Neue Methoden im Recht Herausgeber: Prof. Dr. jur. Fritjof Haft Universität Tübingen
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Neue Methoden im Recht Herausgeber: Prof. Dr. jur. Fritjof Haft Universität Tübingen
Verhandeln und Vergleichen als juristische Fertigkeiten
Herausgegeben von Dr. jur. Walther Gottwald Richter am Oberlandesgericht Stuttgart Dr. jur. Fritjof Haft Professor an der Universität Tübingen
Attempto Verlag Tübingen
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Verhandeln und Vergleichen als juristische Fertigkeiten / hrsg. von Walther Gottwald ; Fritjof Haft - 2. Aufl. - Tübingen : Attempto-Verl., 1993 (Neue Methoden im Recht; Bd. 3) ISBN 3-89308-188-7 NE: Gottwald, Walther [Hrsg.]; GT
© 1987,1993; 2. Auflage, ATTEMPTO Verlag Tübingen GmbH Alle Rechte vorbehalten Gesamtherstellung ATTEMPTO Verlag Tübingen GmbH Satz: Alexander Lieventhal, Tübingen Druck: Rottenburger Druckerei, Rottenburg Einband: Industriebuchbinderei Nädele, Nehren ISBN 3-89308-188-7
Inhalt Dr. Walther Gottwald Einführung in das Thema
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Prof. Dr. Fritjof Haft Was kann Verhandlungen schwierig machen - und wie überwindet man diese Schwierigkeiten? 14 Prof. Dr. Günter Bierbrauer
Zur Sozialpsychologie des Verhandelns - Strategien der Beeinflussung und psychologische Fallen 34 Dr. Walther Gottwald Stadien, Strategien und Maximen in Verhandlungen
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Prof. Rolf Bender / Dr. Walther Gottwald Lassen Sie sich nicht manipulieren!
90
Dieter Treuer Impressionen über den gerichtlichen Vergleich
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Prof. Dr. Fritjof Haft Folgerungen für Ausbildung und Praxis
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Literaturverzeichnis
137
Autoren
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Register
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Einführung in das Thema Walther Gottwald
l. Die Welt des Verhandelns und das Ausbildungsdefizit Rechtskonflikte - so scheint es - sind eine Wachstumsindustrie. Juristisch geregelt werden sie in der Meinung der Öffentlichkeit, aber auch vieler Juristen, in erster Linie in den geheiligten Hallen der Gerichte in den gemessenen Schritten der staatlichen Justiz durch das streitige Urteil des Richters. Wie Anwälte aus ihrer Berufspraxis wissen und neuere deutsche und amerikanische rechtssoziologische Untersuchungen auch empirisch belegen, sieht die Rechtswirklichkeit ganz anders aus. Danach gelangen 90 % aller privatrechtlichen Streitigkeiten, die sich zu Gerichtsfällen entwickeln könnten, erst gar nicht zu den Gerichten, sondern werden von den Parteien selbst oder mit Hilfe ihrer Anwälte in Verhandlungen beigelegt (Blankenburg, 1980; Galanter, 1983; Law & Society Review 1980 / 81). Die Gerichtspraxis sowie die in ihr zu erwartenden Kosten und Unsicherheiten bilden dabei Hintergrund und Bezugspunkt für den Aushandlungsprozess. Suchen die Parteien einen Anwalt auf, so wird daraus nach einer amerikanischen Studie zum Anwaltsverhalten nur in jedem 10. Fall ein Gerichtsfall - alles andere wird durch Verhandlungen mit der Gegenseite beigelegt (Williams, 1983). Aber auch ein großer Teil der Fälle, die schließlich nach diesem Filterprozess noch vor Gericht gelangen, wird nicht streitig entschieden. So kommt bei uns in der Ziviljustiz - die von der Verfahrenssoziologie vielleicht am besten untersucht ist - in etwa auf drei Urteile ein Vergleich (Flenz, Gottwald & Wedekind, 1983); andere Formen der Streiterledigung wie Klagerücknahmen, Versäumnisurteile, Anerkenntnisse und Erledigungserklärungen sind oft nichts anderes als „verpackte", „verdeckte" Vergleiche und dokumentieren, dass auch während des laufenden Gerichtsverfahrens noch Verhandlungen stattfinden. So nimmt z.B. der Versicherungsnehmer die Klage zurück, weil die Versicherung unmittelbar vor dem Termin gezahlt hat,
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Walther Gottwald
oder man erklärt den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, weil die Versicherung noch im laufenden Prozess lieber zahlt, als weitere Kosten riskiert. Und kommt es schließlich zu einem Urteil, so wird daraus auch nicht immer so einfach vollstreckt, wie uns das in Lehrbüchern vorgeführt wird, sondern mit dem Urteil in der Hand beginnt vielfach eine neue Verhandlungsrunde: Gläubiger und Schuldner verhandeln miteinander, oder der Gerichtsvollzieher verhandelt mit beiden, z.B. über Zahlungsdaten und Zahlungshöhe. Es wechselt lediglich die Arena, und wer in der gerichtlichen Auseinandersetzung gewonnen hat, muss in der Arena der Schuldbeitreibung nicht unbedingt der Erfolgreichere sein, hängt doch oft die Realisierung des Urteils zu einem großen Teil von der Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners ab (Blankenburg & Rogowski, 1983; Blankenburg & Voigt, 1987; Gottwald, 1990). Vor, während und nach dem Gerichtsprozess finden also vielfach Verhandlungen statt - zwischen den Parteien allein, mit ihren Anwälten oder in Gegenwart eines Richters, Rechtspflegers oder Gerichtsvollziehers. Und diese Welt des Verhandelns mit ihren eigenen Regeln, Strategien und Taktiken ist natürlich nicht nur auf die Privat Rechtskonflikte beschränkt, sie lässt sich leicht für die Strafjustiz (Deal, 1982; Maynard, 1984; Schmidt-Hieber, 1982; 1986a; 1986b; Widmaier, 1986) ebenso wie für die Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit nachweisen (Brohm, 1990; Hoffmann-Riem et al., 1990; Richli, 1991). Juristen verhandeln jedoch nicht nur zur Beilegung von Streit. Ebenso bedeutsam ist ihre Tätigkeit zur Regelung der zukünftigen Rechtsverhältnisse der Parteien (Eisenberg, 1976). Auch diese Verhandlungstätigkeit durchzieht sämtliche Sparten juristischer Tätigkeit und ist nicht nur eine Frage der richtigen Vertragsgestaltung, also dessen, was vereinbart wird, sondern vor allem auch des Aushandlungsprozesses, also wie es zu der Vereinbarung kommt. Streitbeilegung und Rechtsgestaltung durch Verhandlungen sind deshalb sozial bedeutsame und praktisch wichtige Felder juristischer Berufstätigkeit. Aber wo taucht diese Welt des Verhandelns in der Prozessrechtslehre auf? Man findet sie bisher in keinem Lehrplan der Universitäten oder Referendar-Arbeitsgemeinschaften. Anhand
Einführung in das Thema
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höchstrichterlicher Rechtsprechung und der Klausurentechnik orientiert sich die Ausbildung einseitig auf die Streitentscheidung des Richters hin obwohl doch auch der Richter verhandelt und vergleicht und obwohl doch von immer mehr Jungen Juristen immer weniger in die Justiz gehen können und deshalb in Verhandlungsberufe drängen, bei denen - wie bei der Anwaltschaft - Fertigkeiten im Verhandeln weit mehr noch gefragt sind als beim Richter. So bedeutet nach Schätzungen des Deutschen Anwaltvereins für 70-80% der Studienanfänger die Aufnahme des Jurastudiums heute zugleich die Entscheidung, später Anwalt zu werden. Viele andere werden in Wirtschaftsuntermehmen, zu Versicherungen und in andere Sparten gehen, in denen Verhandlungsfähigkeiten vorrangige Bedeutung haben. Nur ca. 10% gelangen nach den Schätzungen des Deutschen Anwaltvereins (Commichau, 1984, 73) zur Justiz und Verwaltung.
2. Warum das Ausbildungsdefizit? Nun liegt die Frage auf der Hand: wenn Verhandeln so bedeutsam ist, warum dann dieses Ausbildungsdefizit? Eine erste Erklärung kann sein, dass wir gar keine Defizite in unseren Verhandlungsfertigkeiten haben. Wann immer wir etwas von jemandem wollen, müssen wir doch verhandeln, und Verhandeln ist uns so alltäglich wie Reden und Atmen. Deshalb kann es doch sein, dass wir - ähnlich wie wir ganz automatisch reden und atmen können - quasi angeboren über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Verhandeln verfügen. Von Kindheit an verhandeln wir doch - ob es darum geht, wer das Kettcar fahren darf oder den Hof fegen muss, und auch später verhandeln wir laufend - mit unseren Freunden, der Ehefrau, den Kindern, den Kollegen, Vorgesetzten und in vielen anderen alltäglichen Situationen. Aber können wir deswegen auch schon in juristischen Situationen verhandeln? Allein aus dem Gefühl wollen wir diese Frage nicht beantworten. Wie lässt sie sich dann aber beantworten?
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Walther Gottwald
Eine Kritik an der Vorstellung „angeborener" Verhandlungsfertigkeiten würde sicherlich ernst genommen, wenn z.B. in einem völlig identischen Fall nach völlig identischem Recht verschiedene Verhandler zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kämen. Am leichtesten ließe sich das feststellen, wenn ausgehandelte Geldbeträge verschieden wären. Dann können die Unterschiede mit Sicherheit nicht allein am Fall liegen, sondern auch oder ganz am Verhandler, und es stellt sich sofort die Frage nach den Fähigkeiten des Verhandlers. Genau diesen Weg ist eine empirische Untersuchung über das Verhandlungsverhalten von Anwälten gegangen. Dem amerikanischen Rechtsprofessor Gerald Williams (1983, 5) und seinem Forschungsteam aus Soziologen und Psychologen gelang das kleine Wunder, die Mitarbeit von 40 praktizierenden Anwälten für eine Verhandlungssimulation zu gewinnen. In einem Schadensersatzprozess hatten die Anwälte entweder den Geschädigten oder die Versicherung zu vertreten. Nach Zufallsgesichtspunkten wurden sie entweder zu Vertretern des Geschädigten oder der Versicherung bestellt. Bei völlig identischem Sachverhalt für alle 20 Verhandlungspaare war der Fall nach dem Recht des Einzelstaates Iowa zu behandeln. Die Anwälte erklärten sich damit einverstanden, dem Ganzen noch dadurch etwas Pfiff zu geben, dass die Ergebnisse später unter den Namen der Verhandler veröffentlicht wurden. Ein gutes Stück beruflicher Reputation stand also für sie auf dem Spiel. Was dabei herauskam, ist verblüffend und ernüchternd zugleich. Völlig wahllos reichen die Anfangsforderungen der Anspruchssteller von 32.000 $ bis zu 675.000 $, die Anfangsangebote der Anwälte der Versicherer von 3.000 $ bis zu 50.000 $. Die Verhandlungsübereinkünfte klaffen ebenso weit auseinander und gehen von 15.000 $ bis zu 95.000 $, bei einem durchschnittlichen Verhandlungsergebnis von 47.000 $ (Abb. l). Einige der Verhandlungspaare hatten dann doch nicht den Mut, ihre Zahlen mitzuteilen, andere kamen zu keiner Übereinkunft. Man muss sich angesichts dieser großen Unterschiede schon fragen: Was ist das für ein Vertreter des Geschädigten, der mit einer Anfangsforderung von 32.000 $ beginnt, wenn die durchschnittliche Verhandlungsübereinkunft bei 47.000 $ liegt? Oder umgekehrt: was ist das für ein Vertreter der Versicherung, der ein Anfangsangebot
Einführung in das Thema
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Anfangsforderung des Geschädigten ($)
Anfangsangebot der Versicherung ($)
Verhandlungsergebnis ($)
l. 2.
32.000 50.000
10.000 25.000
18.000 keine Einigung
3. 4.
675.000 110.000
32.150 3.000
95.000 25.120
5.
nicht zugeteilt
nicht mitgeteilt
15.000
6.
100.000
5.000
25.000
7.
475.000
15.000
keine Einigung
8. 9.
180.000 210.000
40.000 17.000
80.000 57.000
10.
350.000
48500
61.000
11.
87.500
15.000
30.000
12.
175.000
50.000
keine Einigung (angenähert auf 137.000 - 77.000)
13.
97.000
10.000
57.500
14.
100.000
nicht mitgeteilt
56.875
Durchschnitts-Ergebnis 47.318
Abbildung l; Verhandlungen zwischen Anwälten (nach Williams, 1983, 7)
von 50.000 $ macht, obwohl die durchschnittliche Übereinkunft nur bei 47.000 $ liegt? Die Mandanten müssen sich deshalb die Frage gefallen lassen, wie effektiv sie von ihren Anwälten in Verhandlungen vertreten werden. Offensichtlich fallen wir nicht alle gewissermaßen als Meister im Verhandeln vom Himmel. Wie lässt sich das Ausbildungsdefizit dann erklären? Eine zweite Erklärung für die geringe Beachtung von Verhandlungsfertigkeiten ist, dass ein Training in „Fertigkeiten" innerhalb einer wissenschaftlichen Institution wie der Universität keinen Platz hat. Aber warum eigentlich nicht, wenn die spätere Berufspraxis nicht nur von der juristischen Fachkompetenz, sondern zu einem so großen Teil von der sozialen Kompetenz zur Verhandlungsführung beherrscht wird? Und warum ist es an hochrenommierten amerikanischen Law Schools wie z.B. der Harvard Law School gang
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Walther Gottwald
und gäbe, sog. „Clinical Courses" abzuhalten, in denen die Studenten in Prozessführung und Prozesstaktiken und eben auch in Verhandlungsfertigkeiten geschult werden (vgl. Journal of Legal Education, 1984)? Und ist es nicht sinnvoller, die Regelung von Rechts Streitigkeiten auch einmal aus der Perspektive des Normalen, Alltäglichen - und das ist eben die Regelung durch Verhandlungen -kennenzulernen als stets aus der „Worst-Case"-Perspektive eines vollentfachten Gerichtsprozesses? Eine dritte Erklärung: Verhandeln und Vergleichen kann man nicht lernen und lehren. Daran stimmt sicherlich, dass Verhandeln ein komplexer Prozess ist und manche sich damit leichter tun als andere. Der Zivil- oder Strafprozess mit seinen festgefügten Regeln und Rollenzuweisungen lässt sich leichter in den Griff bekommen und bezieht auch die Lehrenden emotional nicht so ein. Es gibt aber bestimmte Elemente und Maximen in Verhandlungen, die von allen erlernt werden können (Lewicki, 1986). Wer sie - als eine Art theoretischen Rahmen - im Hinterkopf hat, kann daran ermessen, was er richtig, vor allem auch, was er falsch gemacht hat. Er muss dann nicht in jeder Verhandlungssituation gewissermaßen „das Rad wiedererfinden". Durch Selbstbeobachtung muss er seine Verhandlungserfahrung freilich stets hinterfragen und seine Theorie aus dieser Erfahrung ergänzen. Wir sind davon überzeugt, dass eine solche theoretisch untermauerte Verhandlungserfahrung sehr viel besser ist als das Vertrauen auf eine unreflektierte Erfahrung. Denn „Erfahrung" kann eben auch das sein, was man schon zwanzig Jahre lang falsch macht.
3. Das Tübinger Verhandlungsseminar Obgleich sich die Notwendigkeit geradezu aufdrängt, Fertigkeiten im Verhandeln in die Aus- und Fortbildung einzuführen, ist die Umsetzung eines solchen Planes in die Ausbildungspraxis nicht einfach. Glücklicherweise gibt es Vorbilder: Zunehmend schulen die ohnehin stärker pragmatisch ausgerichteten amerikanischen Law Schools wie die bereits erwähnte Harvard Law School (Gottwald, 1984; Goldberg, Green & Sander, 1985) Fähigkeiten im Verhandeln.
Einführung in das Thema
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Auch bei uns bemüht sich die Managementschulung teilweise darum - freilich zu Preisen, die dem gewöhnlichen Sterblichen kaum und schon gar nicht Studenten oder Referendaren erschwinglich sind. Von der Qualität her gibt es für diese Kurse und Seminare auch oft keine Grenzen nach unten, vor allem sind sie aber nicht auf speziell juristische Verhandlungssituationen abgestimmt. Allerdings steht eine reichhaltige Literatur zur Verfügung - jedoch fast alles aus dem amerikanischen Sprachbereich und verstreut auf ganz verschiedene Wissenschaftsdisziplinen, da sich auch dort für die Juristen das Berufsfeld der Verhandlungsführung erst herausbildet (Fisher, 1983a). Nur wenige werden aber die Zeit dazu finden, sich diese Literatur zusammenzusuchen und sie zu lesen. Das Ausbildungsdefizit auf der einen Seite und unsere individuellen Verhandlungserfahrungen sowie das Literaturangebot auf der anderen Seite gaben den Ausschlag für den Versuch, auch bei uns mit einer Verhandlungslehre zu beginnen. Zu diesem Ziel haben wir - Praktiker und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen - uns zusammengetan. Das erste Seminar war im Wintersemester 1984 / 85 an der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen, und seither führen wir das Seminar dort als Block einmal pro Semester durch. Der vorliegende Band enthält als eine Art erste Bilanz einige der Beiträge zu dem Seminar. In ihm stellen wir juristische und psychologische Strategien zur Erzielung von Übereinkünften vor. Dabei führen wir auch in eine spezielle Verhandlungsarena ein: die gerichtliche 1 Vergleichsverhandlung. Ferner beschreiben wir Manipulationsgefahren und die Möglichkeiten, sie abzuwehren. Im Anhang haben wir möglichst umfassend, auch unter Berücksichtigung ausländischer Veröffentlichungen, die Literatur zusammengestellt, die wir für lesenswert erachten.2
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Vgl. dazu jetzt: Gottwald/Treuer 1991. Die grundlegenden Werke haben wir zur leichteren Orientierung durch Fettschrift gekennzeichnet.
Was kann Verhandlungen schwierig machen und wie überwindet man diese Schwierigkeiten? Fritjof Haft
Kurzfassung Der Beitrag untersucht zunächst die Dinge, welche Verhandlungen schwierig machen können, und gibt anschließend Hinweise zur Überwindung dieser Schwierigkeiten. Schwierigkeiten ergeben sich aus der Sache selbst (Komplexität des Verhandlungsgegenstandes), den beteiligten Personen (schwierigen Verhandlungspartnern) und der Verhandlungssituation (eine eigendynamische Situation mit hifonnationsdefizit). Die Überwindung dieser Situation erfolgt durch Strukturdenken. Diese Methode wird erläutert und es werden generelle und spezielle Strategien des Strukturdenkens dargestellt.
Gliederung A. Was kann Verhandlungen schwierig machen? 1. Die Komplexität des Verhandlungsgegenstandes 2. Schwierige Personen in Verhandlungen 3. Die schwierige Verhandlungssituation B. Wie überwindet man die Schwierigkeiten in Verhandlungen? l. Was ist Strukturdenken? Z Strategien des Strukturdenkens a) Generelle Strategien b) Spezielle Strategien
Verhandlungsschwierigkeiten und ihre Überwindung
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A. Was kann Verhandlungen schwierig machen? Drei Dinge können Verhandlungen schwierig machen - die Sache selbst, die Personen, mit denen man es zu tun hat, und die Situation. l. Die Komplexität des Verhandlungsgegenstandes Zunächst zur Sache selbst: Regelmäßig haben wir es mit komplexen Verhandlungsgegenständen zu tun. Wenn wir juristische, kaufmännische, finanzielle, personelle, technische usw. Probleme zu beraten haben, müssen wir viele Aspekte berücksichtigen, die durchweg miteinander „vernetzt" zu sehen sind. Oftmals steht uns nicht ein klar umrissenes Ziel vor Augen, sondern müssen wir uns erst tastend zum Ziel vorarbeiten. Es kann auch so liegen, dass verschiedene - u.U. einander entgegengesetzte - Ziele miteinander konkurrieren. Für diese Situation ist unser menschliches Denkund Sprechvermögen ersichtlich schlecht gerüstet. Wir können gut Geschichten erzählen und sinnlich erlebte Erfahrungen austauschen. Wir kommen aber in Schwierigkeiten, wenn wir vom „Geschichtenerzählmodus" in den „Systemmodus" übergehen wollen - und bei Verhandlungen müssen wir das tun. Den Psychologen ist dieser Befund wohlvertraut. So schreibt Dörner (1983): „Ein polytelisches Handeln in vernetzten Bereichen war in früheren Zeiten, in denen die Lebensbereiche voneinander mehr isoliert waren, nicht so notwendig wie heute, und es gibt gute Gründe für die Annahme, dass es oftmals eine Überforderung für Menschen darstellt... Wir glauben, dass die bislang herrschenden Denktraditionen der Notwendigkeit, in Problemnetzen zu denken, nur wenig gerecht werden. Die Tendenz zum monokausalen Denken in Wirkungsketten statt in Wirkungsnetzen ist nicht verträglich mit der Notwendigkeit, „vernetzt" zu denken" (S. 23). Die Begrenztheit unserer informationsverarbeitenden menschlichen „Hardware" wurde von Miller klassisch im Slogan „The magical number seven, plus or minus two" ausgedrückt. Vereinfachte Verarbeitungsstrategien und Alltagstheorien helfen uns, mit dieser Begrenztheit zu leben. Der Missbrauch dieser Verfahren bewirkt, dass wir manipuliert werden
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Fritjof Haft
können1. Dies soll hier nicht weiter verfolgt werden. Im Augenblick geht es nur um die Feststellung, dass Verhandlungsthemen regelmäßig so komplex sind, dass sie unser Wahrnehmungs- und Denkvermögen leicht überfordern. Ich will diese Überforderung unter dem Aspekt des juristischen Entscheidens genauer analysieren. Geschichtlich trat sie wohl erstmals auf, als die klassischen römischen Juristen von der kasuistischen Entscheidung einzelner Rechtsfälle dazu übergingen, ein System des Rechts zu entwickeln (Haft 1986). Damit wurde es notwendig, den oben erwähnten „Geschichtenerzählmodus" (Reden über den Einzelfall) zu verlassen und zum „Systemmodus" (Einstellen eines Einzelfalles in ein System von bereits entschiedenen, rechtlich ähnlichen anderen Fällen) überzugehen. Für den Geschichtenerzählmodus hatte gegolten - und gilt heute noch - was den Sprachwissenschaftlern ein wohlvertrauter Berund ist: dass man nämlich über den einzelnen Fall sagen kann, was man nur sagen will. Notfalls erweitert man die Grenzen der Sprache. Insbesondere in der schöngeistigen Literatur kann dieser Vorgang sehr bewusst vollzogen werden. Für den juristischen Systemmodus gilt dies dagegen nicht. Hier muss man mehrere, u.U. sehr viele Fälle unter verschiedenen rechtlichen Aspekten vergleichen, und hier waren schon die antiken Juristen gezwungen, durch Steigerung des sprachlichen Abstraktionsgrades radikale Vereinfachungen herbeizuführen. Ein Beispiel bietet die Zusammenfassung aller nichtmenschlichen Gegenstände der realen Welt unter dem abstrakten Rechtsbegriff „Sachen". Dieser erlaubt es, so unterschiedliche Fälle wie das Demolieren von Telefonzellen, das Luftablassen aus Autoreifen, das Töten von Tieren, das Bekleben von Hauswänden u. dgl. mehr unter dem rechtlichen Aspekt der Sachbeschädigung vergleichbar zu machen. Zugleich ermöglicht er es zusammen mit dem Gegenbegriff „Personen", die gesamte empirische Welt in einer Zweiteilung unterzubringen, welche nicht nur eine tragende Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches ist, sondern auch vorzüglich in das menschliche Arbeitsgedächtnis passt. Besonders deutlich wird unsere Überforderung da, wo wir als Juristen auf Grenzen solcher Begriffsabstraktionen stoßen. Während 1
Siehe die Beiträge von Bierbrauer und von Bender / Gottwald in diesem Band.
Verhandlungsschwierigkeiten und ihre Überwindung
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man im 19. Jahrhundert an die logische Stringenz geschlossener Begriffssysteme geglaubt und geradezu eine Begriffsjurisprudenz gelehrt hatte, ist in der Gegenwart das Wissen um die Begrenztheit formallogisch exakter Operationen allgemein verbreitet. Dem „Begriff" wird in der zeitgenössischen Methodenliteratur der „Typus" gegenübergesetzt, und es wird betont, dieser sei „die Mittelhöhe zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen, ... ein vergleichsweise Konkretes, ein universale in re ...", welches „nicht definierbar, sondern nur 'explizierbar'" sei (Arthur Kaufmann 1982, S. 47). Hier wird also eine Grenze des Systemdenkens gesehen. Was nur explizierbar ist, kann nur im Geschichtenerzählmodus behandelt werden. Und ganz folgerichtig wird das schöpferische Element der Rechtsanwendung betont, die hermeneutische Kunst des Juristen, der Sollen und Sein in die „Entsprechung" bringen müsse (Arthur Kaufmann 1982, S. 18). Karl Larenz, der mit seiner „Methodenlehre der Rechtswissenschaft" das wohl einflussreichste juristische Methodenbuch der Gegenwart geschrieben hat, erläutert den nicht definierbaren Typus, der „keine einfache Subsumtion erlaubt", am Beispiel des „Tierhalters" i.S.d. § 833 BGB. Weder die Eingliederung des Tieres in den Hausstand oder Wirtschaftsbetrieb noch die tatsächliche Gewalt, der unmittelbare oder mittelbare Besitz seien unverzichtbare, d.h. begriffliche Merkmale. Jedes dieser Merkmale könne aber von Bedeutung sein in Verbindung mit dem Interesse an der Tierhaltung. Dieses wiederum könne bei verschiedenen Personen in verschiedener Stärke vorliegen; es sei also ein „abstufbares" Merkmal. Entscheidend sei das Interesse in Verbindung mit wenigstens einem der anderen Momente. Eine weitere Unsicherheitsrelation ergebe sich aus der Bedeutung des Zeitfaktors; so berühre eine vorübergehende Besitzentziehung die Tierhaltereigenschaft nicht. Wegen all dieser Unsicherheiten handle es sich beim „Tierhalter" nicht um einen Begriff, sondern um einen Typus (Larem 1983, S. 207 ff.). Erstaunlicherweise ist in der juristischen Methodenliteratur bislang kaum darüber nachgedacht worden, dass bei der im Typus sichtbar werdenden Problematik nicht eine generelle Schranke, sondern eine Begrenzung unseres Denkvermögens sichtbar wird. In der Rechtsinformatik befasst man sich gegenwärtig mit Experten-Systemen, die
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Fritjof Haft
das von Larenz beschriebene Problem - die Bewältigung zahlreicher, nicht immer zwingend erforderlicher, teilweise abstufbarer Variabler in einem System - lösen können (näher Haft 1986). Nicht das Problem ist unlösbar, sondern die Fähigkeit unseres Kopfes, es bei vorwiegend inhaltlichem Denken zu lösen, ist begrenzt. Ich will hier nicht den Experten-Systemen nachgehen. Ich will nur auf eine Überforderung unseres Denkvermögens hinweisen, die wir aus prinzipiellen Gründen solange nicht überwinden können, wie wir in inhaltlichen Kategorien denken müssen. Unser Erfolg in Verhandlungen wird wesentlich davon abhängen, wie wir mit diesem Handicap zurechtkommen. 2. Schwierige Personen in Verhandlungen Unsere Partner, aber auch wir selbst, können schwierig sein. Wir können etwa kompetitiv veranlagt sein oder auf andere stoßen, die ihrerseits kompetitiv veranlagt sind; wir können in Verhandlungsfallen geraten, und wir können es mit Manipulationen zu tun haben.2 Davon will ich jetzt nicht reden. Vielmehr will ich die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die eben erwähnten Schwierigkeiten, Komplexität im Systemmodus zu erfassen und abzuarbeiten, nicht nur bei uns auftreten. Sie sind bei unseren Verhandlungspartnern aus denselben Gründen wie bei uns in gleicher Weise und ebenfalls prinzipiell nicht behebbar vorhanden. Das sollte man sehen und Konsequenzen daraus ziehen. Wenn wir uns selbst helfen, die Komplexitätsprobleme zu lösen, so sollten wir auch unseren Partnern dazu verhelfen, und zwar - dies wird noch näher auszuführen sein - in einer Weise, die uns möglichst die formale Führung der Verhandlung sichert. Hierin wird ein wesentliches - ja, das wesentliche - Überzeugungsmittel in Verhandlungen liegen. Wenn das regelmäßig nicht gesehen wird, so deshalb, weil wir nicht gewohnt sind, uns selbst und andere bei Verhandlungen zu beobachten, und weil wir mehr oder weniger unbewusst nach dem Talleyrandschen Grundsatz handeln, der besagt, wir müssten grundsätzlich unsere Karten versteckt halten. 2
Siehe die Beiträge von Bierbrauer und Bender l Gottwald m diesem Band.
Verhandlungsschwierigkeiten und ihre Überwindung
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Es wird aber unvermeidlich sein. Beobachtungsstrategien zu entwickeln. Dies wird uns zunächst schwerfallen, weil die Situation uns ohnehin schon wie oben dargelegt - überfordert. Es erfordert ein beträchtliches Maß an Überwindung, in solcher Lage auch noch den Aufwand einer Beobachtung sowohl des Partnerverhaltens wie des eigenen Verhaltens zu leisten. Gleichwohl ist dieser Aufwand unerlässlich. Ohne ihn wird ein optimales Verhandlungsergebnis kaum zu erzielen sein. Und was schließlich die Geheimdiplomatie angeht, sollte man bedenken, dass nur sehr wenige Punkte in Verhandlungen wirklich geheim bleiben müssen. Die weitaus meisten Punkte können offen auf den Tisch gelegt werden. Das Schicksal Talleyrands sollte zu denken geben. Als er starb, stellte man sich an allen europäischen Höfen nur eine Frage: „Was führt er jetzt wieder im Schilde?" 3. Die schwierige Verhandlungssitualion
Die Hauptschwierigkeit ergibt sich unmittelbar aus dem oben Gesagten: Wir haben zu wenig Informationen, und selbst wenn wir sie haben, sind wir nicht imstande, sie so in unser Gehirn einzuladen, dass wir ein optimales Verhandlungsprogramm fahren können. Hinzu kommt, dass wir uns oftmals in eigendynamischen Situationen befinden, in denen keine Entscheidung auch eine Entscheidung ist. So mag es sein, dass eine Frist läuft und ein Bescheid rechtskräftig wird, wenn wir nicht ein Rechtsmittel einlegen. Oder in einem Unternehmen läuft eine bestimmte Produktion weiter, sofern nicht etwas anderes entschieden wird. In solcher Lage hat man nicht mehr die Freiheit des Ob, sondern nur noch des Wie. Davon kann ein belastender Zugzwang ausgehen. Schließlich ist zu beachten, dass Verhandlungen einen Phasencharakter haben.3 Manche Dinge haben ihren festen Platz, und es kann für sie ein „Zu früh" oder „Zu spät" geben. Es wird also auch ein Phasenmanagement der Verhandlung erforderlich sein.
3
Siehe den Beitrag von Gottwald, Stadien..., in diesem Band.
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Fritjof Haft
B. Wie überwindet man die Schwierigkeiten in Verhandlungen? Nachdem ich - bewährten Dramaturgiemustern folgend - die Verhandlungsschwierigkeiten in ihrem vollen Gewicht dargestellt habe, will ich nun Wege zur Überwindung dieser Schwierigkeiten eröffnen. Es handelt sich um Wege, die nicht nur theoretisch fundiert sind (Haft 1985), sondern die auch in praktischen Übungen gebahnt wurden. Ich habe zahlreiche Rhetorikseminare für Berufspraktiker veranstaltet, für Experten, die durchweg über reiche Verhandlungserfahrungen verfügten. Das in den Seminaren gewonnene Feedback hat mir geholfen, mich vor allzu theoretischen Höhenflügen zu bewahren. Mein Ratschlag zur Überwindung der Verhandlungsschwierigkeiten lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Strukturdenken. Ich empfehle, diese Methode kennenzulernen, sie gedanklich zu reflektieren und Strategien zu ihrer Einübung zu befolgen. l. Was ist Strukturdenken? Strukturdenken ist ein Denken, welches in komplexen Situationen den Systemmodus zur Anwendung bringt und sich dabei der Tatsache bewusst ist, dass uns diese Anwendung eigentlich nicht möglich ist. Beim Strukturdenken arbeitet man mit Strukturen, soweit das möglich ist - und es ist immer nur in Grenzen möglich. Im Grunde kommen wir beim inhaltlichen Denken über den Geschichtenerzählmodus nicht hinaus. Aber ein gewisses „Mehr" ist doch erreichbar. Um dieses „Mehr" geht es. Man kann dabei gewisse Anleihen bei der juristischen Methode aufnehmen. Ich sagte ja schon, dass die Notwendigkeit, im Systemmodus zu operieren, historisch erstmals bei den klassischen römischen Juristen auftrat. Was seitdem dort entwickelt wurde, kann auch in anderen Anwendungsgebieten mit Nutzen verwendet werden. Freilich darf man sich dabei nicht durch das verwirren lassen, was heute weithin als juristische Methode bezeichnet wird. Soweit diese hermeneutisch als Lehre der Auslegung und des Verstehens bezeichnet und gesehen wird, orientiert sie sich von vornherein in
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einem Bezugsrahmen, der die Möglichkeit prinzipieller Beschränkungen des menschlichen Gedächtnisses, insbesondere des Arbeitsgedächtnisses, nicht berücksichtigt. Gerade von diesen Begrenzungen her lassen sich aber mögliche Leistungsverbesserungen entwickeln. Vielleicht liegt es daran, dass der Blick auf diese Begrenzungen erst durch Analogien zur formalen Leistungsfähigkeit von Computern frei wurde, dass diese Sicht bislang kaum existiert. Die meisten Juristen räumen dem Computer keinen hohen Stellenwert ein. Das wird sich ändern, wenn Experten-Systeme die Handhabung abstrakter, unbestimmter Rechtsbegriffe durch Gewinnung von Systemregeln aus den zugrunde liegenden Fällen verbessern werden (näher dazu Haft 1986, 1987). Dann wird sich auch zeigen, dass der scheinbare Widerspruch zwischen geschichtlicher Rechtsinformatik und geschichtlicher Hermeneutik nur ein scheinbarer Widerspruch ist. Im Zentrum der Rechtsinformatik wird nicht der logische Kalkül stehen, sondern die elektronisch gespeicherte und erschlossene geschichtliche - Fallerfahrung, die im Kopf von keinem Menschen bewältigt werden kann. Aber ich will nicht spekulieren, sondern handfeste Strategien angeben. Hier sind sie: 2. Strategien des Strukturdenkens a) Generelle Strategien Ich nenne drei (sich teilweise überschneidende) Strategien: aa) Man sollte die Informationsverarbeitung im eigenen Kopf wie im Kopf des Partners in Analogie zu den Befunden der maschinellen Informationsverarbeitung sehen, bb) Man sollte sich des Modellcharakters der Sprache bewusst sein. cc) Und man sollte Beobachtungsstrategien zur Selbsterkenntnis wie zur Erkenntnis anderer entwickeln. aa) Zunächst zur Analogie zum Computer. Ich will mich hier nicht mit der unfruchtbaren Frage auseinandersetzen, ob Computer denken können. Ich will lediglich auf gewisse Analogien hinweisen, die auch dann von Nutzen sind, wenn man sich dessen bewusst ist, dass es sich um sehr grobe Analogien handelt.
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Fritjof Haft
So hat jeder Computer einen Arbeitsprozessor, in welchen Informationen über Eingabegeräte eingeladen werden müssen. Diese werden teils unmittelbar eingegeben, teils von anderen Speichern abgerufen. Es ist nützlich, sich in Analogie zu diesem simplen Schema ein menschliches Arbeitsgedächtnis vorzustellen, welches in Verhandlungen mit Informationen gefüttert wird - sei es durch Eingabe des Verhandlungspartners, sei es durch Abruf aus Externspeichern, z.B. Akten. Und es ist auch nützlich, sich klarzumachen, dass das Langzeitgedächtnis ein Externspeicher in diesem Sinne ist. Es ist mühevoll, dort Daten einzuspeichern - wir nennen diesen Vorgang Lernen. Und es ist mühevoll, dort Daten abzurufen - wir sprechen dann vom Erinnern (näher Haft 1984). Besonders nützlich ist es, sich die oben erwähnte Kapazitätsbeschränkung des menschlichen Arbeitsgedächtnisses bewusst zu machen. Dieses kann maximal nur etwa sieben „Items" (Strukturpunkte, Begriffe, Aspekte, Wörter...) gleichzeitig aufnehmen. In der Praxis sind es aber deutlich weniger als sieben. In der Praxis empfinden wir zwei Strukturpunkte schon als eine Menge und drei als beachtliche Fülle. Am liebsten hätten wir es immer nur mit einem einzigen Punkt auf einmal zu tun. (Deshalb hängen an Behördentüren Schilder mit der Aufschrift: „Bitte einzeln eintreten!") Die juristische Dogmatik bestätigt eindrucksvoll diesen Befund. Auf allen Ebenen, von den abstraktesten Rechtsinstituten bis zu den juristischen Begriffsdefinitionen, dominieren die Zwei- und Dreiteilungen. Wird diese Zahl deutlich überschritten, steigert man die Abstraktion, bis wieder eine Zwei- oder Dreiteilung entsteht. Ich nenne als Beispiel nur die strafrechtliche Garantendogmatik. Jahrzehntelang gab es hier eine klassische „Garantentrias" (Gesetz, Vertrag, Ingerenz). Als diese sich als zu eng erwies und immer neue Garantenpflichten „entdeckt" wurden, nahm man eine neue Gruppierung vor. Heute gibt es zwei Gruppen von Garantenpflichten, denen jeweils drei Untergruppen zugeordnet sind (Sicherungspflichten, nämlich Ingerenz, Beaufsichtigung anderer, Überwachung von Gefahrenquellen einerseits. Obhutspflichten, nämlich natürliche Verbundenheit, enge Gemeinschaftsbeziehungen, freiwillige Übernahme andererseits). Das ist so, nicht, weil es so ist, sondern weil es so gut in das menschliche Arbeitsgedächtnis hineinpasst.
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bb) Damit bin ich schon beim zweiten der oben genannten Punkte. Man sollte den Modellcharakter der Sprache sehen und sich klarmachen, dass hier Sprachmacht ausgeübt wird. Die Wirklichkeit des Juristen ebenso wie die Wirklichkeit in Verhandlungen ist weithin etwas, was erst dadurch entsteht, dass Sprachmodelle, gewissermaßen „Wirklichkeiten höherer Ordnung" (Walzlawick 1986) produziert werden. Ob ein Kaufpreis „angemessen" ist, ob ein Vorschlag „sachgerecht" ist, ob ein Kompromiss „vernünftig" ist, kann nicht den nackten Fakten entnommen werden, sondern hängt von der Sprachmacht derer ab, die sich auf diese Begriffe verständigen. Man sollte sehen, dass man weithin über Sprachmodelle verhandelt, die in der Welt der Tatsachen überhaupt keine Entsprechung haben. Man ringt - im Wortsinne - um Worte. cc) Das sollte man sehen, und damit bin ich beim dritten Punkt angelangt, der notwendigen Selbsterkenntnis und dem Bemühen um Erkenntnis des anderen. Beides ist natürlich nur sehr begrenzt möglich. Wir können uns kaum selbst analysieren, und der andere erscheint uns als eine Black Box, aus deren Signalen wir nur indirekte Rückschlüsse auf einen uns unbekannten Inhalt ziehen können. Gleichwohl sind (Selbst)Erkenntnisstrategien unerlässlich. Es sollte versucht werden, einen Kontrollmechanismus zu installieren, den man den „inter-externen Beobachter" nennen könnte, ein Gerät, welches uns und unseren Partner ständig kontrolliert und uns Meldung macht über das, was gerade geschieht, wenn wir verhandeln. In der modernen Sprachwissenschaft ist man der Meinung, dass nicht das sprachliche Zeichen die kleinste Einheit der Verständigung ist, sondern die Produktion des Zeichens in einem Sprechakt (Searle 1969). Die Pragmatik des sprachlichen Handelns konzentriert sich auf die Umstände, die erfüllt sein müssen, damit Sprechakte gelingen. Auch in Verhandlungen geschieht unentwegt etwas, gelingen und misslingen Sprechakte. Man braucht keine ausgearbeitete Linguistik, um diesen Vorgang reflektieren zu können. Ich würde nicht zur Installation des inter-externen Beobachters raten, wenn es nicht eine sehr rasch zu handhabende Methode gäbe, mit welcher diese Installation befördert werden kann. Das ist die Beobachtung der Körpersprache. Die Körpersprache wurde in den
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letzten Jahren vor allem in den USA eingehend erforscht. Sie ist keine exakte Sprache. Sie ist eine Sprache, die nicht über das abstrahierende, modelverarbeitende System unseres Gehirns läuft. Sie ist ursprünglicher und älter als unsere verbale Sprache. Sie setzt keine Umwandlung von Sinneseindrücken in abstrakte - und uns rasch überfordernde Zeichenmodelle voraus. Bei einem Konflikt zwischen Körpersprache und verbaler Sprache wird wegen dieser ihrer Unmittelbarkeit meistens der Körpersprache geglaubt. Ich habe in Experimenten die Situation simuliert, dass ein Staatsanwalt angewiesen wurde, gegen seine Überzeugung ein Plädoyer zu halten. (Diese Situation ist zwar nicht sehr realitätsnah, aber da Staatsanwälte weisungsgebunden sind, ist sie nicht unmöglich.) In keinem Fall gelang es den Probanden, die - nicht eingeweihten -Zuhörer zu überzeugen. Immer waren deutliche körpersprachliche Signale vorhanden, welche das gesprochene Wort dementierten. Auch in den Verhandlungsseminaren habe ich die Wirksamkeit der Körpersprache vielfach beobachtet und mittels Videoaufzeichnung analysiert. Normalerweise werden die körpersprachlichen Signale unbewusst gesendet und empfangen. Die Körpersprache entstand ja entwicklungsgeschichtlich lange, ehe unser modellverarbeitendes Informationssystem und damit unser „Bewußf'-Sein gebildet wurde. Aber nichts hindert uns, dieses System einzusetzen, um die Installation des internexternen Beobachters zu befördern. Wir bekommen auf diese Weise Informationen, die sonst auf keine andere Weise zu erlangen wären - über unseren Partner, aber auch über uns selbst. Wenn ich die Beobachtung von Körpersprache empfehle, so verbinde ich damit nicht den Rat, Verbesserungen einzuüben. Verhandlungspartner sind weder Schauspieler noch Politiker. Wenn uns die Körpersprache etwa anzeigt, dass wir unserem Partner gegenüber feindselig eingestellt sind was durch die zur „Pistole" oder zum „Schlachtschiff" zusammengelegten Hände geschehen kann - sollten wir nicht das körpersprachliche Signal, nicht die Geste ändern, sondern die Situation. Eine einzige Ausnahme hierzu gibt es. Wir sollten Strukturen durch bewusste Gesten unterstreichen und anschaulich machen. Hier sind etwa Handgesten zu nennen, bei denen man eine Zweierstruk-
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tur in die Luft modelliert. Oder Fingergesten, mit denen man eine Dreieroder Viererstruktur abzählt. Durch entsprechende Übungen kann man Verkrampfungen überwinden, die uns oft belasten. Auch befördert man die Anschaulichkeit in der Sache. Damit bin ich schon bei den speziellen Verhandlungsstrategien. b) Spezielle Strategien Hier nenne ich Strategien zur Bildung und Verwendung von Sachstrukturen, Personenstrukturen und Zeitstrukturen. aa) Sachstrukturen: Verhandlungen leiden meist darunter, dass Experten versammelt sind, die aus einem komplexen Thema beliebige Aspekte herausgreifen, und die sich in der Kürzelsprache von Fachleuten verständigen. Experten haben es nicht nötig, wie Anfänger, „schulmäßig" vorzugehen. Damit vergeben sie aber leicht ihre besten Chancen. Denn das Arbeitsgedächtnis von Experten ist nicht leistungsfähiger als das anderer Leute. Kein Experte ist dazu imstande, einen komplexen Gegenstand vollständig in sein Arbeitsgedächtnis einzuladen. Es kommt zu dem Phänomen, welches die Psychologen als Überwertigkeit des aktuellen Motivs bezeichnen. Dabei dominiert der gerade eingeladene Punkt. Ist dieser dem Partner unbequem, wechselt er einfach das Thema. Bei größeren Verhandlungsrunden kommt die Rednerliste mit ihrer unheilstiftenden Funktion hinzu: Beiträge werden nicht in einer sachlichen Folge, sondern in der Reihenfolge der Rednerliste geliefert - wodurch Sachstrukturen prinzipiell zerstört werden. Charakteristisch dafür ist die Wendung: „Ich möchte noch einmal den Punkt X aufgreifen..." Außerdem wird regelmäßig viel zu lange monologisiert. Man hat das Wort und nutzt die Gelegenheit, um all das zu sagen, was man auf dem Herzen hat - wer weiß, wann man das Wort wieder bekommt. Monologe werden vorwiegend im Geschichtenerzählmodus geführt. Der andere lässt die Geschichte durch sein Arbeitsgedächtnis „rauschen" und konzentriert sich auf seine eigene Geschichte, die er anschließend erzählen will. Die Zeit verrinnt, man dreht sich im Kreis und kommt nicht voran. Zum Schluss vertagt man sich. Richtig ist eine andere Strategie. Auch und gerade der Experte sollte grundsätzlich schulmäßig vorgehen. Er sollte nicht wie ein
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Experte, sondern wie ein Anfänger reden, aber wie ein Anfänger, der ein Experte ist. Er sollte systematisch vorgehen. Er sollte eine stimmige Struktur aufbauen, die so einleuchtend ist, dass der andere sie akzeptiert. Dabei sollte er sich ständig vergewissern, dass der andere der formalen Struktur auch zustimmt. Gegebenenfalls ist über die Struktur zu verhandeln. Der andere wird geneigt sein, zuzustimmen, weil es ja nur um formale Ordnungsfragen, nicht um die inhaltlichen Probleme geht. Formale Vorschläge werden gerne befolgt. Weil formale Probleme uns bei der Bearbeitung von Inhaltsfragen so rasch überfordern, sind wir froh, wenn jemand uns bei dieser Überforderung hilft. Der freundliche Helfer füllt das Arbeitsgedächtnis seines Partners mit einer Struktur. Er gewinnt die formale Führung - und Führung ist ein Ja-Nein-Begriff. Man hat sie, oder man hat sie nicht. Von der formalen Führung aus hat man die beste Chance, auch in Inhaltsfragen die Führung zu gewinnen und den anderen zu überzeugen. Keine andere „Rhetorik" kann das leisten. Man kann niemandem eine Überzeugung aufschwatzen (von der politischen Demagogie abgesehen). Aber man kann einen anderen erst formal gewinnen, um dann zu versuchen, ihn auch inhaltlich zu gewinnen. Die Mächtigkeit formaler Strukturen im Positiven zeigt sich auch darin, dass sie im Negativen ebenfalls viel stärker als inhaltliche Positionen wirken. Eine formale Kritik wird viel schärfer empfunden als eine inhaltliche Kritik. Wenn ich in Inhaltsfragen wie „Gut" -„Böse", „Schön" „Hässlich", „Angemessen" - „Nicht angemessen", „Gerecht" - „Nicht gerecht" eine andere Meinung habe als mein Partner und ihm dies sage, wird er nicht gekränkt sein. Wenn ich ihn aber formal kritisiere und etwa auf die Uhr sehe, während er spricht (was körpersprachlich die formale Kritik ausdrückt, er rede zu lang) wird er gekränkt sein. Wie sehen Sachstrukturen nun konkret aus? Es gibt hier viele Möglichkeiten. Nach meinen Erfahrungen bietet die Verwendung hierarchischer Begriffsstrukturen in Verhandlungen die besten Möglichkeiten. Bei dieser Methode bestimmt man zunächst mit aller Sorgfalt das Verhandlungsthema und arbeitet es dann hierarchisch, von oben nach unten, von links nach rechts ab. Zu den überraschenden Erfahrungen meiner Verhandlungsseminare gehört die Tatsache, dass über die präzise Bestimmung des Themas regelmäßig nicht nachgedacht wird. Experten wissen ja,
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worum es geht, und kommen gleich zur Sache. Aber es ließ sich regelmäßig nachweisen, dass sie nicht präzise wussten, worum es ging. Ungenauigkeiten an dieser entscheidenden Stelle wirken sich aber zwangsläufig auf den Gang der Verhandlung aus. Der wichtigste Augenblick einer Verhandlung findet demgemäß ganz zu Beginn statt, wenn - nach der Einleitungs- und Orientierungsphase - das Thema bestimmt und gegebenenfalls herausverhandelt wird. Anschließend kommen die zwei, drei Hauptpunkte, welche sich aus dem Thema ableiten lassen. Drei ist eine ideale Zahl, weil sie einerseits Reichtum in sich birgt, andererseits gut noch in unser Arbeitsgedächtnis passt, und dieses ausfüllt. Schon die antiken Rhetoriker wussten dies und empfahlen universell verwendbare Dreiergliederungen wie „Was war, was ist, was wird sein?" oder „Was ist, was sollte sein, was ist zu tun?". Danach kommen zu jedem der Hauptpunkte Unterpunkte - und so fort. Dabei sollte beachtet werden, dass die erwähnte Kapazitätsbeschränkung von etwa sieben „Items" auch für die Zahl der im Arbeitsgedächtnis zu verwaltenden Begriffsebenen gilt. Diese sollte die Zahl drei ebenfalls möglichst nicht überschreiten. Mit drei Ebenen kann man bereits siebenundzwanzig „Items" systematisch verwalten - eine enorme Menge. Ganz unten an den Knoten des Strukturbaumes kann man dann die inhaltlichen Beispiele anhängen. Sie werden im Geschichtenerzählmodus bequem bewältigt. Bei ihnen kann man sich erholen. Der Ablauf der Verhandlung sieht dann - verkürzt dargestellt - etwa so aus: „Wir sprechen über das Thema X - können wir uns darauf verständigen?" (Feedback) - „Das Thema X hat drei Aspekte, nämlich A, B und C - stimmen Sie zu?" (Feedback) - „Ich schlage vor, wir reden erst über A, dann über B, dann über C - sind Sie einverstanden?" (Feedback) - usw. Auf diese Weise ist es möglich, einen komplizierten Strukturverband in Einzelausschnitten in das Arbeitsgedächtnis einzuladen und abzuarbeiten. Man kommt in der Verhandlung vorwärts, man arbeitet die Struktur ab. Dabei gibt es keine andere Instanz als den Partner, die über die Richtigkeit einer Struktur befinden könnte. Wenn unsere formale Struktur ihm einleuchtet, wird er sie akzeptieren. Und sie wird ihm einleuchten, wenn sie einfach, stimmig und voll-
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ständig ist, was bedeutet, dass auch uns ungünstige Punkte ihren Platz in der Struktur haben müssen. Die folgende Skizze mag diesen Befund verdeutlichen.
Hierarchische Begriffsstrukturen können auch hervorragend verwendet werden, um ein systematisches Brainstorming zu befördern. Brainstorming ist ein Prozess, bei dem unorthodoxe Ideen gefordert sind, die sonst unter Experten nicht geboren werden, weil man Angst hat, sich zu blamieren. Ein Brainstorming zum Thema „Nadel im Heuhaufen finden" ergab einmal die Lösung „Heu verfüttern und anschließend Pferd röntgen". Ein Brainstorming ist seiner Natur nach unsystematisch. Es kann aber systematisch betrieben werden. Man denke etwa an eine unternehmensinterne Diskussion über ein schwieriges Problem. Wenn das Thema richtig formuliert ist, kann hier ein systematisches Brainstorming erfolgen. Das Thema ist richtig formuliert, wenn der Vorsitzende etwa fragt: „Welche Möglichkeiten gibt es insgesamt?" Falsch ist es dagegen formuliert, wenn der Vorsitzende fragt: „Was sollen wir tun?" Im letzteren Fall wird er nur Expertenlösungen vorgeschlagen bekommen - und die möglicherwei-
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se rettende, unorthodoxe, neue Idee wird aus Angst vor einer Blamage niemals das Licht der Welt erblicken. Hierarchische Begriffsstrukturen sind, wie gesagt, nicht die einzigen möglichen Strukturen. Man kann andere Systematiken verwenden, etwa ein Konto mit Pro und Contra aufmachen. Weitere Möglichkeiten existieren (vgl. Haft 1984). Es gibt keine wohlgegliederte Verhandlungsstrukturologie. Wichtig ist, dass man strukturiert. Alles, was man selbst sagt, und alles, was der andere sagt, muss einen Platz in der Struktur haben - oder als irrelevant zurückgewiesen werden. Der führt, der den Dingen einen Platz in einer Struktur zuweisen kann. bb) Personenstrukturen: Zunächst ist es wichtig, zu analysieren, welcher Verhandlungstyp man selbst ist und mit welchem Verhandlungstyp man es zu tun hat. Als Ziel sollte ein beiderseitiges kooperatives Verhalten erstrebt werden, bei dem die Verhandlung als Nichtnullsummenspiel gespielt wird und „Kuchenvergrößerungen" betrieben werden. Wenn man auf kompetitives Verhalten stößt, ist freilich zur Abwehr ein eigenes kompetitives Verhalten erforderlich.4 Soweit kooperatives Verhalten erreicht wird, ist es möglich, die Überzeugungsstrategie der formalen Führung zu befolgen. Dabei füllt man das Arbeitsgedächtnis des Partners mit stimmigen, diesem formal einleuchtenden Strukturen und arbeitet diese unter ständigem Feedback ab. Man verhindert dadurch, dass der Partner einem gedanklich entkommt. Man nimmt ihn gewissermaßen an der Hand, führt ihn und schafft einen günstigen Rahmen für die inhaltlichen Überzeugungen, die man zu ihm transportieren will. Damit dies gelingt, muss man selbst von seiner Sache überzeugt sein. Wer sich nicht selbst überzeugen kann, wird keinen anderen überzeugen. Deshalb überzeuge man sich selbst von der eigenen Position. Den Einwand, dies sei nicht immer möglich, und man müsse gegebenenfalls etwa als Angestellter eines Unternehmens oder als Rechtsanwalt fremde Positionen, mit denen man sich nicht identifizieren könne, vertreten, lasse ich nicht gelten. So würde z.B. der Strafverteidiger, der von der Schuld seines Mandanten überzeugt ist, 4
Siehe die Beiträge von Bierbrauer und Bender / Gottwald in diesem Band.
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diesem den denkbar schlechtesten Dienst erweisen, würde er vor Gericht dessen Unschuld behaupten (von der standesrechtlichen und strafrechtlichen Unzulässigkeit eines solchen Vorgehens ganz abgesehen). Vielmehr muss der Anwalt seine Position verändern und etwa darauf abstellen, dass die Beweise für eine Verurteilung nicht ausreichen, so dass sein Mandant nach dem Grundsatz in dubio pro reo freizusprechen sei. Entsprechend verhält es sich in den anderen Fällen. Praktisch immer ist eine Positionsveränderung möglich, zu der man sich bekennen kann. Damit es gelingt, eine kooperative Verhandlung zu führen, muss man Positionskämpfe vermeiden (structural bargaining, not positional bargaining). Man sollte Härte in der Sache mit Verbindlichkeit gegenüber der Person verbinden.5 In der Sache sollte man integrativ statt maximalistisch verhandeln. Man sollte die Gemeinsamkeiten groß und das Trennende klein machen. Maximalforderungen sollten grundsätzlich nicht gestellt werden. Sie bringen zwar Manövriermasse, sind aber mit großen Risiken, insbesondere bei maximalistischen Partnern, verbunden. Auch verliert man an Glaubwürdigkeit, wenn man - was bei Maximalforderungen unvermeidlich ist - dann doch in erheblichem Umfang nachgibt. Wichtig ist es, die Situation sprachlich als Gewinnsituation darzustellen, weil dann die Risikoneigung des Partners verringert und die Kompromissbereitschaft vergrößert wird.6 Wichtig ist es, Brücken vom Partner her zu schlagen, und etwa zu sagen: „Wie Sie schon richtig sagten ..." Wichtig ist es, viel zu fragen und vor allem auch zuzuhören. Das Zuhören ist eine beklagenswert unterentwickelte Verhaltensweise, während die Monologisierfreudigkeit allgemein verbreitet ist. Wichtig ist es, Sympathiepflege zu betreiben, und gegebenenfalls die Entspannungsfunktion des Witzes zu benutzen. Fragt man, woher das Lachen über einen Witz kommt, so findet man, dass der Witz regelmäßig (auch) einen Angriff auf unser Erkenntnisvermögen enthält. Er vertauscht z.B. eine sprachliche Ordnung blitzschnell gegen eine andere, die formal passend, aber inhaltlich sichtlich unan5
Siehe dazu den Beitrag von Gottwald, Stadien..., in diesem Band. 6 Siehe dazu den Beitrag von Bierbrauer in diesem Band.
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gemessen ist. Wir können dann nicht sagen, was eigentlich Unerlaubtes geschehen ist. Für einen kurzen Augenblick erfahren wir die Fragwürdigkeit aller unserer Sprachmodelle. Eigentlich müssten wir dem, der unsere Erkenntnissicherheit so unverhofft angreift, böse sein. Aber wir entschließen uns, den Angriff nicht ernst zu nehmen. Wir lachen, und kehren beruhigt zu unseren verfestigten Ordnungsstrukturen zurück. (Hier liegt auch die Erklärung dafür, dass viele Leute sich Witze nicht merken können. Der Witz enthält keine Botschaft. Er greift unsere Fähigkeit an, Botschaften zu senden und zu verstehen.) Gerade in der Spannung, die in dissonanten Situationen entsteht, kann die Entspannungsfunktion des Witzes eingesetzt werden. Er bewahrt uns davor, in „positional bargaining" hineinzugeraten, und macht den Partner in der Sache kompromissbereit. Ein besonderes Problem können Emotionen und unfaire Verhaltensweisen des Partners sein. Hier gibt es nur eine Antwort: Das Verhalten des anderen muss beim Namen genannt und zum Verhandlungsthema gemacht werden. Eine Emotion, die besprochen wird, ist keine Emotion mehr. Und Unfairness wehrt man ab, in dem man über diese spricht. Es ist eine Sache, etwa die Qualifikation des Verhandlungspartners in Frage zu stellen, und es ist eine andere Sache, über einen solchen unfairen Einwurf rational reden zu müssen. Am wichtigsten aber ist es - ich wiederhole das -, formale Strukturen aufzubauen und in der Verhandlung durchzusetzen. Dabei ist es oftmals hilfreich, von neutralen, unanfechtbaren Prämissen auszugehen und Ableitungen in Gang zu setzen. Am wirksamsten ist natürlich der formalste aller Ableitungsmechanismen, die mathematische Berechnung. Man sehe sich etwa die Gebührenrechnung eines Notars an. Hier existiert ein kompliziertes Rechenwerk von halben, ganzen, doppelten und gebruchteilten Gebühren plus Mehrwertsteuer. Kein Mensch wird auf die Idee kommen, eine solche Gebührenrechnung in Frage zu stellen, auch wenn am Beginn - etwa bei einer Grunddienstbarkeit - eine mehr oder weniger willkürlich gegriffene Schätzung eines Grundstückswertes steht.
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cc) Zeitstrukturen: Verhandlungen haben einen Phasencharakter.7 Es gibt eine Orientierungs- und Eröffnungsphase, in der man Sympathiepflege als Polster für die kommende Sachauseinandersetzung betreibt, und in der man erkundet, mit welchem Verhandlungstyp man es zu tun hat. Es gibt eine Argumentationsphase, in der man strukturiert verhandeln sollte. Und es gibt am Schluss die Suche nach der Einigung und die Krise, in der man zu einer Übereinkunft (Getting to Yes) kommt - oder scheitert. Mit diesem Phasencharakter kann man arbeiten. Wenn der Partner Dinge am falschen Platz zur Sprache bringt, sollte man diesen den richtigen Platz zuweisen. Liegt er in der Vergangenheit, sollte man es ablehnen, den erledigten - Punkt erneut zu diskutieren. Man verhindert so den Kreislauf, in den fruchtlose Verhandlungen oft geraten. Soweit der richtige Platz eines Punktes in der Zukunft liegt, sollte man darauf verweisen und den Punkt zurückstellen. Das alles gelingt natürlich nur, wenn man vorher eine entsprechende Sachstrategie durchgesetzt und die Zustimmung des Partners - auf die man sich jetzt beziehen muss - erreicht hat. An einer in meinen Seminaren oft durchgespielten Übung - dem Überbringen einer schlechten Nachricht - will ich das verdeutlichen. Nehmen wir an, in einem Unternehmen muss einem Mitarbeiter gekündigt werden. Das Ziel der Verhandlung besteht darin, ihm diese Nachricht schonend beizubringen und einen Arbeitsgerichtsprozess zu vermeiden. Die Verhandlung zerfällt in drei Phasen: Übermittlung der schlechten Nachricht selbst. Klagephase und anschließende Hoffnungsphase. Die Nachricht selbst muss zu Beginn der Verhandlung rasch und ohne Vorbereitung übermittelt werden, damit der Partner - der natürlich ahnt, was auf ihn zukommt - keine Gelegenheit hat. Gegenpositionen aufzubauen und einem das Leben schwer zu machen. Anschließend kommt die Klagephase. Der Partner wird versucht sein, die Nachricht selbst in Frage zu stellen. Das kann man, wenn man mit dem Phasencharakter arbeitet, sehr einfach dadurch abwenden, dass man darauf verweist, diese Phase liege in der Vergangenheit und sei vorbei. (Auch juristisch ist dieses Vorgehen korrekt: Eine Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willens7
Siehe den Beitrag von Gottwald, Stadien..., in diesem Band.
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Erklärung, die mit dem Zugehen wirksam wird.) Nach der Klagephase - in der man Verständnis und Mitgefühl zeigt - kommt die Hoffnungsphase. Jetzt muss man dem anderen Mut machen und ihm - mit Vorsicht - Hilfen für die Zukunft anbieten. Wenn der andere jetzt in die Klagephase zurückfällt, kann man ihn unter Hinweis auf den Phasencharakter der Verhandlung („das liegt hinter uns - wir müssen jetzt in die Zukunft sehen") disziplinieren. Nach meinen Erfahrungen ist diese Methode nicht nur höchst effektiv, sondern auch menschlich und schonend. Und sie bewahrt einen vor überflüssigen Prozessen. Teilkonzessionen, die der Partner während der Verhandlung zu einzelnen Punkten macht, sollten sofort befestigt werden. Nach meinen Erfahrungen geschieht dies regelmäßig nicht. Man ist viel zu sehr mit seiner eigenen Globalforderung beschäftigt, um eine angebotene Teilkonzession auch nur wahrzunehmen. Unterlässt man es aber, diese zu befestigen, fühlt der andere sich nicht daran gebunden. Dann wird die Konzession hinfällig. Was schließlich die Endphase der Verhandlung angeht (Krise Übereinkunft oder Scheitern), ist es wichtig, die Konsequenzen eines Scheiterns vorab durchdacht und akzeptiert zu haben. Man ist nicht stark, wenn man um jeden Preis eine Einigung erreichen will, sondern dann, wenn man bereit ist, die Verhandlung jenseits eines vorher genau überlegten Punktes scheitern zu lassen.8
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Siehe dazu den Beitrag von Gottwald, Stadien..., in diesem Band.
Zur Sozialpsychologie des Verhandelns Strategien der Beeinflussung und psychologische Fallen Günter Bierbrauer
Kurzfassung Auf der Grundlage eines Modells sozialer Konflikte werden die Gefahren von Konflikteskalation in Verhandlungen und Möglichkeiten der Konfliktbeilegung durch soziale Beeinflussung dargestellt. Die Widerstände und Barrieren, die einer rationalen Konfliktbehandlung im Wege stehen, liegen häufig in unserem begrenzten psychologischen Verhandlungsrepertoire. Typische Verhandlungsmuster können zu Verhandlungsfallen werden, die geschickte Manipulateure aufstellen, um ihre Verhandlungspartner auszubeuten. Möglichkeiten, wie man sich davor schützen und wie man Verhandlungsverhalten verbessern kann, werden vorgeschlagen.
Gliederung 1. Das Austauschmodell und die begrenzte Rationalität beim Verhandeln 2. Verhandlungsmuster: Kooperatives vs. kompetitives Verhandeln 3. Hüten Sie sich vor Machiavellisten! 4. Verhandlungsfallen 4.1 Die „Fuß-in-der-Tür"-Technik oder die Konsistenzfalle 4.2 Die „Tür-ins-Gesichf'-Technik oder die Konzessionsfalle 4.3 Wann sind Fallen wirksam? 5. Konflikteskalation und psychologische Verstrickungen 6. Bezugsrahmen und Verstrickungen 7. Der „Mythos des begrenzten Kuchens" beim Verhandeln 8. Wie kann man Verhandlungsverhalten verbessern - oder wie kann man der begrenzten Rationalität entgegenwirken?
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l. Das Austauschmodell und die begrenzte Rationalität beim Verhandeln Die friedliche Lösung von Konflikten ist durch Nachgeben, Verhandeln oder Entscheidung möglich. Dieser Beitrag untersucht die Möglichkeit der Konfliktregelung durch Verhandeln. Einen Konflikt kann man definieren als eine negative Beziehung zwischen zwei oder mehreren Menschen über die unterschiedliche Bewertung von Sachverhalten, Interessen oder Gutem. Konfliktregelung ist somit eine Neubewertung auf dem Wege des Aushandelns. In der typischen Situation des Aushandelns oder Verhandelns gibt die eine Seite etwas auf, was ihr weniger wichtig ist und erhält von der Gegenseite etwas, was diese als weniger wichtig erachtet. Durch Aushandeln wird ein neuer Gleichgewichtszustand zwischen zwei oder mehreren Parteien hergestellt, der dem alten ungleichgewichtigen Zustand vorgezogen wird. Die Skala der möglichen Wertunterschiede kann sich beziehen auf rein materielle Dinge wie Güter und Preise, auf soziale Faktoren wie Zuwendung und Liebe bis auf ideologische Vorstellungen wie Gerechtigkeit und religiöse Überzeugungen. Rechtliche Verfahren kann man auch unter dem Aspekt des Aushandelns betrachten;1 wenn allerdings dort die Parteien zu keinem Ergebnis kommen, dann wird eine dritte Partei eine Entscheidung herbeirühren. Damit gehen sie häufig auch ein Risiko ein, weil sie über den Verfahrensablauf und die Entscheidungen teilweise oder vollständig die Kontrolle einbüßen. Nach diesem Wertaustauschmodell ließe sich eine Konfliktregelung immer dann erzielen, wenn die beteiligten Parteien bereit sind, den Wertetransfer vorzunehmen, um einen gleichgewichtigen Zustand zwischen ihnen herzustellen. Warum ist jedoch eine Konfliktregelung in der Praxis häufig so schwierig, obgleich doch alle Bedingungen für einen rationalen Austausch vorzuliegen scheinen? Welche Barrieren stehen dem im Wege? Impliziert in diesem Modell ist die Vorstellung, dass jede Partei nach rationalen Erwägungen entscheidet, d.h., es wird hier ein Indi1
S. dazu die Einführung von Gottwald zu diesem Band.
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viduum postuliert, das die vorhandenen Wertunterschiede wahrnimmt, die Eigenheiten einer Verhandlungssituation erkennt, die Motive der Gegenpartei korrekt erschließt und, last, but not least, seine eigenen Absichten und Ziele genau kennt. Aber so ist der Mensch nicht beschaffen; seine kognitiven oder geistigen Fähigkeiten sind angesichts dieser Forderungen begrenzt und fehlerhaft. In diesem Beitrag sollen die Barrieren beschrieben und untersucht werden, die einer optimal-rationalen Konfliktregelung beim Verhandeln im Wege stehen. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass der Mensch nur über eine begrenzte kognitive Kapazität zur Informationsverarbeitung verfügt; sie stellt eine obere Grenze oder Barriere dar, die ihn daran hindert, ein optimales Ergebnis beim Verhandeln zu erzielen. Mit anderen Worten: seine begrenzte Rationalität weicht in systematischer Weise von einem postulierten rationalen Entscheidungsmodell ab. Diese systematischen Abweichungen von der Rationalität werden untersucht und auf Verhandlungssituationen übertragen. Das Konzept der begrenzten Rationalität lässt sich auch übertragen auf die Parteien in zivilrechtlichen Streitigkeiten. Sie sind häufig einmalige Auseinandersetzungen, in denen meist um Geld gestritten wird. Bei den Fällen, in denen ein Kläger eine bestimmte Summe von einem Beklagten fordert, ist eine erfolgreiche Streitregelung häufig nur dann möglich, wenn der Preis (d.h. die Geldsumme), den der Beklagte zu zahlen bereit ist, niedriger ist als der Maximalpreis, den der Kläger gefordert hat. Wenn der Kläger einen Minimalpreis akzeptiert, der niedriger ist als der Maximalpreis, welchen der Beklagte zu zahlen bereit ist, dann ist eine Lösung im Prinzip möglich. Das heißt jedoch nicht, dass in den tatsächlichen Verhandlungen zwischen den Parteien auch eine Einigung erzielt wird. Die erste Stufe des Verhandelns besteht zunächst darin, die Spielräume oder Verhandlungszonen der Parteien auszuloten und die möglichen Überlappungen herauszustellen, damit ein Ergebnis möglich wird. Am Konzept der Verhandlungszonen von Walton & McKersie (1965) lässt sich illustrieren, dass die mögliche Einigung aus anderen Gründen scheiterte als am Auseinanderklaffen der Ausgangspositionen der Parteien. Bei dem folgenden Diagramm handelt es sich ver-
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einfacht um eine Tarifauseinandersetzung zwischen Gewerkschaften (G) und Arbeitgebern (A).
Danach verrügt jede Seite über einen Verhandlungsspielraum, der einerseits begrenzt wird durch ein Ziel (Z) und andererseits einen Widerstandspunkt (K), über den hinaus keine weiteren Konzessionen eingeräumt werden. Wenn sich die beiden Konzessionszonen - wie im obigen Diagramm - überlappen, dann liegt eine positive Konzessionszone vor, überlappen sie sich nicht, eine negative Konzessionszone. Bei einer positiven Konzessionszone müsste im Prinzip immer eine Einigung möglich sein. Häufig beschreiten die Parteien trotz überlappender Konzessionszonen den Rechtsweg und lassen das Gericht über ihren Konflikt entscheiden. Dabei können beide Parteien „verlieren": Sie müssen ihre Anwälte bezahlen und andere Kosten tragen, die durch Zeitverlust, Gericht oder die emotionale Belastung durch einen voll entfachten Prozess entstehen. Warum, so muss man sich fragen, einigen sich die Parteien trotz einer positiven Konzessionszone nicht? Bei allen Konfliktregelungen können sich Barrieren objektiver und subjektiv-psychologischer Art hinderlich auswirken. Bei objektiven Barrieren stehen die Verhandlungsziele total im Widerspruch; hier ist ein Austausch unmöglich. Verhandelt werden kann nach dem Austauschmodell nur über solche Werte, die austauschbar sind. Welche sozialpsychologischen Barrieren stehen aber einer optimal-rationalen Konfliktregelung dort im Weg, wo Austausch und Konzessionen möglich sind? Warum sind Verhandler sozusagen blind gegenüber den vorhandenen Ressourcen? Unter dem Konzept der „begrenzten Rationalität" in Verhandlungssituationen will ich verschiedene sozialpsychologische Phänomene
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beschreiben, die verantwortlich dafür sind, dass Individuen sich in Konfliktsituationen nicht optimal verhalten. Hauptanliegen der heutigen sozialwissenschaftlich orientierten Psychologie ist es, die Unvollkommenheit menschlichen Entscheidungsund Urteilsverhaltens zu beschreiben und zu untersuchen. Dieser Mangel beruht nicht, wie Juristen häufig annehmen, in der unbewussten Tiefendynamik der Psyche. Tiefenpsychologische Vermutungen über die angeblichen Prozesse der Verdrängung oder der Projektion sind keine geeigneten wissenschaftlichen Konzepte, mit Hilfe derer die „irrationalen" Tendenzen beim Entscheiden „aufzudecken" sind, sondern die Annahme kognitiver Begrenztheit menschlichen Wahmehmens und Urteilens führt hier zu sinnvolleren Einsichten. Da unser Erkenntnisvermögen die Welt in ihrer Totalität nicht erfassen kann, sind wir gezwungen, mehr oder weniger gute Prognosen über uns und unsere Welt zu entwerfen. Diese Entwürfe „passen" im Alltag recht gut, sie sind vereinfachte Arbeitshypothesen über die soziale Realität. In bestimmten sozialen Situationen kommt es jedoch gelegentlich zu unangemessenen Entwürfen - sie passen nicht gut - und daraus resultieren Fehlentscheidungen. Wir haben oft unangemessenes Vertrauen in unsere eigenen Erfahrungen - und wenden diese auf zukünftige Fälle an. Welchen Fehlschlag wir dabei „erfahren" können, zeigt unsere Unfähigkeit, mit Wahrscheinlichkeitsereignissen umzugehen. Wenn beispielsweise beim Roulette fünfmal Rot gewonnen hatte, dann setzen fast alle Spieler auf Schwarz, weil sie aufgrund ihrer subjektiven Wahrscheinlichkeitstheorie glauben, dass Schwarz nun mit einer größeren Wahrscheinlichkeit als 50 Prozent gewinnen wird. Sie übersehen dabei, dass alle Würfe unabhängig sind. Ein anderes Beispiel ist die Tendenz, anderen Personen aufgrund ihres Verhaltens ungerechtfertigt Charaktereigenschaften wie „gut", „böse" oder „hinterlistig" zuzuschreiben. Häufig geschieht dies auch in Verhandlungssituationen. Nicht selten aber ist das Verhalten des anderen bedingt durch äußere Zwänge, die wir nicht wahrnehmen oder wahrnehmen wollen (s. Bierbrauer, 1979). Zentraler Begriff in diesem Zusammenhang ist die kognitive Überlastung. Die klassischen Arbeiten von Miller (1956) über die Begrenztheit unseres Wahrnehmungs- und Gedächtnisvermögens, die er mit dem Slogan „the magical number seven, plus or minus two"
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kennzeichnet, zeigen u.a., dass wir vereinfachte Verarbeitungsstrategien benutzen, um mit der Fülle der auf uns einwirkenden Informationen fertig zu werden.2 Deshalb wird Information ausgeblendet, verzerrt wahrgenommen oder nicht optimal verarbeitet. Diese menschlichen Schwächen werden jedoch erst deutlich, wenn wir sie kontrastieren mit einem rationalen oder normativen Modell auf der Basis mathematischstatistischer Überlegungen. Deshalb werden wir im folgenden einige Konzepte aus der probabilistischen Entscheidungsforschung, die auf der Anwendung logisch-statistischer Operationen beruht, bemühen müssen, um Abweichungen von einem rational-normativen Modell zu erläutern. Unsere kognitive Begrenztheit ist sozusagen eine obere Barriere bei der Lösung von Konflikten. Um Verhandlungen optimal zu gestalten, muss man diese Begrenzungen kennen, um ihnen dann bewusst entgegenzuwirken. Wie zu zeigen sein wird, kann die Kenntnis solcher Barrieren gewieften Verhandlern helfen, ihre gegnerische Seite zu manipulieren und deren Unkenntnis dazu zu benutzen, sie auszubeuten. Dagegen kann man sich nur wehren, wenn man darauf vorbereitet ist. Mit der Offenlegung manipulativer Techniken ist hier nicht beabsichtigt, diese dann selbst anzuwenden. Diese Überlegungen über die Unvollkommenheit menschlicher Informationsverarbeitung gehen zurück auf Simons (1957) Überlegungen über die begrenzte Rationalität menschlicher Intuition angesichts einer komplexen Welt. In der Forschung wurden mittlerweile eine Reihe von kognitiven Verzerrungen und Abweichungen beschrieben, die in systematischer Weise Entscheidungen beeinflussen (s. Nisbett & Ross, 1980). Für jede Verzerrung wird im Folgenden ihre (psycho-) logische Struktur beschrieben, und es werden empirische Belege aufgeführt, wie sie die Verhandlungsentscheidungen beeinflussen können. Bevor ich jedoch im Einzelnen auf diese Prozesse eingehe (Abschnitt 4 ff.), will ich einige Aspekte von Verhandlungssituationen und individuelle Verhandlungsorientierungen ansprechen, die zum besseren Verständnis der nachfolgenden Überlegungen notwendig sind.
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S. den Beitrag von Haft, Was kann..., in diesem Band.
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2. Verhandlungsmuster: Kooperatives vs. kompetitives Verhandeln Obwohl Zwang als Mittel zur Beilegung von Konflikten durch Verhandeln ausgeschlossen ist, kommt dem Prinzip der Kontrolle über Forderungen, Angebote und Konzessionen eine entscheidende Rolle zu. Neben diesen strukturellen Merkmalen einer Verhandlungssituation gilt es, auch den individuellen Eigenschaften der Verhandlungspartner Aufmerksamkeit zu schenken. Im Folgenden will ich zeigen, wie strukturelle und psychologische Faktoren interagieren. Ein wichtiges Kennzeichen der meisten Konflikte ist, dass sie nicht objektive Gegensätze zwischen zwei Parteien darstellen, sondern unterschiedlich-subjektive Bewertungen eines Sachverhaltes sind. Deshalb hängt die Lösungsmöglichkeit eines Konfliktes davon ab, wie er von den Beteiligten wahrgenommen wird. Folglich kommt den individualpsychologischen Zugehensweisen oder Orientierungen zu einem Konfliktgeschehen eine große Bedeutung zu. In seinen Überlegungen über die Konfliktdynamik unterscheidet der berühmte Konfliktforscher Morton Deutsch (z.B. 1973) drei idealtypische, d.h. nicht in „reiner" Form vorkommende Handlungsorientierungen in einem Konflikt: 1. Kooperative Orientierung: Die Person ist daran interessiert, sowohl ihr Verhandlungsergebnis als auch das Verhandlungsergebnis der Gegenseite zu maximieren. 2. Individualistische Orientierung: Die Person ist primär daran interessiert, ihr eigenes Verhandlungsergebnis zu maximieren, gleichgültig, wie das Verhandlungsergebnis der anderen Seite ausfällt. 3. Kompetitive Orientierung: Die Person versucht, ihr Verhandlungsergebnis auf Kosten der anderen Seite zu maximieren. Es ist offensichtlich, dass diese unterschiedlichen Orientierungen zu jeweils anderen sozialen Beziehungsgefügen rühren; beispielsweise ermöglicht eine gemeinsame kooperative Orientierung die Entwicklung gegenseitigen Vertrauens und eine integrative Konfliktlösung, deren Gesamtergebnis größer sein kann, als wenn beide
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Seiten sich in der Mitte getroffen hätten.3 Häufig wird der Nutzen aus einem Kuchen größer, wenn man ihn nicht m der Mitte teilt. Obwohl es sich bei den genannten Orientierungen um idealtypische Verhaltensweisen handelt, so ist es doch sinnvoll, Verhandlungssituationen und Verhandlungspartner unter diesen Aspekten zu betrachten. Dies wird insbesondere deutlich, wenn Personen mit unterschiedlichen Orientierungen aufeinandertreffen. Um die Wirkungsweise dieser unterschiedlichen Handlungsorientierungen zu verdeutlichen, werden in der Sozialpsychologie häufig experimentelle Spiele verwendet, die aus der mathematischen Spieltheorie abgeleitet wurden. Obgleich der Grad der Verallgemeinerung solcher Spiele begrenzt ist (s. Bierbrauer, 1978, S. 57 ff.), lassen sich mit ihrer Hilfe die grundlegenden Strukturen kooperativen bzw. kompetitiven Verhandelns gut veranschaulichen. Empirische Befunde dazu liefert das Gefangenen-Dilemma-Spiel. Das Gefangenen-Dilemma-Spiel Das Gefangenen-Dilemma-Spiel wird von Psychologen dazu benutzt, um die Entwicklung von Vertrauen und kooperativem Verhalten in sozialen Situationen zu untersuchen. Die folgende (fiktive) Geschichte verdeutlicht den Spielablauf: Zwei Männer sind wegen des Verdachts, einen Diebstahl begangen zu haben, von der Polizei festgenommen worden. Weil die Beweise nicht ausreichen, beide zu überführen, entwickeln die Vernehmer folgende Strategie. Die Beschuldigten werden in verschiedene Zellen gesperrt und von der Polizei einzeln verhört, ohne die Möglichkeit zu haben, die Sache unter sich abzusprechen. Die Polizei macht einem der beiden Beschuldigten folgenden Vorschlag: „Wissen Sie, wir haben zwar nicht genügend Beweismittel, um Sie zu überführen, aber wir werden auch Ihren Partner befragen. Wir werden es für ihn attraktiv machen, Sie zu verpetzen, und wir glauben, er wird es tun. Wenn er gesteht, dann werden Sie 48 Monate bekommen, und er wird entlassen. Aber Sie können günstiger davonkommen, wenn Sie beide gestehen; Sie beide werden dann jeweils mit 18 Mo3
S. den Beitrag von Gottwald, Stadien..., in diesem Band.
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naten davonkommen. Wenn Ihr Partner Sie nicht verpetzt, dann werden wir Sie wegen Landstreicherei anklagen, was Sie beide für 6 Monate ins Gefängnis bringen wird. Und auch dann wäre es vorteilhaft für Sie, wenn Sie ihn verpetzen würden, denn dann würden wir Sie freilassen, und Ihr Partner bekäme 48 Monate." Der Verdächtige liegt daraufhin richtig in seiner Vermutung, dass seinem Partner die gleiche Geschichte erzählt wird. Die vorliegenden Optionen stellt man praktischerweise in einer Matrix dar.
Man hat das Gefangenen-Dilemma-Spiel auch ein Spiel mit „gemischten" Motiven (mixed-motive-game) genannt, weil sowohl eine kooperative als auch eine kompetitive Motivation möglich ist. Was soll nun ein rational handelnder Gefangener tun: gestehen oder nicht gestehen? Beide Gefangene kämen natürlich einigermaßen glimpflich davon, wenn Sie nicht gestehen würden. Ihr gegenseitiges Vertrauen würde ihnen nur 6 Monate einbringen.
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Die Entwicklung verschiedener Varianten der Kooperation zeigt sich, wenn dieses Spiel über mehrere Runden gespielt wird. Es ist offensichtlich, dass eine Wahl, die zunächst den höchsten individuellen Gewinn verspricht, langfristig selbstzerstörerisch ist, weil die andere Seite zu keinem Nachgeben mehr bereit ist. Sozialpsychologen sehen die Natur des Gefangenen-Dilemma-Spiels auch in vielen anderen Situationen, angefangen vom Rüstungswettlauf und anderen internationalen Konflikten bis hin zu sozialen Fallen, auf die später eingegegangen wird. Empirische Forschungsergebnisse belegen, dass Menschen sich in ihren Verhandlungsorientierungen stark unterscheiden und ihre jeweilige Orientierung einen großen Einfluss auf die anderen Verhandlungsteilnehmer hat. In einer Untersuchung von Kuhlmann & Marshello (1975) spielten Versuchspersonen, die sich in einem Vortest entweder als überwiegend kompetitiv, kooperativ und als individualistisch orientiert erwiesen hatten, das Gefangenen-Dilemma-Spiel gegen einen Partner, der nach einer der nachfolgenden Strategien spielte: 100% kooperativ, 100% kompetitiv oder konditionell kooperativ („tit for tat"), d.h., er antwortete mit der gleichen Wahl wie sein Gegner vorher. Je nach ihrem Gegenüber zeigten die Spieler völlig unterschiedliches Spielverhalten. Die kompetitiven Spieler versuchten, ihren Gegner auszunehmen, egal, welche Strategie dieser verfolgte. Kooperative Spieler verhielten sich kooperativ, bis ihnen klar wurde, dass ihr Verhalten nachteilig für sie war, und Individualisten kooperierten nur bei konditionell kooperativen Gegnern. Ein interessanter Aspekt dieses Ergebnisses ist, dass der kompetitiv eingestellte Partner seinen Gegner auszubeuten versucht, unabhängig davon, was dieser macht. Das führt zu der Frage: Warum verbleiben kompetitive Spieler bei ihrer Strategie, auch wenn sie längerfristig im Sinne einer gemeinsamen Gewinnmaximierung nachteilig ist? Das hängt damit zusammen, wie ein kompetitiver Stratege seine Welt wahrnimmt. Kelley 6- Stahelski (1970) vermuten, dass kompetitive Menschen annehmen, jedermann habe die gleiche Weltsicht wie sie nämlich kompetitiv. Daher überrascht nicht, dass sie zuerst zuschlagen und wenig Vertrauen in die andere Seite haben. Im Gegensatz dazu realisieren kooperativ eingestellte Menschen, dass andere sich beim sozialen Aushandeln in ihrer Orientierung individuell unter-
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scheiden; dies geht so lange gut, wie sie mit kooperativen Menschen zu tun haben. Wenn sie jedoch auf kompetitive Partner stoßen, dann müssen sie früher oder später von ihrer kooperativen Strategie abweichen und auch kompetitiv handeln, um nicht ausgebeutet zu werden. Dann und erst dann findet das Weltbild des kompetitiven Partners seine Bestätigung, dass nämlich andere Menschen letztlich auch kompetitiv sind. Während also kooperative Menschen flexibel reagieren können, sind kompetitiv eingestellte Verhandlungspartner relativ rigide. Sie lernen nicht aus ihrer Erfahrung und - noch schlimmer - ihre Weltsicht wird früher oder später durch das Verhalten der anderen bestätigt. Die Implikationen für Verhandlungssituationen sind offensichtlich: Wer sich kompetitiv verhält und dieses Verhalten auch von anderen erwartet, erzeugt in der Tat kompetitives Verhalten auch bei anderen. Hier liegt eine klassische „sich selbst erfüllende Prophezeiung" vor. Die kompetitive Projektion wird nicht korrigiert, sondern bestätigt und durch Erfolg gefestigt. Morton Deutsch (1973) beschreibt drei fatale Charakteristiken einer kompetitiven Verhandlungssituation: 1. Die Kommunikation ist unzuverlässig, weil verfügbare Kommunikationskanäle nicht genutzt oder absichtlich missbraucht werden. Folglich traut keiner dem anderen. 2. Der andere wird „verzerrt" wahrgenommen, und Ähnlichkeiten zu ihm werden nicht bemerkt. Das eigene Verhalten wird positiv gesehen, das des anderen als feindselig. Den Motiven der anderen Seite wird misstraut und eine große Bereitschaft entwickelt, die andere Seite auszubeuten. 3. Jede Partei versucht, ihre eigene Macht zu vergrößern und die legitimen Ansprüche der Gegenseite zu minimieren. Die Gefahr einer Konflikteskalation ist gegeben, und die Konfliktebenen verlagern sich von einem konkreten Streitgegenstand zu einem Streit über abstrakte Werte mit moralischen Implikationen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Verhandlungspartner darauf eingestellt sein müssen, gegebenenfalls angemessen kompetitiv
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zu sein, um nicht ausgebeutet zu werden. Andererseits sollte der Spielraum für kooperatives Verhalten ausreichend getestet werden, um integrative Verhandlungslösungen zu erzielen, in denen das Verhandlungsergebnis für beide Seiten optimal ist. Wegen dieser gemischt-motivationalen Natur von Verhandlungen haben es die Parteien auch in der Hand, von einer rein kompetitiven Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Situation überzugehen in eine kooperative Situation des gemeinsamen Interessenausgleichs.
3. Hüten Sie sich vor Machiavellisten! Häufig trifft man auf die Behauptung, erfolgreiches Verhandeln könne man nicht lernen, sondern diese Fähigkeit sei - wie viele andere auch letztlich angeboren.4 Dies ist eine pessimistisch-konservative Sicht der Welt, gilt doch die Annahme, dass angeborene Eigenschaften nicht oder nur begrenzt veränderbar sind. Umstände, Situationen und Strukturen sind dagegen änderbar. Dennoch soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob es „geborene" Verhandler gibt, weil dies zu weiteren nützlichen Erkenntnissen führt. Bis auf weiteres gehen wir von der Annahme aus, dass gute Verhandler nicht geboren werden, sondern dass es sich beim Verhandeln um eine soziale Fertigkeit handelt, die man erlernen kann. Zweifellos gibt es Menschen, die intuitiv geschickter sind beim Verhandeln als andere, allerdings im Sinne manipulativer Beeinflussung. Beherrscht die andere Verhandlungsseite diese Taktik nicht - oder hat von ihrer Wirkungsweise keine Kenntnisse -, dann kann sie leicht Opfer werden. Die Fähigkeit, andere zum eigenen Vorteil zu manipulieren, wird in der Sozialpsychologie „Machiavellismus" genannt, und zwar in Anlehnung an Niccolo Machiavelli (1469 - 1527), den Florentiner Staatsmann und Geschichtsschreiber. In seinem berühmtesten Werk „II principe" (1513) rechtfertigt er aus Gründen der Staatsräson jede Treulosigkeit und jedes Verbrechen losgelöst von sittlichen Normen. Bei ihm finden sich Handlungsanweisungen über den Gebrauch von
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S. die Einleitung von Gottwald zu diesem Band.
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Macht und Kontrolle über andere Menschen. Die beiden Sozialpsychologen Christie & Geis (1970) haben in Anlehnung an diese Gedanken eine Theorie und Empirie des Machiavellismus erarbeitet. Welche Fähigkeiten zeichnen einen Machiavellisten im sozialpsychologischen Sinne aus? Von der empirischen Messung her gesehen ist er (oder sie) eine Person, die den unten genannten Feststellungen auf einer so genannten „Mach-Persönlichkeitsskala" (s. Christie & Geis, 1970) zustimmen würde. Diese Feststellungen sind übrigens entweder Machiavellis Schriften entnommen oder in seinem Sinne nachkonstruiert worden. Beispielsweise bedeutet die Zustimmung zu der folgenden Feststellung: „Die beste Art, mit Menschen umzugehen, ist, ihnen zu sagen, was sie hören wollen" Ausdruck einer Orientierung, andere Menschen zu manipulieren. Der Machiavellismus kennzeichnet drei Verhaltensorientierungen, die für interpersonale Beziehungen wichtig sind: 1. Orientierungen, die sich auf den manipulativen Gebrauch interpersonaler Taktiken beziehen: „Erzähle niemals den wahren Grund, weshalb Du etwas getan hast, außer, wenn es für Dich nützlich ist." 2. Orientierungen, die eine negative Haltung gegenüber der menschlichen Natur ausdrücken: „Der größte Unterschied zwischen Kriminellen und anderen Menschen ist der, dass Kriminelle gefasst werden, weil sie zu dumm sind." 3. Orientierungen, die sich zynisch auf ethische und moralische Prinzipien beziehen: „Menschen, die an einer unheilbaren Krankheit leiden, sollten die Wahl haben, sich schmerzlos töten zu lassen." Der Machiavellist kann seine Fähigkeiten in folgenden Situationen besonders gut einsetzen: - sie muss kompetitiv und herausfordernd sein; - sie muss face-to-face-Charakter haben; - sie muss einen gewissen Gestaltungsrahmen für Improvisationen offenlassen, weil streng geregelte Interaktionen nicht veränderbar sind.
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Sein Erfolg hängt auch davon ab, dass er vermeidet, emotional an eine Sache heranzugehen und kühle Distanz wahrt; er bleibt flexibel, pragmatisch, zielstrebig und ohne moralische Skrupel. Die oben genannten Merkmale sind alle mehr oder weniger in Verhandlungssituationen gegeben. Um das Konzept des Machiavellismus pädagogisch zu demonstrieren, wurde in Anlehnung an Christie & Geis (1970) in den Tübinger Verhandlungsseminaren das 10-Dollar-Spiel gespielt. In diesem Spiel sollen drei Personen um 10 einzelne Dollarscheine (bzw. Markstücke) so verhandeln, dass zwei sich das Geld teilen und die dritte Person leer ausgeht. Die zwei möglichen Partner können das Geld teilen wie sie wollen. Natürlich kann die dritte Person, die außen steht, jederzeit ein neues Angebot einem der anderen Spieler unterbreiten und so den anderen Spieler herauswerfen. Das Spiel ist beendet, wenn zwei Spieler eine solche Übereinkunft geschlossen haben, die für den dritten Spieler nicht zu sprengen ist. Die Gruppe ist so zusammengesetzt, dass jeweils eine Person mit einem hohen Mach-Wert und eine Person mit einem niedrigen Mach-Wert zusammenspielen. Das Spiel erlaubt allerdings keine Änderungen der Regeln. Bei jedem Spiel befand sich immer die Person mit dem hohen Mach-Wert in der Gewinnkoalition. Im Durchschnitt erzielte die Person mit dem hohen Mach-Wert einen Gewinn von $ 5.57, die Person mit dem mittleren Mach-Wert erzielte $ 3.14, und die Person mit dem niedrigen Mach-Wert erhielt $ 1.29.
4. Verhandlungsfallen Die direkte, ungeschminkte Methode, eine Person zu beeinflussen, besteht darin, auf sie Druck auszuüben, sei es durch Strafe oder Belohnung oder durch Konformitäts- oder Autoritätszwang (s. Bierbrauer, 1979). Viel wirksamer, weil subtiler, sind jedoch Techniken der Beeinflussung ohne oder nur mit minimalem externem Druck. Die Werbung liefert uns hier tagtäglich anschauliche Beispiele. Die Sozialpsychologie hat sich in der Vergangenheit intensiv mit der Möglichkeit dieser indirekten Beeinflussung auseinandergesetzt und überraschende Ergebnisse zu Tage gefördert, die meist dem gesun-
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den Menschenverstand zuwiderlaufen - vermutlich auch ein Grund für die Wirksamkeit dieser Beeinflussungstechniken. Sie sind deshalb wirksam, weil viele sozialpsychologische Faktoren zusammenwirken, deren komplexes Zusammenwirken vom Opfer nicht durchschaut werden kann. Wie bereits erwähnt, übersteigt die auf uns eindringende Informationsflut unsere kognitiven Fähigkeiten. Wir müssen Tausende von Eindrücken gleichzeitig verarbeiten und bewerten, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Deshalb sind wir gezwungen, vereinfachte, manchmal primitive oder kurzschlüssige Analysemethoden anzuwenden, um zu Entscheidungen zu gelangen. Mit der wachsenden Informationsflut hat unsere Fähigkeit zur Informationsverarbeitung nicht Schritt gehalten. Umso mehr müssen wir uns auf die Erfahrungen anderer und auf Vorbilder und Autoritäten verlassen. Dies ist eine der großen Ironien unserer Zeit. In den meisten Alltagssituationen fahren wir ganz gut mit den vereinfachten Analysemethoden, denn ohne effektive Verarbeitungsprozesse wären wir den Anforderungen unserer Umwelt nicht gewachsen. Manipulateure - auch in Verhandlungen - nutzen diese Schwäche jedoch schamlos aus, indem sie durch ausgeklügelte Beeinflussungstechniken uns dazu bringen, gegen unsere Interessen zu handeln. Durch bestimmte Situationskonfigurationen werden automatisierte Denkoder Verhaltensprogramme ausgelöst, die der Situation eigentlich angemessen sind. Aufgrund dieser Schwächen können wir in Fallen tappen, wenn wir nicht gewappnet sind. Oft wissen Manipulateure gar nicht, wie diese Fallen funktionieren; sie wissen aber, dass sie funktionieren. Häufig hat der Fallensteller noch einen Informationsvorsprung. Derart benachteiligt sind wir nicht in der Lage, die Umstände genau zu erfassen und greifen zurück auf Entscheidungsregeln, die wir während unserer Sozialisation gelernt haben. Diese Kurzschlüsse im Denken und Verhalten sollen am Beispiel des so genannten Reziprozitätsprinzips illustriert werden. Reziprozität meint die goldene Regel des Gebens und Nehmens. Wenn uns jemand ein Geschenk macht oder einen Gefallen tut, dann fühlen wir uns verpflichtet, dies in einer vergleichbaren Form zu vergelten. Dabei machen wir uns oft nicht die Mühe, darüber nachzudenken,
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ob wir damit zu einer zukünftigen Leistung verpflichtet werden sollen. Es ist anzunehmen, dass durch dieses Netz der wechselseitigen Verpflichtung von Urzeiten an das Überleben der menschlichen Spezies ermöglicht wurde. Wer diese Regel verletzt, gilt in allen Kulturen als Parasit oder Geizkragen und wird sozial geächtet. Daraus entwickelte sich eine der einflussreichsten Techniken der sozialen Beeinflussung, weil daraus ein subtiler Zwang der zukünftigen Verpflichtung für den Empfänger entsteht. Wir lernen schon von früher Kindheit an, dieser Regel zu gehorchen. Oft nehmen wir uns jedoch nicht die Zeit, um intensiv darüber nachzudenken, ob ein Geschenk oder eine andere positive Zuwendung nur gemacht wurde, um uns nachher zu anderen Leistungen zu verpflichten. Wie bei fast allen stark normgeleiteten Situationen reagieren wir nach einem kurzschlüssigen Automatismus: Es war früher sinnvoll, so zu handeln, also wird es in dieser Situation ebenso sinnvoll sein, entsprechend zu handeln. Damit dieser Prozess auch funktioniert, müssen eine Reihe sozialpsychologischer Mechanismen angestoßen werden, wie etwa das Gefühl der Selbstverpflichtung, das Bedürfnis nach psychologischer Konsistenz oder Bedürfnisse nach Fairness und Gerechtigkeit. Wenn diese Bedingungen gegeben sind, dann kann man sich subtilen Beeinflussungsmaßnahmen kaum entziehen. Im Folgenden werden exemplarisch die Wirkungsweisen von zwei Beeinflussungstechniken dargestellt; sie werden häufig in Verhandlungssituationen angewandt. In der Sozialpsychologie sind sie bekannt unter den Namen (l) Fuß-in-der-Tür-Technik und (2) Tür-ins-Gesicht-Technik. Beide sind als Techniken der sozialen Beeinflussung in der Sozialpsychologie intensiv untersucht worden. Sie werden Ihnen nicht völlig fremd sein. Weniger bekannt dürften jedoch die psychologischen Mechanismen sein, weshalb sie funktionieren. 4.1 Die „Fuß-in-der-Tür"-Technik oder die Konsistenzfalle
Die Manipulation mit Hilfe dieser Technik besteht darin, dass eine Person zunächst um eine kleine Konzession gebeten wird, der dann später eine größere Bitte nachfolgt. Verkäufer an der Haustür oder Mitglieder einer Sekte beginnen ihr Anliegen nicht etwa damit, dass sie geradeheraus mit einem Verkaufs- oder Überzeugungsgespräch
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beginnen, sondern indem sie ein kleines Geschenk überreichen. In allen Fällen ist die Strategie gleich: Das Opfer muss dazu gebracht werden, einen kleinen Schritt in die gewünschte Richtung zu gehen, indem es einer Bitte folgt oder etwas annimmt. Dieser erste Schritt erhöht in ganz erstaunlichem Maße die Bereitwilligkeit, einer größeren Bitte Folge zu leisten oder für ein kleines Geschenk mit einem größeren „Geschenk" im Sinne des Reziprozitätsprinzips zu danken. Sobald man erst einmal den Fuß zwischen der Tür hat, wird sich mit aller Wahrscheinlichkeit die Tür noch weiter öffnen lassen. Dieser plumpe Trick, der in vielen Situationen zur Befolgung führt, beruht auf dem Prinzip der Konsistenz. Wir streben danach, vor uns und anderen Menschen beständig, berechenbar und „logisch" zu erscheinen. Wenn wir einmal „A" gesagt haben, tendieren wir dazu, auch „B" zu sagen, auch wenn wir uns mittlerweile eingestehen mussten, dass der erste Schritt falsch war. Verlässlichkeit gilt in unserer Kultur als eine große Tugend, denn niemand möchte von seiner Umwelt als unzuverlässig, unberechenbar oder unbeständig angesehen werden. Manipulateure machen sich diese ansonst positive Tugend zunutze, indem sie mit unserer Schwäche rechnen, dass wir eine einmal getroffene Entscheidung selten revidieren. Dies kann, wie Freedman & Frazer (1966) in ihrem berühmten Experiment zur „Fuß-in-der-Tür"-Technik gezeigt haben, zu fatalen Folgen rühren: Kalifornische Hausfrauen wurden von einem angeblichen Mitglied eines Verbraucherverbandes angerufen und befragt, welche Seife sie in ihrem Haushalt verwendeten. Ein paar Tage später wurden dieselben Hausfrauen nochmals von der gleichen Person angerufen, und dieses Mal wurde ihnen eine größere Bitte gestellt: Ob sie damit einverstanden wären, einer Gruppe von fünf oder sechs Männern des Verbraucherverbandes die Erlaubnis zu geben, eine gründliche Inventur ihres Hauses vorzunehmen, um festzustellen, welche Waschmittelprodukte sich in ihrem Haus befänden. Diese „Inventur" würde etwa zwei Stunden dauern. Das erstaunliche Ergebnis: Fast 53 % sagten ja zu diesem Anliegen. Demgegenüber waren nur 22 % einer Kontrollgruppe, denen die erste Bitte nicht gestellt wurde, bereit, diesem Ansuchen zu folgen. Die „vorbehandelten" Hausfrauen wurden Opfer der Konsistenzfalle. Die Einwilligung, der ersten Bitte Folge zu leisten, hat in den
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Hausfrauen das Selbstbild einer Person erzeugt, die dem Anliegen der Verbraucherorganisation wohlwollend gegenübersteht. In dieses Selbstbild „passte" die zweite, größere Bitte um Mitarbeit - und schon schnappte die Falle zu. Ähnlich manipulieren geschickte Verhandler ihr Gegenüber: Sie legen die andere Seite auf eine bestimmte Position fest, indem sie von ihr ein kleines Zugeständnis erbitten. Damit ist der erste Schritt zu einem veränderten Selbstbild getan. Also Vorsicht vor dem Schritt - oder, wenn Sie dieses Prinzip durchschaut haben, können Sie ruhig den ersten Schritt tun, aber beim zweiten Schritt sollten Sie unbefangen „nein" sagen, auch wenn dies wie eine Schwäche aussehen könnte. Sie verlieren dadurch nicht Ihr Gesicht. Die „Fuß-in-der-Tür"-Technik funktioniert natürlich nicht immer, etwa dann, wenn mit dem nachfolgenden Verhalten Angst erzeugt wird. 4.2 Die „Tür-ins-Gesicht"-Technik oder die Konzessionsfälle Während die „Fuß-in-der-Tür"-Technik mit einem kleinen Zugeständnis beginnt, dem dann ein größeres folgen soll, kann der Beeinflussungszwang auch anders herum erfolgen: Man fordert zunächst ein größeres Zugeständnis, welches aller Wahrscheinlichkeit nach verweigert wird, um dann ein kleines Zugeständnis zu erbitten, das der Manipulateur eigentlich im Sinn hatte. Cialdini (1984) nennt diese Strategie „Tür-ins-Gesichf'Technik, weil die erste Bitte so groß ist, dass sie mit einem deutlichen Nein zurückgewiesen wird. Aber schon in diesem Augenblick beginnt die Falle sich zu öffnen. Nehmen Sie an, ein Helfer des Roten Kreuzes fragt Sie, ob Sie bereit wären, sich zu verpflichten, über zwei Jahre hinweg jeden Monat einen Viertel Liter Blut zu spenden. Wahrscheinlich würden Sie nein sagen. Wenn Sie daraufhin die gleiche Person fragt, ob Sie bereit wären, morgen einen Viertel Liter Blut zu spenden, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie dieser kleinen Bitte zustimmen. Ein ähnliches Experiment hat Cialdini (1984) mit Studenten durchgerührt. Nur 32 % der Studenten, die direkt, d.h. ohne die große Bitte gefragt wurden, waren bereit, am nächsten Tag einen Viertel Liter Blut zu spenden; demgegenüber waren fast 50 % bereit, dies zu tun, wenn sie vorher um das große Zugeständnis gebeten worden waren.
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Zwei psychologische Mechanismen sind hier möglicherweise wirksam: einmal das Prinzip der reziproken Konzession, und das Bedürfnis nach positiver Selbstdarstellung. Mit dem Prinzip der reziproken Konzession meinen wir ein Verhalten, das damit beginnt, dass wir einer großen Bitte nicht Folge leisten und dann aber das Gefühl haben, die Weigerung mit einem kleinen Entgegenkommen kompensieren zu müssen. In Verhandlungen ist dies der alte Trick: Man stellt zunächst eine sehr hohe Forderung, um sich dann mit einer moderaten Forderung zu begnügen. Neben dem Prinzip der reziproken Konzession wirkt hier das starke Bedürfnis nach positiver Selbstdarstellung, denn wir wollen anderen gegenüber in einem positiven Licht erscheinen und geben deshalb bei einer kleinen Bitte nach. Wenn nun geschickte Verhandler das Zusammenwirken dieser Mechanismen auslösen, schnappt die Konzessionsfalle zu. 4.3 Wann sind welche Fallen wirksam? Wie ist es möglich, dass diese scheinbar gegensätzlichen Strategien zu ähnlichen Ergebnissen führen? Dieser paradoxe Sachverhalt beruht darauf, dass beide Techniken auf unterschiedlichen psychologischen Mechanismen beruhen, die unter jeweils verschiedenen Bedingungen ausgelöst werden: 1. Die „Tür-ins-Gesicht-Technik ist dann wirksam, wenn die beiden Zugeständnisse von der gleichen Person erbeten werden und die Zeiträume zwischen erster und zweiter Bitte relativ kurz sind. Andernfalls vermindert sich die Konzessionsbereitschaft ziemlich rasch. 2. Die „Fuß-in-der-Tür"-Technik ist wahrscheinlich auch dann wirksam, wenn verschiedene Personen die erste bzw. zweite Bitte aussprechen, denn die Forderungen treffen auf ein verändertes Selbstbild der Person. Dieses veränderte Selbstbild wirkt noch in der neuen Situation. Daher ist die „Fuß-in-der-Tür"-Technik auch dann wirksam, wenn zwischen erster und zweiter Bitte längere Zeiträume liegen.
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Diese Techniken der Beeinflussung können mehr oder weniger bewusst von den Verhandlungspartnern eingesetzt werden. Es kommt darauf an, ihre Wirkungsweisen zu verstehen, um ihnen nicht zum Opfer zu fallen. Dabei ist aber folgendes zu beachten: der wirkliche Gegner ist die Taktik und nicht der Verhandlungspartner; er wendet diese Taktik bewusst oder unbewusst an. Wenn wir das Muster einer derartigen Situation durchschauen, dann ist die Gefahr der Ausbeutung gering.
5. Konflikteskalation und psychologische Verstrickungen Sowohl bei Gericht als auch in alltäglichen Konfliktsituationen kann man beobachten, dass, obwohl eine Partei keine Chance hat, bei der Auseinandersetzung zu gewinnen, sie unbeirrt gegen alle vernünftigen Erwägungen an ihrem Weg festhält. Das Festhalten an einer einmal getroffenen Entscheidung - obgleich es vernünftiger wäre, sie fallenzulassen - ist uns aus dem Alltag bekannt. Wir rühren beispielsweise ein weites Ferngespräch: die Sekretärin des Kollegen, der endlich einmal im Büro ist, teilt uns mit, dass dieser auf der anderen Leitung spricht. Statt gleich aufzuhängen, warten wir ab. Je länger wir warten, umso mehr spüren wir den wachsenden Konfliktdruck in uns. Soll ich jetzt auflegen, dann wären die bisherigen Kosten vergeblich? Also warte ich bis zum bitteren Ende in der Hoffnung, dass es nicht umsonst war. Alle von uns haben schon ähnliche Erfahrungen gemacht, also Zeit, Geld und Anstrengungen oder Zuwendungen in eine Angelegenheit investiert, obwohl es eigentlich keinen Sinn hatte, weiterzumachen. In interpersonalen Situationen dieser Art ist der Gegner nicht auf der anderen Seite zu finden, sondern in uns selbst. Wir verrennen uns in eine Sache, aus der wir nur schwer wieder herauskommen können. Die Sozialpsychologen Brockner & Rubin (1985) nennen derartige Konflikte Verstrickungen, weil der Einsatz häufig den ursprünglichen Konfliktanlass übersteigt und wir unfähig sind, aus einer Sache auszusteigen und damit eine Eskalation in Kauf zu nehmen.
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Dass es sich bei dem Phänomen der Verstrickung um Fallen handelt, die wir selbst stellen, wird deutlich beim 1-Mark-Auktionsspiel, das wir zur Illustration von irrationalem Konfliktverhalten im Tübinger Verhandlungsseminar spielten: Ein 1-Mark-Stück wird unter den Anwesenden versteigert. Wer das höchste Angebot abgibt, muss dem Auktionator diesen Betrag geben und erhält das Markstück. Angebote müssen mindestens 5 Pfennig oder das Mehrfache von 5 Pfennig betragen. Nun kommt der Trick: Die Person, welche das zweithöchste Angebot abgibt, muss diesen Betrag an den Auktionator zahlen, erhält aber nichts. Dieses simple Spiel entwickelt eine unglaubliche Dynamik irrationalen Handelns. Wenn die Angebote sich der 1-Mark-Grenze nähern, verbleiben meist nur noch zwei Bieter, wobei natürlich keiner der zweithöchste Bieter sein will. Es ist nämlich der zweithöchste Bieter, der in diese Mark-Auktion verstrickt ist; er hat eine verlorene Investition gemacht, wenn er nicht weiter mitbietet. Und so eskaliert das Bieten... In unserem Tübinger Verhandlungsseminar wurden -unglaublich, aber wahr - schließlich DM 5,50 geboten, um l DM zu erhalten! In kontrollierten Laborbedingungen wurde dieses Spiel wiederholt gespielt und Angebote bis 25 Dollar gemacht, um l Dollar zu gewinnen (s. Brockner & Rubin, 1985). Warum verrennen sich Menschen in eine ausweglose Sackgasse? Es ist wie bei einem Netz: Bei jeder weiteren Anstrengung, herauszukommen, schlingt das Netz sich nur noch fester um das Opfer. Wir kennen eine Reihe von Beispielen der psychologischen Verstrickung im Alltag: (a) Sie haben Aktien, deren Kurse sich auf Talfahrt befinden. Sie entschließen sich dennoch, nicht zu verkaufen, weil Sie auf eine Hausse hoffen, (b) Ihre Ehe ist schlecht. Sie müssen entscheiden, ob Sie die Ehe fortführen wollen oder ob eine Trennung besser wäre. (c) Eine Regierung hat 6 Milliarden Mark in die Entwicklung eines Schnellen Brüters gesteckt; angesichts der Ungewissen Zukunftschancen für diese Technologie und der noch steigenden Kosten muss entschieden werden, ob man das ganze Projekt weiter entwickelt oder sterben lässt. (d) Ein Land führt seit Jahren einen aussichtslosen Krieg, der bereits viele Menschenleben gekostet hat
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und riesige Mittel verschlungen hat. Soll man diesen Krieg beenden oder bis zum bitteren Ende weiter kämpfen? Allen diesen Situationen ist gemeinsam, dass für eine Sache beträchtliche Investitionen geleistet wurden und weitere erforderlich sind. Vernünftige Entscheidungen werden unter diesen Bedingungen immer unwahrscheinlicher. Situationen mit Verstrickungscharakter haben folgende Eigenheiten, die man sich merken sollte, damit man nicht in selbstgestellte Fallen fällt: 1. Die aufgewendeten Ressourcen, sei es Zeit, Geld, Emotionen oder Menschenleben, werden nur als Investitionen und nicht auch als Kosten angesehen. Dies führt zu der irrigen Annahme, dass eine nur noch geringere weitere Investition genüge, um das Ziel zu erreichen. 2. Die Situation führt zur Eskalation des Konflikts, und dies vermindert die Wahrscheinlichkeit, vernünftig zu entscheiden. 3. Derartige Konflikte erfordern sofortige Entscheidungen angesichts großer Unsicherheit über den zukünftigen Ablauf. 4. Die Situation erfordert wiederholte Investitionen und ständig neue Rechtfertigungen, den Kurs beizubehalten. Wie können wir uns gegen derartige Verstrickungen wappnen? Auch hier gilt, es kommt drauf an, wie man den Konflikt wahrnimmt bzw. welche Perspektive man dazu einnimmt. l. Vor Beginn einer kompetitiven Auseinandersetzung setze man sich Grenzen, sowohl hinsichtlich der Ressourcen als auch bezüglich des Maßes der Selbstverpflichtung; hierbei soll man - sich an frühere Erfahrungen oder die Erfahrungen anderer in ähnlichen Situationen erinnern; - rational die Bedeutung des Ziels analysieren; - überlegen, ob das Ziel nicht auf anderem Wege zu erreichen ist. Beispiel: Gewerkschaften fordern eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden mit vollem Lohnausgleich.
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2. Sobald die selbstgesetzte Grenze erreicht ist, soll man daran festhalten. Beispiel: Jede neue Investition (wie z.B. ein altes Auto nochmals in die Reparatur geben) wird typischerweise nicht von Null aus bewertet (d.h. wie viel Mark man schon für die Reparatur hineingesteckt hat), sondern meist nur in Beziehung zu den aktuell entstandenen Kosten gesetzt. Dies ist ein Selbstbetrug. Berücksichtigen Sie ferner nicht nur die bisher geleisteten Kosten, sondern auch die zukünftigen. 3. Beachten Sie die nichtrationale Tendenz zum Aushalten. Eskalationen haben die Eigenschaft, dass man draufsatteln muss. Beispiel: „Wir brauchen nur noch weiter eine Woche zu streiken, dann werden die Arbeitgeber schon nachgeben!" 4. Es ist nicht immer vorteilhaft, auf andere Menschen zu schauen, wie sie sich in der gleichen Situation verhalten. Beispiel: Mit anderen Leuten auf einen Bus zu warten, der nicht kommt, und dies nur deshalb zu tun, weil andere auch warten, ist genauso irrational, wie alleine zu warten. 5. Vorsicht ist geboten, andere Menschen beeindrucken zu wollen. Diese anderen können manchmal ein Hindernis bilden, sich aus einer Verstrickung zu lösen, weil wir glauben, von anderen beobachtet und bewertet zu werden. Es ist nur eine scheinbare Schwäche, vor anderen sein Gesicht zu verlieren - es kann vielmehr eine Stärke werden, wenn wir damit eine Konflikteskalation vermeiden können. Beispiel: Ein Chef kann auch mal einen Fehler vor seinen Untergebenen zugeben, statt ihn vertuschen zu wollen. 6. Verhandler sollten vermeiden, den anderen in eine Ecke zu drängen, dass er sein Gesicht verliert, wenn er aufgibt. Die besondere Gefahr der politischen Verstrickung hat Montaigne treffend mit dem Satz charakterisiert: „Es ist keine Schande, dabeigewesen zu sein, aber eine Sünde, dabeizubleiben." Zusammenfassung: Es ist manchmal weiser, einen Kampf zu verlieren, als ihn weiterzuführen.
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6. Bezugsrahmen und Verstrickungen Wie schon mehrfach erwähnt, hängt die Dynamik eines Konflikts u.a. davon ab, wie er von den Beteiligten wahrgenommen wird. Das Phänomen der Verstrickungen zeigte die Gefahr einer Konflikteskalation auf, weil man irrtümlicherweise glaubte, einen bereits eingetretenen Verlust mit weiteren Investitionen kompensieren zu können. Diese falsche mentale Bilanzrechnung kann ungeahnte Folgen haben. Zu fatalen Konsequenzen kann beispielsweise eine Geschäftspolitik führen, wenn trotz bilanzierter Verluste der Geschäftsbericht so formuliert worden ist, dass damit nicht nur vergangene Entscheidungen gerechtfertigt werden, sondern auch zukünftig an ihnen festgehalten wird. So gesehen kann man zwar durch geschickte Formulierung aus einem Verlust keinen Gewinn machen, doch einen Entscheidungsrahmen aufbauen, innerhalb dessen vergangene oder zukünftige Optionen in einem mehr oder weniger positiven Licht erscheinen können. Worin besteht die Kunst, Entscheidungsgrundlagen so zu formulieren, dass sie eine gewünschte Konsequenz haben? Dies soll an den Untersuchungen über die Konsequenzen unterschiedlich formulierter Entscheidungsrahmen von Bazerman & Neale (1983) illustriert werden: Eine große Automobilfirma hat mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen, und es scheint, dass drei Fertigungsbetriebe geschlossen und 6000 Beschäftigte entlassen werden müssen. Der Leiter der Produktion hat alternative Möglichkeiten untersucht, um mit der Krise fertig zu werden. Er hat zwei Pläne entwickelt: Plan A: Dieser Plan würde einen der drei Fertigungsbetriebe und 2000 Arbeitsplätze retten. Plan B: Dieser Plan hat 1/3 Wahrscheinlichkeit, dass alle drei Fertigungsbetriebe und alle 6000 Arbeitsplätze gerettet werden können, aber eine 2/3 Wahrscheinlichkeit, dass kein Fertigungsbetrieb und kein Arbeitsplatz gerettet werden kann. Welchen Plan würden Sie wählen? Von den Konsequenzen her betrachtet, sind die Alternativen A und B identisch (d.h., 2000 gerettete Arbeitsplätze). Empirisch gesehen bevorzugen jedoch mehr als 80%
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der Befragten Plan A. Möglicherweise ist dieses Ergebnis nicht weiter verwunderlich, denn die meisten von uns entscheiden sich eher für einen sicheren Gewinn als für eine risikoreichere Alternative mit der Wahrscheinlichkeit eines Gewinns und dem gleichen Erwartungswert. Betrachten Sie nun einmal zwei weitere Pläne und wählen Sie zwischen folgenden Alternativen: Plan C: Dieser Plan würde den Verlust von zwei der drei Fertigungsbetriebe und von 4000 Arbeitsplätzen bedeuten. Plan D: Dieser Plan hat eine 2/3 Wahrscheinlichkeit, dass alle drei Fertigungsbetriebe und alle 6000 Arbeitsplätze verlorengehen, aber 1/3 Wahrscheinlichkeit, dass kein Fertigungsbetrieb und keine Arbeitsplätze verlorengehen. Welchen Plan würden Sie wählen? Auch diese beiden Alternativen haben den gleichen Erwartungswert. Außerdem ist der Erwartungswert dieser Version identisch mit dem der ersten Version (d.h., 2000 gerettete Arbeitsplätze). Erstaunlich ist jedoch, dass die Mehrheit der Befragten mehr als 80 % - bei der zweiten Version Plan D bevorzugten. Anders als bei der ersten Version waren die Befragten der zweiten Version risikogeneigt, insofern sie den scheinbar risikoreicheren Plan D mit der Wahrscheinlichkeit des Verlusts, dem „sicheren" Verlust des Plans C vorzogen. Während die beiden Alternativen objektiv identisch sind, genügte eine Änderung der Fragestellung von den zu rettenden Fertigungsbetrieben und Arbeitsplätzen zu den möglichem Verlust, um die Entscheidungspräferenz von risikomeidend zu risikogeneigt zu ändern. Der entscheidende Unterschied besteht also darin, dass in der ersten Version der Bezugspunkt der Verlust von drei Fertigungsbetrieben und 6000 Arbeitsplätzen ist und das Ergebnis als Gewinn (gerettete Fertigungsbetriebe und Arbeitsplätze) gewertet wird, während in der zweiten Version die Programme in Bezug auf die möglichen Verluste gewertet werden. Diese unterschiedlichen Bezugsrahmen erzeugen die verschiedenen Präferenzen. Diese Untersuchungen basieren auf der Präferenztheorie von Kahneman & Tversky (1982), nach der Menschen unterschiedliches
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Risikoverhalten zeigen, je nachdem, wie der Entscheidungsrahmen formuliert ist. Danach sind wir eher risikomeidend, wenn der Entscheidungsrahmen positiv formuliert ist, d.h., wenn ein Gewinn in Aussicht steht, aber eher risikogeneigt, wenn die gleiche Situation negativ formuliert ist, d.h., wenn wir Verluste bewerten. Vor die Alternative gestellt, bevorzugen Menschen einen sicheren Gewinn gegenüber der Wahrscheinlichkeit eines Gewinns (mit dem gleichen Erwartungswert); andererseits bevorzugen sie die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts gegenüber einem sicheren Verlust. Die Präferenztheorie ist wiederum ein Beispiel für systematische Abweichungen von rational-optimalen Entscheidungen. Diese unterschiedlichen Entscheidungspräferenzen ähneln in gewisser Weise Verstrickungssituationen, denn die Entscheidungssituation einer verstrickten Person ist meist negativ formuliert. Die verstrickte Person ist typischerweise in einer Verlustsituation, insofern sie sich entscheiden muss, ob sie einen sicheren Verlust hinnimmt (d.h., nicht noch mehr investiert) oder alles auf eine Karte setzt, indem sie zusätzliche Ressourcen investiert. Die Beobachtung, dass Menschen häufig weiter in eine negative Sache investieren, stimmt mit der Präferenztheorie insofern überein, weil eine weitere Eskalation risikoreicher ist als die Entscheidung, sich aus einer verfahrenen Sache herauszuziehen. Eine Implikation der Präferenztheorie wäre, solche Entscheidungssituationen positiv zu formulieren anstatt negativ. Dies ist in Verstrickungssituationen zugegebenermaßen schwierig, aber man kann meist eine negative Situation weniger negativ formulieren. Diese Möglichkeiten eröffnen sich häufig für eine dritte Partei, die als Vermittler oder Schlichter in Verhandlungssituationen wirkt. Ebenso wichtig sind diese Überlegungen in Bezug auf die Akzeptanz von Verhandlungsentscheidungen für Dritte. Dies soll an folgendem (fiktiven) Beispiel einer Verhandlungssituation illustriert werden: Die Gewerkschaften fordern eine Lohnerhöhung auf DM 12 und jeder Abschluss darunter wäre in ihren Augen ein Verlust angesichts der gegenwärtigen Inflationsentwicklung. Die Arbeitgeber sind nicht bereit, mehr als DM 10 zu zahlen, und alles, was darüber ist, wäre ein schwerer Verlust für die Betriebe. Keine Seite will nachgeben, aber folgende Optionen sind möglich: entweder Abschluss auf DM 11
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oder sich einer Zwangsschlichtung unterwerfen. Die letzte Option ist für beide Seiten die risikoreichere Variante, weil beide nicht wissen, was dabei herauskommen kann. Nachdem beide Parteien eine Einigung auf DM 11 Niveau als einen Verlust betrachten (im Sinne der Präferenztheorie), werden sie vermutlich risikogeneigt sein und den Zwangsschlichter anrufen. Wenn sie aber von vornherein die gleiche Situation in Richtung eines Gewinns formulieren, dann ändert sich möglicherweise ihr Verhandlungsverhalten. Wenn die Gewerkschaften jeden Pfennig über DM 10 als einen Gewinn betrachten, und die Arbeitgeber jeden Pfennig unter DM 12 ebenfalls als einen Gewinn, dann existiert für beide Seiten ein positiver Entscheidungsrahmen, und damit einhergehend eine Tendenz zur Risikomeidung: wahrscheinlich werden sie verhandeln. Weitere empirische Untersuchungen (s. Bazerman & Neale, 1983) belegen, dass eine positive Formulierung der Entscheidungskonsequenzen die Konzessionsneigung fördert. Diesen Aspekt müssen sowohl eine dritte Partei wie etwa ein Richter, Schlichter oder Vermittler in Verhandlungen beachten als auch die Teilnehmer an kollektiven Verhandlungen, etwa bei Tarifkonflikten. Denn die Repräsentanten einer Partei haben nicht nur mit der gegnerischen Seite zu tun, sondern sie müssen auch darauf achten, dass ihr Verhandlungsergebnis von ihrer jeweiligen „Basis" akzeptiert wird. Insofern ist es wichtig, den Bezugsrahmen so zu formulieren, dass nicht überhöhte negative Erwartungen geweckt werden, um mögliche Optionen nicht von vornherein einzuengen.
7. Der „Mythos des begrenzten Kuchens" beim Verhandeln Zum Schluss soll noch eine weitere Tendenz beschrieben werden, die häufig die Verhandlungslösungen erschwert. Die Rede ist vom „Mythos des begrenzten Kuchens".5 Darunter versteht man die (oft 5
S. den Beitrag von Gottwald, Stadien—, in diesem Band.
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falsche) Annahme, dass die Sache, um die gestritten wird, nur eine Aufteilung erlaubt nach dem Motto: Was Du bekommst, nimmst Du mir weg und was ich bekomme, kannst Du nicht mehr haben. Diese grundlegende Annahme eines begrenzten Kuchens hat den Charakter eines Nullsummenspiels, bei dem der Gewinn der einen Seite der Verlust der anderen Seite ist. Bei Konflikten fällt uns zunächst meist folgendes Denkmuster ein: Entweder gewinnen oder verlieren. Dabei wird häufig übersehen, dass es Aufteilungsmöglichkeiten gibt, die den Kuchen sogar größer machen und damit eine so genannte integrative Lösung ermöglichen, bei der die Interessen beider Parteien berücksichtigt werden und ein gemeinsamer Nutzen für beide herauskommt. Im Gegensatz dazu steht die so genannte distributive Vereinbarung, bei der beide Parteien eine Konzession etwa in der Mitte anstreben (s. Pruitt, 1983b). Denken Sie an die Lösung des Konflikts zwischen den beiden Schwestern, die sich wegen der unterschiedlichen Verwendung einer Orange streiten (s. Follett, 1940). Eine integrative Lösung bestünde darin, dass der einen Schwester der gesamte Saft gegeben wird und der anderen Schwester die gesamte Schale zum Kuchenbacken. Leider unterliegen die meisten Verhandler einer systematisch-intuitiven Wahmehmungsverzerrung, die ihr Verhalten beeinflusst: Sie nehmen an, dass ihre Interessen direkt mit den Interessen der anderen Partei konfligieren. Die begrenzte Kuchen-Annahme gehört leider zur Grundüberzeugung vieler Menschen. Diese fatale Sichtweise verhindert eine kreative, d.h. integrative Lösung eines Konflikts. Fisher & Ury (1981) zeigen Möglichkeiten auf, wie diesen falschen Annahmen in Verhandlungen entgegengewirkt werden kann.6
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S. dazu den Beitrag von Gottwald, Stadien..., in diesem Band.
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8. Wie kann man Verhandlungsverhalten verbessern - oder wie kann man der begrenzten Rationalität entgegenwirken? Erfolgreiches Verhandeln setzt kontrollierte soziale Beeinflussung voraus. Diese Feststellung ist für sich genommen nicht sehr informativ. Verhandler sollten die Strukturen und die Dynamik von Verhandlungssituationen ebenso kennen wie charakteristische Verhaltensweisen und Urteilstendenzen vom Gegenüber und von sich selbst. Erst wenn man diese Einflussfaktoren kennt, ist es möglich, auf sie einzuwirken. Das Beispiel der Verhandlungsfallen zeigte, dass auch bei scheinbar optimal gegebenen Voraussetzungen Verhandlungslösungen nicht möglich sind. Diese paradoxe Situation wird verständlich, wenn man die psychologischen und strukturellen Hürden kennt, die einer Lösung im Wege stehen. Welche praktischen Schritte kann man unternehmen, um für Verhandler nicht nur theoretisches Wissen bereitzustellen, sondern sie auch in die Lage zu versetzen, es anzuwenden. Wissen und Tun sind — wie wir alle wissen nicht identisch. Vorschläge zur Überwindung dieser Kluft reflektieren natürlich die theoretischen Orientierungen des Vorschlagenden. Der von mir gewählte theoretische Rahmen orientiert sich überwiegend an der kognitiven Sozialpsychologie und an der Entscheidungsforschung. Im Mittelpunkt meiner Überlegungen stand die Idee der begrenzten Rationalität, die verhindert, dass wir optimale Entscheidungen treffen. Leider ist unser Verständnis über unser begrenztes Urteilsvermögen schneller gewachsen als unser Wissen, wie wir diese Begrenztheit überwinden können. Erwähnt werden muss noch ein anderes theoretisches Manko, das mit dem Problem der Konflikteskalation zu tun hat. Wir wissen sehr viel darüber, wie Konflikte eskalieren (z.B. indem wir Konflikte als Nullsummensituationen betrachten), aber sehr wenig über die Möglichkeiten der Deeskalation von Konflikten. Wenn wir also Verhandlern praktische Anleitungen geben wollen, wird dieses Manko schmerzlich bewusst. Konflikte eskalieren quasi „natürlich", die Konfliktdeeskalation aber will „erkämpft" sein. Bazerman (1986) hat ein dreistufiges Modell entwickelt, um zu zeigen, wie Entscheidungsverhalten verbessert werden kann. Im einzel-
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nen benennt er die Stufen l.) Enteisen, 2.) Ändern und 3.) Vereisen von Entscheidungsgewohnheiten. Diese Sequenz kann als ein Trainingsprogramm aufgefasst werden: 1. Zunächst gilt es, langgehegte (und liebgewonnene), aber dennoch nicht optimale Entscheidungs- und Verhaltensgewohnheiten aufzulösen - zu enteisen. Alle Systeme, also auch Menschen und Organisationen, tendieren dazu, im Status quo zu verharren. Dies gibt ihnen (vermeintliche) Sicherheit und Schutz. Denken Sie nur an die Tendenz, Risiko zu meiden und das schon bekannte Verhalten beizubehalten, statt den Ungewissen Ausgang einer innovativen Alternative zu wählen. Daher ist es schwierig, Menschen und Organisationen zu ändern. Um Änderungen herbeizuführen, müssen wir jedoch explizit gezeigt bekommen, dass etwas falsch oder nicht optimal ist mit unserem Verhalten. Dies muss jedoch in einer Weise geschehen, die das Selbstbewusstsein der Person nicht verletzt. Man kann dies am besten durch Trainingsprogramme erreichen, in denen Spiele eingesetzt und die Konsequenzen aus den getroffenen Entscheidungen analysiert werden. Beispielsweise eignet sich das Dollar-Auktionsspiel hervorragend, irrationale Tendenzen der Konfliktverstrickung zu illustrieren und sie damit zu „enteisen". Feedback aus solchen Situationen ist einem gelesenen Text oder einer Vorlesung vermutlich weit überlegen. 2. Die nächste Stufe bezieht sich auf die Veränderung des Verhaltens. Nachdem die Person „enteist" oder doch verunsichert über ihr bisheriges Verhalten ist, muss sie mit Alternativen konfrontiert werden. Hierzu muss sie die Mängel benennen können und die Prozesse verstehen lernen, die zu den Mängeln führten. Danach muss sie darüber aufgeklärt werden, wie ein optimaler Entscheidungsprozeß aussehen könnte. Nisbett & ROSS (1980) haben diese Mängel und Schwächen in ihrem einflussreichen Buch beschrieben und auch Vorschläge unterbreitet, wie ihnen begegnet werden kann. Wichtig hierbei ist nochmals, dass solche „Mängel" nicht individuelle Schwächen darstellen, sondern sozusagen „Programmierungsfehler" sind, die alle Menschen teilen.
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3. In der letzten Stufe müssen die „eingesehenen" und korrigierten Mängel zum neuen Verhandlungsrepertoire werden - sie müssen Teil einer Gewohnheitshandlung werden. Dies braucht Zeit und erfordert häufigen Gebrauch und Trainingswiederholung mit viel Feedback. Hilfreich ist hierzu, wiederholt alte, festgefahrene Überzeugungen zu hinterfragen; beispielsweise Verhandlungen nicht von vornherein als kompetitive Nullsummensituationen zu betrachten, sondern als Problemlösungssituationen, die durch kreative Anstrengungen zum gemeinsamen Nutzen gelöst werden können. Konflikte können auch eine Chance sein, völlig neuartige Alternativen in sozialen Beziehungen zu entwickeln. Hilfreich ist auch, wenn beide Parteien bei einem Stillstand einmal ihre Positionen wechseln und damit die Perspektiven des anderen übernehmen. Die eigenen Scheuklappen fallen herunter, und das Repertoire von Lösungsoptionen vergrößert sich. Diese Technik erhöht die Konzessionsbereitschaft von Verhandlern ganz erstaunlich.7 Die Entscheidungs- und Urteilsfehler sind uns meist nicht bewusst. Um sie bewusst zu machen, muss man über ihre Wirkung Bescheid wissen, und, verbunden mit Training und Feedback, lässt sich optimales Verhalten in Verhandlungssituationen erzielen. Es lag nicht in der Absicht dieses Beitrages, die Entstehung von Konflikten zu diskutieren. Vielmehr wurde verdeutlicht, dass Konflikte als Begleiter sozialen Lebens unbefriedigende Beziehungen darstellen, die durch Verhandlungen auf eine neue Grundlage gebracht werden können. Das Wissen um die Dynamik und die Techniken des Verhandelns können dazu beitragen, menschliche Konflikte mit Würde und Respekt für die Parteien so zu lösen, dass soziale Beziehungen intakt bleiben und nachher befriedigender sein können als vorher.
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S. dazu den Beitrag von Gottwald, Stadien ... in diesem Band.
Stadien, Strategien und Maximen in Verhandlungen Walther Gottwald Kurzfassung Ziel dieses Beitrages ist es, einen Einblick in die Welt des Verhandelns zu geben: in die Phasen und Stadien von Verhandlungen, in die Strategien der Verhandlungsteilnehmer und die Grundprinzipien für Verhandlungssituationen. Den Abschluss bilden Überlegungen dazu, wie sich die eigene Verhandlungssituation legitim optimieren lässt.
Einleitung Verhandlungen haben eine Zeit- und Inhaltsdimension. So wichtig die Verhandlungen am Verhandlungstisch sind, so sind sie doch nur Teil eines Prozesses, der oft sehr viel früher mit dem Entschluss begonnen hat, überhaupt miteinander zu verhandeln. Und auch nach der Verhandlungsübereinkunft geht es oft weiter, da nun das Ergebnis auch implementiert, also durchgerührt werden muss. Dazu sind oft neue Verhandlungen nötig. Verhandlungen haben deshalb eine Vorphase, Hauptphase und Nachphase. Thema dieses Beitrages ist die Hauptphase. Aber auch hier treffen wir auf die Zeitdimension. Man setzt sich eben nicht einfach zusammen und schon kommt die Übereinkunft, sondern die Verhandlungen durchlaufen verschiedene Stadien, deren Inhalt und Dauer von den unterschiedlichen Verhandlungsstrategien der Parteien bestimmt sind. Überall taucht aber ein grundsätzliches Problem auf: Wie kann ich meine Verhandlungsposition effektiv einsetzen, welche Methode empfiehlt sich für meine Verhandlungen mit der Gegenseite? Ich will mich in diesem Kapitel mit den Stadien in Verhandlungen (l.) beschäftigen, den unterschiedlichen Strategien der Verhandlungsteilnehmer (2.) und mit einigen Grundprinzipien, die ich für sehr
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nützlich in Verhandungssituationen halte (3.). Den Abschluss bilden Überlegungen dazu, wie Verhandlungsteilnehmer ihre Verhandlungsmacht optimieren können (4.).
l. Stadien m Verhandlungen Gleichgültig, ob man sich die Literatur zu Verhandlungen im Bereich internationaler Beziehungen, in der Sozialpsychologie, in Prozessen der Entscheidungsfindung123 in der Wirtschaft, Textbücher für angehende Juristen oder simple „how-todo-it'-Kochbücher zu Verhandlungen vornimmt - immer wird die Zeitdimension in Verhandlungen betont. Es ist wie beim Fliegen: zuerst startet man, dann fliegt man und erst dann wird gelandet - die umgekehrte oder eine andere Reihenfolge gelingt nicht gut. In Verhandlungen aber wird diese Einsicht oft vernachlässigt. Richter halten ausgezeichnete, druckreife juristische Monologe und fragen dann völlig unvermittelt die Parteien, ob sie sich denn nicht doch lieber vergleichen wollen - obwohl die Parteien und manchmal ihre Anwälte noch keinen Ton gesagt haben. Oder junge unerfahrene Anwälte verkennen, in welchem Stadium die Verhandlungen gerade stecken und setzen Taktiken und Strategien ein, die eigentlich in ein anderes Stadium gehören. So lässt sich beobachten, dass vor allem kooperative Anwälte oft Verhandlungsphasen schneller durchlaufen ab ihr härterer - kompetitiver Gegenpart und dann annehmen, die Verhandlungen seien gescheitert, weil sie keine rasche Einigung sehen. Gunter Widmaier, der aufgrund seiner Erfolge in der Revision anerkannte Strafverteidiger, beschreibt diesen Phasencharakter für den Strafprozess an einem handfesten Beispiel, dem strafprozessualen „Vergleich" (Widmaier, 1986, 358): „Wenn ich bei diesem Gericht zu früh mit dem Friedensangebot komme, dann ist es gar nichts wert. Wenn ich etwa schon, um es praktisch zu sagen, drei Wochen vor der Hauptverhandlung einen Brief an das Gericht schreibe, auf die Ladung von Zeugen möge verzichtet werden, der Angeklagte werde ein Geständnis ablegen, dann erwartet das Gericht auch ein rundum schönes
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Geständnis. Jetzt kommt dieses Geständnis aber nicht ganz erstklassig, sondern mit kleinen Abmaßen. Dann schiebt der Vorsitzende die Brille hoch und sagt dem Verteidiger; „Aber Herr Rechtsanwalt, Sie haben mir doch ein Geständnis angekündigt, soll denn das etwa ein Geständnis sein? Wir müssen wohl doch die Zeugen laden." Die Stimmung ist kaputt... Wenn dagegen, und das sind die seltsamen Konsequenzen dieses unbewussten und irrationalen Unterwerfungsprinzips, drei Tage oder drei Wochen lang ein richtig zäher Prozess geführt wird, wenn das Gericht immer verzweifelter wird ob der Fülle der Beweisanträge, ob der Renitenz dieses Angeklagten - und wenn dann plötzlich an einem Tag dem Richter der Kragen platzt und er, nicht in befangener, aber in schroffer Weise dem Angeklagten die Leviten liest, so gehe das nicht, und wenn dann der Angeklagte am nächsten Verhandlungstag so klein ist und nicht mehr „drum herumredet", dann fällt wie durch ein Wunder der gesamte richterliche Zorn weg und es herrscht eitel Entgegenkommen."
Widmaier hat klar erfasst, wie wichtig es ist, den Phasencharakter und die Zeitdimension zu beachten, wenn man etwas in Verhandlungen erreichen will. Wie aber sieht dieser Phasencharakter von Verhandlungen im Einzelnen aus? Das beantwortet eigentlich jeder anders, der sich mit Verhandlungen befasst, und es wird auch von Situation zu Situation verschieden sein: im Zivilprozess anders als im Strafprozess, im Vorfeld und Umfeld der Justiz anders als im Prozess. Es ist auch gar nicht so wichtig, wofür man sich hier entscheidet; wesentlich ist allein, dass man den Phasencharakter von Verhandlungen nicht aus dem Auge verliert. In der amerikanischen Untersuchung zum Anwaltsverhalten haben der amerikanische Rechtsprofessor Williams und sein Team aus Soziologen und Juristen Verhandlungen zwischen Anwälten beobachtet und gefilmt (Williams, 1983). Sie unterscheiden vier Stadien1: 1. Orientierung und Einnahme von Anfangspositionen 2. Diskussion der strittigen Punkte 3. Annäherung der Standpunkte oder Abbruch der Verhandlungen 4. Niederlegung des Verhandlungsergebnisses
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Sehr eingehend befasst sich der Rechtsanthropologe Gulliver (1979) mit den Phasen in Verhandlungen. Er unterscheidet sogar sieben Phasen.
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Ich will auf die Stadien 2-4 nicht eingehen, da sie aus sich selbst heraus verständlich sind, sondern mich auf die Phase l beschränken. Wichtig ist jedoch, niemals zu vergessen, das Verhandlungsergebnis schriftlich zu fixieren. Das hat nicht nur rituellen oder psychologischen Charakter, sondern man weiß oft später gar nicht mehr, was man vereinbart hat, wenn das Ergebnis zuvor nicht schriftlich fixiert worden ist. In Phase l des Verhandlungstanzes geht es den Verhandlern darum, sich gegenseitig zu beschnüffeln, die Beziehung zur Gegenseite zu definieren. Man versucht herauszufinden, wie der andere sich verhält und je nachdem stellt man sich - sofern flexibel genug - darauf ein. Dabei sagt uns die sozialpsychologische Literatur, dass es drei grundverschiedene Verhandlungstypen gibt: den kooperativen, den kompetitiven und den individualistischen Typ.2 Der Kooperative sucht - verkürzt gesagt - nach gemeinsamem Grund für eine Übereinkunft, will auch die Interessen der Gegenseite einbeziehen. Der Kompetitive will siegen, auch wenn er selbst dabei Verluste erleidet. Der individualistische Typ richtet sich ganz danach ein, wie sich die Gegenseite verhält: verhandelt sie kooperativ, wird auch er sich so verhalten; ist sie kompetitiv, beginnt auch er den Hahnenkampf. Kooperativ, kompetitiv und individualistisch haben nun nichts mit gut oder böse zu tun, sondern sind verschiedene Strategien und Verhaltensmuster, die je nach Situation und Persönlichkeit des Verhandlers durchaus erfolgreich sein können, wenn sie effektiv eingesetzt werden. Interessant ist jedoch: während der kooperative und individualistische Typ sich auf den kompetitiven Gegenpart einstellen können, gelingt das dem Kompetitiven nicht, glaubt man der reichhaltigen sozialpsychologischen Literatur zu diesem Thema. Der Kompetitive fährt seinen Kurs - auch wenn die Fetzen fliegen und er auf die Dauer gesehen Verluste erleidet. Ihm geht es vor allem ums Gewinnen. In Stadium l wird diese Grundhaltung der anderen Seite gewissermaßen „abgecheckt". Und je nachdem kommen die Parteien auch gleich mit ihren Anfangsforderungen bzw. Anfangsangeboten. Aber
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Vgl. dazu den Beitrag von Bierbrauer in diesem Band.
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sie sind sehr vorsichtig, kennen sie in dieser Phase doch bei weitem noch nicht alle wichtigen Fakten, ist doch die Rechtslage noch nicht ausdiskutiert und müssen deshalb beide Seiten immer mit unvorhergesehenen Ereignissen rechnen. Besonders deutlich lässt sich das in Gerichtsverhandlungen beobachten, wenn jeder Anwalt es dem anderen zuschieben will, doch mit dem ersten Vergleichsangebot herauszurücken.
2. Strategien in Verhandlungen Aber irgendwann muss man doch einmal mit etwas herausrücken, und hier zeigen sich idealtypisch drei Strategien: (l) eine maximalistische Strategie verlangt weit mehr, als sie selbst je zu erhalten glaubt. Ihr Ziel: sich durch hohe Anfangsforderungen vor dem zu schützen, was Verhandler am meisten fürchten: sich von vornherein auf eine allzu bescheidene Verhandlungsposition festzulegen. Im Schütze der hohen Anfangsforderung kann man auch ausloten, was die Gegenseite tatsächlich von den Verhandlungen erwartet, und man hat genügend Manövriermasse für Konzessionen, die die Gegenseite nach dem Gegenseitigkeitsprinzip, das unser Zusammenleben in hohem Maß regiert (Cialdini, 1984), zu Gegenkonzessionen bewegen. Und noch ein weiterer Vorteil: Wer hoch anfängt, hat die Chance, dass er bei dem dieser Strategie immanenten Feilschen und der Aufteilung des Verhandlungskuchens besser wegkommt als derjenige, der bescheiden angefangen hat. Fängt A z.B. mit 20.000 DM als Anfangsforderung an, bietet B nur 10.000 DM und wird dann in der Mitte gesplittet, so kommt A besser weg als wenn er mit 15.000 DM begonnen hätte. Er erhält dann eben 15.000 DM statt 12.500 DM. Diese Strategie, die von vielen als die Verhandlungsstrategie schlechthin angepriesen wird, hat einige Nachteile. Sehr leicht kommt man von der einmal eingenommenen Position nicht mehr herunter, besonders wenn die Gegenseite eine ähnliche Strategie anwendet. Die Verhandlungen scheitern dann oder - gibt man schließlich doch nach - die Gegenseite fasst nach und will nun erst
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recht noch mehr herausholen, oder sie nimmt einen nicht mehr ernst. Besonders häufig setzen kompetitive Verhandler die maximalistische Strategie ein, oft gepaart mit Bluff, Drohungen und anderen manipulativen Taktiken (Williams, 1983). (2) Die zweite Strategie, die ich einmal als Strategie der Fairness bezeichnen will, akzeptiert die Grundhaltung der maximalistischen Strategie nicht, dass es in Verhandlungen einzig und allein darum gehen kann, den eigenen Gewinn ohne Rücksicht auf die Gegenseite zu maximieren. Nach ihr muss es in Verhandlungen zugleich auch darum gehen, ein faires Ergebnis für beide Seiten zu erreichen, da Billigkeit und Fairness ganz wesentliche Bestandteile der subjektiven Gerechtigkeitsvorstellungen von Menschen (Lemer & Lerner, 1981) sind. Sie empfiehlt Verhandlern, höchst penibel auf Fairness zu achten sowie der Versuchung zu widerstehen, um jeden Preis gewinnen zu wollen. Mit Naivität hat auch diese Strategie nichts zu tun. Sie empfiehlt nämlich Konzessionen nur, wenn sie wirklich erwidert werden. Und sie sieht sich auch als eine besonders effiziente und ökonomische Form der Beilegung von Gegensätzen durch Verhandlungen, da Sackgassen und der Abbruch von Verhandlungen eher vermieden werden als bei der maximalistischen Strategie. Freilich hat auch diese Strategie, die in erster Linie kooperative Verhandler einsetzen, ihre Nachteile. Nicht selten geht sie einher mit bloßem Nettsein und purem Idealismus, vor allem wenn sie von unerfahrenen Verhandlern eingesetzt wird. Geraten sie auf kompetitive Verhandler, so riskieren sie, in die ,Pfanne gehauen' zu werden - und genau das passiert leicht jungen, netten und idealistischen Anwälten, die auf einen erfahrenen, abgebrühten Haudegen stoßen, wie sich unschwer zuweilen in Gerichtsverhandlungen beobachten lässt. Dabei dürfte das, was sich vor den Augen des Gerichts ereignet, noch ein eher milder Abklatsch dessen sein, was sich in Verhandlungen im Vorfeld der Justiz abspielen kann. Routinemäßig - so die amerikanische Untersuchung - wenden Anwälte entweder die eine oder andere Strategie an (Williams, 1983). Dabei ist vor allem auffallend, dass überhaupt so sehr auf die Einnahme von Positionen geachtet wird. Nicht die Interessen der Parteien, um die es geht, werden in den Vordergrund gerückt, sondern es
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werden Positionen eingenommen. Aber das ist gar kein Wunder: Wir Juristen werden auf die Prozess- und Streitperspektive hin geschult. Denn die Prozessordnungen verlangen die Einnahme einer eigenen Position und die Zuschreibung einer Gegenposition für die andere Seite. In der Klage und den folgenden Schriftsätzen erhebt man den anderen zum Gegner und betont, was er in der Vergangenheit Unrechtes getan hat. Der Kläger hat einen „bestimmten Klageantrag" (§ 253 ZPO) zu stellen, sich also damit auf eine ganz bestimmte Position festzulegen. Der Beklagte tut das Gleiche. Daran ist natürlich absolut nichts Verwerfliches, denn auf diese Weise muss ein Konflikt ,verrechtlicht' und ,vergerichtlicht' werden, soll der Richter darüber durch Urteil entscheiden (Aubert, 1963; Eckhoff, 1966). Und er muss es ja, wenn die Parteien es beantragen und kann nicht etwa sagen „Dieser Fall wäre besser nicht passiert!" Will er vergleichen, dann muss er die Parteien von diesen Positionen, an die sie im Laufe des Verfahrens immer mehr glauben und die sich deshalb verfestigen, wieder herunter bringen, und nicht zuletzt darin liegt das Problem richterlicher Vergleichsbemühungen (Gottwald et al., 1983). (3) Die dritte Strategie ist ganz anders angelegt. Ihr liegt explizit eine Verhandlungsperspektive zugrunde. Sie bezweifelt den Nutzen einer Einnahme von Positionen. Positionsgerangel - gleichgültig in welcher Spielart - hält sie für wenig sinnvoll, weil es die Parteien in eine rigide und übermäßig aufwendige Verhandlungsstruktur zwingt. Sie sieht sich als Alternative zum positionsorienlierten Verhandeln der „harten" Spielart, wie sie die maximalistische Strategie propagiert, aber auch der „weichen" Tour der Faimessstrategie. Diese „integrative" Strategie geht davon aus, dass es in Verhandlungen weder darum gehen kann, den Gewinn einseitig auf Kosten der anderen Seite zu maximieren, noch darum, zwar faire, aber möglicherweise weniger optimale Ergebnisse zu erreichen. Es kommt vielmehr darauf an. Lösungsmöglichkeiten aufzuspüren und einzubringen, die den Gewinn beider Seiten maximieren. Die Amerikaner haben dafür die plastische Bezeichnung „Win-Win-Negotiating" gefunden (Jandt & Gillette, 1985). Aber auch diese Strategie hat ihre Probleme. Zunächst einmal sind Juristen kaum für diese Perspektive geschult. Sie als richtig anzuse-
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hen, bedeutet noch lange nicht, sich auch nach ihr verhalten zu können. In zahlreichen Prozessspielen in unseren Seminaren hat sich gezeigt, dass es auch bei einer eindeutigen Vorgabe, auf eine GewinnMaximierung für beide Seiten zu achten, doch nicht gelang, die Verhandlungspartner von einer auf einseitige Gewinnerzielung oder auf allzu fairen Ausgleich bedachten Strategie abzubringen. Die integrative Strategie verlangt auch viel Phantasie und Kreativität, um Wahlmöglichkeiten zum beiderseitigen Vorteil ausfindig zu machen. Das wird vor dem drohenden Hintergrund einer gerichtlichen Auseinandersetzung oder in Vergleichsverhandlungen vor dem Richter - der ebenfalls nicht darin geschult ist - nicht einfach sein. Und es gibt auch zweifellos Situationen, denen man nur mit Positionsgerangel begegnen kann: So kann es dem Touristen am tunesischen Badestrand nur darum gehen, dem Teppichhändler für den Teppich möglichst wenig zu bezahlen, dem Händler nur darum, möglichst viel zu ergattern. Irgendwelche gemeinsame Interessen verbindet die beiden nicht, im Gegenteil: sie werden sich vielleicht wünschen, nie mehr etwas miteinander zu tun zu haben. Keine dieser Strategien ist also eine Patentlösung für alle Verhandlungssituationen. Und wohl keine von ihnen kommt in Reinkultur vor. Aber sie zu kennen, erleichtert es, das Verhandlungsverhalten der Gegenseite richtig einzuschätzen.
3. Die Maximen in Verhandlungen Aber für welche der drei Strategien soll man sich nun entscheiden? Es ist offensichtlich, dass diese Strategien nicht nur für die Eröffnung von Verhandlungen eine Rolle spielen; sie durchziehen die gesamte Verhandlung, da es sich um Grundhaltungen handelt. Hier hilft uns ein hochrenommiertes Forschungsprojekt zu Aushandlungsverfahren, nämlich das „Harvard Negotiation Project" (Gottwald, 1984) ein Stück weiter. Seit Jahren tüfteln Wissenschaftler ganz verschiedener Disziplinen der Harvard Universität und umliegender Institute wie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zusammen mit herausragenden Praktikern aus verschiedenen Verhandlungsberufen an der Frage
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herum, welche Methoden sich für Verhandlungen anbieten. Eine ganze Reihe nützlicher Bücher sind aus dieser gemeinsamen Anstrengung hervorgegangen, unter anderem ein Bestseller der HarvardRechtsprofessoren Roger Fisher und William Ury mit dem viel versprechenden Titel „Getting to yes: Reaching agreement without giving in" (1981)3. Man hat sich letztlich in Harvard für die integrative Methode entschieden, die dort „principled negotiation" genannt wird. Diese Methode hat vier Grundmaximen, die ich für einen guten Ausgangspunkt für diejenigen halte, die sich näher mit Verhandlungen beschäftigen wollen. Die vier Grundmaximen in Verhandlungen lauten: Man sollte in Verhandlungen 1. die Sach- und Beziehungsebene strikt auseinanderhalten, 2. sich auf Interessen, nicht auf Positionen konzentrieren, 3. nach Verhandlungsergebnissen suchen, die für beide Seiten von Vorteil sind, und 4. die Übereinkunft auf sog. objektive Kriterien stützen, also auf Maßstäbe, die vom Willen der Vertragsparteien möglichst unabhängig sind. Was bedeuten diese Maximen? Die Maxime Sach- und Beziehungsebene auseinanderhalten meint folgendes: Aus der Psychologie zwischenmenschlicher Beziehungen wissen wir alle mehr oder weniger, dass sich in unseren Interaktionen die Beziehungsebene sehr leicht mit der Sachebene vermischt4. So verleitet z.B. der Ärger über eine missliche Situation dazu, den Unmut an der Person auszulassen, mit der sich die Situation verbindet, obwohl es die Situation und nicht die Person ist, die den Ärger verdient. Oder man leitet aus sachlichen Erklärungen der Gegenseite unzulässige Folgerungen ab, die 3
Neuerdings: Fisher & Brown, Getting Together (l 988); Ury et al., Getting Disputes Resolved (1988). 4 Vgl. dazu das Buch des Hamburger Psychologen Schulz von Thun „Miteinander Reden, Störungen und Klärungen" (1984).
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dann als Beleg für die befürchteten bösen Absichten der Gegenseite dienen. Und das widerfährt natürlich den Parteien in der Hitze eines voll entfachten Rechtskonflikts besonders leicht. Hinter normalen vermögensrechtlichen Streitigkeiten stecken häufig Störungen auf der Beziehungsebene. Selbst in Verkehrsunfällen zwischen einander Fremden hat man sich über die „böse" Versicherung geärgert, die nicht zahlt, und überträgt seinen Unmut auf die andere Partei, die schließlich der Anlass für das Ganze war. Geht es ohnehin mehr um Streitigkeiten in sozialen Dauerbeziehungen wie zwischen Mieter und Vermieter, Nachbarn, Eheleuten oder Geschäftspartnern, so ist die Gefahr einer Vermischung von Sach- und Beziehungsebene besonders groß. Hier hilft nur. Beziehungselemente wie Verständnis und Respekt, Vertrauen und Zuneigung, Angst und Ärger einerseits und Sachelemente wie Preise, Lieferdaten, Zahlungsmodalitäten, Geschäftsbedingungen und Kosten andererseits fein säuberlich auseinander zu halten. Salopp gesagt, darf man Mensch und Problem nicht in einen Topf werfen. Die Sache gilt es zu attackieren, nicht die Gegenseite. In der Sache darf man unter Umständen keinen Millimeter nachgeben, aber das sollte einen nicht daran hindern, schonend mit dem anderen umzugehen. Die Psychologen sagen uns nämlich, dass Menschen den Widerspruch zwischen Attacke des Sachproblems und Schonung bzw. Hilfe im persönlichen Bereich nicht aushalten. Bei einer strikten Trennung dieser beiden Ebenen und einer Konzentration auf die Sachebene wird deshalb auch die Gegenseite dazu übergehen, das Sachproblem zu attackieren. Erleichtert wird dieses sachorientierte Verhandeln, indem man versucht, die Perspektive der anderen Seite einzunehmen, sich einmal probeweise „ihre Schuhe anzuziehen". Das fällt uns gar nicht leicht, denn am meisten interessieren sich Menschen natürlich für sich selbst. Das Für-sich-selbst muss ja nicht immer so ausgeprägt sein wie bei jenem Schauspieler, der in einer Gesellschaft stundenlang von sich und seinen Erfolgen sprach. Endlich sagte er zu den anderen Gästen: „Nun haben wir genug von mir geredet - jetzt zu Ihnen! Wie hat Ihnen mein letztes Stück gefallen?" Die Perspektiveneinnahme ist zentral in Verhandlungen und hat drei Vorteile: sie erhöht die Chancen, im Voraus einschätzen zu kön-
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nen, wie die andere Seite auf die eigenen Angebote reagieren könnte. Es lässt sich dann zweitens besser prognostizieren, ob Widersprüche bestehen zwischen dem, was die Gegenseite sagt und dem, was sie wirklich meint. Denn man weiß eben in Verhandlungen meist nicht, wie die Karten des anderen sind, sondern nur, wie er sagt, dass sie sind. Und der dritte Vorteil einer Perspektiveneinnahme ist, dass die Teilnehmer dadurch einen besonders häufigen, systematischen Bewertungsfehler m Verhandlungen vermeiden: die oft frappierende Überzuversichtlichkeit in die Richtigkeit und Stärke der eigenen Verhandlungsposition (Bazerman, 1983; Bazerman & Neale, 1983). In Experimenten ist diese Überzuversichtlichkeit in Verhandlungssituationen, also unter den Bedingungen von Unbestimmtheit und Unsicherheit, immer wieder festgestellt worden. Es geht nach dem Motto: im Zweifel immer überzuversichtlich sein! Wenn die Verhandlungen scheitern sollten, wird einem das Gericht schon Recht geben; wenn ich mit A keinen Lizenzvertrag aushandeln kann, dann doch sicher mit B - obwohl das alles gar nicht sicher und abgeklärt sein mag. Diese Überzuversichtlichkeit kann jedoch eine Reihe von Übereinkünften verhindern, die an sich innerhalb der Reichweite liegen. Möglicherweise hängt diese Überzuversichtlichkeit damit zusammen: Je länger sich Menschen mit nur einer Sicht auf ein Problem befassen, desto überzeugter sind sie von der Richtigkeit des eingenommenen Standpunkts. Wir können das manchmal gut an Anwälten beobachten: Es mag ihnen nicht immer gelingen, das Gericht davon zu überzeugen, dass sie eigentlich gewinnen müssen, aber es wird ihnen immer gelingen, sich selbst und die Partei davon zu überzeugen, In diesem Zusammenhang hat das Harvard Negotiation Project zwei wichtige Faustregeln entwickelt (Fisher, 1983a, 1983b): Man sollte erstens nie mit dem Abbruch einer Beziehung drohen, um von der anderen Seite Konzessionen in der Sache zu erreichen. Selbst wenn sich die Gegenseite darauf einlässt und Konzessionen macht, so wird doch die Beziehung in jedem Fall darunter gelitten haben, und sie kann sehr wichtig sein, wenn man mit dem anderen in Zukunft noch einmal zu tun hat. Und man sollte zweitens niemals versuchen, eine gute Beziehung durch Konzessionen zu erreichen, die von der Sache her nicht gerechtfertigt sind. Appeasement-Politik zahlt sich
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selten aus, im Gegenteil: Belohnt man rüdes Verhalten, bekommt man leicht mehr davon. Warum der Vorschlag, sich auf Interessen zu konzentrieren? Über Interessen lässt sich verhandeln, hier kann man tauschen und Konzessionen machen (Aubert, 1963), und jede Partei hat fast immer vielfältige Interessen, die sie in die Verhandlungen einbringt. Interessen sind es auch, die letztlich zu Positionen führen, sie stecken also hinter den Positionen. Diese Interessen sind hierarchisch gegliedert in Interessenbäumen. Die wichtigeren und grundlegenderen liegen unter den mehr oberflächlicheren. Deshalb ist es oft nützlich, tiefer zu gehen als zu den Interessen, die dem Vorschlag einer Partei unmittelbar zugrunde liegen, also zu den Interessen, die diesen Interessen zugrunde liegen oder gar noch weiter. Geht man nur tief genug diesen Interessenbaum hinunter, so lassen sich Interessen ausfindig machen, die sich dann doch noch mit denen der Gegenseite in Einklang bringen lassen, die man also aushandeln kann (Pruitt & Rubin, 1986). Das soll an folgendem Beispiel gezeigt werden: Der Interessenbaum
Interessenbaum des Käufers im Streit mit dem Verkäufer
In diesem Beispiel versucht der Käufer den Verkäufer davon zu überzeugen, dass er den Kauf rückgängig machen muss. Oben rechts sind diejenigen Interessen des Käufers, die mit denen des Verkäufers in Konflikt sind. Der Vorschlag des Käufers, den Kaufvertrag rückgängig zu machen, ist in hoffnungslosem Gegensatz zum Interesse des Verkäufers. Diesem Vorschlag des Käufers liegt natürlich das
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Interesse zugrunde, sein Geld zurückzuerhalten, auch dieses Interesse im Gegensatz zu dem Interesse des Verkäufers, einen hohen Umsatz zu erzielen. Regeln lässt sich die Geschichte erst, wenn jemand die weitere Interessenebene berücksichtigt, nämlich das Interesse des Verkäufers an der Erhaltung seines Kunden und des Käufers, nicht hereingelegt zu werden. Diese beiden Interessen lassen sich unter einen Hut bringen dadurch, dass der Verkäufer das Gerät zurücknimmt und der Käufer sich mit einer Gutschrift zufrieden gibt. Ganz unten sind dann noch weitere Interessen, aber soweit muss man den Baum gar nicht hinabsteigen. Die Empfehlung, sich auf Interessen, nicht auf Positionen zu konzentrieren, hat noch einen weiteren Grund: Bei Positionen ist es ein bisschen wie bei der Wahrheit und Werturteilen: Kompromisse sind nur schwer möglich ohne Gesichtsverlust (Aubert, 1963). Es gibt eben keine halbe Wahrheit. Positionen haben auch den Nachteil: Hat sich eine Seite einmal festgelegt, hat sie mit dem Abbruch der Verhandlungen gedroht, so muss sie die Drohung auch wahrmachen, will sie nicht unglaubwürdig sein und riskieren, dass die andere Seite bei einem Nachgeben nachfasst und noch mehr herauszuholen sucht. Und man sieht sich dann sehr leicht mit einer irrationalen Eskalation von Konflikt konfrontiert, wenn Vorschläge oder Drohungen einer Partei oder ihres Anwalts sich nicht durchgesetzt haben (Pruitt & Rubin, 1986). Dieses Phänomen ist aus vielen anderen Bereichen bekannt: Individuen und Gruppen wenden noch mehr Ressourcen in einen Kurs auf, der zuvor fehlgeschlagen ist, wenn sie sich öffentlich festgelegt haben. Sie tun das, um ihre früheren Aktionen zu rechtfertigen oder wiedergutzumachen, geraten dabei aber leicht in die Falle eines kostspieligen, verfehlten Kurses. Es geht fast nach dem Motto: Gestern standen wir am Rande des Abgrundes, heute sind wir einen Schritt weiter. Amerikas tragische Verwicklung in den Vietnam-Krieg ist ein geradezu klassisches Beispiel dafür, wie Politiker sich nach und nach derartig in einen verfehlten Kurs verstrickten, dass man hinterher beim besten Willen nicht mehr erkennen kann, inwiefern ihre Aktionen noch rational waren. Der sinnlose Krieg in Jugoslawien ist ein aktuelles trauriges Beispiel. Und Formen der Verstrickung können wir im Gerichtsalltag beobachten: Hat man erst
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Wer sich jemals mit der Würdigung von Beweisen beschäftigt hat vor allem Zeugenbeweisen - weiß, wie ungewiss der Ausgang eines solchen Rechtsstreits ist. Der Richter aber ist gehalten, sich und damit den Prozess zu entscheiden, und oftmals steht die Entscheidung wahrhaftig auf des Messers Schneide. Auf welche Seite wird sich die Waagschale neigen? Was hindert denn den Richter daran, in einem solchen Falle dem Beklagten vorzuschlagen, vergleichsweise den Betrag an den Kläger zu zahlen, der der Wahrscheinlichkeit entspricht, mit welcher das Gericht die Hingabe des Darlehens als erwiesen ansieht? Wäre das nicht im Interesse der Parteien? Aus der Sicht beider Parteien gesehen, ist dies sicher sinnvoller als eine Alles-oder-Nichts-Entscheidung. Niemand könnte auch dem Richter den Vorwurf machen, er strebe einen Vergleich an, um sich selbst Arbeit zu ersparen. Denn wenn auch der innere Vorgang des Entscheidungsprozesses Mühe macht: diese Arbeit ist im Zeitpunkt des Vergleichsvorschlages erledigt! Oder sie sollte es zumindest sein. Natürlich ist auch die Faulheit des Richters ein Motiv, einen Vergleich zu schließen, um sich damit weitere Arbeit zu ersparen. Ein ernsthaft zu diskutierendes Motiv darf dies allerdings nicht sein. 2. Persönliche Motive sind natürliche Triebfedern, die oftmals den Richter stärker zum Vergleichsabschluss motivieren als die „SollVorschrift" des Gesetzes. a) „Ich habe das Gefühl, als hätte ich den Prozess gewonnen", sagte mir unlängst ein Kollege, nachdem er einen schwierigen Rechtsstreit verglichen hatte. Darin schwingt ein Gutteil Stolz mit auf die Fertigkeit zu verhandeln und zu überzeugen. So gewinnt mancher Kollege auch den Ruf, „er sei ein guter Vergleicher". Ob man darauf stolz sein kann, ist eine ganz andere Frage. b) Zwar hat der Richter am Abschluss des Vergleiches kein materielles Interesse. Ein formelles Interesse lässt sich jedoch nicht von der Hand weisen. In Zeiten, in denen die Zunahme von Rechtsstreitigkeiten (auch und gerade im Bereich der Ziviljustiz) in beängstigendem Maße zunimmt, ist der Richter vermehrt darauf angewiesen, den
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dass die Einigungsvorschläge am ehesten erfolgreich sind, bei denen beide Seiten gewinnen bzw. der Verlust beider Seiten so gering wie möglich gehalten wird. Leider treffen wir jedoch meistens auf eine geradezu mystische Vorstellung, dass der Kuchen in Verhandlungen begrenzt ist. Es ist immer wie bei dem Streit der zwei Schwestern um die Orange (Follett, 1940): Nachdem sie sich endlich geeinigt haben, dass sie die Orange teilen, isst die eine die Frucht ihrer Hälfte und wirft die Schale weg; die andere wirft die Frucht ihrer Hälfte weg und nimmt die Schale, um damit einen Kuchen zu backen. Wie in diesem Beispiel gehen Verhandler vielfach davon aus, dass die entscheidende Frage in Verhandlungen lautet: Wie viel von der Orange bekommt jeder? Sie sehen nicht, dass die Frage eigentlich lauten müsste: Wie kann die Orange geteilt werden, dass der Gewinn für beide maximiert wird - also für die eine die ganze Frucht, für die andere die ganze Schale. Und diese Vorstellung eines begrenzten Kuchens führt notwendigerweise zu der Haltung: Den größeren Teil für mich, den kleineren für Dich - und dabei lassen oft beide Geld auf dem Tisch liegen. Es gibt nun freilich Situationen, in denen diese Sicht genau die richtige ist, wie etwa dort, wo es in Verhandlungen um einen einzigen Gegenstand geht und die Parteien künftig mit Sicherheit nichts mehr miteinander zu tun haben werden. Aber solche Situationen sind nicht die Regel. Das Paradebeispiel ist wieder unser Teppichkauf vom fliegenden Händler am tunesischen Strand. Das Problem ist jedoch, dass diese Situationen - und die dafür geeignete ,Basarmethode' - vielfach als typisch für Verhandlungssituationen angesehen werden. Die Annahme eines begrenzten Kuchens, die diesem Verhandlungsmodell zugrunde liegt, gehört nämlich - und das ist ein weiterer, systematischer Bewertungsfehler, auf den man in Verhandlungen stößt sozusagen zum intuitiven Repertoire von Verhändlern. Wir alle scheinen dazu zu neigen, unsere Interessen stets in direktem Gegensatz zu denen der anderen Seite zu sehen. Eindeutig kompetitive Verhaltensmuster in unserer Umwelt wie z.B. die kompetitive Art der Erziehung in der Schule, in Militärakademien und ähnlichen Anstalten, Sieg und Niederlage im Sport, die Erfahrung, dass man in
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Unternehmen und selbst beim Staat Karrieren häufig nur auf Kosten anderer (oft des Kollegen nebenan) machen kann, bestärken uns in der Allgegenwärtigkeit von Gewinn-Verlust-Situationen: Nur einer kann gewinnen, der andere muss verlieren. Von Jugend an werden wir zu solchen Nullsummenspielen programmiert, verschreiben uns mit Haut und Haar der manichäischen These, dass es in allen Lebenslagen nur zwei Möglichkeiten gibt: Gewinnen und Verlieren - ein Drittes gibt es nicht. Die Richtigkeit des Prinzips sehen wir Juristen auch in der Gerichtssituation bestätigt, gilt doch hier anscheinend das Alles-oderNichts-Prinzip des Urteils. Und diese Erfahrung übertragen wir dann auf Situationen, die ganz anders geartet sind, bei denen letztlich beide gewinnen können. Paul Watzhwick (1986, 52) beschreibt in seinem Buch „Vom Schlechten des Guten" in der Person des Signore Cacciavillani einen solchen reinen Nullsummenspieler, der fürs Gewinnen in jeder, aber auch jeder Hinsicht lebte -und daher in ununterbrochener Angst vor dem Verlieren. Diesem Sig. Cacciavillani aus Rnimondo passiert etwas Unerwartetes: Nachdem er seinen Wagen an einem trüben Wintermorgen ziemlich weit von seinem Büro abgestellt hat und bereits 200 Meter zu Fuß gegangen ist, hört er hinter sich rasche Schritte und dann die Stimme eines Unbekannten: „Sie haben Ihre Wagenlichter angelassen." Es dauert lange, bis Cacciavillani von seiner ersten Reaktion „Will der mich reinlegen?" bis zu jenem Punkt gelangt, an dem er merkt, daß ihm der Unbekannte die Regeln eines ganz anderen Spiels aufgezwungen hatte. Dazu Watzlawick: „Als er (Cacciavillani) nachdenklich zum Wagen zurückging, um die Lichter zu löschen, hatte er ein undeutliches Gefühl der Verpflichtung, das ihm völlig neu war ein Gefühl der Verpflichtung gegenüber irgendeinem anderen Menschen in ähnlicher Lage. Das wirklich entscheidende Ereignis trat erst Monate später ein. Da fand er eine recht gut gefüllte Brieftasche und rieb sich die Hände vor Freude über diesen unverhofften Gewinn. Und ausgerechnet da musste er an den Unbekannten denken, der ihm nachgelaufen war, und auf einmal ging's nicht..." Cacciavillani sieht sich gezwungen, die Brieftasche zurückzubringen und löst dadurch in dem Verlierer der Brieftasche ein ähnliches Gefühl der Verpflichtung aus, die „Kettenreaktion" des Nichtnullsummenspiels.
Was immer die Grundlage für diese Vorstellung eines begrenzten Verhandlungskuchens sein mag: Die Forschungsergebnisse und Verhandlungsvorschläge aus Harvard sagen uns, dass sich in den meisten Situationen der Kuchen vergrößern lässt und dass beide Sei-
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ten gewinnen können. Denn in den meisten Streitigkeiten geht es nicht nur um einen einzigen Gegenstand, sondern bei genauerem Hinsehen um vielfältige Interessen, die für die Parteien von verschiedener Bedeutung sind. Damit aber ist der Kuchen nicht mehr begrenzt und das Nullsummenspiel lässt sich in ein Nichtnullsummenspiel umwandeln.5 Freilich muss man sich dazu schon etwas einfallen lassen. Es gibt nun eine Reihe von Formen, die dabei behilflich sein können, Übereinkünfte zum beiderseitigen Vorteil zu finden. Ich will dazu 5 Methoden vorstellen (Pruitt, 1983a, 1983b). Taktiken zur Gewinnmaximierung für beide Seilen
Eine erste Methode sucht nach Möglichkeiten, wie man den Kuchen vergrößern kann, bevor man ihn aufteilt. Denn ein Kuchen lässt sich allemal leichter verteilen als ein Törtchen. Es geht also Darwin, Manövriermasse zu finden. Derartige Kuchentaktiken gehören zum wohlbekannten Arsenal von Richtern in Vergleichsverhandlungen, auch wenn sie es anders nennen. Im zivilrechtlichen Nachbarschaftsstreit bezieht man das Privatklageverfahren ein und regelt es gleich mit; im Prozess auf Zustimmung zur Mieterhöhung regelt der Richter im Vergleich auch den Streit der Parteien um die Schönheitsreparaturen; im Prozess wegen Baumängeln zwischen Bauherrn und Bauunternehmer erreicht der Richter, dass der Architekt - der ebenfalls gepfuscht hat dem Vergleich beitritt, und schon hat der Vergleich eine breitere Basis. Aber auch in allen anderen Verhandlungssituation
Vgl. dazu aber White (1984), der meint, damit werde der integrative Aspekt von Verhandlungen zu Lasten des distributiven - was der eine gewinnt, verliert der andere überbetont.
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nen lässt sich diese Taktik einsetzen. So kann die Firma A der Firma B bei den Kaufpreisverhandlungen dadurch entgegenkommen, dass sie ihr großzügige Zahlungsziele einräumt oder Gewährleistungsfristen verlängert. Dafür bezahlt B den von A gewünschten Kaufpreis. Eine zweite Methode sind Ausgleichstaktiken. Jede Partei bekommt das, was sie will, gewährt der anderen Seite zum Ausgleich aber einen Ersatz für die Konzession. Das muss nicht in gleicher Münze sein. So kann der Vermieter im Mieterhöhungsverfahren schließlich im Vergleich auf die erhöhte Miete verzichten, dafür verpflichtet sich der Mieter aber, den Garten zu pflegen und die Kehrwoche einzuhalten, also etwas, wozu man bei uns im Schwäbischen ohnehin fast nach Naturrecht und Gottes Gesetz gehalten ist. Oder aber in den hitzigen Schmerzensgeldprozessen nach tätlicher Auseinandersetzung zwischen Bekannten nimmt der eine die Klage zurück, der andere gibt dafür eine Ehrenerklärung ab. Typisch für diesen Bereich sind auch Streitigkeiten um Arbeitszimmer - etwa darüber, wer das größte Zimmer bekommt, das auch noch sehr schön möbliert ist. Man kann sich hier darauf einigen, dass der eine das große Zimmer bekommt, der andere die schönen Möbel. Eine dritte Taktik ist dort sinnvoll, wo es um Streitpunkte geht, die für die Parteien eine unterschiedliche Priorität haben. Hier macht jede Partei Konzessionen zu Streitpunkten, die für sie von geringerer Priorität sind als für die andere im Austausch mit Konzessionen der anderen Partei. Bei dieser Austauschtaktik bekommt also jede Seite den Teil ihrer Forderungen erfüllt, der ihr besonders am Herzen liegt, indem sie Konzessionen zu ihr weniger wichtigen Gegenständen macht. So kann es dem Arbeitgeber z.B. darum gehen, das Gehalt des Angestellten nicht zu sehr zu erhöhen, während dem Angestellten mehr an einem schönen ruhigen Arbeitszimmer mit Blick auf die Stadt liegt. Auch hier hilft eine ,Interessenbuchhaltung', die Prioritäten besser einzuschätzen. Bei den Kostentaktiken werden die Kosten der Konzession für die andere Seite reduziert. Im Endergebnis gewinnen damit beide. So kann z.B. der Bauunternehmer in der Berufungsinstanz im Vergleich auf einen Teil seines berechtigten Werklohnes verzichten, dafür soll
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der Bauherr aber die Prozesskosten ganz oder zum größten Teil übernehmen. Bei den Brückentaktiken schließlich erzielt keine Partei die Erfüllung ihrer Ausgangsforderungen, sondern die eine oder andere Seite bringt eine Einigungsmöglichkeit ins Spiel, die die Interessen beider Parteien berücksichtigt, an die aber vorher niemand gedacht hat und die deshalb auch noch nicht aus den Vorverhandlungen verschlissen ist. Nehmen wir an, zwei Nachbarn streiten erbittert um ein Überfahrtsrecht. Keiner will nachgeben. Plötzlich kommt die Idee auf, dass der eine das Stück, um das es geht, doch eigentlich kaufen könnte. Und tatsächlich, der andere kann das Geld gut gebrauchen, und man einigt sich auf diese naheliegende Möglichkeit, über die man aber in der Hitze der Auseinandersetzung vorher nicht miteinander sprechen konnte. Diese Taktiken sind sicherlich nicht die einzigen zur Gewinnmaximierung für beide Seiten, aber die geläufigsten. Ihre Kenntnis erleichtert es sehr, in der aktuellen Verhandlung - die oft nicht viel Zeit zum Nachdenken lässt - sinnvolle Lösungswege zu finden. Die vierte Maxime ist uns Juristen wohlvertraut: Einigungsvorschläge auf Kriterien stützen, die möglichst vom Willen beider Parteien unabhängig sind. Die Leute in Harvard nennen diese Kriterien objektive Kriterien. Hierzu zählen etwa das Gesetz und die höchstrichterliche Rechtsprechung. Es gibt für außergerichtliche und gerichtliche Verhandlungssituationen kein stärkeres juristisches Argument als das Gesetz oder eine passende höchstrichterliche Entscheidung. Können Sie das Gesetz für Ihren Verhandlungsvorschlag bemühen, so ist ein Nachgeben kein Sieg und keine Niederlage. Die Verhandlungspartner halten sich vielmehr an gemeinsam akzeptierte juristische Standards, verhandeln juristisch und normorientiert. Man muss sich freilich schon vorher Gedanken machen, welche objektiven Kriterien es gibt. Das können Maßstäbe sein, die beide Seiten akzeptieren, etwa anerkannte Handelsbräuche, Schmerzensgeldtabellen, der Marktwert, bei vorausgegangenen Verhandlungen verwandte Kriterien und Ähnliches. Besonders günstig kann es auch sein, wenn die andere Seite Kriterien einbringt, die auch Sie akzeptieren können. Die andere Seite wird sich nur schwer einer Lösung
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in den Weg stellen können, die auf Kriterien aufbaut, die sie selbst ins Spiel gebracht hat. Man kann sich aber auch auf die Verfahrensweise einigen, etwa darauf, dass ein Richter, Schlichter oder ein Vermittler den Streit beilegen soll. Oder die Parteien verhandeln zuerst darüber, was sie jeweils für ein faires Arrangement halten, ehe sie sich für spezifische Rollen entscheiden. In der Auseinandersetzung über das Sorgerecht bei Kindern könnten sich die Eltern z.B. erst über die Besuchsmodalitäten und -häufigkeiten des anderen Partners einigen, bevor über das Sorgerecht entschieden wird (Fisher & Ury, 1981).
4. Kategorien von Verhandlungsmacht Nun ist die Einsicht in den Phasencharakter von Verhandlungen und die Kenntnis der Verhandlungsstrategien und -methoden ganz schön, werden Sie vielleicht sagen, aber wie steht es denn mit der Macht in Verhandlungen? Was nützt denn das alles, wenn die andere Seite einfach die besseren Karten in der Hand hat? Ist das Spiel nicht doch eher Poker als Schach? Patentrezepte, die Verhandler ein für allemal dazu befähigen, aus dem engen Korsett vorgegebener Machtverhältnisse zu entschlüpfen, lassen sich nicht bieten. Es gibt kein Verhandlungs-Utopia. Auch ein noch so schönes Buch über Gartenzucht kann uns nicht verraten, wie man Lilien in der Sahara züchtet. Wer hier etwa einen Schlüssel zum stets erfolgreichen Verhandeln verheißt - wie z.B. der amerikanische Bestseller von Cohen „You Can Negotiate Anything: How to Get What You Want", 1980 -, der geht an der rauhen Verhandlungswirklichkeit vorbei. Prinzipiell sind eben auch alle Tricks, die eine Seite sich aus solchen Werken holen kann, auch der anderen Seite zugänglich, und die Hoffnung, dass man immer noch auf jemanden stößt, der sie nicht kennt, ist trügerisch. Es kann vielmehr nur darum gehen, das Verständnis dafür zu schärfen, wie man in Verhandlungen seine Verhandlungsmacht optimieren und am besten einsetzen kann. Verhandlungsmacht ist die Fähigkeit, die Entscheidungen anderer zu beeinflussen. Mit den legitimen Mitteln der Verhandlungsrührung habe ich mich in den vorausgegangen Abschnitten befasst. Mit den
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Methoden unfairer Verhandlungsführung und der Frage, wie wir am besten darauf mit Nein reagieren, setzen sich in diesem Band Bierbrauer und Bender / Gottwald auseinander. Ich will mich jetzt mit einer Erkenntnis befassen, die Wirtschaftswissenschaftlern geläufig ist. Verhandlungsmacht hängt in erster Linie davon ab, welche Alternativen ich außerhalb der aktuellen Verhandlungssituation habe. Meine Verhandlungsmacht ist also direkt abhängig von meiner besten Alternative (Fisher & Ury, 1981; Fisher, 1983a, 1983b), meiner „Ausstiegs-Altemative". Denn wenn ich mit einem bestimmten Partner verhandle, so doch nur, weil ich mir davon ein besseres Ergebnis erwarte, als ich es erreichen könnte ohne die Verhandlung oder mit einem anderen Partner. Dieses Konzept der „Ausstiegs-Altemative" ist die Meßlatte dafür, ob ich überhaupt verhandeln will, wo mein Limit ist und ob ich ein bestimmtes Verhandlungsergebnis akzeptiere. Es ist nichts anderes als das, was die Wirtschaftswissenschaftler „no-trade-point" nennen oder die mathematischen Spieltheoretiker als „threat-point" bezeichnen. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen: Bei einem Hausverkauf resultiert Ihre „Ausstiegs-Altemative", also Ihre beste Alternative zu einer Verhandlungsübereinkunft, aus den Konkurrenzangeboten. Haben Sie bei Ihren Verhandlungen über den Verkauf Ihres Hauses von einem Konkurrenten ein bindendes Angebot, so stärkt das Ihre Verhandlungsmacht, und je besser das Konkurrenzangebot, desto größer ist Ihre Verhandlungsmacht. Lautet das Konkurrenzangebot z.B. auf 100.000 DM, so werden Sie ein Verhandlungsergebnis mit Ihrem jetzigen Verhandlungspartner nur akzeptieren, wenn es darüber liegt oder Ihnen andere zusätzliche Vorteile bietet. Will er nur 90.000 DM berappen, so nützen ihm die schönsten Verhandlungsflötentöne nichts, er kann nicht Lilien in der Sahara züchten. Und umgekehrt gilt natürlich: je weniger attraktiv die „Ausstiegs-Alternative" der Gegenseite ist, je abhängiger sie also von Ihnen6 ist, desto stärker ist Ihre Verhandlungsmacht - vorausgesetzt, die Gegen-
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Vgl. zu diesem Ansatz zur Erklärung von Verhandlungsmacht Bacharach & Lawler (1986).
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seite gibt ihre Alternative preis. Seine eigene „Beste Alternative" wird man natürlich nur preisgeben, wenn sie besser ist als die der Gegenseite. Dieses Konzept der „Ausstiegs-Altemative" ist also ein äußerst nützliches Element in Verhandlungen: es bestimmt mit über die Verhandlungsmacht und es sagt mir, wann ich besser die Finger von einer Übereinkunft mit diesem Partner lasse. Die Antwort auf Cohen's „You Can Negotiate Anything" ist deshalb: „Vielleicht ja - aber immer vorausgesetzt, ich und die andere Seite finden das besser als die jeweiligen besten Alternativen." Damit gewinnt nicht nur das an Bedeutung, was am Verhandlungstisch selbst passiert, sondern ebenso das, was ich vor und während der aktuellen Verhandlung an Alternativen außerhalb der Verhandlungssituation aufbauen und an Alternativen für die andere Seite weniger verlockend machen kann. Man muss deshalb seine „AusstiegsAltemativen" verbessern und / oder die Vorteile, die die andere Seite aus einer Übereinkunft mit mir im Vergleich zu einer Übereinkunft mit einem anderen Partner ziehen kann, vergrößern. Wenn wir uns fragen, warum wir in verschiedenen Situationen den kürzeren gezogen haben, so oft deswegen, weil wir keine realistische „Beste Alternative" hatten oder weil wir sie nicht genügend entwickelt und eingebracht haben. „Bargaining inside", also Verhandlungsfertigkeiten für die Verhandlungssituation und „Searching outside", also die fortwährende Suche nach realistischen Alternativen zu einer Verhandlungsübereinkunft, müssen sich deshalb stets ergänzen (Lax & Sebenius, 1985). Das führt zu drei Vorschlägen:
1. Verhandler sollten stets die eigenen Alternativen zu einer Verhandlungsübereinkunft sorgfältig abwägen und die der anderen Seite so exakt wie möglich herauszufinden suchen. 2. Verhandlungsteilnehmer sollten sich auf keinen Fall soweit selbst binden, mit diesem Verhandlungspartner unter allen Umständen auch zu einer Einigung gelangen zu müssen; sie sollten stets in ihr Kalkül einbeziehen, die Verhandlungen auch abzubrechen, wenn sich ihnen eine realistische bessere Alternative bietet.
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3. Aufgrund von Untersuchungen der experimentellen Psychologie weiß man ganz gut, dass Verhandlungsteilnehmer die Alternativen zu einer Verhandlungsübereinkunft leicht zu optimistisch einschätzen, also wiederum einem systematischen Bewertungsfehler unterliegen. Wenn man sich mit der Gegenseite nicht einigt - so denkt man vielleicht -, wird man den Prozess schon gewinnen; wenn man mit seinem bisherigen Arbeitgeber zu keiner Einigung über ein höheres Gehalt kommt, kann man immer noch zur Konkurrenz gehen, einen Krimmalroman schreiben, in der Toskana malen oder ein Zweitstudium Kunstgeschichte beginnen. Wenn man bei der Versicherung als Anfänger nicht das Gehalt bekommt, das man sich vorstellt, kann man zu einem berühmten Anwaltsbüro für Wirtschaftsrecht gehen, in den diplomatischen Dienst, notfalls zur Finanzverwaltung. Das Problem daran ist - so sagen uns die Psychologen -, dass man die Alternativen zu sehr im Aggregat sieht, nicht aber geprüft hat, ob denn jede einzelne von ihnen wirklich realistisch ist. Aber nur dann, wenn jede dieser Alternativen konkret durchgeprüft ist, wenn wir also z.B. ein besseres und bindendes Konkurrenzangebot von einem anderen Interessenten für unser Haus haben, ist es eine wirkliche „Ausstiegs-Altemative". Die Regel lautet also: jede Alternative so konkret wie möglich entwickeln und realistisch abschätzen. In juristischen Verhandlungssituationen wird die Alternative oft nur der Gang zu Gericht und dort die Frage sein, will man ein Urteil oder will man sich vergleichen. Das aber sollte man natürlich nicht nach dem Gefühl beantworten, sondern in einer Art Kosten-Nutzen-Analyse herausfinden, welche Chancen sich vor Gericht realistisch erwarten lassen und welche Kosten eine Niederlage oder ein Vergleich verursachen. Und man sollte auch prüfen, welche sozialen Kosten die Mobilisierung der Justiz mit sich bringt für solche Parteien, die sich persönlich nahestehen oder in Geschäftsbeziehungen sind. Denn hier sagt uns die Rechtssoziologie, dass Gerichtsverfahren für Beziehungen im sozialen Nahbereich gewissermaßen Gift sind, solange es an der Beziehung noch etwas zu retten gibt (Blankenburg, 1980). Das hängt wie schon oben angedeutet - damit zusammen, dass die .Vergerichtlichung' des Konflikts die Parteien zu Gegnern
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erhebt, die in erster Linie darum streiten, was Schlimmes in der Vergangenheit geschah, und weniger darüber, wie sie die Zukunft sinnvoll gestalten können. Und da in juristischen Verhandlungen das Gerichtsverfahren oft die einzige Alternative ist, gewinnen die Gerichte in zweifacher Hinsicht ihre besondere Bedeutung für Verhandlungen: Durch ihre Entscheidungen liefern sie den Verhandlungspartnern eine Art Verhandlungsausstattung, „bargaining Chips". Wer sich für seine Verhandlungen taktisch auf die Allianz von Entscheidungen berufen kann, hat legitime Verhandlungsmacht, kann vor dem Hintergrund der einsatzbereiten Justiz - gewissermaßen „im Schatten des Rechts" seinen Einfluss auf die Entscheidungen der Gegenseite geltend machen und damit drohen, notfalls die Gerichte - als seine „AusstiegsAlternative" - einzusetzen (Mnookin & Kernhäuser, 1979). Entscheidungen sind aber nur ein Teil der Verhandlungsausstattung, die Gerichte den Verhandlungspartnern verschaffen. Wir müssen einfach auch sehen, dass derjenige Verhandlungsmacht hat, der glaubwürdig mit den Unsicherheiten der Anrufung eines Gerichts, den damit verbunden Kosten und der langen Verfahrensdauer oder der Öffentlichkeit der Verfahren drohen kann.
5. Ausblick Ziel meines Beitrages war es, einen Einblick in die Welt des Verhandelns mit ihren eigenen Regeln und Problemen zu geben. Ich glaube, dass sich aus der Verhandlungsperspektive auch sehr viel über den Gerichtsprozess selbst lernen lässt. Für eine stärkere Zuwendung zu Verhandlungsregelungen sprechen die Vorteile, die diese Regelungen für das Justizsystem, das Berufsfeld der Juristen und die Klienten der Anwaltschaft haben könnten (Gottwald, 1985 Wasilewski, 1990). Auch wenn nicht klar ist, ob und wie viele Fälle durch eine Beilegung von Streitigkeiten in Verhandlungen von der Justiz ferngehalten werden, so besteht doch eine Chance, dass ihre Belastung aufgrund einer veränderten Sicht auf die Art und Weise, wie man Rechtskonflikte beilegen kann, nicht noch vergrößert wird. Aus der Sicht der Klienten der Anwaltschaft dürften manche Prozesse so
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überflüssig wie ein Kröpf sein - auch wenn wir noch sehr viel mehr darüber wissen müssen, wann Verhandlungslösungen „besser" als die gerichtliche Entscheidung sind. Oft aber ist der Aufwand an Zeit, Geld und vor allem die aufreibende Art der Auseinandersetzung vor Gericht unnötig. Vor allem aber kann sich durch bessere Verhandlungsfertigkeiten das Berufsfeld juristischer Studienanfänger bereichern und erweitern. In den USA werden bereits Spezialisten für Streitregelungen ausschließlich auf dem Verhandlungswege ausgebildet (Fisher, 1983a, 1983b). Warum sollten nicht auch bei uns junge Juristen daran Gefallen finden, einmal die Sorgen und Interessen der anderen Seite verstehen zu wollen, ein nutzloses Positionsgerangel in eine gemeinsame Suche nach Lösungen umzumünzen? Junge Anwälte also, denen es Spaß macht, erfindungsreich Lösungsvorschläge zum beiderseitigen Vorteil zu entwickeln, und nicht zuletzt: Anwälte, die ihren Klienten die Kosten und den Ärger eines vollentfachten Rechtsstreits gern ersparen.
Lassen Sie sich nicht manipulieren! Rolf Bender, Walther Gottwald
Kurzfassung Dieser Beitrag soll zeigen, wie sog. Alltagstheorien dazu missbraucht werden können, uns zu manipulieren, und wie wir uns dagegen wehren können. Gerade weil die Menschen in den meisten Situationen gezwungen sind, zu vereinfachen, sich an bewährten Alltagstheorien auszurichten - wollen sie die ständig auf sie einstürmende komplexe Umwelt bewältigen - eignen sich die Alltagstheorien so besonders gut zur Manipulation. An Beispielen aus der Alltagssituation im Vorfeld und innerhalb der Justiz werden wir im ersten Teil die wichtigsten „Waffen der sozialen Beeinflussung" veranschaulichen: Reziprozität, Konsistenz, Konformität, Knappheit, Autorität und Sympathie. Im zweiten Teil zeigen wir anhand eines Haustürgeschäftes, wie Beeinflussungsprofis diese Beeinflussungsmechanismen in der Lebenswirklichkeit manipulativ einsetzen. Unser Beitrag versteht sich als praxisbezogene Umsetzung vor allem von Teil 4 des sozialpsychologischen Beitrags von Bierbrauer. Sein Beitrag und dieser - von uns Praktikern - sind komplementär. Wiederholungen sind nicht nur unvermeidbar, sondern beabsichtigt. Die sozialpsychologischen Theorien und Ergebnisse von Experimenten sagen uns Juristen erst etwas, wenn wir sie in unserem juristischen Alltag wiederfinden. Wir empfehlen, zunächst den Beitrag von Bierbrauer zu lesen.
TEIL l: MECHANISMEN DER SOZIALEN BEEINFLUSSUNG Wir meistern unser Leben mittels einer begrenzten Zahl einfacher Prinzipien, deren Anwendung in aller Regel auch ganz sinnvoll ist, weil das normalerweise zu vernünftigen Ergebnissen führt. Wir
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wären völlig überfordert, wenn wir in unseren alltäglichen Entscheidungen jedes Mal das Für und Wider in allen Verästelungen durchdenken müssten. Wir kämen gar nicht mehr zum Handeln, weil wir mit dem Überlegen schon voll ausgelastet wären. Nicht selten schrumpfen diese einfachen Prinzipien - Alltagstheorien - auf bloße Stichworte zusammen, deren bloßes Auftreten schon genügt, um uns zu stereotypen Reaktionen zu veranlassen, (sog. Auslöser)1. Alltagstheorien sind in der Regel „nützliche Wegweiser". Wir brauchen in vielen Bereichen solche Abkürzungen, „Kurzschlüsse", um die komplexe Wirklichkeit besser bewältigen zu können. Sie steuern in den meisten Situationen hilfreich unser Zusammenleben. Deshalb ist automatisches, stereotypes Verhalten in vielen Situationen die effektivste Form des Verhaltens, um mit Komplexität fertig zu werden. Wir können einfach nicht jedes Mal alle Aspekte einer Situation ergründen, wir haben weder die Zeit, Energie, noch die Fähigkeit dazu. Deshalb setzen wir vielfach Stereotype ein, Faustregeln, um Situationen nach einigen Schlüsselaspekten zu klassifizieren und dann darauf automatisch, fast mechanisch zu reagieren, wenn der eine oder andere dieser Auslöser da ist. Und je komplexer die Welt und die Situationen werden, desto mehr ist zu erwarten, dass diese Reaktion auf Stereotypen zunimmt. Menschen sind heute sicherlich nicht in höherem Grade Opfer von Beeinflussungsversuchen als in früheren Zeiten. Aber sie sind die Opfer einer Umwelt, in der es wahrscheinlicher geworden ist, dass sie solchen Versuchen erliegen. Das hängt mit der Überfütterung an Information, der „Information overload", zusammen, die wir erleben. Eine Fülle von Informationen stürmt auf uns täglich ein, Stimulation, Vielfalt und schneller Wandel sind die Merkmale dieser Umgebung. Wir sind deshalb kaum noch fähig, die Vor- und Nachteile sorgfältig abwägen zu können, in Ruhe die Konsequenzen zu bedenken und erst dann zu entscheiden - wir verlassen uns auf Auslöser, „trigger", wie das die Sozialpsychologen nennen (dazu Bierbrauer in diesem Band). 1
Dazu im Einzelnen das sehr lesenswerte Buch von Robert B. Cialdini „Influence - how and why people agree to things" (1984).
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Alltagstheorien können eine Gefahrenquelle sein. So brauchbar Alltagstheorien und Auslöser in all ihren Verkürzungen im täglichen Leben auch sind, so gefährlich können sie werden, wenn wir uns von ihnen unversehens auch dann leiten lassen, wenn es um wichtigere Dinge geht. Diejenigen, die uns manipulieren wollen, kennen diese Alltagstheorien und die Auslöser, von denen wir uns üblicherweise leiten lassen; und sie benutzen sie, damit wir uns auch in wichtigeren Dingen zu ihrem Vorteil entscheiden. Ob diese Manipulation im Einzelfall unfair oder bloß clever ist, lässt sich nicht von vornherein sagen; es kommt immer auf den jeweiligen Einzelfall an. Aber wenn wir unseren eigenen Vorteil wahren wollen, dann sollten wir die Methoden kennen, mit welchen wir möglicherweise manipuliert werden könnten, denn nur so können wir ihnen begegnen. Die wichtigsten Alltagstheorien, nach denen wir üblicherweise unser Verhalten ausrichten, und die am besten geeignet dafür sind, uns zu manipulieren, sind folgende: A. Reziprozität (wie Du mir, so ich Dir) B. Konsistenz (wer A sagt, muss auch B sagen) C. Konformität (die Mehrheit hat immer Recht) D. Knappheit (was selten ist, ist auch wertvoll) E. Autorität (die Fachleute wissen Bescheid) R Sympathie (sympathische Menschen wollen auch mein Bestes).
A. Reziprozität (Gegenseitigkeitsprinzip) „Wie Du mir, so ich Dir" Wer sich nicht an das Gegenseitigkeitsprinzip hält, gilt als undankbar, als Parasit, als Schmarotzer. Zur Falle kann das Gegenseitigkeitsprinzip werden, wenn schon der Anschein einer Gefälligkeit bei uns zum Auslöser wird, sie mit einer Gegengabe zu beantworten; wenn wir gar nicht groß nachdenken darüber, welchen wirklichen Wert die Wohltat hat, die uns erwiesen wurde, und wie wir sie angemessen vergelten.
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Das Gegenseitigkeitsprinzip ist eine ganz mächtige Waffe der sozialen Beeinflussung - wobei es keine große Rolle spielt, ob man denjenigen, der einem einen Gefallen getan hat, mag oder nicht, und ob man den anderen um den Gefallen gebeten hat oder nicht. Das Gegenseitigkeitsprinzip kommt in mehreren Spielarten vor: l. Die „Erst-Wohltäter-Dann-Bettler-Strategie" Man tut dem anderen einen kleinen Gefallen, um dann im Gegenzug von ihm eine größere Gefälligkeit zu ergattern, als man ihm erwiesen hat2. Ein geschickter Richter wird - ohne Hinterlist - sich eines vergleichbaren Prinzips bedienen, wenn er zum Beispiel einem Kläger verständlich machen muss, dass er seine Klage überwiegend wird abweisen müssen. Er wird zuerst - und ausführlich - darlegen, zu welchem Teil seiner Klage der Kläger recht hat und warum. Wenn er ihm dann anschließend erklären muss, dass die Klage zum größeren Teil abweisungsreif ist, wird dies der Kläger eher verschmerzen. 2. Die „Konzessionsfalle" Aus dem Gegenseitigkeitsprinzip folgt nicht nur, dass man Gefallen mit Gefallen erwidern muss, sondern auch Konzessionen mit Konzessionen. a) Ohne Konzessionen lebten wir ständig im Konflikt. Um gemeinsame Ziele zu erreichen, müssen die Menschen zusammenarbeiten; oft aber gehen die Erwartungen der Beteiligten weit auseinander -und dann müssen eben Kompromisse geschlossen werden, und gegenseitige Konzessionen werden notwendig. Nicht von ungefähr wird deshalb allenthalben der Wert von Kompromissen beschworen. Auf Konzessionen würde sich aber niemand als erster einlassen, wenn er nicht einigermaßen sicher sein könnte, dass sie von der anderen Seite auch erwidert werden.
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Siehe dazu, wie und warum dieser Mechanismus funktioniert, den Beitrag von Bierbrauer in diesem Band.
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Auch dieses Prinzip kann nun trefflich zur Manipulation ausgenutzt werden. Die Technik ist simpel, und sie wird als die „Tür-ins-GesichtTechnik" oder „Konzessionsfalle" bezeichnet.3 Angenommen, Sie wollen, dass ich auf eine bestimmte Forderung eingehe. Ein Weg dazu. Ihre Erfolgschancen zu erhöhen, ist diesen mit einer hohen Anfangsforderung beginnen, einer Forderung, die ich aller Wahrscheinlichkeit nach ablehnen werde. Dann aber - nachdem ich abgelehnt habe - machen Sie die kleinere Forderung geltend, auf die es Ihnen in Wirklichkeit ohnehin nur ankam. Ich werde dann die zweite Forderung als Konzession empfinden, auf die ich ebenfalls mit einer Konzession erwidern muss - meistens ein Eingehen auf die zweite Forderung von Ihnen -, und ich habe die Tür im Gesicht, sitze in der Konzessionsfalle. Dabei muss die zweite, also die eigentliche Forderung, nicht gering sein. Entscheidend ist vielmehr, dass die andere Seite sie als Konzession wahrnimmt. Die zweite Forderung - und das ist das Erstaunliche - kann also objektiv groß sein, solange sie nur als Konzession empfunden wird - und dann funktioniert die Technik. Wir finden diese Technik in einer Reihe von Situationen, z.B. in Tarifverhandlungen. Hier beginnen die Verhandler oft mit hohen Forderungen, von denen sie von vornherein wissen, dass sie nicht zu realisieren sind, von denen sie sich aber in einer Reihe von scheinbaren Konzessionen, die Gegenkonzessionen auslösen, zurückziehen können. Ist das Verfahren umso effektiver, je höher die Anfangsforderungen sind, da ja dann noch mehr Raum für „Illusions-Konzessionen ist? Das trifft nur bis zu einem bestimmten Grad zu, wie eine Untersuchung an einer israelischen Universität zu dieser Frage gezeigt hat (Schwarzwald, Raz & Zvibel, 1979). Wenn die Anfangsforderungen so extrem hoch sind, dass sie als unvernünftig angesehen werden müssen, geht der Schuss nach hinten los, denn diese Partei hat das Vertrauen der anderen Seite verspielt. Ein Rückzug von einer von vornherein unrealistischen Position wird deshalb nicht erwidert. Wer diese Technik in Verhandlungen einsetzt, wird deshalb darauf achten, dass
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Wie Fn.2.
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seine Anfangsforderung hoch genug ist, um eine Reihe von Konzessionen zu erlauben und damit das erwünschte Angebot der Gegenseite zu erhalten; er wird jedoch nicht durchschaubar überzogene Forderungen stellen. b) Wie können wir mit Nein reagieren? Gegenüber demjenigen, der das Gegenseitigkeitsprinzip bewusst in der einen oder ändern Form als Waffe der sozialen Beeinflussung einsetzt, müssen wir sehr auf der Hut sein. Was können wir tun, wenn wir merken, jemand will uns durch diese Technik unfair zum Ja, zu einer Vereinbarung bringen? Zunächst muss uns klar sein, dass nicht die Gegenseite der eigentliche „Feind" ist, sondern das Prinzip. Die Gegenseite gleicht einem Jiu-JitsuKrieger, der sich mit dem Gegenseitigkeitsprinzip bewaffnet hat und dann nur noch die Macht des Prinzips freisetzt durch einen ersten Gefallen oder eine erste Konzession. Hilft es denn nicht einfach, solche Situationen zu meiden, in denen uns jemand einen Gefallen erweisen kann oder Konzessionen macht? Das ist doch das Einfachste der Welt! Vielleicht. Aber das Problem dabei ist, dass man oft nicht weiß, ob z.B. ein erstes Angebot ehrlich oder der erste Schritt zu einem Ausbeutungsversuch ist. Wenn wir immer das Schlimmste annähmen, dann würden wir auch nicht den sozialen Nutzen von solchen Gefallen oder Konzessionen haben, die nicht in der Absicht der Ausbeutung des Gegenseitigkeitsprinzips gemacht worden sind. Gewiss wird niemand unseren Vorteil wahren, wenn es zu seinem Nachteil ist. Aber wir werden sicherlich häufiger auf Personen treffen, die das Gegenseitigkeitsprinzip fair durchspielen, als auf solche, die es zu Manipulationsversuchen missbrauchen. Wer fortwährend Angebote ablehnt, beleidigt andere und riskiert, dass sie ihn dann links liegen lassen und isolieren. Eine Strategie der Meidung und der Blankozurückweisung ist deshalb nicht sinnvoll. Was aber dann? Wir sollten die Angebote der anderen Seite annehmen, aber nur als das, was sie wirklich sind, nicht als das, wozu sie eingesetzt werden. Wenn uns jemand also einen Gefallen tut, sollten wir ihn annehmen und wissen, dass wir ihn irgendwann in Zukunft erwidern müssen. Lassen wir uns darauf ein, so werden wir nicht durch das Gegenseitigkeitsprinzip ausgebeutet. Im Gegenteil,
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wir nehmen an dem altehrwürdigen Netzwerk an Verpflichtungen und Gegenverpflichtungen teil, das uns sowohl als Individuen als auch als Gesellschaft von Beginn der Menschheitsgeschichte an so trefflich genützt hat. Zeigt sich jedoch, dass das Ganze ein Trick ist, um uns zu manipulieren, so ist das eine andere Geschichte. Wenn wir das erkennen -und darin liegt natürlich oft die Schwierigkeit - so sind wir frei von dem Gegenseitigkeitsprinzip. Denn die Regel sagt ja nur: Gefallen sind mit Gefallen zu erwidern. Sie besagt nicht, dass Tricks mit Gefallen zu erwidern sind. Wir können dann ruhig den Gefallen bzw. die Konzession annehmen, ohne aber darauf mit einem Gefallen oder einer Gegenkonzession zu erwidern. Im Gerichtssaal kommt die „Konzessionsfalle" oft in folgender Version vor Mein Prozessgegner stellt mehrere Forderungen; in Wirklichkeit kommt es ihm aber nur darauf an, eine einzige durchzusetzen. Im Laufe der Verhandlung gibt er zögernd eine nach der anderen seiner Scheinpositionen auf. Schon laufe ich Gefahr zu glauben, nun müsste auch ich ihm entgegenkommen und wenigsten seine letzte Forderung akzeptieren.
Wie können wir uns gegen die Gefahr wehren? Wir müssen versuchen herauszufinden, inwieweit die Konzessionen der Gegenseite echte Konzessionen oder bloß Scheinkonzessionen sind. Das gelingt am besten, wenn wir versuchen, uns ganz in die Situation unseres Gegners hineinzuversetzen und uns zu überlegen, welche Positionen uns an seiner Stelle wirklich wichtig wären und welche wir allenfalls als Scheinpositionen aufbauen würden. Scheinkonzessionen sollten wir selber nicht mit echten Konzessionen beantworten. Überhaupt sollten wir uns vom Gegenseitigkeitsprinzip nicht völlig gefangen nehmen lassen. Ist die Gegenposition von vornherein - gemessen an der Rechtslage - zu hoch, dann müssen wir Konzessionen, die die Gegenforderung auf ein normales Maß herabbringen, nicht mit entsprechend hohen eigenen Konzessionen beantworten. Ist die eigene Position unanfechtbar, dann kann man durch unbedeutende Konzessionen (z.B. ich übernehme meine eigene Vergleichsgebühr) der Höflichkeit Tribut zollen und dem anderen helfen, sein Gesicht zu wahren.
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3. Das Kontrastprinzip Die Konzessionsfalle funktioniert aber nicht nur aufgrund des Gegenseitigkeitsprinzips so gut, sondern auch aus einem anderen Grund. Es spielt noch das Kontrastprinzip mit hinein. Sie kennen alle das Prinzip: Legen Sie einmal eine Hand in einen Eimer mit kaltem Wasser und die andere in einen Eimer mit heißem Wasser. Dann legen Sie beide Hände in einen Eimer mit lauwarmem Wasser. Die Wirkung ist erstaunlich. Die Hand, die im kalten Wasser war, fühlt sich glühend heiß an, die andere, die in heißem Wasser war, scheußlich kalt. Dieses Kontrastprinzip zeigt sich auch bei Konzessionen: Im Vergleich zur ersten, hohen Forderung erscheint die zweite moderat und deshalb eher akzeptabel.
Ein besonders schönes Beispiel für das Kontrastprinzip ist der „Brief einer Schülerin":4 „Lieber Vater, liebe Mutter, bitte entschuldigt, dass ich seit meiner Rückkehr ins Internat nicht geschrieben habe. Ich will Euch jedoch jetzt aufs Laufende bringen. Bevor Ihr aber weiter lest, setzt Euch erst mal hin, okay? Also, mir geht es jetzt ganz gut. Der Schädelbruch und die Gehirnerschütterung, die ich mir beim Sprung aus dem Fenster des Schlafsaales geholt habe, als das Gebäude kurz nach meiner Ankunft Feuer fing, sind ganz gut verheilt. Ich war 2 Wochen im Krankenhaus und habe jetzt nur noch einmal am Tag schreckliche Kopfschmerzen. Gott sei Dank wurden das Feuer und mein Sprung aus dem Fenster von einem Tankwart der Tankstelle gegenüber beobachtet; er war es, der die Feuerwehr benachrichtigte und die Rettungswagen. Er besuchte mich auch im Krankenhaus, und da ich nirgends hin konnte, weil der Schlafsaal abgebrannt war, lud er mich freundlicherweise ein, sein Appartement mit ihm zu teilen. Es ist zwar im Souterrain gelegen, aber ganz spaßig. Er ist ein netter Kerl, und wir haben uns gleich verliebt und wollen heiraten. Wir haben noch keinen bestimmten Zeitpunkt dafür im Auge, aber es soll noch geschehen, bevor man sehen kann, dass ich schwanger bin. Ja, liebe Mutter und lieber Vater, ich bin schwanger. Ich weiß, wie sehr ihr Euch freut, Großeltern zu werden und ich weiß, dass Ihr unser Baby wann aufnehmen werdet und es mit so viel Liebe und Zärtlichkeit pflegen werdet wie mich als Kind. Der Grund dafür, dass sich die Heirat noch etwas hinausgezögert hat, ist, dass mein Freund sich eine Lungenentzündung geholt hat und auch ich mich angesteckt habe. Ich weiß, dass Ihr ihn in unserer Familie mit
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Der Brief stammt von Cialdini (o. Fn. l), S. 28.
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Rolf Bender, Walther Gottwald offenen Armen empfangen werdet. Er ist nett und - obwohl ohne richtige Schulbildung - ehrgeizig. Obwohl er Inder ist und Moslem, bin ich mir sicher, dass Euere so oft geäußerte Toleranz es Euch nicht erlauben wird, Euch daran zu stören. Also, jetzt, da Ihr auf dem Laufenden seid, möchte ich Euch sagen, dass es kein Feuer im Schlafsaal gab, dass ich weder eine Gehirnerschütterung noch einen Schädelbruch hatte, dass ich nicht im Krankenhaus war, nicht schwanger bin, keinen Freund habe und auch keine Lungenentzündung. Aber, ich werde eine 6 in Deutsch und eine 5 in Latein bekommen und ich möchte, dass ihr diese Noten in der richtigen Relation seht. In Liebe Eure Tochter Waltraud."
Waltraud mag eine 6 in Deutsch haben, aber wird eine l in Psychologie bekommen.5 Das Kontrastprinzip besagt, dass die Zufriedenheit mit dem Ergebnis weniger davon abhängt, wie gut oder wie schlecht das Ergebnis objektiv gesehen ist, sondern davon abhängt, welcher Erwartungshorizont vorher aufgebaut worden ist, und wie sehr das Ergebnis gegenüber dem Erwartungshorizont kontrastiert. So hatte z.B. die CDU bei der Landtagswahl in Hessen vor einigen Jahren ihr weitaus bestes Ergebnis (seit Ende des 2. Weltkrieges) erzielt. Trotzdem war die Partei tief betrübt, weil sie gehofft hatte, die absolute Mehrheit zu erringen. Die FDP erzielte bei dieser Wahl ihr schlechtestes Ergebnis. Trotzdem feierte die Parteispitze diesen „Erfolg" mit Sekt. Sie hatte nämlich befürchtet, die erforderlichen 5% nicht zu erreichen.
Auch im Gerichtsverfahren spielt das Kontrastprinzip eine Rolle. Die Partei, die in erster Instanz gewonnen hat, wird sich schwerlich mit einem für sie ungünstigen Vergleich einverstanden erklären, wenn sie erstmals in der mündlichen Verhandlung mit der gegenteiligen Meinung des Berufungsgerichts konfrontiert worden ist. Ganz anders, wenn das Berufungsgericht schon in einer vorbereitenden Verfügung - zusammen mit der Ladung zum Tennin - darauf hingewiesen hat, dass es die Berufung für erfolgreich hält.
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Der Sozialpsychologe und Mitautor dieses Bandes Bierbrauer hat nach Durchsicht dieser Stelle in unser Manuskript geschrieben: „Leider".
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Die Partei, die aufgrund dieser vorbereitenden Verfügung schon gänzlichen Prozessverlust befürchtet hatte, wird froh sein, im Vergleich wenigstens noch etwas retten zu können. Die andere Partei, deren Erwartungshorizont durch das erstinstanzliche Urteil restlos enttäuscht worden war, wird eher geneigt sein, sich jetzt einige Abstriche von ihrem Anspruch machen zu lassen.
B. Konsistenz „Was man verspricht, das hält man auch" „Im ersten sind wir frei, im zweiten sind wir Knechte" Wir wollen für unsere Umwelt als beständig, zuverlässig, berechenbar, als logisch handelnd gelten. Haben wir einmal einen Schritt in eine bestimmte Richtung gemacht, dann ist es nur konsequent, wenn wir - bei entsprechendem Anlass - in dieser Richtung weitergehen. Ein Umkehren, den getanen Schritt wieder rückgängig machen, das würde grundsätzlich als negativ bewertet. Auch das Konsistenzprinzip ist für ein gedeihliches Zusammenleben in der Gemeinschaft wichtig. Es kann aber auch zur Konsistenzfalle werden.6 Wie das Gegenseitigkeitsprinzip, verschafft uns auch das Konsistenzprinzip eine vernünftige und gewinnbringende Orientierung für unsere Umwelt. Es eröffnet uns die Möglichkeit, nicht ständig über jede Situation nachdenken zu müssen, und Menschen scheuen wohl im Allgemeinen keine Anstrengung, um der Mühe des Nachdenkens entgehen zu können. Das Konsistenz-„Band" macht das möglich. Wie funktioniert das Prinzip? Die Sozialpsychologen glauben, die Antwort gefunden zu haben: Wenn ich jemanden dazu bringen kann, sich zu etwas zu verpflichten, sich auf etwas festzulegen, so habe ich den Boden aufbereitet für automatisches Konsistenzverhalten. Haben wir uns einmal in bestimmter Weise festgelegt, so haben wir eine 6
Vgl. Fn.2.
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natürliche Tendenz, uns hartnäckig so zu verhalten, dass unser weiteres Verhalten in Übereinstimmung mit unserem früheren Tun und Sagen steht. Wir haben uns selbst gebunden. Dabei ist diese Selbstbindung besonders wirksam, wenn sie vor den Augen anderer geschieht, aber auch z.B., wenn wir die Sache schriftlich fixiert haben. Auch im Gerichtsverfahren kommt das Konsistenzprinzip zur Anwendung: Wer sich einmal darauf eingelassen hat, dass der Schuldner - wegen seiner schlechten Einkommensverhältnisse - die Schuld in angemessenen Raten bezahlt, tut sich schwer, die vom Schuldner angebotenen Miniraten zurückzuweisen, wenn der Schuldner behauptet, größere Raten einfach nicht leisten zu können (was ihm selten zu widerlegen ist). Man hatte sich ja auf angemessene Raten eingelassen!
Das Konsistenzprinzip wird insbesondere in drei Varianten wirksam: l. Die „Fuß-Inder-Tür-Technik" Beginne klein, und bau darauf auf! - also den anderen auf kleine Konzessionen festlegen, um ihn dann - hat er sich einmal festgelegt - zu größeren Konzessionen hin zu manipulieren. Das ist ein beliebtes Spiel im Direktvertrieb von Produkten, also bei Haustürvertreterbesuchen, den so genannten „Drückern"7. Aber es wird auch sonst vielfach verwandt. Eine richterliche Vergleichstaktik ist z.B., die Partei, deren Prozessaussichten günstig sind, zuerst zu fragen und auf ein bestimmtes Vergleichsangebot festzulegen. Dann eröffnet man der anderen Partei - deren Chancen schlecht sind -, wie düster die Prognose aussieht und nagelt auch sie auf den Vergleichsvorschlag fest. Jetzt kann die erste Partei kaum mehr los von der öffentlich geäußerten Bereitschaft, den Vergleichsvorschlag zu akzeptieren, obwohl sie merkt, dass sie voreilig war. Das verstieße eklatant gegen das Konsistenzprinzip und würde sie für zukünftige Verhandlungen unglaubwürdig machen. Und dazu kommt noch: die jiujitsuähnliche Wirkung des Prinzips ermöglicht es dieser Partei nicht, den Richter dafür verantwortlich zu machen; sie kann
7
Vgl. dazu die Diplom-Arbeit (unveröffentlicht) von M. Häbe: Verkaufsmethoden im Direktvertrieb - Verbraucherpolitische Untersuchung eines Buchclubs; Universität Stuttgart-Hohenheim - Institut für Konsumökonomik, 1987.
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die Schuld nur auf sich selbst schieben, weil sie nicht erkannt hat, dass das Konsistenzprinzip - sicherlich nicht bewusst, aber doch intuitiv - vom Richter genutzt worden ist.
Die Fuß-Inder-Tür-Technik spielt auch sonst im Prozess eine Rolle, z.B.: Der Hausbesitzer verzichtet auf die sofortige Räumungsklage, weil der Mieter binnen kurzem mit seinem eigenen Hausbau fertig sein und dann freiwillig ausziehen wird. Aber die Fertigstellung verzögert sich immer wieder neu. Bei jedem neuen kurzfristigen Termin scheint sich die Klageerhebung nicht zu lohnen. Insgesamt hätte die Klage schon gelohnt, wenn sie gleich erhoben worden wäre.8
Wie kann man sich gegen diese Taktik wehren? Man lasse sich nie auf - für die Gegenseite zu deren Gunsten - auslegungsfähige Begriffe ein. Man verspreche daher z.B. nicht, „angemessene Raten" zu gewähren, sondern sage gleich, dass man sich vorstellen könne, Ratenzahlung zu gewähren, wenn dadurch die Zahlung insgesamt nicht zu lange auf sich warten lasse. Wenn man schon kleine Konzessionen macht, dann betone man gleich, dass das nicht die Bereitschaft bedeutet, weitere Schritte in derselben Richtung zu machen. 2. Die „Ich-Kann-nicht-Anders-Technik Man kann das Konsistenzprinzip auch sozusagen umkehren: Man legt sich vorsätzlich selber so fest, dass jede Abweichung dazu rühren würde, dass man „das Gesicht verlöre", d.h., man macht dem anderen klar, dass jedes weitere Nachgeben gröblichst gegen das Konsistenzprinzip verstieße und daher keinesfalls erwartbar ist. Wenn überhaupt ein - an sich für beide erstrebenswerter - Kompromiss zustande kommen soll, dann muss der andere auf der ganzen Linie nachgeben. Der Konfliktforscher Thomas Schelling gibt dafür ein anschauliches Beispiel: 8
Vgl. zu dieser irrationalen Tendenz zur Eskalation den Beitrag von Günter Bierbrauer.
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Zwei mit Dynamit beladene Lastwagen begegnen sich auf einer einspurigen Straße. Einer von ihnen muss in den Straßengraben, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Während die beiden aufeinander zufahren, zieht der eine Fahrer das Steuerrad aus der Lenkstange und wirft es aus dem Fenster. Der andere sieht das und hat nun die Wahl zwischen einem Zusammenstoß mit Explosionsgefahr oder dem Weg in den Graben.
Mit dieser Taktik legt sich also eine Seite so fest, dass es kein Nachgeben mehr gibt. Ihre Verhandlungsposition wird - wenn sie Glück hat - paradoxerweise dadurch gestärkt, dass sie die Entscheidungskontrolle über die Situation verliert. Vor allem in Arbeitskämpfen und internationalen Verhandlungen trifft man auf diese Taktik, etwa wenn die Gewerkschaften sich in aller Öffentlichkeit darauf festlegen, die 35-Stunden-Woche sei für sie eine conditio sine qua non für ein akzeptables Verhandlungsergebnis. Von solchen Positionen kommen sie dann ohne Gesichtsverlust nur über einen Vermittler - damals war es Georg Leber, ehemaliger Gewerkschaftler und Minister - herunter; ohne Vermittler wäre das wohl so gut wie unmöglich. Nicht selten wird die „Ich-Kann-nicht-Anders-Technik auch in Gerichtsverfahren angewandt: In einer Vergleichsverhandlung sagt mein Gegner: „Also 10.000 DM und keinen Pfennig weniger, das ist mein allerletztes Wort. Überlegen Sie sich das gut, aber schnell. Ich habe nicht mehr viel Zeit. Ich sollte längst in einer wichtigen Besprechung sein. ich bin jetzt schon zu spät dran".
Die „Ich-Kann-nicht-Anders-Technik ist ein Pokerspiel. Hat man das deutliche Gefühl, dass der andere zu hoch pokert, dann kann man dieses Spiel nur durchkreuzen, indem man sich nicht darauf einlässt. Am erfolgreichsten ist die Taktik, dass man die angebliche Festlegung des anderen gar nicht ernst nimmt. Wenn man dem anderen klarmacht, dass man sich keinesfalls darauf einlässt, hat er das versuchte Pokerspiel verloren. Indem man das Ganze als Scherz deklariert, erlaubt man dem anderen ein weiteres Nachgeben, ohne dass dieser das Gesicht verliert.
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3. Die „Erst-Geben-dann-wieder-Wegnehmen"-Technik Man gewährt dem anderen eine für ihn vorteilhafte Konzession. Wenn dieser sich auf die für ihn günstige Situation eingerichtet hat, nimmt man sie ihm - teilweise - wieder weg. Diese „Erst-Geben-dann-wieder-Wegnehmen"-Technik trifft man häufig im Autohandel an. Der Verkäufer legt den Kunden auf eine bestimmte Marke fest, indem er ihm einen Nachlass auf den Neuwagen oder einen besonders günstigen Preis für das alte Auto verspricht. Er lässt ihn dann auch schon mal den Neuwagen ausprobieren und erreicht dadurch, dass dem Kunden gewissermaßen das Wasser im Mund zusammenläuft. Dann plötzlich zeigt sich jedoch, dass irgendein Irrtum passiert ist: der Verkäufer hat plötzlich vergessen, die Klimaanlage zu berechnen, oder das alte Auto ist aus Versehen zu hoch in der Preisliste eingestuft worden - kurzum, man nimmt wieder, was man gegeben hat, nachdem man den Kunden auf das Fabrikat festgenagelt hat.
Auch diese Technik findet man im Gerichtssaal nicht selten: In einem komplizierten und kostenträchtigen Prozess lässt man sich scheinbar auf einen für den anderen akzeptablen Vergleich ein. Wenn dieser einverstanden ist und sich so richtig freut, dass dieser schreckliche Prozess endlich abgeschlossen ist und er sich wieder seinen Geschäften zuwenden kann, dann schiebt man neue Forderungen nach, zunächst am besten kleine, von denen erwartet werden kann, dass sie am ehesten akzeptiert werden. Mit der Fuß-Inder-Tür-Technik kann man dann versuchen, weiter zu machen.
Hier gilt: Man richte sich niemals zu früh auf die Situation aufgrund eines akzeptablen Vorschlages ein. Bevor nicht der Vertrag oder Vergleich unterschrieben ist, behalte man immer auch die eigenen Alternativen im Falle des Scheiterns im Auge. Wir wollen auf die übrigen Auslöser weniger ausführlich eingehen, weil sie seltener in Verhandlungs- und Vergleichssituationen anzutreffen sind.
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C. Konformität „Der Mensch ist ein nachahmend Tier, und wer der Vorderste ist, führt die Herde" (Schiller) Wenn wir unsicher sind, wie wir uns verhalten sollen, achten wir darauf, wie sich andere in vergleichbaren Situationen verhalten, und dann schließen wir uns ihrem Verhalten an. Richter machen sich diese Gewohnheit oft mit Erfolg zunutze, zum Beispiel sagt der Richter: „Solche Fälle haben wir öfters. Wie man sie auch entscheidet, eine Lösung nach den» Gesetz ist immer unbefriedigend. Nach dem dem Gesetz zugrunde liegenden „Allesoder-Nichts-Prinzip" gibt es keine gerechte Zwischenlösung. Wir haben daher bisher alle vergleichbaren Fälle wie folgt verglichen:..."
Der vorgeschlagene Vergleich mag oft wirklich eine adäquate Lösung sein. Vielleicht will sich aber das Gericht auch nur um eine schwierige Entscheidung drücken. „Alle vergleichbaren bisherigen Fälle" waren möglicherweise ganze zwei, und die waren auch nicht in allen relevanten Punkten genau gleich. Gegenstrategie: Wer seine Sache gut überlegt und geprüft hat. braucht nicht schon deshalb unsicher zu werden, weil vor ihm schon viele andere in vergleichbaren Situationen sich anders verhalten haben, als er selbst für richtig hält. Vielleicht ist sein Fall mit den angeblich vergleichbaren Fällen gar nicht vergleichbar, sondern im entscheidenden Detail anders! Wer Grund zur Annahme hat, dass er wirklich im Recht ist, sollte sich nicht darum scheren, wie andere sich verglichen haben, Notfalls sollte er auf die nächste Instanz vertrauen.
D. Knappheit „Was selten ist, ist auch wertvoll" Wirkliche (aber auch scheinbare) Knappheit eines Gutes steigert die Begehrlichkeit nach dem Gut, erhöht seine Wertschätzung. Weil wir davon ausgehen, dass diese Knappheit nicht nur unsere eigene
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Begehrlichkeit, sondern auch die vieler anderer steigert, wird auch die Zeit knapp, innerhalb der wir das knappe Gut erwerben können. Dieser Gesichtspunkt verrührt dazu, noch weniger auf den Preis zu achten. Jeder Verkäufer wird versuchen, sein Angebot nicht nur als besonders günstig, sondern - wenn irgend möglich - auch als knapp darzustellen. Die Knappheit wird in der Regel durch die (behauptete) Überzahl der Interessenten gegenüber dem verfügbaren Gut dargestellt. Diese Situation erzeugt wiederum Zeitknappheit und verführt deshalb zu unüberlegtem Zugriff. In Rechtskonflikten wird in der Regel unmittelbar auf Motivierung durch (behauptete) Zeitknappheit spekuliert. An das (wie behauptet) besonders günstige Angebot hält man sich nur eine ganz kurz bemessene Zeit gebunden. Der andere soll dazu verführt werden, ohne allzu lange Überlegung zuzugreifen, weil er Sorge hat, hinterher werde es für ihn nur ungünstiger. Gegenstrategie: Wir sollten uns durch (behauptete) Knappheit des Gutes oder durch (behauptete) Zeitknappheit nicht irre machen lassen. Meist ist diese Knappheit zumindest maßlos übertrieben. Gewiss sind wir einmal oder zweimal in unserem Leben zu spät gekommen, weil wir uns nicht schnell genug für ein knappes Gut entschließen konnten. Aufs Ganze gesehen haben wir per saldo aber doch besser abgeschnitten, weil wir uns jeden Entschluss immer reiflich überlegt, das Für und Wider gründlich abgewogen haben. Hätten wir bei jeder behaupteten Knappheit jedes Mal bedenkenlos zugegriffen, wären unsere Verluste viel größer gewesen. Gewiss sollte man nicht länger zuwarten als für gründliche Überlegung, für die notwendige Information über mögliche Alternativen und über die Prüfung der Rechtslage notwendig ist. Aber darauf sollten wir niemals verzichten, auch wenn die Knappheit noch so drohend dargestellt wird.
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E. Autorität „Die Fachleute wissen Bescheid" Nicht jeder kann auf jedem Gebiet Fachmann sein. Was also sollen wir tun, wenn wir von der Sache nicht allzu viel verstehen? Wir verlassen uns auf die zuständigen Autoritäten, oder solche, die wir dafür halten. Das ist nicht grundsätzlich falsch, aber wir dürfen die Autoritätsgläubigkeit auch nicht übertreiben. Manchmal sind die sog. Fachleute auch nur Fachidioten. Es ist gewiss kein Zufall, dass wir eine Vielzahl von Erfindungen und von grundlegenden wissenschaftlichen Fortschritten ausgerechnet Nichtfachleuten verdanken. Die jeweiligen Autoritäten der zuständigen Fachgebiete waren nicht darauf gekommen; manchmal sehen eben die Fachleute vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Ja, nicht selten hatten jene Autoritäten ausdrücklich erklärt, die - letztlich gelungenen Fortschritte seien gar nicht möglich, diese Nichtfachleute, die sich dem jeweiligen Ziel verschrieben hatten, seien Narren. Und, weil sie eben Autoritäten waren, hat man ihnen geglaubt - bis sie schließlich widerlegt waren. Im juristischen Bereich spielt der Autoritätsglaube eine überragende Rolle.9 Die „herrschende Lehre und Rechtsprechung" ist ein (scheinbar) unwiderlegbares Argument. Und doch hat der Bundesgerichtshof gar nicht so ganz selten seine „ständige Rechtsprechung" ins Gegenteil korrigiert; so zum Beispiel bei der Verjährungsfrage bei Ansprüchen aus dem Architektenvertrag oder bei der Staatshaftung bei der Teilnahme von Beamten am Straßenverkehr. Dabei ist interessant, dass der Bundsgerichtshof in derartigen Fällen lieber schreibt „in Ergänzung der Entscheidung vom ..." statt „in Abweichung der Entscheidung vom ..." Auch er befolgt das Konsistenzprinzip. Gegenstrategie: Wir sollten - angesichts des Spruchs der Autoritäten - die Flinte nicht immer so schnell ins Korn werfen. l. Wo der Spruch der Autoritäten offensichtlich der Vernunft widerspricht, ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis sich die Vernunft gegen die Autoritäten schließlich doch durchsetzt. Je antiquierter die 9
Vgl. dazu ausführlich Gast (1988), Juristische Rethorik, 362 ff.
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von den Autoritäten geprägte herrschende Meinung ist, desto größer ist die Chance, sie zu ändern. 2. Die herrschende Meinung entsteht nicht selten auf der Basis von Rechtsfällen, die ein bestimmtes gemeinsames Gepräge haben. Der Fall, in welchem ich gegen die herrschende Meinung angehen muss, um mich durchzusetzen, ist aber vielleicht nur scheinbar mit jener Fallgruppe identisch, auf welche die herrschende Meinung angewandt werden kann. Wenn ich herausfinden kann, in welchem vielleicht entscheidenden Punkt mein Fall abweicht, dann habe ich eine reelle Chance, dass die herrschende Meinung eingeschränkt wird; dass sie dann nicht gilt, wenn eine bestimmte Randbedingung vorliegt - eben jene, die in meinem speziellen Fall gegeben ist.
F. Sympathie „Sympathische Menschen wollen auch mein Bestes" Einem Menschen, den wir als sympathisch empfinden, können wir nur schwer etwas abschlagen. Wir sind versucht, die Sach- und die Beziehungsebene nicht streng zu trennen.10 Auch Richter pflegen die „Sympathiewelle" für Vergleichsverhandlungen zu nutzen. Sie gehen zuerst die Partei an - und das eher schroff - von der sie glauben, dass sie mehr Recht hat. Da diese Partei nur wenig nachgeben muss, wird sie die Schroffheit eher hinnehmen und auf den Vorschlag des Gerichts im Zweifel eingehen. Dieser eher schroffe Umgang mit der anderen Partei macht den Richter für die Partei, die mehr nachgeben muss, sympathisch, zumal der Richter mit ihr eher freundlich umgeht. Diese Taktik des Richters ist nicht zu beanstanden, wenn sein Vorschlag der Sach- und Rechtslage adäquat ist. Gegenstrategie: l. Grundsätzlich sollten wir die Sach- und die Beziehungsebene streng trennen. Nur weil der Richter ein so sympathischer Mann ist, (oder scheint), weil er der Gegenpartei es mal so richtig gegeben hat, 10
Vgl. dazu den Beitrag von Walther Gottwald in diesem Band.
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weil er mir so richtig aus dem Herzen gesprochen hat, braucht sein Vergleichsvorschlag noch lange nicht der Sach- und Rechtslage zu entsprechen. Man sollte sich nicht von seinen Sympathiegefühlen einlullen lassen. 2. Ausnahmsweise kann es aber auch sinnvoll ein, bei Menschen, zu denen wir in wirklich engen Beziehungen stehen - und bleiben wollen um dieser Beziehungen willen sachliche Nachteile in Kauf zu nehmen.
G. Allgemeine Grundsätze zur Gegenwehr Alle diese Techniken sozialer Beeinflussung sind an sich weder gut noch böse. Sie können vielmehr zu einem guten oder auch weniger guten Zweck benutzt werden11. Wenn sie für Ziele eingesetzt werden, die uns schädlich sein können, dann sollten wir uns freilich zu wehren wissen. Erfolgreiche Gegenwehr hat drei Voraussetzungen: 1. Wir müssen erkennen, dass wir manipuliert werden sollen. Das werden wir oft - schon gefühlsmäßig - spüren. Wenn man sich nur auf sein Gefühl verlässt, kann man sich aber auch in zweierlei Hinsicht täuschen: a) Man wird zwar manipuliert, aber so geschickt, dass das Gefühl seine warnende Stimme nicht erhebt. b) Man glaubt, manipuliert werden zu sollen, obwohl das gar nicht so ist. Dieser Gefahr der Täuschung sind wir weniger ausgesetzt, wenn wir uns weniger auf Gefühle, als auf die Kenntnis der Techniken sozialer Beeinflussung verlassen. 2. Wir müssen erkennen, auf welche Weise wir manipuliert werden sollen, damit wir angemessen reagieren können. 3. Wir müssen angemessen reagieren - weder überzogen noch zu schwach. Grundsätzlich gilt, dass wir die andere Seite erkennen 11
Vgl. dazu unten Teil 2.
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lassen, dass wir durchschaut haben, was sie gerade versucht. Je nach Situation werden wir das mehr oder weniger deutlich sagen. Man braucht dabei nicht gleich grob und kränkend zu werden. Oft ist es klüger, bestimmt, aber freundlich zu bleiben; man will ja meist trotzdem noch mit der anderen Seite zu einem Übereinkommen gelangen. Gerade wenn man zeigt, dass man den erkannten Manipulationsversuch nicht übel nimmt, kann man aus der Situation Vorteile schlagen: Man hat ja dadurch dem anderen etwas gewährt Verzeihung - und kann dafür nach dem Gegenseitigkeitsprinzip vom anderen eine Gegenleistung erwarten.
TEIL 2: SCHMUTZIGE TRICKS -AM BEISPIEL EINES HAUSTÜRGESCHÄFTS Die Mechanismen sozialer Beeinflussung können für jeden Zweck eingesetzt werden.
Der egoistische Einsatz unter Inkaufnahme der Schädigung des anderen hat oftmals das typische Gesicht „schmutziger Tricks". Das soll hier an einem Rechtsstreit verdeutlicht werden, der vor dem 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart stattgefunden hat. Bei den „schmutzigen Tricks" werden insbesondere zwei menschliche Schwächen für die eigenen egoistischen Zwecke ausgenutzt: l . Das den meisten Menschen innewohnende Bedürfnis, das eigene oftmals geschönte - Selbstbild bestätigt zu bekommen. 12
Dazu Rupert Lay (1985), 24.
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2. Das den meisten Menschen innewohnende Bedürfnis, seine eigenen „Traumrollen" von anderen zugeschrieben zu erhalten. Gleichzeitig werden die - für den anderen - positiven Seiten der sozialen Beeinflussung oft nur vorgespiegelt.
A. Unfaire Manipulation mittels Bestätigung des eigenen Selbstbildes Ein Manipulierer sagt natürlich nicht, dass er zu seinem eigenen Vorteil von dem anderen etwas haben will, ohne einen annehmbaren Gegenwert zu liefern. Der Haustürvertreter wird zur Hausfrau nicht sagen: „Schließen Sie doch mit mir einen Vertrag über den Kauf der Aussteuer für Ihre Tochter, dann bekomme ich 30% des Kaufpreises als Provision."
Er wird vielleicht sagen: „Wir von der Aussteuer-zentrale haben das Problem für Sie gelöst: Aussteuer sollte man nicht mehr auf Vorrat kaufen, sondern erst sparen, und erst dann anschaffen, wenn sie wirklich gebraucht wird."13
Es handelt sich um eine betrügerische Verkaufsmethode. Die Hausfrauen sollten zu einem so genannten „Aussteueransparvertrag" überredet werden. Nach diesem Vertragstyp sollten sich die Hausfrauen verpflichten, zu einem späteren Zeitpunkt (in 5 oder 7 Jahren) Aussteuerwaren im Wert von 6.000 DM oder 12.000 DM zu kaufen. Der Kaufpreis sollte ab sofort in monatlichen Raten von 100 bis 200 DM an die Aussteuerfirma bezahlt werden. Der Vorteil für die Hausfrau sollte darin liegen, dass die Preise von heute auch noch in 5 oder 7 Jahren gültig sein sollten - also die Inflation unterlaufen wird. Da aber alle Verträge immer über 10 oder 20 Garnituren Bettwäsche geschlossen wurden, und die Auswahl der Farben und Muster oder 13
Dieses und die nachfolgenden Beispiele stammen aus einem Originalverkaufsgespräch, das so von der Firma ihren Vertretern als nachzuahmendes Beispiel schriftlich vorgegeben wurde und das im Prozess vorgelegen hatte.
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der anderen Aussteuerwaren (ganz oder teilweise statt der ursprünglich bestellten Bettwäsche) erst in 5 oder 7 Jahren erfolgen sollte, war es für die Firma einfach, in 5 oder 7 Jahren andere Aussteuerwaren zu neuen, höheren Preisen auf die Auswahlliste zu setzen. I. Der Manipulierer schlüpft in die Rolle des Gebenden, des Beratenden. Er benutzt also das Prinzip der Reziprozität für seine egoistischen Zwecke, wobei er seine eigene „Gabe" nur vorspiegelt. Der Manipulierer überfällt den anderen nicht mit einem Wortschwall. Er hört dem anderen zu, stellt Fragen, er erhält auf diese Weise Informationen für seine eigene Argumentation. Er provoziert Antworten, die er durch Lob oder Nichtbeachtung steuern kann. Das ermöglicht ihm, sich (scheinbar) mit dem anderen zu solidarisieren - gegen Dritte. So kann er ein Wir-Gefühl beim anderen erzeugen, so dass der andere den Manipulierer als seinen Verbündeten erlebt, zum Beispiel: Kundin: „Ich sage Ihnen gleich, dass ich heute nichts kaufe." Vertreter: „Sehen Sie Frau Müller, deshalb bin ich da, weil wir jetzt nicht mehr wie früher laufend Vertreter zu Ihnen schicken, die Ihnen sofort Aussteuerwaren verkaufen wollen. Das wird Ihnen bestimmt recht sein." Kundin: „Ja." Anweisung: Jetzt so, dass es die Kundin sieht, auf die Kundenkarte schreiben: „Keine laufenden Vertreterbesuche".
(Verstärkung des Anscheins, der Vertreter erbringe der Kundin eine für sie nützliche Leistung). II. Der Manipulierer scheut vor dick aufgetragenem Lob zurück, das würde zu leicht durchschaut. Er arbeitet stattdessen mit unauffälligen „Verstärkern". Er verstärkt Äußerungen des anderen, die in sein Konzept passen, mit zustimmenden, begleitenden Lauten, wie z.B. „mhm, ja so ist es", usw., mitunter auch nur mit körpersprachlicher Zustimmung, er nickt mit dem Kopf, setzt eine freundliche Miene auf usw., zum Beispiel: Kundin:
„Die Mode wechselt ja heute so schnell; da kauft man weiße Bettwäsche, dann wollen die Mädchen nachher aber bunte haben."
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Rolf Bender, Wallher Gottwald
Vertreter. „Sehen Sie Frau Müller, da haben Sie recht, deshalb unser Rat: Keine Ware mehr auf Lager legen, sondern erst dann auswählen, wenn die Tochter weiß, was sie braucht, nicht wahr Frau Müller?"
(Verstärkung des Selbstbildes der Kundin als einer erfahrenen Hausfrau und Mutter. Gleichzeitig wird dabei das Prinzip „Sympathie" ins Spiel gebracht: Sympathische Menschen wollen auch mein Bestes; und wer mich so gut erkannt hat, der ist mir sympathisch.) Kundin: „Ja, das stimmt." Anweisung: Jetzt so, dass die Kundin es sieht, auf die Kundenkarte schreiben: „Keine Ware vorab". (Erneut wird der Anschein verstärkt, der Vertreter habe eine nützliche Leistung erbracht —> Reziprozität + Sympathie.) III. Ebenso hält sich der Manipulierer mit direkter Kritik zurück. Wenn die Äußerungen des anderen in eine ungünstige Richtung zu laufen drohen, hört er auf, jeden zweiten Satz mit „mhm" zu bekräftigen, macht nur ein leidendes Gesicht und versucht, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, zum Beispiel: Vertreten „Jetzt Frau Müller, das Wichtigste: Sie bekommen bei uns eine Preisgarantie bis zur Lieferung, aber leider nur für höchsten 20 Bettwäschegamituren." (Hier wird das „Knappheitsprinzip" ins Spiel gebracht.) Kundin: „Aber so viel Bettwäsche braucht man doch gar nicht." Vertreter: „Ganz richtig Frau Müller, deshalb können Sie bei uns später auch statt der Bettwäsche alle anderen Aussteuerwaren auswählen, Porzellan, Gläser, Bestecke usw. Was glauben Sie, was eine mittlere Aussteuer heute überhaupt kostet? [selber sagen:] Die kostet leicht 25.000 bis 30.000 DM. Aber für solche Summen gibt es natürlich keine Preisgarantie." (Das Prinzip „Was knapp ist, ist auch wertvoll" wird verstärkt.) IV. Wenn gar nichts mehr hilft, versucht er, den anderen zu schockieren. Er will ihn verunsichern, insbesondere, indem er ihm Gewissensbisse zu vermitteln versucht, zum Beispiel:
Lassen Sie sich nicht manipulieren! Vertreter:
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„Mit diesem Vertrag, den Sie jetzt gemacht haben, ist Ihre Angelika gut versorgt. Aber Sie haben ja noch eine Tochter, jetzt müssen wir für die Claudia noch etwas tun."
(Hier wird die Konsistenz - „Wer A sagt, muss auch B sagen" - ins Spiel gebracht.) Kundin:
„Um Gottes willen, die Claudia ist doch erst zwölf. Ich kann doch nicht noch mehr sparen im Monat!" Vertreter: „Aber, Frau Müller, die Angelika ist doch bloß ein Jahr älter. Sie wollen doch nicht, dass man im Dorf sagt, die Frau Müller ist eine Rabenmutter; für ihren Liebling, die Angelika, da sorgt sie, aber die Claudia kriegt nichts. Sie haben doch Ihre beiden Kinder gleich lieb, nicht wahr?"
(Das Konsistenzprinzip wird verstärkt; gleichzeitig wird das Konformitätsprinzip angesprochen: Die Leute im Dorf sind der Meinung, dass man für alle Töchter gleich gut sorgen muss). Wir haben hier ein gutes Beispiel dafür, wie der unfaire Manipulierer zuerst den anderen in seinem Selbstbild verunsichert; ihm dann aber einen Weg zeigt, wie er sein Selbstbild wieder herstellen kann (in Wirklichkeit zum alleinigen Nutzen des Manipulierers).
B. Unfaires Manipulieren durch die Zuschreibung von erstrebenswerten Eigenschaften (Traumrollen) I. Es gibt „allgemeine" Eigenschaften, die in der Regel jedermann haben will, wie z.B. Zuverlässigkeit (Konsistenz) und gute Menschenkenntnis (hier will jeder „Autorität" sein). Nach der jeweiligen Geschlechterrolle bevorzugen Männer und Frauen meist verschiedene Eigenschaften (Konformität mit der als vorherrschend gedachten Meinung)14. Männer wollen zumeist erfolgreich, kreativ, sportlich, mutig, selbstsicher usw. sein, Frauen bevorzugen eher folgende Eigenschaften: temperamentvoll, interessant, hübsch, anziehend usw.
14
Der Mitautor Gottwald ist sich hier nicht so sicher, dass diese Aussage zutrifft.
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Rolf Bender, Walther Gottwald
Mit der fortschreitenden Emanzipation der Frau, die in der Öffentlichkeit zunehmend akzeptiert wird, nähern sich die Wunscheigenschaften (entsprechend dem Konformitätsprinzip) der beiden Geschlechter aneinander an. II. Es gibt „spezifische" Eigenschaften. Sie sind Teil der jeweiligen sozialen Rollen, die wir in der Öffentlichkeit spielen. Jedermann befindet sich stets innerhalb mehrerer Rollen: man ist z.B. gleichzeitig Vater, Ehegatte, Rechtsanwalt, SPD-Ortsvereinsvorsitzender, Eltembeiratsmitglied usw. Jede dieser verschiedenen Rollen ist mit (teilweise) anderen Eigenschaften verbunden, die der Idealvorstellung vom jeweiligen Rolleninhaber zugeschrieben werden. Auch diese Zuschreibungen beruhen auf dem „Konformitätsprinzip". Für den Manipulierer ist es wichtig, dass seine Konformitätsvorstellungen mit denen des Manipulierten übereinstimmen. Diese verschiedenen Eigenschaftserwartungen in den unterschiedlichen Rollen können sich aber auch widersprechen (Rollenkonflikt). Vom Ehegatten wird zum Beispiel Kompromissbereitschaft erwartet, vom Rechtsanwalt eher Interessendurchsetzung. Der Manipulierer wird dem anderen sowohl die allgemein geschätzten Eigenschaften als auch diejenigen der Rolle zuschreiben, in welcher sich der andere (nach der Meinung des Manipulierers) angesprochen fühlen muss. In unserem Beispiel spricht der Vertreter die Frau Müller als Frau (fürsorgend) und Mutter an („Sie haben doch ihre beiden Kinder gleich lieb?"). III. Rollenzuschreibung als Manipulation: In vielen Situationen stehen die Rollen der Beteiligten von vornherein nicht genau fest. Der Manipulierer wird im Allgemeinen zweierlei versuchen: l. Der unfaire Manipulierer wird dem anderen die Rolle zuschreiben, die dem anderen schmeichelt, in der er sich gern selbst sehen würde. In unserem Beispiel weiß der Vertreter nicht von vornherein, was für eine Mutter Frau Müller ist. Er schreibt ihr aber auf jeden Fall die Rolle der guten Mutter zu, die alle ihre Kinder gleichermaßen liebt.
Lassen Sie sich nicht manipulieren!
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2. Der unfaire Manipulierer wird sich selbst nicht die Rolle des Unterlegenen zuschreiben (obwohl er das in der Regel ist). Er wird vielmehr versuchen, die Rolle des Überlegenen (Autorität), des Gebenden (Reziprozität), des Wohlmeinenden (Sympathie) vorzutäuschen, zum Beispiel: Kundin: „Wir kaufen nichts." Vertreter: „Deshalb will ich ja mit Ihnen reden, gehen wir herein."
(Mit der scheinbaren Übereinstimmung mit der Kundin will der Vertreter Sympathie erzeugen.) [in der Wohnung:]„Frau Müller, ich darf hier Platz nehmen, und Sie am besten hier [gleich links übers Eck] auf diesem Platz."
(Der Besucher weist der Hausfrau den Platz an! Er kontrolliert die Situation und bringt damit sofort das Autoritätsprinzip ins Spiel). Vertreter:
„Ich will Ihnen erklären, warum man heute Aussteuer nicht mehr auf Lager legen sollte".
(Die Erklärung darüber, was „man" heute tut, bringt das Konformitätsprinzip ins Spiel und versucht gleichzeitig, der Hausfrau die „Traumrolle" zu suggerieren, dass sie „voll im Trend liegt", wenn sie auf das zu erwartende Angebot eingeht. In Wirklichkeit lassen sich Aussteuerverträge allenfalls noch auf dem Lande unterbringen, wo der Trend „Ausbildung statt Aussteuer" noch nicht voll durchgeschlagen hat). Aus dem Urteil des 6. Zivilsenats in dieser Sache: „Das Verkaufssystem der Klägerin verstößt gegen die guten Sitten, weil es jenes Mindestmaß an Fairness vermissen lässt, das jeder Vertragspartner dem anderen Teil schuldet - trotz grundsätzlich Entgegengesetzter Interessen. Die hier praktizierte Art der „Überrumpelung" des Kunden an der Haustüre ist besonders geeignet, den Kunden in unfairer Weise zu übervorteilen."
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin gegen dieses Urteil zurückgewiesen15. 15
Vgl. BGH NJW 1982, 1455 = MDR 1983, 124; BGH NJW 1982, 1457 = MDR 1983,125.
Impressionen über den gerichtlichen Vergleich Dieter Treuer
Kurzfassung Die Vorschrift des § 279 Zivilprozessordnung (ZPO) beginnt wie folgt: „Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein." Die „gütliche Beilegung des Rechtsstreits" kann in verschiedenartiger Form geschehen. Es kann die Klage zurückgenommen werden, der Beklagte kann ein Anerkenntnis abgeben. Die Parteien können aber auch durch Abschluss eines Vergleiches den Rechtsstreit gütlich beilegen. Für den Richter in Zivilsachen aber bedeutet das eine wie das andere, er soll mit den Parteien darüber verhandeln. Wie er das machen soll, ja überhaupt wie er die Verhandlung über einen Rechtsstreit führen soll, darüber gibt die Prozessordnung nur formale Anweisungen. Man geht auch fehl in der Annahme, das Verhandeln werde den angehenden Juristen - Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt, Sachbearbeiter bei der Versicherung oder Bank - anlässlich des Studiums wenigstens doch in der Referendarausbildung beigebracht. Die Rechtsuchenden müssen nuthin darauf vertrauen, dass sie mit ihrem Rechtsfall vor einen Richter geraten, der ein Naturtalent im Verhandeln ist. Das wäre gut. Oder sie geraten an einen Richter, der jahrelange Erfahrung im Verhandeln hat - auch nicht schlecht. Aber wie sagte einst G. B. Shaw: „Viele halten das für Erfahrung, was sie jahrelang falsch gemacht haben". Ich bin der Überzeugung, man kann das Verhandeln und damit auch das Verhandeln über einen gerichtlichen Vergleich erlernen.
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Einleitung Die Besonderheit des richterlichen Vergleichs ist, dass der „verhandelnde" Richter nicht die Person ist, die materiell am Vergleichsschluss beteiligt ist; sie tritt nur als Lenker und gegebenenfalls als Schlichter auf. Insoweit ergibt sich zum „Verhandeln im juristischen Bereich" eine weitere und sehr bedeutsame Dimension. Ich will versuchen, dem gerichtlichen Vergleich in Zivilsachen weniger auf juristischem als auf rhetorischem Gebiet näherzukommen. Vielleicht fallen dabei auch nützliche Erkenntnisse ab, weil ich einige rechtstatsächliche Erkenntnisse aus einer Erhebung des Instituts für Rechtstatsachenforschung - Praktikerforschungsgruppe Stuttgart der Universität Konstanz - beisteuern kann.
I. Motive zum Vergleichsschluss: Warum soll der Richter auf einen Vergleichsabschluss hinverhandeln? l. Dazu fällt als Schlagwort „Rechtsfrieden" ein, also Befriedung der Parteien. Das ist auch der Rechtsgedanke im Gesetz (§ 279 ZPO). Und in der Tat, in erster Linie sollte das Interesse der Parteien den Richter motivieren. Und dieses Interesse kann sehr groß sein. Dies gilt vor allen Dingen dort, wo das Urteil, also die Rechtsgewährung anstelle des Vergleichs, das Nullsummenspiel auf die Spitze treibt. Das ist immer dort der Fall, wo es für die Parteien heißt: Alles oder nichts, gewinnen oder verlieren, totaler prozessualer Sieg oder irreparable Niederlage.1 Angenommen, der Kläger verlangt Rückzahlung eines Darlehens. Der Beklagte bestreitet, jemals ein Darlehen erhalten zu haben. „Einfach zu entscheiden!", so höre ich die Kollegen. Natürlich! Wir, das heißt die Juristen, haben gelernt: Der Kläger muss beweisen, dass er ein Darlehen gegeben hat, kann er dies nicht, verliert er den Prozess. Kann er es beweisen - gewinnt er. Aus der Sicht des Beklagten stellt es sich gerade umgekehrt dar. 1
Vgl. dazu den Beitrag von Bierbrauer in diesem Band.
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Wer sich jemals mit der Würdigung von Beweisen beschäftigt hat vor allem Zeugenbeweisen - weiß, wie ungewiss der Ausgang eines solchen Rechtsstreits ist. Der Richter aber ist gehalten, sich und damit den Prozess zu entscheiden, und oftmals steht die Entscheidung wahrhaftig auf des Messers Schneide. Auf welche Seite wird sich die Waagschale neigen? Was hindert denn den Richter daran, in einem solchen Falle dem Beklagten vorzuschlagen, vergleichsweise den Betrag an den Kläger zu zahlen, der der Wahrscheinlichkeit entspricht, mit welcher das Gericht die Hingabe des Darlehens als erwiesen ansieht? Wäre das nicht im Interesse der Parteien? Aus der Sicht beider Parteien gesehen, ist dies sicher sinnvoller als eine Alles-oder-nichts-Entscheidung. Niemand könnte auch dem Richter den Vorwurf machen, er strebe einen Vergleich an, um sich selbst Arbeit zu ersparen. Denn wenn auch der innere Vorgang des Entscheidungsprozesses Mühe macht: diese Arbeit ist im Zeitpunkt des Vergleichsvorschlages erledigt! Oder sie sollte es zumindest sein. Natürlich ist auch die Faulheit des Richters ein Motiv, einen Vergleich zu schließen, um sich damit weitere Arbeit zu ersparen. Ein ernsthaft zu diskutierendes Motiv darf dies allerdings nicht sein. 2. Persönliche Motive sind natürliche Triebfedern, die oftmals den Richter stärker zum Vergleichsabschluss motivieren als die „SollVorschrift" des Gesetzes. a) „Ich habe das Gefühl, als hätte ich den Prozess gewonnen", sagte mir unlängst ein Kollege, nachdem er einen schwierigen Rechtsstreit verglichen hatte. Darin schwingt ein Gutteil Stolz mit auf die Fertigkeit zu verhandeln und zu überzeugen. So gewinnt mancher Kollege auch den Ruf, „er sei ein guter Vergleicher". Ob man darauf stolz sein kann, ist eine ganz andere Frage. b) Zwar hat der Richter am Abschluss des Vergleiches kein materielles Interesse. Ein formelles Interesse lässt sich jedoch nicht von der Hand weisen. In Zeiten, in denen die Zunahme von Rechtsstreitigkei-ten (auch und gerade im Bereich der Ziviljustiz) in beängstigendem Maße zunimmt, ist der Richter vermehrt darauf angewiesen, den
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Rechtsstreit möglichst arbeitssparend, also auch durch Vergleich, abzuschließen. Manchmal jedoch ist das Absetzen eines Urteils weniger zeitaufwendig als langwierige Vergleichsverhandlungen. Dann pflegt der Zivilrichter der „Sollvorschrift" in § 279 ZPO zu genügen, in dem er anmerkt: „Eine Einigung der Parteien ist ohnehin nicht möglich!" 3. Rechtspolitisch sind vergleichsweise Erledigungen von Rechtsstreitigkeiten auch nicht immer erwünscht. Rechtsfragen, die den Parteien und vor allem auch den Richtern oft auf den Nägeln brennen, können durch vergleichsweise Erledigung nicht höchstrichterlicher Klärung zugerührt werden. Der Richter wird also fragen müssen, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine noch nicht entschiedene Rechtsfrage von weit reichender Bedeutung einer höchstrichterlichen Beantwortung dadurch zu entziehen, dass ein Vergleich geschlossen wird. Allerdings muss er dabei auch beachten, dass die Partei, die letztlich die Kosten trägt, nicht ohne weiteres als Vehikel der Rechtsfortbildung missbraucht werden darf. 4. Wie wirken sich die genannten Gesichtspunkte in der Praxis aus? Ich habe 46 Fälle von Gerichtsverhandlungen an größeren und kleineren Landgerichten darauf untersucht. Das Ergebnis ist einigermaßen erstaunlich. In 55 % der Fälle wurden überhaupt keine Vergleichsverhandlungen geführt. Weder der Richter noch die Parteien sind in dieser Richtung aktiv geworden. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass bei der Auswahl der Fälle nicht darauf geachtet werden konnte, ob der Fall zum ersten oder zum wiederholten Mal verhandelt wurde. Von den genannten 55 % war nur bei knapp einem Viertel erkennbar, warum keine Vergleichsverhandlungen geführt wurden: die Parteien lehnten kategorisch Verhandlungen über einen Vergleich ab; eine Partei stand kurz vor dem Konkurs, so dass ein Vergleich für die andere Partei uninteressant war; die Kosten des Vergleichs wurden gescheut oder man sah sich nicht in der Lage zu vergleichen, weil -wies im eingangs erwähnten Fall der Darlehensrückforderung - nur Alles oder Nichts zuzusprechen gewesen wäre.
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U. Die Vergleichssituation 1. Der Richter „leidet" mehr als die Partei in Zweierverhandlungen unter der Intransparenz der Situation. Er weiß nicht, welche Strategie und Taktik die „Partner" oder Parteien einschlagen werden. Er weiß auch nicht, welche finanziellen oder wirtschaftlichen Zwänge zu bestimmten Handlungsweisen der Parteien rühren. Manchmal weiß er nicht einmal, welches Ziel die Parteien mit dem vorliegenden Prozess verfolgen. Insoweit hat es der Richter schwerer, weil er mindestens zwei, wenn nicht mehr Parteien zusammenrühren muss, und er kennt nur den Sachvortrag aus den Akten, der keineswegs vollständig sein muss. Häufig sitzt die „eigentliche Partei" gar nicht mit im Verhandlungssaal. Denken Sie an die Versicherung des wegen Falschberatung in Anspruch genommenen Rechtsanwaltes. Will der Richter aber mehr als nur die von der Prozessordnung vorgesehene „Verhandlung" durchführen, will er also Verhandeln mit dem Ziel eines Vergleichsabschlusses, so ist gerade diese Intransparenz ein gewaltiges Handicap. Alle Verhandlungskunst verpufft weitgehend, wenn er „den, den es angeht" argumentativ und rhetorisch überhaupt nicht oder nur mittelbar über seinen Prozessvertreter erreichen kann. 2. Wie begegnet der Richter diesen Schwierigkeiten? Die Stellung des Richters im Zivilprozess gibt ihm eine Position in die Hand, die man sich in außergerichtlichen Verhandlungen als gleichgestellter Verhandlungspartner erst erarbeiten oder gar erstreiten muss. Für eine Erfolg versprechende Verhandlung ist nichts wichtiger als die Beachtung folgender zweier Grundsätze: - Zwischen den Verhandlungspartnern muss klar restgelegt sein, über welches Thema verhandelt wird. - Der äußere Ablauf der Verhandlung muss festgelegt sein.2 2
Vgl. den Beitrag von Haft in diesem Band.
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Ein großer Teil der Verhandlungen scheitert daran, oder besser gesagt, führt zu keinem für beide Teile befriedigenden Ergebnis, weil man diese Grundsätze missachtet hat. Verhandeln zwei „gleichrangige" Partner miteinander, so sollte das „Präludium" darin bestehen, diese beiden Grundsätze zu beachten und sie formal festzuklopfen. Das allein bedarf oft schon großer und größter Anstrengungen, und viele Verhandlungen - vor allem im politischen Bereich - sind schon daran gescheitert, dass man sich über die Einbeziehung einzelner Punkte in das Gesamtthema nicht einigen konnte. Denken Sie nur an die Verhandlungen über Rüstungsbegrenzung zwischen den Weltmachtblöcken: Die UdSSR erklärt kategorisch, über die Raketen SS-20 reden wir nicht, und die USA erwidert genauso kategorisch, über SDI verlieren wir kein Wort. Was sich im Großen zeigt, spielt auch im Kleinen eine entscheidende Rolle. Dieses veraltete Thema lässt sich problemlos durch andere Beispiele aus der neueren Politik ersetzen. Der Richter im Zivilprozess hat es insoweit einfacher. Er muss sich der Notwendigkeit zur formalen Führung nur bewusst sein und von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen. a) Der Richter kennt und nennt das Thema, über welches die Verhandlung stattfinden soll. Dieses leitet er aus den von den Parteien angestrebten prozessualen Zielen ab (z.B. will der Kläger vom Beklagten Schadensersatz wegen Körperverletzung). Manchmal ist das prozessual bekanntgegebene Ziel nicht identisch mit dem wirklich angestrebten. Das stellt sich schnell heraus, wenn der Richter das Prozessthema in der Vergleichsverhandlung - die in weiten Teilen identisch sein kann mit der Prozessverhandlung - auf seine Hintergründe abklopft. Spätestens nach einem Vorschlag zur vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits wird die Partei, die andere als die zutage getretenen Ziele verfolgt, mit dem wirklichen Thema herausrücken müssen. Dann ist immer noch Zeit, das Thema neu zu bestimmen und festzulegen. Will er aber letzte Sicherheit gewinnen über das, was die klagende (manchmal auch die beklagte) Partei wirklich will, dann muss er die Partei im Sitzungssaal haben. Das soll nicht heißen, dass die Rechtsanwälte im Zivilprozess nicht auch Auskunft über die Prozessziele
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ihrer Partei geben könnten. Aber oftmals wissen die Anwälte auch nichts über die Motive ihrer Mandanten. Oder sie sind Informationsirrtümern aufgesessen. Wenn Sie als Verhandlungsführer aber den, „den es angeht" am Verhandlungstisch haben, dann haben Sie mindestens eine Chance zu erfahren, welches Prozessziel die Partei verfolgt. So waren in einem Rechtsstreit über Ehegattenunterhalt alle Beteiligten gleichermaßen erstaunt, als der Beklagte - der geschiedene Ehemann - in der mündlichen Verhandlung im 2. Rechtszug erklärte: „Eigentlich will ich meiner geschiedenen Frau den Unterhalt gar nicht streitig machen; vielmehr kann und will ich ihn auch bezahlen." Dies war umso erstaunlicher, als sein Anwalt vehement vorgetragen hatte, dass sein Mandant zum Unterhalt nicht verpflichtet und im Übrigen auch finanziell nicht in der Lage sei, diesen zu bezahlen. Auf die verdutzte Frage des Richters, warum er dies denn erst jetzt sage, antwortete er: „Bisher hat mich ja niemand gefragt, was ich eigentlich will." Er wollte nämlich nur, dass seine Frau ihm ein umfassenderes Umgangsrecht mit den gemeinsamen Kindern einräume. Aber wenn man ihm da nicht entgegenkomme, sehe er seinerseits auch keine Veranlassung zu der Unterhaltszahlung. Nicht alle Konflikte lösen sich auf so einfache Weise: Aber wenn die Partei keine Gelegenheit hat, ihre Wünsche und Motive darzulegen, verhandelt man häufig am eigentlichen „Fall" vorbei. In den von mir untersuchten fällen waren in 41 % die Parteien überhaupt nicht geladen - eine erschreckend hohe Zahl. Zu Recht wird man einschränken müssen: stehen nur Rechtsfragen im Raum, hat die Partei als Auskunftsperson wenig Sinn. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass in den Fällen, in denen die Richter Vergleichsverhandlungen führten, in 71 % auch die Parteien geladen waren. Fazit: Es sollte obligatorisch sein, die Parteien zum Termin zu laden. Sie sind die kompetentesten Auskunftspersonen. Bei einer juristischen Person kann es wichtig sein, gerade nicht deren gesetzliche Vertreter zu laden, sondern um das Erscheinen des Sachbearbeiters zu bitten. Auch kann man versuchen, die zwar (prozessual) nicht am Prozess beteiligte „Partei" in die Verhandlungen mit ein-
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zubeziehen. Das kann z.B. die Haftpflichtversicherung des Architekten oder Anwalts sein. b) Liegt das Thema fest, dann muss der äußere Rahmen der Verhandlung festgelegt werden. Auch diesen bestimmt der Richter. Das Gesetz gibt ihm die Befugnis zur formalen Führung in die Hand. Der Richter kann und muss - will er erfolgreich sein - diese formale Führung behalten. Wird sie ihm streitig gemacht, kann er das stärkste Argument schlechthin für sich in Anspruch nehmen: eben das Gesetz, also seine Befugnis zur Prozessleitung (§ 136 ZPO). aa) Der Richter bestimmt den Zeitpunkt und die Zeitdauer der Verhandlung. Vor allen Dingen die Zeitdauer ist oft ausschlaggebend. Wenn feststeht, wie lange eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist, braucht sich der Richter innerhalb dieser Zeitspanne von niemandem unter Zeitdruck setzen lassen. Wer unter Zeitdruck verhandelt, ist oft unkonzentriert - vergisst in der Hektik das eine oder andere und wirkt dann unvollständig in seiner Aussage. Solche Vorschläge zur Einigung überzeugen die Parteien dann nicht. Man kann dies in der Praxis immer wieder beobachten, und ich konnte diese Erfahrung auch in einer ganzen Reihe von Rollenspielen während der Seminare zur Verhandlungs- und Vergleichsführung in Tübingen machen. Wenn man den Richtern in Rollenspielen unvorhergesehene Zeitschranken auferlegt, gleitet die Verhandlung häufig in ein hektisches „Vorwärtsverhandeln" ab, das nicht selten auch die Parteien erfasst. Ungeduld beim Richter erzeugt Unsicherheit bei der Partei - die Überzeugungskraft der Argumente lässt zu wünschen übrig, weil man sich die Zeit zur Begründung, zur Information, nicht mehr nehmen kann. Um die Zeitdauer bestimmen zu können, muss der Richter bei der Terminierung wissen, wie umfangreich der Fall ist, welches das Thema oder die Themen sind, welche Zeugen oder sonstige Beweismittel (Sachverständige) notwendig sind. Beim so genannten frühen ersten Termin, bei dessen Terminierung in der Regel nur die Klageschrift vorliegt, wird der Richter nur schwer abschätzen können, wie viel Zeit die Verhandlung in Anspruch nimmt. Es sei denn, der Kläger teilt schon in der Klageschrift
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mit, dass sich der Beklagte nicht verteidigen wird - aber auch dies beruht oftmals auf einer Fehlinformation. Anzuraten ist deshalb in der Regel das schriftliche Vorverfahren. Dadurch geht man sicher, dass man nicht erst 14 Tage vor der auf 10 Minuten angesetzten mündlichen Verhandlung erfährt, dass alles Klagevorbringen bestritten wird und deshalb 5 Zeugen zu laden sind. bb) Der Richter bestimmt auch den tatsächlichen Ablauf der Verhandlung aufgrund seiner Prozessleitungsfunktion. Er strukturiert unter dem vorgegebenen Thema die Verhandlungspunkte, z.B. im Bauprozess: (1) „Wir verhandeln jetzt über die Frage, ob am Dach des Hauses ein Mangel vorgelegen hat oder nicht." (2) „Dann wenden wir uns der Frage zu, ob die Drainage funktioniert." (3) „Ergeben sich Mängel aus Punkt (l) und (2), behandeln wir die Frage, wer diese zu vertreten hat." (4) „Hat sie der Bauunternehmer zu vertreten, reden wir über die Möglichkeit der Beseitigung und die dadurch anfallenden Kosten."
Der Richter kann und muss sodann darauf hinwirken, dass jeder Punkt zu Ende behandelt ist, bevor der nächste Teilpunkt angegangen wird. Es liegt an ihm, Chaos in der Verhandlung zu vermeiden, indem er die Partei, die aus der von ihm vorgegebenen Struktur ausbrechen will, an seine - am besten zu Beginn der Verhandlung bekanntgegebenen Leitlinien erinnert. Um beim obigen Beispiel zu bleiben, wird er die Partei, die ihre Anhörung mit einem Redeschwall über die drohenden Sanierungsorder Nachbesserungskosten beginnt, ohne größere Schwierigkeiten daran erinnern können, dass dies nicht der Gang der Verhandlung sei, den er vorgegeben hat. Er wird - ohne Emotionen in die Verhandlung zu bringen - darauf hinweisen können: „Wir wollten doch erst über das Dach reden und dann die Drainage besprechen - zu den Kosten kommen wir unter Punkt 4." Das hilft ihm, die einzelnen Punkte ohne Verwirrung der Einzelpunkte und ohne unnötigen Zeitaufwand abzuarbeiten. Dies hilft
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aber auch den Parteien, sich an ein Schema zu halten und vor allen Dingen sich immer gewiss zu sein, an welcher Stelle der Verhandlung sie sich gerade befinden.
III. Der lange Weg zum Vergleich 1. Nur Information - nie Manipulation! Unter dieses Motto muss der Zivilrichter seine Vergleichsbemühungen stellen. Zwar gibt ihm die Sollvorschrift des § 279 ZPO die Pflicht auf, sich um eine vergleichsweise Regelung des Streitfalles zu bemühen. Diese Pflicht findet aber ihre Grenzen an der Handlungsfreiheit der Parteien. Diese darf unter keinen Umständen manipuliert werden. Die Gefahr der Manipulation darf - meine ich - nicht unterschätzt werden. Sie rührt in erster Linie daher, dass sich beim Zivilrichter zwei „Tätigkeitsbereiche" vereinen. Einerseits „gewährt er Recht" im Urteil andererseits soll er das Urteil gerade durch einen von ihm zu erzielenden Vergleich verhindern. Nichts verlockt mehr, als über den Vergleichsverhandlungen das stets mögliche Urteil wie ein Damoklesschwert hin- und herpendeln zu lassen und die Partei immer im Ungewissen zu lassen, wen möglicherweise „die Schärfe des Urteils" treffen wird. Das ist kein erlaubtes Mittel, um die Parteien zum Vergleichsabschluss zu bringen. Stattdessen soll der Richter informieren - offen und ehrlich. 2. Die Begründung des Vergleichsvorschlages: Ist der Prozessstoff abgeklärt - dies kann schon nach der Parteianhörung, aber auch erst nach der Beweisaufnahme der Fall sein -, dann soll der Richter mit einem Vergleichsvorschlag an die Parteien herantreten. Sich nur zurückzulehnen und die Parteien mit missmutiger Stimme zu fragen, ob sie sich nicht vergleichen wollen, kann ich nicht als Vergleichsvorschlag des Gerichts bezeichnen. Diese Methode führt auch selten zum Erfolg. In 86 % der untersuchten Fälle gaben die Richter dann auch der hier beschriebenen Methode, die Parteien über die Rechtslage zu informieren, den Vorzug: Da das Gericht „im Ernstfall" auch den Rechtsstreit entscheiden muss, liegt es auch an ihm und nicht an der
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Partei, Vorschläge zu machen, um auf eine vergleichsweise Regelung hinzuwirken. Denn der Richter wird in aller Regel von beiden Parteien als objektiv, unabhängig und damit unvoreingenommen angesehen. Seinem Vorschlag kann die Partei deshalb viel sicherer entgegensehen. Beherzigt der Richter den Vorschlag, nicht zu manipulieren, dann kann sich die Partei darauf verlassen, dass der Vergleichsvorschlag inhaltlich nichts ungerechtfertigt Vorteilhaftes zu Gunsten des Prozessgegners enthält. Wenn der Kläger 10.000 DM eingeklagt hat, wird ihm der schlichte Vergleichsvorschlag des Richters, der Beklagte möge doch 5.000 DM bezahlen, ebenso wenig überzeugen, wie dies auf Seiten des Beklagten der Fall sein wird. Ein nicht begründeter Vergleichsvorschlag dient entweder der Manipulation oder offenbart Faulheit oder Ratlosigkeit auf Seiten des Richters. Die ersten beiden Gründe schließe ich aus den weiteren Betrachtungen aus. Der dritte Grund kann zur Begründung des Vergleichsvorschlages im Einzelfall einmal herangezogen werden. Aber er muss den Parteien erläutert werden. Durch Gründe zu überzeugen - diesen Vorteil hat gerade der Richter gegenüber dem, der in eigener Sache verhandelt. Der Richter kann nein, er muss sagen, warum er diese angebotene Lösung so vorschlägt. Wie denn sonst, wenn nicht anhand der Begründung durch den Richter, soll sich die Partei entscheiden können, ob sie auf diesen Vorschlag eingeht oder nicht. Und wenn sie nur weiß, dass der Richter „ratlos" ist das Beweisergebnis ist z.B. völlig offen - so kann sie doch schon daran ihre Prozesschancen abschätzen. Das muss sie können, sonst darf man keine Vergleichsvorschläge machen. Für den Vergleichsvorschlag und dessen Begründung hat der Richter quasi inzidenter offene Fragen im Sachverhalt und rechtliche Streitfragen zu berücksichtigen. Es vermischt sich insoweit Justizgewährung und Schlichtung. Der Richter prüft mithin klärend, und zwar zumindest für diese Instanz abschließend. Er muss auf diese Weise den Verhandlungsstoff entwirren und klarstellen. Beruhen darauf seine Überlegungen zum Vergleichsvorschlag, dann muss er sie nennen. Er sollte dies nie in apodiktischer Form tun, sondern die Unsicherheiten, die diesen „Klarstellungen" anhaften, gebührend her-
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vorheben und gegebenenfalls im Vergleichsvorschlag berücksichtigen. Zum Beispiel den Vorbehalt im Kollegialgericht, dass der Fall noch endgültig beraten werden muss. Auch ist niemand gehindert, später anderer Meinung zu sein. Ist die Partei darauf hingewiesen, dann kann sie dies einkalkulieren. Ein anderes Beispiel ist der Vorbehalt, dass die nächsthöhere Instanz die Entscheidung anders treffen, die Beweise anders würdigen könnte. In diese Überlegungen werden auch Fragen der Beweislast Eingang finden müssen. Der Darlehensgeber, der vom Beklagten die Darlehensvaluta zurückhaben will, muss die Hingabe des Geldes beweisen. Diese dem Kläger obliegende „Last" kann beim Vergleichsvorschlag Berücksichtigung finden: also muss sie den Parteien mitgeteilt werden, schon um eventuelle Irrtümer des Richters aufklären zu können. Solche Irrtümer treten im Übrigen gar nicht so selten auf vor allen Dingen, wenn Richter mit Rechenaufgaben betraut sind. Wieder zur Rechtswirklichkeit: In der Untersuchung zeigte sich, dass die Rechtsmeinung des Gerichts in der Hälfte aller begründeten Vergleichsvorschläge mit eingeflossen ist, die Beweislast mit einem Viertel, die Beweislage hingegen mit fast 90 %. Allerdings nur in 12 % aller Fälle, in denen diese Gründe den Vergleichsvorschlag stützen sollten, wurden Vorbehalte „eingebaut", um das Risiko einer Abänderung in der Instanz zu verdeutlichen. Für die Durchsetzung eines Verhandlungszieles scheint es mir unerlässlich, in Alternativen zu denken: Das tut die Partei, wenn sie mit den anderen verhandelt und das sollte der schlichtende Richter tun. Das bedeutet: man muss sich den erfolgreichen Abschluss einer Verhandlung wegdenken und sich fragen, was geschieht dann? Das stellt sich - vom Stuhl des Richters aus gesehen - wie folgt dar: Wenn dieser Vergleichsvorschlag nicht das Wohlgefallen der Parteien findet, dann wird ein Urteil den Parteien Auskunft über die Begründetheit ihres Anspruchs oder der dagegen gerichteten Argumente geben. Diese Auskunft beruht auf der Entscheidung dieses Gerichts. Ob die übergeordnete Instanz derselben Ansicht sein wird, kann offen sein (es kann natürlich eine „gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung" zu dem Problem schon vorliegen). Will nun die Partei die Entscheidung durch Urteil, muss sie sich doch über diese
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- nur beispielhaft genannten - Risiken im Klaren sein. Diese aufzuzeigen und zu bewerten ist deshalb für den Richter, der „erfolgreich" im Vergleichsabschluss sein will, gleichermaßen notwendig wie nützlich. 3. Wenn der Vergleichsvorschlag auf dem Tisch liegt...: Liegt der Vergleichsvorschlag auf dem Tisch, dann erlebt man in einer Vielzahl von Fällen (immerhin 40 %), dass sich der Richter - sichtlich stolz auf seinen Vergleichsvorschlag - zurücklehnt und mit Worten und Gesten die Parteien drängt: „Na, was sagen Sie dazu?" Damit aber überfordert er die Verhandlungspartner in ihrer Entscheidungswilligkeit. Hat sich der Richter die Zeit zur Ausarbeitung des Vergleichsvorschlages genommen, so gebietet es nicht nur die Höflichkeit, den Parteien eine angemessene Zeit einzuräumen, um den Vorschlag zu überdenken und zu verdauen. Auch hier gilt: Verhandeln unter Zeitdruck führt zu Hektik und letztlich zur Flucht aus der Entscheidungssituation. Es muss deshalb Gelegenheit zu getrennter Beratung sein. Der Richter hat in der Hand, diese Beratung zeitlich einzugrenzen - die Gelegenheit, Beratungen mit open end zu gestatten, dient der Entscheidungsfindung erfahrungsgemäß nur in den seltensten Fällen. Verhandeln Parteien miteinander, so erlebt man sehr häufig, dass keiner der Verhandlungspartner sein ja oder nein oder einen Alternativvorschlag auf den Tisch legen will. Das ist verständlich, weil in der Regel die Interessen sich diametral entgegenstehen, aber sehr häufig die jeweiligen Vorgaben sich irgendwo überschneiden. Der Kläger will zum Beispiel vom Beklagten 20.000 DM, ist aber - im Stillen - bereit, sich auch mit der Hälfte zu begnügen. Der Beklagte will gar nichts bezahlen, hat sich aber darauf eingerichtet, notfalls 15.000 DM zu zahlen. Derjenige, der zuerst mit einer Zahl herausrückt, läuft also Gefahr, mehr zu verlieren als nach der geheimen Vorstellung des Gegners notwendig gewesen wäre. Auch in dieser Situation kommt dem Richter seine Stellung als Schlichter zugute. Er kann (oder muss) die von der Beratung des Vergleichsvorschlages zurückgekehrten Parteien auffordern, sich zu erklären und er hat - wenn keine Partei sich erklären will - auch die Befugnis, z.B. den Kläger, der ja im Prozess aktiv geworden ist, auch
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jetzt zum ersten Schritt zu bewegen, etwa mit der Bitte, nun doch zu sagen, ob er den Vergleichsvorschlag annimmt. Das ist deshalb von großer Bedeutung, weil oft Prestigegründe oder die Sorge, das Gesicht zu verlieren, die Partei daran hindern, einem Vergleichsvorschlag zuzustimmen, bevor es die Gegenseite getan hat. 4. Was schlägt man den Parteien vor? Dass dies vom Einzelfall abhängt, ist eine Binsenweisheit. Es gilt für alle Verhandlungen, dass jede Partei so viel wie möglich - materiell und immateriell - auf ihrer Seite verbuchen möchte. Die Schwierigkeit dabei ist nur, dass der Gewinn auf Seiten der Partei A einen Verlust auf der Seite der Partei B bedeuten kann.3 Diese Erkenntnis verleitet manchen Richter zu dem Vorschlag, die Forderung einfach zu halbieren. Das hätte dann den Vorteil, dass beide Parteien gleichermaßen obsiegen und unterliegen und keine das Gesicht verliert. Eigentlich müsste keine Partei einen solchen Vergleichsabschluss ablehnen. Wenn aber der Kuchen, der verteilt werden soll, nur begrenzte - von den Parteien aus welchen Gründen auch immer - nicht akzeptierte Möglichkeiten zulässt, dann bleibt als Alternative: den Kuchen vergrößern.4 Dies kann in vielerlei Form geschehen und soll auch nur angedeutet werden. Man kann Raten vereinbaren. Teilerlass bei rechtzeitiger Zahlung anbieten, künftige Leistungen einer Partei Miteinbeziehen, Dritte, die am Rechtsverhältnis beteiligt sind, Miteinbeziehen. Mit diesen nur beispielhaft genannten Varianten „gewinnt" auch die Partei, der man mehr zumutet, als sie glaubt, noch zugestehen zu können. Ein Beispiel soll dies abschließend belegen: In einer Sitzung des Senats, dem ich angehöre - es ging um eingeklagte 25.000 DM -hatte der Senat vorgeschlagen, der Beklagte möge noch 15.000 DM bezahlen, die Klägerin mithin auf 10.000 DM verzichten. Der Vergleichsabschluss drohte daran zu scheitern, dass die Klägerin erklärte, sie habe schon vorprozessual einen Vergleich von 20.000 DM vorgeschlagen, der vom Beklagten abgelehnt worden sei; dies habe sie
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Vgl. den Beitrag von Bierbrauer in diesem Band. Vgl. hierzu den Beitrag von Gottwald, Stadien... in diesem Band.
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Dieter Treuer
veranlasst, Klage zu erheben. Ein Vergleich auf der vom Senat vorgeschlagenen Basis bedeute einen Gesichtsverlust, den sie sich nicht leisten könne. Der Beklagte sonnte sich derweil in seinem dem Senat gegenüber gezeigten „Wohlverhalten": er hatte dem Vergleichsvorschlag ja zugestimmt. Die Verhandlung war völlig festgefahren. Erst der Vorschlag, den Kuchen um die Mehrwertsteuer zu vergrößern, brachte die Wende. Da das Geschäft für beide Parteien umsatzsteuerpflichtig war, bedeuteten die 14 % Aufschlag auf den Vergleichsbetrag für die Klägerin ein Mehr von 2.100 DM und vor allem die Wahrung des Gesichts, für den Beklagten aber gleichzeitig keine Mehrbelastung. Erstaunlicherweise wird die Einbeziehung von Gesichtspunkten, die außerhalb des eigentlichen Prozessstoffes liegen, nur in seltenen Fällen versucht. Nach meinen Untersuchungen in etwa 10 - 12% der Fälle. 5. Wann soll der Richter Vergleichsvorschläge unterbreiten? Ich halte es für äußerst müßig, darüber allzu viele Überlegungen anzustellen. Man kann nur generell sagen: wenn die Verhandelnden glauben, das Material - hier der Prozessstoff - liege zutage, dann kann man auch über eine Einigung reden. Ob dies vor oder nach der Beweisaufnahme geschieht, ist nicht nur eine Frage der anfallenden Kosten, sondern auch eine solche des Geschmackes. Denn oft steht das Ergebnis der Beweisaufnahme mehr oder weniger schon vorher fest, aber die Parteien beharren auf ihrer Durchführung.
IV. Ausblick Wie sollen Richter sein? Darüber gibt es - Gott sei Dank - keine Vorschriften. Wie sollen Richter eine Verhandlung rühren? Darüber gibt es -leider viel zu wenig Hinweise. Auch meine Gedanken sind keine Zauberformeln oder willfährige Regeln, um Vergleiche abzuschließen. Dazu ist der gerichtliche Vergleich viel zu komplex. Er hat ja auch in verschiedenen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen seine Geheimnisse bisher nicht preisge-
Impressionen über den gerichtlichen Vergleich
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geben, und auch mein Ziel war nicht die Entzauberung des gerichtlichen Vergleichs. Worum es mir aber ging: ein Thema in die juristische Ausbildung einzuführen, auf das wir Richter sowohl von der Prozessordnung als auch von der Vorbildung viel zu wenig vorbereitet sind.5 5
Vgl. dazu Gottwald / Treuer, Vergleichspraxis, Boorberg 1991.
Folgerungen für Ausbildung und Praxis Fritjof Haft
l. Folgerungen aus der Sicht des Lehrenden Das Tübinger Verhandlungsseminar findet erst seit einigen Jahren statt. Wir sind noch längst nicht so weit, dass wir ein geschlossenes Ausbildungskonzept zum Verhandeln präsentieren können. Aber wir können doch einige Punkte nennen und Entwicklungslinien skizzieren, die nach unserer Überzeugung verfolgt werden sollten. Im Folgenden will ich hierzu einige Stichworte zunächst aus der Sicht des Lehrenden nennen. Anschließend will ich auf die Sicht des Lernenden eingehen. Das erste Stichwort betrifft die gerade beim Thema Verhandeln unerlässliche Interdisziplinarität. Für mich als Juristen ist durch das Tübinger Verhandlungsseminar deutlich geworden, wie viel an Wissen und Erfahrungen in anderen Disziplinen - insbesondere der Sozialpsychologie, aber auch der Sprachwissenschaft, der Allgemeinen Rhetorik, der Logik, der Informatik ... vorhanden ist. Wissen, das uns Juristen nur mit Mühe zugänglich ist. Durch eine Zusammenarbeit über die Grenzen der angestammten Disziplinen hinweg ist es möglich, dieses Wissen zu erschließen und gegenseitig einen fruchtbaren Erfahrungsaustausch zu pflegen. Das klingt theoretisch leichter als es praktisch der Fall ist. Ein gelernter Rhetoriker denkt in anderen Bahnen als ein Jurist. Ein Informatiker drückt sich anders aus als ein Sozialpsychologe. Der gemeinsame Dialog setzt voraus, dass man sich dem jeweiligen Gesprächspartner verständlich macht, und dass man auf dessen Denk- und Erfahrungswelt einzugehen bemüht ist - beides Dinge, die Mühe machen und die man aus Gewohnheit und Trägheit eigentlich gerne vermeiden möchte. Der Ertrag lohnt aber diese Mühe. Der Leser, der etwa die sozialpsychologischen Ausrührungen in diesem Band studiert, kann sich selbst davon überzeugen. Das nächste Stichwort betrifft die Lehre. Wie soll man das Verhandeln lehren? Verhandeln ist eine Fertigkeit, eine Kunst, die so wenig per Vortrag oder Lehrbuch vermittelt werden kann wie etwa das
Folgerungen für Ausbildung und Praxis
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Klavierspielen. Man sollte sehen, dass hier Grenzen gezogen sind. Aber man sollte wegen dieser Grenzen nicht von vornherein auf die Vermittlung von Ausbildungsinhalten zum Thema Verhandeln verzichten. Die herkömmliche juristische Tätigkeit ist sehr einseitig auf das Berufsbild des Richters hin zugeschnitten. Auch die richterliche Tätigkeit kann im Grunde nicht gelehrt werden. Trotzdem gibt es Veranstaltungen in juristischer Methodenlehre, in denen hierzu das theoretische Rüstzeug vermittelt wird. Mit dem Thema Verhandeln ist es nicht anders. Auch hierzu kann man theoretisches Wissen vermitteln und man sollte es tun. Dies umsomehr, als die meisten jungen Juristen von heute in ihrem späteren Berufsleben nicht eine richterliche Tätigkeit ausüben, sondern als Anwälte tätig werden. Die Tätigkeit des Anwalts ist aber ganz erheblich durch Verhandlungen aller Art bestimmt. Hierauf hat Gottwald in seinem Einleitungsaufsatz bereits hingewiesen. Eine Ausbildung, die den Anspruch erhebt, junge Juristen für ihr künftiges Berufsleben auszubilden, sollte diese Tatsache nicht übersehen. Mit reinen Vorlesungen ist es freilich nicht getan. Nach unseren Erfahrungen sind praktische Übungen unerlässlich. Diese sollten auch ausgebaut werden. Freilich stößt man hier auf das sattsam bekannte Problem der großen Studentenzahlen. Dieses Problem wird sich auch in den vor uns liegenden Jahren nicht wirklich lösen. Ob sich in einer Lehrveranstaltung fünfhundert oder fünfzig Studenten befinden, macht keinen grundlegenden Unterschied. Eine sinnvolle Kleingruppenarbeit, wie sie für praktische Übungen notwendig ist, hört bei maximal fünfzehn Teilnehmern auf. Derart kleine Lehrveranstaltungen werden auch in Zukunft sicherlich nur ausnahmsweise stattfinden können. Gleichwohl sollten sie angeboten werden. Die Studenten sollten zumindest die Chance haben, an derartigen Seminaren teilzunehmen. Wenn der Andrang zu groß ist - und das ist nach unseren Erfahrungen durchweg der Fall - dann muss man sich natürlich über Auswahlkriterien Gedanken machen. Wir haben hier mit verschiedenen Methoden experimentiert. Der vielversprechendste Weg scheint uns darin zu liegen, nach dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung vorzugehen. Wir haben beispielsweise in Tübingen ein Tutorenprogramm gestartet, wonach die Teilnehmer an einem Rhetorikseminar
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Fritjof Haft
sich verpflichtet haben, im darauf folgenden Semester eine Gruppe jüngerer Studenten zu betreuen und ihre Erfahrungen weiterzugeben. Ich denke, in dieser Richtung sollten Auswahlkriterien für künftige Seminare gesucht und gefunden werden.' Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen Fortbildungsseminare, die ich in den vergangenen Jahren im Rahmen des wissenschaftlichen Fortbildungsprogrammes der Universität Tübingen für Praktiker der verschiedensten Berufe - Juristen, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Kaufleute, Manager, u.a.m. - veranstaltet habe. Diese Seminare haben die unerlässliche Rückkopplung mit den Erfahrungen und Bedürfnissen der Rechtspraxis sichergestellt. Ein so praxisbezogenes Thema wie das Verhandeln kann man nicht ausschließlich theoretisch behandeln. Man muss hier mit Praktikern zusammenarbeiten, die über reiche Verhandlungserfahrung verfügen. Der Erfahrungsschatz der Teilnehmer dieser Fortbildungs-Seminare hat uns sehr bereichert. Es hat sich gezeigt, dass in Verhandlungen intuitiv bestimmte Strukturen vorhanden sind, deren Analyse unser theoretisches Bild vom Verhandeln in vielfacher Beziehung erhellt hat.2 Einen weiteren Punkt möchte ich nicht unerwähnt lassen. Er betrifft die Expertensystemforschung. Ich bin in den letzten Jahren sehr intensiv an der Entwicklung von juristischen Expertensystemen beteiligt gewesen. Es handelt sich dabei um ein natürlich-sprachliches Expertensystem, welches im Rahmen eines größeren gemeinsamen Forschungsprojektes des Wissenschaftlichen Zentrums der IBM Deutschland Heidelberg und der Universität Tübingen entwickelt wird. Derartige Expertensysteme sind wissensbasiert. Das Wissen unterscheidet sich von den Daten in herkömmlichen Datenbanken dadurch, dass Daten mit Anwendungsregeln versehen im Computer gespeichert werden. Wissen sind also Daten plus Regeln über
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Anmerkung: In ähnlicher Weise erfolgt auch die Ausbildung an amerikanischen Eliteuniversitäten. Erfahrene ältere Studenten müssen jüngere Studenten als Tutor begleiten. 2 Auskünfte über die Tübinger Verhandlungsseminare erteilt Attempto Service für Hochschulforschung und Weiterbildung GmbH, Wilhelmstraße 7, 7400 Tübingen
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die Verwendung der Daten, so dass aus eingegebenen Informationen neue Informationen abgeleitet werden können. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes haben wir uns sehr eingehend mit den expliziten und vor allem impliziten Regeln beschäftigt, die einen Juristen beispielsweise bei der Subsumtion eines Falles unter das Gesetz leiten. In vergleichbarer Weise regelgeleitet ist auch das Vorgehen bei Verhandlungen. Man hat ein Thema, man hat ein Ziel (oder man hat mehrere Ziele), und man bemüht sich, die Informationsverarbeitung im eigenen Kopf wie im Kopf des Partners so zu gestalten, dass ein optimales Ergebnis erreicht wird. Von diesen Arbeiten aus haben sich Rückschlüsse und Analogien ergeben, die dann hilfreich sind, wenn man auf das technische Gerät Computer verzichtet und mit dem „Computer" Gehirn arbeitet. Unter dem Stichwort Strukturdenken habe ich hierzu einige Ausführungen gemacht. (Übrigens glaube ich, dass man künftig bei Verhandlungen computergestützte Hilfstechniken wird einsetzen können.)
2. Folgerungen aus der Sicht des Lernenden Im Folgenden möchte ich mich an diejenigen Studenten (und Berufspraktiker) wenden, die keine Möglichkeit zur Teilnahme an Verhandlungsseminaren haben (und das werden auf unabsehbare Zeit noch die allermeisten sein). Ich möchte ihnen sagen, was sie tun können, um sich trotz des fehlenden Lehr- und Übungsangebotes auf eine Berufswelt vorzubereiten, in der das Verhandeln eine zentrale Tätigkeit sein wird. Ich empfehle erstens eine theoretische Beschäftigung mit der Materie anhand der Literatur; einen Beitrag hierzu will der vorliegende Band leisten. Ich empfehle zweitens, die Methode des Strukturdenkens zu praktizieren. Und ich empfehle drittens, alles zu tun, was die Mündlichkeit des Lernens, Denkens und Handelns befördert und schriftliche Vorgehensweisen so weit wie möglich zurückzustellen. Auf das Strukturdenken brauche ich hier nicht mehr einzugehen. Dazu habe ich in meinem Beitrag einiges gesagt. Dort habe ich auch auf weiterführende Literatur verwiesen.
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Zur Mündlichkeit möchte ich dagegen noch etwas sagen. Die meisten Jurastudenten lernen schriftlich, d.h., sie lernen schweigend. Für sie ist die mündliche Referendarprüfung die erste Gelegenheit, bei der sie einen Rechtsfall mündlich entwickeln. Das ist keine optimale Lernmethode. Für die antiken Griechen wird z.B. das lautlose Lesen, wie wir es heute praktizieren, undenkbar gewesen. Die Klassiker haben laut gelesen. Wir sollten in diesem Punkt von ihnen lernen. Eine gute Übung besteht darin, einen einfachen Kassettenrekorder zu verwenden und sich selbst Rechtsfälle aus einer der zahlreichen Fallsammlungen als mündlich zu bewältigende Aufgabe zu stellen. Dabei kann man sich vorstellen, in der mündlichen Prüfungssituation zu sein, die ja auch eine Verhandlungssituation ist - die Kandidaten wollen die Prüfer durch eine geschickte Verhandlung davon überzeugen, dass sie gute Juristen sind und mit guten Noten zu bewerten sind. Nützlich ist natürlich auch die Gruppenarbeit - docendo discimus. Beim mündlichen Lernen kann man auch die unerlässliche Übersetzung fremder juristischer Texte in die eigene Sprachwelt üben. In Verhandlungen muss man ja ständig einen komplexen Gegenstand lebendig und anschaulich darstellen. Diesen Übersetzungsvorgang kann man schon während der Ausbildung trainieren. Man tut dadurch zugleich etwas für seine juristische Methode. Es gibt viele Möglichkeiten, das Verhandlungsdefizit zu verkleinern. Man sollte nur die Phantasie haben, sie zu finden und den Mut aufbringen, sie anzuwenden.
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' Die grundlegenden Werke haben wir zur leichteren Orientierung durch Fett-schrift gekennzeichnet.
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Autoren Prof. Rolf Bender Dürrbeinstaffel 5, 7000 Stuttgart 70
Prof. Dr. Günter Bierbrauer, Ph. D. Universität Osnabrück, Fachbereich 8 (Psychologie) Herrenteichstr. 10 12, 4500 Osnabrück Dr. Walther Gottwald Ebertstr. 3, 7400 Tübingen Prof. Dr. Fritjof Haft Universität Tübingen, Juristische Fakultät Wilhelmstr. 7, 7400 Tübingen Dieter Treuer Oberlandesgericht Stuttgart Ulrichstr. 10, 7000 Stuttgart l
Register Ableitungsmechanismen 31 abstrakter Rechtsbegriff 16,21 Abstraktionsgrad 16 Alles-oder-Nichts-Entscheidung 118 Alles-oder-Nichts-Prinzip 104 Alltagstheorie 15,90-92 Analysemethode 48 Anfangsangebot 10,68 Anfangsfordening 10,68,69,94,95 Anwaltsverhalten 7,67 Arbeitsgedächtnis 16, 21, 22, 25 - 27, 29 Aubert 71,76,77,137 Ausbildungsdefizit 7,9,11,13 Ausgangspunkt 73 Ausgleichstaktik 81,82 Auskunftsperson 122 Ausstiegs-Altemaäve 85-88 Austauschtaktik 81.82 Autoritätsprinzip 115 Autoritätszwang 47 Bacharach 137 Bazerman 57, 60, 62, 75,137, 143 Beeinflussungstechnik 48,49 Begriffsdefinition 22 Begriffsjurisprudenz 17 Begriffsstruktur 26,28,29 Bender 85, 90,145 Bewertungsfehler 75,79,87 Beziehungsebene 73,74,107 Bierbrauer 34, 38, 41, 47, 85, 90, 91.137,145 Black Box 23 Blankenburg 7,8,87,138 Brainstorming 28 Brockner 53,54,138 Brohm 8,138
Brückentaktik 81,83 Bundesgerichtshof 106,115 Cacciavillani 80 Christie 46,47,138 Cialdini 51,69,138 Clinical Courses 12 Cohen 84,86,138 Commichau 9,138 Damoklesschwert 125 Deal 8,138 Demagogie 26 Deutsch 40, 44,138 Dogmatik 22 Dörner 15,139 Eine-Mark-Auktionsspiel 54 Eisenberg 8,139 Entscheiden 58 alltägliches Entscheiden 91 gerichtliches Entscheiden 71 juristisches Entscheiden 16 vernünftiges Entscheiden 55 Entscheidung 35,39,53,59,88 Alles-oder-Nichts-Entscheidung 118 Entscheidungsanalyse 63 Entscheidungsfehler 64 Entscheidungsfindung 48, 54, 66,128 Entscheidungsforschung 39,62 Entscheidungsgewohnheit 63 Entscheidungsgrundlagen 57 Entscheidungskonscquenzen 60 Entscheidungspräferenz 58,59 Entscheidungsprozeß 63 Entscheidungsrahmen 57,59,60 Entscheidungsregeln 48 Entscheidungssituation 59,128
Register
Entscheidungsverhalten 38,62 Entscheidungswilligkeit 128 gerichtliche Entscheidung 37, 78, 89,118,127 höchstrichteriiche Entscheidung 83 irrationale Entscheidung 38 kasuistische Entscheidung 16 Konfliktentscheidung 35 rational-optimale Entscheidung 59 rationale Entscheidung 35 rationales Entscheidungsmodell 36 Verhandlungsentscheidung 39,59 Entspannungsfunktion des Witzes 30,31 Erkenntnisvermögen 30,38 Erst-Geben-dann-wieder-Wegnehmen-Technik 102,103 Erst-Wohltäter-Dann-Bettler-Strategie 93 Expertensystem l, 134, 141 Fisher 13, 61, 73, 75, 84, 85, 89,139 Plenz 7,139 Follett 61,79,139 Prazer 50,139 Freedman 50.139 Fuß-in-der-Tür-Technik 34, 49 - 52,100,101,103 Galanter 7,139 Garantendogmatik 22 Garantenpflicht 22 Gefangenen-Dilemma-Spiel 41-43 Gegenkonzession 69,94,96 Gegenseitigkeitsprinzip 69, 92, 93,95 - 97, 99,109 Geheimdiplomatie 19 Geis 46,47,138 Gerichtsverfahren 7, 87, 88, 98,100,102,138 Gerichtsverhandlung 69,70, 119 Geschichtenerzählmodus 15 - 17, 20, 25, 27
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Gewinn-Verlust-Situation 80 Gewinnmaximierung 43, 71, 72, 81, 83 Gillette 71, 141 Goldberg 12, 140,144 Gottwald 7, 8,12, 65, 71, 72, 85, 88,90,133,139,140,145 Green 12,140 Gulliver 140 Habe 141 Haft 14,16,18, 20 - 22, 29, 141,145 Handlungsorientierung 40 Harvard Law School 11,12 Harvard Negotiation Project 72, 75 Hermeneutik 21 Hoffnungsphase 32,33 Ich-kann-nicht-anders-Technik 101,102 individuaustische Orientierung 40 Informatik 132 Informationsdefizit 14 Informationsverarbeitung 21,36.39,48,135 Infönnationsvorsprung 48 Institut für Konsumökonomik 141 integrative Methode 73 integrative Verhandlung 45 Interessenbaum 76 Interessenbuchhaltung 78,82 Interessenebene 77 Jandt 71,141 Kahnemann 141 Kalkül 21,86 Kaufmann 17,141 Kelley 43, 142 Klagephase 32,33 Knappheitsprinzip 112 kognitive Begrenztheit 38,39 KoUegialgericht 127 kompetitive Orientierung 40 Konfliktbehandlung 34 Konfliktbeilegung 34, 40, 70, 88
148 Konßiktdynamik 40 Konflikteskalation 34, 44, 53, 56, 57, 62 Konfliktlösung 40 Konfliktregelung 35-37 Konfliktverstrickung 63 Konfomütätsprinzip 113 -115 Konfonnitätszwang 47 Konsistenzfalle 34,49,50,99 Konsistenzprinzip 99-101,106,113 Kontrastprinzip 97,98 Kontrollmechanismus 23 Konzessionen 33,37.40,69,70,75, 76, 82, 93 - 97, 100.101,103 Konzessionsfalle 34, 51, 52, 93, 94, 96, 97 Konzessionszone 37 kooperative Orientierung 40 Kernhäuser 88,143 Körpersprache 23,24,26, 111 Kostentaktik 82 Kuchentaktik 81 Kuhlmann 43,142 Langzeitgedächtnis 22 Larenz 17,18,142 Lawler 137 Lax 86,142 Lay 142 Lemer 70,142 Lewicki 12.137,142,143 Linguistik 23 Logik 132 Mach-Persönlichkeitsskala 46 Machiavelli 34, 45 - 47,138 Manipulation 18, 49, 90, 92, 94, 95, 109,110,114,125,126 MarsheUo 43,142 Massachusetts Institute of Technology 72 Maynard 8,142 McKereie 36,144 Meinung 7
Register Methodenlehre 17,133 Miller 15,38,143 Mnookin 88,143 Monolog 25,30,66 Montaigne 56 Mythos des begrenzten Kuchens 34,60 Neale 57,60, 75,137 Nichtaullsummenspiel 29,80,81 Nisbett 39,63,143 Nonnorientierung 83 Nullsummenspiel 61,80,81,117 Öffentlichkeit 7 Ordnungsstruktur 31 Partnerverhalten 19 Personenstruktur 25, 29 Perspektiveneinnahme 74,75 Phasencharakter 19, 32, 33, 66, 67, 84 Phasenmanagement 19 Position 26,29 - 32, 36, 51, 64, 65,67,69 73,75,76,77,89,94,96,102,120 Präferenztheorie 58 - 60 Praktikerforschungsgruppe Stuttgart 117 Prozeßperspektive 37,63,66,71 Prozeßrechtslehre 8 Pruitt 61.76.77,81,143 Raz 94,144 Rechtsfortbildung 119 Rechtsgestaltung 8 Rechtsinformatik 18,21 Rechtskonflikte 7, 8, 74, 88.105 Reziprozitätsprinzip 48, 50, 92, 111,112 Rhetorik 20, 26, 27,132,133,140,141 Rogowski 8,138 Rollenkonflikt 114 ROSS 39,63,143 Rubin 54.76,77,138,143 Sachebene 73,74 Sachstrukturen 25,26
Register
Sander 12,140 Schelling 101 Schiller 104 Schmidt-Hieber 8.143 Schulz von Thun 144 Schwarzwald 94,144 Searie 23,144 Sebenius 86,142 Selbstdarstellung 52 Shaw 116 Simon 39,144 Situationskonßguration 48 Soll-Vorschrift 118 Sozialpsychologie 34, 37, 41,43, 45 49, 53, 62, 66, 68, 90, 91, 99,132 Spieltheorie 41,85 Staatsanwalt 24,116 Stahelski 43,142 Strategien 8,13,14,20,21,25,41,43, 50 - 52, 65, 66, 68 - 72,120,143 (SeIbst-)Erkenntnisstrategien 23 Beobachtungsstrategien 19,21 Erst-Wohltäter-Dann-BettlerStrategie 93 Gegenstrategie 104-107 integrative Strategien 71,72 kompetitive Strategien 43 konditionell kooperative Strafegien 43 kooperative Strategien 43,44 maximalistische Strategien 69 - 72 Sachstrategien 32 Strategie der Fairneß 70-72 Strategie der Meidung 95 Strategien der Beeinflussung 34 Strategien des Strukturdenkens 14,21 Überzeugungsstrategien 29 Verarbeitungsstrategien 15,39 Verhandlungsstrategien 25, 65, 69, 84 Streitbeilegung 8, 84, 88,116
Streitentscheidung 9 Strukturbaum 27 Strukturdenken 14,20, 135,141 Strategien des Strukturdenkens 14,21 Strukturverband 27 Sympathiepflege 30,32 Sympathieprinzip 92, 107, 112 Systemmodus 15,16,18,20 Systemregeln 21 Talleyrand 19 Tierhalter 17 Treuer 116, 140,145 Tübinger Tutorenprogramm 133 Tübinger Verhandlungsseminar 12,47,54, 132 Tversky 58,141 Überzeugung 24,26,64 Grundüberzeugung 61 Selbstüberzeugung 29, 75 Überzeugungsgespräch 49 Überzeugungskraft 123 Überzeugungsstrategie 29 Universität Harvard 72 Konstanz 117 Stuttgart-Hohenheim 141 Tübingen 13, 134 Urteil 7,8,71,80,87,99, 115, 117,119,125,127,139 Entscheidung durch Urteil 127 Realisierung des Urteib 8 streitiges Urteil 7 Urteilsfehler 64 Urteilstendenzen 62 Urteilsverhalten 38 Urteilsvermögen 62 Versäumnisurteil 7 Ury 61,73,84,85,139,144 Verfahrenssoziologie 7 Vergleich 7, 81, 82, 87, 98, 99, 103, 104,116 - 119,125,129,130,139
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150
gerichtliche Vergleichsverhandlung 13 gerichtlicher Vergleich 116,117,130,131 Prozeßvergleich 139,140 richterliche Vergleichsvorschläge 130 strafprozessualer Vergleich 66, 138,143,144 Vergleichsabschluß 118,120,125,128,129 Vergleichsangebot 69,100 Vergleichsbemühungen 71,125 Vergleichspraxis 140 Vergleichsschluß 117 Vergleichssituation 103,120 Vergleichstaktik 100 Vergleichsverhandlungen 72, 81,102,107,119,121,122,125 Vergleichsvorschlag 100,108,118, 125 - 130 Veihandeln 132,134,135, 140,141 Verhandlung 7,14,15,18-20,22, 25, 27, 29, 32 - 34, 36, 39, 45, 60, 64, 65, 70, 72, 76, 78, 83, 85, 86, 96,116,120 - 125, 127,129, 130,133 -136 Ablauf der Verhandlung 27 formale Strukturen in der Verhandlung 31 internationale Verhandlungen 102 kollektive Verhandlungen 60 kooperative Verhandlung 30 mündliche Verhandlung 123,124 Phasen einer Verhandlung 32,33 Phasencharakter von Verhandlungen 19,32,33,67,84 Streitbeilegung durch Verhandlungen 7, 8,12, 88 Überzeugungsmittel in Verhandlungen 18
Register
Vergleichsverhandlungen 13, 72, 81,102,107,119 Verhandlungen und Gerichtsprozeß 8 Wirklichkeit in Verhandlungen 23 Zeitdimension in Verhand lungen 66,67 Verhandlungsausstattung 88 Verhandlungsberufe 9,72 Verhandlungsdefizit 136 Verhandlungsentscheidung 39, 59 Verhandlungserfahrung 12,13 Verhandlungsfalle 18,34,47,62 Verhandlungsfertigkeiten 9 -12,86,89 Verhandlungsführer 122 Verhandlungsrührung 11,13,18, 84, 85 Verhandlungsgegenstand 14,15 Verhandlungshauptphase 65 Verhandlungskuchen 69, 79, 80 Verhandlungskunst 120 Verhandlungslösung 45,60,62,89 Verhandlungsmacht 66, 84 - 86,88 Verhandlungsmaximen 71. 73 Verhandlungsmethoden 73 integrative Methode 73 Verhandlungsmuster 34,40 Verhandlungsnachphase 65 Verhandlungsorientierung 43 Verhandlungspartner 14,18, 22, 24, 31, 34, 40, 41, 44, 53, 72, 83, 85, 86, 88,120,128 Verhandlungsperspektive 71, 74, 88 Verhandlungsphase 65,66 Verhandlungsprogramm 19 Verhandlungsrepertoire 34,64,79 Verhandlungsschwierigkeiten 20 Verhandlungsseminar 12, 24, 26, 47, 54,135 Verhandlungssimulation 10
Register Verhandlungssituation 12 -14,19, 36 - 41, 44, 47, 49, 59, 62, 64, 65, 72, 75, 81, 83, 85 - 87,103,136 Verhandlungsspielraum 37 Verhandlungsstadien 65-67 Verhandlungsstrategien 25,65,69,84 Verhandlungsstruktur 71 Verhandlungsstrukturologie 29 Verhandlungsteilnehmer 78 Verhandlungsthema 16,26,3l Verhandlungstyp 29,32,68 Verhandlungsverhalten 10, 34, 60,61, 72 Verhandlungsvorphase 65 Verhandlungsvorschlag 83 Verhandlungswirklichkeit 84 Verhandlungsziel 37,127 Verhandlungszonen 36 Verstrickung 34,53 - 57,77 Konfliktverstrickung 63
Verstrickungssituation 59 Voigt 8,138,140 Wahrscheinlichkeitstheorie 38 Walton 36,144 Watzlawick 23,80,144 Wedekind 7,139 Wertaustauschmodell 35 White 144 Widmaier 8,66,67,144 Williams 7,10,67,70,144 Wm-Wm-Negotiating 71,141 Wirkungskette 15 Wirkungsnetz 15 Wissenschaftliches Zentrum der IBM Deutschland 134 Zehn-Dollar-Auktionsspiel 63 Zehn-DoUar-Spiel 47 Zeitstruktur 25,32 Ziviljustiz 7.118 Zvibel 94,144
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Neue Methoden im Recht
Band l Erdmann / Fiedler / Computergestützte Juristische Haft / Traunmüller Expertensysteme (Hrsg.) Band 2 Ringwald (Hrsg.) Perspektiven formaler Methoden im Recht 1986 Band 3 Gottwald / Haft Verhandeln und Vergleichen (Hrsg.) als juristische Fertigkeiten Band 4 Fiedler / Haft / Expert Systems in Law - Im-Traunmüller pacts on Legal Theory and (Hrsg.) Computer Law Band 5 Burris / Engeler / Computer-Assisted Legal Haft / Jones (Hrsg.) Instruction Band 6 Haft/ Lehmann Das LEX-Projekt - Entwicklung (Hrsg.) eines juristischen Expertensystems • Band 7 Schneider Nonverbale Zeugnisse gegen sich selbst: Zur Bedeutung nichtsprachlicher Begleiterscheinungen der Aussage für die forensische Glaubwürdigkeitsbeurteilung
NMIR