Reinhard Moser (Hrsg.) Internationale Unternehmensführung
GABLER RESEARCH mir-Edition Herausgeber / Editors: Prof. Dr...
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Reinhard Moser (Hrsg.) Internationale Unternehmensführung
GABLER RESEARCH mir-Edition Herausgeber / Editors: Prof. Dr. Andreas Al-Laham Technische Universität Kaiserslautern, Prof. Dr. Johann Engelhard Universität Bamberg, Prof. Dr. Michael Kutschker Universität Eichstätt, Ingolstadt, Prof. Dr. Profs. h.c. Dr. h.c. Klaus Macharzina Universität Hohenheim, Stuttgart, Prof. Dr. Michael-Jörg Oesterle Universität Bremen, Prof. Dr. Stefan Schmid ESCP-EAP Europäische Wirtschaftshochschule Berlin, Prof. Dr. Martin K. Welge Universität Dortmund, Prof. Dr. Joachim Wolf Universität Kiel
In der mir-Edition werden wichtige Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung sowie Werke erfahrener Praktiker auf dem Gebiet des internationalen Managements veröffentlicht. The series mir-Edition includes excellent academic contributions and experiential works of distinguished international managers.
Reinhard Moser (Hrsg.)
Internationale Unternehmensführung Entscheidungsfelder und politische Aspekte Mit Beiträgen von: Tina Ambos, Andreas Butz, Jan Hendrik Fisch, Helmut Haussmann, Dirk Holtbrügge, Hartmut H. Holzmüller, Julia Ingwald, Rüdiger Kabst, Guido Palazzo, Jonas F. Puck, Adrian Rossmann,David Rygl, Andreas Georg Scherer, Anne Scherer, Arnold Schuh, Christian Schwens, Florian von Wangenheim, Katja Wiedemann und Miriam Zschoche
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.d-nb.de.
Abonnenten von mir – Management International Review erhalten auf die in der mir-Edition veröffentlichten Bücher 10% Rabatt. Subscribers to mir – Management International Review are entitled to a 10 % price reduction on books published in mir-Edition.
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Claudia Jeske | Jutta Hinrichsen Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1885-7
Vorwort der Herausgeber Für viele Unternehmen ist es heutzutage unerlässlich, sich auf ausländischen Märkten zu betätigen. Ein erfolgreiches Management der Internationalisierung stellt Unternehmen allerdings immer wieder vor neue Herausforderungen. Die Herausgeber beabsichtigen mit der Schriftenreihe mir-Edition, die vielfältigen und komplexen Managementanforderungen der internationalen Unternehmenstätigkeit wissenschaftlich zu begleiten. Die mir-Edition soll zum einen der empirischen Feststellung und der theoretischen Verarbeitung der in der Praxis des Internationalen Managements beobachtbaren Phänomene dienen. Zum anderen sollen die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse in Form von systematisiertem Wissen, von Erklärungen und Denkanstößen sowie von Handlungsempfehlungen verfügbar gemacht werden. Diesem angewandten Wissenschaftsverständnis fühlt sich seit nunmehr 50 Jahren auch die in über 40 Ländern gelesene internationale Fachzeitschrift mir – Management International Review – verpflichtet. Während in der Zeitschrift allerdings nur kurzgefasste englischsprachige Aufsätze publiziert werden, soll der breitere Raum der vorliegendenden Schriftenreihe den Autoren und Lesern die Möglichkeit zur umfänglichen und vertieften Auseinandersetzung mit dem jeweils behandelten Problem des Internationalen Managements eröffnen. Der Herausgeberkreis der mir-Edition wurde 2008 um weitere renommierte Fachvertreter des Internationalen Managements erweitert. Geblieben ist jedoch die Herausgeberpolitik für die mir-Edition, in der Schriftenreihe innovative und dem Erkenntnisfortschritt dienende Beiträge einer kritischen Öffentlichkeit vorzustellen. Neben Forschungsergebnissen, insbesondere des wissenschaftlichen Nachwuchses, können auch einschlägige Werke von Praktikern mit profundem Erfahrungswissen im Internationalen Management einbezogen werden. Wissenschaftliche Sammelbände, etwa zu Tagungen aus dem Bereich des Internationalen Managements, sind ebenso sehr gerne in der Reihe willkommen. Die Herausgeber laden zu Veröffentlichungen sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache ausdrücklich ein. Das Auswahlverfahren sieht vor, dass die Herausgeber gemeinsam über die Veröffentlichung eines für die Reihe eingereichten Werkes entscheiden. Wir freuen uns auf Ihre Manuskripte und hoffen, mit dieser seit langer Zeit renommierten Schriftenreihe die wissenschaftliche Diskussion und die praktische Lösung von Problemen des Internationalen Managements weiter zu stimulieren.
Andreas Al-Laham, Johann Engelhard, Michael Kutschker, Klaus Macharzina, Michael-Jörg Oesterle, Stefan Schmid, Martin K. Welge, Joachim Wolf
Preface Nowadays, it is essential for a multitude of companies to engage in foreign markets. However, the successful management of internationalization processes constantly poses new challenges. By publishing the book series “mir-Edition”, the editors attempt to provide academic guidance on the manifold and complex requirements of international business activities. The book series’ purpose hence is twofold. Firstly, the “mir-Edition” is to provide empirical assessment and theoretical elaboration on the phenomena which can be observed in international management practice. Secondly, the findings obtained are to be made available in the form of systematised knowledge, explanations, thought-provoking impulses as well as recommendations for further courses of action. For the past 50 years, the international journal “mir – Management International Review”, which is read in more than 40 countries, has seen itself committed to promoting an understanding of international management as an applied academic discipline. As of now, the journal only publishes articles in English. The wider range of the existing book series ought to give authors and readers the opportunity to deal with the various problems of international management in a comprehensive and thorough manner. The editorial board of the “mirEdition” was extended in 2008 through the addition of renowned experts from the domain of international management. Yet, the established editors’ policy for the “mir-Edition” of presenting innovative work to a critical audience, which support the scientific advancement, has remained unchanged. Besides the academic contributions of young scholars, the editors also welcome the relevant works of practitioners, who possess a profound knowledge in the area of international management. Furthermore, edited volumes, collecting for instance presentations held at conferences in the field of international management, are invited for publication. The editors explicitly welcome books both in the English and the German language. The selection process stipulates that the editors jointly decide on the publication of any book manuscript submitted for the series. As editors of this well established and renowned book series, we are looking forward to receiving your manuscripts and we hope to further stimulate the academic discussion and to provide applied solutions for the challenges in the area of international management.
Andreas Al-Laham, Johann Engelhard, Michael Kutschker, Klaus Macharzina, Michael-Jörg Oesterle, Stefan Schmid, Martin K. Welge, Joachim Wolf
IX
Einführung in den Tagungsband Themenwahl für die Tagung 2008 der Kommission für Internationales Management In der Tradition der jährlich durchgeführten Tagungen der Kommission für Internationales Management im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. spielt es für die Wahl des Tagungsthemas eine wichtige Rolle, das Thema breit und facettenreich anzulegen, um verschiedene Richtungen und Forschungsansätze der Disziplin unter diesem Dach diskutieren zu können. Vor diesem Hintergrund und mit einem Blick auf für die Praxis relevante Entwicklungen mit einem hohen Aktualitätsanspruch lautete das Tagungsthema für die am 22. und 23. Februar 2008 an der Wirtschaftsuniversität Wien abgehaltene Tagung „Politische Aspekte im Internationalen Management“. Schon von der Konzeption her unterliegen international tätige Unternehmen – sei es, dass sie auf der Stufe von Export- und Importtransaktionen agieren, sei es, dass sie ein geographisch oft weit gestreutes Netz von Produktions- und/oder Vertriebsgesellschaften unterhalten – in den jeweiligen Standorten unterschiedlichen rechtlichen und politischen Systemen. Politische Aspekte spielen im Internationalen Management aber nicht allein auf der Makro-Ebene eine bedeutende Rolle, sondern ihnen kommt auch als mikro-politische Facetten innerhalb der international tätigen Unternehmen hohe Relevanz zu. Die im Rahmen dieses Sammelbandes wiedergegebenen Tagungsbeiträge loten unter dem Titel „Internationale Unternehmensführung: Entscheidungsfelder und politische Aspekte“ das weite Spannungsfeld politischer Aspekte und auch politischer Einflussnahmen, von denen jede internationale Geschäftstätigkeit betroffen ist, aus unterschiedlichen Blickwinkeln aus. Vom Aufbau her lassen sich die in diesem Tagungsband abgedruckten Beiträge grob in drei Gruppen klassifizieren: (1) Politische Aspekte sind in der internationalen Unternehmensführung stets manifest, wenn es um die Positionierung und Rolle von weltweit agierenden Unternehmen geht. Sie haben aber auch im Rahmen der Marktbearbeitung vielfach eine wesentliche Bedeutung und spielen naturgemäß eine wichtige Rolle in der Relation zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften. (2) Unternehmenspolitische Entscheidungen lassen sich häufig am Internationalisierungsprozess von Unternehmen festmachen, wobei Fragen der Vergrößerung von Auslandsengagements genauso angesprochen sind wie das Lernverhalten von Unternehmen auf ihrem Internationalisierungspfad. (3) Im dritten Block geht es sodann um eine spezifische Betrachtung von international anbietenden Dienstleistungsunternehmen einerseits und um Schwerpunkte und Trends in der betriebswirtschaftlichen Mittel- und Osteuropaforschung andererseits.
X
Ad (1)
Politische Aspekte im internationalen Management
Stellt man die grundlegende Fragestellung aus gesamtwirtschaftlicher Sicht an den Beginn, gibt der Beitrag von Andreas Georg Scherer, Guido Palazzo und Andreas Butz mit dem Titel „Die neue politische Rolle von Unternehmen in einer globalisierten Welt – Ein Überblick über die Forschungslandschaft“ die Stoßrichtung vor. Als Folge und Begleiteffekt der Globalisierung ist die klassische Trennung zwischen Unternehmen als privatwirtschaftlichen Akteuren auf der einen Seite und staatlichen Institutionen, die als politische Akteure fungieren, auf der anderen Seite vielfach aufgehoben, womit die Suche nach einer Neukonzeption der politischen Rolle von Unternehmen in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Die Autoren entwickeln auf dieser Basis ein neues Paradigma gesellschaftlicher Verantwortung in der globalisierten Welt. Sie stellen dem bisher vorherrschenden ‚apolitischen’ CSRAnsatz einen ‚politischen’ CSR-Ansatz gegenüber, der sich in Richtung auf eine neue Theorie der Unternehmung weiterentwickeln lässt, welche die politische Rolle von Unternehmen in all ihren weltweit gespannten Aktivitäten betont. Teilaspekte dieser grundlegenden Überlegungen konkretisierend widmet sich der daran anschließende Beitrag realen Problemstellungen politischen Risikos am Beispiel der Geschäftstätigkeit in der Russischen Föderation: Dirk Holtbrügge und Jonas F. Puck thematisieren in ihrem Beitrag „Stakeholder-Netzwerke ausländischer Unternehmungen in Russland: Eine empirische Studie“ zunächst die erheblichen Risiken, denen ausländische Firmen bei einem Engagement in der Russischen Förderation ausgesetzt sind. Diese resultieren beispielsweise aus zahlreichen staatlichen Interventionen, mangelnder Rechtssicherheit und einer erst in Ansätzen herausgebildeten marktwirtschaftlichen Kultur. Nach der Prüfung der Frage, welche Bedeutung diesen Risiken für deutsche Unternehmungen mit Engagement auf dem russischen Markt zukommt, wird in einem zweiten Schritt analysiert, welchen Beitrag die Etablierung transnationaler Netzwerke mit nicht-marktlichen Interessengruppen als Instrument des Risikomanagements zu leisten vermag. Im Wege einer netzwerkanalytischen Aufbereitung von aus persönlichen Interviews in Russland gewonnenen Daten zeigt sich, dass ausländische Unternehmen tatsächlich Stakeholder-Netzwerke aktiv als Instrument des Risikomanagements nutzen, die jedoch große Unterschiede bezüglich der Zahl der Netzwerkpartner und der Intensität der Netzwerkbeziehungen aufweisen. An der Schnittstelle zur Unternehmenspolitik steht schließlich der Beitrag von Tina C. Ambos, der mit „Managing Attention in the Multinational Corporation: Eine Forschungsagenda“ überschrieben ist. Den Ausgangspunkt bildet hier die Aussage, dass in einem internationalen Konzern neben der Allokation von Budget, Personal und Marktzielen auch die Aufmerksamkeit von Stammhäusern für ihre Tochtergesellschaften eine knappe Ressource darstellt. Nach einer Entwicklung des Konzepts der Aufmerksamkeit und der überblicksartigen Präsentation aktueller Forschungsansätze zu diesem Thema treibt die Autorin den Fragenkomplex zum klar unternehmenspolitisch interpretierbaren Thema voran, welche Strategien und Taktiken Tochtergesellschaften anwenden können, um die Aufmerksamkeit des Stammhauses auf sich zu ziehen und für ihre Zwecke zu nutzen.
XI
Ad (2)
Unternehmenspolitische Entscheidungen im Internationalisierungsprozess
Der Beitrag von Tina C. Ambos steht bereits an der Nahtstelle zur nachfolgenden Beleuchtung unternehmenspolitischer Entscheidungen. Im vorliegenden Kontext sind in diesem zweiten Themenblock Beiträge zusammengefasst, die auf – durchaus politische – Entscheidungen im Internationalisierungsprozess von Unternehmen Bezug nehmen: Jan Hendrik Fisch und Miriam Zschoche untersuchen in ihrem Beitrag „Einfluss der Irreversibilität von Investitionen auf Entscheidungen zur Vergrößerung von Auslandsgesellschaften“ den Einfluss wirtschaftlicher Unsicherheit auf Entscheidungen in Richtung Wachstum junger Auslandsgesellschaften im Wege eines Folgeinvestments sowie den moderierenden Effekt der Irreversibilität auf diese Beziehung. Methodisch auf einem Realoptionsansatz basierend, ergänzt der Marktrisiken als Einflussfaktoren explizit einbeziehende Ansatz die Bedeutung von Lerneffekten im Internationalisierungsprozess. Die erzielten empirischen Befunde belegen, dass neben derartigen Lerneffekten auch die wirtschaftliche Unsicherheit des Gastlandes maßgeblich Einfluss auf die Entscheidung, Folgeinvestitionen zu tätigen, hat. Über den Realoptionsansatz findet auch der Grad der Irreversibilität von Investitionen Eingang in die Analyse. Im Kontext der Internationalisierungsprozess-Forschung steht der Beitrag von Christian Schwens und Rüdiger Kabst mit dem Titel „Das Lernverhalten früh internationalisierender Unternehmen: Ein konzeptioneller Analyserahmen“. Analysiert wird das Lernverhalten von ‚Early Internationalizers’ in der Markteintrittsphase. Dabei wird deutlich, dass eigenes Erfahrungslernen negativ mit früher Internationalisierung in Zusammenhang steht, wohingegen Lernen über Netzwerkpartner und Lernen durch Imitation von Best Practices eine positive Assoziation erwarten lassen. Damit schlägt der Beitrag eine Brücke zum Forschungsfeld der ‚International Entrepreneurship’ und den dort untersuchten Lernmechanismen. Bereits auf dem internationalen Parkett erfolgreich tätigen Unternehmen widmen sich Helmut Haussmann, David Rygl und Dirk Holtbrügge in ihrem Beitrag „Internationalisierung mittelständischer Weltmarktführer. Eine empirische Studie der Erfolgsfaktoren, Internationalisierungsmuster und Herausforderungen“. Dabei wird in einem ersten Schritt der Frage nachgegangen, welchen besonderen Fähigkeiten bzw. Voraussetzungen mittelständische Weltmarktführer ihren Erfolg verdanken. Dies ist eng verknüpft mit der Frage, wie diese Unternehmen ihren Internationalisierungsprozess gestalten bzw. wie sie mit den besonderen Risiken internationaler Unternehmenstätigkeit umgehen. Vor diesem Hintergrund wird resümiert, vor welchen aktuellen und zukünftigen Herausforderungen mittelständische Weltmarktführer aus heutiger Sicht stehen.
XII
Ad (3) Beiträge zu spezifischen Aspekten der internationalen Unternehmensführung Spezifischen Aspekten der internationalen Unternehmensführung sind die letzten beiden Beiträge des Tagungsbandes gewidmet: Die für Deutschland und viele andere Industrieländer besonders wichtige Thematik der Internationalisierung von Dienstleistungsunternehmen beleuchten Julia Ingwald, Katja Wiedemann, Hartmut H. Holzmüller, Dirk Holtbrügge, Anne Scherer und Florian von Wangenheim in ihrem Beitrag „Das 3K-Projekt – Empirische Analysen der Konfiguration, Koordination und Kundenintegration von internationalen Dienstleistungsunternehmen: Darstellung des Forschungsplans und erster Forschungsergebnisse“. Im Unterschied zum Export müssen Dienstleistungsunternehmungen, die mit Tochtergesellschaften in verschiedenen Ländern tätig sind, nicht nur spezifische Strategien für die einzelnen Auslandsmärkte entwickeln, sondern ihre in- und ausländischen Engagements auch in eine globale Unternehmungsstrategie integrieren, um dadurch länderübergreifende Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Der Ausschöpfung von Wettbewerbsvorteilen dienen vor allem drei Instrumente: die länderübergreifende Konfiguration von Wertaktivitäten, ihre unternehmensinterne Koordination und die Kundenintegration. Im Gefolge der Entwicklung eines Forschungsplans für ein derart umfangreiches und anwendungsbezogenes Forschungsvorhaben geht es in der Projektarbeit im nächsten Schritt um eine Evaluation der Wirkung der drei Gestaltungsfelder auf die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen bzw. den Unternehmenserfolg. Bislang fehlen Studien, welche die Zusammenhänge dieser drei Gestaltungsfelder für Dienstleistungsunternehmungen analysieren. Das Ziel des Forschungsprojektes ist es deshalb, ein theoretisch und empirisch fundiertes Konzept zur länderübergreifenden Konfiguration, Koordination und Kundenintegration internationaler Dienstleistungsunternehmungen zu entwickeln. Mithilfe von Best Practices sollen Entscheidungsträgern konkrete Handlungsempfehlungen für die Internationalisierung geliefert werden. Mit einer speziellen Region, der nicht zuletzt aus europäischer Sicht eine besondere Bedeutung für die internationale Geschäftstätigkeit zukommt, befassen sich Arnold Schuh und Adrian Rossmann in ihrem Beitrag „Schwerpunkte und Trends in der betriebswirtschaftlichen Mittel- und Osteuropaforschung: Ein Literaturüberblick zum Zeitraum 1990 – 2005“. Ausgehend von der These, dass der Transformationsprozess von der Plan- zur Marktwirtschaft als zentraler Erklärungsansatz für die betriebswirtschaftliche Mittel- und Osteuropaforschung angesehen werden kann, wählen die Autoren den Analysezeitraum, die relevanten Zeitschriften und die untersuchten Forschungsbereiche und Forschungsthemen aus, um auf dieser Basis eine Inhaltsanalyse durchzuführen. Diese Analyse führt schlussendlich dazu, dass sich eine Reihe von Trends über den Betrachtungszeitraum herauskristallisieren lassen, die sowohl methodische Aspekte, als auch Verschiebungen im Bereich thematischer Schwerpunkte erkennen lassen.
XIII
Gastvortrag und Panels Zusätzlich zu den im vorliegenden Tagungsband abgedruckten Beiträgen wurde die Kommissionstagung durch einen Gastvortrag und zwei Panels bereichert: In einen unmittelbaren Konnex zum Tagungsthema stellte Dr. Rudolf Scholten, Mitglied des Vorstandes der Oesterreichischen Kontrollbank AG, seinen Gastvortrag zum Thema „Politische Risiken und ihre Absicherbarkeit durch staatliche und private Kreditversicherer“. Als Repräsentant der österreichischen Export Credit Agency (ECA) entwickelte der Referent nicht nur den breiten Rahmen für die Absicherbarkeit von politischen Risiken im Kontext des europäischen Regelwerkes, sondern ging auch auf aktuelle Beispiele von Transferproblemen und Umschuldungsverhandlungen ein, was die Diskussion massiv bereichert hat. Mit ‚politischen’ Aspekten des Faches beschäftigten sich hingegen die beiden Panels, die auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen ansetzten: Das Panel I lief unter der Überschrift „Internationales Management als Wissenschaft“ und wurde von Klaus Macharzina moderiert. Die Zielvorgabe bestand in einer Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragestellungen und Herausforderungen der Disziplin ‚Internationales Management’ – in enger Anbindung an Beiträge in dem von Michael-Jörg Oesterle und Stefan Schmid herausgegebenen Band ‚Internationales Management. Forschung, Lehre, Praxis’ (Stuttgart 2009). Neben den beiden Herausgebern steuerten Impulsreferate bei: Michael Kutschker: Die Identität des Internationalen Managements Ursula Schneider: Zur Kritik an den Kritikern des Internationalen Managements Johann Engelhard: Internationales Management als wissenschaftliche Institution: running out of stream? Mit dem Thema „40 Jahre Forschung auf dem Gebiet Internationalisierung und Unternehmenserfolg – mehr Fragen als Antworten?“ befasste sich das Panel II unter der Leitung von Martin Glaum und Michael-Jörg Oesterle. Den Ausgangspunkt für die Diskussion bildete die Aussage, dass die einzelwirtschaftliche Internationalisierung grundsätzlich als Instrument verstanden werden kann, mit dessen Hilfe Unternehmen ihren Erfolg steigern wollen. Zumindest implizit liegt dieser Zusammenhang allen wesentlichen Theorien und Annahmen bezüglich. der internationalen Unternehmenstätigkeit zugrunde. In der empirischen Dimension ist es allerdings trotz einer mittlerweile großen Zahl an Untersuchungen nicht gelungen, die positive Erfolgswirkung der Internationalisierung von Unternehmen gesichert nachzuweisen; vielmehr ist das Forschungsfeld von einer erheblichen Heterogenität der Befundlage gekennzeichnet. Nach einem Impulsreferat zum Stand der bisherigen Ergebnisse der Internationalisierungserfolgsforschung wurden die Gründe für die Heterogenität der Befunde diskutiert und Ansatzpunkte für einen zukünftig verbesserten empirischen Zugang zum Problem skizziert.
XIV
Danksagung Als Vorsitzender der Kommission Internationales Management in den Jahren 2006/07 und 2007/08 und als Herausgeber dieses Tagungsbandes möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Wiener Tagung bedanken und allen Autorinnen und Autoren für die Überarbeitung und zeitgerechte Finalisierung ihrer Beiträge zu diesem Band Dank und Anerkennung ausdrücken. Nicht unerwähnt sollen auch die für die Initiierung der Diskussionen entscheidenden Koreferate bleiben, die von den Professorinnen und Professoren Dirk Morschett, Heike Proff, und Ursula Schneider übernommen worden sind. Es ist mir aber ein ganz spezielles Anliegen, einige Kollegen, die mich in der Vorbereitung der Tagung voller Engagement unterstützt haben, besonders hervorzuheben. Dies gilt in erster Linie dem derzeitigen Kommissionsvorsitzenden, Herrn Prof. Dr. Stefan Schmid, der mich auch bei der Ausrichtung der Wiener Tagung im Jahre 2008 wie schon im Vorjahr durch seine stete Gesprächbereitschaft und seinen Rat laufend motiviert und mir geholfen hat, die eine oder andere Klippe, die sich inhaltlich, organisatorisch oder auf persönlicher Ebene aufgetan hat, zu meistern. Aber auch der stets einen höheren Stellenwert erlangende Review-Prozess für die Tagung war nur zu bewältigen, weil mich die nachfolgend genannten Professorinnen und Professoren bei der Auswahl der Beiträge maßgeblich unterstützt haben; in alphabetischer Reihenfolge waren dies: Johann Engelhard, Martin Glaum, Dirk Holtbrügge, Michael Kutschker, Michael-Jörg Oesterle, Stefan Schmid und Ursula Schneider. Hier in Wien gilt schlussendlich mein Dank den beiden Hauptsponsoren für die Tagung im Februar 2008, der Oesterreichischen Kontrollbank Aktiengesellschaft und dem Rektorat der Wirtschaftsuniversität Wien, deren Förderung ausschlaggebend für das Gelingen des Tagungsrahmens war. Von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Department für Welthandel war es vor allem Herr Mag. Christian Geier, der mich erneut durch sein organisatorisches Talent und seine profunden Kenntnisse in der Informationstechnologie bei der Ausrichtung der Kommissionstagung entscheidend und kontinuierlich unterstützt hat. Für einen geordneten Ablauf der Tagung haben Frau Bettina Gusel und Frau Gertrude Seidelmann gesorgt. Die Zusammenstellung des Tagungsbandes hat wiederum Herr Mag. Mathias Sitta übernommen, der mit Umsicht das Zustandekommen des Textes begleitet hat. Bei den Herausgebern der mir-Edition bedanke ich mich für die Aufnahme in ihre Reihe; und last but not least bei Frau Claudia Jeske vom Gabler Verlag für ihre Unterstützung bei allen Fragen, die anlässlich der Publikation des Bandes aufgetreten sind!
Wien, im September 2009
Reinhard Moser
XV
Inhaltsverzeichnis Einführung in den Tagungsband Autorenverzeichnis
Andreas Georg Scherer, Guido Palazzo und Andreas Butz Die neue politische Rolle von Unternehmen in einer globalisierten Welt – Ein Überblick über die Forschungslandschaft
IX XVII
1
Dirk Holtbrügge und Jonas F. Puck Stakeholder-Netzwerke ausländischer Unternehmungen in Russland: Eine empirische Studie
33
Tina Ambos Managing Attention in the Multinational Corporation: Eine Forschungsagenda
67
Jan Hendrik Fisch und Miriam Zschoche Einfluss der Irreversibilität von Investitionen auf Entscheidungen zur Vergrößerung von Auslandsgesellschaften
81
Christian Schwens und Rüdiger Kabst Das Lernverhalten früh internationalisierender Unternehmen: Ein konzeptioneller Analyserahmen
101
Helmut Haussmann, David Rygl und Dirk Holtbrügge Internationalisierung mittelständischer Weltmarktführer: Eine empirische Studie der Erfolgsfaktoren, Internationalisierungsmuster und Herausforderungen.
113
Julia Ingwald, Katja Wiedemann, Hartmut H. Holzmüller, Dirk Holtbrügge, Anne Scherer und Florian von Wangenheim Das 3K-Projekt – Empirische Analysen der Konfiguration, Koordination und Kundenintegration von internationalen Dienstleistungsunternehmen: Darstellung des Forschungsplans und erster Forschungsergebnisse
135
Arnold Schuh und Adrian Rossmann Schwerpunkte und Trends in der betriebswirtschaftlichen Mittelund Osteuropaforschung: Ein Literaturüberblick zum Zeitraum 1990-2005
161
XVII
Autorenverzeichnis Tina C. Ambos ist Universitätsassistentin am Institut für Internationales Marketing & Management der Wirtschaftsuniversität Wien. Nach dem Abschluss ihres Doktorats an der WU Wien hatte sie akademische Positionen an der University of Edinburgh und der London Business School inne. Ihre Forschung beschäftigt sich vornehmlich mit Wissensmanagement, Innovation und strategischem Management von multinationalen Unternehmen und wurde auf internationalen Konferenzen sowie in wissenschaftlichen und praxisnahen Zeitschriften präsentiert, wie z.B. Sloan Management Review, International Business Review, European Business Forum oder European Management Journal. Ihr Buch „Effective Knowledge Transfer in Multinational Corporations“ ist 2004 bei Palgrave Macmillan erschienen. Andreas Butz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Grundlagen der BWL und Theorien der Unternehmung an der Universität Zürich. Seine Forschungsinteressen sind in Corporate Social Responsibility, Globalisierung und Bereitstellung öffentlicher Güter. Jan Hendrik Fisch studierte an der Technischen Universität Darmstadt und University of Glasgow Wirtschaftsingenieurwesen, Fachrichtung Elektrotechnik. Seine wissenschaftliche Ausbildung mit Promotion und Habilitation durchlief er bei Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Macharzina an der Universität Hohenheim, Stuttgart. Er folgte 2006 einem Ruf an die Zeppelin University, Friedrichshafen, lehnte 2007 einen Ruf an die Universität Duisburg-Essen ab und ist seit demselben Jahr Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Innovation und Internationales Management an der Universität Augsburg. Prof. Dr. Helmut Haussmann studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Tübingen, Hamburg und Nürnberg und promovierte an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. Als Mitglied des Deutschen Bundestages (1976-2002), übernahm er 1988 das Bundesministerium für Wirtschaft, das er bis 1991 leitete. Von 1991 bis 2002 war er Europapolitischer Sprecher der FDP im Deutschen Bundestag. Seit 1991 ist er Mitglied im Außenwirtschaftsbeirat der Bundesregierung sowie im Board der Asia-Europa-Foundation (ASEF) Singapur. Ebenfalls seit 1991 gehört er zum Management des internationalen IT-Dienstleistungsunternehmens Capgemini Deutschland GmbH in Berlin, weist eine Honorar-Professur am Lehrstuhl für Internationales Management an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg auf und ist derzeit Mitglied in verschiedenen nationalen und internationalen Beiräten und Aufsichtsräten.
XVIII
Dirk Holtbrügge ist seit 2001 Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Management an der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er hat zahlreiche Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren u.a. in China, Indien, Japan, Frankreich, Russland und den USA absolviert. Seine Hauptarbeitsgebiete sind Internationales Management, Personalmanagement sowie Management in Emerging Markets. Er ist Verfasser von neun Monographien, sechs Sammelbänden und mehr als 100 Aufsätzen in Sammelbänden und Fachzeitschriften wie International Business Studies, Journal of International Business Studies, Journal of International Management und Management International Review sowie Mitglied verschiedener Editorial Boards internationaler Fachzeitschriften wie Management International Review, Managementforschung und Zeitschrift für Management. Hartmut H. Holzmüller Jahrgang 1955, Studium der Betriebswirtschafts-lehre und Psychologie in Wien. Assistent, Assistenzprofessor und a.o. Universitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Visiting Scholar am Baruch College, City University of New York. Gastprofessuren an der Darla Moore School of Mana-gement, University of South Carolina; Universität Hohenheim, Stuttgart; School of Business and Economics, Boise State University, Idaho; IECS Strasbourg, Université Robert Schumann und Université Nancy 2, Nancy. Seit 1998 Inhaber des Lehrstuhls für Marketing an der Technischen Universität Dortmund. Über 50 Beiträge in in- und ausländischen Fachzeitschriften (u.a. Journal oft the Academy of Marketing Science, Journal of International Marketing, International Marketing Review, Management International Review, International Business Review) und Sammelwerken, Autor und Herausgeber von Büchern (z.B. gemeinsam mit R. Buber, Qualitative Marktforschung, 2. Aufl., Gabler 2009), zahlreiche Präsentationen bei Internationalen Fachkonferenzen. Aktuelle Forschungsschwerpunkte: Technologieorientierte(s) Marktforschung und Marketing, Psychometrische Marketingforschung, Interkulturelles Marketing, Kundenbeziehungsforschung. Julia Ingwald gelernte Bauzeichnerin, studierte Wirtschaftswissenschaften mit den Schwerpunkten Marketing, Unternehmensführung, Controlling und Organisationspsychologie an der Universität Dortmund. Seit August 2006 ist sie wissenschaftliche Angestellte am Lehrstuhl für Marketing der Technischen Universität Dortmund und Mitarbeiterin im Forschungsprojekt 3K - Globale Strategien von Dienstleistungs-unternehmen. Julia Ingwald ist weiterhin Dozentin an der Business and Information Technology School (BiTS) und Geschäftsführerin des Centrum für Unternehmensentwicklung e.V. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Koordinationsforschung internationaler Dienstleistungsunternehmen sowie im interkulturellen Marketing.
XIX
Rüdiger Kabst ist Lehrstuhlinhaber für Betriebswirtschaftslehre insbesondere Personalmanagement an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er ist Direktor der interdisziplinären Forschungseinheit Management und Entrepreneurship sowie deutscher Repräsentant des Cranfield Network on International Strategic Human Resource Management (Cranet). Forschungsaufenthalte führten ihn an die University of Illinois/Urbana-Champaign in 1996, an die University of California/Berkeley in 2001 und an die EWHA University/Seoul in 2006. Seine Forschungsinteressen beinhalten das internationale Personalmanagement, Arbeitszeit- und Arbeitsvertragsflexibilisierung, Outsourcing, Downsizing, Interim Management, Unternehmenskooperationen, internationales Entrepreneurship und Internationalisierung mittelständischer Unternehmen. Guido Palazzo ist ordentlicher Professor für Unternehmensethik an der Universität Lausanne und Visiting Fellow an den Universitäten Nottingham und Oxford. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bamberg erwarb er einen Dr. phil. in Politischer Philosophie an der Universität Marburg (Germany). Seine Forschungsinteressen sind in Corporate Social Responsibility, Corporate Branding, Demokratietheorie und Unternehmensethik. Er hat zwei Bücher veröffentlicht, zuletzt das Handbook of Research on Global Corporate Citizenship (Mitherausgeber: A. G. Scherer). Er ist Associate Editor der Zeitschrift Business Ethics Quarterly und Mitglied in den Editorial Boards von Academy of Management Review und Business and Society. Seine Arbeiten sind in Herausgeberbänden und wissenschaftlichen Zeitschriften wie z.B. Academy of Management Review, Business Ethics Quarterly, und Journal of Business Ethics erschienen. Jonas Puck ist Professor für International Business am Institut für BWL des Außenhandels der Wirtschaftsuniversität Wien. Zuvor war er am Lehrstuhl für Internationales Management der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg tätig, wo er 2007 promovierte und 2009 habilitierte. Zudem war er Gastdozent an der University of New South Wales (Sydney, Australien), der UIBE (Peking, China), der Bradford University (England) und der WU Wien (Österreich). Seine Hauptarbeitsgebiete liegen in den Bereichen des Internationalen Strategischen Management und des Internationalen Personalmanagement. Er ist Verfasser von vier Monographien und zahlreichen Artikeln in Sammelbänden und Zeitschriften, darunter etwa Journal of International Business Studies, Long Range Planning, International Journal of Human Resource Management, Journal of International Management oder International Business Review.
XX
Adrian Rossmann Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität, derzeit Mitarbeiter im Controlling bei Siemens Transportation Systems. David Rygl ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Internationales Managent an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er hat zahlreiche Forschungsaufenthalte u.a. in der Slowakei, Tschechien, Ungarn, Polen, China und Russland absolviert. Er ist Verfasser von mehreren Aufsätzen in Sammelbänden und internationalen Fachzeitschriften wie International Journal of Human Resource Manage-ment, Organisational Transformation and Social Change, Zeitschrift für Management und Zeitschrift für Perso-nalforschung. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u.a. die Internationalisierung von mittelständischen Unternehmungen sowie Management in Emerging Markets, insbesondere Mittel und Osteuropa. Andreas Georg Scherer ist ordentlicher Professor für Grundlagen der BWL und Theorien der Unternehmung an der Universität Zürich. Zugleich ist er Direktor des Instituts für Organisation und Unternehmenstheorien (IOU). Seine Forschungsinteressen sind in Critical Management Studies, Internationales Management, Organisationstheorie, Unternehmensethik und Wissenschaftstheorie. Er hat neun Bücher veröffentlicht, zuletzt das Handbook of Research on Global Corporate Citizenship (Mitherausgeber: G. Palazzo). Seine Arbeiten sind in Sammelbänden und wissenschaftlichen Zeitschriften, wie z.B. Academy of Management Review, Business Ethics Quarterly, Journal of Business Ethics, Management International Review, Organization, Organization Studies erschienen. Er ist Associate Editor von Business Ethics Quarterly und ist Mitglied in den Editorial Boards von Business and Society, Business Research, Organization, and Organization Studies. Anne Scherer geb. 1983, studierte von 2003 bis 2008 Technologie- und Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität München mit den Schwerpunkten Marketing, Produktion und Logistik sowie einem technischen Fokus im Maschinenwesen. Von 2005 bis 2006 verbrachte sie ein Studienjahr an der Oklahoma State University in den USA. Seit 2008 ist Anne Scherer als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Dienstleistungs- und Technologiemarketing der Technischen Universität München tätig.
XXI
Arnold Schuh Assistenzprofessor und Direktor des Competence Center for Central and Eastern Europe an der Wirtschaftsuniversität Wien. Forschungsschwerpunkte: Strategien und Managementmodelle für CEE; Marketing- und Markenstrategien in CEE; Einfluss der Globalisierung/Europäisierung auf die Strategie und Organisation von multinationalen Unternehmen. Christian Schwens habilitiert am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre insbesondere Personalmanagement der Justus-Liebig-Universität Gießen und ist Mitglied der interdisziplinären Forschungseinheit Management und Entrepreneurship. 2006 absolvierte Christian Schwens einen Forschungsaufenthalt an der Carlson School of Management der University of Minnesota, Minneapolis, USA. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Internationalisierung junger Technologieunternehmen (Nanotechnologie, Biotechnologie, Mikrosystemtechnik und Erneuerbare Energien), Internationales Entrepreneurship, Markteintrittsstrategien, Institutions, (Internationale) Joint Ventures, Internationale Stellenbesetzung und die Internationalisierung mittelständischer Unternehmen. Florian v. Wangenheim ist Inhaber des Lehrstuhls für Dienstleistungs- und Technologiemarketing an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität München. Er studierte Betriebswirtschaftslehre und Sport an den Universitäten in Bayreuth und Barcelona. Im Jahr 2002 promovierte er an der Universität Mainz zum Thema „Weiterempfehlung und Kundenwert“. Von 2003 bis 2006 war er Juniorprofessor für Dienstleistungsmanagement an der Universität Dortmund. In Forschungsprojekten kooperiert er u.a. mit der Deutschen Bank AG, Deutsche Lufthansa AG, Daimler AG, SAP Deutschland GmbH sowie einer Vielzahl weiterer Unternehmen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Analytisches CRM, Customer Equity Management und Marketing für technologieintensive Produkte und Dienstleistungen. Dipl.-Hdl. Katja Wiedemann geb. 1977, ist seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Internationales Management der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, an der sie ihr Wirtschaftspädagogik-Studium absolvierte. In den Jahren 2003/2004 studierte sie an der Faculté des Sciences Economiques de Montpellier, Frankreich. Sie ist Verfasserin von mehreren Artikeln in Sammelbänden. Im Rahmen Ihrer Dissertation beschäftigt sie sich mit der Internationalisierung von Dienstleistungsunternehmungen, insbesondere mit der länderübergreifenden Konfiguration der Wertaktivitäten.
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Miriam Zschoche studierte Volkswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Internationale Wirtschaftsbeziehungen und Marketing an den Universitäten Leipzig, Potsdam und Sydney. Anschließend war sie für ein Jahr in der Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft im Bereich International Business Development tätig. Seit Oktober 2007 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Innovation und Internationales Management von Prof. Dr. Jan Hendrik Fisch an der Universität Augsburg.
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Andreas Georg Scherer, Guido Palazzo und Andreas Butz
Die neue politische Rolle von Unternehmen in einer globalisierten Welt – Ein Überblick über die Forschungslandschaft
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Die erweiterte politische Verantwortung von Unternehmen
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Unternehmen als politische Akteure? – Die Grenzen gegenwärtiger Ansätze zur politischen Verantwortung
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Die Verantwortung von Unternehmen in der Gesellschaft: Denkschulen und Grundannahmen im apolitischen CSR-Ansatz
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Licht- und Schattenseiten der globalen Wirtschaft: Unternehmensverhalten im globalen Kontext 4.1 Die Schattenseite 4.2 Die Lichtseite
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Die Suche nach einer Neukonzeption der politischen Rolle von Unternehmen
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Ein neues Paradigma gesellschaftlicher Verantwortung in der globalisierten Welt 6.1 Governance: Von der Dominanz ökonomischer Rationalität hin zu ihrer Domestizierung mittels neuer Formen der globalen Steuerung 6.2 Gesetzgebung: von staatlicher Regelsetzung, formellen Bestimmungen und Durchsetzungen hin zur Selbstregulierung, „soft law“ und freiwilligem Handeln 6.3 Legitimität: Von einer kognitiven und pragmatischen hin zu einer moralischen (argumentativen) Legitimität 6.4 Demokratie: von einer liberalen zu einer deliberativen Demokratie 6.5 Moral: Von einer empirischen oder philosophischen hin zu einer pragmatischen Begründung 6.6 Stakeholder Beziehungen: Von der bloßen Reaktion auf den Druck mächtiger Stakeholder hin zu einem pro-aktiven Engagement im demokratischen Prozess und die Lösung der Problematik öffentlicher Güter
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Schlussfolgerung
Literatur
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Die erweiterte politische Verantwortung von Unternehmen
Im letzten Jahrzehnt haben verschiedene Unternehmen begonnen, originäre Staatsaufgaben zu übernehmen (vgl. Margolis und Walsh, 2003; Matten und Crane, 2005; Walsh et al., 2003). Dies gilt besonders für multinationale Unternehmen (MNU). Diese engagieren sich in den Bereichen Gesundheit, Bildungsleistungen, soziale Sicherheit und Schutz der Menschenrechte in Ländern, in denen staatliche Organe nicht in der Lage sind, diese Leistungen bereitzustellen (vgl. Kinley und Tadaki, 2004; Matten und Crane, 2005); sie adressieren gesellschaftliche Probleme wie AIDS, Unterernährung, Obdachlosigkeit und Analphabetentum (vgl. Margolis und Walsh, 2003; Rosen et al., 2003); sie formulieren Ethikkodizes (z.B. Cragg, 2005a) und beteiligen sich an einer Selbstregulierung, um globale Regulierungs- und moralische Orientierungslücken zu schließen (vgl. Scherer und Smid, 2000); schließlich begünstigen sie Frieden und Stabilität (vgl. Fort und Schipani, 2004). Derlei Aktivitäten werden von manchen Ökonomen mit Skepsis betrachtet, widersprechen sie doch dem gemeinen Rollenverständnis von Unternehmen in der Gesellschaft, wie dieses etwa in der Theorie der Firma angenommen wird (vgl. Friedman, 1970; Henderson, 2001; Levitt, 1970; Jensen, 2002; Sundaram und Inkpen, 2004). Das oben erwähnte Verhalten von Unternehmen geht aber auch über das umfassende Verständnis von sozialer Unternehmensverantwortung gegenüber den Stakeholdern hinaus, wie dies im Sinne einer Erfüllung von sich wandelnden sozialen Erwartungen in den letzten Jahrzehnten in der Businessund Society-Literatur konzeptualisiert worden ist (vgl. Strand, 1983; siehe auch Carroll, 1991; Freeman und McVea, 2001; Schwartz und Carroll, 2003; Whetton et al., 2002). Im Unterschied dazu offenbart das beschriebene Verhalten von Unternehmen eine stärkere Beteiligung an einem Regelsetzungs- und Durchsetzungsprozess von globalem Ausmaß („Global Governance“) (vgl. Braithwaite und Drahos, 2000) sowie an der Bereitstellung öffentlicher Güter (vgl. Kaul et al., 2003). Cragg (2005b, 2005c) führt mehrere Belege dafür an, dass sich Unternehmen zunehmend an einer Selbstregulierung beteiligen, um das durch den Prozess der Globalisierung entstandene Regulierungsvakuum zu füllen. Ganz ähnlich argumentieren Matten und Crane (2005), die einigen Unternehmen sogar eine staatsähnliche Rolle zusprechen. Matten und Crane (2005) stellen fest, dass viele Unternehmen zunehmend Bürgerrechte schützen, ermöglichen und durchsetzen, eine Aufgabe, die originär der staatlichen Verantwortlichkeit zufällt (vgl. Marshall, 1965). Dies gilt insbesondere im Falle eines Staatsversagens, d.h. wenn ein Nationalstaat Bürgerrechte noch nicht oder (prinzipiell) nicht mehr gewährleisten kann (wie dies etwa in einigen Entwicklungsländern der Fall ist). So gesehen haben sich Unternehmen zu wichtigen politischen Akteuren in der globalen Zivilgesellschaft entwikkelt (vgl. Matten und Crane, 2005; Palazzo und Scherer, 2006, 2008; Scherer und Palazzo, 2007, 2008a; Steinmann, 2007). Auf globaler Ebene sind Nationalstaaten und internationale Institutionen immer weniger in der Lage, ein befriedigendes Niveau globaler öffentlicher Güter anzubieten und die weltwirtschaftliche Rahmenordnung im Interesse des Gemeinwohls zu reglementieren (vgl. Kaul et al., 2003). Im diesem Problemkontext wird der Begriff der „Global Governance“ verwendet, um Möglichkeiten aufzuzeigen, die globalen Regelungslücken zu schließen. Global Governance umfasst den Findungs- und Durchsetzungsprozess globaler Regeln sowie die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter und soll helfen, die verstärkte Zusammenarbeit im Wissens- und Ressourcenbereich zwischen Regierungen, internationalen
4 Institutionen, NGOs, zivilgesellschaftlichen Gruppierungen und Unternehmen zu beschreiben (vgl. Braithwaite und Drahos, 2000; Reinicke und Deng, 2000). Die Global Governance ist ein polyzentrischer und multilateraler Prozess, an dem zivilgesellschaftliche, staatliche und private Akteure beteiligt sind. Wir argumentieren, dass die verschiedenen Theorien der Unternehmung noch nicht ausreichend in der Lage sind, deren neue politische Rolle adäquat abzubilden. Gegenwärtige Ansätze der politischen Betätigung von Unternehmen beruhen hauptsächlich auf einer instrumentellen Sichtweise der Unternehmenspolitik und einer strikten Trennung der politischen und ökonomischen Sphäre (vgl. Hillman et al., 2003). Im Gegensatz dazu heben wir einige Erkenntnisse von Nachbardisziplinen wie der politischen Theorie, den internationalen Beziehungen und der Rechtswissenschaft hervor, in denen diese neue Rolle der Unternehmen zunehmend in den Blickpunkt gerät. Damit bestimmen wir eine Forschungsagenda, welche auf der neuen Rolle der Unternehmen in einer globalen Zivilgesellschaft beruht. Unser Beitrag erweitert die Theorie der Unternehmung um eine ausgewogenere Konzeption der politischen und ökonomischen Verantwortlichkeit, welche die ursprünglich eher eng angelegte und instrumentell verstandene Sichtweise der Politik überwindet und damit besser in der Lage ist, den immer stärker werdenden politischen Beitrag der Unternehmen für eine Global Governance zu analysieren. Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut. Zuerst thematisieren wir einige Probleme der gegenwärtigen Modellierung der politischen Rolle von Unternehmen, um im nächsten Schritt die zu Grunde gelegten Annahmen und Denkschulen dieses apolitischen CSR-Ansatzes kritisch zu bewerten. Anhand einiger Beispiele aktueller globaler Aktivitäten von Unternehmen legen wir exemplarisch sowohl negative als auch positive Beiträge zu einer Global Governance dar. Im zweiten Teil des Beitrags stellen wir das Konzept einer neuen politischen Rolle der Unternehmen vor. Wir plädieren für einen Paradigmenwechsel innerhalb der CSR-Debatte, der notwendig ist für eine neue Theorie der Unternehmung in einer globalisierten Welt. Abschließend werden einige Problembereiche und zukünftige Forschungsfragen in der Managementtheorie kurz angesprochen.
2 Unternehmen als politische Akteure? – Die Grenzen gegenwärtiger Ansätze zur politischen Verantwortung Die Modellierung transnationaler Unternehmen als politische Akteure, denen staatsähnliche Verantwortlichkeiten zugeschrieben werden, ist zweifelsohne eine provokante Idee, die Einspruch von verschiedenen Seiten hervorruft. Seitens der Ökonomen wird argumentiert, dass Unternehmen Institutionen darstellen, die allein auf die Gewinnerzielung ausgerichtet sind (vgl. Sundaram und Inkpen, 2004). Sie lehnen daher jegliche soziale und ökologische Unternehmensverantwortung, die über gesetzliche Bestimmungen hinausgeht, ab – dies mit dem Hinweis, dass eine solche Orientierung keinen Beitrag zur Gewinnmaximierung leiste (vgl. Friedman, 1970; Hendersen, 2001). Dieses Argument wird nicht nur vor dem Hintergrund des Schutzes der Eigentumsrechte der Firmeneigner und der Interessen der Shareholder entwickelt. Zugleich vertreten die Anhänger einer solchen Position die These, dass das private Gewinnstreben aufgrund der Allokationsfunktion des Marktsystems zur gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt beitrage (vgl. Jensen, 2002). Die Ökonomen streichen zusätzlich heraus, dass die Manager von Unternehmen weder gewählt noch demokratisch kontrolliert
5 werden. Daher stelle jedes sozialpolitische Engagement von Managern möglicherweise eine Gefahr für die Demokratie dar (vgl. Friedman, 1962, 1970; Baumol und Blackman, 1991). Aus einer ganz anderen Perspektive argumentieren Globalisierungskritiker, wie zivilgesellschaftliche Bewegungen, Menschenrechtsorganisationen und Umweltschutzverbände. Diese Gruppierungen beobachten die neuen politischen Aktivitäten der transnationalen Unternehmen zumeist mit Argwohn und kommen häufig zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen wie die Autoren in der Ökonomie (z.B. Klein, 2001). Die Globalisierungskritiker argumentieren, dass gesellschaftliche oder umweltbezogene Unternehmensprojekte nichts anderes als „window-dressing“ oder „green-washing“ darstellten, da die Unternehmen bemüht seien, lediglich ein positives Image aufzubauen, ohne notwendigerweise eine teure Anpassung ihrer problembehafteten Unternehmensaktivitäten herbeizuführen (vgl. Banerjee, 2007). Die Kritik mündet in der These, dass Unternehmen solche Projekte nur durchführten, wenn daraus eine höhere Reputation als Teil ihrer Risikostrategie resultiere (vgl. Fombrun, 1996), oder aus finanziellen Gründen, wenn durch die Beteiligung an solchen Projekten zusätzlich Geld verdient werden könne. Ganz ähnlich argumentieren auch die Ökonomen (siehe McWilliams und Siegel, 2001). Globalisierungskritiker nehmen an, dass die Unternehmen selbst keine intrinsische Motivation zur Bereitstellung öffentlicher Güter hätten, sondern vielmehr primär die Gewinnerzielung verfolgten. Daher, so wird argumentiert, stellten diese politischen Aktivitäten von Unternehmen eine potenzielle Gefahr für die Gesellschaft dar, da weniger die Bereitschaft zur Produktion öffentlicher Güter, als vielmehr egoistische Motive von Managern oder Firmeneignern im Vordergrund stünden; dies häufig auf Kosten ihrer gesellschaftlichen und ökologischen Umwelt (vgl. Mokhiber und Weissman, 1999; Korten, 2001). Bereits in den 1970er und 1980er Jahren wurden multinationale Unternehmen als Treiber des imperialistischen und kapitalistischen Systems sowie als Ausbeuter von Entwicklungsländern auf Kosten der lokalen Bevölkerung kritisiert (z.B. Brewer, 1980; Mandel, 1980; Warren, 1980). Mittlerweile sind multinationale Unternehmen noch mächtiger und einflussreicher geworden und bestimmen die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen maßgeblich mit; sie entwickelten sich zu den wahren „Leviathanen“ unserer Zeit (vgl. Chandler und Mazlish, 2005). Das sozialpolitische Engagement von multinationalen Unternehmen ist heutzutage ein weit verbreitetes Phänomen: „That corporations do sometimes act as social change agents is not in dispute; indeed it is an empirical reality around the world. Moreover it is becoming a political reality as well“ (Bies et al., 2007, S. 788). Trotz kritischer Kommentare aus verschiedenen Richtungen nehmen immer mehr Manager eine Verantwortung wahr, die über die bloße Gewinnerzielung und die Beachtung gesetzlicher Mindeststandards hinausgeht. Sie engagieren sich in philantrophischer Hinsicht, erstellen freiwillig „codes of conduct“ und beteiligen sich an diversen CSR-Initiativen (siehe z.B. Cragg, 2005). Über 4.000 Unternehmen haben bereits den UN Global Compact unterzeichnet und unterstützen damit den Schutz der Menschenrechte, bekämpfen Korruption und implementieren Sozial- und Umweltstandards in ihrem Einflussbereich (siehe www.unglobalcompact.org; Williams, 2004). Einige der Unternehmensinitiativen sind vermutlich Teil einer Public-Relations-Strategie und dienen dazu, ein positives Unternehmensbild aufzubauen, während der Kern der unternehmerischen Wertschöpfungsaktivitäten davon unberührt bleibt (vgl. Banerjee, 2007). Es wäre jedoch ohne ausreichende empirische Belege ungerechtfertigt anzunehmen, dass alle
6 diese Projekte nur aus Gewinnstreben durchgeführt werden (siehe z.B. Spar und La Mure, 2003; Cragg, 2005b, S. 8-14). Dies führt uns zu der Annahme, dass die gegenwärtige Theoriebildung zur Verantwortung von Unternehmen maßgeblich geprägt sei von (1) einer ökonomischen Sichtweise bezüglich der Rolle der Unternehmen und (2) einer strikten Trennung des öffentlichen und privaten Bereichs. Aus dieser Perspektive werden Unternehmen als ausschließlich private Akteure wahrgenommen, deren Interesse darin besteht, Gewinne zu erzielen; dies unter Berücksichtigung sowohl gesetzlicher Vorschriften als auch moralischer Verpflichtungen der Unternehmensumwelt. Die Verfolgung öffentlicher Belange wird dagegen als ausschließliche Staatsaufgabe angesehen. Daraus folgt, dass jede unternehmerische Tätigkeit nur als Ausdruck der strategischen Gewinnerzielungsabsicht betrachtet wird. Ironischerweise teilen sowohl Ökonomen als auch Globalisierungsskeptiker diese Annahmen. Im Folgenden werden wir diese beiden Denkrichtungen in Frage stellen und einen Vorschlag unterbreiten, wie ein alternatives Paradigma sowohl der Unternehmenspolitik als auch der Rolle der Wirtschaft in einer globalen Welt aussehen könnte. Wir argumentieren, dass die gegenwärtigen Managementtheorien die neue politische Rolle der Unternehmen in einer Global Governance nur unzulänglich abbilden. Als politisch definieren wir einen Prozess, “in which people organize collectively to regulate or transform some aspects of their shared social conditions, along with the communicative activities in which they try to persuade one another to join such collective actions or decide what direction they wish to take” (Young, 2004, S. 377).
Diese neue politische Rolle führt zu einem viel breiteren Politikverständnis als vielfach in der Managementliteratur dargestellt. Dies betrifft die verengte Sichtweise der Machtpolitik als Basis des politischen Strategieansatzes (vgl. Hillman et al., 2004) ebenso wie etwa den Ansatz des politischen Lobbyings (vgl. Shell, 2004). Diese instrumentelle Sichtweise ist auch Teilen der Politikwissenschaft zu Eigen, dort stellt die so genannte „Realpolitik“ das führende Paradigma dar (dazu kritisch Wayman und Diehl, 1994). In der Managementforschung werden die politischen Aktivitäten von Unternehmen zwar breit diskutiert (siehe z.B. Boddewyn und Brewer, 1994; Hillman et al., 2004; Schuler und Rehbein, 1995; Shaffer, 1995). Das Hauptaugenmerk der politischen Strategieforschung liegt jedoch auf dem strategischen Verhalten von Unternehmen, das dem Ziel dient, Entscheidungen der staatlichen Politik zu Gunsten der Unternehmen zu beeinflussen (vgl. Hillman et al., 2004; Baysinger, 1984). Dieser Forschungszweig basiert auf der Annahme, dass Manager auf der politischen Bühne aktiv werden, um den Firmenwert ihrer Unternehmen zu steigern (vgl. Hillman et al., 2004). Viele Forscher im Bereich der CSR stützen sich auf einen solchen instrumentellen Ansatz und suchen nach einem „business case für CSR“ oder einer „winwin-Situation“, um aufzuzeigen, ob und unter welchen Bedingungen CSR-Projekte zur Gewinnerzielung beitragen (siehe z.B. Aupperle et al., 1985; Berman et al., 1999; einen kritischen Überblick liefern Margolis und Walsh, 2001, 2003). Diese Ansätze beruhen auf der Annahme der Gewinnmaximierung als übergeordnetem Unternehmensziel (vgl. Sundaram und Inkpen, 2004). Jegliche strategische Aktivität und jedes gesellschaftliche oder politische Engagement der Unternehmung wird hierbei als ein Instrument verstanden, um dieses Ziel zu erreichen. Die Themenstellung der Academy of Management Konferenz 2007: „Doing well by doing good“ ist Ausdruck dieser tief verankerten Denkhaltung.
7 Dieses Paradigma basiert auf der Annahme, dass der Slogan „the business of business is business“ (Friedman, 1962, 1970) auch unter den heutigen Bedingungen der Globalisierung weiterhin Gültigkeit besitzt und der Staat für das Gemeinwohl sorgt. Der Staat stellt die Spielregeln auf, um die Handlungsfreiheit privater Akteure auf freien Märkten zu garantieren und zu regulieren. Privatwirtschaftliche Unternehmen sind gezwungen, diese Regeln einzuhalten, andernfalls erfolgen juristische und administrative Sanktionen. Die staatlichen Regeln sollen daher so angelegt werden, dass das Ergebnis des Marktaustausches zur Wohlfahrtssteigerung beiträgt, Externalitäten vermieden oder zumindest monetär ausgeglichen werden. Privatwirtschaftliche Akteure haben demzufolge keine erweiterte politische oder gesellschaftliche Verantwortung; ihrer sozialen Verpflichtung kommen sie allein durch den Beitrag der Gewinnerzielung zur gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt nach (vgl. Friedman, 1970). Der Staat wird hierbei als alleiniger politischer Akteur konzipiert. Diese Sichtweise beruht jedoch auf der Annahme, dass die staatlichen Institutionen in der Lage seien, die Folgen der Strategiewahl eigennütziger Akteure auf das Gemeinwohl zu regulieren und durchzusetzen: „Property rights, the invisible hand of the market, and the government are entrusted to solve society’s problems. Corporate managements are to play no direct role in ensuring the social welfare of society“ (Walsh et al., 2003: 865). Wir argumentieren, dass diese Annahmen sowohl hinsichtlich der Effizienz des nationalstaatlichen Systems als auch der Trennung von Staat und Wirtschaft im Zuge der Globalisierung neu überdacht werden müssen (siehe auch Cragg, 2005b; Kobrin, 2001). Unser Ziel ist es, eine alternative Sichtweise der politischen Rolle der Unternehmen in der Welt vorzustellen; dies unter Einbezug aktueller Forschungsarbeiten in Nachbardisziplinen und damit über die abgesteckten Grenzen der traditionellen Managementforschung hinweg. Wir halten diese neuen Forschungsansätze für vielversprechend und schlagen vor, dass die Managementforschung auf die neuen Erkenntnisse anderer Disziplinen wie der politischen Theorie, den internationalen Beziehungen, der Rechtswissenschaft wie auch auf eher unorthodoxe CSR-Ansätze aufbaut, welche bereits begonnen haben, die erweiterte Verantwortlichkeit und die neue politische Rolle von Unternehmen stärker in den Blick zu nehmen. Im Hinblick auf die vielfältigen Aktivitäten politisch verantwortlicher Unternehmen einerseits (vgl. Bies et al., 2007; Matten und Crane, 2005) und die verzögerten konzeptionellen Antworten der Managementforschung andererseits trägt diese Agenda unserer Überzeugung nach dazu bei, die Managementforschung zurück zu ihren ursprünglichen Wurzeln zu führen, wo die Gemeinwohlorientierung eigens betont wurde (vgl. Walsh et al., 2003).
3 Die Verantwortung von Unternehmen in der Gesellschaft: Denkschulen und Grundannahmen im apolitischen CSR-Ansatz In einem neueren Beitrag analysiert Walsh (2005) eine der aktuellen politischen Aktivitäten von Unternehmen, die globale Bekämpfung von AIDS. Er untersucht einige wichtige Publikationen im Bereich der Stakeholder-Theorie, um „the theory's ability to provide counsel to our business leaders when they are asked to make investments like these“ (Walsh, 2005, S. 427) zu überprüfen. Seine Schlussfolgerung ist unmissverständlich (vgl. Walsh, 2005): Keine der Theorien ist in der Lage, derartige Aktivitäten adäquat abzubilden oder zu erklären, dies gilt selbst dann, wenn die Autoren aus einer normativen statt einer instrumentellen Sichtweise argumentieren. Ein großer Anteil der gegenwärtigen CSR-Debatte fällt in den
8 Rahmen der neoklassischen Theorie der Unternehmung und der damit verbundenen klaren Trennung von Wirtschaft und Politik (vgl. Friedman, 1962). Unternehmen sollen sich demzufolge am Ziel der Gewinnmaximierung orientieren (vgl. Sundaram und Inkpen, 2004) und gesellschaftliche Verantwortung nur dann übernehmen, wenn diese der langfristigen Wertsteigerung der Unternehmen dienlich ist (vgl. McWilliams und Siegel, 2001; Mackey et al., 2007). Viele Ökonomen lehnen so gesehen eine soziale Verantwortung nicht grundsätzlich ab, solange die dabei durchgeführten Projekte zur Wertsteigerung beitragen (siehe z.B. McWilliams et al., 2006). Jensen (2002, S. 235) etwa nennt eine solche Strategie „enlightened value maximization“. Auch wenn dies nicht explizit dargelegt wird, so orientieren sich doch viele Forscher im Bereich der CSR implizit an diesen Grundannahmen und entwickeln daher ein instrumentelles Bild der sozialen Unternehmensverantwortung; sie begeben sich auf die Suche nach einem „business case“ (siehe z.B. Jones, 1995). Mehr als einhundert Studien befassen sich mit dem Beitrag der gesellschaftlichen Verantwortung zum finanziellen Erfolg und liefern damit einen deutlichen Beleg für die zu Grunde liegende Denkschule in der CSR-Debatte (siehe z.B. Aupperle et al., 1985; Berman et al., 1999; einen kritischen Überblick zu diesen Studien liefern z.B. Margolis und Walsh, 2001, 2003; Scherer und Palazzo, 2007; Vogel, 2005; Walsh et al. 2003). Die Analyse von Walsh (2005) zeigt jedoch, dass selbst normative Ansätze im Bereich der Unternehmensethik Probleme haben, die oben beschriebenen politischen Aktivitäten der Unternehmen hinreichend theoretisch zu verorten. Der Grund dafür liegt einerseits in ihrer Beschränkung auf die Nahtstelle zwischen Managementtheorien und der Moralphilosophie, um darauf aufbauend eine Theorie des individuellen Moralverhaltens unter weitgehender Vernachlässigung des institutionellen Rahmens zu entwickeln (siehe z.B. Carroll, 2001). Andererseits behandeln normative Theorien normalerweise die moralischen Ansprüche von Stakeholdern gegenüber Unternehmen und versuchen damit die Frage zu beantworten, warum und wie diese externen Forderungen in den Entscheidungsprozess der Unternehmen integriert werden können (vgl. Trevino und Weaver, 1994). Die beschriebenen politischen Aktivitäten von Unternehmen zielen jedoch in eine andere Richtung. Bei den Tätigkeiten geht es weniger um den Einbezug der Stakeholder in den unternehmerischen Entscheidungsprozess als vielmehr um den Eintritt der Unternehmen in den öffentlichkeitswirksamen politischen Entscheidungsprozess mittels der Beteiligung und der Mitentwicklung globaler Institutionen der politischen Mitbestimmung (vgl. Scherer und Palazzo, 2007). Diese globalen Institutionen werden verstanden als „enduring sets of rules, norms, and decision making procedures that shape the expectations, interests, and behaviour of actors“ (Goldstein et al., 2000, S. 3) und zu denen sowohl private als auch staatliche Akteure ihren Beitrag leisten. Es ist daher keine Überraschung, wenn Walsh (2005) in seiner Analyse feststellt, dass der Aufruf der Vereinten Nationen, sich den gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zu stellen (siehe z.B. Williams, 2004), weit über den herrschenden Diskurs in der CSR-Debatte hinausgeht. „We must look elsewhere for relief“ (Walsh, 2005, S. 437), so seine Schlussfolgerung. Eine treibende Kraft des zunehmenden CSR-Engagements von Unternehmen scheint die zunehmende Erosion der Aufgabenverteilung wirtschaftlicher, staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure zu sein. Die eingangs erwähnten Beispiele des politischen Engagements von Unternehmen beschreiben deutlich die Veränderung der Global Governance, die ersichtlich wird in einer Dezentralisierung politischer Entscheidungsgewalt unter Einbezug von originär unpolitischen, nichtstaatlichen Akteuren wie NGOs, zwischenstaatli-
9 chen Organisationen und internationalen Unternehmen in einem transnationalen Kontext (vgl. Beck, 2000; Risse, 2002; Zürn, 2002). Daher schlagen Walsh et al. (2003) vor, dass die Beziehung zwischen Organisationseinheiten und dem Staat sowie allen anderen, die von den veränderten Verantwortlichkeiten betroffen sind, zu einem Kernthema in der CSRDebatte wird. Die Forschung hat jedoch gerade erst begonnen, die Konsequenzen der Globalisierung zu untersuchen und baut (implizit oder explizit) immer noch auf die Annahme einer funktionierenden nationalstaatlichen Regelungsgewalt (siehe z.B. Buchholz, 1992): „Companies could take their cues for publicly desired social action by adhering to the nation’s laws, public policies, and government regulation, rather than relying on the social conscience of the firm’s executive managers“ (Frederick, 1998, S. 55).
Vor dem Hintergrund der strikten Trennung der öffentlichen und der privaten Sphäre bringen manche CSR-Forscher Argumente vor, die denen der Ökonomen stark ähneln. Diese propagieren, dass sich Unternehmen auf die Maximierung des „Shareholder Value“ konzentrieren sollen (vgl. Jensen, 2002; Sundaram und Inkpen, 2004) und die Verantwortung für Externalitäten, soziale Missstände, Umweltschutz und für die Bereitstellung öffentlicher Güter dem Staat überlassen sollen (siehe z.B. Friedman, 1962). Auch im StakeholderAnsatz wird argumentiert, dass die Belange der verschiedenen Stakeholder im betrieblichen Entscheidungsprozess nur berücksichtigt werden sollen, wenn diese eine hohe Macht ausüben und dementsprechend den Gewinn des Unternehmens spürbar beeinflussen können (siehe z.B. Mitchell et al., 1997). Darüber hinaus haben die Manager keine Verpflichtung, die Ansprüche der Stakeholder (außer der Shareholder) zu berücksichtigen, da deren Belange vom Staat geschützt werden. Sundaram und Inkpen (2004) argumentieren, dass Stakeholder, anders als Shareholder, durch Verträge und das Rechtssystem geschützt werden oder sie diesen Schutz einfordern können. Beide Autoren gehen von der Annahme aus, dass der Staat und das Rechtssystem funktionsfähig und in der Lage sind, die legitimen Ansprüche diverser Stakeholder zu bedienen; daher ergibt sich keine Notwenigkeit für Unternehmen, über rechtliche Verpflichtungen hinaus Verantwortung zu übernehmen: „The interests of stakeholders such as employees, suppliers, bondholders, communities, and customers are protected by contract law and by regulation … Communities and involuntary creditors protect themselves through numerous laws aimed at corporations, covering such areas as environmental pollution and law of torts. Where law is inadequate or cannot foresee all contingencies, the juridical system routinely steps in to fill the void and to interpret the terms of the original contract“ (Sundaram and Inkpen, 2004, S. 355).
Dieses Modell des Zusammenwirkens staatlicher und privater Kräfte mag in einer Weltordnung funktionieren, in der das staatliche System in der Lage ist, Problemfelder und gesellschaftliche Konflikte vorherzusehen, Regeln ex ante aufzustellen und diese im Anschluss mittels des Rechtssystems und des Verwaltungsapparates durchzusetzen. Aufgrund der Komplexität und der Dynamik der modernen Gesellschaft sowie Fehlsteuerungen im Staatsapparat ist das Rechtssystem jedoch nicht immer in der Lage, konkret einzugreifen und Fehlsteuerungen auszuräumen (vgl. Eisenberg, 1992; Parker und Braithwaite, 2003; Stone, 1975). Dies tritt im Zuge der Globalisierung immer deutlicher zu Tage, da die Fähigkeit des Nationalstaates nachlässt, Wirtschaftsaktivitäten zu regulieren, öffentliche Güter anzubieten und Externalitäten zu vermeiden oder zu minimieren (vgl. Beck, 2000; Haber-
10 mas, 2001; Strange, 1996). Im globalen Rahmen sind Unternehmen immer weniger private Akteure, die innerhalb der Regeln eines spezifischen Rechtssystems agieren. Sie sind vielmehr Akteure, die unter verschiedenen Rechtssystemen auswählen können und ökonomische Kriterien an die Auswahl von Arbeits- und Umweltstandards legen, je nachdem, in welchem Land sie tätig sind (vgl. Avi-Yonah, 2000; Roach, 2005; Scherer und Palazzo, 2007; Scherer et al., 2006). Dies könnte zu einer „Abwärtsspirale“ der gesellschaftlichen und ökologischen Bedingungen einer Global Governance führen (vgl. Scherer und Smid, 2000).
4 Licht- und Schattenseiten der globalen Wirtschaft: Unternehmensverhalten im globalen Kontext
4.1 Die Schattenseite Das oben beschriebene Regulierungsvakuum wird von manchen multinationalen Unternehmen missbraucht (vgl. hierzu und zum Folgenden Scherer et al. 2009, S. 333 ff.), die ein gemeinwohlschädliches Verhalten vor allem dort an den Tag legen, wo staatliche Institutionen nur schwach ausgeprägt oder nicht existent sind (z.B. Mokhiber und Weissman, 1999; Korten, 2001). Manche Autoren argumentieren, dass eine schwache Global Governance zur Rückkehr des „Raubritter-Kapitalismus“ führt (vgl. Rawlinson, 2002). Der Begriff des Raubritters („robber baron“) oder skrupellosen Kapitalisten symbolisiert demzufolge die Schattenseiten eines ausufernden Kapitalismus. Ursprünglich wurde der Begriff eingeführt, um Amerikas Industriemagnaten des späten 19. Jahrhunderts zu beschreiben, die Vanderbilts, Rockefellers, Morgans und Carnegies. Diese Industriekapitäne trennten strikt zwischen der Art und Weise, Gewinne zu erwirtschaften und der Art und Weise, diese Gewinne zu verwenden. Unter dem Einfluss der puritanischen Arbeitsethik interpretierten sie weltweiten Erfolg als von Gottes Gnaden gegeben, verbunden mit der Verpflichtung, der Gesellschaft etwas davon zurückzugeben. Sie spendeten große Geldmengen für Wohltätigkeitszwecke oder stifteten ihr Vermögen an bereits bestehende Stiftungen. Rockefeller erklärte einst: „I believe it is my duty to make money and still more money and to use the money I make for the good of my fellow man according to the dictates of my conscience“ (siehe Norton et al., 1986, S. 490). Die oft vorgenommene Zuordnung von CSR-Projekten zur Philantrophie resultiert teilweise aus den ideologischen Wurzeln des Kapitalismus im 19. Jahrhundert. Gleichzeitig waren diese Kapitalisten jedoch für eine rücksichtslose Gewinnmaximierung berüchtigt und zeigten damit, dass die ethische Pflichterfüllung zwar für die Gewinnverwendung galt, nicht aber für die Erzielung desselben. Vanderbilts berüchtigter Ausspruch: „What do I care about the law? Haven’t I got the power?“ (siehe Josephson, 1934, S. 72) zeigt deutlich die Ideologie der Willensfreiheit dieser „Raubritter“, deren Arbeiter in Minen, auf Ölfeldern, in Fabriken oder bei Eisenbahnprojekten zuhauf starben oder verunglückten. Zu dieser Zeit war Kinderarbeit ein weit verbreitetes Phänomen und nahm rasant zu. Sie verdreifachte sich zwischen 1870 und 1900, und in diesem Jahr 1900 waren fast 13 % aller Arbeiter in Textilfabriken unter 16 Jahre alt (vgl. Norton et al., 1986), die unter teils miserablen Arbeitsbedingungen in damals bereits so genannten „sweatshops“
11 schufteten. Die „laissez-faire“-Kultur der amerikanischen Regierung begünstigte dieses sozialdarwinistische Konzept, das den Aufstieg der „Raubritter“ billigte und moralische Skrupel verwarf (vgl. Destler, 1946). Durch diese „Übergangswirtschaft“ (vom Landwirtschafts- in das Industriezeitalter) der USA im 19. Jahrhundert fanden die Industriemagnate optimale Bedingungen vor. Wir argumentieren, dass der anhaltende Prozess der Globalisierung zu einem vergleichbaren Kontext des Übergangs (von einer nationalstaatlichen hin zu einer globalen Weltwirtschaft) mit schwach ausgeprägten Governance-Mechanismen führt. Einige multinationale Unternehmen stehen in der Kritik, weil sie bestehende Regulierungslücken ausnutzen und missbrauchen und damit ein Verhalten offenlegen, das dem des „RaubritterKapitalismus“ stark ähnelt (vgl. Mokhiber und Weissman, 1999; Korten, 2001). Unternehmen wie De Beers wurden und werden angeklagt, von den „rechtsfreien Zonen“ der afrikanischen Bürgerkriege zu profitieren (vgl. Roberts, 2003; Dunfee und Fort, 2003); ein ähnlicher Vorwurf wurde auch schon hinsichtlich des südafrikanischen Apartheidsystems erhoben, welches die Verrichtung der gefährlichen und dreckigen Arbeit in den Minen ausschließlich durch schwarze Arbeiter mittels des „Mines and Works Act“ von 1911 billigte. Auch mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende der Apartheid findet man oft noch derartige Arbeitsbedingungen vor (vgl. Roberts, 2003). ExxonMobil wurde vorgeworfen, mit korrupten Militärregimes u.a. in Indonesien zu kollaborieren. Auf dem Grundbesitz von ExxonMobil wurden Massengräber von Indonesiern gefunden, die von den Militärkräften des Regimes exekutiert worden waren (vgl. Taylor, 2004). Kinderarbeit und Sklavenarbeit ist in den „sweatshops“ der Wertschöpfungskette von multinationalen Unternehmen immer wieder aufgetreten (vgl. Bales, 2005). Diese inakzeptablen Arbeitsbedingungen stellen jedoch nicht nur ein Problem in Entwicklungsländern dar, sondern können teilweise auch in Industrieländern beobachtet werden. Als Konsequenz dieser Entwicklung werden einige multinationale Unternehmen als Symbol der negativen Auswüchse des Kapitalismus im 21. Jahrhundert angesehen (vgl. Beaver, 2005). Wal-Mart z.B. wurde von einer Klagewelle überzogen, welche die Diskriminierung von Frauen und miserable Arbeitsbedingungen betraf, daneben aber auch die Ausbeutung illegaler Einwanderer und die Verletzung von Kinderarbeitsgesetzen selbst in den USA. In Ländern wie China ist Wal-Mart angeblich immer noch an der Ausbeutung von Arbeitern beteiligt, die unter „Sweatshop-Bedingungen“ schuften müssen (vgl. Hightower, 2002). Während der „Raubritter-Kapitalismus“ des 19. Jahrhunderts durch die vorherrschende Ideologie des Darwinismus gebilligt wurde, führte die Freihandelsdoktrin einiger Ökonomen (z.B. Irwin, 2002; Krauss, 1997; Norberg, 2003) zu einer ganz ähnlichen Rechtfertigung des Unternehmensverhaltens. Krauss (1997, S. 51) beispielsweise argumentiert, dass „the way to help poor people abroad is to open our markets to them not to force them to adopt … human rights standards“. Martinez-Mont (1996) vertritt die Meinung, dass es besser sei, einen lausigen Job zu haben als gar keinen.
4.2 Die Lichtseite Die Zunahme dieser neuen „robber barons“ fordert zu einer Stellungnahme heraus. Die Globalisierung führt zu einer Neuverteilung der Regulierungsmacht zwischen nationalstaat-
12 lichen Regierungen, ökonomischen Akteuren und der Zivilgesellschaft (vgl. Mathews, 1997). Der verringerte Einfluss staatlicher Akteure auf Unternehmen wird zumindest teilweise durch die Schaffung eines zivilgesellschaftlichen Bewusstseins kompensiert. Der Begriff „Globalisierung von unten“ (Beck 2000, S. 68) beschreibt den wachsenden Einfluss zivilgesellschaftlicher Akteure auf die Entscheidungsprozesse in Regierungen und Unternehmen. Die wachsende Transparenz von Unternehmensaktivitäten, forciert durch das Internet und das Engagement kritischer Medien, führt dazu, dass sich zivilgesellschaftliche Aktivitäten vermehrt gegen Unternehmen richten (vgl. Dryzek, 1999; Klein et al., 2004). Deren Geschäftspraktiken werden misstrauisch geprüft (vgl. Spar und La Mure, 2003), gleichzeitig sehen sich die Unternehmen wachsenden Ansprüchen (vgl. Walsh et al., 2003) und veränderten Legitimitätsbedingungen (vgl. Scherer und Palazzo, 2006) ausgesetzt. Angesichts des zunehmenden Drucks gesellschaftlicher Erwartungen haben manche „Global Player“ begonnen, ihr soziales Engagement auszubauen. Viele unternehmerische Aktivitäten dringen in Bereiche vor, welche ursprünglich im politischen Verantwortungsbereich staatlicher Akteure angesiedelt waren (vgl. Walsh et al., 2003). Unternehmen starten Menschenrechtsinitiativen (vgl. Matten und Crane, 2005) wie die „Business Leaders Initiative on Human Rights“ von British Petroleum, ABB und anderen Unternehmen, sie engagieren sich im öffentlichen Gesundheitswesen, bekämpfen AIDS (vgl. Rosen et al., 2003), Unterernährung (vgl. Margolis und Walsh, 2003), oder übernehmen Verantwortung für die Schaffung von Frieden und Stabilität in ihrem Einflussbereich (vgl. Ford und Schipani, 2004). Darüber hinaus haben sie begonnen, sich in staatsübergreifenden Selbstregulierungsinitiativen zu engagieren, um das entstandene Regulierungsvakuum durch Beteiligung an Global-Governance-Initativen zu füllen (vgl. Scherer und Smid, 2000; Scherer et al., 2006). Diese Aktivitäten greifen weiter als die in der etablierten CSR-Diskussion vorgebrachten Argumente, die von einer funktionierenden Arbeitsteilung zwischen staatlichen und privaten Akteuren ausgeht (dazu kritisch Scherer und Palazzo, 2007). Während das herkömmliche Verständnis von gesellschaftlicher Verantwortung immer noch auf der isomorphen Anpassung der Unternehmung an gesellschaftliche Erwartungen und den (vermeintlich) kohärenten Anforderungen moralischer und gesetzlicher Standards beruht (z.B. Strand, 1983), so beginnen in der Praxis viele Unternehmen damit, diese Standards im Rahmen einer politisch ausgeweiteten Verantwortlichkeit überhaupt erst zu definieren (vgl. Scherer et al., 2006) und deren Legitimität in deliberativen Prozessen mit den verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen und staatlichen Institutionen zu prüfen (vgl. Palazzo und Scherer, 2006).
5 Die Suche nach einer Neukonzeption der politischen Rolle von Unternehmen Als Nachhall auf Walshs Plädoyer, über die Grenzen der herkömmlichen Managementforschung zu blicken, sowie Dubbinks (2004) Aufruf, die Interaktionen zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft neu zu interpretieren, haben beispielsweise Matten und Crane (2005) vorgeschlagen, auf neue Erkenntnisse der Diskussion im Bereich der politischen Theorie zurückzugreifen und Unternehmen als politische Akteure zu modellieren. Diese sind verantwortlich dafür, soziale Rechte bereitzustellen (manche Unternehmen befassen sich z.B. mit der Gesundheitsfürsorge), private Rechte zu ermöglichen (manche Unterneh-
13 men schützen beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung der Arbeiter oder Gewerkschaften in Ländern mit repressiven Regimes) und politische Rechte voranzutreiben (manche Unternehmen beteiligen sich z.B. an einer Selbstregulierung). Manche Unternehmen verhalten sich als „corporate citizens“ und nehmen eine staatsähnliche Rolle ein, indem sie Bürgerrechte ermöglichen und öffentliche Güter in den Ländern bereitstellen, in denen sie tätig sind. Diese politischen Aktivitäten der Unternehmen dürfen jedoch nicht auf strategische Überlegungen reduziert werden, das politische System im Sinne der Unternehmen zu instrumentalisieren. Das strategische Eingreifen von Unternehmen in nationalstaatliche Regelsetzungssysteme würde die Regelungskapazität des Staatssystems noch weiter untergraben und damit dessen Legitimität weiter schwächen. Wie Robert Dahl (1998, S. 73) anmahnt: „To govern a state … requires incorruptibility, a firm resistance to all the enormous temptations of power, a continuing and inflexible dedication to the public good rather than benefits for oneself or one’s group“ (Auf die Hervorhebung im Original wurde hier verzichtet).
Daher verstehen wir die politische Rolle der Unternehmen als eine Beteiligung am deliberativen und demokratischen Willensbildungsprozess, wie sie auch in der Politikwissenschaft und Demokratietheorie erörtert wird. Es scheint, dass diese neue Rolle der Unternehmen in der Gesellschaft Theorien berücksichtigen muss, die außerhalb des gängigen Forschungsfelds der Managementtheorien liegen. Wir plädieren daher für einen Paradigmenwechsel innerhalb der CSR-Debatte und bauen auf den neuen Erkenntnissen der politischen Theorie, der Politikwissenschaft (internationale Beziehungen), der Rechtswissenschaft sowie einigen unorthodoxen CSR-Ansätzen auf, um einige Grundannahmen der Rolle der Unternehmen in der Gesellschaft kritisch zu überdenken und um eine Alternative zu den gängigen ökonomischen Erklärungsansätzen aufzuzeigen. Einige Forscher sind vor dem Hintergrund der kulturellen und institutionellen Folgen der Globalisierung für Regierungs-, Wirtschafts- und zivilgesellschaftliche Akteure dazu übergegangen, die Rolle der (transnationalen) Unternehmung in der Gesellschaft neu zu definieren. Die diskutierten Ansätze sind äußerst wichtig für die zukünftige Theorieentwicklung im CSR-Bereich, da sie die oben beschriebenen politischen Aktivitäten von Unternehmen mit einschließen, erläutern und weiter ausführen. Hinzu kommt die Relevanz für die Theorieentwicklung im Bereich des internationalen Managements, in der die Rolle der Unternehmen immer noch auf einer ökonomischen Theorie der Firma fußt, wie auch auf der strikten Trennung der politischen von der ökonomischen Sphäre (siehe z.B. Henderson, 2004; Hennart, 2001; Rugman, 2000). Das Forschungsgebiet des internationalen Managements hat gerade erst begonnen, die Folgen der Globalisierung für die politische Rolle der Unternehmen in der Welt zu diskutieren (siehe z.B. Chandler und Mazlish, 2005; Kobrin, 2001; Roach, 2005).
6
Ein neues Paradigma gesellschaftlicher Verantwortung in der globalisierten Welt
Als Antwort auf die Phänomene der Globalisierung und der postnationalen Konstellation schlagen wir eine neue politische Rolle ökonomischer Akteure vor, die über das bloße Einhalten von Gesetzesstandards und moralischer Regeln hinausgeht (vgl. hierzu und zum Folgenden Scherer und Butz, 2009, S. 747 ff.). Unternehmen sollen politische und gesell-
14 schaftliche Verantwortung übernehmen und – bis zu einem gewissen Grad – sowohl die ökonomische Rationalität ihres Gewinnstrebens als auch die Erwartungen ihres gesellschaftlichen Umfelds transzendieren. Manche Unternehmen haben bereits begonnen, vermehrt politische Verantwortung zu übernehmen, um auf gesellschaftliche Herausforderungen zu reagieren, die ursprünglich im staatlichen Verantwortungsbereich angesiedelt waren. Anstatt sich an diese sozialen Erwartungen nur anzupassen, müssen sie sich am politischen Dialog beteiligen mit dem Ziel, die Maßstäbe legitimen Wirtschaftens (neu) zu setzen. Die Forschungslandschaft im Bereich der CSR ist jedoch konzeptionell noch nicht in der Lage, auf diese neuen Herausforderungen angemessen zu reagieren. Wir schlagen daher zur Weiterentwicklung der CSR-Debatte im wissenschaftlichen und praktischen Bereich einen Paradigmenwechsel vor.
6.1 Governance: Von der Dominanz ökonomischer Rationalität hin zu ihrer Domestizierung mittels neuer Formen der globalen Steuerung Die gegenwärtige theoretische CSR-Debatte ist geprägt von einer rein ökonomischen Betrachtungsweise der Unternehmen und einer instrumentellen Behandlung von CSRProjekten (vgl. z.B. Jones, 1995). Der „stakeholder management approach“ (vgl. z.B. Agle et al., 1999; Frooman, 1999; Mitchell et al., 1997) ebenso wie der weithin akzeptierte Ansatz, CSR mit dem empirischen Argument, dass soziale Performance zur finanziellen Performance beiträgt (vgl. z.B. Berman et al., 1999; Aupperle et al., 1985; dazu kritisch Vogel, 2005), zu rechtfertigen, zeugen von der Betonung der zugrunde liegenden ökonomischen Rationalität in der gegenwärtigen CSR-Debatte. Aus dieser Perspektive wird CSR zu einem „Business Case“ reduziert, d.h. das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen wird als Investition gesehen und daher ähnlich betrachtet wie Investitionen in andere Produkteigenschaften, z.B. Qualität, Service oder Reputation, welche zur Gewinnmaximierung einer Unternehmung beitragen (vgl. McWilliams und Siegel, 2001). Das Verhalten einer Unternehmung ist auf die Gewinnmaximierung ausgerichtet, und dies ist gerechtfertigt, solange sie sich an die vom Staat und der Zivilgesellschaft gesetzten Spielregeln und moralischen Anforderungen hält. Implizit wird dabei von einer funktionierenden „unsichtbaren Hand“ ausgegangen, die private Interessen und das gesellschaftlich wünschenswerte Gesamtergebnis in Einklang bringt. Die dabei unterstellte staatliche Regelsetzungs- und Durchsetzungsfähigkeit nimmt jedoch im Zuge der Globalisierung ab. Wir beobachten Staatsversagen in vielerlei Hinsicht (mangelnde Bereitstellung öffentlicher Güter, Regulierungslücken, mangelnde Durchsetzungsfähigkeit, unzureichende Vorsorgemaßnahmen bei Marktexternalitäten). Weiter kommt es angesichts der Individualisierung und Pluralisierung von Normen und Werten zu einer Verwässerung moralischer Standards unternehmerischen Handelns; diese verlieren dadurch ihre bindende Kraft. Unter diesen Umständen führt die ausschließliche Fokussierung auf den ökonomischen Imperativ nicht notwendigerweise zu einer Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt. Daher müssen neue Formen der politischen Steuerung in Betracht gezogen werden, um die politische Ordnung mittels neuer demokratischer Institutionen und Verfahrensweisen wieder herzustellen (vgl. Scherer und Palazzo, 2007). In der Tat lässt sich eine neue Form der transnationalen Regulierung beobachten, welche aus einem intensivierten Engagement gesellschaftlicher Bewegungen und wachsenden Aktivitäten interna-
15 tionaler Institutionen hervorgeht. Diese Definition und Implementierung von Verhaltensstandards mit globaler Tragweite wird auch „Global Governance“ genannt. Dabei sind es nicht nur öffentliche Akteure, wie nationale Regierungen oder internationale Institutionen (wie z.B. UN, ILO oder OECD), sondern auch private Akteure wie Nichtregierungsorganisationen (NGOs), zivilgesellschaftliche Gruppierungen und eben auch Unternehmen, die als Schlüsselakteure zu einer neuen Weltordnung beitragen können (vgl. Scherer et al., 2006). Die Problemfelder einer Global Governance werden im Bereich der Politikwissenschaft und der internationalen Beziehungen thematisiert, hier geht es vor allem um die konkrete Ausgestaltung von „private-public-policy“-Netzwerken bei der Steuerung von internationalen Angelegenheiten (z.B. Grimsey und Lewis, 2004; Reinicke und Deng, 2000). Forscher auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen betonen, dass in vielen Bereichen der globalen Regelsetzung und der Produktion öffentlicher Güter weder nationalstaatliche Verwaltungen noch internationale Institutionen das Wissen und die Fähigkeit haben, diese Problembereiche zu lösen (vgl. Braithwaite und Drahos, 2000). Anstatt sich daher nur auf staatliche Akteure und internationale Institutionen wie die UN, die ILO oder die WTO alleine zu konzentrieren, haben Politikwissenschaftler mittlerweile die wichtige Rolle der NGOs und der privaten Unternehmen erkannt, die diese im Rahmen einer Global Governance übernehmen (vgl. Risse, 2002; Ruggie, 2004). Fung (2003) beispielsweise argumentiert, dass transnationale Herausforderungen wie die Sicherstellung von Arbeitsstandards in einem Prozess der dezentralen Deliberation stattfinden sollen, welcher NGOs, internationale Institutionen, Unternehmen, Arbeiter und Konsumenten daran beteiligt (siehe auch Young, 2004). Dies könnte auch auf andere Politikbereiche übertragen werden, wie die Einhaltung der Menschenrechte, Korruptionsbekämpfung, Gesundheitswesen oder Bildung (vgl. Kaul et al., 2003). In diesen globalen Politikfeldern könnte die Beteiligung privater und öffentlicher Akteure dazu beitragen, einen Interessenausgleich zu schaffen, verfügbares Wissen und Ressourcen zu bündeln und die Kompetenz bereitzustellen, um Standards zu entwickeln und durchzusetzen. Diese verschiedenen Vorschläge gehen einher mit einem geschärften Bewusstsein der Rolle der diskursiven Interaktionen, die diese bei der Institutionalisierung internationaler Normen spielen (vgl. Crawford, 2002; Risse, 2004). Bei seiner Analyse der Institutionalisierung der Menschenrechte in Entwicklungsländern zeigt Risse (1999), dass viele repressive Regimes einen strategischen Standpunkt einnehmen und der kritischen Öffentlichkeit Lippenbekenntnisse servieren, während sie gleichzeitig Menschenrechtsverletzungen leugnen und behaupten, dass sich staatliche Entscheidungsträger gemäß international anerkannter Standards verhalten. Sobald sie jedoch beginnen, sich mit der Kritik auseinander zu setzen, finden sich diese Regierungen in einem Prozess der „argumentativen Selbstverstrikkung“ (Risse, 1999) wieder, da nun ihr aktuelles Verhalten im Vergleich zu den propagierten Aussagen bewertet wird. Ganz ähnliche Vorgänge können sich nun in der privaten Wirtschaft abspielen, wenn Unternehmen auf Anschuldigungen wie Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung gesellschaftlicher Probleme oder Umweltschäden mittels strategischer PR-Maßnahmen reagieren. Diese Unternehmen publizieren oft schön formulierte Pressemitteilungen, CSR-Reports oder Codes of Conduct, während die eigentlichen Geschäftsprozesse unangetastet bleiben. Wenn sie sich jedoch erst einmal auf die Einhaltung gewisser Standards und Regelungen öffentlich verpflichtet haben, so wird das Unternehmensverhalten von NGOs und der kritischen Öffentlichkeit eingehend geprüft. Das zwingt die Manager in den Unternehmen zunehmend, ihre Praktiken an den selbst erstellten Rege-
16 lungen auszurichten. Zadek (2004) beschreibt diesen Prozess des Lernens in Organisationen als „path toward corporate social responsibility“ und veranschaulicht seine Theorie anhand des Fallbeispiels Nike. Er schlussfolgert, dass in vielen Fällen eine originär strategische Verhaltensweise von Unternehmen durch einen umfassenden Institutionalisierungsprozess, verbunden mit einer intrinsischen Motivation für öffentliche Belange, abgelöst wird. 6.2 Gesetzgebung: von staatlicher Regelsetzung, formellen Bestimmungen und Durchsetzungen hin zur Selbstregulierung, „soft law“ und freiwilligem Handeln Der apolitische Ansatz basiert auf einem intakten nationalstaatlichen Regierungssystem mit einer ordnungsgemäßen Durchsetzung formeller Regeln und Gesetze mittels des Gesetzgebungs- und Verwaltungsapparats. Unternehmen halten sich freiwillig an die Spielregeln oder werden dazu durch ein System der Steuerung und Kontrolle gezwungen (vgl. Parker und Braithwaite, 2003). Auf globaler Ebene bewegen sich viele multinationale Unternehmen jedoch in einem Regulierungsvakuum, da die internationale Gesetzgebung keine direkte Verpflichtung für Unternehmen beinhaltet. Die internationale Gesetzgebung reglementiert vielmehr zwischenstaatliche Beziehungen und schließt das Verhalten privater Akteure nicht mit ein (vgl. Kingsbury, 2003). Diese Bedenken führen Politik- und Rechtswissenschaftler angesichts der Grenzen dieses Ansatzes ins Feld. In der Rechtswissenschaft gibt es Überlegungen, internationale Rechtsordnungen nicht nur auf staatliche, sondern auch auf unternehmerische Akteure anzuwenden (vgl. Dine, 2005; Kinley und Tadaki, 2004; Vagts, 2003; Weissbrodt und Kruger, 2003), oder auch den Einflussbereich nationaler Gesetzgebung auf Unternehmen auszuweiten, die außerhalb des nationalen Territoriums Menschenrechtsverletzungen begehen (vgl. Taylor, 2004). Hierbei liegt der Fokus auf dem Fehlverhalten global agierender Unternehmen. Andere Forscher streichen den Beitrag nichtstaatlicher Akteure heraus, den diese im Prozess der Legalisierung leisten; dies betrifft das Verfahren, Normen und Institutionen in einen Gesetzestext zu gießen (siehe z.B. Goldstein et al., 2000; Parker und Braithwaite, 2003). Manche Forscher betonen den nicht unbedeutenden Beitrag, den private Unternehmen leisten können, um den Schutz der Menschenrechte weiter voranzutreiben (vgl. Kinley und Tadaki, 2004; Orentlicher und Gelatt, 1993) oder den Frieden zu wahren (vgl. Dunfee und Fort, 2003; Fort und Schipani, 2004). Auch wenn in vielen Teilen der Welt staatliche Autoritäten und internationale Institutionen nicht in der Lage sind, diese Themen anzugehen, so können doch private Unternehmen zu deren Verdeutlichung und Institutionalisierung beitragen, um Räume zu schaffen für die gesellschaftliche und gesetzliche Entwicklung. Dies betrifft auch andere Bereiche, wie z.B. Umweltthemen, gesellschaftliche Problembereiche, Arbeitsstandards und Antikorruptionsmaßnahmen. Unternehmen beteiligen sich am Entwicklungsprozess der Selbstregulierung oder eines „soft law“ in Fällen, in denen die staatliche Entscheidungsgewalt nicht willig oder fähig ist, diese Problematiken anzugehen (siehe z.B. Mörth, 2004; Shelton, 2000). In der Rechtswissenschaft wird daher eine Neukonzeption des Regulierungsbegriffs diskutiert, die privaten Akteuren eine tragende Rolle zuweist, nicht nur als Adressaten dieser Regeln, sondern als deren aktive Mitgestalter (vgl. Parker and Braithwaite, 2003). Zwischen „hard law“ und „soft law“ liegt jedoch eine enorme Bandbreite (vgl. Goldstein et al. 2000; Shelton, 2000). Die verschiedenen CSR-Initiativen und Institutionen unterscheiden sich in vielfältiger Weise. Für die internationale Gesetzgebung schlagen Abbott
17 et al. (2000) das neue Konzept der „Legalisierung“ vor, verbunden mit einer empirischen Überprüfung der verschiedenen „soft law“-Initiativen und Institutionen in Bezug auf deren Grad der Verbindlichkeit, also ob und in welchem Ausmaß die beteiligten Akteure von einer Regel oder Übereinkunft verpflichtet werden, den Grad ihrer Genauigkeit, d.h. inwiefern diese Regeln „unambiguously define the conduct they require, authorize, or proscribe“ (Abbott et al., 2000, S. 17), und den Grad der Bevollmächtigung, d.h. ob und wie „third parties have been granted authority to implement, interpret, and apply the rules; to resolve disputes; and (possibly) to make further rules“” (ebenda, S. 17). Obwohl sich die Autoren mit ihrem Beitrag nicht direkt an Unternehmen richten, so könnte das Framework doch geeignet sein, die verschiedenen freiwilligen CSR-Initiativen der Unternehmen zu untersuchen. Die Diskussion in der Rechtswissenschaft zur politischen Rolle der Unternehmen beinhaltet auch nachgelagerte Aspekte wie Legitimitätsprobleme politisch aktiver Unternehmen (vgl. Orts, 1995) und die Demokratisierung globaler und unternehmerischer Governance-Strukturen (siehe z.B. Parker, 2002). Wir wenden uns zuerst dem Legitimitätsproblem zu und befassen uns später mit dem Demokratieproblem.
6.3 Legitimität: Von einer kognitiven und pragmatischen hin zu einer moralischen (argumentativen) Legitimität Die Frage der Legitimität von Organisationen wurde in der Managementliteratur schon des Öfteren gestellt (vgl. Ashfort und Gibbs, 1990; Suchman, 1995; Suddaby und Greenwood, 2005). Auch in der Politikwissenschaft wird diese Frage im Rahmen der Analyse des Beitrags privater Akteure zu einer Global Governance und der Legitimität einer „governance beyond the state“ (Wolf, 2005; siehe auch Hurd, 1999) aufgeworfen. Die Politikwissenschaft unterscheidet zwischen einer Output-Legitimität (das Verhalten oder eine Institution dient einer Problemlösung), einer Input-Legitimität (ein Akteur oder eine Institution ist formell befugt oder als Handlungsinstanz anerkannt) sowie einer prozeduralen Legitimität (das Verhalten oder die Institution ist das Ergebnis eines formalisierten Prozesses) (vgl. Scharpf, 1997, 1999). Mit Hilfe von operationalen Kriterien (vgl. Wolf, 2005) wird versucht, die Legitimität von Institutionen oder Verhaltensweisen objektiv zu „messen“. Wir folgen jedoch einem Legitimitätsbegriff, wie er auch in der Organisationsforschung verwendet wird, der weniger ein objektives Konstrukt als vielmehr das Ergebnis einer sozialen Konstruktion darstellt, die von der gesellschaftlichen Entwicklung beeinflusst wird (vgl. Berger und Luckmann, 1996). Die Legitimität wirtschaftlicher Verhaltensweisen hängt zunächst einmal davon ab, ob dieses Verhalten gesellschaftlichen Regeln, Normen und Traditionen entspricht (vgl. dazu Oliver, 1996; Suchman, 1995). Laut Suchman kann diese Legitimierung auf drei verschiedenen Quellen basieren (vgl. Suchman, 1995). Sie kann entstehen, wenn das Verhalten der Organisation (mehr oder weniger unbewusst) als unabdingbar und notwenig angesehen wird und wenn die Akzeptanz auf allgemein geteilten und gegebenen Annahmen beruht (kognitive Legitimität). Organisatorische Legitimität kann aber auch auf dem Kalkül eigennütziger Individuen basieren, die den Verhaltensweisen von Organisationen eine Legitimität beimessen, solange sie von ihren Ergebnissen profitieren (pragmatische Legitimität). An anderer Stelle haben wir argumentiert, dass beide Formen der Legitimität unter den Bedingungen der Globalisierung unter Druck geraten (vgl. Palazzo und Scherer, 2006).
18 Angesichts des Versagens staatlicher Institutionen und einer ungleichen Verteilung der Globalisierungsgewinne kommen mehr und mehr Individuen zu dem Schluss, dass sie nicht genügend am globalisierten Wirtschaftssystem und dem generierten Ertrag der Unternehmen teilhaben. Dies führt zu einem Verlust an pragmatischer Legitimität. Gleichzeitig erodiert der gesellschaftliche Konsens über Fragen der Moral, Werte und eines angemessenen Lebensstils. Was einst als selbstverständlich hingenommen wurde, bietet nun Anlass zur Diskussion. Dies betrifft nicht nur die gesellschaftlichen Normen individuellen Verhaltens (Analyse der Mikroebene), sondern vielmehr das Gesellschaftssystem als Ganzes. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems wurde für einige Zeit das liberale Modell der gesellschaftlichen Integration als selbstverständlich angesehen. „Es gibt keine Alternative“, war das fast unwidersprochene Mantra der Neoliberalen und -konservativen zur Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion. Der Kapitalismus und das liberale Politikmodell wurden als „the end point of mankind’s ideological evolution“ (Fukuyama, 1989, S. 4) angesehen. Im Zuge des Staats- und Marktversagens sowie unbestreitbarer negativer Folgeerscheinungen des Marktaustausches und der globalen Wirtschaft werden die Probleme eines liberalen Wirtschaftssystems und die Unternehmen als Hauptdarsteller dieser Ordnung zunehmend hinterfragt. Dies führt zu einem signifikanten Verlust der kognitiven Legitimität, sowohl bei den Institutionen einer kapitalistischen und liberalen Demokratieordnung als auch bei den Unternehmen selbst. Aufgrund des Rückgangs der pragmatischen und kognitiven Legitimität wird daher von Unternehmen immer häufiger verlangt, eine dritte Form der Legitimität aufzubauen, jene der moralischen Legitimität (vgl. Suchman, 1995). Diese bezieht sich auf Moralvorstellungen über den Ertrag, die Prozesse, die Strukturen und Führungskräfte eines Unternehmens. Die moralische Legitimität wird gesellschaftlich und argumentativ durch die Suche nach Begründungen bestimmter Verhaltensweisen oder Institutionen konstruiert und spiegelt sich damit in den Diskursen zwischen der Unternehmung und der betroffenen Öffentlichkeit selbst wider. Im Gegensatz zur ökonomischen Logik der pragmatischen Legitimität reflektiert sie eine „prosocial logic that differs fundamentally from narrow selfinterest“ (Suchman, 1995: 579). Im Unterschied zu einer unbewussten Internalisierung kognitiver und institutioneller Logiken als Basis einer kognitiven Legitimität verlangt die moralische Legitimität die explizite Betrachtung der Legitimität kapitalistischer Mechanismen und Unternehmensaktivitäten; dies unter Anerkennung der Interessen und Argumente vieler Akteure, die von einem kapitalistischen System betroffen sind. Die moralische Legitimität ist daher das Ergebnis eines kommunikativen Prozesses und basiert letztlich auf dem „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ (Habermas, 1996a, S. 185), welches vorgetragen wird, und beruht nicht so sehr auf der Macht der an diesem Prozess beteiligten Akteure.
6.4 Demokratie: von einer liberalen zu einer deliberativen Demokratie Die wachsende politische Betätigung von Unternehmen führt nicht nur zu unmittelbaren Legitimitätsproblemen von unternehmerischen Aktivitäten, sondern stellt auch einige Grundannahmen einer liberalen und kapitalistischen Gesellschaftsordnung in Frage, so die Trennung der politischen von der ökonomischen Sphäre (vgl. Barley, 2007; Palazzo und Scherer, 2008; Scherer und Palazzo, 2007). Die soeben genannten Paradigmenwechsel
19 müssen nun verbunden und in ein neues Verständnis einer demokratischen Gesellschaft eingebettet werden. Ein Legitimationsdefizit tritt auf, sofern sich private Unternehmen in das politische System einschalten und versuchen, Regeln und Gesetze mit zu bestimmen. In marktwirtschaftlichen Gesellschaften sind Unternehmen zunächst einmal angehalten, ihr Gewinnstreben innerhalb der vorgegebenen Spielregeln zu verfolgen, nicht aber die politische Bühne selbst zu betreten (vgl. Friedman, 1962). Der oben erwähnte argumentative Legitimitätsanspruch könnte aber gerade eine Maßnahme zur Schließung der entstehenden Legitimitätslücke darstellen. Es ist jedoch unklar, wie und in welchem Ausmaß dieser Anspruch in das Konzept demokratischer Steuerung in der modernen Gesellschaft integriert werden kann. Ein Überblick über die Demokratiemodelle der politischen Philosophie zeigt, dass das vorherrschende liberale Demokratiemodell zu einer Lösung unseres Problems wenig beitragen kann (vgl. z.B. Habermas 1996a, 1996b; Moon et al., 2005; Scherer und Palazzo, 2007). Wie bereits erwähnt, gründet das liberale Modell der Demokratie auf einer strikten Trennung zwischen nationalstaatlicher Politik einerseits und der Verfolgung individueller (ökonomischer) Ziele andererseits. Die Aufgabe des Staates besteht darin, die Spielregeln zu setzen und in privatwirtschaftliche Angelegenheiten und damit in die persönliche Freiheit nur dann einzugreifen, wenn es unvermeidbar ist. Der liberale Bürger verfolgt eigene Interessen im ökonomischen und politischen Bereich und wird in diesem Rahmen entsprechend modelliert. Die politische Grundordnung stellt einen juristischen und verwaltungstechnischen Apparat für private Unternehmen bereit, so dass Privateigentum und Verträge geschützt sind und die individuelle Freiheit gegenüber dem Staat und den Mitbürgern gewährleistet ist. Die Legitimität der politischen Ordnung und ihrer Entscheidungsträger wird gestützt durch die Einhaltung der Gesetze und kontrolliert durch Parlamentarier und regelmäßige Wahlen, in denen die Bürger ihren Präferenzen mittels des Wahlsystems, der Aggregierung von Wählerstimmen und der Repräsentanz Ausdruck verleihen (vgl. Elster, 1989). Private Unternehmen sind damit im Gegensatz zum politischen System kein Gegenstand der unmittelbaren demokratischen Kontrolle. Vielmehr wird argumentiert, dass sich die Legitimität der Unternehmen aus der Legitimität des politischen Systems selbst ableiten lasse, solange private Unternehmen die Spielregeln befolgen, die Gesetze nicht übertreten und in den politischen Entscheidungsprozess nicht direkt eingreifen (vgl. Peters, 2004). Wir schlagen stattdessen ein alternatives demokratisches Politikmodell vor, welches in der Lage ist, das argumentative Verfahren der Legitimitätsbildung zu integrieren sowie politische Aktivitäten in den demokratischen Willensbildungs- und Kontrollprozess einzubetten (vgl. Scherer und Palazzo, 2007). Die direkte und unmittelbare Anwendung der diskursethischen Argumentationsregeln auf den politischen Entscheidungsprozess in Nationalstaaten oder im Bereich der „Global Governance“ überdehnt jedoch gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Diskursregeln (vgl. Habermas 1996a, 1996b). Es erscheint unrealistisch, von einem globalen demokratischen Gemeinwesen auszugehen, dessen Bürger in argumentative Dialoge eingebunden sind; ebenso ist es utopisch, den politischen Prozess als transparent, umfassend, nicht-persuasiv und machtfrei zu betrachten (vgl. Elster, 1986; Fung, 2003). Die politische Realität sieht anders aus: Mangelnde Transparenz, Ausschluss von Meinungen und Interessen, „Expertokratie“ und die Machtkonzentration in den Händen von Eliten sind typische Mängel des demokratischen politischen Prozesses auf nationalstaatlicher wie internationaler Ebene.
20 Deshalb benötigen wir eine Demokratiekonzeption, die die Legitimität auch unter diesen suboptimalen Bedingungen sicherstellen kann (vgl. Fung, 2005). Diese Konzeption muss auch in der Lage sein, den Beitrag staatlicher und nichtstaatlicher Akteure zur „Global Governance“ anzuerkennen, sowohl im herkömmlichen institutionalisierten Prozess staatlicher Politik als auch abseits davon im Prozess der öffentlichen Deliberation. Die Theorie der deliberativen Demokratie könnte eine fruchtbare Grundlage für ein solches Konzept politischer Verantwortung sein. Im liberalen Demokratiemodell sind Unternehmen nicht unmittelbar Gegenstand demokratischer Mitentscheidung und Kontrolle, wohingegen im deliberativen Modell davon ausgegangen wird, dass Unternehmen gleichermaßen wie staatliche Akteure dem gesellschaftlichen Selbstbestimmungsprozess ausgesetzt sein sollten (vgl. Gutmann und Thompson, 1996; 2004). Die schwindende Fähigkeit des politischen Systems, Unternehmen mittels gesetzlicher Regelungen und staatlicher Administration zur Rechenschaft zu ziehen, führt notwendigerweise zu einer Suche nach alternativen Kontrollmechanismen über die territorialen und institutionellen Grenzen des Nationalstaates hinaus. Die deliberative Idee einer Stärkung der Beziehungen zwischen politischer Macht und gesellschaftlicher Deliberation baut auf der oben beschriebenen Dezentralisierung der Regierungsgewalt auf und berücksichtigt darüber hinaus die veränderte Dynamik zwischen dem Staat, der Wirtschaft und der Gesellschaft. Unternehmen werden auf zwei Arten politisch: Sie sind mit einem erweiterten Verständnis von Verantwortung ausgestattet und arbeiten im politischen Problemlösungsprozess mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren bei der Lösung sozialer und ökologischer Probleme zusammen. Darüber hinaus unterwerfen sie ihre zunehmende Macht und ihren politischen Einfluss einem demokratischen Kontroll- und Legitimierungsprozess. Wir schlagen daher vor, dass die politische Legitimität nicht ausschließlich vom Ergebnis des politischen Prozesses und dem Nutzen für die Bürger abhängt, wie das im Konzept der Output-Legitimität (vgl. Scharpf, 1997, 1999) oder der pragmatischen Legitimität (vgl. Suchman, 1995) vorgeschlagen wird, sondern vielmehr von der argumentativen Einbeziehung der Bürger in den Entscheidungsprozess (vgl. Risse, 2004). Dieser alternative Ansatz einer liberalen Demokratiekonzeption nennt sich deliberative Demokratie (vgl. Bohman und Rehg, 1997; Cohen und Arato, 1994; Gutman und Thompson, 1996, 2004; Habermas, 1996a, 1996b). In diesem alternativen Ansatz wird demokratische Legitimität mittels einer verstärkten Verknüpfung der Entscheidungen in den politischen Institutionen und dem Prozess der öffentlichen Willensbildung – vorangetrieben durch Nichtregierungsorganisationen, zivilgesellschaftliche Bewegungen und andere Gruppierungen – geschaffen. Private Anliegen und Bedürfnisse der Bürger werden durch diese Gruppen erkannt, gebündelt, forciert und übermittelt (vgl. Habermas, 1996a). Um die steigende Anzahl an Konfliktfeldern zwischen Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Akteuren als ein Kernthema der gegenwärtigen Debatte zu verstehen (vgl. Dryzek, 1999; Matten und Crane, 2005; den Hond und de Bakker, 2007), kann eine gründliche Untersuchung des Forschungsfeldes in der politischen Theorie sinnvoll sein. Die politischen Aktivitäten von Unternehmen (oder ihrer Manager) werden in der traditionellen Sichtweise jedoch als Ausdruck ihrer eigennutzorientierten Motive verstanden (z.B. Hillman et al., 2004; Schuler und Rehbein, 1995). Politik wird auf Machtpolitik reduziert: „Nach liberaler Auffassung ist die Politik wesentlich ein Kampf um Positionen, die Verfügung über administrative Macht einräumen. Der politische Meinungs- und Willensbildungsprozess in
21 Öffentlichkeit und Parlament ist durch die Konkurrenz strategisch handelnder kollektiver Aktoren um den Erhalt oder den Erwerb von Machtpositionen bestimmt. Der Erfolg bemisst sich an der nach Wählerstimmen quantifizierten Zustimmung der Bürger zu Personen und Programmen. In ihrem Votum bringen die Wähler ihre Präferenzen zum Ausdruck. Ihre Wahlentscheidungen haben dieselbe Struktur wie Wahlakte erfolgsorientierter Marktteilnehmer. Sie lizenzieren den Zugriff auf Machtpositionen, um die sich die politischen Parteien in der gleichen erfolgsorientierten Einstellung streiten“ (Habermas, 1996b, S. 282).
Im Gegensatz dazu verwendet die gegenwärtige deliberative politische Theorie ein erweitertes Politikkonzept und beginnt mit der Annahme, dass das zivilgesellschaftliche Engagement von Identitäts- und Solidaritätsbestrebungen angetrieben wird, die beteiligten Akteure ihre eigennützigen Motive überwinden können und sich an einem Diskurs beteiligen, der auf gegenseitigem Verständnis beruht (Habermas, 1996a, 1996b). In einem neueren Beitrag argumentieren Rowley und Moldoveanu (2003), dass die Konflikte zwischen Unternehmen und NGOs oft durch gegensätzliche Ideologien angetrieben werden: die Interessenverfolgung seitens der Unternehmen und der Identitäts- und Solidaritätsbegriff der NGOs (siehe dazu auch den Hond und de Bakker, 2007). Die Suche nach einer erweiterten Fassung der Unternehmenspolitik könnte durch die gegenwärtige zivilgesellschaftliche Debatte im Bereich der politischen Theorie profitieren (siehe auch Scherer und Palazzo, 2007; Scherer et al., 2006).
6.5 Moral: Von einer empirischen oder philosophischen hin zu einer pragmatischen Begründung Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen kann, wie oben beschrieben, nicht empirisch durch den Beleg positiver Korrelationen zwischen sozialem Engagement und finanzieller Performance begründet werden. Ein empirischer Test ist nicht in der Lage, die normative Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft zu bestimmen; dies würde zu einem naturalistischen Fehlschluss führen (vgl. dazu kritisch Margolis und Walsh, 2003). Gleichzeitig ist es nicht möglich, die Verantwortung der Unternehmung theoretisch (gleichsam in einem monologischen Akt am Schreibtisch des Theoretikers) zu bestimmen. Aktuelle philosophische Diskussionen legen nahe, dass es vergeblich zu sein scheint, auf eine philosophisch abgeleitete (inhaltliche) Bestimmung und Begründung der sozialen Verantwortung der Unternehmung zu hoffen (vgl. Scherer und Palazzo, 2007; Steinmann und Scherer, 1998). Viele CSR-Konzepte basieren jedoch immer noch auf der Annahme, dass Unternehmen oder das gesellschaftliche Umfeld auf einem konsistenten Set moralischer Regeln oder sozialer Erwartungen beruhen. Dies wird offensichtlich, wenn Forscher im Gebiet der CSR vorschlagen, dass Unternehmen allgemeingültige gesellschaftliche Werte übernehmen (vgl. Swanson, 1999), ihre Verantwortung anhand von sozialen Erwartungen wahrnehmen (vgl. Carroll, 1979) oder im Einklang mit den Grundregeln der Gesellschaft (vgl. Friedman, 1970) agieren sollen. Diese Grundannahmen müssen jedoch überdacht werden. In einer globalisierten und postmodernen Welt beobachten wir einen zunehmenden Pluralismus an Normen, Moralia, Werten und Lebensstilen (vgl. Scherer und Palazzo, 2008b), so dass nicht mehr klar ist, auf welchen moralischen Grundwerten eine Gesellschaft ruht. Unter diesen Bedingungen können derartige Regeln einzig und allein mittels der dialogischen
22 Verständigung der Betroffenen begründet werden. Selbst in einem diskursiven Ansatz kann es jedoch schwierig oder gar unmöglich sein, diese universellen Regeln, „Hypernormen“ oder Prinzipien ein für allemal zu begründen (vgl. Habermas, 2001; Rorty, 1991). Daher lehnen wir einen universalistischen philosophischen Begründungsansatz ab und wenden uns der gesellschaftlichen Praxis als Begründungsbasis des Pragmatismus zu. Diese pragmatische Begründung hat ihren Ausgangspunkt in den unmittelbaren Praktiken des sozialen Lebens (vgl. Dewey, 1954), wo solche diskursiven Prozesse längst in Gang gekommen sind. Sie befürwortet eine erweiterte Sichtweise der CSR mit dem Argument, dass eine systematische Analyse der demokratischen Institutionen und deren Veränderungen möglicherweise verschiedene Aspekte der gegenwärtigen Debatte aufdecken, die von den dominierenden Ansätzen – aufbauend auf einer instrumentellen Sicht der Verantwortung oder einer normativen Analyse der individuellen sozialen Pflichten an der Schnittstelle zwischen Organisationstheorie und Moralphilosophie – vernachlässigt werden. Diese pragmatische Begründung baut auf Rortys Forderung auf, der demokratischen Praxis Vorrang vor der philosophischen Begründung einzuräumen (vgl. Rorty, 1991). Anstelle einer philosophischen Entwicklung normativer Prinzipien und deren Übertragung auf die reale Wirklichkeit gründet die pragmatische Begründung auf der Praxis als dem Ausgangspunkt aller philosophischen Überlegungen. Daher schlagen wir vor, anstelle abstrakter Prinzipien die unmittelbare Praxis heranzuziehen (siehe Steinmann, 2007; Steinmann und Scherer, 2000, 2003).
6.6 Stakeholder-Beziehungen: Von der bloßen Reaktion auf den Druck mächtiger Stakeholder hin zu einem pro-aktiven Engagement im demokratischen Prozess und die Lösung der Problematik öffentlicher Güter Das Hauptanliegen gesellschaftlicher Verantwortung in einer globalisierten Welt liegt weniger darin, auf die Forderungen relevanter Stakeholder-Gruppen einzugehen und die Beziehungen zu diesen Gruppierungen mittels PR-Maßnahmen und Stakeholder-Dialogen zu „managen“ (vgl. Agle et al., 1999; Mitchell et al., 1997). Vielmehr besteht die Herausforderung darin, sich am politischen deliberativen Prozess zu beteiligen mit der Zielsetzung, die Standards des „global business behavior“ (neu) zu setzen. Während sich das „stakeholder management“ mit der Internalisierung von Forderungen, Werten und Interessen der von den Unternehmensentscheidungen betroffenen Akteure befasst (vgl. Strand, 1983), verstehen wir gesellschaftliche Verantwortung als eine Auseinandersetzung der Unternehmung mit ökologischen und sozialen Herausforderungen wie z.B. Menschenrechte, globale Erwärmung oder Abholzung der Wälder (vgl. Scherer und Palazzo, 2007). Die zunehmende Politisierung der Unternehmen führt zu einer stärkeren Hinführung an öffentliche Diskurse (vgl. Teegen et al., 2004) und einer intensiveren Beteiligung an transnationalen politischen Entscheidungsprozessen sowie der Bildung von Global-Governance-Institutionen wie dem „Forest Stewardship Council“, dem „Marine Stewardship Council“ oder den zahlreichen Menschenrechtsinitiativen. Das pro-aktive politische Engagement von Unternehmen ist zweifellos für die Lösung der Problematik der Bereitstellung öffentlicher Güter geeignet, es ist gleichzeitig aber auch eine ernsthafte Herausforderung für die Demokratie. Wie können wir diese unternehmerischen Aktivitäten demokratisch kontrollieren (vgl. Barley, 2007; Palazzo und Scherer,
23 2008)? Das gesellschaftliche und politische Engagement stellt nicht nur ein Problem für die demokratische Kontrolle, sondern auch für die Effizienz des Marktaustausches in modernen Gesellschaften dar. Wie weit reicht unternehmerische Verantwortung? Es scheint fast so, dass ihr mit den neuen Ansätzen politischer CSR und „Corporate Citizenship“ keine Grenzen gesetzt sind (vgl. Scherer et al., 2006), damit besteht die Gefahr eines Effizienzverlustes im Wirtschaftssystem: „If we treat not only the individual but also companies as ,citizens‘ in the full political sense of the word, then we may loose the advantages in economic welfare which industrial societies have gained over the last centuries through what we call today systems differentiation, with each system having its own code of rationality“ (Steinmann, 2007, S. 23). Steinmann schlägt eine Begrenzung der unternehmerischen Verantwortung auf die friedliche Lösung der durch die Unternehmen verursachten Konflikte vor. Andere Autoren betonen das Argument der Systemdifferenzierung noch stärker und verweisen auf die strikte Trennung der privaten von der öffentlichen Sphäre in modernen Gesellschaften (vgl. Willke und Willke, 2008). Dies sind nur einige kritische Anmerkungen, denen sich ein Paradigmenwechsel in der CSR-Debatte in einer globalisierten Welt stellen muss. Die Forschung muss sich dieser Herausforderungen annehmen.
7
Schlussfolgerung
In der Tabelle 1 fassen wir einige Hauptmerkmale des politischen CSR-Ansatzes zusammen und stellen diese dem apolitischen CSR-Ansatz gegenüber. Dieser Vorschlag stellt nur einen erster Schritt dar, es verbleibt noch viel Arbeit, um diesen Ansatz weiter zu entwikkeln – hin zu einer neuen Theorie der Unternehmung, welche die politische Rolle von Unternehmen betont. Eine liberale Demokratie baut auf einer klaren Arbeitsteilung zwischen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft auf, in der die Wirtschaftsakteure von einer stabilen Rahmenordnung profitieren. Der Prozess der Globalisierung zieht die Effizienz und Legitimität dieser etablierten Rollen und Verantwortlichkeiten in Zweifel. Politische Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen sind nicht länger auf das politische System beschränkt, sondern vielmehr in einen dezentralisierten Prozess eingebettet, der auch nichtstaatliche Akteure wie NGOs und Unternehmen mit einschließt. Dieses neue Phänomen geht über das herkömmliche liberale Verständnis der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmung als ökonomischer Akteur hinaus. Auf der globalen Spielwiese müssen Unternehmen als ökonomische und politische Akteure mit den oben beschriebenen Konsequenzen für die gesellschaftliche Verantwortung verstanden werden.
24 Charakteristiken der beiden CSR-Ansätze
Modell der Governance Wichtigster politischer Akteur Bezugsrahmen der Governance Governancemodus Rolle der ökonomischen Rationalität Trennung der politischen von der ökonomischen Sphäre Rolle der Gesetzgebung Art der Regulierung Dominierende Verfahren Verpflichtungsgrad Präzisierung der Regeln Delegierung an Dritte Legitimität
Pragmatische Legitimität
Kognitive Legitimität Moralische Legitimität Demokratie
apolitischer CSR Ansatz
politischer CSR-Ansatz
Staat
Staat, Zivilgesellschaft, Unternehmen
national
global
Hierarchie Dominanz der ökonomischen Rationalität
Heterarchie Domestizierung der ökonomischen Rationalität
hoch
niedrig
staatliche Regulierung formelle Regeln, „hard law“ hoch (verpflichtend) hoch selten
Selbstregulierung informelle Regeln, „soft law“ niedrig (freiwillig) niedrig oft
hoch (Legitimierung des kapitalistischen Systems mittels Beitrag zur Bereitstellung öffentlicher Güter) hoch (homogene Wertvorstellungen werden als gegeben angenommen) niedrig
Politikkonzept
liberales Demokratiemodell Machtpolitik
Rolle des Bürgers
privater Bürger
Legitimität der Unternehmen
abgeleitet vom politischen System
Governancemodus
Shareholderorientierung
Demokratiemodell
mittel-niedrig (Kapitalistisches System gerät unter Druck, Marktversagen, Staatsversagen) mittel-niedrig (Individualismus, Pluralismus an Wertvorstellungen) hoch deliberatives Demokratiemodell deliberative Politik privater Bürger und Staatsbürger Unternehmensaktivitäten unterliegen der demokratischen Kontrolle demokratische Corporate Governance
25
Moralität und Philosophie moralische Verankerung philosophische Begründung Verhältnis zur Demokratie Stakeholder Beziehungen Relevante Stakeholder Art des Unternehmensengagements
kohärente Wertvorstellungen
Pluralismus an Wertvorstellungen
philosophisch abgeleitet
pragmatisch
Primat der Philosophie
Primat der Demokratie
Vorrang der mächtigen Stakeholder auf Druck reagierend
fallweise Auswahl proaktiv (Beteiligung am politischen Diskurs)
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33
Dirk Holtbrügge und Jonas F. Puck
Stakeholder-Netzwerke ausländischer Unternehmungen in Russland: Eine empirische Studie
1
Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau des Beitrags
2
Theoretische Grundlagen
3
Aufbau und Ablauf der empirischen Studie 3.1 Auswahl der Untersuchungseinheiten 3.2 Datenerhebung und -erfassung 3.3 Datenauswertung
4
Risiken ausländischer Unternehmungen in Russland
5
Stakeholder-Netzwerke deutscher Unternehmungen in Russland: Drei Fallstudien 5.1 Stakeholder-Netzwerk von Knauf 5.2 Stakeholder-Netzwerk von VEKA 5.3 Stakeholder-Netzwerk von Fresenius
6
Stakeholder-Netzwerke deutscher Unternehmungen in Russland: Fallübergreifende Analyse
7
Fazit und Implikationen
Literatur
35 1
Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau des Beitrags
Ausländische Unternehmungen in Russland sind einem hohen Risiko ausgesetzt (vgl. Mironov, 1999; Mau, 2002; Sekerin et al., 2003; Varnavskij, 2004). Die lange Zeit instabile politische Führung, die Transformation des sozialistischen in ein marktorientiertes Wirtschaftssystem und das erst im Aufbau befindliche unabhängige Rechtssystem erschweren langfristige und verlässliche Planungen und stellen Investoren immer wieder vor neue Herausforderungen. Häufige staatliche Eingriffe in die Tätigkeit russischer und ausländischer Unternehmungen erschüttern zudem den Glauben in die Rechtstaatlichkeit des Landes und erhöhen das wahrgenommene Investitionsrisiko. „In Russland“, so Voswinkel (2007), „lässt sich trefflich Geld verdienen. Aber die Risiken wachsen, wenn der wirtschaftliche Erfolg sich nicht in ein gesundes Selbstbewusstsein, sondern in Überheblichkeit, Allmachtsanfälle und Willkür verwandelt.“ Besonders spektakulär ist der Fall der russischen Unternehmung Yukos und ihres ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Michail Chordokovskij (vgl. Kusznir, 2005; Luchterhand, 2005). Yukos war bis 2003/2004 eine der drei umsatzstärksten russischen Unternehmungen im Energiesektor. Kurz nach der Vereinbarung eines Mergers mit Sibneft, der fünftgrößten Mineralölunternehmung in Russland, wurde der damalige Vorstandvorsitzende des Konzerns Michail Chordokovskij verhaftet und 2005 wegen Steuerhinterziehung und planmäßigem Betrug zu acht Jahren Haft verurteilt. Viele Beobachter bezeichneten Verhaftung und Prozess jedoch als irregulär und als vom Kreml initiiert, der damit zwei Ziele verfolge. „Der Kreml, das wurde immer deutlicher, wollte mit dem Kampf gegen Chodorkowski einen politisch besonders gefährlich erscheinenden Gegner neutralisieren, dabei ein Exempel statuieren, um die übrigen Oligarchen, die einst Jelzin unterstützt hatten, von politischer Tätigkeit abzuschrecken. Zugleich ging es darum, sich die Ressourcen für eine eigenständige Politik im Inneren und nach außen zu verschaffen“ (Ludwig 2005). Ein weiteres Beispiel für den Eingriff des Staates in die Tätigkeit von Unternehmungen ist der gescheiterte Versuch des deutschen Reifenherstellers Continental, ein Werk zur Reifenproduktion in Moskau zu errichten. Nachdem die Unternehmung bereits rund 30 Mio. Euro in ein Joint Venture mit der Moscow Tire Plant investiert hatte, zog sich Continental im Dezember 2004 aus dem Projekt zurück. Maßgeblich dafür war der Entzug der Genehmigung für den Bau des Werkes innerhalb der Moskauer Stadtgrenzen. „Wir waren sehr überrascht“, so der ehemalige Vorstandsvorsitzende Manfred Wennemer, „dass uns jemand aus dem Putin-Stab sagt, wir wollen in Zukunft keine Reifenfabrik fünf Kilometer vom Kreml entfernt“ (zit. nach boerse.ard.de). Diese Entwicklung war umso erstaunlicher, als dem französischen Konkurrenten Michelin zur gleichen Zeit ein ähnliches Vorhaben genehmigt wurde. In jüngster Zeit hat vor allem der Entzug der Überflugrechte für Lufthansa Cargo für Schlagzeilen gesorgt. Russland erhebt als einziges Land der Welt Gebühren für die Überflugrechte über sein Staatsgebiet von jährlich rund 400 Mio. Euro. Im November 2007 entzog das Verkehrsministerium Lufthansa Cargo zwischenzeitlich die Überfluggenehmigung, um die Unternehmung dazu zu bringen, ihr Drehkreuz für die Frachtflüge von und nach Südostasien aus der kasachischen Hauptstadt Astana in das russische Krasnojarsk oder Novosibirsk zu verlegen. Beide Städte sind dazu jedoch nach Auffassung der Lufthansa technisch nicht in der Lage. Es wird deshalb vermutet, dass dahinter vor allem die Verärgerung darüber steckt, dass Lufthansa im Passagierverkehr ab März 2008 in Moskau nicht
36 mehr den staatlichen Flughafen Šeremet’evo, sondern den privaten und weitaus moderneren Flughafen Domod’edovo anfliegen will (vgl. Voswinkel, 2007). Diese und viele andere Beispiele machen deutlich, dass es in Russland nicht ausreicht, wettbewerbsfähige Beziehungen zu Marktpartnern wie Kunden, Zulieferern, Banken und Kooperationspartnern aufzubauen. Ein erfolgreiches Engagement setzt darüber hinaus vielmehr auch die Etablierung transnationaler Netzwerke mit nicht-marktlichen Interessengruppen voraus. Nur durch den Aufbau und die Pflege engmaschiger StakeholderNetzwerke lassen sich demnach die hohen Risiken einer Investition reduzieren und nachhaltige Geschäftserfolge in Russland verwirklichen (vgl. Holtbrügge/Puck, 2006). Dies gilt insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmungen (KMUs), für die Netzwerke häufig eine besonders effiziente Möglichkeit darstellen, ihre begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen flexibel einzusetzen (vgl. Holtbrügge, 2003). Die Etablierung transnationaler Stakeholder-Netzwerke ist jedoch auch ein fundamentales Interesse der russischen Führung, da dadurch die wirtschaftliche und politische Entwicklung des Landes stabilisiert und dessen Integration in die Weltwirtschaft verbessert wird. Bislang liegen nur vereinzelte Studien vor, die sich explizit den Beziehungen ausländischer Unternehmungen zu ihren nicht-marktpolitischen bzw. sozio-politischen Interessengruppen in Russland widmen (vgl. z.B. Holtbrügge/Berg, 2001, 2002). Die meisten Untersuchungen sind auf unternehmungsinterne Aspekte sowie auf die Beziehungen zu marktlichen Interessengruppen wie Kunden, Zulieferern, Wettbewerbern und Anteilseignern gerichtet. Insbesondere fehlen Studien, die die Eignung von Stakeholder-Netzwerken als Instrument des Risikomanagements analysieren. Die Zielsetzung dieses Beitrags besteht deshalb darin, diese Forschungslücke zu schließen und die Stakeholder-Netzwerke zwischen deutschen Investoren in Russland und deren sozio-politischen Interessengruppen einer detaillierten Analyse zu unterziehen. Den Untersuchungsgegenstand bilden KMUs und deren Stakeholder. Zunächst wird der Frage nachgegangen, welche Risiken von deutschen KMUs in Russland als besonders relevant wahrgenommen werden. Anschließend wird anhand von drei Fallstudien analysiert, welche Stakeholder-Netzwerke diese aufgebaut haben und wie diese als Instrument des strategischen Risikomanagements eingesetzt werden können. Die Studie basiert auf einer persönlichen Befragung in 13 deutschen KMUs sowie 16 sozio-politischen Interessengruppen im Herbst 2006. Basierend auf dieser Analyse werden abschließend praktische Handlungsempfehlungen abgeleitet, wie ausländische Unternehmungen die unterschiedlichen Risiken einer Investition in Russland durch ein effizientes Management transnationaler Stakeholder-Netzwerke reduzieren können.
2
Theoretische Grundlagen
In der Betriebswirtschaftslehre wird der Begriff „Risiko“ vor allem im Rahmen der Entscheidungstheorie thematisiert. Risiko beschreibt dabei die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Umweltzustände eintreten, die sich wiederum auf das Ergebnis von Wahlentscheidungen auswirken (vgl. Bamberg/Coenenberg, 2002; Eisenführ/Weber, 2002; Laux, 2002; Salinger, 2003). Eine allgemeine Definition gibt Haller (1986, S. 18). Danach ist Risiko die „Summe der Möglichkeiten, dass sich Erwartungen des Systems Unternehmung aufgrund von Störprozessen nicht erfüllen“.
37 Im Rahmen des Internationalen Managements wird Risiko vor allem im Sinne des Länderrisikos aufgefasst. Traditionell werden dabei rechtliche, politische und ökonomische Risiken genannt (vgl. Brouthers, 1995; Tan, 1996; Stocker, 1997; Häberle, 2004a). Zunehmend wird jedoch auch auf die wachsende Bedeutung kultureller Risiken hingewiesen. Insgesamt können damit folgende Risikoursachen unterschieden werden (vgl. Holtbrügge/Welge, 2009, S. 315 ff.): Rechtliche Risiken werden vor allem durch unterschiedliche Rechtssysteme, mangelnde Rechtssicherheit und die rechtliche Diskriminierung ausländischer gegenüber inländischen Unternehmungen hervorgerufen. Die Folge davon sind insbesondere erhöhte Transaktionskosten für die Absicherung von Verträgen. Politische Risiken können in offene und subtile Risiken unterteilt werden. Offene politische Risiken sind etwa innerpolitische Auseinandersetzungen, Terrorismus und militärische Konflikte, die zu massiven Wertverlusten von der Zerstörung von Eigentum bis hin zur Enteignung führen können. Zu den subtilen politischen Risiken zählen z.B. die Diskriminierung ausländischer Unternehmungen bei öffentlichen Ausschreibungen oder die Verzögerung von Genehmigungsverfahren. Ökonomische Risiken können in mikro- und makro-ökonomische Risiken unterschieden werden. Zu den mikro-ökonomischen Risiken zählen vor allem die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit von Kunden und der Lieferunfähigkeit von Lieferanten. Makroökonomische Risiken betreffen etwa konjunkturelle Schwankungen sowie geld-, finanz- und währungspolitische Risiken (z.B. Wechselkursschwankungen). Kulturelle Risiken sind vor allem durch unterschiedliche Sprachen, Normen und Werte bedingt und können z.B. zu Kommunikationsproblemen sowie interkulturellen Management- und Marketingproblemen führen. Auch die persönliche Lebenssituation von entsandten Fach- und Führungskräften sowie deren Familien wird dadurch beeinflusst. Insbesondere in älteren Veröffentlichungen werden diese Risiken zumeist als dem jeweiligen Gastland inhärent aufgefasst (vgl. etwa Zimmermann, 1992). Ausländische Unternehmungen sind demnach gezwungen, die in einem Land vorherrschenden Risiken zu identifizieren und zu bewerten sowie geeignete Maßnahmen zu treffen, um deren negative Auswirkungen zu bewältigen. Zu den Maßnahmen eines solchen reaktiven Risikomanagements zählen z.B. Devisenhedgings zur Reduzierung von Währungsrisiken oder staatliche Bürgschaften zur Reduzierung politischer Risiken (vgl. Häberle, 2004b). Die Risikoidentifikation kann etwa mit Hilfe des Business Environmental Risk Index (BERI) erfolgen (vgl. Hake, 2004). Zunehmend setzt sich jedoch die Auffassung durch, dass viele Risiken für Unternehmungen keine unabänderlichen Daten darstellen, sondern durch strategische Maßnahmen des Risikomanagements beeinflusst werden können (Borov’ev/Baldin, 2006). Als strategisches Risikomanagement wird in diesem Sinne die Gesamtheit der Maßnahmen verstanden, die der Beeinflussung von Umweltzuständen dienen und die Zielerreichung der Unternehmung sicherstellen (vgl. Bieta et al., 2002; Höschler/Elfgen 2002). Eine wesentliche Voraussetzung eines strategischen Risikomanagements ist es, die Interessengruppen der Unternehmung und die von diesen verfolgten Anliegen frühzeitig zu erkennen (vgl. Schwarzkopf 2006). In der Literatur zum strategischen Management wird dieser Aspekt insbesondere im Rahmen des Stakeholder-Ansatzes thematisiert (vgl. Figge,
38 2002; Nešadin, 2006; Post et al., 2002; Weiss, 2002). Dieser basiert auf der Annahme, dass der Erfolg einer Unternehmung nicht nur auf der effizienten Koordination und Kontrolle ihrer internen Aktivitäten sowie ihrer marktlichen Austauschprozesse beruht. Eine Unternehmung wird vielmehr als Fokus von Interessengruppen verstanden, die an die Unternehmung unterschiedliche Anliegen herantragen und ihre Aktivitäten durch unterschiedliche Maßnahmen beeinflussen (vgl. Freeman, 1984). Interessengruppen bzw. Stakeholder stellen Personen oder Gruppen dar, die materielle, politische, informatorische, symbolische oder moralische Interessen an eine Unternehmung richten und die in der Lage sind, für diese Interessen mittels formaler, ökonomischer oder politischer Macht einzutreten (vgl. Gioia, 1999). Im Sinne des Stakeholder-Ansatzes hängt der Erfolg einer Unternehmung damit von ihrer Fähigkeit ab, für ihr Verhalten die Legitimation von allen Interessengruppen zu erhalten, auf die diese bei der Realisierung ihrer Ziele und Handlungen angewiesen ist (vgl. Kostova/Zaheer, 1999, S. 64). Von besonderer Bedeutung sind dabei die sozio-politischen Interessengruppen, mit denen eine Unternehmung keine marktlichen Beziehungen unterhält, die deren Verhalten jedoch in anderer Form beeinflussen können. Dazu zählen in etwa Genehmigungs- und Zertifizierungsverfahren, die positive oder negative Mobilisierung der Öffentlichkeit oder die Beeinflussung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Hinsichtlich ihrer Herkunft und ihres Rechtsstatus können vier Typen von sozio-politischen Interessengruppen unterschieden werden (vgl. Tab.1). Tabelle 1: Typologie sozio-politischer Stakeholder (Quelle: Holtbrüge/Berg/Puck 2007, S. 50) Herkunft Rechtsstatus öffentlich
privat
national
international
Staatliche Interessengruppen (z.B. Regierung, lokale Administration) Non-Governmental Organizations (NGOs) (z.B. Gewerkschaften, Verbände, Medien)
Supranationale Organisationen (z.B. EU, IWF, WTO) Internationale Non-Governmental Organizations (INGOs) (z.B. Greenpeace, Amnesty International)
In der bisherigen Forschung zum Stakeholder-Ansatz dominiert ein zentralistisch-instrumentelles Sternmodell, bei dem die im Zentrum stehende Unternehmung die an deren Peripherie angesiedelten Stakeholder als Mittel zur Maximierung ihrer eigenen Ziele ansieht. Zunehmend setzt sich jedoch die Erkenntnis durch, dass diese zentralistische Auffassung die in der Realität bestehenden Stakeholder-Beziehungen nicht adäquat abbilden kann (vgl. Holtbrügge, 2001a, S. 78 ff.). So werden etwa die Einflussmöglichkeiten von Unternehmungen systematisch überschätzt. Zudem bleiben in dieser dyadischen Perspektive die Interaktionen der Stakeholder untereinander unberücksichtigt. Vielfach wird deshalb vorgeschlagen, die Beziehungen zwischen Unternehmungen und deren Stakeholdern als Netzwerk zu konzeptionalisieren und Unternehmungen als Teil eines Netzwerks interdependenter Stakeholder aufzufassen (vgl. z.B. Rowley, 1997; Vanderkerckhove/Dentchev, 2005). Als Netzwerk wird nach Weyer (2000, S. 11) „eine eigenständige Form der Koordination von Interaktionen verstanden (…), deren Kern die vertrauensvolle Kooperation autonomer,
39 aber interdependenter (wechselseitig von einander anhängiger) Akteure ist, die für einen begrenzten Zeitraum zusammenarbeiten und dabei auf die Interessen des jeweiligen Partners Rücksicht nehmen, weil sie auf diese Weise ihre partikularen Ziele besser realisieren können als durch nicht-koordiniertes Handeln“ (vgl. auch Sydow, 1992, S. 79). „(In this perspective) the us/them and internal/external distinctions fade into a sense of communal solidarity in which one seeks the corporate identity as manifest within an entire network of stakeholders and a broader social context (...). The corporation is constituted by the network of relationships which it is involved in with the employees, customers, suppliers, communities, businesses and other groups who interact with and give meaning and definition to the company“ (Wicks et al., 1994, S. 482). Versteht man Unternehmungen als in ein Netzwerk interdependenter Beziehungen eingebundene Akteure, in dem die eigenen Entscheidungen und Handlungen durch zahlreiche andere Interessengruppen beeinflusst werden und die Entscheidungen und Handlungen zahlreicher anderer Interessengruppen beeinflussen, wird die traditionelle Vorstellung eines Stakeholder-Managements obsolet. Calton/Kurland (1996) sprechen stattdessen von einem „stakeholder enabling“, bei dem der „privilegierte Management-Monolog“ durch einen „multilateralen Stakeholder-Dialog“ ersetzt wird. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass die Ziele einer in ein Netzwerk interdependenter Beziehungen eingebundenen Unternehmung nicht autonom gebildet und von Managern als Agenten der Anteilseigner gegen andere Stakeholder durchgesetzt werden können, sondern in einem kollektiven Suchund Abstimmungsprozess ausgehandelt und interaktiv umgesetzt werden müssen (vgl. Wheatley, 1992). „Within (the) theory of stakeholder enabling, the managerial agent is no longer the unilateral author, seeking to objectify stakeholders as means for realizing (i.a., the author’s) purposes. Rather, agents and stakeholders become co-authors, voicing and acting out their intertextual ,script‘ that defines each other’s responsibilities and expectations within an ongoing, multilateral, interdependent relationship“ (Calton/Kurland, 1996, S. 175). Das Verhältnis einer Unternehmung zu ihren Stakeholdern kann somit in Form eines Netzwerks wiedergegeben werden, bei der nicht nur zwischen einer Unternehmung und deren Stakeholdern, sondern auch zwischen den Stakeholdern untereinander unterschiedliche Beziehungen bestehen (vgl. Neville/Menguc, 2006). In diesem Sinne interagieren Unternehmungen nicht mit jedem Stakeholder isoliert, sondern mit einem Bündel von vernetzten Stakeholdern. Die Unternehmung wird dann nicht nur als Zentrum eines Netzwerksystems betrachtet, sondern auch als Medium, durch das andere Akteure des Systems kommunizieren. Dabei kann zwischen direkten und indirekten Stakeholdern unterschieden werden (vgl. Vandekerckhove/Dentchev, 2005, S. 223 ff.). Die direkten Stakeholder stellen solche Interessensgruppen dar, die mit der Unternehmung unmittelbar interagieren. Die indirekten Stakeholder sind solche, die mit den direkten Stakeholdern in Beziehung stehen und nicht mit der Unternehmung. Die Unternehmung kann mit diesen somit nur über andere Stakeholder in Kontakt treten.
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Aufbau und Ablauf der empirischen Studie
3.1 Auswahl der Untersuchungseinheiten Um die Frage zu beantworten, inwieweit der Aufbau geeigneter Stakeholder-Netzwerke einen Beitrag leisten kann, die wahrgenommenen Risiken eines Engagements in Russland zu reduzieren, wurde eine empirische Studie unter deutschen KMUs in Russland durchgeführt. Die Auswahl der betrachteten Unternehmungen orientierte sich an einer Liste des in Moskau ansässigen Verbandes der Deutschen Wirtschaft (VDW), der im Jahr 2006 ca. 600 Mitglieder von in Russland tätigen deutschen Unternehmungen hatte. Diese Liste wurde zunächst auf KMUs reduziert, wobei eine qualitative Definition im Sinne einer eigentümerorientierten Führungsphilosophie zugrunde gelegt wurde (vgl. Hausmann et al., 2009, S. 493 ff.). Die Betrachtung von KMUs resultiert daraus, dass für sie das Risiko einer Auslandsinvestition zumeist deutlich größer als für Großunternehmungen ist. Gleichzeitig sind deren Möglichkeiten des Risikomanagement aufgrund knapperer finanzieller und personeller Ressourcen zumeist geringer (vgl. Kastl/Rödl, 2000). Die Studie beschränkt sich weiterhin auf produzierende KMUs, deren Muttergesellschaft sich in Deutschland befindet. Diese Branchenauswahl beruht auf der Annahme, dass produzierende Unternehmungen aufgrund i.d.R. größerer Kapitalinvestitionen höheren Risiken als Unternehmungen in den Bereichen Handel und Dienstleistungen ausgesetzt sind. Aus forschungspragmatischen Gründen wurden nur solche Unternehmungen ausgewählt, deren Standort in Moskau, St. Petersburg oder in Kaliningrad ist. Da mit Abstand die meisten ausländischen Investoren in diesen drei Städten ansässig sind, spiegelt diese Auswahl auch die Standortwahl ausländischer Unternehmungen wider. Unter der Annahme, dass eine zuverlässige Bewertung von Risiken sowie der Bedeutung unterschiedlicher Stakeholder erst nach einer gewissen Dauer der Tätigkeit möglich ist, wurden weiterhin nur solche Unternehmungen betrachtet, die bereits länger als fünf Jahre auf dem russischen Markt aktiv sind. Nach dem „Prinzip der maximalen Kontrastierung“ (Lamnek, 2005, S. 191) wurden auf der Grundlage dieser Überlegungen 18 deutsche KMU in Russland ausgewählt und kontaktiert. Von diesen stimmten 13 einer Teilnahme an der Studie zu. Diese entfallen auf die Branchen Bauwesen, Chemie, Lebensmittel, Landwirtschaft, Pharmazie, Software, Telekommunikation. Zudem wurden die Vertreter von zwei Unternehmensberatungen befragt, die überwiegend deutsche KMU beraten. Die Auswahl der Gesprächspartner orientierte sich an ihrer hierarchischen Stellung in der Unternehmung. In der Regel wurde der Geschäftsführer bzw. Vorstandsvorsitzende oder der höchstrangige deutsche Stammhausdelegierte angesprochen. In einigen Fällen wurden weitere Mitarbeiter einbezogen. Die Kontaktdaten der Gesprächspartner wurden auf der Internet-Homepage der jeweiligen Unternehmungen oder aus der Liste des VDW ermittelt. Zwei bis drei Wochen vor der Durchführung der Interviews in Russland wurde ein persönliches Anschreiben per Telefax oder per E-Mail an den gewünschten Gesprächspartner geschickt, in dem das Ziel der Untersuchung dargestellt wurde. Der genaue Gesprächstermin wurde später per Telefon vereinbart. Neben den befragten 13 Unternehmungen wurden 16 Vertreter von Regierungsinstitutionen, Verbänden, Gewerkschaften, Medien, Universitäten, NGOs und weiteren Inter-
41 essengruppen interviewt. Diese wurden in den Interviews von den Unternehmungen als relevante Stakeholder genannt und daraufhin kontaktiert und interviewt. Die Studie hat damit ein spiegelbildliches Untersuchungsdesigen, bei dem nicht nur die Beziehungen von Unternehmungen zu Interessengruppen, sondern auch von Interessengruppen zu Unternehmungen analysiert werden können. Zudem können dadurch – i.S. des zugrunde liegenden Netzwerkansatzes – die Beziehungen zwischen den Interessengruppen untereinander aufgedeckt werden.
3.2 Datenerhebung und -erfassung Entsprechend der oben formulierten Ziele der Untersuchung erfolgte die Datenerhebung als Feldstudie während eines Forschungsaufenthalts der Autoren in Moskau, St. Petersburg und Kaliningrad im August und September 2006 in Form von persönlichen Interviews mit Hilfe eines problemzentrierten Gesprächsleitfadens. Trotz des damit verbundenen hohen Zeit- und Kostenaufwands wurde eine persönliche Befragung durchgeführt, um eine hohe inhaltliche Validität der Ergebnisse sicherzustellen. Bei persönlichen Interviews können die Hintergründe genauer erfragt und vertieft, auftretende Unklarheiten leichter beseitigt, metasprachliche Äußerungen erfasst sowie kontextabhängige Deutungszusammenhänge entdeckt werden (vgl. Helfferich, 2004). Zudem beinhaltet die Untersuchung zahlreiche sensible Themengebiete, wie z.B. Konfliktsituationen mit Interessengruppen, Lobbying oder der Einsatz von Bestechungsgeldern zur Durchsetzung bestimmter Interessen. Eine Auskunftsbereitschaft zu solchen Aspekten kann erst nach dem Aufbau eines gewissen Vertrauens vorausgesetzt werden, das wiederum nur durch eine persönliche Interaktion mit den Befragten zustande kommt (vgl. Berg, 2003, S. 118). Für die Interviews wurde ein Leitfaden mit offenen Fragen erstellt, der nach thematischen Bereichen gegliedert und an den bisherigen Erkenntnissen der Forschung zu der zugrunde liegenden Thematik (vgl. hierzu etwa Bermann/Wicks, 1999; Holtbrügge/Berg, 2001, 2002; Holtbrügge et al., 2007) sowie an den allgemeinen Empfehlungen zur Erstellung von Interviewleitfäden orientiert ist (vgl. z.B. Atteslander, 2006, S. 152 f.). Insbesondere wurde auf die Vermeidung von Interviewereffekten geachtet, weshalb der Leitfaden auch stark standardisierte Elemente enthielt (vgl. Flick, 2006). Der Leitfaden wurde im Rahmen mehrerer Pilotinterviews im Septermber 2005 in Moskau und St. Petersburg getestet und anschließend modifiziert, um die Eindeutigkeit und Verständlichkeit der Fragen zu erhöhen. Der Interviewleitfaden wurde sowohl auf deutsch als auch auf russisch verfasst, um mit den Interviewten in deren Muttersprache kommunizieren zu können. Bei der Übersetzung wurde auf die Äquivalenz der Konzepte geachtet und nicht so sehr auf die einzelnen Begriffe (vgl. Marschan-Piekkari/Reis, 2004). Die Interviews dauerten im Durchschnitt rund 45 Minuten. Die meisten Gesprächspartner zeigten eine hohe Kooperationsbereitschaft. So war es möglich, alle Fragen ausführlich zu diskutieren. Die meisten Interviews wurden vollständig digital aufgezeichnet. Auf Wunsch der Gesprächspartner sowie zur Gewährleistung einer vertrauensvollen und persönlichen Atmosphäre wurde bei einigen Interviews auf eine digitale Aufzeichnung verzichtet. Während des Interviews wurden in diesen Fällen jedoch umfangreiche Notizen und unmittelbar nach dem Gespräch ein Postskriptum angefertigt.
42 Nach der Datenerhebung wurden die Interviews vollständig transkribiert und mit Hilfe des Softwareprogramms NVivo erfasst. Die wörtliche Transkription des verbal erhobenen Materials bildete die Basis einer ausführlichen interpretativen Auswertung. Als Protokolltechnik wurde die Übertragung in normale Schrift verwendet (vgl. Mayring, 1990, S. 65). Da die inhaltlich-thematische Ebene im Vordergrund stand, wurden die russischen Texte ins Deutsche übersetzt, der Dialekt bereinigt, Satzbaufehler behoben und der Stil geglättet. Wichtige Informationen über das Wortprotokoll hinaus wurden durch kommentierte Transkriptionen festgehalten. Neben den persönlichen Interviews wurden Sekundärquellen wie z.B. Informationen auf der Homepage, Geschäftsberichte, Mitgliederverzeichnisse und Zeitschriftenartikel analysiert. Dadurch konnte der Zeitbedarf für die Befragung reduziert werden, da sich diese auf diejenigen Themen konzentrieren konnte, die nicht veröffentlicht sind. Außerdem konnten die Validität der Befragung erhöht und die Befragten auf konkrete Sachverhalte angesprochen werden, die sich aus der Dokumentenanalyse ergaben (vgl. Jansen, 1999, S. 63 f.).
3.3 Datenauswertung Zur Auswertung der erhobenen Daten wurden zwei Methoden herangezogen. Den ersten Schritt bildet die Zitatanalyse. Die Wiedergabe und Analyse wörtlicher Zitate dient vor allem dazu, einen Sachverhalt authentisch, d.h. aus Sicht der Befragten zu beschreiben. Dabei geht es insbesondere darum, einen unverfälschten, d.h. noch nicht durch die Perspektive des Forschers verstellten Blick auf die Fragestellung zu gewinnen. Im Vordergrund steht somit die Deskription des Spezifischen und Einzigartigen eines Phänomens (vgl. Kvale, 1996, S. 267 f.). Um – der Zielsetzung des Beitrags entsprechend – auch mehrdimensionale Zusammenhänge zwischen den Stakeholder zu entdecken und abzubilden, wurde anschließend eine Netzwerkanalyse durchgeführt. Dazu wurden die transkribierten Interviews sowie die Sekundärdaten zunächst kodiert, d.h. den Textpassagen wurden die einzelnen Stakeholder zugeordnet, die darin explizit oder implizit angesprochen wuden. Danach wurden die Beziehungen zwischen den Stakeholdern festgehalten (axiales Kodieren), wobei vor allem auf Schlüsselworte wie „weil“, „da“, „deshalb“, „führt“ oder „resultiert“ geachtet wurde. Um eine hohe Reliabilität der Kodierungen sicherzustellen, wurden diese zunächst von den Autoren unabhängig voneinander vorgenommen und anschließend miteinander verglichen (vgl. dazu z.B. Palmquist et al., 1997, S. 174; Shapiro, 1997, S. 231 ff.). Die InterraterReliabilität, d.h. die Zahl der von den Autoren übereinstimmend mit derselben Kodierung belegten Aussagen, war dabei hoch. Abschließend wurden die ermittelten Beziehungen in eine Beziehungsmatrix eintragen und mit Hilfe des Softwareprogramms UCINET graphisch dargestellt (http://www.analytictech.com/ucinet.htm). Die Dicke der Pfeile auf einer Skala von 1 bis 5 gibt dabei die Stärke der Beziehungen zu dem jeweiligen Stakeholder wieder. Diese wurde basierend auf Häufigkeitsanalysen der Kodierungen der transkribierten Interviews ermittelt. Zur fallübergreifenden Analyse wurde neben der graphischen Darstellung auf die computergestützte Textanalyse zurückgegriffen. Um die Netzwerkstrukturen zu erfassen, wurde auf die von Tichy, Tushman/Fombrun (1979) sowie Wassermann/Faust (1994) ent-
43 wickelten Maßgrößen zurückgegriffen. Die folgenden Netzwerkdimensionen wurden zur Analyse herangezogen: Die Größe gibt die Anzahl der Akteure im Netzwerk wieder. Die Intensität bemisst sich durch das arithmetische Mittel der einzelnen Beziehungsstärken im Netzwerk. Die Antworten wurden pro Unternehmung zusammengefasst und für jede Beziehung gemittelt. Tabelle 2 stellt beispielhaft dar, wie die Beziehungsstärken und richtungen zugeordnet wurden. Tabelle 2:
Beispiele zur Datenauswertung
Zitat „Ohne Hilfe der Deutschen Botschaft hätten wir dieses Problem niemals lösen können.“ „Wir nehmen regelmäßig an Aktivitäten des Verbands der Deutschen Wirtschaft teil. So erhalten wir wichtige Kontakte zu lokalen Behörden.“ „Wir (Universität) fragen X (Unternehmung) manchmal, ob sie bereit sind, Forschungsprojekte zu unterstützen.“
Stakeholderbeziehung Unternehmung -> Botschaft
Stärke der Beziehung 5
Unternehmung -> Verband der Deutschen Wirtschaft -> lokale Administration
3
Universität -> Unternehmung 1
Die Dichte eines Netzwerks bezeichnet die Zahl direkter Beziehungen zwischen den Akteuren. Sie wird berechnet als Quotient aus der Zahl existierender Beziehungen zu der Zahl theoretisch möglicher Beziehungen und kann Werte zwischen 0 (keine Verbindungen) und 1 (vollständiges Netzwerk) annehmen. Die Zentralität stellt die Struktur eines Netzwerkes dar. Nach Freeman (1979) gibt die Netzwerkzentralität an, wie sehr ein oder mehrere Akteure im Zentrum eines Netzwerkes stehen, wobei ein sternförmiges Netzwerk die größte Zentralität aufweist. Die Netzwerkzentralität wird anhand der Netzwerkgröße (n) standardisiert und kann Werte zwischen 0 (kein zentraler Akteuer) und 1 (ein zentraler Akteur) annehmen.
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Risiken ausländischer Unternehmungen in Russland
In einem ersten Schritt wurden die Befragten gebeten, das allgemeine Risikoniveau in Russland einzuschätzen. Dabei zeigt sich, dass dieses – im Unterschied zu vielen Aussagen in der Literatur – nicht als sehr hoch beurteilt wird. „Ich würde das Risiko als mittelgroß einschätzen“, so ein Befragter, „Es ist größer als in der Schweiz und niedriger als in Weißrussland oder in der Ukraine.“ „Ich habe bis jetzt nicht gehört“, so ergänzt ein anderer Befragter, „dass eine von den deutschen Unternehmungen hier ihre Produktionsstätte verloren hätte.“ Zwar gibt es bei fast allen Unternehmungen Probleme, die aber zumeist gelöst werden können. „Im Prinzip, wenn man alles richtig macht (...), wenn man sich an die Regeln hält, an die Gesetze hält, und sich ordentlich verhält, ist es nicht sehr riskant. Ganz im Gegenteil eigentlich. Wenn man die Sachen gut angeht, wenn man sich nicht schuldig wegen irgendwelcher Dinge macht, dann hat man hier sehr gute Möglichkeiten zu investieren.“ Fast alle Befragten sind der Auffassung, dass das allgemeine Risiko in den letzten Jahren gesunken ist. „Im Großen und Ganzen sind die Risiken in den letzten Jahren wesentlich geringer geworden, weil die administrativen Barrieren geringer geworden sind, die rechtlichen Probleme geringer geworden sind, die Rechtsprechung eindeutiger geworden ist und damit in Summe das Risiko zurückgegangen ist (...). Hier ist die Wirtschaft einfach berechenbarer geworden, und damit ist auch das Risiko geringer.“ Ein anderer Befragter ergänzt: „Gerade in den letzten anderthalb Jahren haben sehr viele deutsche Firmen investiert, die sich früher gefürchtet haben. Insgesamt hoffen wir alle, dass Putin soviel Stabilität reinbringt, dass politische Änderung nicht mehr möglich ist. Das Risiko, sagen wir mal, schließen wir 100-prozentig noch nicht aus.“ Diese allgemeine Einschätzung wird durch zwei Faktoren relativiert. Zum einen hängt das Risiko von der Region ab, in der die Unternehmung tätig ist (vgl. Holtbrügge/Boutler, 2003). Als gering wird das Risiko etwa in den Regionen Krasnodarsk, Moskau, St. Petersburg und Ekaterinburg beurteilt, während es z.B. in Astrachan, Kamčatka, Dagestan und Ingušetien als besonders hoch eingeschätzt wird. 1 Zum anderen wird das Risiko in einem hohen Maße von der Branche bestimmt. Das Risiko, eine Pipeline zu bauen, so ein Befragter sinngemäß, ist höher als eine Bäckerei zu betreiben. Differenziert man die Aussagen der Befragten nach unterschiedlichen Risikoursachen, steht das ökonomische Risiko an erster Stelle. Als Beispiel wird häufig die Rubelkrise im Jahr 1998 angeführt, bei der die russische Währung innerhalb weniger Wochen fast 50 % ihres Wertes verloren hat (vgl. Schäfer, 2002). Auch die hohe Verschuldung vieler russischer Unternehmungen, die vielfach bis zur Zahlungsunfähigkeit reicht („virtuelle Ökonomie“), stellt ausländische Investoren vor beträchtliche ökonomische Risiken, da die finanzielle Situation oft nicht aus Bilanzen ersichtlich, sondern nur Insidern bekannt ist (vgl. Gaddy/Ickes 1998). Auch der Kapitalmarkt ist bislang nur gering entwickelt und wird als wenig effizient aufgefasst. Ein weiteres ökonomisches Risiko wird darin gesehen, dass die gegenwärtige sehr positive Wirtschaftsentwicklung mit hohen Wachstumsraten stark von der Öl- und Gasindustrie abhängig ist. Bisher steht das Wirtschaftswachstum, so ein Befragter sinngemäß, noch auf einem etwas wackeligen Fundament. Insbesondere wird befürchtet, dass sich ein Rückgang der Weltmarktpreise für Öl und Gas direkt auch auf andere Branchen auswirkt. Rela1
Einen Überblick über das Risiko in den einzelnen Regionen Russlands bietet die von internationalen Wirtschaftsverbänden vorgenommene Analyse des russischen Wirtschaftsmagazins „Expert“ (vgl. Expert RA, 2006).
45 tiviert wird diese Aussage jedoch dadurch, dass die russische Führung einen Teil der Energieeinnahmen für Investitionen in anderen Bereichen verwendet und nicht – wie in den siebziger Jahren – weitgehend konsumtiven Zwecken zuführt. Von mehreren Befragten wird betont, dass das relativ hohe ökonomische Risiko jedoch auch mit großen Chancen einhergeht. „Es besteht natürlich ein gewisses wirtschaftliches Risiko“, so ein Befragter, „aber ich würde sagen, im Moment sind die Chancen wesentlich größer als das Risiko. Wo sie enormen Boom haben, wo sie enorme Wachstumsraten haben, da gibt es enorme Chancen, aber auch enorme Risiken.“ Zudem wird betont, dass das wirtschaftliche Risiko auch vom Verhalten der Investoren abhängt. Ein Befragter spitzt dies wie folgt zu: „Ich würde sagen, 100-prozentig hängt das vom Management ab. Und wenn mir jemand erzählt, dass so hohe Risiken wegen Korruption oder wegen der Bürokratie oder sonst was existieren, natürlich kann dies ziemlich stark das Geschäft beeinflussen, aber ich würde sagen (…), Managementfehler sind das höchste Risiko, weil nicht jedes ausländische Unternehmen die ganzen Zusammenhänge voll verstehen kann und es werden Fehler gemacht, besonders am Anfang.“ Während vor 10 Jahren das politische Risiko das größte Problem für deutsche Unternehmungen darstellte (vgl. Holtbrügge/Berg 2001, S. 386 ff.), wird dieser Faktor heute von den Befragten – trotz der aktuellen Demonstrationen gegen die zunehmenden autoritären Tendenzen – überwiegend erst an zweiter Stelle genannt. „Die neunziger Jahre waren sehr kritisch hier“, gibt ein Befragter zu. „Seitdem Putin dran ist, besonders in den letzten Jahren, hat man mehr Ruhe, weil man sieht, es geht schon in die richtige Richtung bei allen Problemen, die existieren. Aber ich würde sagen, wir fühlen uns tatsächlich nicht 100 Prozent sicher.“ Aus dieser Aussage geht hervor, dass der ehemalige russische Präsident Vladimir Putin als Garant für die politische Stabilität in Russland angesehen wurde. Mit einer gewissen Sorge wird deshalb die weitere zukünftige Entwicklung gesehen. Befürchtet wird insbesondere, dass die Eingriffe des Staates in die Wirtschaft weiter zunehmen. Bereits heute kontrolliert der Staat wichtige Industriezweige wie die Öl- und Gasindustrie und steht ausländischen Investitionen in diesen Bereichen kritisch gegenüber. Ein anderes Beispiel ist die Intervention des russischen Präsidenten Putin gegen die Übernahme des Turbinenherstellers Silovye Mašiny durch Siemens. Da davon jedoch vor allem Großunternehmungen betroffen sind, wird dieses Risiko von den betrachteten KMUs nur als gering eingestuft. Schwerer wiegt dagegen die oft unklare Kompetenzverteilung zwischen unterschiedlichen zentralen und regionalen Behörden. Zwar konzentriert sich die politische Macht immer mehr in den Händen des russischen Präsidenten und seiner Administration, aufgrund der Größe und Heterogenität des Landes gibt es daneben jedoch zahlreiche zentrale, föderale, regionale, sektorale, klientelistische, politische und soziale Interessengruppen, die spezifische Ziele verfolgen und diese – auch gegeneinander – durchzusetzen versuchen (vgl. Šamchalov, 2000; Hoffmann, 2000). Im Vergleich zu den anderen mittel- und osteuropäischen Transformationsländern wird auch das rechtliche Risiko einer Auslandsinvestition in Russland häufig als hoch bewertet (vgl. Wegweiser GmbH, 2002). Als Ursache dafür wird etwa die geringe Rechtssicherheit aufgrund häufig wechselnder Gesetze und der mangelnden Durchsetzungsmöglichkeiten des Rechts genannt. In den letzten 10 Jahren wurden rund 2.000 neue Gesetzte und 80.000 Ausführungsvorschriften und Verordnungen verabschiedet (vgl. Wieck, 2006). Zudem klagen viele Unternehmungen über die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte.
46 Als Beispiel dafür werden häufig die „Yukos-Affäre“ und die Verhaftung von Michail Chodorkowskij angeführt (vgl. Kusznir, 2005; Luchterhandt, 2005). Neben diesen allgemeinen Aspekten werden oft auch spezielle rechtliche Risiken genannt. Dazu zählt etwa der nach Auffassung der Befragten nur gering ausgeprägte Schutz von Markenrechten und intellektuellen Eigentumsrechten. Zwar geht die Miliz etwa gegen Verkäufer illegal gepresster CDs und DVDs vor, oft sind diese jedoch schon wenige Tage später wieder aktiv. Als besonders relevant wird dieser mangelnde Schutz intellektueller Eigentumsrechte in Branchen wie der pharmazeutischen Industrie angesehen, wo Produktfälschungen zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen können. Weitgehend einig sind sich die Befragten, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren positiv entwickelt haben. Trotz generell investorfreundlicher Regelungen wird jedoch vielfach das Problem der Rechtsdurchsetzung angesprochen. Aufgrund der Vielzahl neuer Regelungen ist zudem nicht immer allen bekannt, welches Gesetz aktuell gültig ist (vgl. Horn, 2004, S. 34). „Sie müssen einen langen Atem haben“, legt ein Befragter dar, „hier Recht durchsetzen zu wollen, aber dann kriegen sie das auch (...). Obwohl das Gesetz geregelt ist, ist halt die Umsetzung, die Durchsetzung von Gerichtsentscheidungen schon problematisch.“ Besonders positiv wird bewertet, dass in den letzten fünf Jahren die für Russland lange typische Praxis deutlich zurückgegangen ist, die Rechtssprechung mit rückwirkender Gültigkeit zu ändern. „Die Rechtsprechung ist weiter vorausschauend und man kann im Prinzip darauf schneller reagieren. Man hat nicht enorme Verluste dadurch, dass das Gesetz mit rückwirkender Anwendung kommt.“ Kulturelle Risiken spielen nach Aussagen der Befragten die geringste Rolle. Diese werden vor allem auf die Mentalitätsunterschiede zwischen Russen und Deutschen zurückgeführt. „Die deutsche Seite ist langsamer und bedächtiger und länger vor sich planend“, legt ein Interviewter dar, „und die russische Seite ist impulsiver, risikobereiter, damit aber auch viel flexibler (...). Das sind Dinge, die irgendwann auch zum Konflikt kommen können.“ Die Folge davon sind oft interkulturelle Kommunikations- und Managementprobleme sowie der Abbruch von Auslandsentsendungen deutscher Fach- und Führungskräfte, die sich in ihrem russischen Lebensumfeld unwohl fühlen (vgl. Holtbrügge, 1996; Steffens, 2003). Von anderen Befragten werden die kulturellen Unterschiede zwischen Russen und Deutschen jedoch relativiert. „Natürlich ist die Mentalität der Ausländer, der Deutschen und der Russen unterschiedlich (...). Es ist für Ausländer überall schwer zu arbeiten (...). Jeder hat eine andere Geschichte und sieht bestimmte Dinge anders (...). Mentalitäten zu vergleichen geht nicht. Und aus solchen Vergleichen Schlussfolgerung zu ziehen, ist noch gefährlicher (...). Wir haben vom ersten Tag hier in Russland, also seit 1993, das Gesetz, dass die Betriebe, an denen wir uns beteiligen, ausschließlich von russischen Managern geleitet werden (...). Es war nicht immer einfach im gegenseitigen Verstehen (...), aber es hat sich gelohnt.“ Vielfach stellen somit nicht kulturelle Unterschiede, sondern die mangelnde kulturelle Anpassungsfähigkeit von Deutschen in Russland die Ursache von interkulturellen Managementkonflikten dar. Von vielen Vertretern der befragten Interessengruppen werden deutsche Manager als überheblich und besserwisserisch bezeichnet. So erwarten sie etwa oft, dass ihre russischen Gesprächspartner Englisch sprechen, während die eigene Bereitschaft, Russisch zu lernen, nur gering ausgeprägt ist.
47 Eine von den Befragten nur am Rande erwähnte, in vielen Regionen jedoch sehr relevante Ursache kultureller Risiken sind schließlich die kulturellen Konflikte innerhalb Russlands. Russland ist ein Vielvölkerstaat mit einer großen kulturellen, ethnischen und religiösen Heterogenität (vgl. Kappeler, 1992). Offenkundig werden die daraus entstehenden Konflikte – wie etwa bei dem Anschlag auf eine Schule in Beslan im Sommer 2004 – vor allem in den südlichen Regionen des Landes. Aber auch in der Hauptstadt Moskau, in der rund 20 Prozent der etwa 10 Millionen Einwohner Muslime sind, kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Tabelle 3 fasst die von den Befragten genannten wichtigsten Risikoursachen noch einmal im Überblick zusammen. Tabelle 3: Risiken ausländischer Unternehmungen in Russland Risikoursachen ökonomische Risiken
politische Risiken
rechtliche Risiken
kulturelle Risiken
Beispiele Währungsstabilität intransparente Finanzsituation vieler russischer Unternehmungen geringe Transparenz und Effizienz des Kapitalmarktes politische Entwicklung nach Ende der zweiten Amtszeit von Präsident Putin interventionistische Eingriffe des Staates in die Wirtschaft unklare Kompetenzverteilung zwischen zentralen und regionalen Behörden häufig wechselnde Gesetze (jedoch nicht mehr mit rückwirkender Gültigkeit) Unklarheit über Gültigkeit von Gesetzen langwierige Gerichtsprozesse mangelnder Schutz intellektueller Eigentumsrechte kulturelle Unterschiede zwischen Russen und Deutschen mangelnde kulturelle Anpassungsfähigkeit von entsandten Managern kulturelle Konflikte innerhalb Russlands
48 5 Stakeholder-Netzwerke deutscher Unternehmungen in Russland: Drei Fallstudien Im Folgenden werden exemplarisch die Stakeholder-Netzwerke der drei Unternehmungen Knauf, VEKA und Fresenius Medical Care dargestellt und analysiert. Diese drei Fallbeispiele eigenen sich deshalb besonders gut, weil sie aufgrund ihrer Investitionssumme und ihres Umsatzes zu den bedeutendsten deutschen KMUs in Russland zählen. Zudem bestehen zwischen den Stakeholder-Netzwerken dieser Unternehmungen beträchtliche Unterschiede, so dass aus der vergleichenden Analyse interessante Schlussfolgerungen gezogen werden können. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwieweit die aufgebauten Stakeholder-Netzwerke zur Reduzierung der im letzten Abschnitt dargestellten Risken beitragen können.
5.1 Stakeholder-Netzwerk von Knauf Zu den besonders erfolgreichen Beispielen in Russland produzierender deutscher KMUs gehört der Baustoffhersteller Knauf. Die Unternehmung mit Hauptsitz im bayerischen Iphofen produziert weltweit an mehr als 150 Standorten in über 35 Ländern Gipsbaupaletten, Gipsputze sowie Dämm- und Isoliermaterialien für den Innenausbau. Knauf wurde 1932 als Familienunternehmung gegründet. Gegenwärtig beschäftigt die Knauf-Gruppe weltweit ca. 20.000 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über 5 Mrd. Euro. Bereits 1992 erkannte Knauf den großen Modernisierungs- und Neubaubedarf in Russland und leitete 1993 erste Schritte zum Aufbau einer Geschäftstätigkeit ein (vgl. Berger, 2004, S. 12; Knauf, 2004, S. 54). Bis heute hat die Unternehmung fast 1 Mrd. Euro im Land investiert und wurde dadurch zum größten deutschen Investor in der russischen Baustoffindustrie. In Russland verfügt Knauf über 10 Produktionsbetriebe und 9 Marketingunternehmungen (vgl. Knauf, 2007). In der GUS werden insgesamt mehr als 5.000 Mitarbeiter beschäftigt. „Sicherlich mussten zu Beginn einige bürokratische Hürden genommen werden, und Knauf war auch in einigen Fällen gezwungen, seine Ansprüche und Rechte auf juristischem Weg durchzusetzen“, erinnert sich der Geschäftsführer Nikolaus Knauf (2004, S. 54). „Dass dies gelungen ist, zeigt zum einen, dass sich Beharrlichkeit lohnt und zum anderen, dass es auch im vermeintlich rechtsfreien Russland selbst für einen ausländischen Investor möglich ist, seine Rechte durchzusetzen“ (Knauf, 2004, S. 54). Ein anderer Befragter ergänzt: „Prinzipiell haben wir immer versucht und werden es weiter versuchen, (...) alles im Rahmen der Gesetze hier zu lösen (...). Wir haben bisher zahlreiche Gerichtsprozesse in Russland geführt. Das ist eine sehr schwierige Geschichte, das ist immer eine sehr langwierige Geschichte und ein bisschen teure Geschichte.“ Derzeit ist Knauf vor allem mit dem Problem der in Russland weit verbreiteten Produktfälschungen konfrontiert. Die Trockenmischungen von Knauf werden sehr oft von anderen Unternehmungen kopiert. Die Gerichte in Russland haben wenig Erfahrung im Umgang mit dem Schutz von Markenrechten und Intellectual Property Rights. Zudem werden die herrschenden Gesetze vielfach als unzureichend empfunden.
49 Knauf nutzt deshalb verschiedene Möglichkeiten, Einfluss auf die russische Gesetzgebung zu nehmen. So werden über offizielle Verbände Anträge an die Staatsduma gestellt, um bestimmte Änderungen der Gesetzgebung voranzutreiben. Beispiele dafür sind der Verband der deutschen Wirtschaft sowie die Association of European Businesses (vgl. AEB, 2007; VDW, 2005b, S. 45). Darüber hinaus kooperierte die Unternehmung mit russischen Interessenverbänden wie der Internationalen Assoziation für geschäftliche Kooperation (MADS). „Zusammen mit MADS wollen wir gerade die Duma verstärkt zur Veränderung der Gesetzgebung bringen“, so ein Befragter. Auch zu der russischen Handels- und Industriekammer (TPP) hat Knauf enge Beziehungen. Diese werden jedoch weniger für Lobbyingaktivitäten als vielmehr für die Öffentlichkeitsarbeit in russischen Medien genutzt. Neben dieser indirekten Beziehung hat Knauf durch persönliche Beziehungen zu einigen Abgeordneten auch einen direkten Zugang zur russischen Staatsduma. So hat die Unternehmung etwa zwei Runde Tische zur Veränderung der Gesetzgebung beim Markenschutz organisiert (vgl. ADVIS, 2007). Dabei wurden weitere direkte Kontakte zur Präsidialadministration, zur Regierung sowie zu großen russischen Unternehmungen geknüpft. Eine weitere wichtige Interessengruppe von Knauf ist die russische Regierung. Dies gilt sowohl für die Gewährleistung funktionierender rechtlicher Rahmenbedingungen als auch für operative Fragen wie Zoll- und Steueraspekte, für die häufig Einzelfallentscheidungen erforderlich sind. Die Gouverneure als regionale Vertreter der Regierung spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle für die Unternehmung, die 10 Betriebe in verschiedenen Regionen Russlands hat. Das Verhältnis von Knauf zu den Gouverneuren wird von einem Interviewten wie folgt beschrieben: „In vielen Regionen wollen sie gerne mehr Einfluss haben auf unsere Unternehmen, aber wir haben zu jedem Gouverneur sehr gute Beziehungen sowie eine gute Zusammenarbeit und inzwischen wissen die Gouverneure in den Regionen, in denen wir Betriebe haben, wie weit wir mitgehen und inwieweit nicht. Heute beschränkt sich das Interesse der Gouverneure mehr darauf, wie viele Steuern wir zahlen. Sie wollen immer mehr Steuern, deswegen freuen sie sich, wenn wir kommen und sagen, ja, wir investieren jetzt hier so und so viel Millionen (...). Wir brauchen die Gouverneure für die Lösung bestimmter regionalen Fragen, unter anderem für solche Dinge wie Baskunčak. Deswegen sind wir an einem guten Verhältnis schon interessiert.“ Die Beziehungen von Knauf zu den Gouverneuren sind persönlich und werden regelmäßig gepflegt: „Wir kennen alle und sie kennen uns. Wir treffen uns mit den Gouverneuren im Jahr mindestens einmal pro Region (...). Teilweise haben wir sie auch nach Deutschland eingeladen.“
50 Abbildung 1:
Stakeholder-Netzwerk von Knauf Universitäten Kirchliche Gruppen
Gewerkschaften FSB
Umweltschutzorganisationen Regionale Administration VDW Knauf
Russische Regierung
Beziehungsstärke 1
Medien
2 3 Verbände
Staatsduma
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Eine weitere sozio-politische Interessengruppe von Knauf ist der Föderale Sicherheitsdienst (FSB), der die ökonomische Sicherheit der Unternehmung sowie die persönliche Sicherheit der Mitarbeiter garantiert. Die gute Zusammenarbeit mit dem FSB ist durch „eine sehr enge Beziehung in allen Regionen“ gekennzeichnet. „Sonst würden wir nicht so ruhig arbeiten können. Sie garantiert schon ein gewisses Maß an Sicherheit.“ Eine Kooperation mit dem FSB besteht auch bei Produktfälschungen, mit denen Knauf konfrontiert ist. „Wir kriegen viele Informationen, wenn was aufgetaucht ist und was wir dagegen unternehmen können.“ Zur Deutschen Botschaft werden ebenfalls Kontakte gepflegt: „Es gibt viele Informationsveranstaltungen, die von und mit der Botschaft organisiert werden. Die Botschaft hat uns in den neunziger Jahren bei der Lösung einiger Probleme geholfen. In den letzten acht Jahren nicht mehr. Heutzutage hat die Deutsche Botschaft ganz andere Aufgaben, vor allem im politischen Bereich. Wenn man eine Frage oder ein Problem hat, dann gibt es zum Beispiel das Ausländerrecht, Visa usw. Da hilft die Botschaft natürlich sehr viel. Wenn ein Gouverneur schnell nach Deutschland fliegen will, dann ruft er an und sagt, ich möchte ein Visum. Solche Sachen passieren, dem Gouverneur muss man schon helfen.“ Die Leiter der örtlichen Administrationen bestimmen letztlich, ob Unternehmungen als Faktor wirtschaftlichen Wachstums und Beschäftigungssicherung betrachtet und entsprechend behandelt oder lediglich als Steuerzahler der örtlichen Haushalte angesehen werden (vgl. Kunze et al., 2005, S. 124). Auch zu den Gewerkschaften in Russland hat Knauf enge Beziehungen. Die Unternehmung fördert in allen ihren Tochtergesellschaften Betriebskollektive und Gewerkschaftsvertreter. „Und das funktioniert eigentlich sehr gut. Wir haben nirgends Probleme mit den Gewerkschaften gehabt, weil wir sozial unseren Mitarbeitern viel mehr geben als viele andere einheimische Unternehmen (…). Wir geben allein 2 Millionen Euro für Betriebskollektiverträge als materielle Unterstützung aus, (...), Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Weiterbildung sowie zinslose Kredite für die Mitarbeiter, die in schlechten Wohnverhältnissen leben.“
51 Knauf engagiert sich ebenfalls im sozialen und kulturellen Umfeld seiner Werkstandorte. Ein Befragter formuliert dies wie folgt: „Jeder Betrieb und jeder Generaldirektor hat einen speziellen Fond, der ihm jedes Jahr zur Verfügung steht, um bestimmte Dinge in der Region zu unterstützen.“ Dies geschieht zum einen durch finanzielle Hilfe beim Bau oder der Renovierung von Kirchen, Kindergärten, Kranken- und Waisenhäusern, zum anderen durch den Aufbau von Schulungs- und Ausbildungszentren, in denen jährlich 4.000 Architekten, Bauingenieure und Vorarbeiter ausgebildet werden. Die Unternehmung vergibt auch Stipendien an begabte Studenten. Auf Initiative von Knauf wurde zudem an der ältesten russischen Bauakademie, der Staatlichen Universität für Architektur und Bauwesen in St. Petersburg, der Studiengang „Trockenbau“ in den Lehrplan aufgenommen (vgl. Knauf, 2004, S. 55). Die daraus erkennbare langfristige Sichtweise und Einstellung trägt nach eigener Auskunft viel zu der Anerkennung der Unternehmung in der russischen Bauwirtschaft bei. Mit diesen Engagements im sozialen Bereich soll die gesellschaftliche und soziale Verantwortung (Corporate Social Responsability) von Knauf dokumentiert und der Öffentlichkeit kommuniziert werden (vgl. Hamm, 2003, S. 69). Dazu ein Interviewter: „Das hat natürlich auch ein bisschen Eigenzweck. Wir machen das nicht, weil wir unheimlich gute Menschen sind, nein. Jede Sache, die mit Geld verbunden ist, hat einen bestimmten Zweck. Bei uns ist der Zweck das Image, das wir haben, weiter zu erhalten und zu verbessern (...). Sie können mit dem Image und der Unternehmensphilosophie sehr viel Geld verdienen.“ Die zahlreichen sozialen Projekte von Knauf tragen nicht nur zu einem guten Namen der Unternehmung in Russland bei, sondern dadurch werden auch Kontakten zu wichtigen Interessengruppen geknüpft. Die Renovierung oder der Neubau von Kirchen verbindet die Unternehmung z.B. mit den kirchlichen Gemeinschaften, die in Russland einen nicht unerheblichen Einfluss im Wirtschaftsleben haben (vgl. Bremer, 2001). Auch der systematische Kontakt zu russischen Hoch- und Fachhochschulen mit bauwirtschaftlichen Studiengängen dient nicht nur dazu, Knauf unter Bauexperten bekannt zu machen (vgl. Hamm, 2003, S. 68). Vielmehr helfen diese Beziehungen Knauf auch bei der Lobbyarbeit, da renommierte Hochschulen in Russland oft Zugang zu Regierungskreisen haben. So ist Knauf beispielsweise Mitglied des Kuratoriums der Moskauer Staatlichen Bauuniversität, wodurch die Unternehmung gute Beziehungen zum Moskauer Bürgermeister Jurij Lužkov knüpfen konnte (vgl. MGSU 2007). Da Knauf für die Rohstoffgewinnung Gipssteinbrüche betreibt, entstehen erhebliche Eingriffe in die Natur. Die Umweltschutzorganisationen in Russland haben darauf reagiert und in der Presse eine Diskussion darüber geführt, ob ein Projekt von Knauf für die Gipsgewinnung eine Gefahr für den Baskunčak, einen der größten Salzseen der Welt, darstellt (vgl. MPR, 2006). Dazu bemerkt ein Befragter: „Die Grünen gibt es auch in Russland, und zwar in zunehmender Zahl, die schreiben manche Dinge in der Zeitung, die dann natürlich ein bisschen diskutiert werden. Aber letztendlich halten sie den Verlauf der Dinge nicht auf (…). Knauf ist dafür bekannt, dass wir nicht nur Gips abbauen, sondern auch rekultivieren.“ Nach den Worten des Interviewten erweisen sich diese Berichte über den See Baskunčak als wenig problematisch, da die Unternehmung gemäß der Gesetzgebung handelt. Es wird nicht nur zerstört, sondern auch neu aufgebaut. Der Konflikt wurde zudem weniger von Umweltschutzorganisationen verursacht, sondern vielmehr von der russischen Unternehmung Bassol, die als einer der größten Kochsalzhersteller des Landes Salz aus dem See bezieht und somit befürchtet, dass Knauf mit seinen Gipssteinbrüchen in der Nähe
52 des Sees die Wasserzusammensetzung ändern könnte (vgl. Dimitriev, 2006). Dazu legt ein Interviewter dar: „Aber sowohl der Gouverneur in Astrachan als auch die wichtigen Organe wissen, was los ist und das beunruhigt uns nicht sehr.“ Nach Meinung des Befragten haben bisher alle technischen Expertisen von internationalen Forschungsinstituten gezeigt, dass die Gipsgewinnung in diesem Gebiet keine Gefahr für den See darstellt. Aufgrund dieser Expertenmeinungen hat Knauf vom Umweltschutzamt des Astrachaner Gebietes die Erlaubnis für die weitere Tätigkeit in der Region erhalten. Die wenigen negativen Berichte über Knauf in den Medien im Zusammenhang mit Baskunčak waren nach Auskunft eines Befragten eine Ausnahme. „Über uns wird viel mehr positiv berichtet als negativ (...). Die entscheidenden Leute im Ministerium und auch in den Regionen (...) wissen ganz genau, dass man es eigentlich Knauf zu verdanken hat, dass es überhaupt eine funktionierende Gipsindustrie in Russland gibt (...). Seit 1998 gibt es in den Medien, vor allem in den Zeitungen keine langen bösartigen Diskussionen über uns (...). Wir sehen, dass die Medien uns stark unterstützen.“ Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass Knauf eng und zielgerichtet mit den Medien zusammenarbeitet. „Wir arbeiten mit allen Medien, sowohl Fernsehen als auch Pressekonferenzen und Zeitungen, wir machen sehr viel Werbung (...). Wir sind absolut offen. Wir haben auch sehr gute Beziehungen zu den Medien hier.“ Dies gilt sowohl für regionale als auch zentrale Medien. Insgesamt zeigt sich, dass Knauf durch den Aufbau eines engmaschigen StakeholderNetzwerks mit zahlreichen Akteuren das Investitionsrisiko in Russland erheblich reduzieren konnte. Das unterstreicht folgende Aussage: „Dass wir zu so unsicheren Zeiten 1993 investiert haben, ist gut gegangen, und heute sind wir der absolut führende Baustoffhersteller überhaupt hier in Russland und haben einen guten Ruf sowie eine gute Lobby, was wir Anfang der neunziger Jahre, als wir angefangen haben, nicht gehabt haben. Selbstverständlich haben wir auch heute noch Probleme, aber nicht mehr solcher Art wie in den neunziger Jahren. Das war schon dramatisch. Wir wollten mehrmals aufhören in Russland, aber wir haben es doch durchgestanden. Und heute sind wir froh darüber.“
5.2 Stakeholder-Netzwerk von VEKA Die VEKA AG mit Sitz im westfälischen Sendenhorst bei Münster ist ein weltweit führender Systemgeber und Hersteller von Kunststoffprofilen für Fenster, Türen und Rollläden sowie Kunststoffplatten (vgl. VEKA, 2007a). Die seit der Gründung 1969 familiengeführte KMU ist heute mit 27 Tochtergesellschaften auf vier Kontinenten vertreten. Im Geschäftsjahr 2006 erwirtschaftete VEKA mit 2.800 Mitarbeitern einen Umsatz von ca. 700 Millionen Euro. Eine Repräsentanz der VEKA AG in Russland existiert seit 1995. Drei Jahre später wurde die 100%ige Tochtergesellschaft VEKA Rus GmbH in Moskau gegründet. Als erster ausländischer Profilhersteller eröffnete VEKA 1999 eine Produktionsstätte in Moskau. Im Jahr 2004 wurde in Novosibirsk ein zweiter Betrieb von VEKA in Betrieb genommen. Derzeit beschäftigt VEKA Rus rund 180 Mitarbeiter. Abbildung 2 veranschaulicht das Stakeholder-Netzwerk der Unternehmung in Russland.
53 Abbildung 2:
Stakeholder-Netzwerk von VEKA Medien Russische Regierung
Regionale Administration Bundesregierung
Verbände
ConsultingAgentur
Staatsduma
Staatliche Gremien
Deutsche Botschaft Beziehungsstärke VEKA
1 2
VDW
Universitäten
3 4 5
VEKA ist Mitglied des VDW, deren Informationsleistungen die Unternehmung in Anspruch nimmt. Der VDW hat VEKA zudem gute Kontakte zum Deutschen Generalkonsulat in Novosibirsk sowie zur Deutschen Botschaft in der RF vermittelt (vgl. VEKA, 2005a; 2006a). Hochrangige Vertreter dieser Organisationen waren bei der Eröffnung des Betriebes in der sibirischen Hauptstadt Novosibirsk eingeladen. Auch Vertreter der Gebietsverwaltungen Tomsk und des Altajski Kraj (Barnaul) nahmen daran teil (vgl. DGN, 2004). Das Ziel solcher Einladungen ist es, das Image der Unternehmung in der Politik zu verbessern und Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern aufzubauen. Darüber hinaus hat VEKA eine Consultinggesellschaft eingeschaltet, um enge Kontakte zur regionalen Administration in Novosibirsk zu knüpfen. Diese hat z.B. ein Treffen mit dem Gouverneur von Novosibirsk, Viktor Tolokonski, organisiert. VEKA bemüht sich im Gegenzug darum, sich an solchen Projekten zu beteiligen, die sowohl für die Unternehmung als auch für die Gebietsadministration von Nutzen sind. So wird zum Beispiel die lokale Eishockeymannschaft finanziell unterstützt, was sich nach Aussage der Befragten positiv auf die Kontakte zu den Behörden auswirkt. Die Administration in Novosibirsk ist an einer Partnerschaft mit VEKA ebenfalls interessiert, weil die Investitionen der Unternehmung in dem Gebiet dazu beitragen, dass Sibirien eine führende Position bei der Fensterherstellung einnimmt (vgl. Lichatschev 2004). Am 9. Februar 2007 überreichten der Gouverneur von Novosibirsk und der Vorsitzende des regionalen Beirats der Abgeordneten den Mitarbeitern von VEKA eine Ehrenurkunde, um die besonderen Verdienste von VEKA für die soziö-ökonomische Entwicklung des Gebietes zu würdigen (vgl. VEKA, 2007b). Das enge Verhältnis von VEKA zur Administration gibt die folgende Aussage eines Befragten wieder: „Bei Behörden sind wir wahrscheinlich eine glückliche Ausnahme, aber
54 wir arbeiten sehr eng und kooperativ mit der Administration (…) zusammen und haben eine positive Neutralität zueinander, d.h. sie stören uns nicht, wir beunruhigen sie nicht. Wir sind zweitgrößter Steuerzahler im Gebiet, was auch für die Behörden gut ist (...). Mit Behörden kommen wir gut klar.“ Der PR-Manager von VEKA konkretisiert dies am Beispiel der Lösung von Problemen bei der Stromversorgung: „Bei uns ist der Aspekt der Stromversorgung sehr wichtig und ich kann sagen, es gab ein paar Engpässe, bei denen uns die Behörden wirklich geholfen haben, um weitere Quoten für die Energieversorgung zu bekommen.“ Neben den Behörden wird auch engen Kontakten zu den russischen Medien eine große Bedeutung zugemessen. Der PR-Manager der Unternehmung war früher als freiberuflicher Journalist in Russland tätig und verfügte bereits über gute Beziehungen im Medienbereich. Neben wichtigen Branchenmedien zählen dazu vor allem die Zeitungen „Vedomosti“ und „Kommersant’“ sowie der Fernsehsender NTV. Dort finanziert VEKA die Wettervorhersage sowie eine der bekanntesten Sendungen über Bau und Renovierung „Kvartirnij vopros“ [Wohnungsfrage] (vgl. VEKA, 2006b). Die Bedeutung dieser Medien besteht neben der allgemeinen Kommunikationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit vor allem darin, indirekt Einfluss auf Entscheidungsprozesse der staatlichen und regionalen Administration zu nehmen. Dies ist deshalb möglich, da viele Normen und Standards in dieser Branche gerade erst eingeführt werden. Diesem Zweck dient auch die von VEKA intensiv betriebene Mitwirkung in staatlichen Gremien. Dazu erklärt ein Befragter: „Es gibt für uns im Moment eine günstige Möglichkeit, Lobbyarbeit durchzuführen und zwar folgende: In Russland entsteht eine komplett neue Gesetzgebung im Bereich der technischen Regelung, also technische Normen und Standards. Das wird alles nach europäischem Muster gemacht. Das heißt, die Regierung stellt nur die Rahmenbedingungen für die technischen Daten, und die Einzelheiten sollen vom Marktplayer selber entwickelt werden. Dadurch ist in jeder Branche ein Gremium gegründet worden. Wir sind da auch Mitglied. Über diese Nische können wir viele Dinge, etwa die Entstehung neuer Gesetze, beeinflussen, die Auswirkungen auf unsere Branche haben.“ Im Rahmen der Lobbyarbeit spielen auch die Beziehungen zu Hochschulen wie dem Institut für Bauphysik und dem Institut für Architektur in Moskau eine bedeutende Rolle. Die Institutionen haben einen großen Einfluss auf staatliche Organe und deren Entscheidungen. Deshalb lädt VEKA regelmäßig Branchenexperten zu Gesprächsrunden ein. Gemeinsam mit russischen Wissenschaftlern und Bauspezialisten wurde zudem das erste Lehrbuch zu Kunststofffenstern in Russland „Projektierung von Fenstersystemen für Wohngebäude“ veröffentlicht. Dieses Lehrbuch stellt VEKA allen Hochschulen im Land kostenlos zur Verfügung (vgl. VEKA, 2003). Aus ähnlichen Gründen sponsert VEKA sozio-ökonomische Projekte. Dazu zählt etwa der Runde Tisch zum Thema „Nationale Prioritäten und soziale Projekte. Partnerschaft zwischen Staat und Unternehmertum“, der auf Initiative des russischen Verbandes der Industriellen und Unternehmer am 22. September 2006 stattfand. Teilnehmer waren Vertreter der Präsidialverwaltung, Regierungsvertreter, Abgeordnete der Staatsduma, Gouverneure der russischen Regionen, Leiter verschiedener Branchenverbände sowie Vertreter gesellschaftlicher Organisationen. Die Unterstützung dieser und anderer Initiativen eröffnet VEKA direkte Beziehungen zu vielen wichtigen Interessengruppen und verbessert das Image der Unternehmung in der Öffentlichkeit.
55 Schließlich nutzt VEKA auch die Kontakte zur Bundesregierung, um seine Interessen in Russland durchzusetzen. Der Vorstandsvorsitzende der VEKA AG, Hubert Hecker, nahm etwa an den deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Tomsk (Sibirien) im April 2006 teil, wo er u.a. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Putin traf (vgl. DGN 2006).
5.3 Stakeholder-Netzwerk von Fresenius Die Fresenius Medical Care mit Hauptsitz in Bad Homburg ist einer der drei Unternehmungsbereiche des Fresenius-Konzerns und stellt einen weltweit führenden Anbieter von Produkten und Dienstleistungen für Patienten mit chronischem Nierenversagen dar. Die Unternehmung wurde 1912 gegründet, ihre Wurzeln liegen aber bereits im Jahr 1462, als die Hirsch-Apotheke in Frankfurt am Main eröffnet wurde. 2005 erreichte Fresenius Medical Care einen Gesamtumsatz von rund 8,5 Milliarden Euro. In über 100 Ländern beschäftigt die Unternehmung mehr als 60.000 Mitarbeiter (vgl. Weith, 2007). Auf dem russischen Markt ist Fresenius bereits seit über 25 Jahren aktiv. 1991 wurde die 100%ige Tochtergesellschaft Fresenius S.P. mit Sitz in Moskau gegründet. Die Zentrale in Moskau und die Filialen in St. Petersburg, Kasan, Novosibirsk, Volgograd und Chabarovsk beschäftigen insgesamt rund 120 Mitarbeiter (vgl. VDW, 2005b, S. 45). Das Stakeholder-Netzwerk von Fresenius gibt Abbildung 3 wieder. Aufgrund der hohen Qualitätsstandards verwendet die Mehrheit der führenden Kliniken und Forschungseinrichtungen in Russland heute Dialysegeräte und Produkte von Fresenius. Da die Dialysetechnik von Fresenius sehr hochwertig und damit teuer ist, können die Ärzte, die mit ihr arbeiten, zumeist nicht individuell entscheiden, ob diese angeschafft werden soll oder nicht. Diese Entscheidung wird vielmehr im Rahmen von Ausschreibungen getroffen, bei denen Fresenius ein Angebot macht und dabei in Konkurrenz zu anderen Unternehmungen steht. Ausschreibungen können z.B. durch Vertreter des Gesundheitsministeriums, der regionalen Administration eines bestimmten Gebietes oder die Leitung eines Krankenhauses initiiert werden. Problematisch ist dabei, dass diese Vertreter nicht immer eine medizinische Ausbildung haben und auf dem Gebiet der Dialyse oft nur geringe Kenntnisse besitzen. Diese geringe Fachkenntnis der Entscheidungsträger wird von Fresenius als größtes Risiko der Tätigkeit angesehen. Eine zentrale Aufgabe besteht deshalb darin, die häufig nicht ausreichend kompetenten Entscheidungsträger von der Qualität ihrer Technik und Dienstleistungen zu überzeugen. Dazu werden die Beziehungen zu verschiedenen Stakeholdern und eine zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit genutzt.
56 Abbildung 3:
Stakeholder-Netzwerk von Fresenius Medical Care GHM Fresenius
Branchenmedien RDO
Regionale Gesundheitsbehörden Beziehungsstärke 1
Dialyseärzte Meinungsführer
2 3 Krankenhäuser
4 5
Ein Beispiel dafür ist die Unterstützung von wissenschaftlichen Studien und Publikationen wie etwa in der Fachzeitschrift „Nefrologija i dializ“ [Nephrologie und Dialyse], die von der Russischen Dialysegesellschaft (RDO) herausgegeben wird. Artikel in dieser Zeitschrift, bei denen die Produkte und Dienstleistungen von Fresenius erwähnt werden, haben oft eine meinungsbildende Funktion und erleichtern die politische Lobbyarbeit. Fresenius pflegt zudem persönliche Beziehungen zu den Meinungsführern im Bereich der Dialyse, die zu allen von der Unternehmung organisierten Veranstaltungen wie Konferenzen, Seminaren und Ausstellungen eingeladen werden. Dort haben sie die Möglichkeit, die Produkte der Unternehmung kennen zu lernen, Erfahrungen auszutauschen und eigene Forschungsergebnisse zu präsentieren. Von Fresenius wird diese Form der Unterstützung von Meinungsführern nicht als Korruption aufgefasst, da diese keine Entscheidungen darüber treffen, ob eine Apparatur gekauft wird oder nicht. Es ist gut, wenn ein Arzt in einem Artikel Fresenius erwähnt, so ein Befragter sinngemäß, aber auch wenn er nur seine Forschungsergebnisse darstellt, hilft dies Fresenius indirekt, da die Unternehmung Qualitäts- und Technologieführer in Russland ist. Ein neuer Schwerpunkt der Aktivitäten der Unternehmung ist es, die Behörden in verschiedenen Regionen Russlands bei dem Aufbau und der Erweiterung von Dialysezentren zu unterstützen oder diese selbst zu betreiben (vgl. VDW, 2005b, S. 45). Fresenius arbeitet dabei sehr eng mit der Russischen Dialysegesellschaft (RDO) zusammen, welche nach Meinung der Befragten die wichtigste Interessengruppe in dieser Branche ist. Die Unternehmung hat deren Gründung mit Informationen und finanziellen Mitteln unterstützt und sponsert fast alle ihre Veranstaltungen. Als Gegenleistung unterstützt RDO die Beziehungen von Fresenius zu den zentralen und regionalen Organen der russischen Gesundheitsfürsorge auf dem Gebiet der Behandlung von Kranken mit Nierenversagen (vgl. RDO, 2003). Außerdem hat RDO Kontakte zu allen Universitätskliniken und Krankenhäusern in Russland, die eine Abteilung für Nephrologie und Dialyse haben. Neben RDO sind die Russi-
57 sche Gesellschaft der Nephrologen sowie das Moskauer Dialysezentrum wichtige Interessengruppen in diesem Bereich. Schließlich verfügt Fresenius über persönliche Kontakte zu vielen Ärzten in Kliniken und Krankenhäusern. Diese sind häufig Mitglieder der RDO und können dadurch wichtige Entscheidungsträger beeinflussen. Zusammenfassend resümiert ein Befragter: „Bedingungslos sind die persönlichen Beziehungen in Russland das wirksamste Mittel, das es gibt.“
6 Stakeholder-Netzwerke deutscher Unternehmungen in Russland: Fallübergreifende Analyse Vergleicht man die drei Stakeholder-Netzwerke von Knauf, VEKA und Fresenius, so fallen zahlreiche Unterschiede auf. Bemerkenswert ist zunächst die unterschiedliche Zahl der sozio-politischen Interessengruppen, mit denen die drei Unternehmungen interagieren. Während diese bei Knauf und VEKA mit jeweils 11 relativ hoch ist, weist das Netzwerk von Fresenius lediglich 6 Stakeholder auf. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die betrachteten Unternehmungen mit unterschiedlichen Risiken konfrontiert sind. Während für Knauf und VEKA rechtliche, politische und ökonomische Risiken relevant sind, ist Fresenius vor allem mit dem ökonomischen Risiko konfrontiert, dass die Nutzer ihrer Produkte und die Entscheider über deren Anschaffung nicht identisch sind. Fresenius ist zudem in dem stark mit positiven Assoziationen verbundenen Gesundheitssektor tätig und dadurch weitaus weniger als die anderen beiden Unternehmungen einer kritischen Öffentlichkeit ausgesetzt. Nicht zuletzt ist das Stakeholder-Management von Fresenius vor allem auf die Beeinflussung von Einzelentscheidungen ausgerichtet, während Knauf und VEKA viel stärker bestrebt sind, auch die allgemeinen Rahmenbedingungen zu eigenen Gunsten zu beeinflussen. Hierzu sind wiederum Beziehungen zu einer größeren Zahl sozio-politischer Stakeholder erforderlich. Diese Unterschiede wirken sich auch auf die von Unternehmungen als relevant bezeichneten Typen von sozio-politischen Stakeholdern aus. Auffallend ist zunächst, dass internationale Stakeholder – mit Ausnahme der deutschen Bundesregierung im Fall VEKA – in keinem der drei Stakeholder-Netzwerke vorkommen. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass Russland erst zu einem relativ geringen Maße in die internationale Arbeitsteilung eingebunden ist und länderübergreifende Risiken und Stakeholder-Beziehungen deshalb nur eine geringe Rolle spielen. Dies bestätigt eine empirische Studie von Holtbrügge/Berg/Puck (2007). Unter den nationalen Stakeholdern besitzen staatliche und private Stakeholder bei Knauf und VEKA eine etwa gleich große Bedeutung. Demgegenüber stehen letztere bei Fresenius eindeutig im Vordergrund. Zwar besitzen das Gesundheitsministerium und die regionalen Behörden der Gesundheitsfürsorge als wichtigste Entscheidungsträger die größte Bedeutung, im Rahmen des Stakeholder-Netzwerks der Unternehmung stellen diese jedoch überwiegend indirekte Stakeholder dar, zu denen VEKA vor allem über andere Stakeholder in Beziehung steht, die der privaten Gruppe zuzurechnen sind. Die Unterschiede zwischen Knauf und VEKA bestehen vor allem darin, dass für Knauf die jeweilige regionale Administration als bedeutsamer angesehen wird. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass die Unternehmung über deutlich mehr Tochtergesellschaf-
58 ten in den russischen Regionen verfügt und die wahrgenommenen Risiken deshalb auch eine starke regionale Komponente aufweisen. Für VEKA spielen dagegen neben den zentralen Stakeholdern in Moskau vor allem regionale Stakeholder in der Region Novosibirsk eine Rolle, wo sich der zweite Produktionsbetrieb der Unternehmung befindet. Bereits ein Vergleich der graphischen Illustrationen der Stakeholder-Netzwerke macht deutlich, dass auch die Zahl und die Stärke der Beziehungen zwischen den Stakeholdern markante Unterschiede aufweisen. Diese werden noch offensichtlicher, wenn man die numerischen Werte der Beziehungen zugrunde legt und die Netzwerkprofile der drei Unternehmungen analysiert. Tabelle 4: Netzwerkprofile der untersuchten Unternehmungen Dimensionen
Knauf
VEKA
Fresenius
Netzwerkgröße Durchschnittsintensität Dichte Zentralität
12 1,769 0,341 0,462
12 2,095 0,328 0,196
7 2,615 0,878 0,387
theoretisches Maximum 5 1 1
Ein Vergleich von Netzwerkgröße und Intensität der Verbindungen zeigt, dass Fresenius – die Unternehmung mit dem kleinsten Netzwerk – die intensivsten Beziehungen zu ihren Stakeholdern besitzt. Eine Erklärung hierfür ist, dass in kleineren Netzwerken stärkere Beziehungen vorherrschen müssen, damit diese effizient seien können. Andererseits ist es aber auch möglich, dass die geringe Größe des Netzwerkes diese intensiven Beziehungen überhaupt erst möglich macht, d.h. Unternehungen umso intensiver mit Stakeholdern interagieren können, je kleiner deren Zahl ist. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass das Netzwerk von Fresenius sehr branchenspezifisch ausgerichtet ist und starke Verbindungen zu den in der Branche relevanten Stakeholdern erforderlich sind. Dies zeigt sich etwa in der intensiven Beziehung zu RDO, die den zentralen Akteur für alle Unternehmungen in der Branche darstellt. Die Tatsache, dass die Durchschnittsintensität in den Netzwerkbeziehungen von VEKA höher als diejenige im Netzwerk von Knauf ist, kann etwa durch die Rolle der indirekten Stakeholder im Netzwerk von Knauf erklärt werden. Die Unternehmung nutzt die regionale Administration, die Staatsduma und die russische Regierung als Intermediäre, um weitere Stakeholder in ihrem Netzwerk zu erreichen. Dies erfordert nur eine limitierte Zahl intensiver Beziehungen im Netzwerk, während die Beziehungen zu peripheren Stakeholdern dadurch relativ schwach sein können. Die Dichte im Stakeholder-Netzwerk von Fresenius ist nahe dem theoretischen Maximum. Nahezu alle möglichen Beziehungen zwischen den Akteuren sind auch tatsächlich vorhanden. Im Gegensatz zu den Netzwerken von VEKA und Knauf, wo zahlreiche Akteure nur Beziehungen zu einem oder zwei weiteren Akteuren besitzen, ist das Netzwerk von Fresenius sehr dicht, d.h. zahlreiche Akteure sind mit vier oder mehr weiteren Akteuren verbunden. Dadurch kann Fresenius an zahlreiche Akteure sowohl direkt als auch indirekt durch den Einsatz von Intermediären herantreten. Dies reduziert die Abhängigkeit von einzelnen Beziehungen zu bestimmten Netzwerkakteuren. Das Netzwerk von VEKA besitzt den geringsten Grad an Zentralität. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass VEKA gezielt andere Akteure einsetzt, um die eigenen Ziele zu
59 erreichen. Dies gilt insbesondere für den VDW sowie Consulting-Agenturen. Das Netzwerk von Knauf besitzt den höchsten Grad von Zentralität. Die Unternehmung hat intensive Beziehungen zu zentralen Akteuren etabliert und ist zusätzlich direkt, aber weniger intensiv mit den meisten anderen Akteuren im Netzwerk verbunden. Das Netzwerk von Fresenius nimmt eine mittlere Position zwischen VEKA und Knauf ein.
7
Fazit und Implikationen
Aus den Ergebnissen der Untersuchung lassen sich eine Reihe von Implikationen für Forschung und Praxis ableiten. Für die zukünftige Forschung besonders relevant ist zunächst, dass der Netzwerkansatz einen gelungenen Rahmen für die Analyse von StakeholderStrukturen darstellt. In allen betrachteten Fällen versuchen die Unternehmungen ihre Stakeholder nicht nur direkt, sondern auch durch indirekte Kontakte zu beeinflussen. Ein rein dyadischer Ansatz hätte solche Beziehungen nicht aufdecken können und wäre somit den tatsächlichen Beziehungen nicht gerecht geworden. In zukünftigen Studien sollte der Netzwerkansatz deshalb häufiger als bisher zur Analyse von Stakeholder-Beziehungen herangezogen werden. Für die Praxis zeigt die vorliegende Studie, dass die Entwicklung von StakeholderNetzwerken in Russland wesentlich dazu beitragen kann, Risiken zu reduzieren, und somit einen erfolgskritischen Faktor darstellt. Ein Befragter drückt dies sehr anschaulich aus: „Zunächst glaube ich, dass die meisten großen Unternehmen, die hier aktiv sind, bisher unterschätzt haben, dass sie überhaupt ein Netzwerk brauchen. […] Und es wird noch dramatischer werden, wenn die Unternehmen Vertriebsstrukturen in den Regionen aufbauen, was sie zunehmend müssen. Und noch mehr, wenn sie dann den nächsten Schritt gehen und Fertigung, also die Wertschöpfung, hier im Land aufbauen. Dann geht es ohne ein entsprechendes Netzwerk aus meiner Sicht überhaupt nicht mehr. Und ich bin mir sehr, sehr sicher, dass dann viele Unternehmen Lehrgeld zahlen werden, weil sie darauf überhaupt nicht vorbereitet sind“. In den betrachteten Unternehmungen sind lokale, regionale und nationale staatliche Stakeholder von besonderer Relevanz. Diesen folgen private Stakeholder wie etwa der VDW oder weitere Verbände. Die unterschiedlichen Gestaltungsformen der Netzwerke zeigen weiterhin, dass eine Konzentration auf direkte Beziehungen nicht der einzige Weg zu einem effizienten Stakeholder-Netzwerk ist. Verbindungen zu einem Stakeholder können vielmehr auch dazu verwendet werden, andere relevante Akteure zu erreichen. Eine Unternehmung, die sich auf wenige, aber intensive Verbindungen zu zentralen Akteuren konzentriert, kann somit ebenso erfolgreich sein wie eine Unternehmung, die zu zahlreichen Akteuren direkte und intensive Verbindungen pflegt. Als weitere praxisrelevante Implikation zeigt sich, dass Stakeholder-Netzwerke in Russland eine unterschiedliche Größe, Intensität, Dichte und Zentralität aufweisen. Unternehmungen müssen demzufolge analysieren, wie das für sie passende Netzwerk gestaltet sein muss. Generell sollte sich die Form der perzipierten Risiken auch im jeweiligen Stakeholder-Netzwerk widerspiegeln. Je unterschiedlicher die Risiken sind, denen eine Unternehmung ausgesetzt ist, desto größer sollten das Netzwerk und desto diverser dessen Akteure sein.
60 Die Aussagekraft der gewonnenen Erkenntnisse wird durch die geringe Größe des Samples etwas geschmälert. Zukünftige Studien müssen daher zeigen, ob die Ergebnisse in andere Kontexte übertragbar sind. Dazu wäre etwa ein Vergleich der Netzwerke von großen multinationalen Unternehmungen und KMUs sinnvoll. Der Vergleich der Netzwerke von Unternehmungen aus unterschiedlichen Herkunftsländern könnte zudem Aufschluss über mögliche Herkunftsländereffekte geben. Weiterhin muss beachtet werden, dass in dieser Untersuchung die Stärke der Beziehung als Messgröße für die Beziehungen herangezogen wurde. Obwohl diese Maßgröße häufig angewandt wird, kann sie die komplexen und vielfältigen Formen von Beziehungen zwischen Akteuren in einem Stakeholder-Netzwerk nicht umfassend abbilden. Zukünftige Studien sollten daher die Multiplexität der Beziehungen zwischen den Akteuren in die Analyse einbeziehen und ein differenzierteres Konzept verwenden. Denkbar wäre es z.B., zwischen Anliegen, Information und Unterstützung als Dimensionen von StakeholderBeziehungen zu differenzieren. Schließlich wurde in dieser Studie eine Zeitpunkt-Betrachtung vorgenommen. Da sich die politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Risiken in Russland jedoch schnell ändern, ist davon auszugehen, dass sich auch die zur Reduzierung dieser Risiken eingesetzten Stakeholder-Netzwerke wandeln. Die vorliegende Studie sollte deshalb durch Langzeitanalysen ergänzt werden, um die Dynamik von Stakeholder-Netzwerken zu erfassen. Dadurch ließen sich zudem verlässlichere Aussagen zu den Erfolgswirkungen von Stakeholder-Netzwerken machen, da angenommen werden kann, dass sich StakeholderBeziehungen erst nach einer gewissen Zeit zur Reduzierung von Risiken nutzen lassen.
61 Literatur AEB. 2007. AEB Members, http://www.aebrus.ru/index.php, 05.02.2007. ADVIS. 2007. Praktičeskij opyt bor'by s proizvodstvom i rasprostraneniem poddelok produkcii firmy Knauf [Erfahrungen von Knauf mit dem Schutz von Intellectual Property Rights], http://www.advis.ru/cgi-bin/new.pl?5AF3CE7E-9FB1-014B-B160-73F524315AED, 17.03.2007. Atteslander, P. 2006. Methoden der empirischen Sozialforschung. 10. Auflage, Berlin. Bamberg, I., A.G. Coenenberg. 2002. Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre. 11. Aufl., München. Berg, N. 2003. Public Affairs Management. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in Multinationalen Unternehmungen. Wiesbaden. Berger, R. 2004. Russische Wirtschaft auf Wachstumskurs. In Investieren in Russland: Chancen für den Mittelstand. Fakten, Erfahrungen, Tipps. Hrsg. Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Berlin, 12-13. Berman, S.L., A.C. Wicks. 1999. Does Stakeholder Orientation Matter? The Relationship between Stakeholder Management Models and Form Performance. Academy of Management Journal, 42, 488-506. Bieta, V. et al. 2002. Risikomanagement und Spieltheorie. Wie Global Player mit Risiken umgehen müssen. 1. Aufl., Bonn. Borov’ev, S.N., K.V. Baldin. 2006. Upravlenie riskami v predprinimatel’stve [Risikomanagement in Unternehmen]. Moskau. Bremer, T. 2001. Religion und Kirche. In Russland unter neuer Führung. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts. Hrsg. H.H. Höhmann und H.H. Schröder. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 256-266. Brouthers, K.D. 1995. The Influence of International Risk on Entry Mode Strategy in the Computer Software Industry. Management International Review, 35, 1, 7-28. Calton, J.M., N.B. Kurland. 1996. A Theory of Stakeholder Enabling. Giving Voice to an Emerging Postmodern Praxis of Organizational Discourse. In Postmodern Management and Organization Theory. Hrsg. D.M .Boje, R.P. Gephart Jr. und T.J. Thatchenkery. London/New Delhi/Thousand Oaks, 154-177. Dimitriev, A. 2006. Gips vmesto soli, „Knauf“ i „Bassol“ ne podelili Baskunčak [Gyps statt Salz. Knauf and Bassol haben Baskunčak nicht geteilt], http://www. kommersant.ru/region/volgograd/page.htm?Id_doc=674198,18.03.2007. Eisenführ, F., M. Weber. 2002. Rationales Entscheiden. 4. Aufl., Berlin. Figge, F. 2002. Stakeholder und Unternehmensrisiko. Eine stakeholderbasierte Herleitung des Unternehmensrisikos. Lüneburg. Flick, U. 2006. An Introduction to Qualitative Research. 3. Aufl., Thousand Oaks. Freeman, L.C. 1979. Centrality in Social Networks: I. Conceptual Clarification. Social Networks, 1, 215-239. Freeman, R.E. 1984. Strategic Management. A Stakeholder Approach. Boston, MA. Gaddy, C.G., B.W. Ickes. 1998. Russia's Virtual Economy. Foreign Affairs, 77, 5, 53-67. Gioia, D.A. 1999. Practicability, paradigms, and problems in stakeholder theorizing. Academy of Management Review, 24, 228-232. Häberle, S. 2004a. Risikomanagement im Außenhandel – Außenhandelsrisiken. In Fallstudien zum internationalen Management. Hrsg. J. Zentes und B. Swoboda. 2. Aufl., Wiesbaden, 45-58. Häberle, S. 2004b. Risikomanagement im Außenhandel: Ein Überblick. In Außenhandel. Marketingstrategien und Managementkonzepte. Hrsg. J. Zentes, D. Morschett und H. Schramm-Klein. Wiesbaden, 883-906.
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67
Tina C. Ambos
Managing Attention in the Multinational Corporation: Eine Forschungsagenda
1
Einleitung
2
Aufmerksamkeit als knappe Ressource in der MNU
3
Dimensionen von Aufmerksamkeit
4
Die Perspektive der Unternehmenszentrale: Wie Aufmerksamkeit effizient verteilt werden kann
5
Die Perspektive der Tochtergesellschaften: Werben um Aufmerksamkeit
6
Eine Forschungsagenda
Literatur
69 1
Einleitung
Nicht nur die Allokation von Budget, Personal und Marktzielen ist eine zentrale Frage im Management multinationaler Unternehmen (MNU) – auch die Aufmerksamkeit von Stammhäusern für ihre Tochtergesellschaften ist eine knappe Ressource (Ocasio, 1997; Haas und Hansen, 2001; Birkinshaw et al., 2007; Bouquet und Birkinshaw, 2008), die von Managern effizient eingesetzt werden muss. Besonders in Zeiten des Informationsüberflusses widmen Manager nur jenen Dingen Aufmerksamkeit, die ihnen wichtig erscheinen und setzen damit Akzente. Insofern sind einige Märkte aufgrund Ihrer Charakteristika begünstigter als andere, da die Aufmerksamkeit, die Stammhäuser ihren Tochtergesellschaften zukommen lassen, teilweise durch die Größe und Wichtigkeit des Markts bestimmt wird. Aber ebenso wichtig sind interne Signale, die aus den Niederlassungen kommen. So haben auch periphere Tochtergesellschaften die Möglichkeit, um diese Aufmerksamkeit zu kämpfen und sie zu ihrem Vorteil zu nützen. Ziel dieses Beitrags ist, einen Überblick über die bestehende Forschung des Managements von Aufmerksamkeit in multinationalen Unternehmen zu geben und eine Forschungsagenda vorzustellen. Die empirischen Ergebnisse, auf die Bezug genommen wird, basieren auf qualitativen und quantitativen Primärdaten von internationalen Tochtergesellschaften multinationaler Unternehmen in Australien, Kanada und Großbritannien, die 2005 erhoben wurden (Bouquet und Birkinshaw, 2008; Ambos et al., 2008; Ambos und Birkinshaw, 2008). Der Beitrag ist in sechs Abschnitte gegliedert. Zuerst wird die Konzeption von Aufmerksamkeit als knappe Ressource in der multinationalen Unternehmung eingeführt und theoretisch untermauert. Dann werden verschiedene Dimensionen von Aufmerksamkeit vorgestellt. Diese beinhalten sowohl positive Aspekte, die schon empirisch identifiziert und getestet wurden (Bouquet und Birkinshaw, 2008) als auch negative Aspekte, die in zukünftigen empirischen Studien Beachtung finden könnten. Die folgenden zwei Abschnitte beschäftigen sich einerseits mit der Perspektive der Unternehmenszentrale und der Frage, wie Aufmerksamkeit effizient im internationalen Netzwerk verteilt werden kann; und andererseits mit der Sichtweise der Tochtergesellschaften und den Strategien und Taktiken, die diese anwenden können, um die Aufmerksamkeit des Stammhauses auf sich zu ziehen und für ihre Zwecke zu nutzen. Der letzte Teil widmet sich der Konzeption einer Forschungsagenda, in der Kerninhalte und -fragen vorgestellt werden.
2
Aufmerksamkeit als knappe Ressource in der MNU
Unsere Konzeption von „Aufmerksamkeit“ als knappe Ressource in der MNU geht zurück auf Studien über kognitive Faktoren im Management (Daft und Weick, 1984; Dutton et al., 1983; Garg et al., 2003; Sharma, 2000; Weick, 1987). Generell setzen alle diese Studien an behavioristischen Perspektiven an, fokussieren aber vorwiegend auf das individuelle Niveau oder verschiedene Management-Ebenen, z.B. Top Management Teams (Thomas et al., 1993) oder das Mittelmanagement (Balogun und Johnson, 2004). Besonders Studien über sogenannte „issue selling“-Strategien des Mittelmanagements (Dutton und Ashford, 1993; Dutton et al., 1993), die kürzlich auch Anwendung auf das internationale Umfeld der MNU
70 gefunden haben (z.B. Ling et al. 2005), dienten als Anregung, die Forschung über die Rolle von Aufmerksamkeit in der MNU zu vertiefen. Eine organisationale Sichtweise von Aufmerksamkeit wurde in der Arbeit von William Ocasio begründet, der die sogenannte „Attention-based view of the firm“ formulierte (Ocasio, 1997). Ocasio beschreibt Aufmerksamkeit als sozial strukturiertes Muster in der Organisation. Die „Attention-based view of the firm” betont die dezentrale Natur von Entscheidungen, Handlungen und Wahrnehmungen im Unternehmen (Ocasio, 1997; Simon, 1947; Boland et al. 1994). Organisationale Aufmerksamkeit ist – genauso wie individuelle – nur begrenzt verfügbar und durch selektive Wahrnehmung geprägt (Simon, 1947; Ocasio, 1997). Folglich kann sie als knappe Ressource bezeichnet werden, und es entsteht ein interner Markt für Aufmerksamkeit in der MNU. Haas und Hansen (2001) haben die Dynamiken dieses Marktes analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass Aufmerksamkeit die wertvollste Ressource in der modernen MNU ist und damit den Platz, den „Information“ in den letzten Jahre besetzt hat, einnimmt (Haas und Hansen, 2001). Obwohl ein wichtiger Beitrag ihrer Studie die Idee eines internen Marktes für Aufmerksamkeit ist, haben Haas und Hansen keine direkte Messung von Aufmerksamkeit vorgenommen. Unsere Konzeption von „Aufmerksamkeit des Stammhauses in der MNU“ erweitert die oben beschriebene organisationale Sichtweise der bestehenden Literatur. Wir verorten Aufmerksamkeit im Kontext von Stammhaus und Tochtergesellschaft als eine sich kontinuierlich entwickelnde Beziehung, in der das Stammhaus neue Ideen in Tochtergesellschaften identifiziert und darauf aufbaut (Chandler, 1991; Rugman und Verbeke, 2001; Bouquet und Birkinshaw, 2008). Dieser wechselnde Grad an Aufmerksamkeit, der einer Tochtergesellschaft gewährt wird, wirkt auch als Entwicklungsmechanismus für die jeweilige organisationale Einheit (Galunic und Eisenhardt, 1996; Birkinshaw, 1997). Eine Untersuchung der Aufmerksamkeit des Stammhauses trägt zu einem tieferen Verständnis bei, wie Prioritäten und Investitionen in der MNU über mehrere Einheiten hinweg in Einklang gebracht werden können (Bouquet und Birkinshaw, 2008). In ihrem Kern ermöglicht uns das Konzept von Aufmerksamkeit, die kognitiven Limitationen von Management (Teams) in Betracht zu ziehen und die Illusion von unbegrenzter Kontrolle und Rationalität in inner-organisationalen Beziehungen aufzugeben. Somit untermauert diese Sichtweise die Konzeption der MNU als politisches System, das von kooperativen Systemen und wechselnden politischen Koalitionen bestimmt wird (March und Simon, 1958; Cyert und March, 1963; Forsgren et al., 1995) – anstelle eines mechanistischen Ansatzes, der vorwiegend auf formaler Kommunikation und Kontrolle basiert. Ein bedeutender Aspekt ist dabei die Betrachtung von Aufmerksamkeit als holistisches Konzept, das sowohl tangible als auch intangible Ressourcenzuwendung einschließt. Dabei wird in Betracht gezogen, dass Tochtergesellschaften nicht nur um tangible Ressourcen und Kapital werben, sondern dass kognitive Arten der Zuwendung ebenso bedeutsam sind (Sharma, 2000; Thomas et al., 1993, Weick, 1987). Im Folgenden wird beschrieben, welche Dimensionen die Konzeption von Aufmerksamkeit für Tochtergesellschaften umfasst.
71 3
Dimensionen von Aufmerksamkeit
Obwohl sich die bisherigen Arbeiten (Dutton und Ashford, 1993; Ocasio, 1997; Bouquet und Birkinshaw, 2008; Ling et al., 2005) vorwiegend mit den positiven Facetten bzw. Auswirkungen von Aufmerksamkeit befasst haben, ist anzumerken, dass Aufmerksamkeit des Stammhauses prinzipiell auch negative Auswirkungen für Tochtergesellschaften haben kann – insbesondere, wenn die Aufmerksamkeit des Stammhauses eine kontrollähnliche Wirkung erlangt. Aufmerksamkeit kann auch eine Reaktion auf Fehlverhalten oder mangelnde Profitabilität der Tochtergesellschaft sein. Ein möglicher Ansatz der Kategorisierung ist die Darstellung eines Spannungsfelds zwischen für die Tochtergesellschaft „wünschenswerten“ und „weniger wünschenswerten“ Dimensionen von Aufmerksamkeit. Drei solcher Kategorien wurden identifiziert und in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1: Kategorien von Aufmerksamkeit Kategorie
Wünschenswert aus Sicht der Tochtergesellschaft
Prozess-orientiert Inhalts-orientiert Zielgruppen-orientiert
Bottom-up Direktiv Symbolisch
Weniger wünschenswert aus Sicht der Tochtergesellschaft Top-Down Unterstützend Instrumentell
Die erste Kategorie von Aufmerksamkeit – bottom-up oder top-down – bezieht sich auf die Art des Prozesses. Entweder schenken Manager des Stammhauses Tochtergesellschaften Aufmerksamkeit als Reaktion auf direkte Handlungen des lokalen Managements (bottomup) (Rugman und Verbeke, 2001; Galunic und Eisenhardt, 1996; Birkinshaw, 1997) oder als Teil von routinemäßigen Entscheidungsstrukturen, wie Jahresberichten oder Quartalssitzungen (top-down) (Simons, 1991; Bowland et al., 1994). Darüber hinaus kann Aufmerksamkeit unterstützend oder direktiv sein. Diese inhaltsorientierte Unterscheidung folgt einer „Zuckerbrot und Peitsche“-Motivation. Eine Tochtergesellschaft mag eine Art von Aufmerksamkeit empfangen, die als unterstützend bezeichnet werden kann, weil das Stammhaus im Begriff ist, vom lokalen Markt zu lernen (Ambos et al., 2006), den Zugang zu Kapitalquellen zu erleichtern oder mehr Anerkennung in Form von Budget oder Karrieremöglichkeiten zu zollen (Mudambi und Navarra, 2004). Alle diese Formen von Aufmerksamkeit sind wünschenswert für die Tochtergesellschaft. Andererseits kann eine Tochtergesellschaft vom „Radarschirm“ des Unternehmens verschwinden – als Resultat bürokratischer Maßnahmen oder weil das Stammhaus versucht, Übereinstimmug mit globalen Direktiven des Unternehmens zu erreichen (Prahalad und Doz, 1991). Diese Form von Aufmerksamkeit ist weniger wünschenswert für die Tochtergesellschaft, kann aber aus Sicht des Stammhauses angebracht sein, um Effizienz und globale Integration zu gewährleisten. Als dritte Kategorie kann Aufmerksamkeit symbolisch oder instrumentell sein. Sie wird als zielgruppen-orientiert bezeichnet, da sie sich entweder auf externe oder interne Zielgruppen der Aufmerksamkeit richtet. Von symbolischer Aufmerksamkeit wird gesprochen, wenn Stakeholder auf die Aktivitäten von Tochtergesellschaften hingewiesen werden (D’Aveni und MacMillan, 1990). Zum Beispiel dienen Jahresberichte oder Aktionärsbriefe
72 oft zum Anlass für diese Art der Aufmerksamkeit und um den wichtigsten Tochtergesellschaften im Portfolio des Unternehmens Anerkennung zu schenken. Aufmerksamkeit ist instrumentell, wenn sie zeitintensive Kommunikation zwischen Managern der Tochtergesellschaft und des Stammhauses involviert, z.B. durch Auslandsreisen, aber auch E-Mail, Telefon- oder Videokonferenzen. Instrumentelle Aufmerksamkeit ist aus Sicht der Tochtergesellschaft weniger wünschenswert, da sie oft von wichtigen Agenden ablenkt und die Manager Zeit damit verbringen müssen, die Beziehungen mit dem Stammhaus zu managen, statt sich um die lokalen Kunden zu kümmern (Luo, 2003). Alle sechs Formen von Aufmerksamkeit koexistieren in jedem Unternehmen, und in der Tat scheinen sie oft überlappend. Es bedarf der Entwicklung von geeigneten Skalen und Messmethoden, um eine empirische Validierung zu erreichen. Ein Teil einer solchen Validierung ist Bouquet und Birkinshaw (2008) gelungen, die in einer quantitativen Analyse einige Dimensionen von „wünschenswerter“ Aufmerksamkeit für Tochtergesellschaften entschlüsselt haben. Die erste Dimension, unterstützende Aufmerksamkeit, beschreibt die direkte Interaktion zwischen Stammhaus und Tochtergesellschaften. Sie wird determiniert durch das Ausmaß an Hilfe und Unterstützung, die eine Tochtergesellschaft genießt, wie z.B. Verbreitung von durch die Tochtergesellschaft hervorgebrachten Ideen, Unterstützung von neuen Initiativen etc. Die zweite identifizierte Dimension ist die Sichtbarkeit der Tochtergesellschaften im Unternehmensnetzwerk. Im Gegensatz zur Unterstützung bezieht sich diese Dimension nicht auf die direkte Zusammenarbeit zwischen Stammhaus und Tochtergesellschaften, sondern auf die Signale, die das Stammhaus anderen Stakeholdern vermittelt. Messbar wird diese Dimension anhand von Nennungen der Tochtergesellschaften im Jahresbericht des Unternehmens (im Vergleich zu allen anderen Tochtergesellschaften). Als dritte Dimension wurde relative Aufmerksamkeit identifiziert, die den wahrgenommenen Status der Tochtergesellschaft vis-à-vis anderen internationalen Tochtergesellschaften im Unternehmen reflektiert. Obwohl das Konzept von Aufmerksamkeit in der MNU durch die genannten Arbeiten konkreter und messbar geworden ist, bleiben möglicherweise weitere, insbesondere „negative“ Dimensionen verborgen. Es wird die Aufgabe zukünftiger Forschung sein, solche zu identifizieren und diese von anderen etablierten Konzepten in der MNU abzugrenzen.
4 Die Perspektive der Unternehmenszentrale: Wie Aufmerksamkeit effizient verteilt werden kann Wie sollen Top-Manager im Stammhaus ihre Aufmerksamkeit priorisieren, sodass die Länder und Tochtergesellschaften, die ihre Aufmerksamkeit am meisten brauchen, versorgt werden? Auf welche Märkte sollen sie ihr Augenmerk legen und welche können sich außerhalb ihres Radarschirms selbständig bewegen? Trotz der besten Absichten und der Empfehlung, dass Unternehmen „global denken“ und „lokal handeln“ sollten, zeigt die Praxis, dass Manager einige wenige Märkte klar vor anderen bevorzugen (Birkinshaw et al., 2007). Ein Grund für diese selektive Aufmerksamkeit ist ethnozentrisches Denken – die Tendenz anzunehmen, dass der Heimmarkt der wichtigste ist. Obwohl die meisten Manager dies negieren würden, zeigen Belege, dass eine Verzerrung zugunsten des Heimmarkts weitverbreitet und unbestritten ist (Rugman und Verbeke, 2001). Ein anderer Faktor ist die sogenannte „Herden-Mentalität“, die dazu führt, dass Unternehmen auf dieselben Märkte wie
73 ihre Mitbewerber fokussieren. Dies kann besonders in den sogenannten Wachstumsmärkten und „emerging economies“ beobachtet werden, die einen überproportional hohen Anteil an Aufmerksamkeit des Stammhauses in Anspruch nehmen. Beide Ansätze sind nachvollziehbar. Sie helfen Ressourcen zu den wichtigsten Aktivitäten zu kanalisieren – aber sie können auch fehlgeleitet sein. Da Aufmerksamkeit des Top-Managements dermaßen limitiert ist, geht die Aufmerksamkeit für den Heimmarkt oder einen Wachstumsmarkt zu Lasten anderer Marktchancen. Eine Vielzahl von Forschern hat in den letzten zwei Jahrzehnten verschiedenste Ansätze zum Portfoliomanagement eines internationalen Netzwerks und somit der Kategorisierung von Tochtergesellschaften hervorgebracht (White und Poynter, 1984; Bartlett und Ghoshal, 1989; Birkinshaw und Morrison, 1995; Paterson und Brock, 2002). Teilweise sind die vorgeschlagenen Dimensionen stark überlappend, und viele scheinen eine Art von Aufmerksamkeit des Stammhauses für Tochtergesellschaften zu implizieren, auch wenn diese nie konkret benannt wird. Ein Beispiel ist die von Asakawa (2001) identifizierte „information connectedness“. Asakawa hebt die Bedeutung dieser Dimension hervor, indem er die (in dem Artikel nicht getestete) Hypothese aufstellt, dass Tochtergesellschaften eher ihre Autonomie aufgeben würden als die „information connectedness“ zum Stammhaus. Ähnliche Überlegungen stellen Monteiro et al. (2008) in ihrer Studie an, in der die Isolation von Tochtergesellschaften untersucht wird. Die Forscher belegen eine negative Auswirkung von „Isolation“ auf das finanzielle Ergebnis der Tochtergesellschaften. Portfolio-Management-Ansätze helfen Managern des Stammhauses zu entscheiden, welchen Märkten sie ihre Aufmerksamkeit schenken sollen. Während ethnozentrisches Denken und Herden-Verhalten das Handeln von Managern in grundlegender Weise beeinflussen, haben die meisten globalen Unternehmen dennoch relativ raffinierte Mechanismen etabliert, um Aufmerksamkeit auf jene Märkte zu lenken, die sie am meisten brauchen. Diese Mechanismen beinhalten die Auswahl von Berichtslinien, von Individuen, die einflussreiche Positionen besetzen etc. Sie kanalisieren nicht nur Aufmerksamkeit in bestimmte Märkte oder zu bestimmten Themen, sondern liefern auch einige wichtige Signale innerhalb des Unternehmens darüber, welche Märkte am wichtigsten sind. Top-Manager beziehen Informationen darüber, welche Länder und Tochtergesellschaften Aufmerksamkeit erhalten sollen auf zwei Arten: Extern, in Form von Industrieanalysen, Medien oder Competitor Intelligence und intern, von standardisierten Berichtslinien und Prozessen sowie aktivem Lobbying von Individuen. Basierend auf diesen Informationen haben Birkinshaw et al. (2007) vier Kategorien von Märkten identifiziert, die in Abbildung 1 dargestellt sind.
74 Abbildung 1:
Portfolio-Ansatz basierend auf Aufmerksamkeit (siehe Birkinshaw et al., 2007)
Hoch Aufmerksamkeit für den Markt auf Basis von internen oder „bottom-up“ Signalen
Gering
Quietschende Räder
Hauptmärkte
Interne Märkte, die große Erfolgsgeschichten, Möglichkeiten oder Problemfälle oder Gefahren bergen Märkte mit lautstarken Managern
Vergessene Märkte
Honigtöpfe
Märkte, die große Möglichkeiten oder Wenig firmenweite Gefahren bergen, aber zur Sichtbarkeit Zeit wenig Aktivitäten zeigen
Gering
Hoch
Aufmerksamkeit für den Markt auf Basis von externen or „top-down“ Signalen
Große Unternehmen betrachten Märkte wie die USA oder Japan oft als “Hauptmärkte”, die sowohl durch interne als auch durch externe Kanäle ein hohes Maß an Aufmerksamkeit auf sich ziehen . China und Indien erhalten beide viel Medienaufmerksamkeit und werden deshalb als „Honigtöpfe“ bezeichnet. Aber die tatsächlichen Geschäftsmöglichkeiten entsprechen oft nicht den hohen Erwartungen. In vielen Unternehmen erhalten Kanada und Australien Aufmerksamkeit basierend auf Beziehungen, die wir als „Quietschende Räder“ bezeichnen, da sie etablierte Operationen repräsentieren, deren Errungenschaften den Managern des Stammhauses bekannt sind – selbst wenn die Größe bzw. Wichtigkeit der Märkte diese Aufmerksamkeit nicht rechtfertigen. Die letzte Gruppe wird wegen ihrer Schwierigkeit, die Aufmerksamkeit des Stammhauses auf sich zu ziehen, „Vergessene Märkte“ genannt.. Diese Kategorisierung des Portfolios an Tochtergesellschaften bezieht die oben beschriebene Prozess-orientierte Dimension von Aufmerksamkeit mit ein und unterscheidet zwischen top-down- versus bottom-up-Mechanismen, die die Aufmerksamkeit des Stammhauses erhöhen können. Diese Darstellung hilft Managern des Stammhauses, die Verteilung ihrer Aufmerksamkeit darzustellen, eröffnet aber auch Managern von Tochtergesellschaften die Möglichkeit, ihre bottom-up-Initiativen gezielt zu planen. Die Bemühungen, die Verwaltung von Aufmerksamkeit aus der Perspektive des Stammhauses zu analysieren, haben bisher vor allem auf Portfoliomanagement-Ansätze fokussiert. Ebenso wichtig scheint es aber, mehr über die Heuristiken zu erfahren, die Managern helfen, Aufmerksamkeit zu verteilen und systematisch zu kanalisieren.
75 5
Die Perspektive der Tochtergesellschaften: Werben um Aufmerksamkeit
Das oben vorgestellte Modell impliziert, dass eine Tochtergesellschaft zwei unterschiedliche Strategien verfolgen kann, um die Aufmerksamkeit des Stammhauses auf sich zu ziehen. Sie kann ihr „Gewicht“ als wichtiger Markt betonen oder ihre „Stimme“ einsetzen, d.h. Taktiken anwenden, um Aufmerksamkeit zu erlangen (Bouquet und Birkinshaw, 2008). Einige Tochtergesellschaften fokussieren auf eine der beiden Strategien, während andere beide Ansätze parallel verfolgen. Birkinshaw et al. (2007) haben vier verschiedene Strategien identifiziert, die Niederlassungen helfen, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen: Den „Track-Record“ im Unternehmen verbessern. Initiativen im eigenen Markt ergreifen, z.B. Produktlinien erweitern. Eine exponierte Stellung einnehmen, z.B. Wissensvorsprung erarbeiten. Ein „guter Bürger“ im Unternehmen sein, z.B. mit anderen kooperieren. Diese Taktiken können jedoch wiederum zu negativen wie auch positiven Formen von Aufmerksamkeit führen. Ambos et al. (2008) haben beispielsweise die Konsequenzen von Initiativen der Tochtergesellschaften im Detail untersucht. Die Ergebnisse der Analyse mithilfe eines Strukturgleichungsmodells zeigen, dass Initiativen sowohl zu mehr Aufmerksamkeit des Stammhauses führen als auch zu mehr Kontrolle und Überwachung der Aktivitäten durch das Stammhaus. Während der erste Effekt wünschenswert für die Tochtergesellschaft ist, ist der zweite eher zu vermeiden. Das heißt, dass zumindest die Taktik, eigene Initiativen zu ergreifen, für die Tochtergesellschaft unangenehme Nebenwirkungen haben kann. Ein weiteres interessantes Ergebnis der Analyse von Ambos et al. (2008) ist, dass eine Tochtergesellschaft nicht allein durch Initiativen ihren Einfluss auf den Rest des Unternehmens (andere Tochtergesellschaften) ausweiten kann, sondern dies nur mithilfe der Aufmerksamkeit des Stammhauses möglich ist. Dies verdeutlicht auch, dass sich Tochtergesellschaften in einem ständigen Spannungsfeld zwischen dem Werben um Aufmerksamkeit des Stammhauses einerseits und der Erhöhung ihrer Autonomie andererseits befinden. Die folgende Tabelle (Tabelle 2) gibt einen Überblick über die Diskrepanzen dieser beiden Ziele. Tabelle 2: Charakteristika von Autonomie und Aufmerksamkeit Ziele
Haupthindernis
Autonomie Kontrolle über strategische Entscheidungen für verschiedene Wertschöpfungsaktivitäten. Tendenzen zu stärkerer Zentralisation der Macht im Stammhaus.
Aufmerksamkeit Visibilität beim Stammhaus erlangen, um Unterstützung für eigene Aktivitäten zu sichern. Wettbewerb mit anderen Tochtergesellschaften, vor allem jenen, die als “strategisch wichtiger“ wahrgenommen werden.
76 Rolle des Managements der Tochtergesellschaft
Definition lokaler Strategien, um Entscheidungen zwischen globalen und lokalen Notwendigkeiten zu treffen.
Definition von Strategien, die Tochtergesellschaften erlauben, die Art und das Ausmaß an Aufmerksamkeit, das sie vom Stammhaus bekommen, zu bestimmen.
Eine andere zentrale Frage für Manager der Tochtergesellschaften ist der Einfluss von Aufmerksamkeit des Stammhauses auf ihre Unternehmensergebnisse. In anderen Worten: Erwirtschaften Tochtergesellschaften, die ein hohes Maß an Aufmerksamkeit genießen, bessere Ergebnisse als die anderen? Wie in allen Studien über Einflusse von intangiblen Variablen auf den Unternehmenserfolg ist dieser sehr schwer zu messen. Wenn man allerdings das obere Quartil der erfolgreichsten Tochtergesellschaften in unserer Stichprobe (gemessen als relativer Erfolg vis-à-vis anderen Einheiten im Unternehmen) und deren Grad an Aufmerksamkeit mit dem des untersten Quartils vergleicht, zeigt sich, dass die erfolgreicheren Tochtergesellschaften durchschnittlich mehr (positive) Aufmerksamkeit genießen als die anderen. Selbstverständlich ist es unmöglich, mit unserer Messmethode kausale Zusammenhänge zu postulieren. Ein erfolgreiches Tochterunternehmen mag als Folge ihres guten Ergebnisses höhere Aufmerksamkeit erhalten, aber Unternehmenserfolg könnte auch das Resultat von bottom-up-Bemühungen der Manager sein. Ambos und Birkinshaw (2008) kommen – mithilfe von multipler Regressionsanalyse – zu dem Ergebnis, dass Aufmerksamkeit allein nicht mit höherem Unternehmenserfolg in Verbindung steht, sondern nur gekoppelt mit einem hohen Grad an „strategic choice“ (Child, 1972) der Tochtergesellschaft. Tochtergesellschaften, die einen hohen Grad an Autonomie, lateralem Einfluss und Initiativen aufweisen, zeigen höhere finanzielle sowie marktbasierte Ergebnisse. Zusammenfassend zeigen die bisherigen Arbeiten, dass Tochtergesellschaften aktiv um die Aufmerksamkeit des Stammhauses werben. Aber das Werben um Aufmerksamkeit ist oft gepaart mit negativen Nebenprodukten, wie verstärkter Kontrolle seitens des Stammhauses. Dies kann zu einem Zielkonflikt zwischen dem Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit und zugleich mehr Autonomie und Unabhängigkeit führen. Eine besondere Herausforderung für die Forschung bleibt vermutlich die Untersuchung einer kausalen Wirkungskette zwischen Aufmerksamkeit und Unternehmenserfolg.
6
Eine Forschungsagenda
In den letzten Abschnitten wurde ein kurzer Überblick über die bestehenden Forschungsarbeiten über das Management von Aufmerksamkeit in der MNU gegeben – betreffend die Konzeption von Aufmerksamkeit selbst, das Management von Aufmerksamkeit seitens des Stammhauses und die Perspektive der Tochtergesellschaften. Auf allen drei Ebenen bleiben viele Fragen unbeantwortet, die hoffentlich in weiteren Forschungsbemühungen Beachtung finden. Die wichtigsten Fragen, die aus der Darstellung der existierenden Forschung abgeleitet werden können, sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Des Weiteren ist es wichtig, in zukünftigen Forschungsbemühungen eine holistische Perspektive einzunehmen, um Fragen, die mit dem von Haas und Hansen (2001) postulier-
77 ten „Markt für Aufmerksamkeit“ in Verbindung stehen, zu beantworten. Verschiedene Akteure in der MNU, wie Stammhaus und Tochtergesellschaften, haben vermutlich unterschiedliche Ansichten, wie Aufmerksamkeit optimal allokiert werden soll, was zu einem nicht-trivialen Übereinstimmungsproblem zwischen Anbietern und Nachfragern von Aufmerksamkeit führt. Das Stammhaus mag Tochtergesellschaften unterstützen wollen, Wissen transferieren, Koordination sicherstellen oder ihre Kontrolle stärken und störendes Verhalten einschränken. Tochtergesellschaften werben und die Aufmerksamkeit des Stammhauses, um Ressourcen zu akquirieren, ihr Marktmandat zu erweitern, ihre Macht auszuweiten oder Intervention zu vermeiden. Dies führt zurück zu der immerwährenden Frage von globalen und lokalen Akzenten im internationalen Management. Auch die Methodik betreffend stehen Forscher vor einigen Herausforderungen, deren Lösung essenziell ist, um das Feld voranzutreiben: Wie oben erwähnt, limitieren Querschnittstichproben die Möglichkeit, kausale Zusammenhänge zu erörtern. Nur longitudinale Studien werden in der Lage sein, dynamische Zusammenhänge zwischen Aufmerksamkeitsstrategien, Aufmerksamkeit selbst und deren Einfluss auf den Unternehmenserfolg zu erörtern. Um die Wechselwirkungen zwischen Stammhaus und Tochtergesellschaft exakter modellieren zu können, müssen dyadische Beziehungen untersucht werden. Eine Analyse des gesamten Netzwerkes wäre aber sinnvoll, um die Frage des Marktes von Aufmerksamkeit näher zu erörtern. Ein weiterer methodischer Ansatz, der in diesem Forschungsfeld relevant wäre, ist eine multi-level-Studie, um die Verknüpfung – und die möglichen Diskrepanzen – von individueller und organisationaler Aufmerksamkeit zu analysieren. Tabelle 3: Forschungsagenda „Managing Attention in the MNC“ Inhaltliche Herausforderungen Konzeption von Aufmerksamkeit
Management von Aufmerksamkeit aus Sicht des Stammhauses Management von Aufmerksamkeit aus Sicht der Tochtergesellschaft
Konzeption eines Markts für Aufmerksamkeit Methodische Herausforderungen
Kernfragen Entschlüsselung von weiteren Dimensionen von Aufmerksamkeit, die relevant für die Beziehung zwischen Stammhaus und Tochtergesellschaft sind, mit besonderem Fokus auf „negative“ Dimensionen. Abgrenzung von nahestehenden Konzepten, wie Autonomie oder Kontrolle. Welche Märkte sollen Aufmerksamkeit erhalten? Wie können die relevanten Märkte identifiziert werden? Wie kann Aufmerksamkeit systematisch (top-down) verwaltet werden? Strategien, um Aufmerksamkeit zu erhalten bzw. abzuwenden. Welche (negativen) Nebenerscheinungen bringt Aufmerksamkeit des Stammhauses für die Tochtergesellschaft mit sich? Welche Auswirkungen hat Aufmerksamkeit auf den Unternehmenserfolg? Dynamik von Angebot und Nachfrage für organisationale Aufmerksamkeit. Optimale Allokation von Aufmerksamkeit für die MNU.
78 Longitudinale Studien
Dyadische Analyse vs. Netzwerkanalyse
Multi-level Analyse
Problematik von wiederholten Befragungen in MNU. Validierung der Messmodelle. Konsistenz der Auskunftspersonen (da ein Wechsel von Top-Managern zu anderen Prioritäten der Aufmerksamkeit führen kann). Üblicherweise geringe Rücklaufquote, da spiegelbildliche Auskunft notwendig ist. (Zeitversetzte) Wechselwirkungen von Handlungen der Tochtergesellschaften und der Aufmerksamkeit des Stammhauses. Problematik der multiplen Befragung des Stammhauses (über alle Tochtergesellschaften). Wie können die Zusammenhänge zwischen individuellen und organisationalen Niveaus von Aufmerksamkeit dargestellt werden?
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81
Jan Hendrik Fisch und Miriam Zschoche
Einfluss der Irreversibilität von Investitionen auf Entscheidungen zur Vergrößerung von Auslandsgesellschaften
1
Einleitung
2
Call-Optionsmodell für ausländische Folgeinvestitionen 2.1 Unsicherheit bei der Investitionsentscheidung 2.2 Irreversibilität der Investition
3
Empirische Methodik 3.1 Datenbasis 3.2 Variablen 3.3 Hazard Rate-Modell
4
Ergebnisse
5
Diskussion
Literatur
83 1
Einleitung
Ausländische Tochtergesellschaften können von vielfältigen Risiken betroffen sein (Miller und Waller, 2003; Parks und Flores, 2000). Entscheidungen über Folgeinvestitionen zu ihrer Vergrößerung stellen eine Herausforderung dar, wenn ihre Erfolgsaussichten ungewiss und die nötigen Direktinvestitionen irreversibel sind. Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluss wirtschaftlicher Unsicherheit auf Entscheidungen zur Vergrößerung junger Auslandsgesellschaften sowie den moderierenden Effekt der Irreversibilität auf diese Beziehung. Klassische Theorien der ausländischen Direktinvestition stellen den erstmaligen Markteintritt eines Investors in den Mittelpunkt (Buckley und Casson, 1976; Dunning, 1981; Hymer, 1976). Sie vernachlässigen dabei nachfolgende Direktinvestitionen, die einen deutlich größeren Umfang als die Investitionen beim Markteintritt haben können. Das skandinavische „Establishment Chain Model” berücksichtigt die Entwicklung von Auslandsgesellschaften nach dem Markteintritt und geht von einem zunehmenden Engagement der Auslandsaktivitäten mit wachsender Erfahrung in dem jeweiligen Markt aus (Johanson und Vahlne, 1977). Bei unsicheren Marktbedingungen scheint die gewonnene Erfahrung als alleiniger Erklärungsfaktor für Entscheidungen über Folgeinvestitionen allerdings nicht ausreichend zu sein. Eine Reihe ökonomischer Modelle stellt die Bedeutung von Unsicherheit für ausländische Direktinvestitionen heraus (Chen und Funke, 2003; Cherian und Perotti, 2001; Moretto und Valbonesi, 1999). Studien, die den Einfluss von Unsicherheit auf Investitionsentscheidungen in einem nationalen Kontext (Bloom, Bond und van Reenen, 2003; Ghosal und Loungani, 2000; Kalckreuth, 2003) oder auf die Übernahme von Joint Ventures (Kogut, 1991; Vassolo, Anand und Folta, 2004) betrachten, kommen zu weitgehend übereinstimmenden Ergebnissen: Unter Unsicherheit versuchen Investoren, sich eine Option offenzuhalten, anstatt ihr Kapital sofort zu binden. Rivoli und Salorio (1996) weisen darauf hin, dass auch ausländische Investoren auf Unsicherheit mit dem Erhalt von Flexibilität reagieren. Die Realoptionstheorie vermag verschiedene Blickwinkel auf internationale Investitionsentscheidungen abzubilden. Als Teil eines multinationalen Produktionsnetzwerkes können ausländische Tochtergesellschaften Wechseloptionen beinhalten, mit Hilfe derer man abhängig von den Umweltentwicklungen Aktivitäten zwischen den Tochtergesellschaften verschiebt (Kogut und Kulatilaka, 1994). Die Entscheidung, in einen neuen Markt einzutreten, erfordert ein Abwägen zwischen dem Wert der Option, weiter abzuwarten, und der beim Markteintritt entstehenden Option, dort zu wachsen (Folta und O’Brien, 2004). Nachfolgende Direktinvestitionen zur Vergrößerung junger Auslandsgesellschaften können als Ausübung solcher Wachstumsoptionen angesehen werden. Buckley und Casson (1998) bezeichnen sie als „Call-Optionen“, da die nachfolgenden Investitionen erheblich größer ausfallen können als die ursprüngliche Investition. Empirische Untersuchungen über Realoptionen bei internationalen Investitionsentscheidungen beschränken sich auf wenige Arbeiten (Hurry, Miller und Bowman, 1992; Panayi und Trigeorgis, 1998; Reuer, 2002). Auch hat die Entwicklung von Auslandsinvestitionen in der Phase nach Markteintritt bisher wenig Beachtung gefunden, mit Ausnahme von Studien über Desinvestitionen (Li, 1995; Tsang und Yip, 2007). Dieser Beitrag soll die Forschung in diesem Bereich ergänzen und untersucht hierzu (teilweise) irreversible Investitionsentscheidungen zur Vergrößerung junger Auslandsge-
84 sellschaften unter wirtschaftlicher Unsicherheit. Im folgenden Abschnitt wird das Modell einer Call-Option auf nachfolgende Direktinvestitionen entwickelt. Im dritten Abschnitt wird die Methodik der empirischen Analyse erläutert. Die Ergebnisse werden im vierten Abschnitt präsentiert und im fünften Abschnitt hinsichtlich ihrer Implikationen für Forschung und Praxis diskutiert.
2
Call-Optionsmodell für ausländische Folgeinvestitionen
2.1 Unsicherheit bei der Investitionsentscheidung Das Modell bezieht sich auf ein Unternehmen, das vor Kurzem von einem ausländischen Investor gegründet oder akquiriert wurde. Die Entscheidung, weiteres Kapital zu binden, sei zumindest teilweise irreversibel und nur unter Unsicherheit über die Entwicklung im ausländischen Markt zu treffen. Sie kann aber aufgeschoben werden und stellt unter diesen Bedingungen eine reale Call-Option dar. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Investor sie bewusst geschaffen oder erst im Nachhinein erkannt hat („Schattenoption“; Bowman und Hurry, 1993). Der Gesamtwert W der Auslandsgesellschaft setze sich aus zwei Komponenten zusammen W = C + V, dem Kapitalwert C und dem Optionswert V. Der Kapitalwert bezieht sich auf das bereits investierte Kapital, der Optionswert auf die Möglichkeit, weiteres Kapital zu investieren (Dixit und Pindyck, 1994). Mit der Ausübung der Call-Option erlischt der Optionswert V; der Kapitalwert verändert sich von C auf C0. Der Gesamtwert beträgt nun W0 = C0 + 0 = C0. Der Optionswert V = V(( ) steigt mit zunehmender Unsicherheit zukünftiger Gewinne an und ist, ähnlich wie im Modell von Black und Scholes (1973), unabhängig von deren Tendenz . Der Kapitalwert steigt mit den erwarteten Cashflows, die durch die Tendenz der erwarteten Gewinne abgeschätzt werden können. Die Cashflows werden mit einer risikofreien Zinsrate plus einer Risikoprämie, die vom Ausmaß der Unsicherheit abhängt, abdiskontiert. Daraus folgt, dass der Kapitalwert C = C(( , ) eine fallende Funktion der Unsicherheit ist.
85 Abbildung 1:
Wert einer unveränderten vs. vergrößerten Auslandsgesellschaft
Wert Investor übt die CallOption aus und fügt Kapital hinzu
Investor hält die CallOption und lässt Kapital unverändert
Kapitalwert = Gesamtwert des vergrößerten Objekts Gesamtwert des unveränderten Objekts Kapitalwert des unveränderten Objekts
V C+V
Optionswert des unveränderten Objekts
Unsicherheit
C0 > C + V
C0 < C + V
C C0
‘
Abbildung 1 skizziert den Wert einer Auslandsgesellschaft in Abhängigkeit der Unsicherheit; vereinfachend werden lineare Funktionen angenommen. Solange das investierte Kapital unverändert bleibt, hat die Auslandsgesellschaft einen Kapitalwert C und einen Optionswert V. Der Gesamtwert resultiert aus der graphischen Addition beider Funktionen (C + V). Erhöht der Investor das Kapital, geht der Optionswert bis auf weiteres verloren; es kann allerdings für einen späteren Zeitpunkt eine neue Call-Option entstehen („Optionskette“; Bowman und Hurry, 1993). Der Kapitalwert verändert sich zu C0 und stellt nun den Gesamtwert der Auslandsgesellschaft dar. Die beiden Funktionen schneiden sich bei der kritischen Unsicherheit ’. Links von diesem Schnittpunkt, im Falle geringerer Unsicherheit, ist C0 größer als V + C; der Investor wird die Call-Option ausüben und die Auslandsgesellschaft vergrößern. Rechts von diesem Schnittpunkt wird der Investor die Option wahren und auf einen günstigeren Zeitpunkt für die Folgeinvestition warten. Je höher die Unsicherheit, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Investor die Option ausübt. Die exogene Unsicherheit, die den Optionswert internationaler Investitionen bestimmt, kann unterschiedlichen Ursprungs sein. Die vorliegende Studie konzentriert sich auf den Einfluss der Unsicherheit, der von wirtschaftlichen Schwankungen auf den Erfolg von Auslandsgesellschaften ausgeht. Dem Modell in Abbildung 1 zufolge übt diese Unsicherheit einen negativen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit zur Vergrößerung von Tochtergesellschaften in diesem Land aus. Den negativen Einfluss der wirtschaftlichen Volatilität auf
86 die Investitionstätigkeit in einem Land haben bereits mehrere Studien gezeigt (Bloom, Bond und van Reenen, 2003; Ghosal und Loungani, 2000; Kalckreuth, 2003). Hypothese 1. Die wirtschaftliche Unsicherheit des Gastlands hat einen negativen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, dass eine Auslandsgesellschaft durch eine Folgeinvestition vergrößert wird.
2.2 Irreversibilität der Investition Die Option, eine Folgeinvestition unter Unsicherheit aufzuschieben, beinhaltet nur dann einen Wert, wenn die Investition teilweise irreversibel ist. Wäre sie vollkommen reversibel, könnte also im Falle des Scheiterns ohne Verluste rückgängig gemacht werden, bestünde kein Grund, mit der Investition zu zögern (Dixit und Pindyck, 1994). Daher wurde für das Modell in Abbildung 1 unterstellt, dass die Investitionsentscheidung zumindest teilweise irreversibel ist. Abbildung 2:
Moderierender Effekt der Irreversibilität
Wert V*
Kapitalwert bleibt unverändert
C + V*
Irreversibilität
V
C+V Optionswert steigt Unsicherheit C0 > C+ V*
C0 < C + V*
‘
C = C* C0 = C*0
*
Abbildung 2 verdeutlicht den Einfluss der Irreversibilität auf die Investitionsentscheidung. Je irreversibler die Investition, desto stärker steigt der Optionswert mit zunehmender Unsicherheit an. Die Funktion des Optionswerts V dreht sich zu V*, wobei die Kapitalwerte C und C0 unverändert bleiben. Als Folge verschiebt sich der Schnittpunkt von C0 und V + C nach links und vermindert damit die Neigung des Investors, die Call-Option auszuüben:
87 Die Irreversibilität verstärkt den Einfluss der Unsicherheit auf die Investitionswahrscheinlichkeit. Aus Abbildung 2 kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass weniger die wirtschaftliche Unsicherheit allein als vielmehr ihr Zusammenspiel mit der Irreversibilität einen Investor vor der Vergrößerung einer Auslandsgesellschaft zurückhält. Folta, Johnson und O’Brien (2006) konnten in einer Stichprobe von nationalen Markteintritten einen moderierenden Effekt der spezifischen Irreversibilität verschiedener Branchen auf das Verhältnis von Unsicherheit und Investitionsentscheidung nachweisen. Hypothese 2. Die Irreversibilität der Investition verstärkt den negativen Einfluss der wirtschaftlichen Unsicherheit auf Folgeinvestitionen.
3
Empirische Methodik
3.1 Datenbasis Deutsche Unternehmen sind verpflichtet, ihre Auslandsinvestitionen ab einem gewissen Umfang an die Deutsche Bundesbank zu melden. Der Anzeigenpflicht unterliegen vereinfachte Bilanzdaten, Angaben zu Umsatz- und Mitarbeiterzahlen sowie der Investitionsstandort und die Branche. Um Vertraulichkeit zu gewährleisten, werden die Daten zu Investoren und Investitionsobjekten anonymisiert, was das Hinzufügen von Daten auf der Gastland- oder Branchenebene erlaubt, die Ergänzung um firmenspezifische Informationen aber unmöglich macht. Seit dem Jahr 1996 haben die Investitionsobjekte fest zugeordnete Identifikationsnummern. Dies erlaubt die Beobachtung praktisch aller ausländischen Tochtergesellschaften deutscher Investoren, bei denen der Investitionsanteil mindestens 10 % und deren Bilanzsumme mehr als € 3 Mio. beträgt, über den Zeitverlauf. In die vorliegende Studie gehen endgültige Daten der Jahre 1996 bis 2000 und vorläufige Daten des Jahrs 2001 ein. In Reform- und Entwicklungsländern sind Direktinvestitionsentscheidungen stark von staatlichen Interventionen beeinflusst. Ökonomische Kalküle wie das der Call-Option werden durch Regularien wie Local Content-Vorschriften überlagert. Allerdings sind für den vorliegenden Datensatz aufgrund der Anonymität keine Informationen zu Übereinkommen zwischen den Unternehmen und Regierungen der Gastländer zu erlangen. Dieses Problem lässt sich durch eine Ausrichtung des Datensatzes auf Industrieländer, in denen staatliche Eingriffe bei Investitionsentscheidungen eine weniger dominante Rolle spielen, begrenzen. Die Länder der OECD 23 (-1, für Deutschland) bieten ein geeignetes Beobachtungsfeld von Industrieländern. Sie sind die Zielregion von 87 % des Auslandsinvestitionsbestands deutscher Unternehmen (Deutsche Bundesbank, 2003). Die Annahme der Realoptionstheorie, dass Unsicherheit ein Investitionshindernis darstellt, ist nur für irreversible Investitionen begründet. Die Erscheinungsform irreversibler Investitionen variiert zwischen den Wirtschaftssektoren allerdings stark. Dienstleistungsunternehmen investieren in erster Linie in Humankapital, Handelsunternehmen in Werbung und Industrieunternehmen in Produktionsanlagen. Im Verarbeitenden Gewerbe kann ein Großteil der irreversiblen Investitionen aus den Bilanzdaten abgelesen werden, die mit dem Datensatz der Bundesbank zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde beschränkt sich die
88 Studie auf das Verarbeitende Gewerbe. Es stellt einen Anteil von über 50 % der deutschen Auslandsinvestitionen. Der Vergleich mit den Daten vorangegangener Jahre macht es möglich, bestehende Direktinvestitionsobjekte von neu hinzugekommenen zu unterscheiden. Da der in Frage kommende Untersuchungszeitraum 1996 beginnt, können Neuinvestitionen ab 1997 beobachtet werden. Investitionsobjekte mit einer Bilanzsumme von unter € 5 Mio. wurden ausgeschlossen, um Artefakten von Ein- und Austritten an der Meldegrenze vorzubeugen. Ebenfalls wurde auf Daten von Auslandsgesellschaften verzichtet, wenn sie nicht für jedes Jahr vorlagen, oder die Zahl der Mitarbeiter, des Umsatzes und des Eigenkapitals nicht positiv war. Auslandsgesellschaften, die eine Eigenkapitalrentabilität jenseits von –200 % und 600 % bzw. eine Wachstumsrate jenseits von –100 % und 700 % auswiesen, wurden ebenfalls aus dem Panel ausgeschlossen. Diese Ausreißer verteilen sich weitgehend symmetrisch um diese Grenzen und betreffen 3.8 % bzw. 2.2 % der Objekte. Die Studie soll den Anforderungen einer langfristigen Beobachtung einerseits und einer großen Anzahl von Untersuchungsobjekten andererseits Genüge tragen. Die Zahl der Objekte, die 1997 erstmals gemeldet wurden und im gesamten Zeitraum zwischen 1997 und 2001 beobachtet werden können, beträgt lediglich 254. Berücksichtigt man zusätzlich die Direktinvestitionsobjekte, die in den Jahren 1998 und 1999 neu gemeldet wurden und bis 2001 bestehenblieben, erreicht man einen Beobachtungszeitraum von mindestens 3 Jahren und erhöht die Zahl der Objekte im Panel auf 1148. Das endgültige Panel ist unbalanciert und besteht aus Objekten, die 1997, 1998 oder 1999 in die Datenbank aufgenommen wurden und einheitlich bis 2001 bestanden. Mehr als die Hälfte der Auslandsgesellschaften stellt die einzige direktinvestive Auslandsaktivität des Investors dar. Größenveränderungen als Konsequenz der Ausübung von Wechseloptionen spielen daher eine untergeordnete Rolle.
3.2 Variablen Die abhängige Variable Ausübung soll 1 sein, wenn der Investor die Call-Option ausübt, indem er die Anfangsinvestition der Auslandsgesellschaft um einen maßgeblichen Betrag erhöht, und anderenfalls 0. Zur Beurteilung der Maßgeblichkeit einer Folgeinvestition muss ein geeigneter Schwellenwert gefunden werden. Als Heuristik kann hierfür die Übernahme eines 50/50-Joint Ventures zum Preis des von beiden Seiten ursprünglich investierten Kapitals dienen. Daher soll von einer Optionsausübung gesprochen werden, wenn die Erhöhung des Direktinvestitionsbestandes in einem Folgejahr mindestens den Wert der ursprünglichen Investition aufweist. Lässt man mehrere Optionsausübungen bei einem Investitionsobjekt in Options-Ketten (Bowman und Hurry, 1993) zu, kommt es im Panel zu 286 Ausübungen. Andere Definitionen des Schwellenwerts könnten zu abweichenden Ergebnissen in der quantitativen Analyse führen. Aus diesem Grund ist eine Prüfung der Robustheit der Ergebnisse mit alternativen Schwellenwerten (1,5-facher und 0,5-facher Wert der Erstinvestition) notwendig. Die unabhängige Variable Wirtschaftliche Unsicherheit spiegelt die gesamtwirtschaftlichen Schwankungen des Gastlands wieder. Autoregressive Modelle zur Ableitung von Unsicherheitsmaßen aus der Entwicklung der Auslandsgesellschaften selbst können nicht angewendet werden, da aus der Zeit vor ihrer Gründung keine Daten existieren. Die empiri-
89 sche Arbeit von Miller (1993) zeigt, dass die von Managern wahrgenommene Unsicherheit stärker zwischen verschiedenen Ländern variiert als zwischen verschiedenen Branchen innerhalb eines Lands. Es erscheint daher ausreichend, ein Unsicherheitsmaß auf Gastlandebene zu verwenden. Die OECD veröffentlicht monatlich den Composite Leading Indicator (CLI), der die zyklischen Abweichungen vom langfristigen Entwicklungstrend in den Mitgliedsländern prognostiziert. Darüber hinaus berechnet die OECD die Six-month Rate of Change (6mC) des CLI. Diese Kennzahl spiegelt die Erwartungen über Richtung und Stärke der wirtschaftlichen Entwicklung wider. Der CLI ist in stärkerem Maße landesspezifisch als Börsenindizes, da diese die Gesamtheit der Unsicherheit der Länder widerspiegeln, in denen multinationale Unternehmen aktiv sind. In der Studie wird die Standardabweichung des monatlichen CLI 6mC innerhalb eines Landes und Jahres zur Messung der wirtschaftlichen Unsicherheit herangezogen. Die Begrenzung der Untersuchung auf Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe erlaubt es, ein Maß für die Irreversibilität zu nutzen, das auf das in Produktionsanlagen gebundene Kapital abzielt. Ausländische Tochtergesellschaften, die in erster Linie produzieren, verlangen mehr irreversible Investitionen als solche, deren überwiegender Geschäftszweck im Handel mit Endprodukten besteht. Die Umschlagshäufigkeit des Anlagevermögens gibt die Bedeutung des Verkaufsgeschäfts einer Tochtergesellschaft im Verhältnis zum Wert ihrer Produktionsanlagen an. Das Verhältnis von Umsatz und Anlagevermögen wird allerdings zwischen den Branchen variieren. Die Studie verwendet daher zur Messung der Irreversibilität den Kehrwert der Kapitalumschlagshäufigkeit der Auslandsgesellschaft im Vergleich zum Branchendurchschnitt. Für die ökonometrische Analyse werden neben den Modellvariablen mehrere Kontrollvariablen benötigt. Der Wert eines Investitionsobjekts – und damit die Entscheidung über nachfolgende Investitionen – wird nicht nur von der Unsicherheit, sondern auch von der Tendenz der erwarteten Gewinne abhängen. Diese wird von gastland- und unternehmensspezifischen Faktoren bestimmt. Um den Einfluss der Gastlandentwicklung auf die erwarteten Gewinne zu erfassen, wird analog zur Messung der wirtschaftlichen Unsicherheit der Wirtschaftstrend in dem jeweiligen Land mithilfe des Jahresdurchschnitts des CLI 6mC operationalisiert. Die Wirtschaftlichkeit der Auslandsgesellschaft selbst wird ebenfalls einen Einfluss auf die erwarteten Gewinne haben. Um die Erfolgssteigerung der Auslandsgesellschaft zu quantifizieren, wird die prozentuale Veränderung der Eigenkapitalrentabilität zum Vorjahr herangezogen. Verschiedene Studien haben die kulturelle Distanz zum Gastland als Investitionshemmnis identifiziert (Delios und Henisz, 2003; Pak und Park, 2004; Tsai und Cheng, 2002). In der quantitativen Internationalisierungsforschung haben sich zur Messung kultureller Distanz zwei Verfahren durchgesetzt. Das erste nutzt Dummy-Variablen für Länder aus demselben Kulturkreis, z. B. nach der Einteilung von Ronen und Shenkar (1985) oder dem GLOBE-Projekt (Javidan und House, 2002). Das zweite Verfahren berechnet die kulturelle Distanz zwischen Ländern anhand verschiedener Dimensionen. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass er bei der Parameterschätzung weniger Freiheitsgrade kostet und nicht unterstellen muss, dass Länder innerhalb eines Kulturkreises kulturell exakt gleich seien. Die Mehrheit bisheriger Studien greift auf die Daten von Hofstede (1980) zurück. Einen Überblick über die sowohl positiven als auch kritischen Beurteilungen dieser Daten geben Smith (1996) und Hoppe (1993). In Anlehnung an Chang und Rosenzweig (2001) wird die Variable Kulturelle Distanz in der vorliegenden Studie wie folgt gemessen: Für jedes Gast-
90 land wird in den vier Dimensionen die Differenz zu Deutschland gebildet, quadriert und aufsummiert. Aus der quadrierten Distanz der vier Dimensionen wird die Wurzel gezogen. Die Auslandsgesellschaften international erfahrener Investoren scheinen sich gemessen am Umsatz schneller zu entwickeln (Uhlenbruck, 2004) und werden seltener geschlossen (Li, 1995). Großzahlige Untersuchungen nutzen zur Messung der internationalen Erfahrung häufig Proxies wie die Anzahl der Jahre seit dem ausländischen Markteintritt (Luo, 1999; Mudambi und Mudambi, 2002), die Anzahl vorheriger Markteintritte (Barkema, Bell und Pennings, 1996; Tan und Vertinsky, 1996) oder deren Kombination (Delios und Makino, 2003). Da die Daten erst ab 1996 einem Investor zugeordnet werden können, lassen sie keine Rückschlüsse auf die Dauer früherer internationaler Aktivitäten zu. Internationale Erfahrung wird daher über die Anzahl der Auslandsgesellschaften eines Investors im Jahr vor dem Markteintritt gemessen. Die Eigentümerstruktur und Größe einer Auslandsgesellschaft könnten ebenfalls einen Einfluss auf die Entscheidung für nachfolgende Direktinvestitionen haben. Es werden daher die Kontrollvariablen Investitionsanteil und Größe der Auslandsgesellschaft (als natürlicher Logarithmus des Gesamtinvestitionsvolumens) mitgeführt. Den Auslandsgesellschaften in der Datenbank ist ein zweistelliger Branchencode zugeordnet, was eine Verknüpfung mit Branchendaten ermöglicht. Branchenspezifika werden anhand der Ausgaben für Forschung & Entwicklung sowie Werbung abgebildet (Gatignon und Anderson, 1988; Hennart, 1991; Tsai und Cheng, 2002). Um die F&E-Intensität der Branche zu berechnen, wurden die Ausgaben für F&E (Quelle: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft) durch den Gesamtoutput des Verarbeitenden Gewerbes (Quelle: Statistisches Bundesamt) im entsprechenden Jahr dividiert. Die Werbeintensität berechnet sich aus dem Verhältnis von Werbeaufwand und Gesamtoutput. Die Daten dazu wurden von Nielsen Media Research bezogen. Ausländische Märkte, die größer sind als der Heimatmarkt des Investors, bieten bessere Wachstumschancen als kleine Auslandsmärkte. Eigenschaften von Gastländern wurden auch zur Analyse des Überlebens von Auslandsgesellschaften herangezogen (Li, 1995; Mata und Portugal, 2000). Die relative Größe der Branche wurde als Verhältnis des jeweiligen Produktionsoutputs im Gastland (Quelle: UNIDO) und Deutschland berechnet. Realoptionen wie die Steigerung des Engagements in einem ausländischen Markt unterliegen dem Risiko, dass Wettbewerber ihrer Ausübung zuvorkommen. Je stärker der Wettbewerb in einem Land ist, desto wichtiger erscheint die Sicherung der eigenen Wettbewerbsvorteile. Daher besteht ein Zusammenhang zwischen Wettbewerbsintensität und Patentierungshäufigkeit (McGrath und Nerkar, 2004). Die Wettbewerbsintensität in einem Gastland und Jahr wurde durch die Anzahl der Patente laut der World Development Indicators CD-ROM 2005 (Weltbank) gemessen.
3.3 Hazard Rate-Modell Traditionelle Regressionsmodelle gehen von einer Normalverteilung der Auftretenswahrscheinlichkeit von Ereignissen über die Zeit aus. Es ist jedoch zu vermuten, dass die Wahrscheinlichkeit der Optionsausübung angesichts drohender Eintritte von Wettbewerbern oder verlorener Cashflows im Laufe der Zeit steigt. Lerneffekte im ausländischen Markt werden ebenfalls die Bereitschaft zur Kapitalbindung erhöhen (Johanson und Vahlne, 1977). Ha-
91 zard Rate-Modelle berücksichtigen solche Effekte (Cleves, Gould und Gutierrez, 2002) und erlauben zudem die Berücksichtigung von Right Censoring. Die Ausübung der Call-Option ist ein binäres Ereignis, welches in der Beobachtungsperiode auftreten kann, aber nicht muss. Unter den 1148 Panelobjekten sind 219, die eine wesentliche Kapitalzufuhr des deutschen Investors erfahren haben. Die 929 Auslandsgesellschaften, bei denen bis zum Ende des Beobachtungszeitraums keine Folgeinvestition stattfindet, würden aus der Untersuchung herausfallen (Right Censoring). Mehrere Studien, die den Zeitpunkt internationaler Markteintritte (Barkema, Bell und Pennings, 1996; Delios und Makino 2003; Tan und Vertinsky, 1996), Marktaustritte (Li, 1995; Mata und Portugal, 2000; McCloughan und Stone, 1998) sowie Realoptionen (Kogut, 1991; McGrath und Nerkar, 2004; Vassolo, Anand und Folta, 2004) untersuchen, nutzten Hazard Rate-Modelle. Die Hazard Rate ist definiert als die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis, unter der Bedingung, nicht zuvor stattgefunden zu haben, innerhalb einer gewissen Zeitspanne auftritt, geteilt durch die Breite des Intervalls: h(t )
lim t
Pt
t
T t |T t
0
t
.
Proportionale Hazard Rate-Modelle gehen vereinfachend davon aus, dass die Hazard Rate eines Objekts i aus der für alle Objekte gleichen Baseline Hazard h0(t) und einer Funktion aus den objektspezifischen Variablen x’i, den Regressionskoeffizienten x sowie einer Konstanten 0 besteht. Durch die Berechnung von Schoenfeld-Residuen kann die Annahme der Proportionalität überprüft werden. Die Verwendung einer Exponentialfunktion vermeidet negative Hazard Rates:
hi (t )
h0 (t ) e
x 'i
0
.
x
Ausgehend vom proportionalen Ansatz entwickelt Cox (1972) ein semiparametrisches Modell, das keine vorherige Spezifizierung der Baseline Hazard erfordert, da diese aus den Daten bestimmt wird. Dieser Vorteil gegenüber parametrischen Modellen bringt allerdings einen Effizienzverlust bei der Schätzung der Regressionskoeffizienten mit sich. Baseline Hazards für die Vergrößerung von Auslandsgesellschaften wurden bisher nicht untersucht, so dass es ratsam erscheint, mit einem Cox-Modell zu beginnen. Sollte sich die Vermutung steigender Hazard Rates bestätigen, kann der Einsatz eines parametrischen Modells die Schätzeffizienz verbessern. Monoton verlaufende Baseline Hazards können mit der Weibull-Spezifikation erfasst werden:
hi (t )
p tp
1
e
0
x 'i
i
.
Der Verlauf der Baseline Hazard hängt von dem Parameter p ab: Sie ist monoton fallend für p < 1 und monoton steigend für p > 1; ab p > 2 steigt sie progressiv. Ein Wald-Test auf p = 1 überprüft, ob eine Zeitabhängigkeit der Baseline Hazard besteht.
0,84
9,69
0,04
0,01
0,87
Investitionsanteil
Größe der Auslandsgesellschaft
F&E-Intensität
Werbeintensität
Größe der Branche
Wettbewerbsintensität
7
8
9
10
11
12
176634
8,01
Internationale Erfahrung
19,45
-0,01
6
5
Erfolgssteigerung der Auslandsgesellschaft Kulturelle Distanz
Wirtschaftstrend
3
4
3195,09
Irreversibilität
2
-1,01
2,28
Wirtschaftliche Unsicherheit
Mittelwert
46488
1,36
0,01
0,03
1,52
0,26
24,95
7,75
0,57
3,29
95,32
1,74
Std. Abw.
43508
0,00
0,00
0,01
5,55
0,00
0,00
4,09
-5,32
-11,17
0,00
0,56
Min.
0,01
1,00
1
0,01
1,00
2
0,05 0,01
0,10
0,02
0,01 -0,03
0,06 -0,02 0,03
0,02
0,06
0,00
0,04
1,00
7
0,06 -0,04
0,16
0,22
0,05
1,00
6
0,02 -0,03 -0,22 -0,03 -0,01
0,07
0,06 -0,04
0,02
0,02
0,03
1,00
5
0,15
0,10
0,18
1,00
8
1,00
10
1,00
11
0,01 -0,06
0,10 -0,06
0,20
1,00
9
230729 -0,03 -0,04 -0,38 -0,01 -0,11 -0,06 -0,01 -0,03 -0,06
8,09
0,06
0,16
0,02
0,07 -0,02
0,04
0,00
1,00
4
0,03 -0,03 -0,03
1,00 -0,03 -0,03 17,76 -0,03
0,13
1,00
3
0,07 -0,14
0,01 -0,02
209,00 -0,02
35,81
5,72
20,62 -0,01
3205,45
12,45
Max.
1,00
12
1,23
1,12
1,07
1,12
1,12
1,01
1,08
1,13
1,02
1,26
1,01
1,02
VI F
4
1
Variable
92
Ergebnisse
Tabelle 1: Deskriptive Statistik, Korrelationsmatrix und Varianzinflationsfaktoren
93 Der linke Teil der Tabelle 1 zeigt die deskriptive Auswertung der Daten. Die Korrelationsmatrix in der Mitte von Tabelle 1 weist auf eine moderate Korrelation der unabhängigen Variablen hin. Die Varianzinflationsmaße in der letzten Spalte der Tabelle 1 zeigen eine geringe Multikollinearität zwischen den Variablen an. Die Schätzergebnisse der Weibull-Modelle, denen die Berechung von Cox-Modellen (nicht gezeigt) voranging, sind in Tabelle 2 dargestellt. Die Annahme proportionaler Hazard Rates kann nicht abgelehnt werden (Test der Schoenfeld-Residuen). Die kumulativen Hazard Rates der Cox-Modelle zeigen monoton steigende Baseline Hazards an. Übereinstimmend damit haben alle Weibull-Regressionen einen Parameter von p > 2, was auf eine progressiv steigende Baseline Hazard hinweist (Wald-Test, 1 %) und den zuvor getroffenen Annahmen über den Einfluss von Lerneffekten, Wettbewerbsdruck und finanziellen Überlegungen entspricht. Die Tabelle gibt Regressionskoeffizienten anstelle der Hazard Rates an.
94 Tabelle 2: Ausübung von realen Call-Optionen durch Folgeinvestitionen in neue Auslandsgesellschaften (Weibull Hazard Rate-Modelle)
Ausübung
Modell 1
Modell 2
Wirtschaftliche Unsicherheit X Irreversibilität
Modell 3 -0,0064*** (0,0024)
Wirtschaftliche Unsicherheit
-0,1389*** (0,0349)
-0,0926** (0,0386)
Irreversibilität
-0,0004 (0,0003)
-0,0005 (0,0003)
-0,0026*** (0,0009)
Wirtschaftstrend
0,2469*** (0,0145)
0,2791*** (0,0161)
0,2804*** (0,0160)
Erfolgssteigerung der Auslandsgesellschaft
0,1914** (0,0798)
0,1989** (0,0800)
0,2115*** (0,0777)
Kulturelle Distanz
-0,0188** (0,0093)
-0,0191** (0,0092)
-0,0191** (0,0092)
Internationale Erfahrung
0,0058*** (0,0020)
0,0050** (0,0020)
0,0051** (0,0020)
Investitionsanteil
0,2175 (0,2548)
0,0967 (0,2536)
0,0585 (0,2535)
Größe der Auslandsgesellschaft
-0,0262 (0,0442)
-0,0380 (0,0435)
-0,0376 (0,0435)
F&E-Intensität
-0,7652 (2,5315)
0,0070 (2,5087)
0,1565 (2,5002)
Werbeintensität
7,3786 (5,0076)
8,3060* (4,9997)
9,1145* (5,0176)
Größe der Branche
0,1463*** (0,0424)
0,1566*** (0,0426)
0,1523*** (0,0424)
Wettbewerbsintensität
-8,09E-06*** (1,36E-06)
-9,36E-06*** (1,40E-06)
-9,31E-06*** (1,40E-06)
p
2,2663*** (0,1106)
2,3156*** (0,1126)
2,3241*** (0,1129)
Log likelihood
-551,28
-541,87***
-539,49**
Referenz
Keine (Basis-Modell) Vs. Modell 1
*** p<0,01; ** p<0,05; * p<0,10
Vs. Modell 2
95 Die Regressionen in Tabelle 2 führen die Modellvariablen und deren Interaktion schrittweise ein. Modell 1 ist das Basismodell und weist eine Log Likelihood von -551,28 auf. Es umfasst die Kontrollvariablen und testet den einfachen Effekt der Irreversibilität auf die Wahrscheinlichkeit der Ausübung der Option. Dieser ist nicht signifikant: Die Irreversibilität der Investition allein scheint Investoren nicht davon abzuhalten, eine Auslandsgesellschaft zu vergrößern. Modell 2 prüft den Einfluss der Variable Wirtschaftliche Unsicherheit auf die Optionsausübung. Wie in Hypothese 1 vermutet, ist dieser Koeffizient signifikant negativ. Die Log Likelihood verbessert sich mit dieser Variable signifikant auf -541,87. Eine hohe wirtschaftliche Unsicherheit im Gastland hält Investoren offenbar vor der Vergrößerung der Auslandsgesellschaft zurück. Die Interaktion von Wirtschaftlicher Unsicherheit und Irreversibilität in Modell 3 weist ebenfalls einen signifikant negativen Koeffizienten auf. In Verbindung mit der signifikant höheren Log Likelihood (-539,49) im Vergleich zu Modell 2 (-541,87) bedeutet dies Unterstützung für Hypothese 2: Die Irreversibilität der Investition verstärkt den negativen Einfluss der wirtschaftlichen Unsicherheit auf die Wahrscheinlichkeit einer Folgeinvestition zur Vergrößerung der Auslandsgesellschaft. Die Kontrollvariablen zeigen bei den Tests der Modellvariablen kaum Auffälligkeiten. Beide Variablen, die die Tendenz der erwarteten Gewinne darstellen, Wirtschaftstrend und Erfolgssteigerung der Auslandsgesellschaft, weisen in allen Fällen signifikant positive Koeffizienten auf. Die Kulturelle Distanz zwischen Deutschland und dem Gastland steht in einem negativen, die Internationale Erfahrung des Investors in einem positiven Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit von Folgeinvestitionen. Der Investitionsanteil des deutschen Investors und die Größe der Auslandsgesellschaft haben auf die Entscheidung zur Folgeinvestition offenbar keinen Einfluss. Bei den Branchenvariablen gibt es signifikante Effekte der Größe der Branche und der Werbeintensität. Die Ergebnisse könnten durch die Wahl des Schwellenwerts für die Abgrenzung von Folgeinvestitionen verzerrt sein. Um die Robustheit der Ergebnisse zu testen, wurden die Weibull-Modelle ebenfalls für Folgeinvestition, die halb und eineinhalbmal so groß sind wie die Anfangsinvestition, geschätzt. Anstelle der 286 treten oberhalb dieser Schwellenwerte 560 bzw. 179 Optionsausübungen auf. Die Ergebnisse bleiben dabei stabil, der Schwellenwert hat demnach keinen Einfluss auf die Unterstützung der Hypothesen.
5
Diskussion
Die vorliegende Studie modelliert und bestätigt einen Einfluss wirtschaftlicher Unsicherheit auf die Wahrscheinlichkeit, dass Investoren neu gegründete Auslandsgesellschaften durch nachfolgende Investitionen vergrößern, sowie einen moderierenden Effekt der Irreversibilität auf diesen Zusammenhang. Die theoretische Grundlage bildet ein Call-Optionsmodell. Traditionelle Internationalisierungstheorien betonen die Bedeutung von Lerneffekten im Internationalisierungsprozess und erklären hiermit ein schrittweises Expansionsverhalten, vernachlässigen dabei aber die Bedeutung wirtschaftlicher Unsicherheit für ausländische Direktinvestitionsentscheidungen: Johanson und Vahlne (1977) haben in ihrem “Establishment Chain Model“” auf den Einfluss von Marktrisiken auf Auslandsinvestitionen zwar hingewiesen, verfolgen diesen Aspekt in späteren Arbeiten jedoch nicht weiter. Die Realoptionstheorie hingegen stellt die Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen in den Vorder-
96 grund. Investoren wählen den geeigneten Investitionszeitpunkt nach dem Verhältnis des Werts der erwarteten Gewinne (Kapitalwert) und dem Wert von Flexibilität (Optionswert), der mit der Unsicherheit stark ansteigt. Das Ergebnis dieses Kalküls kann wie bei der Establishment Chain ein inkrementeller Investitionsprozess sein. Folgeinvestitionen können aber auch unverzüglich oder nach längerer Zeit stattfinden – oder gänzlich ausbleiben. Die empirischen Ergebnisse unterstützen die aus der Realoptionstheorie abgeleitete Vermutung, dass Irreversibilität den negativen Einfluss von wirtschaftlicher Unsicherheit auf die Wahrscheinlichkeit der Vergrößerung von Auslandsgesellschaften verstärkt. Die Studie erweitert das bestehende Wissen über die Internationalisierung von Unternehmen auf die bisher wenig beachtete Phase nach dem Markteintritt. Der positive Einfluss der internationalen Erfahrung des Investors auf Folgeinvestitionen entspricht den Ergebnissen früherer Studien zum Markteintritt (Hennart und Park, 1993; Luo, 1999; Madhok, 1998). Die negative Wirkung kultureller Distanz stimmt ebenfalls mit Befunden zum Markteintritt (Chang und Rosenzweig, 2001; Pak und Park, 2004) überein. Frühere Realoptionsstudien konzentrieren sich vielfach auf Joint Ventures (Folta und Miller, 2002; Kogut, 1991; Vassolo, Anand und Folta, 2004). Die vorliegende Studie berücksichtigt Auslandsgesellschaften mit unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen. Es ließen sich keine signifikanten Unterschiede im Investitionsverhalten feststellen, so dass für zukünftige Arbeiten keine Notwendigkeit zur Beschränkung auf Joint Ventures als Investitionsobjekte besteht. Die empirischen Befunde dieser Studie sind als Ergänzung zu den bekannten inkrementellen Direktinvestitionsmodellen auch für die Managementpraxis von Bedeutung. Neben Lerneffekten hat auch die wirtschaftliche Unsicherheit des Gastlands einen maßgeblichen Einfluss auf Entscheidungen über Folgeinvestitionen. Investoren könnten durch den Einsatz quantitativer Realoptionsmodelle (Dixit und Pindyck, 1994; Trigeorgis, 1996) ihre Investitionsentscheidungen optimieren. Auch die Ergebnisse über den Einfluss der Irreversibilität sind unmittelbar praxisrelevant. Investitionsentscheidungen werden häufig anhand des Kapitalwerts getroffen. Dieser berücksichtigt das Risiko, nicht aber die Irreversibilität von Investitionen. Das Call-Optionsmodell verdeutlicht, dass Unsicherheit den Optionswert nur dann steigert, wenn die Investition zumindest teilweise irreversibel ist. Wie die graphische Darstellung des Zusammenhangs von Kapitalwert und Optionswert zeigt, sollte eine Investitionsentscheidung auch vom Grad der Irreversibilität abhängen. Bei der Einschätzung der Implikationen sind folgende Schwächen der Studie zu beachten: Die Modellierung spiegelt lediglich grundlegende Optionsüberlegungen wider. Um quantitative Aussagen über Folgeinvestitionen treffen zu können, bedarf es eines exakteren Modells. In der empirischen Untersuchung können infolge anonymer Daten wesentliche unternehmensspezifische Einflussfaktoren nicht miteinbezogen werden. Die Berichtspflicht über Auslandsinvestitionen bei der Deutschen Bundesbank stellt allerdings eine außerordentlich umfassende, unverzerrte und zuverlässige Datenbasis sicher. Zukünftige Arbeiten werden die Ergebnisse im Rahmen anderer Branchen und Investitionsstandorte zu überprüfen haben.
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101
Christian Schwens und Rüdiger Kabst
Das Lernverhalten früh internationalisierender Unternehmen: Ein konzeptioneller Analyserahmen
1
Einführung
2
Literaturüberblick
3
Lerntheorien als theoretisches Fundament
4
Herleitung des konzeptionellen Analyserahmens 4.1 4.2 4.3 4.4
5
Eigenes Erfahrungslernen Lernen durch Erfahrungen von Netzwerkpartnern Lernen durch Imitation von Best Practices Komplementaritäten der unterschiedlichen Lernmechanismen
Diskussion und Implikationen
Literatur
103 1
Einführung
Seit Ende der 80er Jahre gewinnt das Forschungsfeld „International Entrepreneurship“ zunehmend wissenschaftliche Aufmerksamkeit (z.B. Rennie, 1993; Oviatt und McDougall, 1994; Bell, 1995; Jones, 1999; Zahra et al., 2000; Dimitratos und Plakoyiannaki, 2003; Knight und Cavusgil, 2004; Zahra, 2005). Gerade kürzlich wurde in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB 1/2009) ein Special Issue zur Thematik „International Entrepreneurship“ publiziert. Hierin wurden insbesondere die Determinanten und Motive der Internationalisierung von Start-ups (Meyer-Borchert und Welpe, 2009; Ihrig und KnyphausenAufseß, 2009; Schwens und Kabst, 2009), der Verlauf der Internationalisierung von Startups (Licht et al., 2009; Fink et al., 2009) und die Ergebnisse der Internationalisierung von Start-ups (Schweizer, 2009; Al-Laham und Amburgey, 2009) näher ergründet. Insbesondere Studien über junge Unternehmen, die frühzeitig nach ihrer Gründung internationale Unternehmenstätigkeiten entfalten (so genannte „Early Internationalizers“), erlangen bislang somit weitverbreitetes Forschungsinteresse (Oviatt und McDougall, 1994). Oviatt und McDougall (1994) haben mit der „New Venture Theory“ einen wesentlichen Beitrag vorgelegt, der auf die Bedeutung der Lerntheorie und des ressourcenbasierten Ansatzes für die Analyse früh internationalisierender Unternehmen hinweist. Ein näherer Blick auf die Literatur, die nach Erscheinen des Meilensteinartikels von Oviatt und McDougall (1994) publiziert wurde, zeigt jedoch, dass sich die theoretische Argumentation im Forschungsfeld primär auf den ressourcenbasierten Ansatz konzentriert (Bloodgood et al., 1996; Westhead et al., 2001; Zahra et al., 2003). Forschungsarbeiten, die auf lerntheoretische Argumentationsweisen zurückgreifen, sind bislang weitestgehend Mangelware. Da das Lernverhalten jedoch eine zentrale Rolle für die Internationalisierungsaktivitäten von Unternehmen spielt (Anderson, 1993; Barkema und Vermeulen, 1998; Zahra et al., 2000), ist es unverzichtbar, wissenschaftlich zu erklären, „how new ventures learn“ (Zahra, 2005, S. 25). Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des vorliegenden Aufsatzes, konzeptionell der Forschungsfrage nachzugehen, wie Unternehmen frühzeitig internationalisieren. Die wesentliche Argumentationslinie hierbei ist, dass früh internationalisierende Unternehmen (Early Internationalizers) im Vergleich zu spät internationalisierenden Unternehmen (Late Internationalizers) unterschiedliche Lernmechanismen nutzen. „Late Internationalizers“ akkumulieren ihr Wissen über ausländische Märkte graduell durch eigenen Wissensaufbau im Zeitverlauf („learning from own experience“) (Johanson und Vahlne, 1977, 1990), wohingegen „Early Internationalizers“ versuchen, sich bei externen Kooperationspartnern („learning from experience of others“) und durch die Imitation von Best Practices („learning from paradigms of interpretation“) fehlendes Wissen über die Besonderheiten ausländischer Märkte anzueignen (Levitt und March, 1988; Cohen und Levinthal, 1990; March, 1991). Ein solches Lernverhalten erlaubt es früh internationalisierenden Unternehmen, die so genannten „liabilities of newness, size and foreignness“ zu überwinden (Zahra, 2005). Der vorliegende Aufsatz ist wie folgt gegliedert: Zunächst wird ein Überblick über die bisherige Literatur zum Lernverhalten von „Early Internationalizers“ gegeben. Hieran schließt sich die Herleitung des theoretischen Fundaments mittels Lerntheorien (Levitt und March, 1988; Cohen und Levinthal, 1990; March, 1991) unter besonderer Berücksichtigung des unterschiedlichen Lernverhaltens von „Early und Late Internationalizers“ an. Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen werden Thesen entwickelt, die in einen konzep-
104 tionellen Analyserahmen überführt werden. Der Aufsatz schließt mit einer Diskussion des aufgestellten Analyserahmens sowie einem Ausblick für zukünftige Forschungsarbeiten im Feld „International Entrepreneurship“.
2
Literaturüberblick
Bisherige Studien haben sich auf das Lernen von Unternehmen auf Basis bereits bestehender internationaler Erfahrungen konzentriert. So betrachten Zahra, Ireland und Hitt (2000) die Effekte, die Internationalisierung auf das technologische Lernverhalten von Unternehmen in der Phase nach Eintritt in den Auslandsmarkt hat. Die Ergebnisse zeigen, dass das Management junger Unternehmen besondere Bedeutung darin sieht, dass Wissen, das im Auslandsmarkt erlangt wurde, in den eigenen Wissensbestand integriert wird. Aufbauend auf Zahra, Ireland und Hitt (2000), die sich auf eine Facette des Lernens („technological learning“) fokussiert haben, nutzt Yeoh (2004) lerntheoretische Elemente, um „technological market and social learning“ im internationalen Kontext näher zu ergründen. Die Auswirkungen von „Early Internationalization“ näher betrachtend, erkennen Autio, Sapienza und Almeida (2000), dass eine frühzeitige internationale Orientierung und hohe Wissensintensität des Unternehmens zu schnellerem internationalem Wachstum führt. Sie argumentieren hierbei, dass junge Unternehmen aufgrund von „learning advantages of newness“ schneller und besser in der Lage sind, neues Wissen zu absorbieren. „Early Internationalizers“ zeigen ein schnelleres internationales Wachstum als Unternehmen, die später in ihrem Lebenszyklus internationalisieren und somit unter einer gewissen organisationalen Trägheit („organizational inertia“) leiden. Aufbauend auf Autio et al. (2000) haben Sapienza, Autio, George und Zahra (2006) den Einfluss früher Internationalisierung auf die „Sterbewahrscheinlichkeit“ des Unternehmens näher ergründet sowie Sapienza, De Clerq und Sandberg (2005) die Determinanten für die Lernbereitschaft von Unternehmen im internationalen Kontext und im Heimatmarkt analysiert. Zusammengefasst zeigt der Blick in die Literatur, dass sich bisherige Studien im Wesentlichen auf die Determinanten für die Lernbereitschaft von Unternehmen, die Determinanten für technologisches und weiteres funktionales Lernen sowie auf die Auswirkungen von „Early Internationalization“ auf das Wachstum und die Überlebensfähigkeit von Unternehmen konzentriert haben. Es mangelt jedoch an Studien, die sich der Forschungsfrage widmen, wie „Early Internationalizers“ vor Markteintritt lernen, um in der Lage zu sein, die Schwierigkeiten und Spezifika des Auslandsmarktes bewältigen zu können. Diese Frage ist von zentraler Bedeutung, da „Early Internationalizers“ „appear to differ in the extent of their learning, but the sources of these variations are not well defined“ (Zahra, 2005, S. 25).
3
Lerntheorien als theoretisches Fundament
Zur näheren Ergründung des Lernverhaltens von „Early Internationalizers“ wird nachfolgend auf die Lernkonstrukte von Levitt und March (1988) sowie Cohen und Levinthal (1990) zurückgegriffen. Levitt und March (1988, S. 319) beschreiben den Lernprozess als „routine-based, history-dependent and target-oriented“. Sie definieren Lernen als „encoding inferences from
105 history into routines that guide [future] behaviour“ (Levitt und March, 1988, S. 319). Lernen besitzt verschiedenste Facetten und inkludiert Aspekte wie den Inhalt des Lernens (what is learned?), den Akteur des Lernens (who is learning?), die Anreize und Motive des Lernens (why does learning take place?) sowie die Effektivität und Effizienz des Lernens (which results does learning yield?). Ausgewählte Facetten des Lernens haben in der Entrepreneurship- und Internationalisierungsliteratur weitreichende Aufmerksamkeit erlangt. Die Spezialausgabe der Zeitschrift „Entrepreneurship Theory and Practice“ (2005, Vol. 29/4) zeigt die Verbreitung lerntheoretischer Konzepte in den jeweiligen Forschungsfeldern auf (Harrison und Leitch, 2005, S. 351). So werden dynamische Lernperspektiven (Cope, 2005), der Prozess unternehmerischen Lernens (Politis, 2005), der Ursprung unternehmerischer Gelegenheiten (Dutta und Crossan, 2005), organisationales Lernen und Chancenerkennung (Lumpkin und Lichtenstein, 2005), experimentelles Lernen (Corbet, 2005) und „explorative and exploitative learning“ (Schildt et al., 2005) näher ergründet. Des Weiteren verweisen einige Studien auf den Erkenntnisbeitrag dynamischer Aspekte des Lernens sowie dessen Auswirkungen im Zeitverlauf (Grant, 1996; Nonaka, 1994; Spender, 1996; Weick, 1991). In den bisherigen lerntheoretischen Forschungsstand eingeordnet, liegt der Schwerpunkt dieses Artikels auf dem Prozess des Lernens von Unternehmen und somit auf der Frage, wie Lernen überhaupt stattfindet. Nach Levitt und March (1988) findet der Lernprozess über eigenen Wissensaufbau durch direkte Erfahrung (learning from direct experience), Lernen über die Erfahrung von Kooperationspartnern (learning from experience of others) und Lernen durch die Imitation von Best Practices (learning from paradigms of interpretation) statt. Basierend auf Levitt und March (1988) wird „learning from direct experience“ als das eigene sukzessive Aufbauen von Wissen über den Auslandsmarkt definiert. „Learning from experience of others“ wird als die Fähigkeit des Unternehmens verstanden, Wissen über den Auslandsmarkt von Netzwerkpartnern zu absorbieren. „Learning from paradigms of interpretation“ wird als die Imitation von Best Practice.Unternehmen definiert. Aufgrund unterschiedlicher kultureller, politischer, ökonomischer, rechtlicher und sprachlicher Gegebenheiten in ausländischen Märkten stellt jeder Auslandsmarkteintritt das internationalisierende Unternehmen vor zusätzliche Risiken (Johanson und Vahlne, 1977). Um diese Risiken zu minimieren, muss das eintretende Unternehmen Wissen über den Auslandsmarkt generieren. Auf Levitt und March (1988) sowie Cohen und Levinthal (1990) zurückgreifend lässt sich argumentieren, dass sich dieser Wissensaneignungsprozess zwischen „Early Internationalizers“ und „Late Internationalizers“ unterscheidet. Im Folgenden wird gezeigt, dass eigenes Erfahrungslernen eine vornehmende Rolle für die Internationalisierung von „Late Internationalizers“ spielt, wohingegen das Lernverhalten von „Early Internationalizers“ vornehmlich durch Lernen von Netzwerkpartnern und die Imitation von Best Practices charakterisiert ist. Gemäß Johanson und Vahlne (1977) lernen Unternehmen innerhalb ihres Internationalisierungsprozesses graduell auf reaktive Art und Weise. Dies geschieht, indem sie eigenes Wissen und eigene Erfahrungen sukzessive im Zeitverlauf akkumulieren und in den aktuellen Wissensbestand integrieren. So sind sie in der Lage, aus einem stabilen Heimatmarkt heraus auf Basis einer soliden Ressourcenausstattung zu internationalisieren. „Late Internationalizers“, die sich zunächst auf den Aufbau eines stabilen Heimatmarktes konzentrieren,
106 folgen diesem Prozess des schrittweisen Wissensaufbaus. Eigenes Erfahrungslernen ist charakteristisch für „Late Internationalizers“. „Early Internationalizers“ haben im Gegensatz hierzu zu Beginn ihrer ersten Internationalisierungsschritte eine eher proaktive und risikoaffine Herangehensweise (Oviatt und McDougall, 1994). Aufgrund ihrer jungen Unternehmensgeschichte können „Early Internationalizers“ zum Zeitpunkt ihrer Internationalisierung noch gar keinen stabilen Heimatmarkt etabliert haben. „Early Internationalizers“ – gekennzeichnet durch limitierte Ressourcenausstattungen – müssen somit auf andere Mechanismen zurückgreifen, um ihr fehlendes eigenes Erfahrungswissen zu kompensieren. Dies geschieht über direkte Interaktion mit ihrem Unternehmensumfeld, indem sie sich Zugang zu dem Wissen von Netzwerkpartnern verschaffen und indem sie Best Practice-Unternehmen im Auslandsmarkt identifizieren und imitieren. Aufgrund einer höheren Fähigkeit, sich neues Wissen anzueignen, sind sie schneller in der Lage, sich den spezifischen Gegebenheiten anzupassen und bereits zu einem frühen Zeitpunkt in ihrer Unternehmenshistorie in ausländische Märkte zu internationalisieren (Zahra, 2005; Cohen und Levinthal, 1990).
4
Herleitung des konzeptionellen Analyserahmens
Aufbauend auf den Literaturüberblick und die Einführung ausgewählter lerntheoretischer Argumentationslinien sollen nachfolgend Thesen zur Entwicklung eines konzeptionellen Analyserahmens für früh internationalisierende Unternehmen hergeleitet werden.
4.1 Eigenes Erfahrungslernen Wie bereits im letzten Abschnitt ausgeführt, argumentieren Johanson und Vahlne (1977, 1990), dass Unternehmen ihr Wissen über den Auslandsmarkt auf inkrementelle Art und Weise akkumulieren. „The model focuses on the gradual acquisition, integration and use of knowledge about foreign markets and operations, and on the incrementally increasing commitments in foreign markets“ (Johanson und Vahlne, 1977, S. 23). Eigenes Erfahrungslernen spielt demnach eine zentrale Rolle für das Internationalisierungsverhalten des Unternehmens. Entsprechend dieser Argumentation sind es insbesondere „Late Internationalizer“, die diesen Internationalisierungspfad beschreiten. Erst nachdem sie im Zeitverlauf eigenes Wissen und Erfahrungen aufgebaut haben, unternehmen „Late Internationalizer“ den ausländischen Markteintritt auf inkrementelle Art und Weise aus einem vertrauten Heimatmarkt heraus. Gradueller eigener Erfahrungsaufbau ist somit von besonderer Wichtigkeit für ihr Internationalisierungsverhalten, was einem frühzeitigen Erschließen ausländischer Märkte in der Regel entgegensteht. Im Gegensatz hierzu wagen sich „Early Internationalizers“ zum Zeitpunkt ihrer Unternehmensgründung oder kurz danach in ausländische Märkte. Um die „liabilities of foreignness“ bereits vor Eintritt zu reduzieren, benötigen „Early Internationalizer“ andere Mechanismen, die es ihnen erlauben, auch ohne eigenes Erfahrungslernen Wissen über den Auslandsmarkt aufzubauen. Das Aufbauen eigenen Erfahrungswissens ist ein zeitintensiver Prozess, der frühe und schnelle Internationalisierung nahezu unmöglich macht. Wenn das Lernverhalten eines Unternehmens primär durch eigenes Erfahrungslernen charakterisiert
107 ist, sinkt damit die Wahrscheinlichkeit früher Internationalisierung. Auf der anderen Seite steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Internationalisierung ab dem Zeitpunkt der Gründung, wenn eigenes Erfahrungslernen – relativ gesehen – beim Aufbau von Wissen über den Auslandsmarkt eine geringe Rolle spielt. Folglich spielt das Ausmaß des eigenen Erfahrungslernens eine wesentliche (adverse) Rolle für das Auftreten früher Internationalisierung. These 1: Je stärker das Lernverhalten eines Unternehmens durch eigenes Erfahrungslernen geprägt ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit früher Internationalisierung.
4.2 Lernen durch Erfahrungen von Netzwerkpartnern Aufgrund der limitierten Möglichkeit, über eigenes Erfahrungslernen das notwendige Wissen über den Auslandsmarkt vor Markteintritt zu erlangen, stellt sich die Frage, wie „Early Internationalizers“ dennoch in der Lage sind, das Risiko eines ausländischen Markteintritts zu reduzieren. Eine Alternative zum eigenen Erfahrungslernen stellt nach Levitt und March (1988) das Lernen von Netzwerkpartnern dar. Informationen und Erfahrungen von Netzwerkpartnern erleichtern frühe Internationalisierung. Ein Zugang zu Netzwerken öffnet Lernfenster über ausländische Märkte, ohne vorher eigene Erfahrungsschätze aufgebaut zu haben (Kale et al., 2000). Obwohl in der Internationalisierungsliteratur hinreichend erschlossen ist, dass Netzwerke die Internationalisierung eines Unternehmens grundsätzlich vorentlasten, besitzen sie für „Early Internationalizers“ (im Vergleich zu „Late Internationalizers “) eine besondere Bedeutung. „Early Internationalizers“ nutzen das Wissen und die Ressourcen von Netzwerkpartnern proaktiver, um trotz junger Unternehmenshistorie zum Zeitpunkt des ausländischen Markteintritts die „liabilities of foreignness“ zu senken. So führt auch Greve (2005, S. 1028) aus: „an organization’s susceptibility to learn from others is determined by its motivation and capability“. Limitierte Ressourcen erhöhen die Suchaktivität nach dem Wissen und den Ressourcen Dritter (Cyert und March, 1963). Begrenzt in ihren Ressourcen, suchen „Early Internationalizers“ den Zugang zu Ressourcen anderer, um die Risiken der Auslandsmarkterschließung kompensieren zu können. Die Nutzung des Wissens von Netzwerkpartnern hilft somit „Early Internationalizer“, die „liabilities of foreignness“ zu reduzieren. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass „Early Internationalizers“ eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, über die Erfahrung von Netzwerkpartnern zu lernen, wohingegen „Late Internationalizers“ es vorziehen, sich ihr Erfahrungswissen über den Auslandsmarkt systematisch selbst zu erschließen. These 2: Je ausgeprägter ein Unternehmen durch die Erfahrung von Netzwerkpartnern Wissen über den Auslandsmarkt erlangt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit früher Internationalisierung.
4.3 Lernen durch Imitation von Best Practices Neben der Möglichkeit, eigenes Erfahrungslernen durch das Lernen von Netzwerkpartnern zu kompensieren, stellt das Lernen durch die Imitation von Best Practices eine weitere
108 Möglichkeit der Wissensaneignung über den Auslandsmarkt dar. Um die „liabilities of foreignness“ zu reduzieren, werden diejenigen Unternehmen imitiert, die etabliert und erfolgreich im jeweiligen Auslandsmarkt arbeiten. Durch die Anlehnung an die Routinen des ausgewählten Best Practice-Unternehmens ist das eintretende Unternehmen besser an die Gegebenheiten des Auslandsmarktes angepasst und gewinnt in diesem eine höhere Akzeptanz (Levitt und March 1988; Aldrich, 1999). Gemäß Meyer und Rowan (1977) oder Scott (1987) müssen Unternehmen nicht ausschließlich effizient agieren, sondern zudem als im jeweiligen Markt legitimiert erachtet werden, um ihr Überleben zu sichern. Legitimität kann erlangt werden, indem von der Umwelt akzeptierte und bewährte strukturelle Elemente übernommen werden (Zucker 1987; DiMaggio und Powell 1991). „Early Internationalizers“ imitieren die Unternehmen im Auslandsmarkt, die sie für legitimiert und erfolgreich halten. Durch mimetische Isomorphismen assimilieren sich „Early Internationalizers“ an diese Best Practice-Unternehmen, was eine Reduktion der „liabilities of foreignness“ und somit des Risikos des Auslandsmarkteintrittes bewirkt (Scott und Meyer 1992). Imitation von Best Practices stellt somit ein weiteres Vehikel dar, um eigenes Erfahrungslernen zu substituieren und hierdurch das Risiko einer frühen Auslandsmarktbearbeitung zu reduzieren. These 3: Je ausgeprägter ein Unternehmen mittels Imitation von Best Practice-Unternehmen Wissen über den Auslandsmarkt erlangt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit früher Internationalisierung.
4.4 Komplementaritäten der unterschiedlichen Lernmechanismen Lernen von Netzwerkpartnern und Lernen durch die Imitation von Best Practices sind jedoch nicht notwendigerweise nur isoliert voneinander zu betrachten. Beide Lernmechanismen erhöhen die Wahrscheinlichkeit früher Internationalisierung. Werden beide Lernmechanismen gemeinsam genutzt, entstehen zusätzliche Komplementaritäten. Dies wird durch Levitt und March (1988, S. 333) untermauert, die feststellen „[…] that some important improvements in organizational intelligence can be achieved by giving organizations capabilities to learn quickly and precisely“ und ferner „organizational environments involve complicated causal systems, as well as interactions among learning […]“ (Levitt und March, 1988, S. 333). Für den konzeptionellen Analyserahmen ist es somit zielführend, die beiden Lernmechanismen Netzwerke und Imitation als Komplemente zu verstehen, deren Interaktion die Wahrscheinlichkeit früher Internationalisierung verstärkt. Wenn ein Unternehmen versucht, über beide Mechanismen Wissen zu akquirieren, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit für frühe Internationalisierung. These 4: Die Wahrscheinlichkeit früher Internationalisierung steigt, wenn ein Unternehmen sowohl Wissen über Netzwerkpartner als auch durch die Imitation von Best Practices akquiriert.
109 5
Diskussion und Implikationen
Das Ziel des vorliegenden Beitrags war es, einen konzeptionellen Analyserahmen zur Erklärung früher Internationalisierung zu erarbeiten. Hierfür wurden basierend auf lerntheoretischen Argumentationen forschungsleitende Thesen aufgestellt. Obwohl Lernen eine zentrale Rolle in dem Meilensteinaufsatz von Oviatt und McDougall (1994) spielt, ist die bisherige Anzahl von Studien, die das Lernverhalten von „Early Internationalizers“ näher untersuchen, noch limitiert. Der vorliegende Beitrag adressiert dieses Defizit, indem das Lernen von „Early Internationalizers“ in der Markteintrittsphase analysiert wird. Der konzeptionelle Analyserahmen verdeutlicht, dass eigenes Erfahrungslernen negativ mit früher Internationalisierung in Zusammenhang steht, wohingegen Lernen über Netzwerkpartner und Lernen durch Imitation von Best Practices eine positive Assoziation erwarten lassen. Der vorliegende Beitrag leistet einen lerntheoretisch innovativen Beitrag zum Forschungsfeld „International Entrepreneurship“. Die Übertragung der drei Lernmechanismen („learning from own experience“, „learning from experience of others“, „learning from paradigms of interpretation“) soll als erster Anstoß für eine vertiefende Diskussion des Lernverhaltens junger Unternehmen im Rahmen der Internationalisierung dienen. Die Nutzung lerntheoretischer Ansätze nach Levitt und March (1988) sowie Cohen und Levinthal (1990) haben sich hierbei als mögliche theoretische Ansätze für eine tiefere Ergründung der Thematik erwiesen. Aus konzeptioneller Sicht ist ohne Zweifel eine noch differenziertere Analyse der Position des Unternehmens innerhalb eines Netzwerkes und deren Einfluss auf das Internationalisierungsverhalten des Unternehmens wünschenswert. Eine Erweiterung des im Beitrag entwickelten Analyserahmens in Richtung einer stärkeren „Intra-Netzwerk Analyse“ (Burt, 1992) oder durch „Social Capital“-Argumente (Coleman, 1988), die insbesondere bilaterale Austauschbeziehungen näher beleuchten, wäre sicherlich ebenso wünschenswert. Des Weiteren sollte das Konzept der „Absorptiven Fähigkeiten“ noch umfassender in das Blickfeld rücken, um das Internationalisierungsverhalten von „Early Internationalizers“ zu verstehen. Zudem ist eine Analyse der Implikationen von früher Internationalisierung, insbesondere für das Lernen nach dem Auslandsmarkteintritt, wünschenswert. Eine detaillierte Betrachtung der Entwicklung von Kernkompetenzen der Unternehmen im internationalen Kontext sowie eine nähere Beleuchtung der anschließenden Geschwindigkeit der Internationalisierung würde den Erkenntnisstand deutlich voranbringen.
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113
Helmut Haussmann, David Rygl und Dirk Holtbrügge
Internationalisierung mittelständischer Weltmarktführer: Eine empirische Studie der Erfolgsfaktoren, Internationalisierungsmuster und Herausforderungen.
1
Einleitung
2
Abgrenzung des Begriffs „mittelständische Weltmarktführer“
3
Untersuchungsdesign
4
Internationalisierungsphasen von MWFs
5
Zusammenfassung und Implikationen
Literatur
115 1
Einleitung
Derzeit fallen knapp 99,7% aller Unternehmungen in Deutschland in die Kategorie der kleinen und mittleren Unternehmungen (KMUs). Sie produzieren knapp die Hälfte der Bruttowertschöpfung des Unternehmenssektors, sorgen in ihrer Vielfalt für wirtschaftliche Stabilität und sind integraler Bestandteil einer ausgewogenen Größenstruktur von Unternehmungen. Gleichzeitig fördern sie Innovationen und tragen damit zu mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland bei. Trotz ihrer großen Bedeutung im Heimatland spielen deutsche KMUs international nur eine unbedeutende Rolle (vgl. Kast/Rödl, 2000). Gründe für die geringe internationale Präsenz sind vor allem die niedrige Eigenkapitalausstattung, begrenzte Management- und Personalkapazitäten, fehlende internationale Marktkenntnisse und mangelnde interkulturelle Kompetenz. Empirischen Untersuchungen zufolge sind zwar viele KMUs durch Export auf ausländischen Märkten präsent, dessen Anteil ist im Vergleich zum Gesamtumsatz aber nur gering (vgl. Gutmann, 2000, S. XIX). Während die überwiegende Mehrzahl der KMUs international kaum aktiv ist, gibt es eine überschaubare, jedoch sehr bedeutsame Gruppe von Unternehmungen, die nicht nur einen sehr hohen Internationalisierungsgrad aufweist, sondern dabei auch sehr erfolgreich ist. Diese mittelständischen Weltmarktführer (MWFs) zeichnen sich durch eine besonders erfolgreiche Stellung im Weltmarkt, vor allem aber auch auf dem europäischen Markt aus. Zumeist belegen sie in ihrer speziellen Branche oder Marktnische einen der ersten drei Plätze, wobei diese Marktstellung über Jahre hinweg gehalten und weiter ausgebaut wurde (vgl. Haussmann, 2003). Die Internationalisierung von KMUs steht darüber hinaus im Mittelpunkt zahlreicher Studien, wie sie etwa jüngst gemeinsam von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der IKB Deutsche Industriebank AG durchgeführt wurde (vgl. KfW Bankengruppe, 2004). Die meisten Studien beschränken sich in ihren Umfragen auf reine Exportaktivitäten, ohne anspruchsvollere und weitergehende Formen der Internationalisierung wie Joint Ventures und Produktionsniederlassungen im Ausland zu betrachten. Somit bleiben die zentralen Fragen nach den Erfolgsfaktoren der Internationalisierung unbeantwortet. Vor diesem Hintergrund verfolgt die vorliegende Studie die folgenden zentralen Ziele: In einem ersten Untersuchungsschritt wird der Frage nachgegangen, welche besonderen Fähigkeiten bzw. Voraussetzungen MWFs aufweisen, die es ihnen ermöglichen, zu Weltmarktführern in ihrem jeweiligen Bereich zu werden. Dabei werden gerade persönliche Faktoren des Gründers bzw. Eigentümers, unternehmenskulturelle, strukturelle und technologische Faktoren betrachtet. Daran schließt sich die Frage an, wie MWFs ihren Internationalisierungsprozess gestalten. Zudem wird analysiert, wie MWFs mit den besonderen Risiken internationaler Unternehmungstätigkeit umgehen. Schließlich wird analysiert, vor welchen aktuellen und zukünftigen Herausforderungen MWFs stehen. Dabei wird insbesondere den begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen dieses Unternehmungstyps Rechnung getragen.
116 2
Abgrenzung des Begriffs „mittelständische Weltmarktführer“
Bevor der Internationalisierungsprozess von MWFs genauer betrachtet wird, erscheint eine Abgrenzung dieses Unternehmungstyps sinnvoll. Unter MWFs werden Unternehmungen verstanden, die einen Auslandsanteil am Umsatz von mindestens 40 % besitzen und mindestens 30 % Marktanteil in Europa oder am Weltmarkt haben. Insbesondere der hohe internationale Marktanteil ist ein entscheidendes Kriterium, das die große Bedeutung der Auslandstätigkeit für diesen Unternehmungstyp wiedergibt. Neben diesen quantitativen Kriterien sind MWFs durch drei qualitative Merkmale gekennzeichnet: die inhaberorientierten Managementstrukturen, die leistungsorientierte Führungsphilosophie sowie die Nischenorientierung. MWFs zeichnen sich durch die völlige oder zumindest weitgehende Konzernunabhängigkeit und die damit einhergehende Identifikation des Eigentümers mit seiner Unternehmung aus. Durch die Einheit von Eigentum, Risiko und Kontrolle einerseits sowie von Leitung, Entscheidung und Verantwortung andererseits besteht eine sehr enge wechselseitige Beziehung zwischen den Inhabern, einer Familie oder eines eng begrenzten Personenkreises mit der Unternehmung (vgl. Jordan 1999). Die verantwortliche Führungsperson ist zumeist gleichzeitig Inhaber und trägt somit das volle wirtschaftliche Risiko. MWFs sind damit Eigentümer- bzw. Familienunternehmungen. Als direkte Folge davon ist die Führungsphilosophie untrennbar mit den Führungskräften verbunden. Durch ihre ausgeprägte Persönlichkeit, ihr Credo und ihre Verhaltensweisen gelingt es ihnen, die Mitarbeiter von ihren Entscheidungen zu überzeugen und sie zu motivieren. Bei MWFs sind die langfristigen Ziele klar definiert, die Strategien zu deren Umsetzung jedoch nicht sehr detailliert ausgearbeitet. Es gibt eher qualitative Vorstellungen als quantitative Analysen. Die damit einhergehende Flexibilität bildet den Hauptunterschied zu Großunternehmen, die Entscheidungen eher auf quantitativen Grundlagen treffen. Ein drittes Merkmal von MWFs ist deren Nischenorientierung, d.h. die eigenständige Definition einer Marktnische, eine langfristige Marktentwicklung und die Schaffung von Markteintrittsbarrieren. Ein elementarer Aspekt der Marktbearbeitung von MWFs ist, dass sie Märkte nicht akzeptieren, „wie sie durch externe Kräfte definiert werden, sondern sie betrachten die Marktdefinition als einen Parameter, den sie selbst kontrollieren können“ (Simon, 1996, S. 50). Die äußerst enge Fokussierung auf einzelne Produkte bzw. auf das Know-how in eng definierten Zielmärkten eröffnet MWFs die Möglichkeit, einen zwar kleinen, aber sehr tiefen Teil der Wertschöpfungskette abzudecken und sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern zu verschaffen. Diese enge Fokussierung führt bei manchen MWFs zur Kreation neuer Märkte, die zuvor nicht bestanden haben (vgl. Mewes, 2000).
117 3
Untersuchungsdesign
In einem ersten Schritt wurden zunächst 102 MWFs, die den oben genannten Kriterien entsprechen, von den Verfassern persönlich kontaktiert. Von diesen 102 haben 44 MWFs ihre Teilnahme an der Studie zugesagt, wobei es sich bei der Mehrheit um traditionsreiche Unternehmungen handelt. Die älteste Unternehmung wurde im Jahr 1688 und die jüngste im Jahr 1977 gegründet. Das Durchschnittsalter der befragten Unternehmungen liegt bei 93,3 Jahren. Der durchschnittliche Jahresumsatz der untersuchten Unternehmungen lag im Jahr 2005 bei 680 Mio. €, wobei eine Unternehmung mit einem weltweiten Umsatz von 8 Mrd. € stark herausragt. Der Umsatz der nächst größeren Unternehmung lag bei rund 1,5 Mrd. €. Neben relativ großen MWFs sind jedoch auch sechs kleinere Unternehmen mit einem Umsatz von unter 100 Mio. € vertreten. Entsprechend der oben formulierten Ziele der Untersuchung lag der Fokus der Datenerhebung auf den Fragen, warum, wann und wie die Internationalisierung von MWFs erfolgt. Hierzu wurden die Eigentümer bzw. Geschäftsführer der ausgewählten MWFs befragt. Der Rückgriff auf qualitative persönliche Interviews als Methode der Datenerhebung war notwendig, da nur so eine hohe Validität sichergestellt werden konnte. Bei der Versendung schriftlicher Fragebögen hätte dagegen die Gefahr bestanden, dass diese an untergeordnete Mitarbeiter weitergereicht worden wären (zum Ablauf der Untersuchung vgl. ausführlich Haussmann et al., 2006).
4
Internationalisierungsphasen von MWFs
Die Internationalisierung von MWFs kann durch ein Phasenschema beschrieben werden. Dabei können drei Phasen identifiziert werden, die durch zwei Hauptfaktoren, nämlich die geographische Reichweite des internationalen Engagements sowie das Ausmaß der Marktbindung und des damit verbundenen Marktrisikos gekennzeichnet sind. Grundsätzlich kann die geographische Reichweite von MWFs nach regionalen, kontinentalen (z.B. Europa) und globalen Aspekten unterteilt werden. Das eingegangene Marktrisiko steigt mit der zunehmenden Reichweite an, wobei – ganz im Sinne des Stufenmodells der Internationalisierung von Johanson/Vahlne (1977; 1990) – eine sukzessive Abfolge der einzelnen Phasen stattfindet. Keine Unternehmung im zugrunde liegenden Sample begann sofort mit einer globalen Ausrichtung der Unternehmungstätigkeit. MWFs unterscheiden sich damit diametral von den vor allem in der New Economy anzutreffenden Born Global Firms, für die genau dieses Überspringen von einzelnen Stufen auf der psychic distance chain typisch ist (vgl. Holtbrügge/Enßlinger, 2004).
118 Abbildung 1:
Internationalisierungsphasen von MWFs
Marktbindung, Marktrisiko
Erfolgsfaktor Wettbewerbsnähe
Ero
ber
Erfolgsfaktor Technologieführerschaft
ion Vis
G
r ere lisi a b lo
er Erfolgsfaktor Kontinuität
Be
it gle
er
äre Erfolgsfaktor Kundennähe
Phase I
Phase II
Phase III
regional
kontinental
global
t
Die stufenweise Entwicklung von MWFs bedingt einerseits, dass eine gewisse Internationalisierungsdauer typisch ist, und andererseits, dass in jeder Phase ein ganz bestimmter Erfolgsfaktor dominiert. Die signifikanten Erfolge von MWFs auf internationalen Märkten werden hauptsächlich von vier Merkmalen bestimmt und führen zu einer Ableitung von vier MWF-Typen (vgl. Abbildung 1). Im Folgenden werden die identifizierten dominanten Erfolgsfaktoren der jeweiligen Phase sowie die spezifischen Internationalisierungsmuster näher erläutert. Abschließend werden durch die Internationalisierung bedingte zukünftige Managementherausforderungen und mögliche Risiken diskutiert.
Phase I – Die Visionäre Erfolgsfaktor Technologieführerschaft „Der Starke ist am mächtigsten allein“, mit diesem Zitat von Friedrich Schiller aus Wallenstein lässt sich der erste Typ der MWFs am besten charakterisieren. Dabei ist Technologieführerschaft der dominante Erfolgsfaktor der Visionäre. Die Bezeichnung Visionäre folgt aus dem ungebrochenen Wunsch, die Technologieführerschaft bestimmenden Eigenschaften „marktorientierte Innovation“ und „überdurchschnittliche antizyklische Kompetenzentwicklung“ langfristig global zu etablieren. „Wir können“, so ein Befragter, „dem internationalen Wettbewerbsdruck aus eigener Kraft standhalten.“ Ein bedeutender Bestandteil der Innovationskraft stellen technologisch überlegene, aber stets an die Kunden angepasste Produkte dar (vgl. Simon et al., 2002, S. 17). Bei vie-
119 len Großunternehmungen existieren eigene F&E-Abteilungen. Hierbei besteht die Gefahr, zu sehr auf den Technologieaspekt der Innovation zu fokussieren und dabei den Marktaspekt aus den Augen zu verlieren. Bei MWFs gibt es aufgrund der systemimmanenten Merkmale mittelständischer Unternehmungen dagegen viele Mitarbeiter, die in ihren Tätigkeitsbereichen Allrounder sind. Es besteht ein Gleichgewicht zwischen internen Aufgaben wie Technologieentwicklung und externen Tätigkeiten wie Kundenbesuchen. Die Kunden werden dadurch zu einer wichtigen Innovationsquelle. Durch Beobachtung und Befragung „der Kunden beim Einsatz der Produkte erfahren die Unternehmen viel über neue Verwendungen oder Veredelungen (new uses) und damit auch über neue Kundengruppen für die bestehenden Produkte (new users)“, so ein Befragter. Die erfolgreiche Internationalisierung von MWFs beginnt somit bereits vor dem eigentlichen Engagement im Ausland durch die Gewinnung von Weltklassefähigkeit auf dem Heimatmarkt. Umgekehrt bedeutet dies, dass die Internationalisierung kein geeignetes Mittel ist, um Misserfolge auf dem Heimatmarkt auszugleichen. Die herausragenden Leistungen im F&E-Bereich zeigen sich im Vergleich mit der Patentsituation zu großen Technologieunternehmungen, so liegen beispielsweise die Fischerwerke mit 234 Patenten pro 100 Mitarbeiter weit über der Zahl von Siemens mit ca. 11 Patenten pro 100 Mitarbeiter. Das Patentverfahren ist jedoch sehr bürokratisch und somit oft auch langwierig, gleichzeitig ist der F&E-Bereich sehr schnelllebig. Aus diesem Grund wird nicht generell alles zum Patent angemeldet. „Patente für maßgefertigte Anlagen werden weder angemeldet noch veröffentlicht; geschweige denn, dass eine Maschine jemals verkauft würde“ (Viehöver, 2002, S. 28). Die tatsächliche Innovationskraft der Visionäre ist damit oft noch weitaus größer, als es die Patentanmeldungen vermuten lassen. Der Zeitpunkt der Innovationstätigkeit ist ein weiteres Charakteristikum der Visionäre. Eine Studie von Rammer et al. (2005) zeigt, dass mittelständische Unternehmungen in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation im Durchschnitt wesentlich weniger in Innovationen investieren als Großunternehmungen (vgl. KfW Bankengruppe, 2005, S. 86). Die Visionäre sind dagegen durch ein dauerhaftes und oft sogar antizyklisches Innovationsstreben geprägt, d.h. gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten wird ohne Abstriche ein wesentlicher Teil der finanziellen Ressourcen für F&E eingesetzt. Nur so kann ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess dauerhaft etabliert werden, bei dem mit jeder neuen Produktauflage das Vorgängermodell übertroffen wird (vgl. Haussmann/Rygl, 2003; Simon, 1996, S. 99). Die Fähigkeit, überdurchschnittliche Marktleistungen im Heimatmarkt zu erbringen, bildet – ganz im Sinne der monopolistischen Vorteilstheorie (vgl. Welge/Holtbrügge, 2006, S. 67 f.) – die Grundlage des Erfolgs der Visionäre. Erst danach erfolgt der Versuch, die eigenen Stärken auf ausländischen Märkten auszuspielen. Die Beherrschung des Heimatmarktes ist somit eine zentrale Voraussetzung einer erfolgreichen Internationalisierung. Internationalisierungsmuster Die Internationalisierung in dieser ersten Phase ist durch zwei wesentliche Aspekte gekennzeichnet: Erfahrungen sammeln und das eigene Leistungsangebot in einer bekannten Region testen, ohne dabei ein unüberschaubares Risiko einzugehen. Visionäre ziehen deshalb unmittelbare Grenzregionen für die erste internationale Marktreifeprüfung vor. Insbesondere der deutschsprachige Raum mit Österreich und der Schweiz sowie Frankreich nehmen hierbei eine besondere Rolle ein, wobei eine positive Korrelation der gewählten Region mit
120 dem Sitz der Unternehmung in Deutschland besteht. So nehmen Visionäre aus dem südwestlichen Raum Deutschlands ihre ersten Auslandsengagements vorwiegend im unmittelbaren Grenzgebiet in Frankreich oder in der Schweiz auf. Unternehmungen aus RheinlandPfalz und Nordrhein-Westfalen werden tendenziell in den Benelux-Staaten aktiv, während bayerische Unternehmungen nach Österreich und in die Schweiz sowie in Einzelfällen nach Tschechien tendieren: Bedeutung der räumlichen Nähe „Die Internationalisierung hat sich eigentlich natürlich entwickelt. Wir waren in Nordbayern stark präsent für unsere Kunden. Dann kam die Wiedervereinigung und so konnten wir von Hof aus leicht in die neuen Bundesländer gehen. Nach Plauen, Dresden und Jena, also nur in den Süden der neuen Bundesländer. Dann Tschechien, nach Prag. Bis auf die Sprachunterschiede haben wir ähnliche Voraussetzungen vorgefunden wie in den neuen Bundesländern. Die Erfahrung in Ostdeutschland war uns schon eine große Hilfe, wir machen immer wieder ähnliche Erfahrungen in Mittel- und Osteuropa.“ „Unser logischer Schritt der Marktbearbeitung war, von unserer starken Präsenz in Bayern zunächst den gesamten westdeutschen Markt abzudecken. Eigentlich wollten wir danach nach Österreich, aber dann kam die Wiedervereinigung. Also gingen wir nach Ostdeutschland und danach nach Österreich. Mittlerweile versuchen wir neben West- auch Osteuropa abzudecken. Das langfristige Ziel ist die Triade.“
Der Wunsch, zunächst in unmittelbarer Nähe zum Heimatmarkt international tätig zu werden, wird durch die Aussagen der Befragten nach den Motiven für die ersten Auslandsengagements gestützt. Die spezifischen Motive des ersten Markteintritts können durch die Kategorien geographische Nähe, kulturelle Ähnlichkeit und Kundenpräferenzen wiedergegeben werden. Die Befragten verdeutlichen alle die große Bedeutung der geographischen Nähe sowie geringer Sprachbarrieren für einen schnellen Markteintritt und eine verlässliche Abschätzung des Marktpotenzials. Ausgewählte Motive der ersten Internationalisierungsschritte Geographische Nähe und kulturelle Ähnlichkeit „Unser erster Auslandmarkt war Österreich. Nähe zu den Standorten in Süddeutschland war ausschlaggebend.“ „Sprachbarrieren gab es nicht, räumlich nah, war damals sehr interessant.“ „Nähe und keine Sprachprobleme.“ Kundenpräferenzen „Ähnliche Geschmackspräferenzen.“ „Listung im Handel.“ „Gleiche Kundenstruktur.“
Das letzte bedeutende Merkmal der Visionäre ist die konsequente Verfolgung einer Markteintrittstrategie mit geringer Marktbindung. Neben einer reinen Exportstrategie werden vor allem Vertriebsgesellschaften und Lizenzen bevorzugt. „Der Markteintritt in neue Märkte“, so ein Befragter exemplarisch, „erfolgt über Exporttätigkeiten und die Einstellung von Vertriebs- und technischen Mitarbeitern im jeweiligen Land. Das meiste können wir aus Deutschland bedienen. In Märkten mit entsprechend nachhaltiger Größe und Entwicklungsmöglichkeit, in denen wir Erfolg haben, werden wir auch Direktinvestitionen tätigen.“
121 Herausforderung: Schaffung einer internationalen Vision als zukünftiges Leitbild Für einen erfolgreichen Auslandsmarkteintritt bedarf es für die zukünftige Unternehmungstätigkeit eines prägenden Leitbildes und einer internationalen Vision, die eine langfristige Orientierung ermöglicht. Bei den Befragten ist die Vision vor allem durch zwei einfache Merkmale geprägt, und zwar eine einfache und klare Botschaft, die langfristig und kontinuierlich vorgelebt wird. Immer wieder sind etwa folgende Aussagen zu hören: Internationale Vision „Ich will mein Unternehmen zum Besten in der Branche im internationalen Vergleich machen.“ „Wünsche unserer Kunden in aller Welt ganz nach unserem Motto ,„mobility for you‘ bedienen.“ „In allen Ländern mit Marktpotenzial mit eigener, kompetenter Mannschaft vertreten sein.“ „Global Player werden.“ „Mit technisch besseren Produkten und besserem Service gegen den internationalen Wettbewerb antreten.“ „Unsere erfolgreichen Produkte in Deutschland müssen auch im Ausland erfolgreich sein.“ „Wir wollen Weltmarktführer sein.“ „Nummer 1 in Europa werden, dann Marktführer in den USA.“
Die beste Vision wäre wertlos, wenn sie als leere Formulierung unterginge. Sie muss gelebt werden, und die Mitarbeiter müssen motiviert werden, die Vision zu übernehmen. Diese Vermittlung der Vision beherrschen die Führungskräfte der Visionäre in exzellenter Weise. Dabei wird ein klarer Fokus gesetzt und die Vision zielstrebig und mit Ausdauer verfolgt. Die Möglichkeit, die Vision dauerhaft vorzuleben und an die Mitarbeiter zu vermitteln, wird vor allem durch die langen Amtszeiten der Geschäftsführung begünstigt. Während bei großen Kapitalgesellschaften der Vorstand und dessen Vision durchschnittlich alle acht Jahre wechseln, sind die Geschäftsführer von MWFs durchschnittlich 25 Jahre im Amt. Ein besonders prägnantes Beispiel dafür ist Dr. Bernd Lieberoth-Leden, der erst vierte Geschäftsführer bei Karmann in der 105-jährigen Unternehmensgeschichte (vgl. Haussmann/Rygl, 2003, S. 14 f.). Durch diese Kontinuität der Geschäftsführung wird die Vision über viele Jahre hinweg in den Köpfen der Mitarbeiter verankert, und zwar auch über die erste Phase der Internationalisierung hinaus. Risiken Bereits in dieser Phase, in der die eigentliche Internationalisierung erst vorbereitet wird bzw. auf Testmärkten erste Erfahrungen gesammelt werden, gilt es zwei potenzielle Risiken zu begrenzen. Zum einen erscheint es vielen Geschäftsführern verlockend, ihre Internationalisierungsschritte nach dem Prinzip des „Management by World Map“ zu gestalten. Die Möglichkeit, internationale Präsenz zum persönlichen Prestigeobjekt zu machen, lässt leicht strategische Aspekte der Marktbewertung und -auswahl sowie die Suche nach der richtigen Marktbearbeitungsform als notwendiges Übel erscheinen. Den zweiten Risikoaspekt bildet die blinde Verfolgung der erst seit kurzem bestehenden internationalen Vision. Die „Sehnsucht nach dem weiten Meer“, geprägt durch die Ziele und den Willen der Unter-
122 nehmungsgründer, alle Unternehmungsaktivitäten auf das Ziel Weltmarktführerschaft auszurichten, ist häufig noch nicht fest genug verankert (vgl. Hering et al., 2001, S. 38 f.). Diese beiden Aspekte, verbunden mit dem Mangel an internationaler Erfahrung, tragen maßgeblich dazu bei, dass die Internationalisierung oft unsystematisch vorbereitet wird. Viele Entscheidungen werden unstrukturiert getroffen, da die knappen Finanz- und Managementkapazitäten eine Etablierung formaler Abteilungen, Stäbe oder Fachexperten verhindern, die schwerpunktmäßig Wissensdefizite über ausländische Märkte abbauen sollen (vgl. Buckley 1989, S. 91 f.). Die Folgen sind häufig quälende Abstimmungsprozesse und ein unsystematischer Managementstil, der informelle Grundsatzentscheidungen fördert, die zu einer „reaktiven Anpassung an Umweltveränderungen mit der Gefahr eines ‚Durchwurstelns‘ (‚Muddling Through‘) zu degenerieren“ drohen (Meffert, 1998, S. 67). Phase II Die zweite Phase der Entwicklung von MWFs ist insbesondere durch eine weitaus größere Reichweite der Internationalisierung geprägt. Während die Visionäre in der ersten Phase eher den Charakter von europäischen Champions aufweisen, sind die Aktivitäten innerhalb der zweiten Phase stark auf Asien und die USA konzentriert. Zudem nimmt die Marktbindung in dieser Phase deutlich zu, wobei zwei Unternehmungstypen unterschieden werden können: die Eroberer, die sich durch eine Going-Alone-Strategie auszeichnen, und die Begleiter, die eher durch Kooperationen auf Auslandsmärkten tätig werden. In beiden Fällen werden die unternehmungsspezifischen Internationalisierungspfade stark durch externe Kräfte vorgegeben. Im Falle der Eroberer hat die Wettbewerbsnähe einen großen Einfluss, während bei den Begleitern die Kundennähe für die gewählten Auslandsschritte ausschlaggebend ist. Die Eroberer Erfolgsfaktor Wettbewerbsnähe Eroberer sind durch eine langfristige Orientierung an ihren wichtigsten Wettbewerbern charakterisiert. Der Wettbewerb erlangt einen fundamentalen Stellenwert für die Frage, ob die Grundlagen für einen erfolgreichen Markteintritt vorhanden sind. „Wir suchen“, so ein Befragter, „die persönliche Beziehung zu unseren Konkurrenten.“ Trotz der geringen Zahl direkter Konkurrenten ist der Nischenwettbewerb sehr intensiv, weshalb die Markt- und somit auch die Wettbewerbsbeobachtung von großer Bedeutung sind. Keine Nische – und sei sie noch so klein – ist vor Konkurrenz sicher. Es wäre also ein schwerwiegender Fehler, sich in seiner eigenen Nische als vor der Konkurrenz unantastbar zu wähnen. Bei MWFs besteht deshalb Klarheit darüber, dass die Marktführerschaft jeden Tag neu verdient und verteidigt werden muss (vgl. Simon, 1996, S. 121). MWFs streben keine Kopie ihrer Wettbewerber an, sondern setzen Standards, die über denen der Konkurrenz liegen. Innovationen der Konkurrenz werden als Treiber für noch bessere Leistungen angesehen. „Weltklasse kann man nur erreichen, wenn man gegen die Besten kämpft, und nicht, indem man in der 2. Liga spielt“ (Simon, 1996, S. 123). Dabei sind die Möglichkeiten, die Nischenmärkte vor dem Wettbewerb zu schützen, begrenzt. Einerseits können Eroberer generell eine höhere Innovationsgeschwindigkeit als
123 ihre Wettbewerber anstreben oder andererseits einen neuen Wettbewerbsvorteil, z.B. durch herausragende Serviceleistungen, schaffen. In beiden Fällen ist die genaue Kenntnis der direkten Konkurrenten ein zentraler Erfolgsfaktor. „Unsere Philosophie“, so ein Befragter, „ist, sich eher schwierige Märkte auszusuchen, wo schon viel Konkurrenz vorhanden ist und man also zunächst eine kritische Wettbewerbsposition hat, dafür aber von den anderen etwas lernen kann.“ Denn nur so kann das eigene Leistungspotenzial richtig eingeschätzt und das Ziel, Weltmarktführer zu werden, konsequent weiter verfolgt werden. Diese Erkenntnis nutzen Eroberer für ihren internationalen Markteintritt, indem sie ihre Internationalisierungsstrategie nach dem Postulat der Leistungssteigerung durch aktiven Wettbewerb ausrichten. Ein Befragter formuliert dies wie folgt: „Es ist wichtig, gegen die Besten vor Ort anzukämpfen. Das setzt uns extrem unter Druck, und das ist gut so.“ Der lokale Wettbewerb wird so zum Entscheidungskriterium bei der Wahl der Internationalisierungsziele (vgl. Bassen et al., 2001, S. 420 f.; Eden, 1997, S. 46 ff.). Internationalisierungsmuster Das Internationalisierungsmuster ist aufgrund der Notwendigkeit, wettbewerbsnah agieren zu können, weniger durch Renditechancen als durch Lerneffekte geprägt. Betrachtet man zunächst die regionale Expansion der Eroberer, dann ist auffällig, dass zumeist Märkte mit einem sehr intensiven und qualitativ hochwertigen Wettbewerb wie die USA oder Japan ausgewählt werden. Das Internationalisierungsmuster der Eroberer unterscheidet sich somit diametral von demjenigen der Visionäre. Während bei diesen regional nahe Märkte im Vordergrund standen, dominieren bei jenen technologisch anspruchsvolle Märkte, die geographisch und kulturell weit entfernt sind. Das schrittweise Vorgehen wird somit abgelöst durch die Auffassung: „When you can make it here, you can make it everywhere.“ Die Wahl der Marktbearbeitungsform ist an der Möglichkeit orientiert, schnell und flexibel agieren zu können. Von allen betrachteten Eroberern werden ausschließlich Eigentumsformen gewählt, die eine alleinige Verfügungsgewalt über das Auslandsengagement zulassen. „Bei der Erschließung der Auslandsmärkte möchten wir unabhängig sein“, so begründet dies ein Befragter. „Selbst in Märkten, die für uns bisher reine Exportmärkte waren, verzichten wir auf eine Kooperation mit ortsansässigen Unternehmungen. (…) Diese Strategie basiert darauf, die Diffusion von Know-how zu vermeiden.“ Trotz möglicher Nachteile wie dem hohen Kapital- und Ressourceneinsatz sowie einem potenziellen Enteignungsrisiko bestätigen die Aussagen der Befragten bei allen Eroberern übereinstimmend die Notwendigkeit, die eigene Unabhängigkeit zu wahren. Einstellung zu Kooperationen „Wir sind es gewohnt, das Sagen zu haben. Partner brauchen wir nicht.“ „Besser allein!“ „Partner würden uns nur aufhalten!“ „Know-how-Diffusion vermeiden, Kontrolle haben.“
Herausforderung: optimaler Einsatz knapper Managementressourcen Aufgrund der starken Eigentümer- und Familienorientierung von MWFs sind regelmäßige Auslandsreisen des Topmanagements unumgänglich. Sehr viele Befragte gaben an, dass es vor Ort viele Entscheidungen zu treffen gilt, die ohne die persönliche Anwesenheit der
124 Unternehmensspitze nicht möglich wären. Das Auslandsmanagement ist somit Chefsache und nur durch regelmäßige Präsenz vor Ort zu bewältigen. Dies führt zumindest auf der obersten Ebene zu weit reichenden Konsequenzen, „denn Manager, die viel reisen, müssen delegieren!“. Bedeutung der Reisetätigkeit „Das hat sich alles verändert. Früher war es etwas Besonderes, auf Reisen zu gehen. Ich habe mal einen Mitarbeiter gefragt: ‚Kommen Sie mal mit nach Japan‘, Antwort: ‚Ich habe keinen Pass.‘ Das ist heute anders.“ „Ich bin rund 25 Wochen pro Jahr im Ausland unterwegs. Man muss 24 Stunden am Tag für das Unternehmen da sein.“ „Komme gerade von China zurück, muss heute Abend noch nach Tokio und bald wieder nach Indien.“ „Extrem globale Einstellung. Bin pro Monat 4 Tage in Deutschland, sonst weltweit, am meisten in Asien.“
Damit ist aber nur ein Teil des Problems angesprochen. Während die Delegation wichtiger Befugnisse die Reisetätigkeiten der Führungsspitze kompensieren oder zumindest auffangen kann, besteht das Überlastungsproblem des mittleren Managements weiter fort. Viele MWFs stellen in der Anfangsphase ihres Auslandsengagements keine Locals in Führungspositionen ein. Vielmehr werden Führungskräfte aus dem Stammhaus entsandt. Dies hat zur Folge, dass viele qualifizierte Mitarbeiter im Heimatland ersetzt werden müssen. Dies gelingt aber nicht in allen Fällen, denn „bei der Rekrutierung von hoch qualifizierten Entwicklungsmitarbeitern sieht man sich immer mit Schwierigkeiten konfrontiert.“ Ursachen dafür sind vor allem der relativ geringe Bekanntheitsgrad und das zumeist niedrigere Entgeltniveau im Vergleich zu Großunternehmungen (Holtbrügge/Rygl, 2002, S. 20). „Zwar besteht eine geringe Fluktuation unter den Mitarbeitern“, so drückt dies ein Befragter aus, „aber ab einem bestimmten Zeitpunkt ist es nicht mehr realisierbar, aus eigenem Potenzial heraus zu wachsen.“ Mit der Entsendung von Führungskräften sind unterschiedliche Zielsetzungen verbunden: Entsendungsziele „Wissen vom Mutterhaus weitergeben.“ „Förderung innovativer Denkansätze.“ „Gewährleistung von Unternehmensinteressen vor Ort.“ „Übertragung der Unternehmenskultur.“ „Hilfe zur Selbsthilfe.“ „Horizont der Mitarbeiter verbessern.“ „Qualitätsimage made in Germany vermitteln.“
Unterstützt wird die Delegation von Führungskräften durch einen regen Besuchsverkehr aus dem Stammhaus, so dass auch hier Ressourcen gebunden werden. Obwohl auch MWFs oft einem starken Kostendruck ausgesetzt sind, herrscht jedoch überwiegend eine andere Philosophie bezüglich der Notwendigkeit von Auslandsreisen vor, wie die Aussage eines Befragten belegt: „Wir kontrollieren die Reisekosten unserer Mitarbeiter nicht. Reisen unserer Mitarbeiter sind notwendig und zahlen sich immer aus.“
125 Die Begleiter Erfolgsfaktor Kundennähe Im Unterschied zur Going-Alone-Strategie der Eroberer zeichnen sich die Begleiter durch eine enge Kopplung ihrer Internationalisierungsstrategie an die wichtiger Kunden aus. Die Voraussetzung dafür ist eine ungebrochene Dialogbereitschaft mit den Kunden, die in nachfragegerechten Produktentwicklungen mündet, ohne die Kunden durch Technikverliebtheit abzuschrecken. Kundennähe sowie die Bereitschaft, flexibel und zeitnah auf die Bedürfnisse der Kunden zu reagieren, gilt nicht nur für das Tagesgeschäft, sondern auch für die internationalen Aktivitäten, wie ein Befragter darlegt: „Bei Auftrag oder konkretem Wunsch des Kunden gehen wir ins Ausland, weltweit.“ Die Beziehung zwischen MWFs und ihren Kunden ist durch eine wechselseitige Interdependenz geprägt. MWFs sind infolge ihrer hohen Spezialisierung auf einen engen Abnehmer- bzw. Kundenkreis fixiert. Aus dieser Konstellation resultiert eine Abhängigkeit, die jedoch auch umgekehrt besteht. Vielfach haben die Kunden sehr spezifische Anforderungen, die nur von einem sehr kleinen Kreis von Lieferanten erfüllt werden können. Die Folge davon ist ein sehr enges und häufig auch persönliches Verhältnis, das auch die jeweiligen Auslandsengagements umfasst. „Kundennähe“, so ein Befragter, „drückt sich bei uns durch eine persönliche Betreuung aus, unabhängig vom jeweiligen Standort des Kunden. Dies erfolgt zum einen über eine hohe Reisetätigkeit der Mitarbeiter, zum anderen assoziiert man bei uns mit Kundennähe auch die Beherrschung verschiedener Fremdsprachen und die Kenntnis der jeweiligen Kultur des Landes, in welchem der Kunde seinen Standort hat. Soweit möglich, steht für jedes Land ein Kundenbetreuer zur Verfügung, der die Nationalität des jeweiligen Landes besitzt.“ Internationalisierungsmuster Ähnlich wie bei der Kategorie der Eroberer ist auch bei den Begleitern die Internationalisierung weitgehend von außen durch die Kunden vorgegeben. Dies äußert sich insbesondere in der relativ unstrukturierten Wahl der Auslandsmärkte. Die Notwendigkeit, an den Standorten der wichtigsten Kunden präsent zu sein, bestimmt die Internationalisierungspfade und lässt wenig Freiraum für langfristige strategische Überlegungen. Außerhalb Europas zählen China und die USA zu den besonders wichtigen Märkten für die Begleiter. Dabei sind diese mit ähnlichen Herausforderungen wie die Eroberer konfrontiert, nämlich die Internationalisierung in räumlich weit auseinander liegenden Regionen zu bewältigen, ohne dabei an Kundennähe einzubüßen. Auffallend ist, dass die Anzahl der zu Beginn der Internationalisierung parallel bearbeiteten Märkte deutlich höher ist als bei den Eroberern. Fokussieren sich diese auf zwei bis drei Märkte, sind es bei den Begleitern gleich mehrere in den jeweils wichtigsten Regionen. So werden mit dem Eintritt in die Region Mittel- und Osteuropa (MOE) Markteintritte in Länder wie Polen, Tschechien, Ungarn oder Slowenien verbunden. In Asien findet der Markteintritt neben China insbesondere in Indonesien, Singapur und Malaysia statt. Um die notwendige Kundennähe aufrecht zu erhalten, erfolgt der Markteintritt häufig parallel in mehreren Märkten. Dies erfordert einen entsprechenden finanziellen Rückhalt, der jedoch häufig nicht vorhanden ist. Eine vergleichsweise geringe Kapitalausstattung
126 lässt die hohe internationale Präsenz deshalb häufig zu einem existenzbedrohenden Risiko werden (vgl. Haussmann, 2003, S. 107). Vor dem Hintergrund der mangelnden internationalen Erfahrung und der fehlenden Ressourcenausstattung erfolgt die Marktbearbeitung der Begleiter deshalb vorwiegend durch Kooperationen. Die Vorteile von Kooperationen sehen die Begleiter in der Ausnutzung des etablierten Vertriebssystems des lokalen Partners und im Rückgriff auf dessen spezifische Markt- und Landeskenntnisse. Das Umgehen des sehr zeitintensiven Aufbaus von geeigneten Vertriebsstrukturen und die Vermeidung langwieriger Lernprozesse über den lokalen Markt stellen somit die wichtigsten Kooperationsmotive dar: Vorteile von Kooperationen „Muss aus dem gleichen Geschäft stammen wie wir. Sollte vor Ort gut bekannt sein, also Marktzugang haben. Den Rest machen wir schon.“ „Kooperation wegen unzureichender Marktkenntnisse.“ „Marktzugang war uns wichtig.“ „Vom Partner lernen wollen.“ „Know-how des Partners.“ „In China, Joint Venture. Unumgänglich wegen Zugang zu Personal.“
Herausforderung: Wahrung der eigenen Identität Die größte Herausforderung für die Begleiter besteht in der Wahrung der eigenen Identität und Stärke in der Kooperation. Dies ist der Hauptgrund, warum Begleiter zwar vorübergehend Kooperationen eingehen, dies aber zumeist in der Absicht tun, den Einfluss des Partners langfristig zu minimieren und die Kontrolle über das gemeinsam eingegangene Vorhaben zu erlangen. Die befragten Unternehmungen äußern hierzu eindeutige Präferenzen: Stellenwert von Kooperationen für zukünftige Internationalisierungsschritte „Kooperation als erster Schritt, später Aufkauf des Partners.“ „Zukünftig ohne einheimische Partnerfirmen aktiv werden.“ „Kooperationen zukünftig nur in unbedeutenden Märkten.“ „In China nur noch alleine, wegen Know-how Abfluss.“ „Erst Joint Venture, später in 100 % Tochtergesellschaft umgewandelt. Markteintritt über Generalvertretungen, die später von Tochtergesellschaften in Kernmärkten abgelöst wurden.“
Die große Skepsis gegenüber Kooperationen ist häufig in der ausgezeichneten Marktstellung der Begleiter begründet. Der zumeist intensive Wettbewerb auf Auslandsmärkten erfordert einen hohen Schutz vor Know-how-Diffusion. Während insbesondere lokale Partner Lerneffekte aus der Partnerschaft erzielen möchten, sehen die Begleiter Kooperationen dagegen nicht als geeignete Strategie an, ihre entscheidende unternehmungskulturelle Prägung an das Gastland anzupassen. Dieses Fehlen einer inneren Verpflichtung auf Seiten der MWFs gegenüber dem Partner äußert sich in der mangelnden Bereitschaft zur Einbringung der erforderlichen Ressourcen und führt langfristig oft zum Scheitern einer Partnerschaft (vgl. Welge/Holtbrügge, 2006, S. 123). Einstellung gegenüber Kooperationen „China, berechenbar unberechenbar.“
127 „Mit JV als Kooperationsart negative Erfahrungen gemacht.“ „Zu geringe Kenntnis über das Management-Know-how des Partners.“ „Kopierproblem in China unterschätzt.“
Neben der Sorge um die Preisgabe von unternehmungsindividuellem Know-how bildet die Kundenbindung einen zweiten Hauptgrund für die Abneigung gegenüber Kooperationen in Kernmärkten. Die Begleiter fürchten, durch einen Zusammenschluss mit starken lokalen Partnern in deren Vertriebskanälen „verloren“ zu gehen. Durch die Nutzung lokaler Vertriebs- und Serviceeinrichtungen wird langfristig der einheimische Partner von dem technischen und qualitativ hochwertigen Produktimage der Begleiter profitieren. Diese negativen Spill-over-Effekte erhöhen die Abhängigkeit von dem Partner und erschweren die Etablierung einer eigenständigen Marken- und Kommunikationspolitik. Phasenbezogene Risiken Die Risiken der Eroberer basieren insbesondere auf einer falschen Einschätzung der lokalen Konkurrenz. Das Bestreben, auf wichtigen und sehr wettbewerbsintensiven Märkten aktiv zu werden, hat zur Folge, dass die lokale Konkurrenz tendenziell unterschätzt wird. Die Folge davon kann eine Wettbewerbssituation sein, in der nicht mehr die Lerneffekte im Vordergrund stehen, sondern der Gedanke, sich aus dem Markt zurückzuziehen. Dies belegt die folgende Aussage: „Zunächst versuchten wir durchzuhalten. Als die Situation langfristig unüberschaubar blieb, kam schnell der Rückzug. Wir haben die Ursachen analysiert und zukünftig auf anderen Märkten derartige Rückschläge vermieden.“ Einen zweiten Risikofaktor bildet der Wunsch der Eroberer, zu viele Lernmärkte erschließen zu wollen. Es gilt deshalb, einen Königsweg zwischen Markteintritten in lern- und umsatzstarken Märkten zu finden. Um langfristig expandieren zu können, bedarf es einer finanziellen Absicherung, die nur in Verbindung mit der rechtzeitigen Durchdringung ertragreicher Märkte erzielt werden kann. Für die Begleiter bedeutet die Internationalisierung in unmittelbare Nähe der wichtigsten Kunden zunächst zwar eine gesicherte Absatzquelle, gleichzeitig führt dies zu einer starken Abhängigkeit von den Kunden. Sollten sich diese aus den Auslandsmärkten zurückziehen, geraten die Begleiter hier in Bedrängnis. Es gilt somit, rechtzeitig parallel zu der Belieferung der wichtigsten Kunden vor Ort auch eigene Aktivitäten der Markterschließung zu unternehmen, um die einseitige Abhängigkeit zu reduzieren. Dennoch wird die Internationalisierungsstrategie stark durch die Kundenwünsche vorgegeben, wodurch dem Management nur wenig Spielraum für systematische Überlegungen bezüglich der nächsten Internationalisierungsschritte bleibt. Die Eroberer laufen somit Gefahr, ihre eigentlichen strategischen Überlegungen zugunsten der Kundennähe aufzugeben.
Phase III – Die Globalisierer Erfolgsfaktor Kontinuität Am weitesten fortgeschritten ist die Internationalisierung in der Gruppe der Globalisierer. Globalisierer sind auf den wichtigsten traditionellen Märkten in Europa, den USA und Asien präsent. Diese weltweite Präsenz führt zu der Notwendigkeit, die ursprüngliche Ni-
128 sche zugunsten einer Angebotsdiversifikation zu verlassen, um international wettbewerbsfähig zu sein. Das Diversifikationserfordernis ist das Ergebnis von drei externen Einflussfaktoren, die maßgeblich das internationale Geschehen der Globalisierer bestimmen, und zwar die Fokussierung auf einen engen Markt, die Substitution der Marktnische durch Standardprodukte und ein zu geringes Marktvolumen der Nische, um international Größenund Erfahrungskurveneffekte nutzen zu können. Die Folge davon ist ein radikaler Umdenkprozess. Wurde die internationale Präsenz bisher durch die Beherrschung der eigenen Marktnische begründet, erfordert die Diversifikationsstrategie eine völlig neue Ausrichtung der weltweiten Aktivitäten. Den Erfolgsfaktor in dieser Phase bildet deshalb die Kombination aus einer strategischen Neuorientierung der Markttätigkeit unter Wahrung der eigenen Stärken. Dabei dürfen die generischen Stärken der MWFs, nämlich Flexibilität und Innovationsstärke, nicht verloren gehen, sondern müssen kontinuierlich weiterentwickelt werden. Erforderlich ist somit ein kontinuierlicher Prozess, der den Globalisierern hilft, den neuen Herausforderungen zu begegnen, ohne dabei ihre prägenden Stärken einzubüßen. Die folgende Aussage bestätigt den Prozesscharakter der erforderlichen Veränderungen: „Eine solche Anpassung ist bei einer Struktur, wie wir sie hier haben, nur in wohl überlegten und ‚verdaubaren‘ Schritten möglich.“ Die Abhängigkeit von einem sehr eng definierten Markt ist für die Globalisierer die Folge der eigenen Unternehmungsentwicklung aus klassischen Einproduktunternehmungen. Sie birgt für die Risikostreuung erhebliche Gefahren. Zum einen existieren internationale Märkte, die weniger entwickelt sind und daher andere Kundenbedürfnisse und Produktanforderungen mit sich bringen als weiter entwickelte Märkte. Zum anderen können Märkte konjunkturellen Schwankungen unterliegen. Diese Phasen der Stagnation treffen Globalisierer in viel stärkerem Maße als Großunternehmungen, die Absatzeinbrüche bei einem Produkt unter Umständen durch den Absatz anderer Produkte partiell kompensieren können (vgl. Haussmann/Rygl, 2003, S. 9). Da MWFs aufgrund des geringen Marktvolumens die Möglichkeit fehlt, weltweit Größen- und Erfahrungskurveneffekte zu nutzen, sind die Globalisierer in einem hohen Maße durch Diversifikationsbestrebungen gekennzeichnet. MWFs erkennen bereits sehr früh die Notwendigkeit, ihren Nischenmarkt weltweit auszuweiten (vgl. Spur, 1999, S. 66). „Durch diese globale Sichtweise werden (…) auch für Mittelständler Marktnischen groß genug, um Skalen- und Erfahrungskurveneffekte zu realisieren (…)“ (Icks et al., 1997, S. 131). Dabei weist Simon (1996, S. 200) darauf hin, dass eine reine Diversifikationsstrategie für ein gesundes Unternehmungswachstum allein nicht ausreichend ist, sondern immer versucht werden sollte, dieses durch die Steigerung des Marktanteils bzw. durch regionale Ausweitung zu realisieren. Die Globalisierer versuchen deshalb ihre weltweite Präsenz weiter auszubauen, um so mögliche Größendegressionseffekte erzielen zu können. Internationalisierungsmuster Die Diversifikationsstrategie in zukünftigen Kernmärkten spiegelt sich auch im Internationalisierungsmuster der Globalisierer wider. Es werden schwerpunktmäßig Internationalisierungsschritte auf den Emerging Markets Indien, China und Russland vorgenommen. Dabei ist die Bedeutung dieser drei Märkte für alle Befragten dieser Unternehmungsgruppe sehr groß, wie die folgenden Aussagen belegen:
129 Bedeutung von Zukunftsmärkten „Zunehmende Bedeutung von China, Indien und Russland in den nächsten fünf bis zehn Jahren.“ „Große Bedeutung. Hier sind wir schon lange vertreten.“ „Für uns ist China sehr wichtig, dann Russland und dann Indien.“ „In China aktiv, Partnersuche in Russland. Indien in Recherche.“ „Die Bedeutung wächst mit zunehmendem Konsumpotenzial.“ „Sehr wichtig! Aber dahin laufen auch alle anderen Wettbewerber.“
Während sich der Markteintritt in der Phase II auf wenige Kernmärkte beschränkt, sehen sich die Globalisierer mit dem Problem konfrontiert, die wichtigsten Emerging Markets parallel erschließen zu müssen. „Früher“, so ein Befragter, „konnten wir in aller Ruhe Japan bearbeiten und dann erst den nächsten Markt angehen. Heute müssen wir in Indien und China gleichzeitig präsent sein.“ Die Notwendigkeit, diese Märkte unmittelbar nacheinander oder sogar gleichzeitig zu erschließen, stellt nicht nur aufgrund ihrer Bevölkerungszahl, sondern vor allem wegen der geographischen Ausdehnung eine besondere Herausforderung dar. Als Folge davon muss die bisherige Markteintrittsstrategie überdacht werden. Insbesondere sind häufig Kooperationen erforderlich, die MWFs in früheren Phasen zumeist abgelehnt haben. Zumeist wird mindestens eine 100%ige Tochtergesellschaft gegründet (häufig in größeren Ballungsräumen oder Industriezentern wie Shanghai, Moskau oder Bombay) und die weitere lokale Markterschließung durch Partnerschaften betrieben. Trotz der Notwendigkeit, schnell eine eigene bedeutende Präsenz in diesen Märkten aufzubauen, erfolgt die Expansion der Globalisierer fast ausschließlich durch organisches Wachstum. Auf schnelle Zukäufe wird in dieser Phase bewusst verzichtet, wie die folgende Aussage unterstreicht: „Doppelstrategie in China. Neugründung einer eigenen Niederlassung im Zentrum. Im Norden Kooperationen, da für uns zu schwer zu erschließen.“ Durch die eigene Präsenz wird die Distanz zu den Partnern minimiert und so der eigene lokale Einfluss gestärkt. Die Erkenntnis, dass die erfolgreiche Erschließung der Emerging Markets nur mit fremder Hilfe zu schaffen ist, ist zwar mit Risiken verbunden, aber es überwiegt die Meinung „dass das Risiko, nicht dabei zu sein, (…) größer (ist) als die Gefahr, an den falschen Partner zu geraten.“ Herausforderungen Die besondere Herausforderung für die Globalisierer besteht darin, eine globale Mentalität zu schaffen und dabei gleichzeitig lokale Besonderheiten zu berücksichtigen. Govindarajan/ Gupta (2002, S. 114) definieren eine globale Denkweise als „Paradigma, das Offenheit und Wachsamkeit gegenüber kultureller und marktbezogener Vielfalt mit der Neigung und Fähigkeit zur Bündelung dieser Vielfalt verbindet.“ Sie sehen darüber hinaus in der globalen Denkweise eine elementare Voraussetzung, um als Unternehmung in einer Branche führend sein zu können. Diese Sichtweise ist auch für die Globalisierer charakteristisch und drückt sich in vielerlei Gestalt aus. Philosophie der Globalisierer „Wir haben das Wir-Gefühl etabliert.“ „Die Führungssysteme sind internationaler geworden.“ „Es gibt einen erweiterten informellen internationalen Führungskreis.“
130 „Das Verständnis und die Akzeptanz für die Internationalisierung haben sich definitiv verbessert.“ „Mitarbeiter im oberen und mittleren Management werden zunehmend offener für fremde Kulturen.“
Für eine erfolgreiche Umsetzung der globalen Vision ist die Entwicklung eines zur Unternehmungskultur passenden global ausgerichteten Führungssystems notwendig. Diese Entwicklung vollzieht sich in der Phase II überwiegend unter Rückgriff auf Mitarbeiter aus dem Stammhaus, was eine uneingeschränkte Bereitschaft zur Mobilität erfordert (vgl. Paulus et al., 2000, S. 27 f.). Die Herausforderungen für die Globalisierer gehen noch darüber hinaus. Ihre zentrale Managementaufgabe besteht nicht nur darin, die in- und ausländischen Aktivitäten zentral vom Stammhaus aus zu steuern, sondern auch lokales Wissen zu erwerben und weltweit zu nutzen. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass Innovationen zunehmend dezentral zustande kommen. Die Präsenz einer Vielzahl von kulturell, politisch und wirtschaftlich sehr heterogenen Standorten stellt einerseits hohe Anforderungen an das Management im Stammhaus. So dienen Fremdsprachenkenntnisse nicht nur der eigentlichen Kommunikation mit Kunden und Mitarbeitern in anderen Ländern, sondern auch dem Verständnis anderer Kulturen. „Sie müssen Sprachen beherrschen. Fällt leicht, den Zugang zur fremden Kultur zu finden. Man muss mit dem Mann am Fließband sprechen können“ (vgl. Haussmann/Rygl, 2003, S. 15). Zur Absorption lokalen Wissens werden andererseits in wichtigen ausländischen Märkten vermehrt erfahrene lokale Führungskräfte in der Führung ausländischer Niederlassungen eingesetzt. Um diese dauerhaft an die Unternehmung zu binden, müssen sich MWFs immer wieder als attraktive Arbeitgeber profilieren (vgl. Simon et al., 2002, S. 17 f.). Im Vergleich zu Großunternehmungen werden dazu etwa mehr verantwortungsvolle Aufgaben an die im Ausland tätigen Führungskräfte delegiert und die Verwirklichung individueller Ideen ermöglicht. So entstehen langfristige emotionale und fachliche Bindungen an die Aufgaben und die Unternehmung (vgl. Stelzer, 2003, S. 24). Daneben werden im operativen Bereich zunehmend Interkulturelle Teams etabliert. Der dadurch bewirkte tägliche Umgang mit kultureller Vielfalt soll die globale Mentalität fördern und kreative Problemlösungen bewirken. Merkmale der globalen Mentalität „Integration ausländischer Manager in strategische Entscheidungsfindung.“ „Internationales Board of Management.“ „Führungsnachwuchs sind bei uns verstärkt Ausländer.“ „Auch ortsansässiges Personal muss einbezogen werden.“ „Wir suchen die besten Mitarbeiter weltweit.“
Risiken Die spezifischen Risiken der Globalisierer bestehen einerseits in der zunehmenden Heterogenität der bearbeiteten Märkte und andererseits in der effizienten Koordination der weltweiten Aktivitäten. Insbesondere das Engagement in den Emerging Markets stellt die MWFs vor neue Risiken. So ist etwa ihr Bekanntheitsgrad in diesen Ländern zumeist sehr gering, so dass etwa in China, Indien oder Russland relativ schnell eine kritische Unter-
131 nehmungsgröße erreicht werden muss, um auf diesen Märkten sichtbar zu sein und deren spezifische Vorteile nutzen zu können. Ein schrittweiser Markteintritt ist deshalb zumeist nicht möglich. Nicht zuletzt unterscheiden sich die Emerging Markets von den bislang von MWFs überwiegend bedienten Märkten in Europa und den USA durch eine weitaus größere kulturelle Distanz, die die Kommunikation und das Verständnis der Marktbedingungen erheblich erschwert. „Selbst in Shanghai“, so ein Befragter, „kann man nicht einfach mal kurz (ohne Dolmetscher) mit seinen Mitarbeitern reden, gehen sie erstmal ins Landesinnere.“ Die Tätigkeit in zahlreichen wirtschaftlich, politisch und kulturell heterogenen Märkten führt zudem zu einem hohen Koordinationsbedarf. Großunternehmungen richten zur Koordination ihrer ausländischen Unternehmungseinheiten zumeist zentrale Stabsstellen ein und übertragen Kompetenzen an die ausländischen Tochtergesellschaften. Damit geht jedoch die Gefahr der Bürokratisierung einher. MWFs, die diesem Beispiel folgen, würden damit einen ihrer zentralen Wettbewerbsvorteile, Flexibilität, verlieren. Die Mehrheit der betrachteten Globalisierer in unserer Studie ist sich dieser Gefahr bewusst und greift deshalb vor allem auf personenorientierte Koordinationsinstrumente zurück, wie das folgende Zitat belegt: „Wir wachsen und werden professioneller. Sehr viel Projektmanagement ohne Hierarchie. Nicht zu konzernhaft, nicht zu bürokratisch, ständig wechselnde themenbezogene Taskforces. Keine Fürstentümer; keine Stäbe.“
5
Zusammenfassung und Implikationen
Das primäre Ziel dieser Studie bestand darin, die Erfolgsfaktoren von MWFs zu identifizieren. Es zeigte sich, dass diese in einem hohen Maße von der jeweiligen Phase im Internationalisierungsprozess abhängen. Während in der ersten Phase der Regionalisierung die Technologieführerschaft im Vordergrund steht, zeichnen sich MWFs in der zweiten Phase durch eine besonders ausgeprägte Wettbewerbs- und Kundennähe aus. Die dritte Phase der Globalisierung ist insbesondere durch die hohe Kontinuität geprägt, die es MWFs ermöglicht, die gestiegenen und strukturell andersartigen Herausforderungen zu bewältigen, ohne ihre Identität aufzugeben. Jede Internationalisierungsphase ist mit spezifischen Risiken verbunden. Während diese für die Visionäre noch weitgehend überschaubar und durch entsprechende Strategien des Auslandsmarkteintritts kontrollierbar sind, werden die Risiken im weiteren Verlauf des Internationalisierungsprozesses immer größer. Gleichzeitig nimmt der Entscheidungs- und Handlungsspielraum ab. Eine besondere Herausforderung stellen dabei die knappen finanziellen und personellen Ressourcen dar, aufgrund derer im Unterschied zu Großunternehmungen zumeist die Möglichkeit fehlt, Fehlschläge in einzelnen Auslandsmärkten durch interne Subventionen auszugleichen. Die größten zukünftigen Herausforderungen für MWFs liegen in der nachhaltigen Etablierung auf den neuen Wachstumsmärkten. Dabei gewinnen neben den aufgezeigten Eigenschaften vor allem interkulturelle Kompetenzen immer mehr an Bedeutung, ohne die ein schneller und erfolgreicher Markteintritt kaum möglich ist. Eine erfolgreiche Tätigkeit in China, Indien und Russland wird in Zukunft oft unerlässlich, um die Position als Weltmarktführer nicht zu verlieren. Da immer mehr Unternehmungen aus diesen Ländern auch in Deutschland tätig werden, bedeutet ein Verlust dieser Position nicht nur den Verzicht auf einzelne lukrative Auslandsmärkte. Vielmehr besteht die Gefahr, dass MWFs auch in
132 Deutschland zunehmend mit ausländischen Konkurrenten konfrontiert sein werden, deren Firmennamen man heute vielfach noch gar nicht kennt. Ein Engagement in den Emerging Markets unterscheidet sich fundamental von der Tätigkeit in der EU oder den USA. Diese Märkte sind nicht nur größer und wachstumsstärker, sondern auch kulturell und geographisch weiter entfernt sowie durch grundlegend andere Rechts-, Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme geprägt. Die in anderen Ländern gemachten Erfahrungen können deshalb nicht einfach übertragen werden, sondern es müssen neue Strategien entwickelt werden. Diese Herausforderung ist paradoxerweise umso größer, je erfolgreicher die Internationalisierung in der Vergangenheit war. Erschwert wird eine erfolgreiche Tätigkeit in diesen Märkten dadurch, dass vielfach noch keine verlässlichen Informationen vorliegen und viele Bereiche einem schnellen Wandel unterliegen. Dies gilt für die Bewertung von Unternehmungen genauso wie für die Konsumgewohnheiten oder das Personalmanagement. Die Folge davon sind vielfach Fehlentscheidungen, die vor allem bei kleineren MWFs zu einer existenzbedrohenden Gefahr werden können. Eine zentrale Frage dieser Studie ist, inwieweit die Erkenntnisse über MWFs für mittelständische Unternehmungen allgemein relevant und auf diese übertragbar sind. Grundsätzlich können die Internationalisierungserfolge von MWFs eine Vorbildfunktion für andere Unternehmungen haben, wobei weniger die konkrete Vorgehensweise als vielmehr die jeweiligen Entscheidungskriterien wichtige Anregungen bieten. Dies gilt insbesondere für den Zeitpunkt, die Auswahl von Zielregionen sowie die Form der Internationalisierung. Als Ziele für erste internationale Aktivitäten bieten sich grenznahe Regionen an. Hier sind die kulturelle und räumliche Distanz überschaubar und einfacher handhabbar. Positiv wirkt sich auch ein schrittweises Vorgehen aus. Dadurch können zunächst Erfahrungen gesammelt und Rückschläge besser verkraftet werden. Dabei sollten auch Kooperationen nicht grundsätzlich abgelehnt werden. Diese bieten häufig einen schnelleren und einfacheren Zugang zu neuen Märkten, wenn die Kernkompetenzen geschützt werden und sichergestellt wird, dass kein ungewollter Know-how-Abfluss erfolgt. Eine sehr wichtige Implikation für die Internationalisierung von KMUs ist die Berücksichtigung eines zentralen Ergebnisses der Studie, wonach MWFs nur dann auf ausländischen Märkten erfolgreich sind, wenn sie zunächst ihre Fähigkeiten auf dem heimischen Markt bewiesen haben. Erst nachdem die Position auf dem deutschen Markt gesichert ist, lassen sich ausländische Märkte erfolgreich erschließen. Die Internationalisierung ist somit kein geeignetes Mittel, um Misserfolge im Heimatland auszugleichen.
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135
Julia Ingwald, Katja Wiedemann, Hartmut H. Holzmüller, Dirk Holtbrügge, Anne Scherer und Florian von Wangenheim
Das 3K-Projekt – Empirische Analysen der Konfiguration, Koordination und Kundenintegration von internationalen Dienstleistungsunternehmen: Darstellung des Forschungsplans und erster Forschungsergebnisse
1
Problemstellung und Zielsetzung des BMBF-Projekts „3K – Globale Strategien von Dienstleistungsunternehmen. Konfiguration. Koordination. Kundenintegration“
2
Theoretisch-konzeptioneller Hintergrund 2.1 Konfiguration 2.2 Koordination 2.3 Kundenintegration
3
Der 3K-Forschungsplan 3.1 AP1: Entwicklung eines dienstleistungsorientierten Wertkette-Konzepts 3.2 AP 2: Explorative Untersuchung der Konfiguration, Koordination und Kundenintegration internationaler Dienstleistungsunternehmen 3.3 AP 3: Identifikation von Typen und Erfolgsfaktoren international tätiger Dienstleistungsunternehmen 3.4 AP 4: Implementierung und Evaluation
4
Erste Forschungsergebnisse 4.1 Konzipierung einer dienstleistungsspezifischen Wertkette 4.2 Länderübergreifende Konfiguration der Wertaktivitäten von Fluggesellschaften 4.3 Länderübergreifende Koordination in einem mittelständischen Dienstleistungsunternehmen 4.4 Entwicklung eines interkulturellen Modells der Kundenintegrationsbereitschaft
5
Resümee und Ausblick
Literatur
137 1 Problemstellung und Zielsetzung des BMBF-Projekts „3K – Globale Strategien von Dienstleistungsunternehmen. Konfiguration. Koordination. Kundenintegration“ Das mit Mitteln des BMBF geförderte empirische Projektvorhaben 3K ist auf die Analyse der Konfiguration, Koordination und Kundenintegration von internationalen Dienstleistungsunternehmen ausgerichtet. Es sollen vertiefte Erkenntnisse über die Gestaltungspraktiken, entsprechende Rahmenbedingungen und Erfolgswirkungen der 3Ks generiert werden. Das Forschungsvorhaben 3K wird als Verbundprojekt von den Lehrstühlen für Internationales Management an der Universität Erlangen-Nürnberg, Marketing an der TU Dortmund sowie Dienstleistungs- und Technologiemarketing an der TU München in enger Kooperation mit mehreren Praxispartnern aus dem Dienstleistungsbereich durchgeführt. Zielsetzung dieses Beitrags ist eine zweifache. Zum Ersten soll hier dargestellt werden, wie der Forschungsplan dieses umfangreichen und anwendungsbezogenen Forschungsvorhabens gestaltet ist. Damit hoffen wir, einen Beitrag zur Professionalisierung in der Auseinandersetzung mit der Forschungsplanung in der internationalen Managementdisziplin zu leisten. Dies erscheint uns notwendig, da empirische sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden in diesem Bereich noch immer vergleichsweise selten eingesetzt werden und der anwendungsbezogenen Grundlagenforschung traditionell wenig Raum gewidmet wird. Zum Zweiten erlaubt die Auseinandersetzung mit der Forschungsplanung auch eine Beschäftigung mit dem Forschungsfeld bzw. den interessierenden substanziellen Ausgangsfragen. In jüngster Zeit ist eine starke Zunahme ausländischer Direktinvestitionen von Dienstleistungsunternehmen zu beobachten. Nach dem World Investment Report im Jahre 2006 ist deren Bestand zwischen 1999 und 2006 von 1.865 Mrd. USD auf 8.173 Mrd. USD angewachsen. Gleichzeitig stieg der Anteil der Dienstleistungen am Gesamtbestand der weltweit getätigten Direktinvestitionen von 54,5 % auf 61,7 % an (UNCTAD, 2008, S. 208). Obwohl Direktinvestitionen von Dienstleistungsunternehmen an Bedeutung gewinnen, sind deren internationale Geschäftsaktivitäten bislang kaum erforscht. Die wenigen vorliegenden Studien zur Internationalisierung von Dienstleistungsanbietern sind überwiegend auf den Export von Dienstleistungen in bestimmte Länder begrenzt und vernachlässigen weitgehend länderübergreifende Aspekte der Unternehmensführung (vgl. z.B. Bufka, 1997; Dunning/Kundu, 1995; Ekeledo/Sivakumar, 1998). Im Unterschied zum Export gilt es bei Dienstleistungsunternehmen, die mit Tochtergesellschaften in verschiedenen Ländern tätig sind, nicht nur spezifische Strategien für die einzelnen Auslandsmärkte zu entwickeln, sondern ihre in- und ausländischen Engagements auch in eine globale Unternehmensstrategie zu integrieren, um dadurch länderübergreifende Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Dabei sind sie mit zwei teilweise gegenläufigen Anforderungen konfrontiert, nämlich einerseits der Erzielung von Kostendegressionsvorteilen durch weltweite Standardisierung und andererseits der Anpassung an nationale Kundengewohnheiten, Kostenstrukturen und Mitarbeitererwartungen. Die gleichzeitige Ausschöpfung beider Quellen für Wettbewerbsvorteile baut vor allem auf drei Gestaltungsfeldern auf (Welge/Holtbrügge, 2003, S. 128 ff.): die länderübergreifende Konfiguration von Wertaktivitäten, deren unternehmensinterne Koordination sowie die Art und Weise der Kundenintegration.
138
Während bei produzierenden Unternehmen eine beachtenswerte Anzahl von Studien zur länderübergreifenden Konfiguration, Koordination bzw. Kundenintegration vorliegt (Bhatnagar et al., 1993; Kogut/Kulatilaka, 1994; Kotabe, 1998; Mendez, 2003; Persaud et al., 2002; Vorhies/Morgan, 2003; Zou/Cavusgil, 2002), wurden diese drei Gestaltungsfelder für Dienstleistungsunternehmen bislang nur in singulären Beispielen und mit Fokussierung auf ein bzw. zwei der genannten Gestaltungsfelder untersucht (vgl. z.B. Bufka, 1998; Gouthier, 2003; Gouthier/Schmid, 2003; Kutschker/Mößlang, 1996). Diese Studien zeigen deutlich, dass Dienstleistungsunternehmen die drei Gestaltungsfelder in höchst unterschiedlicher Weise zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen nutzen. Beispielsweise zeichnet sich McDonald’s durch eine hohe Standardisierung der internationalen Aktivitäten und durch die räumliche Nähe zum Kunden aus. Die Unternehmenskultur fungiert stark als Koordinationsinstrument (Pater, 2000). Dagegen verfolgt das Tourismusunternehmen TUI eine vollkommen andere globale Strategie. Neben einem geringen internationalen Standardisierungsgrad ist TUI auch durch eine lose Beziehung zum Kunden in der Dienstleistungserstellung gekennzeichnet. Die Koordination erfolgt in hohem Maße mittels elektronischer Kommunikationsmedien (Macharzina/Fisch, 2002). Die Tatsache, dass noch keine umfassenden Untersuchungen dieser drei Gestaltungsfelder in Dienstleistungsunternehmen realisiert wurden, ist angesichts der zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors und des Anstiegs international getätigter Direktinvestitionen bemerkenswert. Daher erscheint eine umfassende Auseinandersetzung mit diesen betriebswirtschaftlichen Gestaltungsfeldern, den determinierenden Faktoren sowie den daraus resultierenden Wettbewerbsvorteilen aus wissenschaftlicher wie praktischer Sichtweise überaus wünschenswert (vgl. Abb. 1). Abbildung 1:
Forschungslogik des 3K-Projekts
Bedingungen • Art der Dienstleistung • Wettbewerbs-
Gestaltungsfelder
Erfolg
Konfiguration …
intensität • Kunden • Größe
Koordination …
nachhaltige Wettbewerbsvorteile
• Alter • Kultur • …
Kundenintegration …
Im Folgenden wird für die drei Gestaltungsfelder – Konfiguration, Koordination und Kundenintegration – sowie deren gegenseitigen Bezug in international tätigen Dienstleistungsunternehmen der theoretisch-konzeptionelle Hintergrund skizziert. Daran knüpfen die Be-
139 schreibung des grundsätzlichen Forschungsplans des 3K-Projekts und der Bericht über erste Forschungsergebnisse aus der Projektbearbeitung an.
2
Theoretisch-konzeptioneller Hintergrund
Zur Untersuchung der Konfiguration, Koordination und Kundenintegration internationaler Dienstleistungsunternehmen wird der phasenbezogene Dienstleistungsbegriff zugrunde gelegt. „Basierend auf einer phasenbezogenen Betrachtung des gesamten Wertschöpfungsprozesses wird eine Dienstleistung aus einer Kombination der drei Leistungsphasen – der Potenzial-, Prozess- und der Ergebnisphase – mit den darin jeweils für konstitutiv erachteten Merkmalen“ verstanden (Frehse, 2002, S. 31). In Anlehnung an diesen phasenbezogenen Dienstleistungsbegriff ist die Erstellung von internationalen Dienstleistungen durch die folgenden drei Merkmale gekennzeichnet, aus denen typische Managementaufgaben resultieren: die Standardisierung der eingesetzten Potenzialfaktoren, Synchronität von Leistungserbringung und -inanspruchnahme sowie Einbeziehung eines externen Faktors (Holtbrügge et al., 2004, S. 167). Legt man dies zugrunde, so wird deutlich, dass sich die Wertschöpfung internationaler Dienstleistungsunternehmen wesentlich von der Wertschöpfungskette produzierender Unternehmen unterscheidet, was sich wiederum auf die Konfiguration, Koordination und Kundenintegration auswirkt.
2.1 Konfiguration Die Grundlage der länderübergreifenden Konfiguration von Wertaktivitäten bildet die Entscheidung, wie ein Dienstleister seine Aktivitäten grenzüberschreitend auf verschiedene Standorte verteilen soll. International tätigen Unternehmen stehen für die internationale Konfiguration ihrer Wertaktivitäten zwei idealtypische Gestaltungsalternativen zur Verfügung, und zwar einerseits die vollständige Konzentration und andererseits die geographische Streuung der Wertaktivitäten (vgl. Abb. 2). Konzentration bedeutet, dass eine bestimmte Aktivität wie etwa die Angebotsplanung an einem einzigen Standort ausgeführt wird, während diese bei einer vollständigen Streuung an jedem Standort unabhängig erfolgt. Die Vorteilhaftigkeit der jeweiligen Alternativen hängt zum einen von der Stellung der jeweiligen Wertaktivität in der Wertkette ab (Porter, 1989). Während nachgelagerte, also stärker kundenbezogene Wertaktivitäten, wie z.B. Marketing und Vertrieb, überwiegend in geographischer Nähe zu den wichtigsten Kunden angesiedelt und damit stärker gestreut sind, werden vorgelagerte und unterstützende Wertaktivitäten, wie z.B. Forschung & Entwicklung sowie Beschaffung, zumeist stärker regional konzentriert. Dies gilt vor allem für Branchen, in denen die technologische Entwicklung und die operativen Prozesse von großer Bedeutung zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen sind. Des Weiteren spielen Skaleneffekte bzw. komparative Kosten- und Koordinationsvorteile eine große Rolle bei der Entscheidungsfindung zwischen geographischer Konzentration und Streuung. Die Erzielung von Größendegressionseffekten bestimmt die Anzahl der Standorte, an denen bestimmte Wertaktivitäten angesiedelt werden. Die geographische Lage dieser Standorte, d.h. die Marktwahl, hängt dagegen vor allem von der Höhe potenzieller Kosten- und Koordinationsvorteile ab.
140
Abbildung 2:
Idealtypische Gestaltungsalternativen der Konfiguration von Wertaktivitäten multinationaler Unternehmungen
Wie Abb. 2 weiterhin zeigt, ist bei der geographischen Streuung die Frage zu klären, wie die einzelnen Wertaktivitäten sowie die innerhalb einer Wertaktivität ablaufenden Prozesse konfiguriert werden sollen. Beispielsweise sollte entschieden werden, ob die Beschaffung an einem oder mehreren Standorten erfolgen soll und ob bei einem mehrstufigen Beschaffungsprozess alle Beschaffungsstufen in einer Tochtergesellschaft angesiedelt oder diese auf mehrere Tochtergesellschaften verteilt werden sollen. Die Erzielung von Größendegressionsvorteilen, Lernkurveneffekten und Koordinationsvorteilen sprechen für eine Konzentration der Aktivitäten an einem Standort. Durch eine parallele oder integrierte Konfiguration hingegen kann ein Unternehmen länderspezifische Risiken reduzieren und komparative Vorteile nutzen. Der an den länderspezifischen Bedingungen ausgerichteten Konfiguration von Wertaktivitäten steht eine hohe Komplexität gegenüber, die einen erhöhten grenzüberschreitenden Koordinationsbedarf bedingt.
2.2 Koordination Generell ist davon auszugehen, dass die Aufgabenfelder der internationalen Koordination in Dienstleistungsunternehmen große Ähnlichkeit mit Unternehmen aufweisen, die materielle Güter herstellen und vermarkten. Dennoch ergeben sich aus gutstheoretischen Überlegungen (von Wangenheim/Holzmüller, 2005) unterschiedliche Herausforderungen im Kontext von Dienstleistungen (Larsson/Bowen, 1989).
141 Dienstleister, die in mehreren Ländern mit unterschiedlichen Aktivitäten vertreten sind, müssen die Frage beantworten, „how activities performed in different countries are coordinated with each other“ (Porter, 1986, S. 17). Koordination bezeichnet im internationalen Management die wechselseitige Abstimmung zwischen den einzelnen Einheiten eines internationalen Unternehmens (Kutschker/Schmid, 2008, S. 1013). Sie hat zum Ziel, das Verhalten der Auslandseinheiten so zu beeinflussen, dass ein gesamtstrategiekonformes Handeln gewährleistet ist. Dabei variiert Koordination von „low – where each functional activity in different country sites is performed independent of all other sites, to high – where functional activities are tightly linked or integrated across geographical locations“ (Roth, 1992, S. 536). Die Integration der Unternehmenseinheiten wird durch den Einsatz von Koordinationsinstrumenten bzw. -mechanismen umgesetzt. Koordinationsmechanismen sind administrative Hilfsmittel, die eingesetzt werden, um die unterschiedlichen Unternehmenseinheiten auf ein übergeordnetes Ziel hin abzustimmen (Martinez/Jarillo, 1989, S. 491). Theoretische und empirische Arbeiten zu Koordinationsmechanismen existieren in der Literatur in einer großen Vielzahl (vgl. Wolf, 1994). Problematisch ist dabei, dass sich die Arbeiten auf unterschiedliche Spektren von Koordinationsmechanismen beziehen. Typischerweise ist die zentrale Zielsetzung im Rahmen der internationalen Koordination die Nutzung von Größeneffekten (Economies of Scale) entlang der betrieblichen Wertschöpfungskette unter gleichzeitiger Beachtung einer hohen Entsprechung der Unternehmensaktivitäten für die jeweiligen nationalen Bedingungsrahmen. Da Dienstleistungen in der Regel stärker kulturgebunden sind als die Mehrzahl materieller Güter, ergibt sich spezifisch für das Dienstleistungsmanagement ein höherer nationaler Anpassungsdruck. Die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch Größeneffekte wird dadurch erschwert (Zeithaml et al., 1990; Schneider/Bowen, 1995; Heskett et al., 1999). Eine weitere typische Zielsetzung stellt darauf ab, dass Synergieeffekte zwischen den einzelnen bearbeiteten Märkten genutzt werden. Auch in diesem Fall ist naheliegend anzunehmen, dass sich aufgrund der stärkeren Kundennähe des Dienstleistungsgeschäfts grenzüberschreitende Lern-, Ergänzungs- und Unterstützungsprozesse schwieriger realisieren lassen als in Produktionsgüterunternehmen. Ähnliches gilt auch für die bereits implizit angesprochenen Zielinhalte der internationalen Qualitätssicherung und Kapazitätsnutzung. In beiden Fällen wird aufgrund der größeren Exponiertheit der Dienstleistungsvermarktung und -erstellung gegenüber dem jeweiligen Bedingungsrahmen vor Ort die internationale Koordination nur unter größerem Aufwand eine Zielerreichung ermöglichen. Bezüglich der Basisstrategien der internationalen Koordination, nämlich Standardisierung vs. Differenzierung und Zentralisation vs. Dezentralisation, kann im Dienstleistungsbereich davon ausgegangen werden, dass der Heterogenität und Eigenständigkeit mehr Bedeutung zukommt als im Management von Unternehmen, die materielle Marktangebote erstellen. Standardisierungsstrategien, die auf die konkrete Leistungserstellung zielen, werden aufgrund der Personalintensität des Dienstleistungssektors tendenziell weniger zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen und Steigerung von Produktivität beitragen, als dies im Produktbereich der Fall ist (Zeithaml et al., 1985; Wolf, 1994). Die Standardisierung von Prozessen hinter der „Line of Visibility“ ist hingegen im Dienstleistungsbereich als ähnlich effektiv einzustufen (Harvey, 1998). In Bezug auf den Grad der Zentralisation kann unter Berücksichtigung der bereits angesprochenen gutstheoretischen Merkmale von Dienstleistungen davon ausgegangen werden, dass eine stärkere organisationale Tendenz weg vom Zentrum besteht (vgl. Morschett, 2007). Typischerweise findet sich das bedeut-
142 samere implizite Know-how (Tacit Knowledge) zur Erstellung von kundenorientierten Diensten eher an der Peripherie und nicht im Zentrum von internationalen Dienstleistungsanbietern. Für die Stammhausperspektive bedeutet dies, dass heterarchische Managementund Führungsstrukturen und damit stärker zwischen Niederlassung und Stammhaus balancierte Koordinationsstrategien den Erfordernissen des Geschäftstypus besser entsprechen.
2.3 Kundenintegration Das dritte Gestaltungsfeld ist die Integration des Kunden in den Leistungserstellungsprozess. Kundenintegration kann hinsichtlich Eingriffsintensität und -tiefe des Kunden in die unternehmerische Wertschöpfung unterschieden werden. Unter Eingriffsintensität werden die Anzahl der integrativen Prozesse sowie Art und Umfang der Einflussnahme des Kunden subsumiert. Sie variiert dementsprechend in Abhängigkeit des Aktivitätsgrades von Kunde und Anbieter. Per Definition ist dabei immer eine gewisse Beteiligung beider Seiten Grundvoraussetzung für eine Kundenintegration. Wird die Aktivität also vollständig auf den Anbieter verlagert, handelt es sich um eine autonome Leistungserstellung des Anbieters im traditionellen Sinne. Wird die Aktivität hingegen vollständig auf den Kunden verlagert, wird der Anbieter nicht mehr in den unternehmerischen Wertschöpfungsprozess integriert. Im letzten Fall übernimmt der Kunde die Rolle des so genannten Prosumers (Büttgen, 2007). Abbildung 3:
Arten der Kundenintegration
Kundenintegration Kunde als Co-Produzent
Kunde als (Co-)Innovator
Innovation
Wert Wert
… … … obligatorisch
fakultativ EffizienzSteigerung
EffektivitätsSteigerung
Abhängig von der Eingriffstiefe, d.h. der (den) Wertschöpfungsstufe(n), auf welcher bzw. welchen eine Integration des Kunden erfolgt, kann der Kunde die Rolle des (Co-)Innovators
143 oder des Co-Produzenten einnehmen (vgl. Abb. 3). Im Rahmen der Co-Innovation findet eine Kundenintegration zu Beginn der Wertschöpfungskette statt. Der Kunde ist dabei aktiv in den Innovationsprozess des Unternehmens integriert und trägt zur Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen sowie zu Prozessverbesserungen entlang der Wertschöpfungskette bei. Als Co-Produzent hingegen bringt sich der Kunde aktiv in den Leistungserstellungsprozess einer bereits bestehenden Wertschöpfungskette ein. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Value Co-Creation. Immer mehr Dienstleistungsunternehmen nutzen die Möglichkeit einer verstärkten Kundenintegration, um zum einen ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und zum anderen dem Kunden damit günstige und flexible, aber dennoch kundenindividuelle Leistungen anzubieten. Der Kunde wandelt sich damit vom reinen Wertschöpfungsempfänger zum Wertschöpfungspartner oder auch Co-Produzenten. Dieser Wandel stellt Unternehmen vor eine neue Herausforderung. Während Unternehmen in der Vergangenheit allein auf eine Optimierung unternehmensinterner Prozesse ausgerichtet waren, muss nun der Kunde als externer Faktor verstärkt in die Betrachtung mit einbezogen werden. Die Konfiguration der Wertschöpfungsaktivitäten muss so die Relevanz des Kunden im Leistungserstellungsprozess berücksichtigen und interne wie externe Ressourcen des Unternehmens gekonnt kombinieren. Zudem müssen Kundenbeiträge geeignet koordiniert werden, damit die Qualität der Inputs gewährleistet werden kann. Dies ist durchaus bedeutsam, da die aktive Leistungsübernahme der Kunden einen beachtlichen Beitrag zur Qualität des Ergebnisses leistet.
3
Der 3K-Forschungsplan
Das Projektvorhaben ist in fünf zentrale Arbeitspakete gegliedert. Im Einzelnen wird in Arbeitspaket 1 (kurz: AP) ein dienstleistungsorientiertes Wertketten-Konzept entwickelt. In AP 2 erfolgt eine explorative Untersuchung der länderübergreifenden Konfiguration, Koordination und Kundenintegration internationaler Dienstleistungsunternehmen. Typen und Erfolgsfaktoren international tätiger Dienstleistungsunternehmen werden in AP 3 identifiziert. Die Erkenntnisse aus AP 2 und AP 3 werden im AP 4 bei den Praxispartnern implementiert und Pilotanwendungen durchgeführt. Der Transfer des in AP 1 bis AP 4 erstellten Outputs ist Gegenstand von AP 5. Im Folgenden werden die fünf Arbeitspakete knapp beschrieben.
3.1 AP1: Entwicklung eines dienstleistungsorientierten Wertketten-Konzepts Zu Beginn des Projekts werden dienstleistungsspezifische Merkmale primärer und unterstützender Aktivitäten im für Industrieunternehmen entwickelten Wertketten-Konzept von Porter (1989) systematisch identifiziert und entsprechend modifiziert. Die daraus resultierenden Erkenntnisse bilden zugleich die Basis für sämtliche weitere Arbeitspakete sowie erste verwertbare Ergebnisse zum Transfer in die betriebliche Praxis. Der Prozess der Wertschöpfung internationaler Dienstleistungsunternehmen unterscheidet sich wesentlich von dem produzierender Unternehmen. Aufbauend auf enumerativen Definitionen, Negativdefinitionen und merkmalsbezogenen Ansätzen zur Abgrenzung
144 des Dienstleistungsbegriffs werden im Rahmen des AP 1.1 daher zunächst charakteristische Merkmale von Dienstleistungen identifiziert. Das von Porter (1989) ursprünglich für Industrieunternehmen entwickelte Konzept der Wertkette wird unter Rückgriff auf diese Merkmale modifiziert und an die spezifischen Anforderungen internationaler Dienstleistungsunternehmen angepasst. Im AP 1.2 soll dann vor dem Hintergrund der dienstleistungsspezifischen Charakteristika überprüft werden, ob die bestehenden Aktivitäten ausreichen, um den Wertschöpfungsprozess international tätiger Dienstleistungsunternehmen abzubilden oder ob weitere Aktivitäten in das Wertschöpfungsmodell Porters aufgenommen werden müssen. Die Erkenntnisse der Fachgespräche mit den Praxispartnern sollen dabei ebenso berücksichtigt werden wie theoretische Überlegungen. Nachdem die primären und unterstützenden Aktivitäten für Dienstleistungsunternehmen modifiziert (AP 1.1) und erweitert (AP 1.2) wurden, gilt es, die Stellung der einzelnen Wertaktivitäten innerhalb der Wertkette kritisch zu hinterfragen. Anders als die Produkte von Industrieunternehmen umfassen Dienstleistungen – basierend auf einer phasenbezogenen Betrachtung des gesamten Wertschöpfungsprozesses – eine Kombination der drei Leistungsphasen Potenzial-, Prozess- und Ergebnisphase. Die Auswirkung dieses Unterschieds auf die Stellung der einzelnen Aktivitäten innerhalb der Wertkette ist Gegenstand des AP 1.3. Um die Praxistauglichkeit der zuvor erarbeiteten und für Dienstleistungsunternehmen modifizierten und erweiterten Wertkette zu untermauern, werden im AP 1.4 Fallstudien erarbeitet, welche die Eignung des abgewandelten Wertschöpfungskonzepts illustrieren. Die Fallstudien sollen in enger Zusammenarbeit mit den Praxispartnern erstellt werden. Die vollständige Eignung der modifizierten und erweiterten Wertkette ist von besonderer Bedeutung, da die folgenden Arbeitspakete auf das neue Konzept aufbauen.
3.2 AP 2: Explorative Untersuchung der Konfiguration, Koordination und Kundenintegration internationaler Dienstleistungsunternehmen Basierend auf dem modifizierten Wertketten-Konzept für Dienstleistungsunternehmen werden empirische Untersuchungen im Hinblick auf die Konfiguration, Koordination und Kundenintegration international agierender Dienstleistungsunternehmen durchgeführt. Das Ziel dieser qualitativen Untersuchungen besteht darin, eine Wirkungsevaluation von real existenten Lösungen in den 3Ks auf Erfolgsgrößen von internationalen Dienstleistungsunternehmen durchzuführen, die spezifischen Einflussfaktoren auf diese drei Gestaltungsfelder explorativ zu identifizieren und entsprechende Hypothesen über die Zusammenhänge zwischen den 3Ks abzuleiten. Dabei wird auf qualitative Forschungsmethoden zurückgegriffen, da diesen eine besondere Eignung hinsichtlich der Exploration weitgehend unbekannter Zusammenhänge und einer daraus resultierenden Hypothesengenerierung zugesprochen wird. Das im AP 2.1 entwickelte Forschungsdesign bildet die Grundlage für die methodische Vorgehensweise der Untersuchung und damit letztlich für die Forschungsresultate. Die Durchführung der qualitativen Untersuchung im Rahmen des AP 2.2 erfolgt mittels Interviews mit Führungskräften, Kundenkontaktmitarbeitern und Kunden und dient der Evaluation der Wirkung der Konfiguration, Koordination und Kundenintegration auf den Markterfolg von internationalen Dienstleistungsunternehmen. Die gewonnenen Daten werden mit Hilfe verschiedener Verfahren der Textanalyse ausgewertet (AP 2.3). Im AP 2.4
145 werden dann auf Basis des im AP 1 modifizierten Wertketten-Konzepts für Dienstleistungsunternehmen und den Erkenntnissen der darauf aufbauenden qualitativen Untersuchung theoretisch fundierte, objektbezogene Problemlandschaften sowie Best/GoodPractice-Lösungen bezüglich der 3Ks erarbeitet. Auf Basis aller gewonnenen Erkenntnisse wird dann im AP 2.5 ein dem Forschungsziel angemessenes Untersuchungsdesign für die geplante quantitative Studie entwickelt. Parallel hierzu erfolgt die Ableitung der Forschungshypothesen im Hinblick auf die nomologische Einbindung der 3Ks in internationalen Dienstleistungsunternehmen.
3.3 AP 3: Identifikation von Typen und Erfolgsfaktoren international tätiger Dienstleistungsunternehmen Die im AP 2 gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich Best/Good-Practice-Lösungen bilden die Grundlage der im AP 3 vorgesehenen quantitativen Untersuchungen. Mit diesen werden mehrere Ziele verfolgt. Zum einen sollen Kombinationen von Konfigurations-, Koordinations- und Kundenintegrationsstrategien bei international tätigen Dienstleistungsunternehmen empirisch identifiziert werden. Hiermit eng verknüpft ist zweitens die Frage, unter welchen externen und internen Bedingungen Unternehmen welche 3K-Strategien wählen. Schließlich ist drittens von besonderem Interesse, welche Erfolgswirkungen mit der Wahl dieser Strategien verbunden sind bzw. unter welchen umwelt- und unternehmensinternen Bedingungen welche Strategie am erfolgversprechendsten ist. Das AP 3 ist in eine Reihe von zeitlich aufeinander folgenden Arbeitsschritten gegliedert: Entwicklung des Erhebungsinstruments und Pre-Test Datenerhebung Aufbereitung, Validierung, Analyse und Interpretation der Ergebnisse Entwicklung einer empirisch gestützten Typologie und konzeptionelle Weiterentwicklung Systematische Zusammenfassung der Einflussfaktoren, welche die Standardisierungsfähigkeit bzw. Anpassungserfordernisse internationaler Dienstleistungsunternehmen beeinflussen Erstellung eines Diagnoseinstrumentariums, welches es ermöglicht, systematisch die Faktoren zu analysieren, die auf Konfigurations-, Koordinations- und Kundenintegrationsentscheidungen einwirken Für das Erhebungsinstrument werden nach internationalen Standards entwickelte Skalen zur Erhebung latenter Konstrukte wie Vertrauen, Kundenbindung und Mitarbeiterzufriedenheit herangezogen (AP 3.1). In einem Pre-Test wird das Erhebungsinstrument geprüft. Im AP 3.2 erfolgt die Befragung, an die sich die Analyse und die Interpretation der erhobenen Daten anschließen (AP 3.3). Auf Basis der empirischen Ergebnisse wird im AP 3.4 eine Typologie international tätiger Dienstleistungsunternehmen entwickelt, mittels derer mehrere Idealtypen unterschieden werden sollen. Im Anschluss werden dann die Einflussfaktoren identifiziert, die hinter der Entscheidung für oder gegen bestimmte Ausgestaltungsformen von Wertschöpfungsaktivitäten stehen, d.h. es wird untersucht, welche äußeren und inneren Faktoren Unternehmen dazu bewegen, Standardisierungs- oder Adaptionsstrategien zu wählen (AP 3.5). Hier ist es bedeutsam, bestehende konzeptionelle Ansätze
146 vor dem Hintergrund der empirischen Ergebnisse entsprechend zu modifizieren bzw. weiterzuentwickeln. Schließlich sollen in AP 3.6 die Erfolgsfaktoren der 3K-Entscheidungen analysiert werden (Diagnoseinstrumentarium). Ziel ist es, den Unternehmen einen Leitfaden an die Hand zu geben, „die richtigen“ Entscheidungen hinsichtlich Konfiguration, Koordination und Kundenintegration bei gegebenen externen und internen Bedingungen zu treffen.
3.4 AP 4: Implementierung und Evaluation Die erarbeiteten Erkenntnisse zu Konfigurations-, Koordinations- und Kundenintegrationsmuster bzw. entsprechender Unternehmenstypen und Erfolgsfaktoren sind Ausgangslage für die im AP 4 vorgesehenen Umsetzungsschritte, die in den Partnerunternehmen des Projekts realisiert werden sollen. Vordringliche Aufgabe in diesem Arbeitspaket ist es, die Erkenntnisse aus den empirischen Analysen weiterzuentwickeln und auf den praktischen Einsatz zuzuschneiden. Es gilt, die direkte Umsetzung zu erarbeiten und die Implementierung zu begleiten, entsprechende Barrieren und Chancen zu identifizieren und die Akzeptanz sowie Praxistauglichkeit zu eruieren. In Einzelprojekten werden die Lehrstühle in zumindest einem Partnerunternehmen entsprechende Implementierungsprozesse initiieren und Pilotanwendungen begleiten. In der Zusammenschau über alle bisher erfolgten Arbeitsschritte im Projekt sollen demnach im AP 4.1 Normstrategien für die internationale Geschäftstätigkeit entwickelt werden. Konkrete Entwicklungslinien werden vorgegeben, die den Charakter von BestPractice-Strategien haben. Von zentraler Bedeutung wird sein, detaillierte Optionen der Strategieentwicklung im Hinblick auf die 3Ks in Teilprojekten, die dyadisch mit einem universitären und einem Praxispartner besetzt sind, für das jeweilige Unternehmen zu erarbeiten. Das im AP 3.6 erstellte Diagnoseinstrumentarium wird mit den Erfahrungen aus AP 4.1 verschränkt und im Rahmen des AP 4.2 bei Unternehmen probeweise eingesetzt und getestet. Diese Vorgehensweise ermöglicht, die Generalisierbarkeit des Instruments zu ermitteln und gegebenenfalls anzupassen sowie auf Herausforderungen, die aus unternehmensspezifischen Merkmalen resultieren, zu reagieren. Das Ergebnis dieses Schrittes wird ein robustes und vielfältig einsetzbares Analyse-Instrumentarium sein, das in der Beratung von Dienstleistungsunternehmen, die sich in einer ersten Internationalisierungsphase befinden, eingesetzt werden kann. Am Ende des Projekts soll ein praxisorientiertes Handbuch zur effizienten Gestaltung von 3K-Strategien in internationalen Dienstleistungsunternehmen erstellt werden, welches die in den vorangegangenen Arbeitspaketen generierten Erkenntnisse integriert und übersichtlich darstellt. Das Buch soll Führungskräften in deutschen Großunternehmen des Dienstleistungssektors Anregungen zur Reflexion über die gegenwärtig verfolgten Lösungsansätze in den 3K-Feldern geben. Ebenso soll das Handbuch als Leitfaden zur Gestaltung der 3Ks im Rahmen der Internationalisierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen dienen.
147 4
Erste Forschungsergebnisse
Nach der Skizzierung des grundsätzlichen Forschungsplans sollen in diesem Abschnitt die Erkenntnisse, die bei der Bearbeitung des AP 1 gewonnen wurden, vorgestellt werden. Eingangs wird ein Teilergebnis der Entwicklung einer dienstleistungsspezifischen Wertkette dargestellt und im Anschluss deren Eignung für Fluggesellschaften überprüft sowie daraus resultierende Einsichten bezüglich der Gestaltung der länderübergreifenden Konfiguration präsentiert. In Abschnitt 4.3 wird auf das zweite K Bezug genommen und Ergebnisse einer Fallstudie zur länderübergreifenden Koordination in einem mittelständischen Dienstleistungsunternehmen dargestellt. Abschließend wird über die Ergebnisse der Modellierung von interkultureller Kundenintegrationsbereitschaft berichtet. Damit soll über die Bebilderung der Forschungsplanung hinausgehend die Brücke zu ersten Schritten in der Projektarbeit geschlagen werden.
4.1 Konzipierung einer dienstleistungsspezifischen Wertkette Legt man den phasenbezogenen Dienstleistungsbegriff zugrunde, so wird deutlich, dass sich der Prozess der Wertschöpfung internationaler Dienstleistungsunternehmen wesentlich von dem produzierender Unternehmen unterscheidet. Soll das von Porter ursprünglich für Industrieunternehmen entwickelte Konzept der Wertkette zu Analysezwecken im Dienstleistungsbereich Verwendung finden, dann gilt es, die Konzeption zu modifizieren und an die spezifischen Merkmale internationaler Dienstleistungen anzupassen (vgl. Abb. 4). Analog zu Porter lässt sich eine dienstleistungsspezifische Wertkette in primäre und unterstützende Wertaktivitäten unterteilen. Die primären Aktivitäten lassen sich in Anlehnung an die Dienstleistungsliteratur nach der Phasenorientierung in Potenzial-, Prozessund Ergebnisphase kategorisieren (Frehse, 2002; Hilke, 1989). Die primären Aktivitäten tragen direkt zur Leistungserstellung bei, indem sie entweder Servicepotenzial bereitstellen oder der Ergebnisphase dienlich sind. Die unterstützenden Aktivitäten hingegen liefern Ressourcen für die gesamte Wertkette oder für die einzelnen Wertaktivitäten. Die Potenzialphase umfasst die vorgelagerten Aktivitäten im Sinne von Porter, die weniger auf den Kunden bezogen und daher häufig nicht an den Kundenstandort gebunden sind. Innerhalb dieser Stufe kann die Wertkette in drei aufeinander folgende Schritte unterteilt werden. Zunächst muss in der Potenzialeingangslogistik sichergestellt werden, dass alle Einsatzstoffe für die folgende Prozessphase bereitgestellt sind. Sollte die Leistungserstellung mit der Leistungsbereitstellung geographisch auseinanderfallen, erfordert der Wertschöpfungsprozess darüber hinaus eine Potenzialausgangslogistik. Hier wird sichergestellt, dass die bereitgestellten Einsatzfaktoren räumlich und zeitlich weltweit zur Leistungserstellung eingesetzt werden können. Da in der Potenzialphase durch die Bereitstellung entsprechender Einsatzfaktoren die Leistungsbereitschaft eines internationalen Dienstleistungsunternehmens signalisiert wird, bedarf es bereits in dieser Wertschöpfungsphase geeigneter Marketing- und Vertriebsanstrengungen, um potenzielle Kunden auf die entsprechende Leistungsbereitschaft aufmerksam zu machen. Hierbei geht es also um die Kommunikation des Dienstleistungspotenzials.
148 Abbildung 4:
Wertkette internationaler Dienstleistungsunternehmen
Personalmanagement Technologieentwicklung Beschaffung
Nachkontaktphase
Ergebnisphase
Operationsausgangslogistik
Operationen
Prozessphase
Marketing und Vertrieb
Potentialausgangslogistik
Potentialeingangslogistik
Potentialphase
G E W I N N
In der Prozessphase wird die eigentliche Dienstleistung an einem externen Faktor verrichtet. Wie zuvor hervorgehoben, spielt der Kunde nach dem uno-acto-Prinzip eine große Rolle. Neben der eigentlichen Leistungserstellung kann auch die Operationsausgangslogistik unter die Prozessphase gefasst werden. Diese ist vor allem dann notwendig, wenn die räumliche Leistungserstellung und der Ort des eigentlichen Konsums auseinanderfallen. In der Praxis ist das der Fall, wenn die Identität von Leistungserstellung und -inanspruchnahme nicht gegeben ist und sich das Unternehmen verpflichtet, den verarbeiteten externen Faktor am Standort der Leistungserbringung bereitzuhalten. In der Ergebnisphase besteht mit der Nachkontaktphase für die Kunden die Möglichkeit, die erbrachte Dienstleistungsqualität an den eigenen Erwartungen zu spiegeln. Eventuell können sich Beschwerden oder Reklamationen ergeben, die vom Unternehmen bearbeitet werden müssen. Des Weiteren besteht wiederum die Möglichkeit, Maßnahmen der Kundenbindung zu implementieren.
4.2 Länderübergreifende Konfiguration der Wertaktivitäten von Fluggesellschaften Die in Abb. 4 illustrierte Wertkette bildet die Wertschöpfung von Dienstleistungsunternehmen in genereller Weise ab. Berücksichtigt man spezifische Aspekte im Wertschöpfungsprozess bestimmter Dienstleistungsbranchen, so lassen sich diese entsprechend in der Wertkette abbilden. Exemplarisch werden die primären und unterstützenden Aktivitäten und deren Beziehungen zueinander im Folgenden am Beispiel einer Fluggesellschaft beschrieben (vgl. Holtbrügge et al., 2008). Die primären Aktivitäten lassen sich entsprechend der branchenübergreifenden Wertkette ebenfalls phasenbezogen untergliedern. Die unterstützenden Aktivitäten müssen jedoch um die Netzwerkplanung und das Yield Management ergänzt werden. In Abb. 5 ist exemplarisch die Wertkette einer Fluggesellschaft dargestellt.
149 Abbildung 5:
Idealtypische Wertkette einer internationalen Fluggesellschaft Firm Infrastructure Human Resource Management Technology Development
Support Activities
Procurement Network Planning Yield Management
Process Phases
Potential Phase
Marketing and Sales
Primary Activities
Marketing-Mix Ticketing
Flight Operations Preparations
Inbound Logistics
Maintenance
Selection of Distribution Channel
Flight Dispatch
Apron Activities
Process Phase Pre-Flight
Process Phase Flight
Process Phase Post-Flight
Results Phase
Ground Handling at Location of Departure
Operations
Ground Handling at Place of Arrival
Follow-Up Contact
Flight Services
Apron and Airport Activities
Passenger-Related Activities Apron Activities
CRM and Complaint Management Frequent Flyer Program
Primäre Aktivitäten Da Fluggesellschaften nicht greifbare Güter, sondern vielmehr das Leistungspotenzial kommunizieren, steht das Marketing am Anfang der Potenzialphase. Zu den weiteren Aktivitäten der Potenzialphase zählen die Flugvorbereitung und die Eingangslogistik. Diese sorgen dafür, dass alle Faktoren zur Verfügung stehen, die für die eigentliche Leistungserbringung, nämlich den Flug, notwendig sind. Der Eintritt in die Prozessphase ist durch die Veränderung und Modifikation des Zustands des externen Faktors gekennzeichnet (Hilke, 1989), d.h. im vorliegenden Fall der Passagiere, deren Gepäck sowie des Frachtgutes. Die Prozessphase lässt sich in drei SubPhasen untergliedern, und zwar in die Pre-Flug-, Flug- und Post-Flugphase. Die PreFlugphase umfasst das Bodenmanagement am Abflugort. Zu den Aufgaben zählen passagierbezogene Aktivitäten, wie z.B. Check-in, und rollfeldbezogene Aktivitäten, wie z.B. Tätigkeit der Ramp Agenten (J.D.Power and Associates, 2006, S. 1; McLaren, 1998, S. 112). Der Transportservice der Flugphase bringt den gewünschten Standortwechsel von Passagier, Gepäck und Fracht mit sich. Die Post-Flugphase betrifft das Bodenmanagement am Ankunftsflughafen. Das Beschwerdemanagement stellt eine wichtige Komponente der Ergebnisphase dar. Einen weiteren wichtigen Bestandteil dieser Phase bilden Vielflieger-Programme als Mittel zur Kundenbindung. Mit Vielflieger-Programmen als Marketinginstrument ist die Verbindung zur ersten Aktivität in der Wertkette, dem Marketing, hergestellt.
150 Unterstützende Aktivitäten Die Wertkette einer Fluggesellschaft enthält neben den unterstützenden Aktivitäten nach Porter auch die beiden Wertaktivitäten Netzwerkplanung und Yield Management. Bei der Netzwerkplanung handelt es sich um die Aktivität mit dem bedeutendsten Einfluss auf alle anderen Wertaktivitäten. Sie bestimmt nicht nur, welche Destinationen in das Routennetzwerk aufgenommen werden, sondern auch, welche Flughäfen angeflogen werden. Die Flotten-, Slot- und Marketingplanung leiten sich aus der Netzwerkplanung ab. Das Yield Management hat zur Aufgabe, Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen. Im Rahmen dieser Aktivität werden die Pläne koordiniert und die Flugpreise festgelegt (Shaw, 2004). Das Yield Management hat seinen Ursprung in der Simultanität von Produktion und Verbrauch und dem daraus resultierenden Verfall der Inanspruchnahme der Leistung. Die Herausforderung besteht darin, Angebot und Nachfrage derart aufeinander abzustimmen, dass Tickets auf die maximal mögliche Anzahl an Sitzplätzen zum höchstmöglichen Preis verkauft werden. Deshalb kann eine effiziente Preisstrategie ein bedeutendes Mittel zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen sein (Knorr/Zigova, 2004).
Länderübergreifende Konfiguration Die Basis für die Maximierung der Gewinnspanne einer Fluggesellschaft bildet die effiziente Gestaltung jeder einzelnen dargestellten Wertaktivität sowie die Abstimmung zwischen diesen Aktivitäten. Dieser Aspekt ist für internationale Unternehmen u. a. im Hinblick auf die länderübergreifende Konfiguration und damit die Entscheidung bezüglich der geographischen Konzentration bzw. Streuung der Wertaktivitäten von strategischer Bedeutung. Holtbrügge/Wiedemann/Schäfer (2008) stellten in ihrer Studie einen hohen geographischen Streuungsgrad der primären Aktivitäten von Fluggesellschaften fest. Lediglich größere Instandhaltungsmaßnahmen sind relativ wenig geographisch gestreut. Die bedeutendsten Einflussfaktoren auf die Konfiguration primärer Wertaktivitäten ergeben sich aus der Notwendigkeit der Kundennähe sowie den weiteren typischen Dienstleistungscharakteristika. Dies kann durch die Tatsache bedingt sein, dass bei Fluggesellschaften kundenbezogene Aktivitäten relevanter sind und häufiger auftreten als im produzierenden Sektor, da der Kunde in den gesamten Dienstleistungsprozess involviert ist. Im Hinblick auf die länderübergreifende Konfiguration der unterstützenden Aktivitäten konnte eine geographische Konzentration der technologischen Entwicklung, Netzwerkplanung und des Yield Management in der Zentrale identifiziert werden. Die Beschaffung ist – abhängig von den zu erwerbenden Produkten – mehr oder weniger gestreut. So findet die Beschaffung von Produkten mit hohem Anschaffungswert, wie z.B. Fluggeräten, zentral statt, wohingegen die Anschaffung von Produkten mit vergleichsweise niedrigerem Anschaffungswert, wie z.B. Büromaterial, dezentral erfolgt. Die Unternehmensinfrastruktur und das Personalmanagement sind in nahezu allen Fluggesellschaften geographisch gestreut. Die Studie zeigt, dass die meisten Wertaktivitäten im Gegensatz zur Argumentation von Porter dezentralisiert und geographisch gestreut sind. Darauf einwirkende Faktoren stellen die Länderspezifität (z.B. hauptsächlich Marketing, teilweise Vertrieb), die Destinationsabhängigkeit (z.B. Line Maintenance, Eingangslogistik, Bodenmanagement, Finanzbereich und Beschaffung) sowie rechtliche Anforderungen (z.B. HRM, Rechtsfragen) dar.
151 Somit hängt die Wahl des Standorts dieser Aktivitäten weniger von Ländermerkmalen wie einem geringen Lohnniveau oder wirtschaftlichen Bedingungen ab, sondern vom bedienten Streckennetz der jeweiligen Fluggesellschaft. Lediglich strategische Aktivitäten wie technologische Entwicklung, Netzwerkplanung und Yield Management sind destinationsunabhängig und daher zentralisiert gestaltet.
4.3 Länderübergreifende Koordination in einem mittelständischen Dienstleistungsunternehmen Ein weiteres Beispiel für erste Forschungsergebnisse im 3K-Projekt bezieht sich auf Fragen der internationalen Koordination. Die internationale Managementforschung hat sich in Bezug auf Koordinationsinstrumente vor allem auf Studien im Produktionsgüterbereich konzentriert. Es stellt sich deshalb die Frage, inwieweit die für Produktionsgüterunternehmen gewonnenen Erkenntnisse über Koordinationspraktiken auf Dienstleistungsunternehmen übertragen werden können. Dieser Sachverhalt wird in der Literatur kritisch diskutiert (Aharoni, 2000; Welge/Holtbrügge, 2006). Einerseits wird eine unmodifizierte Nutzung der Koordination postuliert, da die Unterschiede zwischen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen keinen Einfluss auf die Art und Intensität der Koordination haben. Andererseits wird in der Literatur argumentiert, dass aufgrund der gutstheoretischen Besonderheiten von Dienstleistungsmerkmalen (von Wangenheim/Holzmüller, 2005) die Koordinationsinstrumente differenziert eingesetzt werden sollten. Eine auf diese Weise angepasste Koordination kann so „zu einem maßgeblichen Erfolgsfaktor der Internationalisierung im Dienstleistungsbereich“ werden (Bufka, 1998, S. 200). Vor dem Hintergrund dieser konträren Positionen in der Koordinationsforschung im internationalen Dienstleistungsmanagement wurde im 3K-Projekt eine Fallstudie erarbeitet. Ziel dieser Fallstudie ist es zu analysieren, in welchem Maße typische Ansätze zur Koordination und entsprechende Koordinationsinstrumente im internationalen Management von Relevanz für ein international tätiges mittelständisches Dienstleistungsunternehmen sind. Darüber hinaus ist von besonderem Interesse, welche Faktoren die gewählte Koordination beeinflussen. Anhand der MATERNA GmbH (www.materna.com) wird dieser Fragestellung nachgegangen.
Die länderübergreifende Koordination der MATERNA GmbH Die MATERNA GmbH gehört in Deutschland zu den führenden unabhängigen Softwarehäusern in der Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie beschäftigt europaweit rund 1.300 Mitarbeiter und erzielte im Jahr 2008 einen Umsatz von 160 Mio. Euro. Seit über 25 Jahren ist das Unternehmen Ansprechpartner bei Problemlösungen von Informations- und Kommunikationsthemen im nationalen wie auch internationalen Feld. Das Unternehmen bietet innovative Lösungen, Produkte und Dienstleistungen an, die als Gesamtlösung oder Lösungsmodule in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung zum Einsatz kommen. Die Geschäftstätigkeit ist in die zwei Unternehmensbereiche Business Unit Information und Business Unit Communications unterteilt. Die Fallstudie fokussiert die Business Unit Information (kurz: BUI).
152 Die BUI ist mittlerweile an neun Standorten außerhalb Deutschlands vertreten, die sich auf Nord- und Osteuropa verteilen. Die Organisationsstruktur der BUI sieht als Matrixstruktur eine Bündelung dieser Länder in zwei Business Center (kurz: BC) vor: BC Nordic und BC CEE (Central Eastern Europe). Die BCs sind als Profit Center regional für den wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich. Zur BC CEE gehören Österreich, die Tschechische Republik, die Slowakei, Bulgarien, Rumänien und Slowenien. Diese Länder werden von Wien aus gesteuert. Die Gründe hierfür sind in der Brückenkopffunktion von Österreich in Richtung Osteuropa zu sehen. Das BC CEE befindet sich in einem relativ frühen Stadium der Internationalisierung, in welchem insbesondere kulturelle Unterschiede zu Problemen führen. Diese Probleme werden zumeist in persönlichen Gesprächen geklärt. Der BC-Leiter, der vor allem persönliche Gespräche und Meetings der Formalisierung vorzieht, reist daher häufig in die jeweiligen Länder (intensiver Besuchsverkehr). Neben diesem direkten Austausch konnten in der Fallstudie auch kulturorientierte Koordinationsinstrumente identifiziert werden. Zu ihnen zählen die Kommunikation gemeinsamer Wertvorstellungen, Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie eine kulturbezogene Ausgestaltung des Qualifikations- und Entlohnungssystems. Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass das BC CEE vorwiegend mit personenorientierten Koordinationsinstrumenten gesteuert wird. Im Gegensatz zum BC CEE werden zur Koordination des BC Nordic eher technokratische Instrumente, also Instrumente, deren Urheber nicht unmittelbar identifiziert werden kann, eingesetzt. Das BC Nordic umfasst Dänemark, Schweden und Finnland. Die Auslandseinheiten sind größer als in der BC CEE und weisen weite Entfernungen zum Stammhaus auf. Die Analyse des BC Nordic hat gezeigt, dass insbesondere Pläne und Berichtssysteme zur Routinisierung und Standardisierung der Prozesse angewendet werden. Da der BC-Leiter schriftlich niedergelegte Abläufe bevorzugt, wird eine starke Formalisierung eingesetzt.
Einflussfaktoren auf die länderübergreifende Koordination Die Fallstudie zeigt, dass die Zusammensetzung des Koordinations-Mix sowie die Intensität des Einsatzes der Instrumente kontextabhängig und daher auch vielschichtig sind. Einflussfaktoren auf die konkrete Gestaltung der Koordination sind insbesondere: das Internationalisierungsstadium, der Führungsstil in den BCs im Stammhaus, die Größe der Auslandseinheit, die geographische Distanz zum Stammhaus, die „Animositäten zwischen den Ländern“ (Zitat eines Interviewpartners) sowie die Unterschiedlichkeit der Kulturen (sowohl auf Seiten der Mitarbeiter als auch der Kunden). Differenzierte Koordinationserfordernisse resultieren vor allem aus lokalen Umfeldbedingungen und aus der unterschiedlichen Handhabung mit dieser Situation. Ihre explizite Berücksichtigung führt zu unterschiedlichen Koordinationsansätzen, die – wie das Fallbeispiel zeigt – auch durchaus gleichzeitig in unterschiedlichen Geschäftsfeldern eingesetzt werden
153 können. Daraus ergibt sich ein Mix aus verschiedenen Koordinationsinstrumenten, die je nach Kontext unterschiedlich gewichtet werden. So wurde deutlich, dass je komplexer das zu koordinierende Feld ist, die Bedeutung technokratischer Instrumente umso höher eingestuft wird. Obgleich IT-Beratung und -Entwicklung hoch intangible Dienstleistungen und daher sehr kundenindividuell sind, ist eine Standardisierung der Prozesse und der Dienstleistung möglich und erscheint aus Kosten- und Zeitperspektiven sinnvoll (Bsp. BC Nordic). Auf der anderen Seite ist der stärkere Einsatz personenorientierter Koordination gerade in den Anfängen der Internationalisierung offenbar unvermeidlich (Bsp. BC CEE). Da am Anfang der Internationalisierung noch kein Fit zwischen (akquirierter) Auslandsniederlassung und dem Stammhaus besteht, ist eine enge Führung und ein intensiver persönlicher Austausch, z.B. in Form von face-to-face-Meetings, erforderlich. Dies ist jedoch sehr zeitund kostenintensiv und sollte daher mit zunehmendem Erfahrungsvorrat abnehmen. Diese Entwicklung zeigt auch, dass Koordinationsstrukturen und -prozesse sich in Unternehmen oftmals evolutionär bzw. inkremental entwickeln.
4.4 Entwicklung eines interkulturellen Modells der Kundenintegrationsbereitschaft Die abschließenden Forschungsergebnisse im 3K-Projekt, die hier vorgestellt werden sollen, beziehen sich auf den dritten Gestaltungsbereich im internationalen Dienstleitungsmanagement, nämlich die Kundenintegration. Im Rahmen der Beschäftigung mit der Vermarktung und Erstellung internationaler Dienstleistungen kommt der Auseinandersetzung mit der Kundenintegration eine wesentliche Bedeutung zu. So können z.B. Kunden namhafter Marktforschungsinstitute zwischen Full-Service-, Assisted-Service- und Self-ServiceAngeboten wählen und damit die gewünschte Leistung an eigene Vorstellungen und Fähigkeiten anpassen. Doch obgleich vielerorts Kunden aktiv zur Teilnahme am Leistungserstellungsprozess angehalten werden, bleibt ungeklärt, ob eine Standardisierung derartiger Integrationsprozesse auf internationaler Ebene gleichbleibend zu Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen führen können. Zwar weist die Forschung im Bereich der Kundenintegration auf derartige Verbesserungspotenziale hin (Auh et al., 2007; Bendapudi/Leone, 2003; Bettencourt, 1997; Fitzsimmons, 1985; Lovelock/Young 1979; Mills et al., 1983), jedoch bleibt die Frage nach einer international gleichbleibend erfolgreichen Anwendung der Kundenintegration offen (Bendapudi/Leone 2003). Wie die kulturorientierte Kundenforschung belegt, sind sowohl die Qualitätswahrnehmungen als auch die Erwartungen von Kunden an eine Dienstleistung durchaus international verschieden (Donthu/Yoo, 1998; Furrer et al., 2000; Laroche et al., 2004; Laroche et al., 2005; Mattila, 1999; Stauss/Mang, 1999). Auch die Verhaltensabsichten von Kunden in Bezug auf eine Dienstleistung unterscheiden sich gemäß aktuellen Forschungsergebnissen international (Furrer et al., 2000). Demzufolge stellt sich berechtigterweise die Frage, ob auch die Bereitschaft der Kunden, sich über den obligatorischen Beitrag zur Dienstleistungserstellung hinaus an einer Dienstleistung zu beteiligen, je nach kulturellem Hintergrund divergiert. Um diese Fragestellung näher zu betrachten und damit mögliche Konsequenzen auf die Gestaltung der Kundenintegration im internationalen Dienstleistungsmanagement berücksichtigen zu können, wurde im Rahmen des 3K-Projekts ein interkulturelles Modell zur Erfassung der Kundenintegrationsbereitschaft entwickelt (siehe Abb. 6). Schwerpunkt des
154 Modells ist dabei die Identifikation der Bedeutung unterschiedlicher Einflussfaktoren auf die Integrationsbereitschaft der Kunden. Zahlreiche empirische Untersuchungen in der Marketingforschung zeigen, dass die Integrationsbereitschaft den Schlüssel für das Integrationsverhalten der Kunden darstellt (Büttgen, 2007; Lengnick-Hall et al., 2000; LengnickHall, 1996; Müller, 2006). Wie Abb. 6 zeigt, sind es drei Komponenten, die das Modell ausmachen, nämlich (a) der kulturelle Hintergrund der Kunden, (b) persönlichkeitsbezogene Determinanten der Integrationsbereitschaft sowie (c) die eigentliche Integrationsbereitschaft der Kunden in Bezug auf verschiedene Integrationsformen/-arten.
Abbildung 6:
Interkulturelles Modell der Kundenintegrationsbereitschaft
Individuelle kulturelle Werte und Überzeugungen des Kunden Um den individuellen kulturellen Hintergrund von Kunden zu verstehen, wurde auf die häufig genutzten Kulturdimensionen nach Hofstede (1980) – Individualismus, Machtdistanz, Maskulinität, Zeit-Orientierung und Unsicherheitsvermeidung – zurückgegriffen (Hofstede/Bond, 1988). Diese sollen ermöglichen, sowohl den direkten als auch den indirekten Einfluss einzelner Kulturdimensionen auf die Integrationsbereitschaft zu analysieren, um Integrationsprozesse zukünftig entsprechend der kulturellen Eigenheiten von Kunden gestalten zu können. Um zu vermeiden, dass diese Abweichungen in der Integrationsbereitschaft allein durch individuelle – kultur-unabhängige – Charakterzüge oder Persönlichkeitseigenschaften der Kunden zustande kommen, kontrolliert das Modell auch mögliche persönlichkeitsbasierte Determinanten der Kundenintegrationsbereitschaft. Basierend auf der Literatur sind die Kontrollüberzeugung der Kunden, ihre Bereitwilligkeit, neue Technologien bzw. technologiebasierte Dienstleistungen zu nutzen, ihre Wahrnehmung der Annehmlichkeit derartiger Dienstleistungen sowie demographische Faktoren wie Alter, Geschlecht, Einkommen und Ausbildungsstand hier von Relevanz.
155 Persönlichkeitsbasiere Determinanten der Kundenintegrationsbereitschaft Durch die Kontrollüberzeugung der Kunden soll berücksichtigt werden, ob die Kunden annehmen, selbst Einfluss auf das Ergebnis der Dienstleistung zu haben oder ob ihrem Empfinden nach lediglich äußere Einflüsse oder glückliche Umstände ein zufriedenstellendes Dienstleistungsergebnis herbeiführen (Bradly/Sparks, 2002). Kunden, die hierbei eine hohe interne Kontrollüberzeugung haben, also annehmen, dass sie selbst das Ergebnis zu ihrer Zufriedenheit beeinflussen können, nutzen eine Integration in den Leistungserstellungsprozess, um durch eigene Inputs ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Diese Kunden zeichnen sich dementsprechend durch eine höhere Integrationsbereitschaft aus (Büttgen, 2007). Kundenintegration bedeutet jedoch oft eine Interaktion mit technologiebasierten Schnittstellen (wie z.B. einem Geldautomaten), anstatt einer traditionell persönlichen Kunde-Anbieter-Interaktion. Diese so genannten „Self-Service Technologies“ (Meuter et al., 2000; Meuter et al., 2005) stellen eine gute Möglichkeit für Anbieter dar, die Effizienz einer Dienstleistung zu erhöhen, erfordern jedoch die Bereitschaft der Kunden, derartige Technologien zu nutzen. Um dies zu berücksichtigen, wurden die Angst vor neuen Technologien, bisherige Erfahrungen mit Technologien, die Trägheit der Kunden, Neues auszuprobieren sowie der Bedarf nach persönlicher Kunde-Anbieter-Interaktion in das Modell aufgenommen. Dabei ist davon auszugehen, dass Kunden, die gegenüber Technologien unerfahren und ängstlich sind, weniger motiviert sind, Self-Service-Technologien zu nutzen. Gleiches gilt analog für eine größere Trägheit und einen höheren Bedarf an persönlicher Interaktion mit dem Anbieter. Doch nicht nur die Einstellungen zu neuen Technologien, sondern auch die Wahrnehmung der Annehmlichkeiten technologiebasierter Dienstleistungen beeinflusst die Integrationsbereitschaft der Kunden. Empfinden Kunden beispielsweise die 24-StundenErreichbarkeit eines Geldautomaten als komfortabel, werden sie ihn auch umso eher nutzen. Gleiches gilt für die Bedienbarkeit des Automaten. Ist dieser leicht und intuitiv zu bedienen, werden Kunden diese Dienstleistung wiederum eher in Anspruch nehmen. Auch diese Aspekte wurden in dem Modell berücksichtigt, indem die Wahrnehmungen der Kunden zur Einfachheit der Nutzung (Useability) und Bequemlichkeit (Convenience) integriert wurden.
Integrationsbereitschaft des Kunden Wie die Beispiele bereits nahe legen, kann die Integrationsbereitschaft neben den persönlichen Erwartungen und Haltungen von Kunden auch durch die erforderliche Art der Integration differieren. Kunden, die keine Angst vor Technologien haben und die Bequemlichkeit von Self-Service-Technologien grundsätzlich schätzen, integrieren sich möglicherweise nur in solche Dienstleistungsprozesse, die wenig Mühe bereiten. Bei anderen Dienstleistungen bzw. Integrationserfordernissen, wie z.B. dem Weiterleiten des eigenen Gepäcks am Flughafen, schrecken sie dagegen zurück. Daher sollen bei der empirischen Untersuchung des Modells auch unterschiedliche Formen der Integration bzw. typische Integrationsleistungen berücksichtigt werden.
156 5
Resümee und Ausblick
Die Zielsetzung dieses Beitrags war eine zweifache. Erstens galt es darzustellen, wie der Forschungsplan eines umfangreichen und anwendungsbezogenen Forschungsvorhabens gestaltet werden kann. Damit sollte eine Professionalisierung in der Auseinandersetzung mit der Forschungsplanung in der internationalen Managementdisziplin stimuliert werden. Motiviert war dies aus der in der Disziplin nach wie vor relativ geringen Auseinandersetzung mit empirischen sozialwissenschaftlichen Forschungsmethoden und der anwendungsbezogenen Grundlagenforschung. Zweitens hat die Beschäftigung mit der Forschungsplanung auch erlaubt, sich mit dem Forschungsfeld bzw. den interessierenden substanziellen Ausgangsfragen der Konfiguration, Koordination und Kundenintegration in internationalen Dienstleistungsunternehmen zu beschäftigen und erste Forschungsergebnisse der Projektarbeit zu präsentieren. Die nächsten Schritte der Projektarbeit sehen eine Evaluation der Wirkung der drei Gestaltungsfelder auf die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen bzw. den Unternehmenserfolg vor. Mit Hilfe der Nutzung qualitativer Forschungsmethoden im internationalen Kontext sollen zudem Einflussfaktoren auf die drei Gestaltungsfelder identifiziert und Hypothesen über die unterliegenden Zusammenhänge generiert werden. Basierend auf den dabei gewonnenen Erkenntnissen soll anschließend eine schriftliche Befragung von Führungskräften in Bezug auf die Herangehensweisen an die Konfiguration, Koordination und Kundenintegration sowie deren Bedingungslagen und die entsprechenden betriebswirtschaftlichen Konsequenzen durchgeführt werden. Zentrale Zielsetzungen sind hierbei die Entwicklung einer theoretisch und empirisch fundierten Typologie internationaler Dienstleistungsunternehmen und die Klärung der Bedeutung von marktbezogenen und unternehmensinternen Determinanten der Gestaltung der 3Ks. Die Forschungsresultate sollen zur Entwicklung von Normstrategien für die erfolgreiche Gestaltung der internationalen Geschäftstätigkeit bzw. der Internationalisierung von Dienstleistungsunternehmen verdichtet werden. Für die Praxis wird ein Handbuch erstellt, das den Entscheidungsträgern konkrete Handlungsempfehlungen für die internationale Gestaltung der 3Ks zur Verfügung stellt.
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161
Arnold Schuh und Adrian Rossmann
Schwerpunkte und Trends in der betriebswirtschaftlichen Mittel- und Osteuropaforschung: Ein Literaturüberblick zum Zeitraum 1990-2005
1
Einleitung
2
Zur Methodik des Literaturüberblicks 2.1 2.2 2.2 2.4
Auswahl der Zeitschriften und des Analysezeitraums Bestimmung der Kategorien Auswahl und Kodierung der Artikel Limitationen
3
Ergebnisse der Inhaltsanalyse
4
Qualitative Inhaltsanalyse von Themenfeldern 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6
5
Transformationsprozess Privatisierung Markteintritt Joint Venture Marketingstrategie Change Management und Organisationswandel
Schlussfolgerungen und Diskussion zukünftiger Entwicklungsrichtungen
Literatur
163 1
Einleitung
Der Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 bot nicht nur Unternehmen die Möglichkeit, in die bisher abgeschotteten Märkte der Reformstaaten Mittel- und Osteuropas (MOE) zu expandieren, sondern eröffnete auch der international ausgerichteten betriebswirtschaftlichen Forschung (International Business) eine großartige Chance: die Beobachtung und Untersuchung der Transformation einer Vielzahl von Volkswirtschaften von einem zentralwirtschaftlichen zu einem marktwirtschaftlichen System sowie ihrer Auswirkungen auf Institutionen, Unternehmen, Märkte und das Entscheidungsverhalten von Managern und Konsument/innen. Niemals zuvor in der Geschichte haben so viele Länder in nahezu gleicher Zeit diesen fundamentalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemwandel in Angriff genommen. Der Transformationsprozess von der Plan- zur Marktwirtschaft kann daher als zentraler Erklärungsansatz für die betriebswirtschaftliche Mittel- und Osteuropaforschung angesehen werden (Schuh und Springer, 1997; Peng, 2000). In Abbildung 1 ist die Rolle des Transformationsprozesses für die betriebswirtschaftliche Analyse der Effekte und Reaktionen auf Unternehmensebene skizziert. Die Umgestaltung des Gesellschafts- und Wirtschaftssystems in einem Land bringt eine fundamentale Veränderung der politischen, sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen und damit auch der Spielregeln für die wirtschaftliche Tätigkeit mit sich, wodurch sich die Orientierungssysteme aller aktiv teilnehmenden Organisationen und Organisationsmitglieder neu ausrichten müssen, wollen sie im neuen Umfeld bestehen (Peng, 2000). Unternehmen passen sich durch die Wahl adäquater Strategien, Geschäftsmodelle, Organisationsstrukturen und Führungssysteme an die neuen Rahmenbedingungen an. Abhängig davon, ob es sich um lokale oder ausländische, verstaatlichte oder private Unternehmen handelt, liegen unterschiedliche Herausforderungen vor. Während die Staatsunternehmen sich mit Restrukturierungsfragen befassen, sind neugegründete lokale Unternehmen auf der Suche nach der geeigneten Positionierung im Markt und ausländische Unternehmen auf der Suche nach der richtigen Eintrittsstrategie. Auf der individuellen Ebene interessiert das Verhalten der Führungskräfte und Mitarbeiter/innen, die von den Änderungen über das Arbeits- und Führungsmodell betroffen sind, sowie das Verhalten der Konsument/inn/en, die sich mit einer veränderten Produkt-, Handels- und Medienlandschaft konfrontiert sehen. Gleichzeitig beeinflussen die Akteure mit ihrem Verhalten die übergeordneten Ebenen. Anhand dieses Modells lassen sich die grundsätzlichen Perspektiven in der MOEForschung ordnen und in einen größeren Zusammenhang stellen. Die Dokumentation und Analyse der länderspezifischen Umfeldbedingungen für die Unternehmenstätigkeit, des im Zuge des Transformationsprozesses ablaufenden Wandels der institutionellen Rahmenbedingungen und der daraus resultierenden Folgen für Markteintritts-, Marktbearbeitungsund Investitionsentscheidungen sind typische Inhalte der Forschung in den 1990er Jahren. Themen wie Marketingrichtlinien für Osteuropa (Quelch et al., 1991), Geschäftstätigkeit in MOE (Kostecki, 1993), Markteintrittsstrategien für US-Firmen in MOE (Shama, 1995), Erfolgsfaktoren von Joint Ventures in Ungarn (Hamill und Hooley, 1993) oder Herausforderungen für das Marketing in Transformationsökonomien (Batra, 1997) sind charakteristisch für die MOE-Forschung in den 1990er Jahren. Die Forschung spiegelt damit die Sichtweise ihrer wesentlichen Adressaten, der Führungskräfte in den multinationalen Unternehmen, wider, die an Orientierung hinsichtlich der Einschätzung der Vorgänge in den
164 Reformländern und an Handlungsempfehlungen für das Verhalten in diesen neuen Märkte interessiert waren: Wie unterscheiden sich die Märkte der Region von den westlichen Heimmärkten, welche Chancen und Risiken bieten sich in den einzelnen Ländern und wie sind diese Märkte am besten zu bearbeiten? Insbesondere die Wahl erfolgversprechender Markteintrittsformen, geeigneter Marketingstrategien sowie Anleitungen zur Führung lokaler Organisationseinheiten standen im Mittelpunkt des Interesses. Das Bild änderte sich allerdings in den letzten Jahren, und man hat den Eindruck, dass die Forschung nun breiter und gleichzeitig differenzierter geworden ist. Dominierten anfangs Markt- und Strategiefragen, so ist nun eine verstärkte Hinwendung zu Fragen des Managements, der Organisation und der Mitarbeiterführung zu bemerken. Die Titel aktueller Beiträge wie der organisatorische Wandel in Transformationsökonomien (Uhlenbruck et al., 2003), der Einsatz von Expatriates and Inpatriates in MOE (Peterson, 2003), Corporate Governance in Russland (Buck, 2003) oder Mitarbeiterbeteiligung und Empowerment in russischen Unternehmen (Michailova, 2002) deuten diesen Wandel im Forschungsinteresse an. Abbildung 1:
Der Transformationsprozess als zentraler Erklärungsansatz für die betriebswirtschaftliche Mittel- und Osteuropaforschung
Veränderung des institutionellen Bezugsrahmens (formale + informelle Institutionen)
ZentralVerwaltungswirtschaft
Auswirkungen auf das Unternehmensverhalten (Strategie, Struktur + Führungsmodelle)
Marktwirtschaft
Auswirkungen auf das individuelle Verhalten (Führungskräfte, Mitarbeiter/innen + Konsument/inne/en) Zeit
Um eine Grundlage für eine Diskussion des gegenwärtigen Status und möglicher weiterer Entwicklungen der betriebswirtschaftlichen MOE-Forschung zu erhalten, ist es sinnvoll, einen systematischen Literaturüberblick zu erstellen. Dies ist das Ziel der vorliegenden Untersuchung. Durch einen Literaturüberblick bzw. Literature Review können Schwerpunkte der Forschung und deren Bedeutungsveränderung im Zeitablauf aufgezeigt werden. Neben der Darstellung der inhaltlichen Abdeckung des Forschungsfeldes können die Ergebnisse auch zur Diskussion des Stellenwerts der MOE-Forschung für den Bereich International Business im Allgemeinen und ihrer Beiträge zur Weiterentwicklung der Theorie der internationalen Unternehmenstätigkeit im Besonderen beitragen (Meyer und Peng, 2005). Unsere Absicht ist es dabei nicht, die Publikationen in qualitativer Hinsicht zu beurteilen, sondern sie nach Themen und anderen Merkmalen zu kategorisieren und so Schwer-
165 punkte und Trends ersichtlich zu machen. Der Literaturüberblick wird in Form einer quantitativen Inhaltsanalyse durchgeführt und orientiert sich in seiner Zielsetzung und im Untersuchungsdesign an vorangegangenen Literaturanalysen im Bereich des International Business und Management. Ergänzend wird eine subjektive Interpretation der Autoren vorgestellt, in der wesentliche Themenfelder der betriebswirtschaftlichen MOE-Forschung identifiziert und inhaltlich skizziert werden. Die Ziele des vorliegenden Literaturüberblicks lassen sich wie folgt zusammenfassen: (a) die Identifikation von thematischen Schwerpunkten in der betriebswirtschaftlichen MOE-Forschung auf Basis einer quantitativen Inhaltsanalyse, (b) die Suche nach Entwicklungsmustern in den Publikationen über den Zeitraum 1990-2005, (c) die Herausarbeitung von zentralen Themenfeldern der MOE-Forschung auf Basis der Interpretation der Beiträge durch die Autoren, (d) Anstoß einer Diskussion zum Stellenwert und zu möglichen Entwicklungsrichtungen von MOE-Studien im Kontext der Forschung zur internationalen Unternehmenstätigkeit. Der Aufbau des Beitrags orientiert sich an diesen Zielsetzungen. Zuerst wird der methodische Hintergrund zum Literaturüberblick vorgestellt. Dann werden die Ergebnisse präsentiert. In der qualitativen Inhaltsanalyse wurden Schwerpunktthemen erörtert. Der Beitrag schließt mit der Diskussion der Rolle und des Beitrags der MOEForschung zur Entwicklung des Faches.
2
Zur Methodik des Literaturüberblicks
Literaturüberblicke spielen eine wichtige Rolle im wissenschaftlichen Arbeitsprozess, da sie der Bestandsaufnahme des bisher veröffentlichten Wissens in einem Forschungsfeld dienen. Gerade bei dem rasanten Wachstum der wissenschaftlichen Produktion wird es für die Forscher/innen immer schwieriger, den Überblick über den Stand des vorhandenen Wissens zu wahren (Cooper, 1998). Ein Literaturüberblick kann als eine systematische, explizite und reproduzierbare Methode zur Identifikation, Bewertung und Interpretation des existierenden Wissensstandes in einem definierten Forschungsfeld beschrieben werden (Fink, 1998). Im Bereich des International Business und Management haben Literature Reviews erst eine junge Tradition. Tabelle 1 stellt eine Auswahl an Literature Reviews zum International Business vor, die auch Analysen zur MOE-Forschung enthält. In der Übersicht werden Art und Zahl der Publikationsorgane, der Betrachtungszeitraum, die Stichprobengröße und die Zielsetzungen angeführt. In die Analysen gingen fast ausschließlich Zeitschriften – nur einmal Konferenzbeiträge – ein, wobei die führenden englischsprachigen Journale aus dem International Business (IB), Management und Marketing am stärksten vertreten sind. Die Anzahl der einbezogenen Zeitschriften reicht von einer bis 26, die Betrachtungszeiträume von 4 bis 25 Jahren, die Stichprobengröße von 68 bis 1296 Beiträgen. Die Identifikation von Themenschwerpunkten, Hintergrundtheorien und eingesetzten Methoden sowie deren Entwicklung im Zeitablauf sind die dominanten Fragestellungen. Alle Autoren nutzen eine Inhaltsanalyse mit Häufigkeitsauswertungen.
166 Tabelle 1: Ausgewählte Literature Reviews zum International Business und Management Autoren
Zahl und Art der Zeitschriften
International Business und Management Hurmerinta4 Zeitschriften zum Peltomäki & International Business Numella, (IB) 2006 Yang, Wang 6 Zeitschriften zum IB & Su, 2006
Zeitraum
Zahl der Beiträge
Ziele des Literaturüberblicks
20002003
68
Beurteilung des kombinierten Methodeneinsatzes in der IB-Forschung
19922003
1296
Vergleich der eingesetzten Methoden in der IBForschung Identifikation von Mustern + Entwicklungen in der Internationalen Marketingforschung Analyse der Literatur zum internationalen strategischen Management Trends in der Forschung zum Internationalen Management Trends in den Methoden in der Managementforschung
Nakata & Huang, 2005
11 Zeitschriften zum internationalen Marketing und IB
19902000
587
Lu, 2003
9 Managementzeitschriften
19912000
393
Werner, 2002
20 Managementzeitschriften
19962000
271
Scandura & Williams, 2000 Li & Cavusgil, 1995
3 Managementzeitschriften
1995-97; 1985-87
385; 347
26 Marketingzeitschriften
1982-90
757
Inkpen & Journal of International Beamish, Business Studies 1994 Mittel- und Osteuropa Meyer & 13 IB und ManagementPeng, 2005 zeitschriften
1970-94
531
19862004
218
Schuh & Pacolt, 2000
24 IB und Managementzeitschriften
1989-99
256
Schuh & Springer, 1997
Konferenzbeiträge
1993-96
82
Klassifikation + Bewertung der Forschungsrichtungen im Internationalen Marketing Beurteilung der Entwicklung der IB-Forschung
Identifikation führender theoretischer Perspektiven in der MOE-Forschung Identifikation von Schlüsselthemen in der MOEForschung Identifikation von inhaltlichen Schwerpunkten in der Forschung zum MOEMarketing
Auch in unserem Literaturüberblick bedienen wir uns der Methode der Inhaltsanalyse. Die Inhaltsanalyse kann als Verfahren bezeichnet werden, das der Bestimmung von Merkmalen von Kommunikationsakten bzw. Texten sowie deren statistischer Auswertung im Kontext definierter Aufgabenstellungen dient (vgl. Ardelt und Ardelt, 1984). Als Charakteristika der Inhaltsanalyse sind die systematische Vorgehensweise, die theorie- und empiriegeleitete
167 Kategorienbildung und die Quantifizierung der Merkmalszuschreibungen hervorzuheben. Die Inhaltsanalyse wurde in vier Schritten vollzogen: Auswahl der Zeitschriften, die in die Analyse einbezogen werden, sowie Festlegung der Betrachtungsperiode, Bestimmung der Kategorien, nach denen die einzelnen – inhaltlich zutreffenden – Beiträge klassifiziert werden, Auswahl und Kodierung der Artikel, statistische Analyse und Interpretation der Ergebnisse. Gegenstand der Untersuchung sind Artikel mit betriebswirtschaftlichen bzw. managementbezogenen Inhalten, die in führenden einschlägigen Zeitschriften im Zeitraum 1990-2005 veröffentlicht wurden. Die Artikel sind in der DMCEE erfasst, das ist die Datenbank zum Management in Central and Eastern Europe am Institut für Slawische Sprachen der Wirtschaftsuniversität Wien, die jedem Interessierten über das Internet frei zugänglich ist 2. Diese Datenbasis deckt die MOE-bezogenen Beiträge in vier Fachgebieten ab: Betriebswirtschaftslehre/Management, interkulturelle Kommunikation, soziologische und juristische Aspekte der Unternehmenstätigkeit in Mittel- und Osteuropa. Für den Fachbereich Betriebswirtschaftslehre/Management sind alle Beiträge in den definierten Zeitschriften für den Zeitraum 1989-2005 erfasst, und diese stellen die Grundlage für unsere Inhaltsanalyse dar.
2.1 Auswahl der Zeitschriften und des Analysezeitraums Insgesamt wurden 25 führende Zeitschriften aus den Fachgebieten Internationale Unternehmensführung, Management und Internationales Marketing ausgewählt (Tabelle 2). Bücher, Beiträge in Sammelwerken und Konferenzbeiträge wurden nicht berücksichtigt. Nur englischsprachige Zeitschriften gingen in die Untersuchung ein. Bei der Auswahl der Zeitschriften ließen wir uns von vorangegangenen Literaturüberblicken zum International Business/Management leiten, wobei wir mit 25 Zeitschriften eine der höchsten Abdeckungsquoten aufweisen (vgl. dazu die Übersicht in Tabelle 1). Unsere Stichprobe besteht aus einer Hauptgruppe und einer Kontrollgruppe. Die Hauptgruppe umfasst 23 führende Zeitschriften aus der Internationalen Unternehmensführung (z.B. Journal of International Business Studies, Journal of World Business, Management International Review, Multinational Business Review, Journal of International Management, European Management Journal) und aus Management und Strategie (z.B. Academy of Management Journal, Academy of Management Review, Administrative Science Quarterly, Strategic Management Journal). Ferner anspruchsvolle praxisorientierte Zeitschriften (z.B. Harvard Business Review, Business Horizons, California Management Review) sowie Journale zum internationalen Marketing (z.B. Journal of International Marketing, Journal of Euromarketing). Die Kontrollgruppe enthält zwei Zeitschriften, die ausschließlich zu betriebswirtschaftlichen Themen in Mittelund Osteuropa publizieren: das Journal for East European Management Studies und das Journal of East-West Business. Beide Zeitschriften existieren erst seit 1995 und wurden 2
Unter dem nachfolgenden URL kann die Datenbank im World Wide Web eingesehen werden: http://www.wuwien.ac.at/slawisch/service/database_cee
168 bisher noch in keinen der vorangegangenen Literaturüberblicke einbezogen. Mit diesem Split-Group-Design wird eine Prüfung der strukturellen Gleichartigkeit der Inhalte ermöglicht, was die Validität der Analyse erhöht. Während sich in der Hauptgruppe die MOEBeiträge im journalbezogenen Begutachtungsprozess gegen alle anderen Themen, die laut der Editorial Policy zugelassen sind, durchsetzen müssen, treten in den beiden Journalen der Kontrollgruppe nur Beiträge mit einem MOE-Bezug in einen inhaltlichen Wettbewerb. Die Kontrollgruppe bietet damit eine gute Vergleichsmöglichkeit hinsichtlich der inhaltlichen Schwerpunkte zu den thematisch breiter angelegten Zeitschriften aus der Hauptgruppe. Der Zeitraum 1990 bis 2005 wurde gewählt, um die wissenschaftliche Behandlung des Transformationsprozesses, seiner Auswirkungen sowie der unternehmerischen Reaktionen darauf erfassen zu können. Tabelle 2: Liste der in den Literaturüberblick aufgenommenen Zeitschriften Hauptgruppe Academy of Management Journal Academy of Management Review Administrative Science Quarterly Business Horizons California Management Review European Journal of Marketing European Management Journal Harvard Business Review International Business Review International Marketing Review Journal of Business Research Journal of Euromarketing Journal of Global Marketing Journal of International Business Studies
Hauptgruppe (fortgesetzt) Journal of International Consumer Marketing Journal of International Management Journal of International Marketing Journal of Management Studies Journal of World Business Management International Review Multinational Business Review Sloan Management Review Strategic Management Journal Kontrollgruppeol Group Journal for East European Management Studies Journal of East-West Business
2.2 Bestimmung der Kategorien Die Entwicklung des Kategoriensystems, nach dem die einzelnen Beiträge klassifiziert werden, ist ein zentraler Schritt in jeder quantitativen Inhaltsanalyse. Standardmäßig wurden die bibliographischen Daten jedes Artikels erfasst, das sind der Titel der Zeitschrift, die Namen der Autoren, der Titel des Beitrags, der Seitenumfang und das Erscheinungsjahr der Publikation. Zusätzlich wurden die einzelnen Artikel auch nach inhaltlichen Merkmalen klassifiziert. Die Zielsetzung des Literaturüberblicks ist die Ermittlung von inhaltlichen Schwerpunkten in der Mittel- und Osteuropaforschung. Um entsprechende Aussagen produzieren zu können, ist es notwendig, zusätzlich zu den bibliographischen Daten jene Themen zu erfassen, die die Forschungsagenda zur Unternehmenstätigkeit in Mittel- und Osteuropa bestimmen: die Transformation von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft, ihre Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit sowie die Reaktionen von Unternehmen auf diese speziellen Umfeldbedingungen in den einzelnen Ländern der Region (Schuh und Springer,
169 1997; Peng, 2000). Aspekte wie der Transformationsprozess, die Privatisierung oder Merkmale der Unternehmensumwelt haben daher Eingang in das Kategoriensystem zu finden. Testweise wurden daher vor der Festlegung des Kategoriensystems einzelne Artikel hinsichtlich relevanter Merkmale untersucht und mit den Anforderungen aus der Forschungsagenda abgeglichen. Um die Anschlussfähigkeit zum allgemeinen Management und zu grundsätzlichen betriebswirtschaftlichen Entscheidungstatbeständen zu garantieren, wurde als Grundgerüst auf die klassischen Entscheidungsfelder der Unternehmensführung zurückgegriffen. Diese umfassen die Unternehmens-Umwelt-Beziehung, die Unternehmensstrategie, die Funktionalbereiche, Management und Organisation sowie Planung und Controlling. Dieser duale Zugang zur Entwicklung der Kategorien soll verhindern, dass eine zu enge Ausrichtung an zum gegebenen Zeitpunkt zwar wichtigen Fragestellungen zur Mittel- und Osteuropathematik erfolgt, dabei aber die Gesamtsicht zur Unternehmenstätigkeit in der Region nur unzureichend in den Kategorien reflektiert wird, wie dies bei einem rein induktiven Zutritt, der nur auf die behandelten Themen abstellt, der Fall wäre. Dies ist insofern im Zeitablauf problematisch, als sich Themenschwerpunkte ändern und dann das a priori festgelegte Kategoriensystem nachadjustiert werden muss. Bei den Anleitungen zur Anwendung der Inhaltsanalyse wird die Kombination von induktiv-empirischer mit deduktiv-theoretischer Vorgangsweise ausdrücklich empfohlen (Ardelt und Ardelt, 1984). Ausgehend von diesen Überlegungen wurden zehn Forschungsbereiche als Hauptkategorien definiert, die die wesentlichen Entscheidungsbereiche in der Unternehmensführung repräsentieren. Zusätzlich wurden 61 Forschungsthemen als Subkategorien eingeführt, um eine feinere Erfassung der Forschungsschwerpunkte zu ermöglichen (Tabelle 3). Des Weiteren wurden das Land oder die Länder, auf die sich der Artikel bezieht, und die angewandte Forschungsmethodik erhoben. Für unseren Literaturüberblick wurde Mittel- und Osteuropa geografisch-politisch abgegrenzt. Unsere Definition umfasst alle Länder Europas, die sich im Transformationsprozess von der Plan- zur Marktwirtschaft und von einem Einparteien-Regime zu einem demokratischen System befinden. Das sind die mittelosteuropäischen Länder, die baltischen Staaten, Südosteuropa (inklusive Ex-Jugoslawien), Weißrussland, Moldawien, Russland und Ukraine. Die zentralasiatischen Länder und die Länder am Kaukasus sind dabei nicht enthalten. Die Klassifikation nach der Forschungsmethodik wurde nach der Unterscheidung von Li und Cavusgil (1995) vorgenommen. Sie differenzieren nach konzeptioneller und empirischer Forschung. Konzeptionelle Forschung bezieht sich auf Studien, in denen die Formulierung von Ideen, Konzepten, Theorien und Modellen im Mittelpunkt steht. Empirische Forschung hingegen basiert auf datengestützten Studien, die sich mit der Begründung und Validierung von Konzepten, Hypothesen und Theorien durch Datenanalyse beschäftigen. Die empirische Forschung wird zudem noch in die statistische und nicht-statistische Forschung unterteilt. Statistische Forschung nutzt quantitative Analysemethoden, wohingegen die nicht-statistische Forschung auf Fallstudien oder einzelnen Beobachtungen beruht.
170
Tabelle 3: Forschungsbereiche und Forschungsthemen Forschungsbereiche Forschungsthemen Wechselwirkung zwischen Transformationsprozess Technologische Aspekte Umwelt und Unter- Privatisierung Physische Umwelt nehmen Wirtschaftliche Aspekte Infrastruktur Kulturell-soziale Aspekte Entrepreneurship Politisch-rechtliche Aspekte Ausbildungssysteme Unternehmensstrategien Strategieentwicklung/Strategische PlaStrategieumsetzung nung Markteintrittsmethode/ Präsenzformen Kooperation Markt- & Risikobewertung Marketing Management Marketingstrategie Verkauf Marktsegmentierung Kommunikationspolitik Produktpolitik Konsumentenverhalten & Beschaffung in Organisationen Preispolitik & Gegengeschäfte Marktforschung Distributionspolitik Finanzwesen Finanzmärkte Investieren in MOE Finanzierung der Unternehmenstätigkeit Finanzkontrolle Produktionsmanagement Qualitätsmanagement Logistik Beschaffung Outsourcing Produktion Personalwesen Personalplanung Anreizsysteme Rekrutierung (Auswahl & Einstellung) Betriebsklima & Produktivität Leistungsbeurteilung Training & Karriere Vergütung Arbeitnehmerrecht & Gewerkschaften Rechnungswesen & Finanzbuchhaltung & Bilanzierung Bilanzierungserfordernisse in MOE Besteuerung Internationale Rechnungslegungsgrundsätze Forschung & Entwicklung F&E-Strategie Technologietransfer Organisation Management & Organisa- Corporate Governance Organizational Behavior tion Managementsystem Organisationsstruktur Managementstile Change Management & Organisationsentwicklung Leadership Konfliktmanagement Organisationskultur (Werte & Ethik) Verhandlungsführung Planung & Controlling Managementinformationssysteme Management Accounting Planungs- & Controllingsysteme Benchmarking
171 2.3 Auswahl und Kodierung der Artikel Zuerst wurden alle Ausgaben der 25 Zeitschriften nach Beiträgen mit einem Bezug zu Mittel- und Osteuropa durchsucht. Artikel, die im Titel, im Abstract oder gegebenenfalls in den Schlüsselbegriffen einen Hinweis auf einzelne Länder oder die Region enthielten, wurden für die Aufnahme in die Inhaltsanalyse grundsätzlich in Erwägung gezogen. Dann musste noch geklärt werden, ob es sich um einen betriebswirtschaftlichen und wissenschaftlichen Forschungsbeitrag handelt. Reine volkswirtschaftliche oder politikwissenschaftliche Beiträge ohne Bezug zur Unternehmenstätigkeit in MOE wurden ausgeschieden, ebenso Buchrezensionen oder Vorwörter bzw. Einleitungen ohne wissenschaftliche Aussagekraft. Insgesamt konnten so in den 25 Zeitschriften 617 Forschungsartikel identifiziert werden, die sich mit Fragen der Unternehmenstätigkeit in der Region beschäftigen. 326 Beiträge kamen dabei aus der Hauptgruppe, 291 aus der Kontrollgruppe. Schließlich wurde jeder zutreffende Artikel nach den vorher festgelegten Kategorien klassifiziert: Zeitschrift, Autor(en), Titel, Erscheinungsjahr, Forschungsbereich(e) und Forschungsthemen, regionaler Bezug und Forschungsmethode. Mehrfachnennungen waren bei den Forschungsthemen und Bezugsländern erlaubt. Die Kodierung der Artikel nach dem vorgegebenen Kategorienschema wurde von den beiden Autoren vorgenommen. Bei unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Zuordnung eines Beitrags wurde nach wiederholter Durchsicht eine gemeinsame Entscheidung getroffen.
2.4 Limitationen Die Inhaltsanalyse erfordert vom Anwender Entscheidungen zum Untersuchungsdesign, die die Qualität der Ergebnisse beeinträchtigen können. Daher ist es wichtig, die Gestaltungsrichtlinien klar zu machen und zu begründen. Folgende Prinzipien haben uns bei der Auswahl der Untersuchungsobjekte und der Gestaltungsparameter geleitet: ein eindeutiger Fokus auf betriebswirtschaftliche Themen, eine gute Zugänglichkeit der Quellen sowie die Konsistenz mit vorangegangenen Literaturanalysen im International Business und Management. Die Beschränkung auf betriebswirtschaftliche Themen ist eine inhaltliche Entscheidung, die sich aus der Zielsetzung des Literaturüberblicks, nämlich der Untersuchung der wissenschaftlichen Behandlung der Unternehmenstätigkeit in MOE, ergibt. Schwieriger gestaltete sich manchmal die Frage nach der Dominanz der betriebswirtschaftlichen Dimension, da volkswirtschaftliche, politisch-gesellschaftliche, rechtliche und kulturelle Aspekte im Bereich des International Business nicht nur wichtige Einflussgrößen, sondern auch eigenständige Themenkreise darstellen. Die Beschränkung auf betriebswirtschaftliche Zeitschriften wirkte hier allerdings als wirksamer thematischer Filter. Die Zugänglichkeit der Quellen spielte bei dieser Studie eine wesentliche Rolle. Unterschiede in den lokalen akademischen Traditionen können zu divergenten Bewertungen von Publikationen führen. So können Monographien, Originalbeiträge in Fachzeitschriften, Originalbeiträge in Sammelwerken, die Herausgeberschaft von Sammelwerken, Arbeitspapiere oder Konferenzbeiträge in der Beurteilung der Bedeutung von Wissenschaftern und in der Wertschätzung durch die Wissenschaftergemeine je nach Land (und Fachgebiet) variieren. In vielen Transformationsländern sind weiterhin nationale Zeitschriften als Publikationsorgan wichtig, da damit die lokale Wissenschaftsgemeinde und Wirtschaftspraxis
172 besser erreicht werden kann. So sehr das Argument, dass nur eine breite Abdeckung aller Publikationsorgane in den 20 Ländern einen vollständigen Überblick gewährt, nachvollziehbar ist, darf die Komplexität dieses Unterfangens nicht übersehen werden: Die Erfassung und Durchsicht aller Publikationsformen in 20 Ländern und 20 Sprachen nach geeigneten Beiträgen stellt eine kaum zu meisternde Herausforderung dar. Wir haben uns daher der Vorgangsweise in früheren Literaturanalysen angeschlossen und uns auf führende englischsprachige Zeitschriften beschränkt. Die Konzentration auf führende Publikationsorgane eines Fachgebiets hat den Vorteil, dass damit auch die Qualitätsfrage gelöst wird. Durch das Begutachtungsverfahren wird ein Mindestniveau der wissenschaftlichen Qualität der Beiträge sichergestellt. Die schwierige Frage der Qualitätsbewertung von verschiedenartigen Publikationen nach möglicherweise unterschiedlichen Länderstandards ist damit ausgeklammert. Es kann nicht geleugnet werden, dass die Einschränkung auf englischsprachige Publikationen einen Einfluss auf die Repräsentativität des Ergebnisses der Inhaltsanalyse haben mag und so wichtige lokal geprägte Erkenntnisse und Sichtweisen übersieht (vgl. Holden, 1998). Aber es darf nicht vergessen werden, dass Englisch als „Lingua Franca“ in der internationalen Wissenschaftsgemeinde und beim Management international tätiger Unternehmen, einer anderen wichtigen Adressatengruppe der Forschungsbeiträge, gilt. Die Knappheit unserer Projektressourcen (Zeit, Sprachkenntnisse, Zugang zu nationalen Publikationsorganen, Länderkontakte, Budget) und die schwierige Zugänglichkeit zu den Publikationsquellen haben die Entscheidung ebenfalls geprägt. Unser Literaturüberblick kann zudem als eine Ausgangsstudie angesehen werden, die zukünftig noch um nationale Literaturanalysen ergänzt werden kann. Die leichte Präferenz für Zeitschriften zum internationalen Marketing geht auf die Etablierung der Datenbank im Jahr 1998 zurück. Bei der damaligen Suche nach Zeitschriften, in denen Beiträge zum Management in MOE erschienen sind, war diese Gruppe am stärksten vertreten. Die Beschreibung des lokalen Unternehmensumfelds, die Beurteilung der Attraktivität und Risiken von Ländermärkten, die Wahl der Markteintrittsmethode sowie der anzuwendenden Marketingstrategie waren typische Themen in den frühen 1990er Jahre und konnten in allgemeinen Management- und vor allem natürlich in internationalen Marketingzeitschriften gefunden werden. Die Berücksichtigung von zwei Sonderausgaben zu MOE-Themen im Journal of World Business im Jahr 2003, die sich mit 15 Beiträgen niedergeschlagen haben, bedarf ebenfalls einer Erwähnung. Wir haben diese Beiträge mitgezählt, da Sonderausgaben zu Schwerpunktthemen im Journal of World Business häufig vorkommen. Eine Elimination dieser Beiträge hätte einen umgekehrten Argumentationsnotstand zur Folge: Wie viele MOE-Beiträge können durch andere Schwerpunktthemen nicht veröffentlicht werden, was wäre die normale Publikationsrate von MOE-Beiträgen im Journal of World Business? Bei der Häufigkeitsauszählung nach Erscheinungsjahren weisen wir explizit auf diesen Umstand hin.
173 3
Ergebnisse der Inhaltsanalyse
Die Reihung der 23 Zeitschriften aus der Hauptgruppe nach veröffentlichten Artikeln (Tabelle 4) zeigt eine relativ hohe Konzentration auf zwei Journale, dem Journal of World Business (15,64 % aller Artikel) – das bis 1996 unter Columbia Journal of World Business firmierte – und dem European Management Journal (13,8 %). Auf die Top-5 Zeitschriften in dieser Reihung entfallen fast 50 % aller Artikel. Alle Top-5 Zeitschriften haben entweder eine internationale oder europäische Ausrichtung. Es fällt auf, dass eher an Managementpraktikern ausgerichtete Journale wie Business Horizons und Harvard Business Review die Wertung bei der General Management-Kategorie anführen. Die Spitzenposition des Journals of World Business mag zum einen auf den überdurchschnittlichen Anteil an einschlägigen Beiträgen und die damit höhere Attraktivität für MOE-Forscher/innen zurückzuführen sein, zum anderen auch auf gleich zwei Sonderausgaben im Jahr 2003 zu den Themen „Constructing Management in Eastern Europe“ und „Corporate Governance in Transitioning Economies“. Beim Vergleich der Gesamtzahl der Artikel in der Hauptgruppe und Kontrollgruppe ist zu berücksichtigen, dass die beiden spezialisierten MOE-Journale 1995 erstmals erschienen sind. Tabelle 4: Reihung der Zeitschriften nach publizierten Artikeln Hauptgruppe 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22.
Journal of World Business European Management Journal Journal of Euromarketing International Marketing Review Management International Review Business Horizons Journal of International Business Studies Harvard Business Review Journal of Business Research International Business Review European Journal of Marketing Journal of Management Studies Academy of Management Journal California Management Review Journal of International Marketing Multinational Business Review Strategic Management Journal Journal of Global Marketing Academy of Management Review Journal of International Consumer Marketing Administrative Science Quarterly Journal of International Management
Anzahl der Artikel 51 45 25 20 18 17 17 16 16 15 14 13 9 9 9 9 7 5 4 4 1 1
Anteil an allen Artikeln 15,64 % 13,80 % 7,67 % 6,13 % 5,52 % 5,21 % 5,21 % 4,91 % 4,91 % 4,60 % 4,29 % 3,99 % 2,76 % 2,76 % 2,76 % 2,76 % 2,15 % 1,53 % 1,23 % 1,23 % 0,31 % 0,31 %
174 23. Sloan Management Review Summe Kontrollgruppe 24. Journal for East European Management Studies 25. Journal of East-West Business Summe
1 326
0,31 % 100,00 %
146 145 291
50,17 % 49,83 % 100,00 %
Die Häufigkeitsverteilung nach dem Erscheinungsjahr zeigt die Entwicklung der MOEForschung von 1990-2005 (Abbildung 2). Im Durchschnitt wurden 20,4 Artikel pro Jahr veröffentlicht. Ein eindeutiger Trend lässt sich daraus nicht ableiten. Der Anstieg der Publikationen in der ersten Hälfte der 1990er Jahre kann durch das gestiegene Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung in den Reformstaaten der Region erklärt werden. Der plötzliche Rückgang von 26 auf 7 Artikel im Jahr 1999 führte damals zur Vermutung, dass es sich bei der MOE-Managementforschung um ein „Modephänomen“ handelte und das Interesse der Forscher/innen nach 10 Jahren wieder im Schwinden war (Schuh und Pacolt, 2000). Der starke Anstieg auf 25 Veröffentlichungen im darauf folgenden Jahr und die Erreichung des bisherigen Höchstwertes von 37 Artikeln im Jahr 2003 unterstreichen aber, dass die MOE-Forschung weiterhin Attraktivität besitzt, wenngleich die Werte für 2004 und 2005 unter dem Durchschnittswert liegen.
Abbildung 2:
Häufigkeitsverteilung in der Hauptgruppe nach Erscheinungsjahr
40 37 35 29
30
29
Anzahl der Artikel
26
26
25
25 19
20 16
20
19
18
16
15
13
14 12
10 7 5 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
175
Die Analyse nach Forschungsbereich und Forschungsthema gibt Einblick in die inhaltliche Ausrichtung der Forschungsarbeiten. Die Tabelle 5 zeigt die Reihung der Forschungsbereiche (in der Hauptgruppe) nach der Anzahl der zugeordneten Artikel (Mehrfachnennung möglich). Der Forschungsbereich „Wechselwirkung zwischen Umwelt und Unternehmen“ führt die Wertung klar an – was bei dem sich häufig und stark wandelnden Unternehmensumfeld in Transformationsökonomien nicht wirklich überrascht. Diese Kategorie umfasst sowohl den Einfluss von Umweltfaktoren (wirtschaftlicher, politisch-rechtlicher, kulturellsozialer, technologischer Bedingungsrahmen) als auch von Transformations- und Privatisierungsprozessen auf Unternehmensentscheidungen (bzw. die Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf den institutionellen Rahmen). 62 % der Artikel befassen sich mit diesem Thema. „Unternehmens-/Geschäftsstrategie“, „Management & Organisation“ und „Marketing Management“ folgen mit einigem Abstand auf den Plätzen 2 bis 4. „Rechnungswesen & Besteuerung“ mit keiner Nennung, „Planung & Controlling“ mit 2 Nennungen und „Forschung & Entwicklung“ mit 3 Nennungen belegen die Schlussplätze.
Tabelle 5: Reihung der Forschungsbereiche – Hauptgruppe Reihung der Forschungsbereiche (Hauptgruppe) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Wechselwirkung zwischen Umwelt und Unternehmen Unternehmensstrategien Management & Organisation Marketing Management Personalwesen Finanzwesen Produktionsmanagement Forschung & Entwicklung Planung & Controlling Rechnungswesen & Besteuerung
Anzahl der Anteil an allen Artikel Artikeln 62,27 % 203 30,06 % 98 25,77 % 84 23,93 % 78 9,82 % 32 8,28 % 27 1,53 % 5 0,92 % 3 0,61 % 2 0,00 % 0
Die Reihung in der Kontrollgruppe bestätigt im Großen und Ganzen die Ergebnisse der Hauptgruppe (Tabelle 6). „Management & Organisation“ rückt auf den 2. Rang vor, „Strategie“ rutscht auf den 3. Platz und „Finanzwesen“ verdrängt „Marketing Management“ auf den 5. Platz. Dieser Unterschied in der relativen Bedeutung kann auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden. Zum einen auf die „jüngere“ Datenbasis der Kontrollgruppe. Da die beiden Spezialzeitschriften erst 1995 eingeführt wurden, liegt keine Abdeckung der ersten Hälfte der 1990er Jahre vor. Marketing ist jene Unternehmensfunktion, die in der Frühphase des Eintritts in einen neuen Ländermarkt stark beansprucht wird, da es hier um die Wahl des richtigen Ländermarktes und der richtigen Eintrittsstrategie geht. In der späteren Phase der Auslandsmarktbearbeitung, wenn Tochtergesellschaften gegründet, lokale Unternehmen übernommen oder Joint Ventures mit lokalen Partnern eingegangen werden, gewinnen die Fragen des Managements und der Organisation der lokalen Tätigkeiten an Bedeutung. Zum anderen kommt in der Reihung der Hauptgruppe der hohe Anteil von Journalen zum
176 internationalen Marketing zum Tragen, wodurch markt- und marketingorientierte Themen eine höhere Wahrscheinlichkeit des Auftretens haben. Tabelle 6: Reihung der Forschungsbereiche – Kontrollgruppe Reihung der Forschungsbereiche (Kontrollgruppe) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Wechselwirkung zwischen Umwelt und Unternehmen Management & Organisation Unternehmensstrategien Finanzwesen Marketing Management Personalwesen Produktionsmanagement Forschung & Entwicklung Planung & Controlling Rechnungswesen & Besteuerung
Anzahl der Artikel 171 94 66 36 30 30 8 4 4 2
Anteil an allen Artikeln 58,76 % 32,30 % 22,68 % 12,37 % 10,31 % 10,31 % 2,75 % 1,37 % 1,37 % 0,69 %
Unter der Annahme, dass die Forschungsbeiträge die Geschäftsrealität der in Mittel- und Osteuropa tätigen Unternehmen abbilden, sollte sich diese Bedeutungsverschiebung auch im Literaturüberblick widerspiegeln. Zu diesem Zweck teilten wir die Artikel der Hauptgruppe nach dem Erscheinungsdatum in die zwei gleich langen Zeiträume 1990-1997 und 1998-2005 (Abbildung 3). Der Vergleich der Reihungen in den beiden Segmenten zeigt, dass „Strategie“, „Marketing Management“ und „Finanzwesen“ im Zeitablauf an Bedeutung und je einen Rang verlieren, während „Management & Organisation“ (vom 4. auf 2. Rang) und „Personalwesen“ (vom 6. auf 5. Rang) sich in der Reihung verbessern können.
177 Abbildung 3:
Vergleich der Forschungsbereiche für die Perioden 1990-1997 und 19982005 70%
Anzahl der Artikel (in %)
60% 50% 40%
1990-1997
30%
1998-2005
20% 10%
In te ra kt io
n
U
m
we lt Un te rn eh M a m rk M en et an St in ag ra g te em M gi an en e t & ag e m O en rg t an is at Fi io na n nz Pr Pe we od r se so uk n t io na Fo ns lw rs es m ch an en un ag g em & Pl en an Ent Re t wi un ch ck g nu lu & ng ng Co sw nt ro es llin en g & St eu er
0%
Die Ergebnisse auf der Subebene der Forschungsthemen erzählen uns mehr über die inhaltlichen Schwerpunkte in der MOE-Forschung. In den Tabellen 7 und 8 sind die Top-10 Forschungsthemen der Haupt- und Kontrollgruppe aufgelistet. Der Transformationsprozess, die Form des Markteintritts, die Strategieentwicklung/Strategische Planung und die Privatisierung dominieren die Wertungen in beiden Gruppen. Die hohe Zahl an Nennungen von Aspekten der Unternehmensumwelt (Kultur-Gesellschaft, Wirtschaft, Politik-Recht) sowie der Markt- und Risikobewertung unterstreicht die Bedeutung der Unternehmensumwelt bzw. der institutionellen Rahmenbedingungen für Managemententscheidungen. Die Umweltvariablen können dabei entweder selbst Gegenstand der Forschung sein (z.B. Kulturstudien, Investitionsanreize) oder – was in unserer Stichprobe eher der Fall ist – den Charakter moderierender Variablen haben, die die Wirkung von unabhängigen Variablen (Markteintrittsform, Marketingstrategie, Restrukturierungsmaßnahmen, Anreizsysteme usw.) auf den Geschäftserfolg beeinflussen. Das gemeinsame Auftreten von Umwelt- und Strategieaspekten in den Top-10-Plätzen bebildert etwas die am häufigsten vorkommende Oberkategorie „Wechselwirkung zwischen Umwelt und Unternehmen“ und reflektiert die für den Bereich International Business so charakteristische Auseinandersetzung des Management mit landesspezifischen Verhältnissen. Auch in diesem Fall zeigt sich wieder eine hohe inhaltliche Kongruenz zwischen den beiden Zeitschriftengruppen. Acht von 10 Themen unter den Top-10 sind identisch. „Investieren in MOE-Aktivitäten“ und „Change Management & Organisationsentwicklung“ ersetzen in der Kontrollgruppe „Marketing Strategie“ und „Markt- & Risikobewertung“.
178 Tabelle 7: Top-10 Forschungsthemen – Hauptgruppe Top-10 Forschungsthemen (Hauptgruppe) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Transformationsprozess Strategieentwicklung/Strategische Planung Markteintrittsmethode/Präsenzformen Privatisierung Kulturell-soziale Aspekte Marketingstrategie Wirtschaftliche Aspekte Politisch-rechtliche Aspekte Markt- & Risikobewertung Organisationskultur (Werte & Ethik)
Anzahl der Artikel 102 60 57 42 41 40 38 34 20 20
Anteil an allen Artikeln 31,29 % 18,40 % 17,48 % 12,88 % 12,58 % 12,27 % 11,66 % 10,43 % 6,13 % 6,13 %
Tabelle 8: Top-10 Forschungsthemen – Kontrollgruppe Top-10 Forschungsthemen (Kontrollgruppe) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Transformationsprozess Markteintrittsmethode/Präsenzformen Strategieentwicklung/Strategische Planung Organisationskultur (Werte & Ethik) Privatisierung Politisch-rechtliche Aspekte Investieren in MOE Kulturell-soziale Aspekte Change Management & Organisationsentwicklung 10. Wirtschaftliche Aspekte
Anzahl der Artikel 127 38 32 27 26 26 24 22
Anteil an allen Artikeln 43,64 % 13,06 % 11,00 % 9,28 % 8,93 % 8,93 % 8,25 % 7,56 %
19 17
6,53 % 5,84 %
Der Blick auf das untere Ende der Reihung ist ebenfalls informativ. Dort finden sich jene Forschungsthemen, die bisher gar nicht oder kaum behandelt wurden. Zu den Themen, die null bis zwei Nennungen in der Haupt- und Kontrollgruppe aufweisen zählen: Finanzbuchhaltung & Bilanzierung Internationale Rechnungslegungsgrundsätze Bilanzierungserfordernisse in MOE Kooperation Qualitätsmanagement Planungs- & Controllingsysteme Benchmarking Leistungsbeurteilung Anreizsysteme Betriebsklima & Produktivität
179 Management Accounting Konfliktmanagement F&E-Strategie Obwohl eine Gruppierung dieser Themen nach inhaltlichen Gemeinsamkeiten schwer fällt, ist es doch auffällig, dass Beiträge zur Rechnungslegung und Bilanzierung, zu Planungs-, Informations- und Controllingsystemen, Benchmarking und Kooperation überhaupt nicht oder kaum vorkommen. Themen wie Qualitätsmanagement, Personalthemen wie Leistungsbeurteilung- und Anreizsysteme sowie F&E-Strategie werden ebenfalls vernachlässigt, obwohl sie immer wieder als wichtige Aspekte der Unternehmenstätigkeit in den Transformationsländern aufscheinen. Auch bei dieser Analyse findet sich eine hohe Übereinstimmung zwischen den Resultaten der Haupt- und der Kontrollgruppe. Da Literaturüberblicke dazu neigen, sich eher mit den Schwerpunkten der Forschung und weniger mit den „weißen Flecken“ zu beschäftigen, ist der Vergleich mit vorangegangenen Literaturüberblicken schwierig, da kein Referenzobjekt vorhanden ist. Zudem scheinen bestimmte Themen im Allgemeinen eine geringere Wahrscheinlichkeit der Veröffentlichung in General Management oder International Business Journals zu haben (z.B. Besteuerung, Managementinformationssysteme, Beschaffung, Logistik, Rechnungslegungsrichtlinien). Die Frage, inwieweit die Unterrepräsentiertheit von Themen automatisch einen Forschungsbedarf anzeigt, ist daher ohne zusätzliche Hintergrundinformationen zum Publikationsmuster von Zeitschriften nicht zu klären. Wenn bei bestimmten Fach- bzw. Funktionalbereichen die wissenschaftliche Diskussion stärker in hoch spezialisierten Zeitschriften ausgetragen wird, dann müsste untersucht werden, ob auch internationale Themenstellungen einbezogen sind und so der Wissensaustausch im engeren Fachbereich stattfindet. Bei der Analyse nach dem Länderbezug der Forschungsartikel ist die hohe Konzentration auf wenige Länder, nämlich Russland, Polen und Ungarn, auffällig (Abbildung 4). Während Russland mit 27 % eindeutig das beliebteste Land in der MOE-Forschung ist, folgen Polen (12,88 %) und Ungarn (12,58 %) mit einigem Abstand. Die ersten drei Ränge vereinigen so mehr als 50 % der Forschung auf sich. Die Rangreihung entspricht relativ gut dem zeitlichen Muster der Expansion internationaler Unternehmen in die Region. Der politische und ökonomische Stellenwert eines Landes sowie der Fortschritt im Transformationsprozess prägen nicht nur das Internationalisierungsmuster aus Unternehmenssicht, sondern auch das Forschungsinteresse. Russland als das politische und ökonomische Schwergewicht in der Region hat immer schon eine Sonderposition in der Internationalisierungsstrategie von Unternehmen und damit auch in der MOE-Forschung gehabt. Das starke Interesse an den mitteleuropäischen Ländern Polen, Ungarn, Tschechien und Slowenien spiegelt deren Vorbildfunktion in der Umsetzung der Reformschritte und den wirtschaftlichen Vorsprung wider. Danach folgen die südosteuropäischen Länder Rumänien und Bulgarien, die in den letzten Jahren mit hohen Direktinvestitionsraten und der Aussicht auf eine EUMitgliedschaft glänzen konnten. Parallel dazu haben sich in diesen die Rangliste anführenden Ländern auf den Universitäten eine tragfähige Infrastruktur und ein Wissenschaftsverständnis etabliert, das den Anschluss an die westliche Forschungskultur sucht. Zunehmend wird die Forschung nicht nur von in die U.S.A. oder nach Westeuropa emigrierten, sondern auch von lokalen Forscher/inne/n durchgeführt, allein oder in Kooperation mit Kollegen aus dem Westen.
180 Abbildung 4:
Häufigkeitsverteilung nach Bezugsländern
30%
Anzahl der Artikel
25%
20% Hauptgruppe
15%
Kontrollgruppe
10%
5%
nd tla Es
en ien
ne
Sl ow
Uk ra i
n
ien Bu lg ar ie n
Ru m än
hi e ch ec
Ts
Un ga rn
Po len
Ru ss la
nd
0%
Bezugsländer in den Artikeln
Interessant ist ferner die Betrachtung nach den angewandten Forschungsmethoden. Wie aus Abbildung 5 ersichtlich, basieren 41 % der Artikel auf empirisch-statistischen, 33 % auf empirisch-nicht statistischen Verfahren, und nur 24 % sind rein konzeptionelle Arbeiten. Wieder ist eine hohe Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen der Haupt- und der Kontrollgruppe erkennbar. Durch die Trennung in zwei Perioden, nämlich die 1990-97 und die 1998-2005 Periode, lässt sich die Veränderung im Methodeneinsatz zwischen der ersten und der zweiten Hälfte des Beobachtungszeitraums zeigen. Wir gingen dabei von der Annahme aus, dass am Anfang, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, konzeptionelle Beiträge, die einen Orientierungsrahmen und Handlungsempfehlungen für die Unternehmenstätigkeit in MOE bieten, beliebt waren, jedoch mit zunehmendem Wissensstand die empirisch-statistischen Methoden an Bedeutung gewinnen würden. Tatsächlich lässt sich dieser Effekt nachweisen (Abbildung 6). Wiesen die konzeptionellen Beiträge in der 1990-1997 Periode noch einen Anteil von 34 % auf (und waren damit fast so stark wie die empirischstatischen Verfahren vertreten), so brach dieser in der 1998-2005 Periode auf 12,88 % ein. Sowohl die empirisch-nicht statistischen als auch die empirisch-statistischen Verfahren konnten hingegen um 7 bis 10 Prozentpunkte zulegen.
181 Abbildung 5:
Vergleich nach Forschungsmethoden – Haupt- versus Kontrollgruppe
45% 40%
Anzahl der Artikel (in %)
35% 30% 25%
Hauptgruppe
20%
Kontrollgruppe
15% 10% 5% 0% Konzeptionell
Empirisch-nicht statistisch
Empirischstatistisch
k.A.
Forschungsmethoden
Abbildung 6:
Vergleich der Forschungsmethoden für die Perioden 1990-1997 und 19982005
50% 45%
Anzahl der Artikel (in %)
40% 35% 30% 1990-1997
25%
1998-2005
20% 15% 10% 5% 0% Konzeptionell
Empirisch-nicht statistisch
Empirischstatistisch
k.A.
Forschungsmethoden
Abschließend sind in Tabelle 9 noch die aktivsten Forscher/innen im Fachgebiet aufgelistet. Diese Reihung inkludiert die Beiträge in der Haupt- und der Kontrollgruppe. Die angeführ-
182 ten Werte enthalten sowohl Artikel, die alleine verfasst wurden, als auch jene, die gemeinsam mit Ko-Autor/inn/en publiziert wurden, d.h. jede Nennung als (Co-)Autor/in wurde gezählt. Tabelle 9: Reihung der aktivsten Autor/inn/en Autor 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.
Meyer, Klaus Puffer, Sheila Filatotchev, Igor Buck, Trevor Wright, Mike Fey, Carl Brouthers, Keith McCarthy, Daniel Brouthers, Lance Elenkov, Detelin Peng, Mike Lyles, Marjorie Uhlenbruck, Klaus Tihanyi, Laslo Michailova, Snejina Clark, Ed Makhija, Mona Markoczy, Livia
Anzahl der Artikel 12 12 10 9 8 7 6 6 6 5 5 5 4 4 3 3 2 2
183 4
Qualitative Inhaltsanalyse von Themenfeldern
Während die Auswertung der quantitativen Inhaltsanalyse auf Basis der bibliographischen Daten einen ersten Überblick über Schwerpunkte und Trends in der MOE-Forschung gibt, mangelt es an konkreten Angaben zu inhaltlichen Aussagen. In diesem Kapitel wird daher der Versuch unternommen, die Beiträge aus der Hauptgruppe hinsichtlich ihrer Themen zu ordnen und wesentliche Forschungsergebnisse zusammenzufassen. Bei der Identifikation der Themenfelder orientierten sich die Autoren zuerst an der Häufigkeit der Nennung (Nennung als Kategorie oder Stichwort). Trotzdem bleibt die Auswahl und Aufbereitung der Themenfelder ein subjektiver Interpretationsakt der Autoren. Insgesamt wurden sechs Themenfelder bzw. Forschungszweige ermittelt, die die MOE-Forschung in der Periode 1990-2005 gut repräsentieren (in Klammer die bereinigten Zuordnungen): Transformationsprozess (96 Zuordnungen) Privatisierung (42) Markteintritt (57) Joint Venture (37) Marketingstrategie (39) Change Management und Organisationswandel (25). Von den sechs Themenfeldern sind vier, d.s. der Transformationsprozess, die Markteintrittsentscheidung, die Marketingstrategie sowie das Change Management und der Organisationswandel, eigenständige Forschungsbereiche, die für sich einen Themenschwerpunkt konstituieren, und die anderen beiden Teilbereiche davon, nämlich die Privatisierung als ein zentrales Element des Transformationsprozesses und Joint Ventures als eine Form des Markteintritts. Das überproportionale Forschungsinteresse an diesen beiden Teilbereichen und die perspektivenreiche Diskussion rechtfertigt unseres Erachtens die Hervorhebung als eigene Forschungszweige. In Abbildung 7 sind die sechs Themenfelder nach ihren zeitlichen Erscheinungsschwerpunkten angeordnet, wodurch sich Standardthemen bzw. „Evergreens“ der MOE-Forschung (Transformationsprozess, Markteintritt), eher abgeschlossene Themenbereiche (Privatisierung, Joint Venture, Marketingstrategie) und Aufsteiger (Change Management und Organisationswandel) unterscheiden lassen. Während der Transformationsprozess und die Markteintrittsform in der Beobachtungsperiode durchgängig thematisiert wurden, ist die Beschäftigung mit Joint Ventures, der Privatisierung und der Marketingstrategie bereits wieder vorüber. Hingegen ist ab Mitte der 1990er Jahre ein zunehmendes Interesse an Fragen des Change Management, des Organsiationswandels und der Restrukturierung festzustellen. Im Folgenden wird die Forschung in den einzelnen Themenfeldern näher beschrieben.
184 Abbildung 7:
Zentrale Themenfelder der MOE-Forschung im Zeitablauf 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005
Transformationsprozess Privatisierung Markteintritt Joint Venture Marketingstrategie Change Management
4.1 Transformationsprozess Die Kategorie „Transformationsprozess“, die alle Beiträge mit einem Bezug zum Übergang von der Zentralverwaltungswirtschaft zur Marktwirtschaft umfasst, ist die am häufigsten zugeordnete Kategorie in diesem Literaturüberblick. Dies hängt zum einen mit der zentralen Bedeutung des Transformationsprozesses als Erklärungsansatz für die MOE-Forschung zusammen, womit fast bei jeder Untersuchung zu einem Sachverhalt in einer Transformationsökonomie ein Bezug hergestellt werden kann, zum anderen mit den vielfältigen Betrachtungsmöglichkeiten, die der Transformationsprozess eröffnet. So können die realisierten politischen und rechtlichen Schritte, die die Transformation des institutionellen Rahmens herbeiführen, Gegenstand der Analyse sein: Welche Schritte wurden in welcher Reihenfolge mit welcher Wirkung gesetzt? In umfassenderer Form findet sich dieser Zutritt in der Diskussion der von einem Land gewählten Transformationskonzepte – „Schocktherapie“ versus graduale Reform – wieder. Damit verbunden ist oft die Frage nach dem Zielzustand, nämlich welche Form des marktwirtschaftlichen Modells Ergebnis sein soll (Idealmodell), also angestrebt wird, und welche tatsächlich zum gegebenen Zeitpunkt erreicht wurde (Realmodell). Wenn Prozesse betrachtet werden, dann lassen sich immer Einflussfaktoren unterscheiden, die die Umsetzung fördern oder hemmen. Und schließlich sind die Wirkungen bzw. Ergebnisse des Transformationsprozesses ein wesentliches Thema, die auf verschiedenen Ebenen der Wirtschaft und Gesellschaft zu beobachten sind, wobei hier vor allem die Befunde von Unternehmen, Führungskräften, Mitarbeitern und Konsumenten im Mittelpunkt stehen. Alle diese Perspektiven sind anzutreffen. In den Beiträgen aus den frühen 1990er Jahren stehen wenig überraschend die Transformationsschritte und das Transformationskonzept einzelner (mitteleuropäischer) Länder im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Liberalisierung der Preise, die Währungskonvertibilität und natürlich die Privatisierung werden als Eckpfeiler des Transformationsprozesses hervorgehoben und in ihren nationalen Ausprägungen vorgestellt (Holman et al., 1990; Polak, 1991; Dietl, 1992; Krawczyk und Lopez, 1993). Der Weg des radikalen Systemwechsels bzw. der „Schocktherapie“, der für die meisten Länder der Region das Vorbild war (z.B. Balcerowicz-Plan in Polen), wird dem gradualen Übergangsmodell gegenübergestellt. Der radikale Ansatz gilt für die mitteleuropäischen Länder trotz aller negativer Begleiterscheinungen als die bessere Variante (Welfens, 1992; Johnson und Loveman, 1995). Dies scheint jedoch nicht auf Russland zuzutreffen. Speziell im Vergleich mit China schneidet der russische Weg der Schocktherapie schlechter ab (Buck et al., 2000). Das
185 hervorgegangene russische System der Marktwirtschaft wird als „Hypocapitalism“ beschrieben, das sich durch starke Fluktuationen in der wirtschaftlichen Entwicklung, fehlende Institutionen, ineffizienten Wettbewerb und eine feindliche Haltung gegenüber ausländischen Investoren auszeichnet (Hunter, 2003). Das russische Wirtschaftssystem ist in einer Phase angelangt, die als „Statization“ beschrieben wird, einer Periode mit ausgeprägtem Staatseinfluss auf die Wirtschaft, wo sich die Frage nach der Form der Koexistenz mit dem privaten Sektor stellt (McCarthy et al., 2000). Der am Netzwerkmodell nach japanischer und deutscher Art angelehnte Kapitalismus, der nicht nur den Kapitaleigner als bedeutenden Stakeholder kennt, wird als das geeignetere Modell für die Russische Föderation angesehen (Puffer und McCarthy, 2003). Mehrere Autoren widmen sich auch der Frage nach der Entstehung von marktwirtschaftlichen Systemen sowie nach der Übertragbarkeit von westlichen Modellen auf die Reformländer. Dabei wird auf verschiedene Grundtypen marktwirtschaftlicher Modelle verwiesen, die im Wesentlichen von nationaler Ideologie, öffentlicher Ordnungspolitik und Wirtschaftskultur eines Landes geprägt sind (Brouthers und Lamb, 1995). Die Regierungen der Reformländer sollen daher aus kontingenztheoretischer Sicht jene Form wählen, die am besten mit der Struktur des Kapital- und Arbeitsmarktes, der Geschichte und den Zielen der volkswirtschaftlichen Entwicklung zusammenpassen. Auch werden die aufstrebenden Industrieländer Ostasiens (Südkorea, Taiwan) als das bessere Vorbild für die ökonomische Entwicklung vorgeschlagen, da es größere Ähnlichkeiten in der Entwicklung des Kapitalmarktes, des Rechtssystems und der Infrastruktur gibt (Dickie, 1991). Generell werden Direktinvestitionen von westlichen Unternehmen als förderlich für den wirtschaftlichen Reformprozess angesehen (Welfens, 1992; Healey, 1994; Svetlicic und Rojec, 1994; Akbara und McBride, 2003). Institutionelle Faktoren wie die Qualität der formalen Institutionen, der Anteil des Privateigentums und Fortschritte in der Bankenreform begünstigen den Zustrom von Auslandsinvestitionen und stellen damit wesentliche Standortvorteile dar (Bevan et al., 2004). Für die effektive Restrukturierung auf Unternehmensebene ist die Involvierung externer (strategischer) Investoren und die umfassende Entwicklung der Unternehmensressourcen sowie der Fähigkeit zum Wandel notwendig – die Privatisierung von Staatsunternehmen an das eigene Management und die Massenprivatisierung über Vouchers kann diese Voraussetzungen nicht bieten (Filatotcheva et al., 2003). Die zahlreichen Lücken in Technologie, Produktivität, Marktorientierung, Kapital, Infrastruktur, Umweltbewusstsein, Rechtssystem und Demokratie werden als Hemmnisse für den Transformationsprozess angeführt (Krajic, 1990). Speziell die frühen Beiträge bezweifeln überhaupt den erfolgreichen Übergang zu einem westlichen Marktsystem (Rosefield und Mills, 1990). Verwiesen wird dabei auf die hohe politische Instabilität und Unsicherheit für Unternehmen, die in dieser Phase in der Region tätig sind. Es verwundert daher nicht, dass dem politischen Risiko, seiner Messung und seiner Handhabung (z.B. Markteintrittsform) große Aufmerksamkeit geschenkt werden (Bugajski, 1991; McCarthy und Puffer, 1993; Shama, 1995). Für die Herausbildung eines selbstbewussten Unternehmertums werden in der überbordenden Bürokratie und den institutionellen Defiziten weiterhin Barrieren gesehen (Luthans et al., 2000). Die große Vielfalt der Länder mit ihrer unterschiedlichen Geschichte, Kultur und wirtschaftlichen Ausgangssituation zwingt den ausländischen Investor zu einer detaillierten Analyse, um Chancen und Risiken zu identifizieren (Luthans et al., 1995; Manrai et al., 1996). Die Länder Osteuropas weisen zum einen kulturelle Un-
186 terschiede zu Westeuropa, zum anderen auch untereinander auf, was unterschiedliche Führungsmodelle erforderlich macht (Bakacsi et al., 2002; Elenkov, 1998). Auch dem Unterschied zwischen den Generationen, also jenen Menschen, die unter dem alten und jenen, die bereits im neuen System sozialisiert wurden, ist im Hinblick auf das Verhalten von Managern, Mitarbeitern und Konsumenten besondere Aufmerksamkeit zu schenken (Pribova und Savitt, 1995; Thelen und Honeycutt, 2004). Bei der Analyse der Auswirkungen der Transformation auf den tieferen Strukturebenen lassen sich vielfältige Ansatzpunkte erkennen. Während die formalen (rechtlichen) Institutionen relativ rasch verändert werden können, läuft dieser Prozess bei den informellen Institutionen (z.B. Kultur, Geschäftspraktiken) und auf der Mikroebene langsamer ab (Michailova und Worm, 2003). Anhand einzelner Beispiele wird gezeigt, wie Teilsysteme der Gesellschaft (z.B. Bildungssystem), Branchen (z.B. Werbebranche), Strategie, Struktur und Funktionalbereiche auf Unternehmensebene sowie Akteure (Manager, Konsumenten) davon betroffen sind und wie darauf reagiert wird. Die institutionelle Transformation wird von gewaltigen Umwälzungen auf allen Ebenen begleitet, wie sie auch in Begriffen wie „Konsumentenrevolution“ zum Ausdruck kommt (Hooley, 1993; Feick et al., 1995; Marinov et al., 2001). Die Veränderungen, wie sie beispielsweise bei der Implantierung der Rolle des Marketings in der Gesellschaft, in den Unternehmen und bei den Managern sichtbar werden, laufen dabei auf der Mikroebene parallel und verzögert ab (Thomas, 1994; Zurawicki und Becker, 1994; Pribova und Savitt, 1995). Dabei wird deutlich, dass die Übernahme der notwendigen Neuerungen nur eingeschränkt stattfindet, wenn keine externe Unterstützung vorhanden ist (Bennett, 1996). So ist ohne Hilfe durch westliche Unternehmen der Aufbau einer lokalen Werbebranche aufgrund des Fehlens einer Werbetradition, mangelnden Markenwettbewerbs und einer eingeschränkten Medienwahl nicht möglich. Gleichzeitig kann eine reine Übertragung westlicher Werbepraktiken ohne Anpassung an lokale Praktiken und Gewohnheiten nicht erfolgreich sein (Church, 1992). Ähnliches gilt für das Personalwesen, wo es zu massiven Veränderungen der Arbeitsstandards, Anreizsysteme und Arbeitspraktiken kommt (Kiriazov et al., 2000). Das in Transformationsökonomien anzutreffende lückenhafte institutionelle System lädt zur Überprüfung bestehender Theorien ein. Meyer (2001) hebt die hohen Transaktionskosten für Unternehmen hervor, die in Reformländern tätig sind. Peng (2003) theoretisiert über den zum Transformationsprozess parallel verlaufenden Übergang von einer personalisierten und beziehungsorientierten Transaktionsstruktur, bei der eine netzwerkorientierte Strategie vorteilhaft ist, zu einem regelbasierten, eher unpersönlichem Austauschsystem, das marktorientierte Strategien begünstigt. Auch vertikale Integrations- und Diversifikationsstrategien sind in dieser Situation Spezialisierungsstrategien überlegen (Hunter, 2003).
4.2 Privatisierung Die Privatisierung, also die Überführung von staatseigenen Unternehmen in privates Eigentum, wird als ein Grundelement des Transformationsprozesses angesehen. Die Beiträge beschäftigen sich zum einen mit den Methoden der Privatisierung, zum anderen mit den Auswirkungen der Privatisierung auf die Unternehmensentwicklung und der internen Restrukturierung nach der Privatisierung. Die frühe Literatur betrachtet den Privatisierungspro-
187 zess in einzelnen Ländern (Ungarn, Tschechische Republik, Polen und Russland), beschreibt die verschiedenen Formen, seine Umsetzung und die dabei auftretenden Hindernisse (Holmann et al., 1990; Dietl, 1992; Park, 1998). Einen zentralen Teil nimmt die Diskussion der Vor- und Nachteile der einzelnen Privatisierungsmethoden wie dem Verkauf an externe (ausländische) Investoren, der Massenprivatisierung über die Ausgabe von Vouchers an die Bevölkerung sowie der internen Privatisierung an Manager und Mitarbeiter ein – wobei es noch eine Vielfalt an Teilvarianten gibt (Thomas, 1993). Grundsätzlich wird der Verkauf an ausländische Investoren als vorteilhaft eingeschätzt, speziell wenn damit der Transfer von Kapital, Technologie, Managementwissen und der Zugang zu neuen Absatzmärkten verbunden ist (Fahy et al., 2003). Auch die Auktionen von Kleinbetrieben („Small scale privatization“) werden als Erfolgsbeispiele hervorgehoben. Als Hindernisse werden die Schwierigkeiten bei der Evaluierung der Unternehmen, die Knappheit von lokalem Kapital und das geringe Interesse am Kauf von Anteilen an Staatsunternehmen genannt. Es wird aber auch aufgezeigt, dass die radikalen Privatisierungsprogramme nicht zur gewünschten Restrukturierung geführt, sondern die Entwicklung von unternehmerischen Aktivitäten behindert haben (Spicer et al., 2000; Czaban und Whitley, 2000). In mehreren Fallstudien werden die Restrukturierungsaktivitäten nach der Privatisierung untersucht (McDonald, 1992; Johnson et al., 1995). Die Vermittlung einer Vision, die Entwicklung einer Strategie, die mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit steigert, und das Vorhandensein von Managern, die diese zukunftsorientierte Strategie umsetzen, werden als wesentlich für den Restrukturierungserfolg eingestuft. Strategische Restrukturierung ist dabei wichtiger als rein defensives Downsizing (Uhlenbruck et al., 2003). Investitionen in die Modernisierung der Betriebe und die Weiterentwicklung der Fähigkeiten des lokalen Managements sind ebenfalls erfolgskritisch (Hooley et al., 1996). Bei der Übernahme und Restrukturierung von ehemaligen Staatsunternehmen ist eine besondere Sensibilität im Umgang mit den vielfältigen Interessentengruppen notwendig, speziell mit dem Staat, den regionalen Regierungen und Behörden (Uhlenbruck und Castro, 2000). Minoritätsbeteiligungen der ausländischen Partner als Einstiegsvariante in das lokale Unternehmen erscheinen vor diesem Hintergrund vorteilhaft (Meyer, 2002). Es fällt auf, dass in den Studien zu Russland von mehr Schwierigkeiten ausländischer Investoren nach dem Einstieg bei oder der Übernahme von Unternehmen als in Mitteleuropa berichtet wird (Wright et al., 2002). Eine hohe Übereinstimmung in den Zielen der Partner und der Aufbau von Vertrauen zwischen den Führungskräften beider Unternehmen wirken sich positiv auf den Erfolg aus (Meyer, 2002).
4.3 Markteintritt Die Wahl der Form des Markteintritts und in Folge die der weiteren Präsenzformen ist ein zentrales Thema der Internationalisierungstheorie. Es überrascht daher nicht, dass die Öffnung Mittel- und Osteuropas der Internationalisierungsforschung eine neue Gelegenheit bot, sich diesen Fragen nun unter den spezifischen Rahmenbedingungen von Transformationsökonomien zu widmen. Die Beiträge in den 1990er Jahren zeichnen sich durch eine große Vielfalt in der Schwerpunktsetzung aus, was ein Zusammenfassen in Themengruppen schwierig macht. Dazu kommt noch, dass die Form des Markteintritts nicht nur selbst Gegenstand der Untersuchung ist, sondern auch als wesentliche Einflussgröße bei anderen oder breiter angelegten Themenschwerpunkten vorkommt (z.B. Marktbearbeitung von
188 einzelnen Ländermärkten, Marketingstrategien, Corporate Restructuring). In den Beiträgen aus den 1990er Jahren stehen eher die klassischen Fragestellungen im Mittelpunkt. Dazu zählen die Motive des Markteintritts, wobei die Dominanz marktorientierter gegenüber kostenorientierter Beweggründe aufgezeigt wird, sowie die Wahl der geeigneten Markteintrittsmethode (Quelch et al., 1991; Rolfe und Doupnik, 1996; Knight und Webb, 1997; Pye, 1998). Die Arbeiten haben vielfach den Charakter von Richtlinien und Handlungsempfehlungen –„Guidelines for entering CEE markets“ oder „Ways of entering the Polish market“ (Quelchet al., 1991; Guzek, 1992). Die hohe Ungewissheit durch die sich ständig verändernden institutionellen Rahmenbedingungen lassen eine Präferenz für Joint Ventures mit lokalen Partnern erkennen. Dies schlägt sich in einer umfangreichen Literatur zu internationalen Joint Ventures nieder, weshalb wir die Ausführungen hierzu in einen eigenen Themenschwerpunkt ausgliedern. Exporte und Joint Ventures werden als Einstiegsmethode mit geringem Risiko für ausländische Unternehmen empfohlen. Auch der Nutzen von Netzwerken für Klein- und Mittelbetriebe wird für den Einstieg in Russland hervorgehoben (Meyer und Skak, 2002). Aufgrund des mangelhaften institutionellen Rahmens präferieren Investoren netzwerkorientierte Strategien, die auf persönlichem Vertrauen und informellen Vereinbarungen zwischen den Akteuren beruhen und damit die notwendige Sicherheit für die Geschäftstätigkeit in substitutiver Form schaffen. In einer späteren Phase, in der der Transformationsprozess schon weiter fortgeschritten ist und das Unternehmen mehr Erfahrung mit den lokalen Marktbedingungen gesammelt hat, werden dann intensivere Engagements vorgenommen. Bei U.S.-Unternehmen konnte in der Mitte der 1990er Jahre diese Intensivierung festgestellt werden, als diese damals verstärkt zu Tochtergesellschaften übergingen (Shama, 1995; Filatotchev et al., 1996). Dies kann auf ein reduziertes wahrgenommenes Risiko und ein erhöhtes Commitment zurückgeführt werden. Jedenfalls ist für langfristige Investoren ein Denken in Phasen angebracht, um die Risiken aus dem Marktengagement beherrschen zu können. Parallel zur inkrementalen Internationalisierung bieten sich in den Transformationsökonomien Akquisitionen von lokalen Unternehmen im Zuge des Privatisierungsprozesses an. Die Rolle der Regierung als Eigentümerin des zu übernehmenden Unternehmens und die besonderen Risiken in den post-kommunistischen Ländern sorgen für eine spezielle Konstellation und damit Verhandlungssituation in diesem Übernahmeprozess. Der Fit zwischen den beiden Unternehmen wird dabei als wesentlicher Erfolgsfaktor identifiziert (Uhlenbruck und De Castro, 2000). In mehreren Fallstudien werden die Erfahrungen westlicher Unternehmen mit ihrer Markteintrittsstrategie untersucht (Marinov und Marinova, 1998; Obloj und Thomas, 1998; Morgan und Thorpe, 2001). Dabei zeigt sich, dass proaktive Strategien, die auf den First Mover Advantage aufbauen, den Pionierunternehmen die Erlangung von starken Marktstellungen erlaubte (Pye, 1998; Bridgewater, 1999). Im Fall von Akquisitionen war der Erfolg von der raschen Restrukturierung der erworbenen Unternehmen und der Implementierung westlicher Managementmethoden abhängig. Ab 2001 ist eine markante Hinwendung zu einer stärker theoriegestützten Forschung zu erkennen. Brouthers und Brouthers (2001) können anhand von MOE-Zielländern das Paradoxon der Kulturdistanz aufklären, dass nämlich für kulturell entfernte Länder sowohl kooperative Eintrittsformen als auch vollbeherrschte Tochtergesellschaften empfohlen werden, indem sie als moderierende Variable das Investitionsrisiko einführen: Bei hohem Investitionsrisiko werden Tochtergesellschaften, bei niedrigem Joint Ventures bevorzugt.
189 Mit seinem Beitrag „Institutions, Transaction Costs, and Entry Mode Choice in Eastern Europe“ stellt Meyer (2001) eine Verbindung zwischen dem Transformationsfortschritt und der Präferenz für Tochtergesellschaften her. Meyer und Estrin (2001) stoßen in ihrer MOEForschung auf eine Mischform aus Akquisition und Greenfield Investment, die sie „Brownfield Entry“ nennen. Dabei wählen ausländische Investoren aufgrund des besseren und schnelleren Zugangs zum Markt und zu lokalen Ressourcen den Kauf eines lokalen Unternehmens, das sie dann aber einer radikalen Restrukturierung unterziehen, was somit fast einer Neugründung gleichkommt. Die Institutionentheorie, der Transaktionskostenansatz und der ressourcenorientierte Ansatz erfahren im Kontext der Transformationsökonomien eine zunehmende Beliebtheit (Broutherset al., 2003; Meyer und Peng, 2005; Wright et al., 2005). Aufgrund von „schwachen“ Institutionen und hoher Unsicherheit im Geschäftsgebaren sind die Transaktionskosten sehr hoch, was kooperative bzw. netzwerkbasierte Eintrittsformen wie Allianzen und Joint Ventures begünstigt. Generell ist die Tendenz erkennbar, den Einfluss des institutionellen Bedingungsrahmens in der Forschung stärker zu berücksichtigen, da seine moderierende Wirkung zu abweichenden Resultaten führen kann. Zu sehr hat die Forschung bisher auf die formellen Institutionen abgestellt, während dem Einfluss der informellen Institutionen (z.B. Geschäftspraktiken, nationale Kultur) weniger Bedeutung beigemessen wird. Auch wird dabei von einer Stabilität ausgegangen, die bei diesem fundamentalen Wandel („Kollektiver Kulturschock“), den diese Gesellschaften mitgemacht haben, nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Die Forschung zu Transformationsökonomien geben dieser neuen Sichtweise Aufwind und stellen institutionelle Aspekte stärker in den Mittelpunkt der Analyse. Ihr Einfluss reicht von der Wahl der Eintrittsmethode bis hin zur Wirksamkeit von Anreizsystemen (Meyer und Peng, 2005). Aus ressourcenorientierter Perspektive kann gezeigt werden, dass sich die üblicherweise erfolgversprechende Komplementarität der Ressourcen des erwerbenden und des übernommenen Unternehmens unerwarteterweise negativ auf den Erfolg des Unternehmens nach der Übernahme auswirkt – die Bedeutung des „Organizational fit“ wird damit in Frage gestellt (Uhlenbruck und De Castro, 2000; Wright et al., 2005). Diese – vielfach paradoxen – Fälle sind als Ausgangspunkt für ein Forschungsprogramm gedacht, in dem Transformationsökonomien verstärkt als Prüfstand für in industrialisierten Ländern und damit in relativ stabilen Umwelten entwickelte Theorien herangezogen werden (Meyer und Peng, 2005).
4.4 Joint Venture Joint Ventures werden bei diesem Literature Review aufgrund ihrer hohen relativen Häufigkeit als Untersuchungsobjekt als eigener Forschungszweig hervorgehoben. Insgesamt 37 Beiträge befassen sich mit internationalen Joint Ventures, die vornehmlich zwischen westlichen und MOE-Partnern eingegangen wurden. In den frühen Beiträgen werden die Joint Ventures als eine Form der Markteintrittsstrategie mit alternativen Formen verglichen. Die Gründe, die dabei für Joint Ventures aus westlicher Investorensicht sprechen, sind die niedrigen Lohnkosten für gut ausgebildete Arbeitskräfte, der Zugang zum lokalen und zu westeuropäischen Märkten (Hisrich und Jones, 1992; Lawrence und Vlachoutsicos, 1993). Später rückt die Suche nach den Erfolgsfaktoren in den Mittelpunkt. Die untersuchten Einflussfaktoren spannen sich von Joint Venture bezogenen Merkmalen bis hin zu externen
190 Einflüssen wie der nationalen Kultur und regulativen Rahmenbedingungen. Die Studien bestätigen, dass ein gute Übereinstimmung zwischen den artikulierten Zielen der Partner und den Interessen des Top-Managements, die Unterstützung durch die Muttergesellschaften und das sichtbare Engagement des ausländischen Partners positiv zum Joint VentureErfolg beitragen (Hamil und Hunt, 1993; Woodside et al., 1993; Lyles und Baird, 1994; Zeira et al., 1997; Steensma und Lyles, 2000). Die Erhaltung guter Beziehungen zwischen den Partnern und ein hohes Maß an Sensibilität für die lokale Kultur und die Entwicklungsnotwendigkeiten des Gastlandes sind ebenfalls vorteilhaft (Cyr, 1997). Die Eigentümerstruktur ist ein wichtiges Thema, wobei im Kontext der Transformationsökonomien der Einfluss der Gastlandregierung als ein Key Stakeholder am Joint Venture hinzukommt (Brouthers und Bamossy, 1997). Während sich ein starker Interessenkonflikt zwischen den Partnern negativ auf den Erfolg auswirkt, kann ein leichter Konflikt sogar förderlich sein (Fey und Beamish, 1999). Ähnliche Organisationsklimata und geringe Differenzen in den nationalen Kulturen wirken jedenfalls stabilisierend (Meschi und Roger, 1994; Fey und Beamish, 2000), wobei die Homogenisierung von Werten, Praktiken und Systemen im Joint Venture häufig durch die Übernahme jener der westlichen Partner zustande kommt (Danis und Parkhe, 2002). In mehreren Arbeiten wird auf die Bedeutung von externer Unterstützung, des Trainings der Mitarbeiter und des Ausbaus der Lernkapazität im Allgemeinen verwiesen (Lyles und Salk, 1996; Lane et al., 2001). Die Joint Ventures bieten auch eine gute Basis für die Untersuchung des Wissenstransfers in Organisationen. Unterschiedliche Grade der sozialen Einbindung zwischen Muttergesellschaften und Joint Venture-Partnern prägen den Art und Umfang des Wissenstransfers innerhalb des Unternehmens (Dhanaraj et al., 2004). Die Beliebtheit von Joint Ventures als Forschungsgegenstand dürfte aus dieser Ballung an vielfältigen Einflussfaktoren auf das internationale Management in einem abgegrenzten Untersuchungsobjekt resultieren. Diese Einflüsse reichen von volkswirtschaftlichen Interessen der Empfängerländer über rechtliche Rahmenbedingungen, nationale und organisationale Kultureinflüsse („Cultural collision“) bis hin zu den Interessen der einzelnen Partner. Damit ergibt sich die Möglichkeit, die Entwicklung und Führung von Joint Ventures und ihres Erfolgs aus unterschiedlichsten theoretischen Perspektiven zu betrachten (z.B. Konfliktmanagement, Wissensmanagement, Kultureinfluss, strategischer Fit von Zielen, Wertsystemen und Organisationskulturen, Stakeholder-Theorie). Der „transitorische Charakter“ von Ost-West Joint Ventures, also die Tatsache, dass diese Gemeinschaftsunternehmen später oft in einer vollbeherrschten Tochtergesellschaft des westlichen Partners endeten, schafft dann noch eine reizvolle methodische Herausforderung, nämlich die Operationalisierung des Joint Venture-Erfolges (Lyles und Baird, 1994; Meschi und Roger, 1994).
191 4.5 Marketingstrategie Mit dem Wandel von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft und von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt kommt dem Marketing eine wichtige Rolle im Transformationsprozess zu (Marinov et al., 2001). Speziell die Veränderungen auf Unternehmensebene und bei den Käufern finden dabei Aufmerksamkeit in der Forschung. Die Unterschiede zwischen dem Marketingumfeld, den Marktstrukturen, der Medien- und Distributionslandschaft von Transformationsökonomien und Industriestaaten und die daraus resultierenden Konsequenzen für das Marketingmanagement stehen im Mittelpunkt der Betrachtung (Batra, 1997; Manrai et al., 2001). Um im neuen Markt- und Wettbewerbsumfeld zu überleben, müssen sich die Unternehmen an die neuen Spielregeln anpassen. Zahlreiche Beiträge beschäftigen sich daher mit der Marktorientierung von Unternehmen, wie sie entwickelt und in die Organisation implantiert werden kann (Domanski, 1992; Shipley und Fonfara, 1993; Hooley et al., 1995; Privbova und Savitt, 1995; Hooley et al., 2000; Hooley et al., 2003). Die Bedeutung der Marktorientierung wird auf strategischer Ebene erkannt, es fehlt jedoch oft an Spezialisten auf operativer Ebene, sodass es zu keiner Umsetzung von Marketingaktivitäten im gewünschten Umfang kommt. Ausländische Partner bringen jedenfalls eine Langfristorientierung und einen aggressiveren Zugang zum Marketing ein (Hooley et al., 1995). Beim Vergleich nach Unternehmenstypen zeigt sich, dass Unternehmen mit ausländischen Partnern vor den neugegründeten lokalen Unternehmen und den ehemaligen Staatsunternehmen die höchste Marktorientierung aufweisen und die anderen Gruppen im Hinblick auf das finanzielle Ergebnis ausstechen (Fahy et al., 2000). Am schlechtesten schneiden dabei die noch immer in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen ab. Die lokalen Unternehmen streben vornehmlich die Erhaltung und Verteidigung ihrer Marktstellungen an und versuchen in den frühen 1990er Jahren, vor allem auf der Kostenseite effizienter zu werden (Hooleyet al., 1993). Die Unternehmen sind damit konfrontiert, gleichzeitig sowohl ihre Kostenposition als auch die Qualität ihrer Produkte und Leistungen zu verbessern, um die anspruchsvoller gewordenen Konsumenten zu befriedigen. Der beschleunigte technische Wandel, der für lokale Unternehmen den Zugang zu neuer Technologie zur Überlebensfrage macht, kommt noch erschwerend hinzu (Witt, 1998). Als Erfolgsfaktoren werden in Ungarn Anfang der 1990er Jahre – in dieser Reihenfolge – ein wettbewerbsfähiger Preis, eine hohe Produktqualität sowie ein guter Ruf des Unternehmens bzw. der Produktmarke angesehen (Hooley, 1993). Eine russische Studie unterstreicht die Bedeutung einer hohen Produkt- und Servicequalität für den Unternehmenserfolg (Golden et al., 1995). Erfolgreiche Unternehmen passen sich rascher an die veränderte Marktsituation an und wissen um die große Bedeutung von Marktforschung und Neuproduktentwicklung für den Markterfolg. Diese Sichtweise spiegelt sich auch auf der Käuferseite wider. In den Beiträgen werden die fundamentalen Veränderungen im Kauf- und Entscheidungsverhalten seit der wirtschaftlichen und politischen Öffnung hervorgehoben (Shama 1992; Batra, 1997). Die Suche nach qualitativ hochwertigen Produkten wird betont, ebenso die Bedeutung des Herkunftslandes bei der Produktwahl (Klenosky et al., 1996). Auch wird auf die Gefahr hingewiesen, einen einheitlichen regiozentrischen Ansatz in MOE zu verfolgen, da es substanzielle Unterschiede zwischen den Konsumenten in den einzelnen Ländern gibt (Lascu et al., 1996). Trotzdem überwiegt ein hoher Standardisierungsgrad bei den Marketingprogrammen ausländischer Unternehmen in der Region (Schuh, 2000). Kosten-, Risikoaspekte und die
192 Erhaltung eines einheitlichen Images bei globalen Marken sind für den Strategietransfer bei westlichen Unternehmen ausschlaggebend. Anpassungen an lokale Märkte werden meist nicht über weitreichende Modifikationen der bekannten internationalen Marken, sondern über Mehrmarkenstrategien, also über die Einführung neuer regionaler und lokaler Marken, und über die Veränderung peripherer Marketingelemente vorgenommen. Auch die Regionalisierung von Marketingstrategien spielt dabei eine wichtige Rolle. Marinov et al. (2001) raten zu einer „Contextualized Marketing Strategy“, in der eine durchaus in den Grundzügen international standardisierte Marketingstrategie an lokale Konsumgewohnheiten angepasst wird und damit ihre Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht.
4.6 Change Management und Organisationswandel Der Wandel ist ein Kernthema der MOE-Forschung. Wenn sich der institutionelle Rahmen im Zuge des Transformationsprozesses verändert, sind auf Unternehmensebene ebenfalls Anpassungsprozesse notwendig. Eine zentrale Frage dabei ist, wie in Transformationsökonomien tätige Unternehmen mit diesem radikalen externen Wandel umgehen sollen, wenn ihnen noch die klaren marktwirtschaftlichen Orientierungssysteme fehlen, die sich gerade im Entstehen befinden. Zudem erfolgt die Veränderung des formalen institutionellen Rahmens rascher als jene der informellen Institutionen, wie Geschäftspraktiken und nationale Kultur, was zusätzlich eine Asymmetrie entstehen lässt, die beispielsweise die Implementierung westlicher Managementmethoden behindert. „Institutional imperfection“ und „institutional baggage“ erschweren den erwünschten organisatorischen Wandel (Roth und Kostova, 2003). Die institutionelle Transformation führt zu hoher Unsicherheit und Konfusion, da das alte System noch nicht abgeschafft und das neue noch nicht angekommen ist. Ist der institutionelle Wandel zu extrem, sinkt sogar die Wahrscheinlichkeit für eine organisatorische Transformation. In dieser Situation fällt es den Managern schwer, neue organisatorische Vorlagen bzw. Referenzsysteme zu finden, an denen sie sich ausrichten können, und auf ihre Erfahrungsmodelle ist auch kein Verlass mehr (Newman, 2000). Die Erklärungen für erfolgreichen organisatorischen Wandel sind mannigfaltig. Unbestritten ist, dass eine starke Führungspersönlichkeit, die eine Vision vom überlebensfähigen Unternehmen hat und diese kommunizieren kann, für den Wandel wichtig ist (Johnson et al., 1995; Allmendinger und Hackman, 1996). Transformationale Führungskräfte, die das neue Wertsystem und die damit verbundene Einstellungsänderung initiieren können, sind dabei gefragt (Elenkov, 2002). Speziell im autoritätsgläubigen Russland sind es charismatische Führer, die auf proaktive Weise die Spielregeln bestimmen und Initiativen setzen und damit zu Treibern des systemischen Wandels werden (Kets de Vries et al., 2004). Allerdings ist das soziale und kulturelle Umfeld (wahrgenommene Hilflosigkeit, Apathie, Korruption) nicht gerade günstig für das Hervorbringen von transformationalen Führern (Luthans et al., 1998). Als weitere wichtige Change Agents werden ausländische Investoren wahrgenommen (Obloj und Thomas, 1998; Meyer, 2002). Sie initiieren nicht nur den Wandel in den von ihnen übernommenen ehemaligen Staatsunternehmen durch das Einbringen einer Vision und einer erfolgversprechenden strategischen Ausrichtung, sondern auch durch die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel, Technologien, Managementsysteme und Ausbildungsprogramme (Fey et al., 1999). Von ausländischen Eigentümern dominierte Unter-
193 nehmen unterscheiden sich von lokalen dadurch, dass sie ein neues Management einsetzen, mehr neue Produkte auf den Markt bringen und eine schmalere Produktlinie führen (Czaban und Whitley, 2000). Hingegen weisen weiterhin von lokalen Eigentümern und Managern geführte Unternehmen geringere Veränderungen in Strategie, Strukturen und Betriebssystemen auf, was sich negativ auf das finanzielle Ergebnis auswirkt. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Beispiele existieren, wo lokale Unternehmen auch ohne die Hilfe westlicher Partner und mit demselben Management eine erfolgreiche Restrukturierung schafften, indem sie ungenutzte Vermögenswerte abstießen, sich externe Investoren suchten und in neue Technologien investierten (Uhlenbruck et al., 2003). Bei extremen institutionellen Umbrüchen ist außerdem Vorsicht beim Einsatz von ausländischen Top-Managern geboten, da diese Schwierigkeiten haben, ihr Managementwissen und ihre Erfolgsmodelle in diesem unsicheren Umfeld produktiv einzusetzen (Newman, 2000). Dies führt zur Suche nach „hybriden“ Managern, also heimischen Managern mit Erfahrung im kapitalistischen Ausland oder ausländischen Managern mit familiären Wurzeln im Gastland, die beide Systeme kennen. Bei der Umsetzung von Veränderungen in den Unternehmen tendieren die meisten Autoren zu einer eher evolutionären Vorgangsweise. Hier reichen die Vorschläge von „dualen Strukturen“, in denen das alte und neue System für eine kurze Zeit parallel geführt werden (Blazejewski und Dorow, 2003) bis zur Gewährung eines hohen Grads an Autonomie für das übernommene Unternehmen, auch bei höheren kurzfristigen Kosten, damit Management und Mitarbeiter das richtige Führungsmodell finden können (Meyer und LiebDoczy, 2003). Durchgängig wird die erfolgskritische Rolle des Lernens und von Ausbildungsmaßnahmen hervorgehoben (Shipley und Fonfara, 1993; Engelhard und Nägele, 2003; Uhlenbruck et al., 2003). Erfolgreiche Neuausrichtungen sind das Ergebnis von Ressourcenaufwertungen, Investitionen und umfassenden Trainings auf allen Ebenen. Gerade die Weitergabe des wichtigen Erfahrungswissens funktioniert nur über einen intensiven Wissensaustausch zwischen Expatriates und dem lokalen Management und den Funktionalexperten. Bisher in seiner Bedeutung unterschätzt wird das Mikro-Management im Restrukturierungsprozess, das den Wandel des Referenzsystems („New frame of action“) und der Einstellungen der Mitarbeiter herbeiführt (Blazejewski und Dorow, 2003). Die Barrieren für einen erfolgreichen organisatorischen Wandel sind zahlreich. Nationale Kulturfaktoren (z.B. „One man authority“; Anti-Individualismus) und mangelnder Wissensaustausch verhindern oft partizipative Führungsmodelle und Empowerment (Michailova, 2002; Fey et al., 1999). Defensives Downsizing statt strategischer Restrukturierung, mangelnde Ressourcen, um notwendige Modernisierungen durchzuführen, und der Fokus auf singuläre Änderungen anstatt möglichst simultaner Veränderungen von Strukturen, Betriebsprozessen und Anreizsystemen werden ebenfalls als Hindernisse genannt (Uhlenbruck et al., 2003; Obloj und Thomas, 1998).
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Schlussfolgerungen und Diskussion zukünftiger Entwicklungsrichtungen
Insgesamt gingen 617 Artikel, die sich mit der Unternehmenstätigkeit in Mittel- und Osteuropa befassen, in diesen Literaturüberblick ein. Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse geben einen guten Überblick über die Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Mittel- und Osteuropaforschung nach der politischen Wende im Jahr 1989. Aus der Häufigkeitsverteilung über den Zeitraum 1990-2005 lassen sich keine eindeutigen Trends ableiten. Jahre mit einer geringeren Zahl an Veröffentlichungen wurden immer wieder von stärkeren Jahren abgelöst. Im Durchschnitt wurden im Betrachtungszeitraum 20 Artikel pro Jahr veröffentlicht. Jedenfalls zeigt die Entwicklung, dass sich die MOE-Forschung als regionale Perspektive im International Business etablieren konnte. Die MOE-Forschung ist auch keine Modeerscheinung, wie von Schuh und Pacolt (2000) angenommen, bei der das Interesse der Forscher/innen (und Herausgeber) nach einer anfänglichen Euphorie im Zusammenhang mit der politischen und wirtschaftlichen Öffnung dann wieder abnimmt. In den 23 Zeitschriften zum Management, internationalen Management und Marketing der Hauptgruppe konkurrierten die MOE-Beiträge immerhin mit anderen regionalen und thematischen Schwerpunkten um knappen „Journal Space“. Dass die MOE-Forschung über 16 Jahre in diesen führenden Zeitschriften vertreten war, ist ein Beweis für das Interesse an diesem Thema und für die Qualität der Forschungsbeiträge. Unsere Ausgangsthese war, dass der Transformationsprozess von der Plan- zur Marktwirtschaft den zentralen Erklärungsansatz für die betriebswirtschaftliche MOEForschung darstellt (Schuh und Springer, 1997; Peng, 2000). Um in den Reformländern erfolgreich zu sein, muss das Management auf die sich wandelnden institutionellen Rahmenbedingungen Rücksicht nehmen, was sich insbesondere beim Einstieg in einen mittelund osteuropäischen Markt in der richtigen strategischen Positionierung niederschlägt. Die Resultate der Inhaltsanalyse unterstreichen diese Auffassung. Zwei Drittel der Artikel beschäftigen sich mit der Wechselwirkung zwischen Umwelt und Unternehmen, ein Drittel mit Strategiefragen. Diese prononcierte Umwelt- und Strategieorientierung sowie die zentrale Rolle des Transformationsprozesses finden sich auch auf der Ebene der Forschungsthemen wieder: Der „Transformationsprozess“ (31 % aller Artikel), „Strategieentwicklung/Strategische Planung“ (18 %) und die „Markteintritts-/Präsenzform“ (18 %) sind die am häufigsten aufscheinenden Themen in unserer Stichprobe. Wie die inhaltliche Interpretation der Forschungsströmungen zeigt, interessiert vor allem das Unternehmensverhalten in Umbruchsphasen. Ein lückenhafter institutioneller Rahmen sorgt für eine erhöhte Unsicherheit bei den Unternehmensentscheidungen, die über die Wahl von netzwerkorientierten Eintrittsstrategien und mit der Übertragung von Markenstrategien zu bewältigen versucht wird. Schwierigkeiten ergeben sich aus der langsameren Anpassung der informellen Institutionen und der tiefen Strukturen, womit Geschäfts- und Arbeitspraktiken, Einstellungen und Wertvorstellungen gemeint sind. Hier ist der Aufwand ungleich größer, der sich durch die Anpassung an westliche Orientierungssysteme ergibt und einen umfassenden „Erziehungsauftrag“ von Geschäftspartnern, Mitarbeitern und Konsumenten beinhaltet. Dabei ist noch mehr „Trial & Error“ in den Vorgangsweisen zu finden, wobei von der Grundtendenz über die Ressourcenaufwertung, Investitionen in die Modernisierung, umfassende Trainingprogramme und intensiven Wissensaustausch zwischen den involvierten Managern beeindruckende Fortschritte erzielt werden konnten. Trotzdem ist das Ergebnis dieses Lernprozesses
195 nicht unbedingt die Kopie des westlichen Modells, sondern ein Management- und Konsummodell mit starken lokalen Einschlägen. Interessant sind aber auch die Veränderungen im Zeitablauf. Beim Vergleich der Beiträge der ersten (1990-97) mit jenen der zweiten Hälfte (1998-2005) des Beobachtungszeitraums sticht der enorme Anstieg der Artikel hervor, die sich mit „Management & Organisation“ (von 16% auf 36 % aller Artikel) und mit dem „Personalwesen“ (von 6 % auf 14 %) befassen. Es scheint, dass sich die Forscher/innen in den letzten Jahren verstärkt den Implikationen des Transformationsprozesses auf der Ebene der Strategieumsetzung und des operativen Managements sowie dem damit induzierten organisatorischen Wandel zuwenden. Artikel, die sich der Corporate Governance, dem Organisationswandel, Leadership und der Motivation der Mitarbeiter widmen, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Aus dem Vergleich der Zeitsegmente lässt sich noch ein weiterer Trend erkennen. Der Anteil der Artikel, in denen empirisch-statistische Methoden verwendet werden, ist von 36 % in der ersten auf 46 % aller Artikel in der zweiten Hälfte angestiegen, während konzeptionelle Studien von 34 % auf 13 % gefallen sind. Diese Entwicklung reflektiert das „natürliche“ Entwicklungsmuster eines neuen (regionalen) Forschungsfeldes. Werden anfangs konzeptionelle Überlegungen zur Erfassung der Besonderheiten des neuen Forschungsfeldes und zu seiner thematischen Strukturierung benötigt, so folgen in einer späteren Phase die empirische Validierung dieser Überlegungen, die Ausdifferenzierung, d.h. die zunehmende Beschäftigung mit Teilaspekten, und die intensivierte Einbindung in übergeordnete Theorien des Faches. Damit verbunden ist ein verstärkter Einsatz von anspruchsvollen statistischen Verfahren. Diese Entwicklung trägt zur Verbesserung der „Wettbewerbsfähigkeit“ der MOE-Forschung bei, da empirisch-statistische Studien eine höhere Veröffentlichungschance in den führenden Managementzeitschriften haben. Obwohl die Ermittlung der forschungsleitenden Hintergrundtheorien nicht Gegenstand dieser Analyse war, zeigt die aktuelle Diskussion in der einschlägigen Literatur zum International Business, dass verstärkt theoriegeleitete Forschung gefordert wird (Werner, 2002; Lu, 2003; Meyer und Peng, 2005). Die Transformationsländer bieten ein ideales Anwendungsgebiet, um Konzepte und Theorien, die im Kontext einer hoch entwickelten Volkswirtschaft entstanden sind, unter verschärften Bedingungen zu testen. Dies gilt sowohl für Erklärungsansätze bzw. Partialtheorien wie den Internationalisierungsprozess, die Wettbewerbsstrategien oder Konsumentenverhaltensmodelle, als auch für allgemeine Organisationstheorien. Speziell für die Institutionentheorie, die Transaktionskostentheorie und den ressourcenbasierten Ansatz bietet die Forschung im Kontext einer Transformationsökonomie gute Möglichkeiten, ihre Prämissen und Aussagekraft zu testen und damit bestehende Erklärungsansätze zu modifizieren oder zu ergänzen (Hoskisson et al., 2000; Meyer und Peng, 2005; Wright et al., 2005). Zusammenfassend gesehen lassen sich in den Beiträgen des betrachteten Zeitraums folgende Trends erkennen: Von deskriptiven und konzeptionellen Beiträgen hin zu theoriebasierten Studien. Von thematisch breiter angelegten Beiträgen hin zu Beiträgen mit einem höheren (funktionalen) Spezialisierungsgrad. Von Strategiefragen hin zu Management- und Organisationsfragen.
196 Von Beiträgen, die an einem einzelnen Land oder an einer Ländergruppe in MOE ausgerichtet sind, hin zu internationalen Vergleichsstudien, die zum Teil unter dem Überbegriff „Transition Economy“ oder „Emerging Markets“ laufen. Die aufgezeigten Trends bieten die passende Überleitung zum Blick in die Zukunft, nämlich zur Diskussion der Entwicklungsmöglichkeiten für die MOE-Forschung. Die vorliegende Inhaltsanalyse ist dabei hilfreich, da sie die thematischen Schwerpunkte und Trends aufzeigt und als Basis für eine Diskussion dienen kann. Hervorstechend ist jedenfalls die hohe Bedeutung des Transformationsprozesses, sodass es uns legitim erscheint, ihn als zentralen Erklärungsansatz der MOE-Forschung zu bezeichnen. Gerade die aktuelle Diskussion mit der Aufforderung, den mittel- und osteuropäischen Kontext für die Prüfung und Weiterentwicklung von Theorien zu nutzen, weist auf ein enormes Potenzial hin. Das bedeutet, dass eine Vielzahl von Erklärungsansätzen und Theorien noch ihrer Prüfung unter den extremen Kontextbedingungen einer Transformationsökonomie harren und damit viel Raum für interessante Forschungsprojekte abgeben. Gleichzeitig sollte nicht übersehen werden, dass viele Länder der Region, insbesondere die mitteleuropäischen EU-Länder, den Transformationsprozess als abgeschlossen betrachten und sich bereits als funktionierende Marktwirtschaft sehen. So ist die Tschechische Republik seit 2008 nicht mehr im „Transition Report“ der EBRD enthalten, und auch die anderen sieben EU-Länder, die 2004 Mitglied der EU wurden, sollen bis 2010 den Status einer Transformationsökonomie verlieren (EBRD, 2007). Zwar offerieren die Länder Südost- und Osteuropas, die diesen Prozess noch nicht abgeschlossen haben, weiterhin empirische Evidenz, aber wie lange noch? Was bleibt als zentraler Erklärungsansatz für die MOE-Forschung übrig, wenn das Phänomen in der historisch bekannten Form verschwunden ist? Wird die MOE-Forschung dann zur reinen „Regionalstudie“, oder bieten sich andere Leitthemen für eine Integration an? Für die Fortführung des Transformationsprozesses als dem zentralen Erklärungsansatz in der näheren Zukunft sprechen trotzdem einige Argumente – nicht zuletzt das erwähnte aktuelle Interesse an theorieprüfender Forschung. Zum einen befinden sich noch viele Länder in einem Übergangsstadium zur Marktwirtschaft, und auch außerhalb von MOE gibt es mehrere Länder, beispielsweise in Zentral- und Ostasien, die als Transformationsökonomien zu bezeichnen sind. Es bietet sich hier die Möglichkeit, vergleichende Studien durchzuführen und einen Erkenntnistransfer von den im Reformprozess fortgeschrittenen Ländern zu den noch weniger entwickelten durchzuführen. Die zunehmende Verbreitung von konzeptionell weiter gefassten Begriffen wie Transformationsökonomien bzw. „Economies in Transition“ oder „Emerging Markets/Economies“ deutet auf eine Verschiebung von regionalen zu übergeordneten Ländermerkmalen, die keinen primären regionalen Bezug mehr haben, als Klassifikationskriterien für die Wahl der Forschungsperspektive hin (Meyer, 2001). Die Ausrichtung der Forschung unter umfassenderen Begriffen begünstigt – wenn treffend gewählt – den Analogieschluss und Wissensaustausch zwischen früher begrifflich getrennten Forschungsfeldern. Während der Transformationsprozess auf der Makroebene (institutioneller Rahmen, Wirtschaftspolitik) einem Ende zugehen mag, ist auf der Mikroebene weiterhin das Erbe des Sozialismus wirksam. Die Untersuchung des Makro-Mikro-Zusammenhangs bzw. des so genannten „Trickle Down“-Effekts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemumgestaltung auf der Ebene der nationalen Kultur, der Branchen, Märkte, Unternehmen sowie auf der Ebene des Management- und Konsumentenverhaltens bietet weit reichende
197 Chancen. Die aus der Inhaltsanalyse ablesbare Interessenverschiebung der Forscher/innen in Richtung Management, Organisation und Personalwesen kann als Indikator für das vorhandene große Forschungspotenzial auf der Mikroebene gewertet werden. Als Beispiel sei nur die Frage des Einflusses der Transformation auf Wertvorstellungen und nationale Kulturdimensionen angeführt, wo die Diskussion noch nicht einmal richtig begonnen hat (Bakacsi et al., 2002; Kolman et al., 2003). Verliert hingegen der Transformationsprozess seine forschungsleitende Funktion, kann die MOE-Forschung immer noch als „Regional Studies“ reüssieren. Die Erfassung und Beschäftigung mit den geographischen, wirtschaftlichen und kulturell-sozialen Besonderheiten einer Ländergruppe wird im International Business und Management immer Bedeutung haben, sodass es einen kontinuierlichen Bedarf an wissenschaftlicher Unterstützung gibt. Dieser Bedarf kommt aber vor allem von der Wirtschaftspraxis, die Entscheidungsgrundlagen für die Marktbearbeitung und Führung von Unternehmen in Auslandsmärkten benötigt. Aus wissenschaftlicher Sicht haben reine Regionalstudien im Bereich des International Business bisher einen eher geringen Stellenwert. Auch definieren sich die Wissenschafter/innen in diesem Fachbereich selten als Länder- oder Regionalexperten. Vergleichende Studien können dazu beitragen, den Status von Regionalstudien zu erhöhen, da damit ein höherer Generalisierungsgrad der Aussagen erreicht wird. Beispielsweise betrifft die rapide Globalisierung der Märkte und des Konsumentenverhaltens nicht nur Mittel- und Osteuropa allein, sondern alle wirtschaftlich aufstrebenden Märkte der Welt. Ein Vergleich der Marktentwicklungen, des Einkaufsverhaltens und der Marketingstrategien multinationaler Unternehmen in mehreren Regionen vor dem Hintergrund der Institutionentheorie kann aufschlussreiche Ergebnisse auf Theorieebene bringen. Generell kann als Richtlinie gelten, dass die MOE-Forscher/innen sich an jenen Phänomenen des Managements und der Unternehmenstätigkeit orientieren sollten, die als einzigartig für den regionalen Kontext erachtet werden (Schuh, 2007). Wenngleich die Einzigartigkeit eines Phänomens anfangs oft nur vermutet werden kann – und sich vielleicht später als gar nicht so einmalig herausstellt –, liegt darin die Chance auf neue Einsichten und auf einen theoriebezogenen Erkenntnisgewinn. Neuer wissenschaftlicher Erkenntniswert kann entweder durch das Testen bestehender Theorien, die aus einem anderen regionalen Kontext stammen, oder durch das Neu- bzw. Weiterentwickeln von Theorien („Theory Building“) generiert werden. In beiden Fällen wird das inhärente innovative Potenzial des Regionalbezugs genutzt. Mit der Orientierung an den Prinzipien der (regionalen) Einzigartigkeit und des zusätzlichen Erkenntniswertes werden die Voraussetzungen für die Erzielung eines hohen theoretischen Innovationsgrades des Forschungsbeitrags geschaffen. Die konsequente Ausrichtung der betriebswirtschaftlichen Mittel- und Osteuropaforschung an der Weiterentwicklung der Theorie der internationalen Unternehmenstätigkeit ist die beste Garantie für eine viel versprechende Zukunft dieses Forschungsfeldes.
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