand die neue Position einnehmen.
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Überlege dabei: Welcher finger führt die Bewegung an> Welcher Finger stützt? Gibt es einen ergonomischeren Weg? Wenn dir die Situation gedanklich klar ist, führe sie in Zeitlupe bei höchster Konzentration mit den Fingern aus. Wiederhole dies einige Male, aber nur so lange, wie du bei
höchster Konzentration bleiben kannst. Bedenke: Sobald die Konzentration nachlässt schleichen sich Fehler ein, die dann "einprogrammiert" werden! Hast du die"Fehler einmal einprogrammiert, wirst du sie so schnell nicht wieder los! Sobald du merkst, dass deine Konzentration erschöpft ist, breche diese Übung ab. -,,~-
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2. Wenn du die Stelle für die linke Hand abgeschlossen hast. erarbeite dir mit demselben Verfahren die rechte Hand dazu. Stelle dir zuerst bildlich und mit geschlossenen Augen vor, wie der oder die Finger der rechten Hand die neue Position einnehmen. Versuche den Klang, der durch das Anschlagen ertönen soff, zuvor mit dem inneren Ohr zu hören. Überlege zuerst: Wie schlage ich den ersten Ton oder Akkord an? Welche finger- oder Plektrumbewegung macht Sinn für den nächsten Ton? Ist die Bewegung ergonomisch? Passt sie in den Verlauf des Stückes? Bedenke: Die Arbeit der rechten Hand wird zumeist unterschätzt. Die rechte Hand sollte genauso konzentriert erarbeitet werden wie die linke. Immerhin erzeugt die rechte Hand den Klang, die linke sorgt "nur" für den passenden Ton.
Zusammenfassung von 1 und 2 Den Wechsel erst denken und hören. dann in Zeitlupe nachvollziehen, rechts wie links und nur bei voller Konzentration. 3. Auf diese Art und Weise erarbeitest du dir jetzt die nächsten drei Töne oder Akkorde. Achte darauf, dass du alle Töne mit derselben Konzentration erarbeitest. 4. Spiele diese insgesamt vier Töne oder Akkorde in Zeitlupe und mit voller Konzentration im Zusammenhang. Stelle sie dir immer zuerst vor und lasse dann die Finger folgen. H
Dabei geht es vor allem um eine technisch einwandfreie und saubere Ausführung. Sobald du an einer Stelle einen Fehler machst, übe diese Stelle wieder isoliert wie unter Punkt 1 und 2.
5. Mit Punkt 1 bis 4 kannst du jetzt die nächsten vier Töne oder Akkorde deiner ProblemsteIle erarbeiten. Kannst du diese dann fehlerfrei spielen, spiele die Verbindungsstelle beider Pakete in Zeitlupe und mit voller Konzentration. bis du den Übergang ebenfalls problemlos spielen kannst. Erarbeite dir die nächsten vier Töne oder Akkorde, stelle einen Zusammenhang mit den zuvor geübten Tönen oder Akkorden her, bis du die gesamte ProblemsteJle zwar sehr langsam, aber technisch einwandfrei spielen kannst. Lasse dir dabei viel Zeit. Diese Methode stellt das Fundament für dein Stück und tür eine gute Technik allgemein dar.
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Wie du die Stelle nun flÜSSiger und schneller spielen kannst, erfährst du in den nächsten bei den Kapiteln. \
Noch ein paar ergänzende Tipps
1. Streckung: Solltest du Probleme mit der Streckung der Finger haben, scheue dich nicht, einen Kapodaster zu Hilfe zu nehmen. Spiele einfach in einer höheren lage, wo die Bundstäbchen enger beieinander liegen und du somit weniger Streckung in den Fingern hast. Wenn es dann klappt, rücke den Kapodaster Ton um Ton tiefer, bis du dein Stück in der Originaltonart spielen kannst. 2. Mehrstimmige Akkorde: Solltest du beim Wechseln mehrstimmiger Akkorde oder beim Wechsel in eine andere Lage ständig die Finger durcheinander bringen, wird dir folgende Lernmethode . weiterhelfen: Greife den ersten Akkord. Wechsle nun nur mit einem Finger in den neuen Griff. Die Gedanken eilen dabei voraus. Lasse die anderen Finger, solange es geht, liegen. Dann lege deine restlichen Finger - wenn es geht gleichzejtig, ansonsten nacheinander - in den neuen Griff nach. Wiederhole das so lange, bis es problemlos funktioniert. Jetzt versuche, mit zwei Fingern in den zweiten Griff zu wechseln. Du weißt ja: Zeitlupe und volle Konzentration sind Voraussetzung. J4 Wiederhole den Vorgang einige Male, auch wenn es auf Anhieb
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geklappt haben sollte. Zwei Finger sauber in den nächsten Griff wechseln zu können, stellt die Basis für jeden Griffwechsel dar. Nimm nun den dritten Finger hinzu. Verfahre wie zuvor: Langsam
und konzentriert. Wiederhole den Vorgang einige Male, auch wenn es auf Anhieb geklappt haben sollte. Gegebenenfalls wird danach der vierte Finger in den Akkordwechsel eingebracht. Auch hier ist der Wechsel in Zeitlupe und bei voller Konzentration mehrmals zu wiederholen. 3. Phantasie: Erfinde Übungen um deine Problemstellungen herum. Selbsterfundene Übungen machen mehr Spaß und sind /-
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deinen Problemen angepasst. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Mache aus einer ProblemsteIle einfach eine Übung in einer anderen Lage, auf einer anderen Saite oder mit einfacherem Anschlag. Modifiziere dir bekannte Übungen auf deine Bedürfnisse hin. Wie gesagt, das bringt Spaß und führt meist zu guten Erfolgen. 4. Visualisieren: Gehe dein Stück vor deinem inneren Auge durch, langsam und fehlerfrei. Das kannst du überall dort tun, wo du
etwas Zeit und Ruhe hast: In der U-Bahn, im Wartezimmer, im Stau und so weiter.
Übung 10: Zen im Alltag Im ZEN wird versucht, auch die kleinste Handlung bei vollstem Bewusstsein und mit vollster Konzentration auszuführen. Es gilt, jeder Handlung, auch der geringsten, einen Wert, eine Bedeutung beizumessen. Versuche einmal, die Konzentration, die du bei diesem Kapitel erfahren hast, auf eine andere Handlung zu übertragen. Zum Beispiel auf deinem Frühstückskaffee: Bewusst nimmst du den Kaffeelöffel zur Hand und beginnst, den Kaffee umzurühren. Du denkst nur an deine Hand, den Löffel, den Kaffee und siehst, wie die Schaumreste auf der Kaffeeoberfläche im Kreis herum fah· ren, wie die Milch die Farbe verändert. Du nimmst den Duft wahr und führst die Tasse bewusst an den Mund. Führe diese Übung weiter, wie es dir Spaß macht, beim Zähneput, zen, beim Geschirrspülen usw. Jede Handlung eignet sich dazu. };
Es geht darum. auf diese Art deine Konzentration und deine Wahrnehmung zu verbessern. Wie oft und wie lange du diese Übung machst liegt bei dir. Du wirst sehen: Sie macht Spaß, bereichert deinen Alltag, und sie wird dich nicht nur beim Gitarrespiejen weiterbringen. Affirmation Ich bin in der Lage, jedes technische Problem zu lösen.
2,4 Erfasscl1 UI1t> Aufl1cJ.1I11CI1 Im vorherigen Kapitel ging es um die Verinnerlichung kleinerer Bewegungsabläufe. In diesem Kapitel wirst du lernen, eine große Menge dieser Bewegungen zu erfassen, in dir aufzunehmen. um sie dann mit Selbstverständnis spielen zu können.
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Die intuitive Steuerung Ein Stück klingt dann wirklich gut, wenn es vollkommen frei und ungebremst aus dem Spieler herausfließt. Du kannst das mit dem Autofahren vergleichen. Normalerweise fährt man einfach und macht sich keine Gedanken über die Abmessungen des Fahrzeugs. Sobald du aber darüber nachdenkst, zum Beispiel, weil dir in einer engen Straße ein Lkw entgegen kommt, verlierst du deine Sicherheit. Oder ist dir schon einmal aufgefallen, dass du am besten in eine Parklücke hineinfährst, wenn du gar nicht darüber nachdenkst? Ein anderes Beispiel: Wenn du dich vor dem Spiegel rasierst oder schminkst, geht das normalerweise problemlos. Denkst du aber darüber nach, dass im Spiegel alles seitenverkehrt erscheint, bekommst du Probleme. Diese intuitive Steuerung hast du durch· Erfahrung und Wiederholen erlernt. Bis jetzt bist du dabei so vorgegangen, dass du ein Stück so lange gespielt hast bis du es eines Tages dann frei und flüssig spielen konntest.
Effektive Methode zum Erlernen flüssigen Spieles
Bei normaler Vorgehensweise wird ein Stück nach und nach in deine "Steuerung" (siehe 1.3) einprogrammiert. Beim effektiven Weg programmierst du das Stück gezielt in deine "unbewusste 36 Steuerung".
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Selbstprogrammierung Du unterteilst dein Stück in viele sich überlappende Teilstücke (z. B. Teilstück 1 ist Takt 1-5; Teilstück 2 ist Takt 4-10; Teilstück 3 ist Takt 9-13 usw.). Die Spieldauer der Teilstücke sollte zwischen 1-5 Sekunden liegen.
Die Unterteilung kann individuell nach deinem Können vorgenommen werden. Auf keinen Fall dürfen die Teilstücke zu lang sein. Wähle im Zweifelsfall lieber kürzere Teilstücke.
Spiele das erste Teilstück 1O-mal sehr, sehr langsam, sehr be-
wusst und absolut fehlerfrei hintereinander.
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Deine Gedanken eilen der Fingerbewegung voraus. Du machst dir dabei eine "bildliehe Vorstellung" davon, wie sich deine Finger über das Griffbrett bewegen und die rechte Hand die Töne erzeugt. Benutze möglichst ein Metronom dazu.
Wenn du einen Fehler machst. musst du wieder von vorne
be~
ginnen, bis du 10 Wiederholungen fehlerfrei gespielt hast. -·":"-1 _
Überlege, warum dir der Fehler unterlaufen ist. Warst du zu schnell? Spiele noch langsamer. War das Teilstück zu lang? Kürze es. Tauchten technische Probleme auf? Übe die Stelle noch einmal nach 2.3
Hattest du Probleme
dich zu konzentrieren?
Sammle dich, mache eine Pause oder höre auf.
Bedenke: Jeder Fehler wird programmiert. Hast du ein Teilstück lO-mal fehlerfrei gespielt, atme ein paar Mal tief durch und beginne dann mit dem nächsten Teilstück. Verfahre so mit allen Teilstücken, bis du das Stück durchgearbeitet hast. Je nach Schwierigkeitsgrad musst du das Stück auf diese Art in
zwei oder drei Übungsterminen durcharbeiten. Dann sitzt das Stück auf Jahre hinaus.
Andere Anwendungen Alte Problemstellen: Natürlich kannst du diese Vorgehensweise
auch auf Stücke anwenden, die du schon lange im Repertoire hast. 31
SteHen, die dir immer wieder Probleme bereitet haben, lassen sich so verbessern. Texte lernen: Wiederhole lO-mal konzentriert und sehr langsam jene Textsteilen, die du immer wieder vergessen hast. Danach sollten sie eigentlich sitzen. Vokabeln lernen: Dieser Vorgang lässt sich ebenso auf das Lernen von Vokabeln und Fremdwörtern übertragen. Dabei sollen nicht mehr als 5 Vokabeln pro Wiederholungsset verwendet werden. Weitere Vorteile: Ein weiterer großer Vorteil des Erlernens durch Teilstücke ist das Erlangen der Fähigkeit, jederzeit mitten im Stück einsetzen zu können. Das ist bei Proben und bei Pannen eine wertvolle Hilfe. Stücke mit ähnlichen Strukturen lernen sich danach wesentlich leichter.
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Übungen zu "Erfassen und Aufnehmen"
Übung 11: Visualisieren 1
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Erinnere dich vor dem Einschlafen noch einmal an dein Stück. Spiele es dir noch einmal vor deinem inneren Auge und Ohr vor. Versuche dabei zu sehen, wie deine Finger über das Griffbrett wandern. Versuche dabei zu hören, wie dein Stück erklingt. Kannst du dich an eine Stelle nicht mehr erinnern, solltest du ihr am nächsten Tag besondere Aufmerksamkeit schenken.
Übung 12: Visualisieren 2 Möchtest du dir eine Nummer, Buchseite, ein Wort, eine Vokabel oder einen Namen merken, so schließe deine Augen und stelle dir eine Tafel vor. Schreibe nun auf diese Tafel mit Kreide die zu merkende Zahl etc. Schaue dir an, was da steht und lese es dir noch einmal vor. Möchtest du dich später daran erinnern, denke nur an die Tafel und dir wird alles wieder einfallen.
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2.5 Gescl1wil1t>igkcit Geschwindigkeit ist keine Hexerei! Geschwindigkeit lässt sich lernen! Geschwindigkeit ist nur ein kleiner Teilaspekt des Gitarrespielens!
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Trotzdem, wer Probleme mit dem schnellen Spiel hat, wird unfrei spielen. Es ist auch nützlich, ein Stück schneller spielen zu können, als es erforderlich ist. So verfügt man über die nötigen Reserven, wenn das Stück zu schnell eingezählt wird oder wenn man aus Nervosität zu schnell beginnt. Ein wirklich virtuoser Gitarrist wird sich nie schnell anhören. Er hat immer Zeit für jeden Ton. Er ist in der Lage, sogar bei schnellem Tempo jeden Ton sauber und mit musikalischem Ausdruck zu spielen. An schnellen Stücken zeigt sich aber am deutlichsten das Handwerkszeug des Spielers. Wurde das Stück technisch sauber erarbeitet, wird es im Allgemeinen auch mit der Geschwindigkeit keine Probleme geben.
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Zwe; Methoden, schneller zu werden Für beide Methoden gilt: Suche die Stelle, bei der du Probleme mit der Geschwindigkeit hast. Beginne zwei Takte vorher und spiele auch zwei Takte darüber hinaus. Dieses Teilstück sollte auf keinen Fall zu lang sein. Ist es zu lang, zerlege es lieber in mehrere, sich überlappende Teilstücke. ,. Methode: Stufenweise Steigerung des Tempos Nimm dir das Metronom zur Hilfe. 5telle es auf etwa ein Fünftel der gewünschten Geschwindigkeit em. Das ist sehr langsam, doch habe Geduld. Das Tempo darf auf keinen Fall schneller sein als du die 5telle fehlerfrei spielen kannst Klappt die 5telle prob/em/os, darfst du die Geschwindigkeit um 5-70 % erhöhen. Spiele wieder, bis du bei der neuen Geschwindigkeit keine Probleme mehr hast Erhöhe wieder um 5-10 % und spiele, bis es klappt, erhöhe erneut usw. Sobald sich allerdings die geringsten Unsicherheiten andeuten, beende die Übung und beginne am nächsten Übungstag wieder bei 20 % oder - wenn du sehr weit gekommen bist - bei 25 %. 19
Es macht Sinn, sich die erreichte Geschwindigkeit zu notieren. So hast du immer Übersicht über deine Fortschritte. 2. Methode: Intuitive Methode (eignet sich für Skalen und Melodielinien) Der Verstand wird diese Übung nicht begreifen, deshalb lasse ihn draußen!
Spiele den ersten Ton deines Teilstücks. Stelle dir vor deinem inneren Auge vor, wie sich die Finger deiner linken Hand in die nächste Position begeben und wie die rechte Hand anschlägt.
Nun höre mit deinem inneren Ohr wie dieser Ton klingt. Erst wenn die Vorstellung optisch und akustisch perfekt in dir
ist. darfst du sie mit den Fingern ausführen. Lasse dir dazu unbedingt Zeit! Je intensiver du visualisierst desto größer wird dein Erfolg sein. Wenn du den Ton gespielt hast, überprüfe, ob deine Vorstellung mit der Wirklichkeit übereinstimmt
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Wenn ja, visualisiere die nächste Position mit derselben Ruhe und Geduld Hast du sie dir vorgestellt, spiele wieder und überprüfe, bis du das Teilstück auf diese Art erarbeitet hast.
Jetzt spielst du das ganze Teilstück noch einmal, aber mit voller Geschwindigkeit und ohne dabei zu denken Lasse einfach deine
unbewusste Steuerung ablaufen. Hast du die Übung richtig angewendet, dann wirst du das Teilstück nun fehlerfrei im Originaltempo spielen können. Ist das nicht der Fall, dann wiederhole diese Methode so oft, bis du dein Ziel erreicht hast. Lässt deine Konzentration nach, dann beende diese Übung und greife sie zu einem anderen Zeitpunkt wieder auf oder mache eine Entspannungsübung und beginne wieder von vorne. Auch wenn es nicht auf Anhieb klappt, wirst du später merken, wie schnell und sicher du diese Passage spielen kannst. Hast du die einzelnen Übungen abgeschlossen, spiele das gesamte Stück noch einmal mit Ausdruck. Das hilft dir, den Gesamtüberblick zu bewahren und die Teilstücke zu integrieren.
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Übung zu "Geschwindigkeit" Summe, singe oder pfeife einen beliebigen Ton und höre ihn dir gut an. Jetzt lege deine Greifhand ohne nachzudenken an das Instrument und spiele diesen Ton. War es dein gesungener Ton? Wenn nicht, versuche ihn auf dem Griffbrett zu finden, und spiele ihn einige Male ganz bewusst. Wiederhole diese Übung, solange es dir Spaß macht. Sehe diese Übung mehr als Spiel und Entspannungsübung an. Du solltest dabei frei im Kopf bleiben und dich nicht über Fehlversuche ärgern. Wichtig dabei ist nur, dass du deiner Hand vollkommene Freiheit lässt. Spiele dieses Spiel beispielsweise, wenn du während einer Übungsstunde Probleme mit der Konzentration hast. Es eignet sich auch gut dazu, eine anstrengende Übungssitzung ausklingen zu lassen. Fortgeschrittene in diesem Spiel können kurze Melodien pfeifen und diese dann intuitiv nachspielen. Affirmationen
Ich weiß, dass ich schnell geschwindes Spiel erlernen kann. Ich habe keine Angst vor schnellen Passagen. Merke: Wer zu schnell ist, fliegt aus der Kurve oder er verliert sein Gleichgewicht. Wer zu langsam ist, kommt nicht hinterher. Nur die richtige Geschwindigkeit bringt den gewünschten Erfolg. Nur wer sich viel Zeit nimmt, ist in der Lage, schnell spielen zu können.
2.6
Intcrpretation iibcn
Jetzt erst beginnt die kreative Phase beim Erarbeiten eines Stückes. Aber ohne diese tiefgehende technische Vorbereitung ist freie, kreative Interpretation nicht wirklich möglich. Technische Hemmnisse stören den spielerischen Fluss und lassen ein freies Spielen erst gar nicht zu. Wahre Interpretation lässt sich nicht lernen. Sie kommt aus dir heraus, indem du sie zulässt.
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Aber es ist durchaus möglich, eine gute Basis für Interpretation zu schaffen. Die Spieltechnik soll dir helfen, deinen interpretatorischen Rahmen möglichst weit zu fassen. Es macht durchaus Sinn, bewusst unterschiedliche Interpretationen auszuprobieren. Zum Ersten erweiterst du damit deinen technischen Spielraum und zum Zweiten wird deine interpretatorische Farbpalette bunter werden.
Übungen zur Erweiterung deiner interpretatorischen Fähigkeiten Methode 1: Chaosmethode Lasse deiner Phantasie und Spielfreude freien Lauf. Spiele das Stück mit allen erdenklichen Ausdrucksmäglichkeiten, die dir während des Spielens einfallen: Laut, leise, schnell, langsam, heiter und lustig oder schwerfällig und düster, hektisch, ruhig. Wie gesagt, je mehr dir einfällt, um so besser. Bremse dich nicht, indem du das Ergebnis bewertest. Betrachte es als kindliches Spiel mit Tönen. Methode 2: Übertreibung Wähle eine Ausdrucksform (siehe Methode 1), die du dem Stück geben willst. Versuche, beim Spielen diese Qualität übertrieben darzustellen. Wähle beim nächsten Durchspielen den Gegensatz dazu und übertreibe diesen maßlos. Bleibe aber an dem jeweiligen Gefühl dran, versuche es zu verinnerlichen und beim Spielen deutlich zu spüren. Methode 3: Rollenspiel Erfinde in deiner Phantasie einen Gitarristen und gib ihm bestimmte Wesenszüge. Male dir seine Geschichte aus. Stelle dir vor, dieser Gitarrist gäbe heute Abend ein Konzert in der Stadt. Dieser Gitarrist mit seinen eigenen Gefühlen und seinem Schicksal sitzt nun auf der Bühne und spielt. Du sitzt im Publikum und hörst ihm zu. Nun spiele dein Stück.
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3.
Vnterwess (Übungsalltag)
'Nachdem die Übungsvoraussetzungen geschaffen worden sind und du eine effektive Übungsmethode zur Hand hast, wollen wir uns nun den Übungsalltag genauer anschauen. Warum kann ein Gitarrist stundenlang üben, ohne müde zu werden, und der andere läuft nur im Zimmer auf und ab? Warum läuft es an einem Tag so gut und am nächsten überhaupt nicht? Warum zieht es uns immer wieder zum Instrument? Was hält uns vom Üben ab? Diese und andere Fragen sind zu lösen.
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3.1
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Ein anderes Wort für Motivation ist "die treibende Kraft". Daraus wird klar, warum Motivation im Übungsalltag so überaus wichtig ist. Ohne diese treibende Kraft, diesen inneren Antrieb geht nichts. Leider kommt es immer wieder vor, dass wir diese Kraft verlieren und uns trotz idealer Bedingungen vor dem Üben drücken.
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Die Hauptgründe fehlender Motivation sind meist: Ein langweiliger Übungsplan (siehe 3.3); Angst, seine Ziele nicht zu erreichen, Leistungsdruck (siehe 3.2); Angst, sich seiner eigenen Kreativität zu öffnen (siehe 4.); Unklare Ziele (siehe 3.2). Was motiviert uns, Gitarre zu spielen? Es ist überaus wichtig, diese Frage zu klären, denn falsche Motivation führt nur zu Frustration. Nimm dir einmal Zeit und frage dich ganz ehrlich: Warum spielst du Gitarre? Schreibe deine Antwort{en) auf. bevor du weiterliest.
Überprüfe nun deine Antworten nach folgenden Kriterien: Wahre Motivation sollte von innen heraus entstehen. Motivationen von außen sind grundsätzlich kritisch zu betrachten: z. B.
Deine Eltern wollen, dass du Gitarre spielst. Du möchtest durch dein Gitarrenspiel bei deinen Freunden Eindruck erwecken. Du möchtest so werden wie dein Idol.
Auch eine Motivation aus einer Leistungsanforderung heraus wird dich in Schwierigkeiten bringen: z. B.: Du möchtest besser spielen als dein Freund. Du willst unbedingt einen Wettbewerb gewinnen. Du möchtest der schnellste Gitarrist der Stadt sein. Aber auch Abschottung ist keine wahre Motivation: z. S.:
Nur wenn ich übe, habe ich Zeit für mich. Mit meiner Gitarre kann ich mich am besten zurückziehen.
Fazit: Sicher hat es sein Gutes, sich mit seiner Gitarre zurückzuziehen. Es kann auch nicht schaden, in seiner Band zu bestehen oder auf einer Party Stimmung zu machen. Aber hinter alledem sollte die Freude am Musizieren, der Spaß an der Musik stehen.
3.2
Ziele
Eine wichtige Motivation im Übungsalltag sind deine Ziele! Der typische Umgang mit Zielen sieht etwa so aus: Du hast ein tolles Gitarrenstück gehört und findest in einem Laden zufällig die Noten dazu. Voller Motivation gehst du nach Hause. In Gedanken spielst du es schon deinen Freunden vor. Zu Hause angekommen schlägst du die Noten auf und willst es am liebsten sofort spielen können. Doch nach dem dritten Takt kommt ein echter Fingerbrecher, der dir massive Probleme bereitet. Auch nach dem fünften Versuch läuft es nicht so, wie du es dir vorgestellt hast, und Enttäuschung macht sich breit. So oder so ähnlich ist es bestimmt schon jedem Gitarristen gegan46 gen, aber das muss nicht sein.
Auf Managerseminaren wird diesem Thema viel Zeit gewidmet. Die richtigen Ziele zu finden, entsprechend zu investieren, die richtigen Strategien zu finden, um diese Ziele dann zu erreichen, entscheiden mit über den Erfolg oder Misserfolg einer Firma. Oft wird auf diesen Seminaren so vorgegangen, dass die Ziele auf kleine Karten geschrieben werden. Die werden dann gesammelt und in der Gruppe diskutiert. Teilziele werden ermittelt und verschiedene Strategien durchgesprochen. Schreibe deine Ziele nun auf einen Zettel. Stell dir vor, du wärst auf einem Managerseminar. Diskutiere deine
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Wie realistisch oder unrealistisch sind deine Ziele? .-:
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- Wie lange kannst du an einer Aufgabe dranbleiben? Vergleiche mit früheren Zielen!
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Suche störende Faktoren, die dich von deinen Zielen ablenken! Merke: Viele Menschen setzen sich keine Ziele aus Angst, diese dann nicht erreichen zu können. Ziele sind aber nur Richtpunkte, Orientierungshilfen und als solche veränderbar. Jedes erreichte Ziel ist nur ein neuer Anfangspunkt. Jedes unerreichte Ziel auch. Schreibe deine neuen Ziele auf, Die Zielsetzung muss keine große Sache sein. Das kleinste Ziel kann dich schon zu vielen sinnvollen Übungsstunden motivieren. Überprüfe deine Zielsetzung immer wieder. Verändere sie und versuche dabei immer konkreter zu werden. Am Erreichen deiner Teilziele kannst du leicht erkennen, wo du anders vorgehen musst. Bleibe an deinen Zielen dran, aber halte nicht verbissen an ihnen fest. Auch Ziele können sich verändern. Ein erreichtes Ziel ist selten
ein Endpunkt. Affirmationen
Ich weiß, dass meine Ziele mir helfen voranzukommen. Konzentriert und mühelos erreiche ich meine Ziele.
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Beispiel: Zielsetzung Du schaust dir ein Stück zuerst einmal ohne Gitarre durch und versuchst, den Schwierigkeitsgrad zu erkennen. Vergleiche, wie lange du für ähnlich schwierige Stücke gebraucht hast, lege noch mal zwei Wochen drauf und nimm dies als Gesamtzeit. Teilziel 1: Versuche, das Stück ultralangsam nach einem Drittel der Gesamtzeit fehlerfrei spielen zu können. Teilziel 2: Versuche, alle schwierigen Stellen nach zwei Drittel der Gesamtzeit langsam und fehlerfrei spielen zu können. Teilziel 3: Versuche, am Ende der Zeit das gesamte Stück bei Normaltempo fehlerfrei spielen zu können. Gib dir noch ein, zwei Wochen mehr um: Tellziel 4: Das Stück mit Ausdruckskraft, eigener Interpretation und flüssig spielen zu können. Wenn du nun selber Freude beim Spielen dieses Stückes empfindest, kannst du daran denken, es deinen Freunden vorzuspielen. Ziel: Das Stück so vorspielen, dass du und deine Zuhörer mit Freude und konzentriert zuhören.
3.3 VbUn551'1an Übungspläne sind nicht jedermanns Sache. Auch sind die einzelnen Spieler so individuell verschieden, dass jeder seinen eigenen, speziell auf ihn zugeschnittenen Übungsplan braucht. Darum sollte jeder, der gerne mit Übungsplänen arbeitet, seine eigenen Übungspläne erstellen. Ein zu weit gesteckter Übungsplan, etwa über Monate hinweg, führt zu Frust, da er in den seltensten Fällen eingehalten werden kann. Ich halte es für sinnvoll, seinen Übungsplan für jede Woche zu schreiben. So kannst du schnell und fiexibel auf deine Bedürfnisse reagieren. Beachte dabei folgende Kriterien: Lasse dir ausreichend Zeit für Einstimmung und Aufwärmübungen. 48 Fasse spezifische Probleme in Blocks zusammen. Wenn deine Kon-
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zentration nachlässt oder spätestens nach 45 Minuten sollte eine lOminütige Pause folgen (Pausen unbedingt einhalten). Bei guter Konzentration sollten ein, zwei, maximal drei solcher Übungseinheiten pro Übungstag ausreichen. Gönne dir nach dem Üben noch etwas Zeit, um zwanglos für dich zu spielen oder gar nichts zu tun. Gönne dir auch übungsfreie Tage. Wenigstens einen pro Woche, besser aber zwei. Nach einer Woche sollte dein Übungsplan deinen Erfahrungen entsprechend umgestellt werden. Ein Beispiel ( Mo., Di., 00., Fr.): Aufwärmen 5 Minuten Meditation 5 Minuten Durtonleitern, Metronom 60 5 Minuten Arpeggien, Metronom 60
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10 Minuten ProblemsteIle 5tück 1 10 Minuten Lagenwechselübungen 10 Minuten ProblemsteIle Stück 2
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15 Minuten ( z. B. Stretching machen)
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Pause Ausklingen
5 Minuten Spiele z. B. 10-30 Minuten wozu du gerade Lust hast, bzw. mache Stretching oder Meditation.
3.4 Abwccl1shmg im Vb~m5Sal1tag Nichts ist langweiliger, als immer dasselbe Übungsprogramm abzuspulen. Leider ist es aber so, dass ständiges Wiederholen eines Übungsprogrammes sicher zum Erfolg führt. Um ein Programm ständig wiederholen zu können, ohne dabei vor Langeweile zu sterben, solltest du immer wieder andere Schwerpunkte setzen.
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Im Folgenden möchte ich dir an ein paar Beispielen zeigen, wie das funktionieren könnte: Beispiel 1: Schwerpunkt "Dynamik" An diesem Übungstag achtest du besonders auf die lautstärken deines Spieles. Das könnte so aussehen, dass du eine Übung einmal extrem leise und dann wieder sehr laut spielst. Oder aber du versuchst bei einem Stück. die Wechsel zwischen laut und leise besonders stark hervorzuheben. Beginne eine Tonleiterübung leise und werde mit aufsteigender Tonfolge immer lauter, bei abfallender Tonfolge immer leiser und umgekehrt. Lerne immer feinere Abstufungen in der Lautstärke herauszuarbeiten. Ein Stück, mit Dynamik gespielt, klingt immer interessanter und weckt das Interesse des Zuhörers. Beispiel 2: Schwerpunkt "linke Hand" An diesem Übungstag richte deine Konzentration verstärkt auf die Bewegung deiner linken Hand. Wie sauber setzen deine Finger auf? liegt der Daumen in der Griffbrettmitte? Sind die Bewegungsabläufe flüssig, oder machst du unnötige Bewegungen' Je ruhiger und flüssiger deine linke Hand arbeitet, um so leichter werden dir deine Stücke gelingen. Dasselbe gilt natürlich auch für die rechte Hand. Aber das ist ein Schwerpunkt für einen anderen Tag. Beispiel 3: Schwerpunkt "Stilistik" Jede Übung, jede Skala, jedes Stück und insbesondere jedes Solo lässt sich in unterschiedlichen Stilen spielen: Blues, Jazz, Klassik, Barock usw. Vielleicht übertreibst du am Übungstag mit diesem Schwerpunkt einmal alle Phrasierungen. Oder lasse einmal alle Phrasierungen weg und spiele alles extrem glatt. Eine schöne Übung ist es, im StH von verschiedenen Interpreten zu spielen. Beispiel 4: Schwerpunkt "Rhythmik" Spiele an diesem Übungstag einmal deine Übungen In einem anderen Rhythmus. Übertreibe die Rhythmik eines Stückes. Oder aber du benutzt an diesem Übungstag für wirklich alles dein Metronom.
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BeispielS: Schwerpunkt "Klang" An diesem Übungstag steht der Klang im Brennpunkt deiner Aufmerksamkeit. Versuche, das Klangbild eines Stückes zu variieren. Die Gitarre ist ein Instrument, das dir viele Klangmöglichkeiten anbietet. Je nachdem, an welcher Stelle du die Saiten anschlägst, lässt sich die Klangfarbe verändern, die Anschlagskraft, die Haltung
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des Plektrums, der Winkel des Fingernagels, all dies und noch vieles mehr beeinflusst den Klang deines Instrumentes. Je mehr du
davon nutzt, um so interessanter wird dein Spiel klingen. Beispiel 6: Schwerpunkt "Sound" Besonders E-Gitarristen sollten Ihr Übungsprogram hin und wieder
mit anderem Sound spielen. Stark verzerrte Passagen sollten immer wieder unverzerrt gespielt werden. -Das hilft, auf neue Ideen
zu kommen und erfordert die Genauigkeit deines Spiels. Ein Gitarrist. der viele verschiedene Sounds benutzt und beherrscht, kann so jedem Stück zu einem eigenen Charakter verhelfen. Weitere Themen könnten lauten: Nebengeräu5che, Kraft, UveSimulation, Blindspielen, Unplugged, Haltung, andere Gitarre, Tonbandaufnahme (Studio-Simulation) usw ,.,.
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Dein Übungsalltag lässt sich so ganz kreativ auf deine Bedürfnisse hin gestalten. Das bringt auf jeden Fall Abwechslung und wird dich
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musikalisch weiterbringen.
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Fazit: Du kannst natürlich noch viele eigene Schwerpunkte finden. Je mehr verschiedene Schwerpunkte du bearbeitest um 50 vielseitiger und interessanter wird dein Spiel klingen. Greife vor allem deine Schwächen auf und mache daraus Schwerpunktthemen.
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Affirmation Ich habe viele Möglichkeiten und Ideen.
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(Equipment) Das Instrument Die Sache mit dem Instrument hat zwei Seiten. Zum Einen ist es natürlich möglich, auch mit dem billigsten Instrument zu üben,
Andererseits: Je besser die Bespielbarkeit und die Klangeigenschaften deines Instrumentes sind, um so besser bildet sich dein Gehör aus und technische Schwierigkeiten werden einfacher gemeistert. Der Mittelweg ist hier der beste. Versuche, innerhalb deines finanziellen Rahmens das bestmögliche Instrument zu bekommen.
Stehe dazu und mache dich nicht damit verrückt. dass es eventuell noch ein besseres gibt. fJ
Gehe keine Kompromisse ein. Die elektrische Westerngitarre mit Nylonsaiten und Jazzsound, inklusive Tremolo und Distortionseffekte wird mit Sicherheit in keinem Bereich wirklich gut klingen. Kaufe nur in einem Laden deines Vertrauens. Sicher ist es richtig, die Preise zu vergleichen, aber eine ehrliche Beratung und ein guter Service sind im Endeffekt wichtiger, als ein paar Mark gespart zu haben. Solltest du kein vertrauenswürdiges Geschäft in deiner Nähe haben oder verunsichert sein, so ziehe deinen Gitarrenlehrer, Freunde oder einen erfahrenen Gitarristen in deiner Nähe zu Rate. Kaufe nie eine Gitarre. die du nicht zuvor ausgiebig mit den eigenen Händen ausprobiert hast.
Übungszubehör
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Das Metronom
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>'---Neben der Gitarre ist das Metronom ein wichtiges Accessoire beim Üben. Spätestens bei der ersten Bandprobe, im Studio oder im Ensemble zeigt sich, wer mit Metronom geübt hat und wer nicht. Wer lange Zeit ohne Metronom geübt hat, kann das nicht in kurzer Zeit wiedergutmachen. Eine Drummaschine als Metronom zu verwenden ist zwar grundsätzlich möglich, ist aber sehr viel teurer und lenkt vom Wesentlichen ab.
Notenständer Für eine gesunde Haltung ist ein Notenständer unabdingbar. Egal ob du mit der E-Gitarre stehend, mit der Westerngitarre auf dem rechten Knie oder in streng klassischer Haltung übst, der Blick sollte waagerecht nach vorne gehen. Noten auf dem Tisch, Boden oder Nachbarstuhl führen mit Sicherheit zu einer schlechten Haltung. Nebenbei bemerkt ist es ganz sinnvoll, auf dem Notenständer ein paar Notizen machen zu können. ohne dass dieser gleich umfällt.
Aufnahmegeräte Sie können motivierend und kontrollierend auf dein Spiel wirken und sind so auf jeden Fall sinnvoll. Eine Bandprobe mitzuschneiden und gemeinsam zu diskutieren wird die Band effektiver arbeiten 52 lassen.
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Ein Aufnahmegerät sollte aber nicht die Fähigkeit des Zuhörens während des Spielens ersetzen. Es ist ein sinnvolles Zubehör, aber es geht auch ohne.
Nebeninstrumente Monokultur schadet nur. Das gilt auch für Gitarristen. - Es hat sich gezeigt, dass insbesondere Perkussionsinstrumente die Gitarre sehr gut ergänzen. Immer wieder mal auf Perkussionsinstrumenten zu spielen, fördert das Rhythmusgefühl, das rhythmische Gehör und entspannt den Körper. Dazu kommt, dass andere Instrumente durch ihren anderen Klang und ihren anderen Aufbau auch neue Ideen fördern. Oft ist man bei fremdartigen Instrumenten frei von Erwartungen, und die Kreativität beginnt zu fließen.
Die ersteH Derse
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4. Die crstCl1 'Bcrgc (Prüfungen, Bandvorspiel)
Es sollen sich schon welche zu Tode geübt haben. Dabei ist doch das Spielen mit anderen, vor Publikum, in der Familie, am lagerfeuer usw. das Salz in der Suppe. Musik ist letztendlich eine Form von Kommunikation, eine Sprache, die vom Gehärtwerden lebt.
4.1 Vorbereitung "uf eine
wichtige Spldsltu"tlon Zwei Komponenten stehen sich gegenüber: Versagensangst und
Selbstsicherheit. Logischerweise nimmt die Angst ab, wenn das Selbstvertrauen zunimmt, und umgekehrt. Also gilt es, das Selbst-
vertrauen zu stärken. Wer nach den zuvor beschriebenen Methoden geübt hat, sollte eigentlich bei keiner Form des Vorspielens technische Probleme haben. Es bleibt die psychologische Komponente. Das nötige Selbstvertrauen, um besser vor Publikum spielen zu können, gewinnt man am besten, indem man vor Publikum spielt. Ganz besonders Ängstliche können damit beginnen, Ihrem Teddybären vorzuspielen. Kinder üben für spätere Lebenssituationen oft mit imaginärem Gegenüber. Guten Freunden vorzuspielen sollte so oft wie möglich praktiziert werden. Dabei kommt es darauf an, mit voller Konzentration und allen Gefühlen zu spielen. Versuche immer so zu spielen, als wäre es dein wichtigstes Vorspiel. Wichtig in dieser Vorbereitungsphase ist dein Umgang mit Kritik. Lasse Kritik zu und versuche, deinen Teil herauszuziehen, um daran zu wachsen. Lasse dich aber auf keinen Fall unterbuttern. Wenn du mit den vorhergegangenen Kapiteln gearbeitet hast, hast du sicher gelernt, dich und deine musikalische Arbeit wertzuschätzen. Nimm, wenn es dir möglich ist, dein Spiel auf CDoder Kassette auf. Höre die Aufnahme vorurteilsfrei und ohne Erwartungen an, so als würdest du einem guten Freund zuhören. Was würdest du ihm (dir) raten, besser zu machen? f7
Wiederhole die Aufnahme und beurteile, bis du mit dem Gehörten zufrieden bist. Achtung: Lasse dich nicht von aufnahmetechnischen Feinheiten ablenken. Nur die musikalischen Inhalte sind in dieser Situation wichtig. Achte vor allem auf deine Ausdruckskraft. Salopp ausgedrückt: Was kommt rüber?
4.2
Möglicher Zeitplan vor einem Vorspiel
6-12 Wochen vorher: Überlege dir genau, was du spielen willst, und schreibe es auf. Spätere Änderungen sollten, so weit es geht, vermieden werden. Dein Übungsalltag sieht nun wie folgt aus: Nach dem Aufwärmen spielst du dein Vorpielrepertoire durch. Merke dir die Stellen, die nicht laufen und arbeite an diesen, wie in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben. Versuche jetzt, nichts Neues mehr zu lernen. Nimm keine neuen Technikübungen, die nichts mit dem Repertoire zu tun haben, ins Übungsprogramm. Konzentriere dich nur noch auf das Wesentliche. 3 Wochen vorher: Beginne nun aufzunehmen und vor kleinem Publikum zu spielen. Ist beides nicht möglich, simuliere dein Vorspiel. Arbeite vor allem am Ausdruck. 1 Woche vorher: Jetzt nicht mehr aufnehmen und vorspielen. Spiele dein Repertoire jeden Tag ein, maximal zweimal am Stück durch, ohne Verbesserungen vorzunehmen. Spiele einfach nur konzentriert und mit Ausdruck. Lass dich von kleinen Fehlern nicht aus der Ruhe bringen. Tue dir viel Gutes: Unternehme lange Spaziergänge, gehe ins Cafe oder treffe dich mit Freunden. Lachen und Entspannen sind angesagt. Schlafe viel (Fernsehen entzieht uns in den meisten Fällen Energie). Unmittelbar vor dem Vorspiel: Spiele dich ausgiebig warm. Konzentriere dich nur aufs Warmspielen, lasse keine anderen Gedanken zu. Das Warmspielen ist deine Meditation. Spiele, was dir durch den Kopf geht. Erfreue dich am Klang deines Instrumentes und verschwende keine Gedanken an das Vorspiel. Gehe nun aufrecht und mit erhobenem Kopf in dein Vorspiel. Affirmation
5"8
Ich spiele ohne Angst, mir kann nichts passieren.
ZEN an sich braucht nicht viele Worte. ZEN legt sehr viel Wert auf genaues,
konzentriertes Arbeiten. Deshalb habe ich die ersten vier Kapitel sehr präzise ausgeführt und werde dich im weiteren Verlauf des Buches mit den Sätzen alleine lassen. Indem du die Inhalte für dich erarbeitest, werden sie sich dir erschließen und zu deinen eigenen, persönlichen Inhalten werden.
5. Auf bem Weg (Spielen)
Jetzt ist es so weit: Du stehst auf der Bühne, vor der Jury, im Probe-
raum deiner zukünftigen Band, vielleicht sitzen auch deine Eltern erwartungsvoll auf dem Sofa.
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Der Moment, in dem die Hand sich öffnet und der pfeil den Bogen verlässt. Im entscheidenden Moment empfindet der Zen-Meister nur Leere, der Schuss löst sich von afleine. Nichts ist mehr wichtig, nicht das Ziel, nicht der Bogen, nicht die Hand, die ihn führt. Der Zen-Meister ist eins mit allem, ist Pfeil, Ziel und Bogen in einem. Was heißt das für uns?
Das Publikum ist das Ziel, deine Gitarre ist der Bogen und deine Musik ist der Pfeil, der auf die Reise geht. Vergesse zuerst dein Publikum. Vergesse dich. Höre die Musik, die da entsteht. Achte auf jeden Ton. Sei die Musik, die da entsteht, sei dein Publikum und deine Gitarre. Nichts ist mehr wichtig. Natürlich ist nich jeder der geborene Zen-Meister und der Zustand des selbstvergessenen Spielens nicht sofort zu erreichen. Trotzdem sollte er immer unser erklärtes Ziel sein. Zu spielen, um sein Publikum zu beeindrucken oder um seine technischen Fertigkeiten unter Beweis zu stellen, ist sinnlos und erreicht auch nichts. Spiele einfach und sei du selbst. Wenn du nach diesem Buch gearbeitet hast, kann dir nichts geschehen.
Was immer in diesem Moment
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geschieht.
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5.1 Spic1al1tag Der Zen-Meister betritt den Oojo. Der Alltag bleibt draußen. Er konzentriert sich nur auf seine Aufgabe.
Es wird von einem Profi verlangt, jeden Abend auf der Bühne dieselbe Leistung zu bringen. Trotzdem sollte das Musizieren auch für einen Profi nie zum Alltag werden. Musik passiert immer wieder neu. Spielfreude, Spontanität und Liebe zur Musik lassen so etwas wie einen Spielalltag erst gar nicht aufkommen. Wer die Fähigkeit entwickelt hat, sich selbst beim Musizieren zuzuhören, wird sich immer wieder neu entdecken.
Die Gruppe ist mehr als die Summe der Einzelnen. Mehrstimmiger Gesang, Zusammenklang verschiedener Instrumente, die Power einer Rhythmusgruppe, all das sind Beispiele, in welchen eine Gruppe die Leistung des Einzelnen erhöht. Eine Gruppe kann aber nur als Gruppe funktionieren, wenn sich jeder als Teil der Gruppe versteht. Mehr noch als beim Solospiel gilt es, in der Gruppe seinen Egoismus draußen zu halten. Beim Solospiel hörst du auf deine eigene, innere Stimme, in der Gruppe solltest du dich auch noch deinen Mitspielern öffnen und den Gesamtklang unterstützen.
Grundsätzlich gilt alles was in diesem Buch gesagt wurde auch für eine Gruppe.
Zusammenfassung Egal, ob du alleine, mit anderen, auf der Bühne, in einer Prüfung oder sonstwo Gitarre spielst:
Hoch konzentriert und gleichzeitig vollkommen entspannt ist das Wesen des ZEN.
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ist ~as Ziel
6.
Der Weg ist tlas Ziel (Kreativität)
Der schönste Moment im Leben eines Musikers ist wohl der, wenn er schöpferisch wird. Durch ihn oder aus ihm heraus entsteht et-
was Neues. Kreativität äußert sich aber nicht nur im Erschaffen neuer Werke. Auch eine gelungene Interpretation eines alten Werkes, ein spon-
tan gespieltes Solo, ja sogar ein geschickt überspielter Fehler sind Beispiele von Kreativität. '-,
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Malst du den Zweig gut, hörst du den Wind.
6.1
Vor bem ersten Werk
Nun lässt sich Kreativität aber nicht erzwingen. Die Beschreibungen wann, wo und wie ein Künstler kreativ wurde, sind mannigfaltig. Auch die Motivationen, warum wir kreativ werden, sind unter-
schiedlichster Natur. Und doch steckt der Wunsch nach Kreativität schon von Geburt an in uns.
Kreativität lässt sich nicht erzwingen, aber es besteht die Möglichkeit, kreative Bedingungen zu schaffen.
Der Musikkanal
Nimm das Bild eines Radios. Du bist der Empfänger. Das Radio muss an einem empfangsfähigen Ort stehen. Dann musst du den Kanal richtig einstellen. Dann musst du das Empfangene auch hören wollen. Zuletzt sollten die technischen Voraussetzungen da sein, das Empw fangene auch umzusetzen.
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Der richtige Ort Gehe in dich; wie sieht deine kreative Umgebung aus? Ein nackter Raum, ohne jede Ablenkungsmöglichkeit? Ein Raum voller Bilder und Gegenstände, die dich anregen?
Natur, Studio, Proberaum usw. Experimentiere mit verschiedenen Bedingungen. In unterschiedlichen Umgebungen kommen auch unterschiedliche Ideen.
Kanal einstellen
Normalerweise rauschen eine Vielzahl von Gedanken nur so durch den Kopf. Aus diesem Wust gilt es nun, die kreativen Impressionen herauszufiltern. Dazu ist es sinnvoll, erst einmal alle störenden Gedanken wegzuschicken. Geeignet sind z. B. die Übungen 1 und 2.
Jeder Mensch hat seine eigenen Kreativitätskanäle. Das geht von stiller, meditativer Ruhe bis hin zu innerer Heiterkeit. Wichtig aber ist, dass der Ursprung jeder Kreativität ein reines Herz sein sollte. Motivationen wie Zorn, Selbstdarstellung oder Habgier haben hier keinen Platz.
Am wichtigsten aber ist Loslassen. Ich selbst bekomme die besten Ideen, wenn ich ohne zu denken einfach so vor mich hinspiele. Plötzlich höre ich dann eine Tonfolge und frage mich, was ich denn da gespielt habe. Meist wiederhole
ich das Thema dann und baue es aus, bis daraus etwas Verwertbares entsteht. Oder aber ich verwerfe die Idee wieder und spiele einfach weiter. Empfangen Jetzt hast du alle störenden Gedanken weggeschickt, bist völlig
gelöst und irgend etwas kommt dir in den Sinn. Nun kann es aber gut sein, dass du damit gar nichts anfangen kannst, dass es dir im ersten Moment überhaupt nicht gefällt oder du es sogar ablehnst. An dieser Stelle möchte ich dich bitten, alles Empfangene wert-
frei anzuschauen.
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Vor allem sei dir nicht böse, wenn du nicht gleich einen Welthit schreibst oder statt eines Feuerwerks nur ein sanftes Plätschern kommt oder erst einmal nichts. All das sind Teile von dir, die du einfach so hinnehmen solltest, und vielleicht wird so aus dem Nichts doch noch ein gewaltiger Strom. Wenn du kannst, archiviere deine Ideen und schaue sie dir hin und wieder einmal an. Umsetzen
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Hier kannst du dir einen Maler vorstellen, der sein fertiges Bild in fotorealistischer Genauigkeit schon vor seinem inneren Auge sieht dann aber an seinem groben Pinsel und seinem ungenauen Strich scheitert. Diesem Maler wäre zu raten, seine Idee mit seinen Mitteln zu skizzieren, um so seine Idee zu bewahren. Dann sollte er gezielt an seiner Maltechnik so lange arbeiten, bis er sein Bild so ausführen kann, wie er es sich vorgestellt hat.
6.2 h1tcrJ'1'ct...tiol1 Im Gegensatz zum Komponieren hast du es hier mit kreativer Arbeit an einem fertigen Werk zu tun. Der kreative Akt besteht darin, die nüchternen Noten zum Leben zu erwecken, sie mit Gefühlen und Aussagekraft zu versehen. Es gilt herauszufühlen, welche Inhalte dich mit dem Stück und dem Autor verbinden. Auch hier musst du wieder vollkommen unvoreingenommen auf deine innere Stimme hören. Auch hat es nichts mit Kreativität zu tun, ein einmal erfundenes Stück, eine gelungene Interpretation, immer wieder zu kopieren. Kreativität ist die Erschaffung immer neuer Momente. Form ist Leere; Leere ist Form.
Freie Interpretation Spiele das Stück mehrere Male für dich allein in aller Ruhe durch. Höre dir dabei selber zu und folge deinen Impulsen. Werde lauter, wenn du das Gefühl hast, lauter werden zu müssen, werde leiser, schneller, rhythmischer, nach was immer es dich verlangt. Sei mu- 67
tig bei dieser Vorgehensweise. Folge jeder kleinen Idee, und sei sie noch so ungewöhnlich. Je öfter du diese freie Interpretation praktizierst, desto leichter wird es dir fallen, die Impulse zu spüren und ihnen zu folgen. An· fangs wird ein Stück jedes Mal verschieden klingen, aber mit der Zeit wird eine Version entstehen, von der dir deine innere Stimme sagt "Jetzt habe ich meine Version gefunden." Natürlich sollte auch deine Version jeden Tag neu gestaltet werden, so wie ein Maler, der zwar seinen Stil gefunden hat und trotzdem jeden Tag ein neues Bild malt. Und selbst dann, wenn du denkst deinen Stil gefunden zu haben, kann es dir passieren, dass eines Tages eine neue Version ent· steht. Diese offene Haltung birgt die Gefahr in sich, nie genau zu wissen, wie deine Stücke beim nächsten Auftritt klingen, Diese Gefahr wird aber dich und dein Publikum immer wieder mit dem Reiz des Neuen, Überraschenden belohnen. Achte darauf, nicht zu erstarren, bleibe flexibel.
Achte darauf, deine technischen Fähigkeiten nicht als Grenze
des Interpretationsradius zu sehen. Die Technik muss überschrit· ten werden. Assoziative Interpretation Beim Hören mancher Stücke fallen mir Bilder ein. Der Eindruck ist oft so stark, dass ich in diesen Bildern versinke und die Musik dabei vergesse. Das ist natürlich auch in der Interpretation möglich. Fällt dir also zu einem Stück ein Bild, vielleicht sogar eine Geschichte ein, so versuche, diese zu spielen. Auch hierbei kannst du dich nur von deiner inneren Stimme führen lassen. Keiner kann dir sa· gen, wie ein Sommertag zu klingen hat, und doch hat jeder von uns dazu ein Klangbild in seinem Inneren. Experimentiere einmal damit. Du wirst sehen: Es geht. Oft versucht der Titel eines Stückes, in dir schon eine Assoziation zu wecken, er kann dir eine Hilfe sein, er kann aber auch deine Phantasie begrenzen.
Gezielte Interpretation Es kann natürlich sein, dass vom Autor, vom Dirigenten oder vom Stück selbst eine ganz bestimmte Interpretation verlangt wird. 68 Du wirst das Stück dann um so besser spielen können, je intensiver
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du dich auf das gewünschte Gefühl einlässt. Dabei gilt es, dieses Gefühl nicht darzustellen, sondern es von innen heraus zu spielen. Vielleicht hast du das zu spielende Gefühl schon einmal erlebt und kannst dich daran erinnern und so das Gefühl in dir aufleben lassen. Oder aber, du musst dich mit Phantasie und Vorstellungskraft in dieses Gefühl hineinversetzen. Je größer dein Erfahrungsschatz und deine Phantasie sind, desto erfüllter wird deine Interpretation sein.
6.3 Iml'yovisatioM --~--,---
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Alles, was du über Spielen, Kreativität und Interpretation in diesem Buch gelesen hast, trifft hier aufeinander.
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Improvisation ist die spontanste aller Ausdrucksformen, Im Rahmen eines vorgegebenen, harmonischen Umfeldes folgt der Musiker seinen Impulsen und gibt seinen Gefühlen völlig freien Ausdruck. Leider ist diese Kunst heute nur noch selten zu hören.
Die Medien von heute verlangen vom Musiker, die immer gleiche, perfekte Show zu präsentieren. Um das Risiko, das eine freie Improvisation in sich trägt, auszuschließen, werden Improvisationen oft komplett auskompaniert. Oder der Spieler reiht nur noch tausendfach geprobte Bausteine aneinander. Es gibt viele gute Bücher, die beschreiben, wie man sich die vielen technischen Möglichkeiten der Improvisation aneignen kann. Diese zu lesen ist unter den heutigen Gegebenheiten auch empfehlenswert.
Trotzdem möchte ich dich ermutigen. immer wieder der inneren Stimme zu folgen, die Technik zu überschreiten, deine Möglichkeiten zu vergessen und deinem Herzen zu folgen.
Natürlich lässt sich Improvisation üben Wann immer du Gelegenheit hast zu improvisieren, habe den Mut, es zu tun. Auch wenn ich mich wiederhole: Sei immer konzentriert und höre dir zu. Du kannst von deinen Fehlern mehr lernen als von jedem Lehrer. Playbacks sind ein hervorragendes Medium, um improvisieren zu 69
üben. Am einfachsten ist es, sich selbst die Begleitung auf ein Band zu spielen.
Am schönsten ist es natürlich, mit anderen Musikern zu improvisieren. Diese können auf dich eingehen, und so deine Improvisation
noch unterstreichen. Wer immer wieder improvisiert, wird auch immer sicherer werden.
Voraushören Wie ein Maler, der das fertige Bild schon vor dem inneren Auge sieht, sollte die gespielte Improvisation ein paar Töne vorausgehört
werden. Im Prinzip funktioniert das so: Summe eine Melodie im Kopf und
spiele sie sofort nach. Das heißt, auf die innere Stimme hören und seinen Fingern vertrauen.
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1. Bewusstheit: Was immer du tust, wann immer du übst: Tu es
bewusst. 2. Konzentration: Was immer du mit Erfolg tun willst: Es geht nur mit voller Konzentration. 3. Entspannung: Gönne dir immer genügend Entspannung. Sie ist der Schlüssel zur Konzentration. 4. Ruhe: In der Ruhe liegt die Kraft. Übe und spiele nie schneller als nötig. Denke daran, dass du jeden Fehler mit einübst. 5. Klare Ziele, viele kleine Teilziele: Bewege dich Schritt für Schritt. 6. Reines Herz: Sei dir über deine Motivation im klaren. 7. Innere Stimme: Achte zu jeder Zeit auf deine Gefühle, Empfindungen und Impulse. 8. Mut: Folge mutig deiner inneren Stimme. 9. Glaube: Glaube an dich und deine Ziele. 10. Bescheidenheit: Bescheidenheit schafft Gelingen. Fördernd ist Beharrlichkeit. Wende diese Regel nicht nur auf deine Musik an. Nur ein wahrhafter Mensch kann zu einem wahrhaften Künstler werden.
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Nachwort von Janosch Pitzer - Gitarrist und Zen-Schüler
"Zen und die Kunst Gitarre zu spielen" ist ein-großer Schritt, Musik als Medium zu verstehen, nackt und unmaskiert das auszudrücken, was wir fühlen und was wir sind. Die Motivation eben das zu lernen, ziehe ich aus den seltenen ZENErlebnissen, die ich beim Gitarrespielen allein oder mit anderen hatte. Denn wenn der Zustand der richtige ist, d. h. frei sein von Erwartungen, von Anforderungen, von Suchen und Anhaftung, sind die Kanäle offen. Wenn mir das passiert, dann ist die Musik Übermittler meiner selbst in diesem Augenblick. Mit anderen zusammen erlebe ich dann eine tiefe Verbundenheit und Einheit. Es erfüllt mich mit Freude, dass es für mich einen Weg gibt, über die Musik einen solchen direkten Austausch mit anderen Menschen zu haben. Literaturhinweise Viele wichtigen Anregungen zu diesem Buch stammen aus der Publikation Eugen Herrigel Zen in der Kunst des Bogenschiessens Otto Wilhelm Barth Verlag Miyamoto Musashi (Samurai-Meister im 17. Jahrhundert) Das Buch der fünf Ringe Knaur' ISBN 3-426-04129-4 Shaki Gawain Stell dir vor. Kreativ visualisieren Rowohlt 680 . ISBN 3-499-18093-6 Der Autor Marco Göhringer-überthür, geboren 1958, begann im Alter von 10 Jahren Gitarre zu spielen. Nachdem er lange Zeit als liedermacher unterwegs war, widmete er sich der E-Gitarre. Heute spielt er 12 vor allem Flamencogitarre.