Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber
Klaus-Rainer Bräutigam€•Â€Alexander Gerybadze Herausgeber
Wissensund Technologietransfer als Innovationstreiber Mit Beispielen aus der Materialforschung
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Herausgeber Dipl.- Phys. Klaus-Rainer Bräutigam Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse Karlsruher Institut für Technologie (KIT) 76021 Karlsruhe Deutschland
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Prof. Dr. Alexander Gerybadze Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID) Universität Hohenheim 70593 Stuttgart Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-16512-2â•…â•…â•…â•… e-ISBN 978-3-642-16513-9 DOI 10.1007/978-3-642-16513-9 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort
Neue Materialien sind ein wesentlicher Bestandteil hochinnovativer Technikfelder. Daher bildet die Entwicklung von neuen Materialien sowie von Technologien für deren Produktion und Verarbeitung eine wichtige Grundlage der allgemeinen Technikentwicklung. Viele Erfolge in einer Reihe von Schlüsseltechnologien – wie etwa Bio-, Energie- und Fahrzeugtechnik – wären ohne den Einsatz neuer Materialien nicht denkbar. Nur ein Teil der Neuentwicklungen in der Materialforschung kann jedoch wirtschaftlich erfolgreich eingesetzt werden. Dies ist im Regelfall dann möglich, wenn durch die Materialinnovation neue Produkte ermöglicht und durch diese wiederum neue Märkte erschlossen werden können. Neue Funktionswerkstoffe, die nur in geringen Mengen benötigt werden, finden dagegen oft keinen Hersteller, da die Aufwendungen für ihre Entwicklung hoch sind und gleichzeitig die beim Hersteller selbst stattfindende Wertschöpfung zu gering ist. Die Entwicklung neuer Werkstoffe und deren Überführung in marktfähige Produkte erfolgt in einem Prozess, dessen Erfolg wesentlich von der Qualität der Zusammenarbeit von Materialforschung, Materialherstellung und diesbezüglicher Verfahrenstechnik sowie dem Endanwender und seiner Fertigungstechnik geprägt ist. Dies führt zu einer Reihe von Forschungsfragen, welche auch die Transferkompetenz staatlich finanzierter Forschung berühren. Bei den Forscher(inne)n aus der Materialforschung selbst wächst zudem der Bedarf, sich kompetent und erfolgreich innerhalb der verschiedenen Optionen des Technologietransfers zu bewegen und dabei die eigenen Chancen und Nachteile reflektieren zu können. Der aktuelle Stand der Forschung zur Analyse dieser Innovations- und Transferprozesse bietet kaum empirische Studien, die auf der Ebene konkreten Forschungs- und Entwicklungshandelns ansetzen und die Ergebnisse dieser Analysen mit Erkenntnissen der Wissenssoziologie, Innovationsforschung und Technikfolgenabschätzung verknüpfen. Das hier vorliegende Buch versucht, dieser Situation in besonderer Weise Rechnung zu tragen, indem es Ergebnisse einer über einen längeren Zeitraum durchgeführten begleitenden Untersuchung von konkreten Transfervorhaben mit verschiedenen analytischen und theoretischen Perspektiven verbindet. In dem von der Helmholtz-Gemeinschaft e.€ V. aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds unter der Vertragsnummer SO-031 geförderten Projekt „Wissens- und v
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Vorwort
Technologietransfer in der Materialforschung – Merkmale und Bedingungen erfolgreicher Produktinnovation (InnoMat)“ wurde daher empirisch der Wissens- und Technologietransfer aus staatlich finanzierten Forschungseinrichtungen in die industrielle Anwendung untersucht. Als Beispiele dienten neun Materialforschungsprojekte aus drei Typen von Forschungsorganisationen (Fraunhofer-Institute, Technische Universitäten sowie die Helmholtz Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren). Diese Arbeiten wurden gemeinsam von Forschungspartnern der Forschungsstelle Internationales Management und Innovation der Universität Hohenheim, dem Deutschen Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung Speyer, dem FraunhoferInstitut für System- und Innovationsforschung (ISI) Karlsruhe sowie dem Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) durchgeführt, wobei letztgenanntem auch die Leitung des Gesamtprojektes oblag. Transferprozesse in der Materialforschung zeichnen sich durch hohe Komplexität, die Beteiligung unterschiedlichster Akteure und lange Laufzeiten aus. Erhebungsverfahren müssen daher speziell ausgewählt und darauf abgestimmt werden. In InnoMat wurden systemanalytische Fragestellungen mit etablierten sozialwissenschaftlichen Instrumenten kombiniert. Das Forschungsdesign war explorativ und dialogisch ausgerichtet. Sowohl Materialforschungsteams als auch potentielle Anwender wurden früh in die Durchführung der Studie eingebunden. Zu den eingesetzten Forschungsverfahren gehörten unter anderem Leitfaden-Interviews, teilnehmende Beobachtungen, Workshops mit den Forschungspartnern und den Materialforschern, Dokumentenanalyse und Telefoninterviews sowie themenzentrierte Experten-Interviews. Das Kap.€1 des Buches beschreibt die Zielsetzung der Studie sowie das Projektdesign und gibt einen kurzen Überblick über die in der Studie untersuchten Transferprojekte. In Kap.€2 werden die Bedeutung der Materialforschung, deren Charakterisierung als sektorübergreifendes Forschungs- und Innovationsfeld sowie das Management von Werkstoff-Innovationsprojekten thematisiert. Darüber hinaus werden wichtige Grundlagen für die Folgekapitel des Buches gelegt. Das dritte Kapitel geht zunächst auf das Konzept der nationalen Innovationssysteme ein. Anschließend wendet es sich Aspekten des Wandels der Materialforschung und der Passförmigkeit von materialwissenschaftlichen Anforderungen an die Governance von Forschungs- und Transferprozessen und den institutionellen Strukturen des deutschen Innovationssystems zu. Kapitel€ 4 enthält eine kurze Beschreibung der neun in InnoMat beobachteten Transferprojekte aus der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.€V., aus Instituten der Fraunhofer Gesellschaft sowie aus Technischen Universitäten. Dabei wird einerseits auf die technischen Spezifika der jeweiligen Projekte als auch auf den Verlauf des Transfervorhabens eingegangen. Da mit dem Forschungsvorhaben InnoMat ein dialogischer Forschungsprozess gewählt wurde, nahm auch die Partizipation der Forschungspartner aus der Materialforschung eine besondere Rolle ein. Durch drei Interviewwellen mit jeweils neun Interviews sowie drei gemeinsamen Workshops wurden die Forschungsgruppen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet. Die Ergebnisse dieser „Beobachtung“ werden ausführlich in Kap.€ 5 dargestellt.
Vorwort
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Das Kap.€6 erörtert die Begriffe Ziele, Zielsysteme, Erfolg, Erfolgsfaktoren und Erfolgsmaße von Wissens- und Technologietransfer im Allgemeinen und anhand der Spezifika der neun in InnoMat untersuchten Transferprojekte. Um den Prozess des Wissenstransfers und des Projektmanagements in Werkstoff-Innovationsprojekten eingehend zu untersuchen, wurden aus den neun in InnoMat untersuchten Transferprojekten zwei Werkstoff-Innovationsprojekte ausgewählt, die in einem explorativen Vorgehen über etwa drei Jahre intensiv begleitet und beobachtet wurden. Im Kap.€7 erfolgt eine Beschreibung dieser Werkstoff-Innovationen, des relevanten Marktkontexts und der beteiligten Akteure sowie deren Rolle und Aktivitäten innerhalb der Kooperation. Das Kap.€ 8 geht auf die unterschiedlichen Forschungs- und Transferstrategien der großen Wissenschaftsorganisationen in der außeruniversitären Forschung Deutschlands ein. Im Kap.€ 9 wird mit Hilfe wichtiger theoretischer Grundlagen und der Darstellung sowie Visualisierung empirischer Ergebnisse ein Überblick zu Innovationsnetzwerken und Clustern im Bereich neuer Werkstoffe gegeben. Das Kap.€10 fasst dann die in den einzelnen Kapiteln dargestellten Ergebnisse zusammen und erarbeitet daraus Empfehlungen für Forscherteams, Forschungseinrichtungen, für die Forschungspolitik sowie für das Innovationsmanagement. Die Durchführung des Projekts war nur mit der engagierten Beteiligung der Wissenschaftler aus den neun untersuchten Transferprojekten möglich. Die drei Interviewwellen mit jeweils mindestens einem Interview pro Transferprojekt mit Wissenschaftlern aus den Transferprojekten sowie die drei mit Vertretern aller Transferprojekte durchgeführten Workshops lieferten dabei die empirische Datenbasis für die vorliegende Studie. Wir möchten uns daher bei den am Projekt InnoMat beteiligten Wissenschaftlern von folgenden Einrichtungen ganz herzlich bedanken: • Institut für Hochleistungsimpuls- und Mikrowellentechnik des Karlsruher Instituts für Technologie, • Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.€V., Stuttgart, • Institut für Werkstoffe und Verfahren der Energietechnik 1 des Forschungszentrums Jülich • Fraunhofer Institut für Chemische Technologie, Karlsruhe • Fraunhofer Institut für Silicatforschung, Würzburg • Fraunhofer Institut für keramische Technologien und Sinterwerkstoffe, Dresden • Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen sowie der 3T TextilTechnologieTransfer GmbH, Aachen • Institut für Werkstoffwissenschaften – Lehrstuhl für Polymerwerkstoffe der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg • Institut für Polymer -Werkstoff- und Kunststoff-Technik der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld Besonderer Dank gilt Lambert Feher vom Karlsruher Institut für Technologie, der sich intensiv an der Diskussion von Konzeption und Ergebnissen des Vorhabens beteiligt hat sowie Yasmin Dorostan, die die geführten Interviews transkribiert und
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Vorwort
während eines Praktikums am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse zur Auswertung der Interviews beigetragen hat. Karlsruhe Stuttgart
Klaus-Rainer Bräutigam Alexander Gerybadze
Inhalt
1 Zur Zielsetzung der Studie und ihrem Projektdesign ��������������������������� â•… 1 Peter Hocke, Klaus-Rainer Bräutigam, Torsten Fleischer und Anna Schleisiek 2 B edeutung der Materialforschung und Stand der Forschung im Bereich des Managements von Werkstoff-Innovationsprojekten ����������������������������������尓��������������������������� â•… 17 Alexander Gerybadze, Daniel Gredel und Christopher Gresse 3 Governance des deutschen Forschungssystems ����������������������������������尓��� â•… 77 Hans-Willy Hohn 4 Anwendungsfelder ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������� ╇ 107 Klaus-Rainer Bräutigam, Torsten Fleischer und Peter Hocke 5 W ie Wissenschaftler Transferprozesse gestalten: Technologietransfer im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ����������������������������������尓��������������������������������� ╇ 127 Anna Schleisiek, Klaus-Rainer Bräutigam, Torsten Fleischer und Peter Hocke 6 Erfolg von Technologietransfer in der Materialforschung ������������������� ╇ 181 Joachim Hemer 7 F allstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten ����������������������������������尓��������������������������� ╇ 207 Alexander Gerybadze, Daniel Gredel und Christopher Gresse 8 I nstitutionelle Dynamik und Persistenz im deutschen Forschungssystem ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������� ╇ 247 Hans-Willy Hohn
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Inhalt
╇ 9 R egionale Cluster im Bereich neuer Werkstoffe und ihre Bedeutung für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen ���������������� ╇ 267 Alexander Gerybadze und Sylvie van Cour 10 Schlussfolgerungen und Empfehlungen ����������������������������������尓�������������� ╇ 281 Klaus-Rainer Bräutigam, Torsten Fleischer, Alexander Gerybadze, Daniel Gredel, Christopher Gresse, Joachim Hemer, Peter Hocke, Hans-Willy Hohn und Anna Schleisiek Anhang: Empirisches Design und Vorgehen im Rahmen der qualitativen Sozialforschung in Kapitel 5 ����������������������������������尓������������ ╇ 303 Anna Schleisiek Bibliographie ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������� ╇ 317 Sachverzeichnis ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������� ╇ 329
Autorenverzeichnis
Dipl.- Phys. Klaus-Rainer Bräutigam╇ studierte Physik an der TU Hannover und ist seit 1977 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Seine Arbeitsschwerpunkte sind systemanalytische Studien zu unterschiedlichen Technologien und technischen Verfahren und hier insbesondere deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), 76021 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected] Sylvie van Cour╇ ist seit Januar 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle Internationales Management und Innovation der Universität Hohenheim. Sie studierte Kommunikationswissenschaften mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt an der Universität Hohenheim und der Université de Nice Sophia Antipolis. Ihre Studienschwerpunkte waren insb. Internationales Management, Marketing, BWL/VWL und Public Relations. Ihre Forschungsschwerpunkte sind regionale Innovationscluster sowie die Bedeutung von Talentmigration für das Innovationsmanagement. Hierbei untersucht sie speziell die Rolle von ausländischen Hochqualifizierten in F&E-intensiven, multinationalen Unternehmen. Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID), Forschungsstelle Internationales Management und Innovation, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
[email protected] Torsten Fleischer╇ stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs „Innovationsprozesse und Technikfolgen“ am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Studium der Physik in Berlin, ab 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Angewandte Systemanalyse des Kernforschungszentrums Karlsruhe. Seit 1995 mehrjährige Tätigkeit am Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in Bonn bzw. Berlin. Koordiniert seit 2003 die ITAS-Arbeiten zum Thema Nanotechnologie, unter anderem als Leiter des HGF-Projektes NanoHealth und des xi
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ITAS-Teils im BMBF-Projekt NanoCare. Forschungsinteressen: Technikfolgenabschätzung und Innovationsforschung bei Neuen Materialien und Nanotechnologien sowie deren Anwendungen im Energie- und Verkehrsbereich; Methoden und Verfahren der Technikfolgenabschätzung und der Wissenschaftskommunikation. Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), 76021 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected] Prof. Dr. Alexander Gerybadze╇ Professor für Internationales Management an der Universität Hohenheim und Vorstand am Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID). Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation der Bundesregierung (EFI). Studium der Wirtschaftswissenschaften und Mathematik in Heidelberg und Business Administration in Stanford. Promotion zum Dr. rer. pol. in Heidelberg. 1981–1983 VDI-Technologiezentrum Berlin. 1984–1991 Arthur D. Little International, Mitglied der Geschäftsleitung und des Europäischen Direktoriums. Aktuelle Forschungs- und Beratungsschwerpunkte zu internationalen Hightech-Strategien, zur Organisation von Forschung und Wissenstransfer und zum Management von Verbundprojekten. Einer der Anwendungsschwerpunkte liegt im Bereich der Effizienzsteigerung und Kostensenkung bei Werkstoff-Innovationsprojekten. Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID), Forschungsstelle Internationales Management und Innovation, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
[email protected] Daniel Gredel╇ ist seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Internationales Management und Innovation der Universität Hohenheim. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Reutlingen und der Universidad Politécnica de Valencia. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Management von geistigem Eigentum (Intellectual Property Management), insbesondere in F&EÂ� Kooperationen, sowie der Wissens- und Technologietransfer zwischen öffentlicher Forschung und Industrie. In 2010 absolvierte er einen Aufenthalt als Gastwissenschaftler an der Haas School of Business der University of California in Berkeley. Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID), Forschungsstelle Internationales Management und Innovation, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. Christopher Gresse╇ hat an der Forschungsstelle Internationales Management und Innovation der Universität Hohenheim in Forschungs- und Entwicklungskooperationen promoviert. Er studierte Psychologie mit den Schwerpunkten Arbeitsund Organisationspsychologie sowie Kognitionspsychologie an der Philipps-Universität Marburg und an der RWTH Aachen. Gegen Ende des Studiums war er auch als Gastwissenschaftler an der State University of New York in Binghamton tätig.
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Den internationalen Aspekt des Wissenstransfers untersuchte er während eines Forschungsaufenthaltes an der University of California in Berkeley. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Innovationsmanagement und die Organisation von technologiebezogenem Wissenstransfer. Mittlerweile arbeitet Dr. Gresse im Bereich Business Innovation in der Automobilindustrie. Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID), Forschungsstelle Internationales Management und Innovation, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
[email protected] Joachim Hemer╇ studierte Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Darmstadt. Abschluss 1977 als Diplom-Wirtschaftsingenieur. 1977 bis 1979 wissenschaftlicher Mitarbeiter der TU Darmstadt in einem Forschungsprojekt über die wirtschaftlichen Auswirkungen des informellen Wohnungsbaus in Entwicklungsländern. Danach 8 Monate Studienleiter Industriemarktforschung beim Marplan-Töpfer Marktforschungsinstitut, Rodgau. Seit September 1980 Mitarbeiter des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Gegenwärtige Arbeitsschwerpunkte: Innovationsdienstleistungen, Förderung technologieorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen, Gründungs- und Entwicklungsprozesse junger technologieorientierter Unternehmen, akademische Ausgründungen, Innovationsfinanzierung, Beteiligungskapitalmärkte, regionale technologiepolitische Analysen, Evaluation von Technologieförderprogrammen, wissenschaftliche Begleitung und Beratung von Projektträgern von Innovationsförderprogrammen, Instrumente der Technologie-, Innovations- und Förderpolitik, internationale Politikberatung, Technologietransfer und Zusammenarbeit Wissenschaft-Industrie. Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, Breslauer Straße 48, 76139 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. Peter Hocke╇ Diplompolitologe Dr. phil., „senior fellow“ am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) (früher Forschungszentrum Karlsruhe). Studium der Politischen Wissenschaft, Philosophie und Soziologie in Regensburg und Berlin, in den 1990er Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung „Öffentlichkeit und soziale Bewegungen“ am Wissenschaftszentrum Berlin, seit 2001 aktiv in der problemorientierten Forschung und der Politikberatung am ITAS, seit 2005 Leiter des Redaktionsteams der Zeitschrift „Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis“ und seit 2008 wissenschaftliche Moderation im Bereich der nuklearen Entsorgung. Forschungsinteressen: Soziale und politische Konflikte beim Einsatz von Technologien, die Endlagerung nuklearer Abfälle, Expertenhandeln und Neue Materialien im Kontext der Technikfolgenabschätzung. Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), 76021 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
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PD Dr. Hans-Willy Hohn╇ geb. 1953, Privatdozent an der Fakultät für Soziologie, Dr. rer. soc., Studium der Soziologie, Diplom, Promotion und Habilitation an der Universität Bielefeld. Von 1980 bis 1985 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Internationalen Institut für Management und Verwaltung/Arbeitsmarktpolitik, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). 1985 bis 1986 Assistent am Lehrstuhl für Soziologie der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster. Von 1987 bis 2002 wissenschaftlicher Mitarbeit und Projektleiter am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Köln. Seit 2002 Senior Researcher am Deutschen Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung Speyer. Tätigkeitsschwerpunkte: Soziologie der Zeit, Arbeitsmarktpolitik, Industrielle Beziehungen, Theorie und Empirie des kooperativen Föderalismus, Globalisierung und die Entwicklung nationaler Innovationssysteme. Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Freiherr-vomStein-Straße 2, 67346 Speyer, Deutschland E-Mail:
[email protected] Anna Schleisiek╇ Doktorandin am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Studium der Soziologie (Diplom) mit den Wahlpflichtfächern Politikwissenschaft und Statistik an der Freien Universität Berlin (1998–2005). Wissenschaftliche Mitarbeiterin am ITAS mit Schwerpunkten in Wissenschaftsforschung und qualitativer Sozialforschung (2006–2009). Bereitet eine Dissertation zur Einführung ökonomischer Prinzipien in die wissenschaftliche Praxis vor. Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), 76021 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
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Kapitel 1
Zur Zielsetzung der Studie und ihrem Projektdesign Peter Hocke, Klaus-Rainer Bräutigam, Torsten Fleischer und Anna Schleisiek
Inhalt 1.1â•…Einleitung ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓�����������������╅ 2 1.2â•…Technologietransfer ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓��╅ 3 1.3â•…Zum Projekt ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓�������������╅ 7 1.4â•…Zu den Heimatorganisationen der untersuchten Materialforscher ����������������������������������尓���╅ 9 1.5â•…Projektmodule und „dialogischer Forschungsprozess“ ����������������������������������尓�������������������╇ 11 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓�����������������������������╇ 15
Zusammenfassung╇ Materialwissenschaften, Materialentwicklung und Werkstofftechniken werden weithin als Fundament für die allgemeine Technikentwicklung gesehen, da sie Basisinnovationen und die Anwendung von neuen Technologien in nahezu allen Bereichen moderner Volkswirtschaften überhaupt erst ermöglichen. In diesem einleitenden Kapitel wird zunächst auf die Rolle der öffentlichen Forschungsförderung im Bereich der Materialforschung und Werkstofftechnik eingegangen. Anschließend wird die Bedeutung des Begriffs „Technologietransfer“ erläutert. Die in den weiteren Kapiteln ausführlich dargestellte Studie beruht in ihren Kernelementen auf eigenen empirischen Erhebungen und Recherchen. Ausgangspunkt der Studie, deren Zielsetzung und konzeptionelles Design skizziert wird, sind dabei Transfervorhaben und -projekte, die sich an neun verschiedenen Forschungseinrichtungen aus der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren sowie der Technischen Universitäten der Herausforderung stellten, Transfervorhaben im Feld neuer Materialien erfolgreich umzusetzen.
P. Hocke () Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), 76021 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected] K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9_1, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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1.1 Einleitung Techniken zur Herstellung und Verarbeitung neuer Werkstoffe können als Schlüsseltechnologien für innovationsorientierte Industriegesellschaften gelten. Materialwissenschaften, Materialentwicklung und Werkstofftechniken werden weithin als Fundament für die allgemeine Technikentwicklung gesehen, da sie Basisinnovationen und die Anwendung von neuen Technologien in nahezu allen Bereichen moderner Volkswirtschaften überhaupt erst ermöglichen. In vielen Fällen hängen Innovationen in produktbezogenen Technikfeldern entscheidend davon ab, dass Materialien mit den erforderlichen Eigenschaften entwickelt werden und für Endprodukthersteller verfügbar sind. In diesem Sinne sind Neue Materialen und Werkstofftechniken1 ermöglichende Techniken („enabling technologies“) für andere Technikfelder und damit eine wichtige Voraussetzung für Innovationsfähigkeit und Wirtschaftskraft. So ist beispielsweise die moderne Informations- und Kommunikationstechnik undenkbar ohne die Fähigkeit, das Halbleitermaterial Silizium in geeigneter Form herzustellen und zu bearbeiten. Aber auch für eher traditionelle Branchen wie die Automobilindustrie spielen neue Werkstoffe wie moderne Stähle – und in Zukunft möglicherweise auch in größerem Umfang Verbundmaterialien – eine wichtige Rolle zur Herstellung innovativer Produkte. Die Bedeutung wird auch durch zwei volkswirtschaftliche Kennziffern ausgedrückt: Nach einer Studie der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften („Acatech“) erzielen die wichtigsten werkstoffbasierten Branchen in Deutschland einen jährlichen Umsatz von nahezu 1€Billion€€ und beschäftigen rund 5€Mio. Menschen (Acatech 2008). Dieser Tatsache trägt auch die öffentliche Forschungsförderung Rechnung. Materialforschung und Werkstofftechnik werden durch verschiedene Institutionen sowohl im Rahmen der institutionellen Förderung als auch der Projektfinanzierung unterstützt. Eine eigenständige Förderung der Materialforschung im Rahmen von Förderprogrammen findet durch die Bundesregierung seit den späten 1960er Jahren statt. Die in dieser ersten Phase gewonnenen Ansätze und Erfahrungen zur staatlichen Förderung im Bereich der Material- und Werkstofftechnologien wurden ab 1975 fortgeführt durch eine Förderung im Rahmen des Programms „Rohstoffforschung“, in dem ein zunehmendes Spektrum an Arbeiten aus dem Bereich Rohstoffe und deren industrieller Verwendung sowie der Material- und Werkstofftechnologien gefördert wurde. Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts erfolgte eine Ausweitung der Förderung auf weitere Werkstoffgruppen im Bereich Eisen und Stahl, bevor die unterschiedlichen Ansätze aus dieser Zeit kritisch untersucht und ab 1985 im Programm Materialforschung (1985–1994) zusammengeführt wurden (Dörfler 2003). Dieses Programm formuliert erstmals ein Rahmenprogramm, in dem die gesamte allgemeine Werkstoffforschungsförderung abgedeckt und zusammengefasst ist. In seinem Zentrum stehen Werkstoffe mit einem besonders hohen Innovationspotenzial, die in einzelnen Werkstoffgruppen zusammengefasst 1╇ Unter Werkstofftechniken sind die Prozesstechniken zu verstehen, die zur Herstellung und Verarbeitung neuer Materialien benötigt werden.
1â•… Zur Zielsetzung der Studie und ihrem Projektdesign
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(keramische, polymere und metallische sowie Verbundwerkstoffe) und die mit jeweils spezifischen Teilzielen schwerpunktmäßig gefördert wurden.2 Eine erneute Neuausrichtung erfuhr die Förderung ab 1994 mit dem Programm MaTech. Darin ist die Förderung von Projekten nicht mehr von der Werkstoffgruppe, sondern von der Anwendungsseite der Werkstoffe für „Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts“ (BMFT 1994) in bestimmten industriellen Anwendungsfeldern (Informationstechnik, Verkehrstechnik, Energietechnik, Medizintechnik, Fertigungstechnik sowie neue Felder und Querschnittstechniken) abhängig. Das aktuelle, 2003 vorgestellte Rahmenprogramm der Bundesförderung „Werkstoffinnovationen für Industrie und Gesellschaft – WING“ will die bisher vorliegenden guten Erfahrungen mit der anwendungsorientierten Ausrichtung der Projekte, den geschaffenen Verbundstrukturen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sowie der Integration von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) in den Innovationsprozess nutzen und darüber hinaus die Multidisziplinarität steigern, indem man die für eine erfolgreiche Werkstoffentwicklung relevanten Wissenschaftsdisziplinen und Technologien möglichst auf Projektebene miteinander vernetzt (BMBF 2003). Dabei soll das Programm inhaltlich offener, am gesellschaftlichen Bedarf orientiert und mit flexibleren Handlungsfeldern ausgestaltet sein. Insbesondere den jüngeren Rahmenprogrammen zur Forschungsförderung im Werkstoffbereich ist eine starke Anwendungsorientierung sowie ein deutliches Bekenntnis zu wirtschaftspolitischen Förderzielen wie die Stärkung der Innovationskraft von Unternehmen (WING) oder die Erarbeitung günstiger nationaler Technologiepositionen (MaTech) gemeinsam. Darum wird in ihnen dem Transfer von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen (F&E-Ergebnissen) in die industrielle Anwendung eine Schlüsselrolle zugewiesen.
1.2 Technologietransfer Erfolgreicher Technologietransfer kann insbesondere in diesem Zusammenhang als ein wichtiger Stimulus für innovationsorientierte Industriegesellschaften betrachtet werden. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen wird der Stellenwert, den industrielle Innovationen für wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit und Stabilität besitzen, besonders deutlich. Diese Bedeutung äußert sich nicht nur in politischen Bekundungen und forschungspolitischen Programmen, sondern auch in der Forschungsliteratur. Bevor das entsprechend entwickelte Projektdesign näher beschrieben wird, muss der Schlüsselbegriff des Technologietransfers etwas näher beleuchtet werden. Seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat der Begriff „Technologietransfer“ Einzug in das Vokabular der deutschsprachigen Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften gehalten. Wurde er in den frühen Jahren hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Export von technologischem Wissen in Entwicklungsländer sowie in Bezug auf die Übertragung von Technologien aus deutschen Unternehmen 2╇
Zur Evaluation dieses Programms siehe Braun et€al. (1993).
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in deren ausländische Produktionsstätten verwendet (Walter 2003), beschreibt er heute in erster Linie die Überführung von Technologien aus (in der Regel öffentlich geförderten) Forschungseinrichtungen in die Wirtschaft. In diesem Sinne soll er auch in der hier vorgelegten Arbeit verstanden werden. Folgt man den synoptischen Darstellungen in der Literatur, so ist der Begriff nicht eindeutig festgelegt. Was genau unter „Technologietransfer“ zu verstehen ist und mit welcher theoretischen und analytischen Rahmung das jeweilig angesprochene Konzept verbunden wird, erfreut sich in der breiten Literaturdiskussion durchaus einer gewissen Pluralität.3 Der kleinste gemeinsame Nenner ist wohl, dass allen Beschreibungen eine Perspektive gemeinsam ist, Technologietransfer als einen Teil eines umfassenderen Innovationsprozesses zu sehen. Dieser prozessualen Sichtweise wohnt auch inne, Technologietransfer als ein Mittel zu begreifen, wissenschaftliches und technologisches Wissen in technisch-wirtschaftlich verwertbare Anwendungen zu überführen. Festzuhalten ist in diesem Kontext jedoch, dass nach Corsten Technologietransfer als „planvoller, zeitlich limitierter und freiwilliger Prozess der Übertragung einer Technologie“ betrachtet werden kann (Corsten 1982, S.€11).4 Lange Zeit wurden im klassischen Verständnis Innovationsprozesse als eine Kette sequentiell aufeinander folgender Phasen verstanden. Diese linearen Modelle beginnen mit einer Phase der Grundlagenforschung, die den Ausgangspunkt jeglicher Innovation bildet. Darauf folgen die Phasen der angewandten Forschung, der (Produkt-)Entwicklung und der Produktion, die schließlich in die Vermarktung (Diffusion5) der Innovation münden. Diese Auffassungen haben die frühe Transferforschung geprägt, und sie wirken teilweise bis heute nach. Die lineare Perspektive auf den Innovationsprozess – wie auch auf den Technologietransfer – wurde in Teilen der Innovationsforschung durch ein komplexeres Modell abgelöst. So beschreibt Rogers Technologietransfer als bidirektionalen Austauschprozess und hält fest: Technology transfer is the exchange of technical information between the R&D workers who create a technological information and the users of the new idea. The conventional conception of technology transfer is that it is a process through which the results of basic 3╇ Barry Bozeman fasst dies in seinem ausführlichen Übersichtsartikel – ein wenig launisch – wie folgt zusammen: „In the study of technology transfer, the neophyte and the veteran researcher are easily distinguished. The neophyte is the one who is not confused. Anyone studying technology transfer understands just how complicated it can be. First, putting a boundary on ‚the technology‘ is not so easy. Second, outlining the technology transfer process is virtually impossible because there are so many concurrent processes. Third, measuring the impacts of transferred technology challenges scholars and evaluators, requiring them to reach deep down into their research technique kit bag.“ (Bozeman 2000) 4╇ Dieser Transfer dient nach Corsten der „Reduzierung der Diskrepanz zwischen potenziellem und aktuellem Nutzungsgrad einer Technologie, die beim Technologienehmer häufig mit organisatorischen und/oder technologischen Veränderungen einher geht“ (Corsten 1982, S.€11). Dies können Veränderungen sein, die auch industrielle Anwender vor Herausforderungen stellen, die häufig und gerade unter Marktbedingungen nicht einfach umzusetzen sind. 5╇ Der Begriff der Diffusion von Innovationen wird in der Innovationsforschung auch breiter verwendet, was regelmäßig zu begrifflichen Missverständnissen führt.
1â•… Zur Zielsetzung der Studie und ihrem Projektdesign
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and applied research are put into use. This view implies that technology transfer is a oneway process, usually from university-based basic researchers to individuals in private companies who develop and commercialize the technological innovation. Further, in this traditional and limited view of technology transfer, the technology is seen mainly as hardware technology, a physical product (…). Even when a technology moves in one direction, such as from university or a federal R&D lab to a private company, the two or more parties must participate in a series of communication exchanges as they seek to establish a mutual understanding about the meaning of the technology. (Rogers 1995, S.€141)
Gibson und Rogers (1994) unterscheiden drei unterschiedliche Ebenen (oder Grade) des Technologietransfers: 1. Wissen: Hier erfährt der Rezeptor (der „Empfänger“ im Prozess des Technologietransfers) von einer technischen Innovation und der dahinter stehenden neuen Idee (beispielsweise im Zuge der Medienberichterstattung). 2. Anwendung: Dabei hat der Rezeptor die Innovation in seine Organisation eingeführt. 3. Kommerzialisierung: Hier ist die Innovation in ein Produkt überführt worden, das auf dem Markt angeboten wird. Kommerzialisierung ist von den Dreien der komplexeste und voraussetzungsvollste Teil des Transferprozesses. Er erfordert die größere Zeit und umfangreiche Ressourcen. Auch der kommunikative Aufwand zwischen den am Transfer Beteiligten ist deutlich höher als bei den beiden anderen Ebenen. Gerybadze, Gredel und Gresse weisen in diesem Kontext darauf hin, dass die Kommerzialisierung von Werkstoff-Innovationen einen strukturierten Synchronisierungsprozess zwischen Marktbedürfnissen und potentiellen Anwendungsfeldern sowie den durch eine Werkstoff-Innovation ausgelösten technischen Möglichkeiten erfordert (Gerybadze et€al. 2010). Rogers resümiert wie folgt: These three degrees of technology transfer have often not been recognized in the past, with the result that thinking and writing about technology transfer have been confusing. Scholars who study technology transfer agree, however, that this process often fails. Technology transfer is very difficult, in part because we have underestimated just how much effort is required for it to occur. (Rogers 1995, S.€142)
Moderne Innovationsforschung begreift Technologietransfer als Interaktions- oder Austauschprozess, der die Übertragung von technischem Wissen in die kommerzielle Nutzung zum Ziel hat. Nach Walter werden unter „Technologietransfer wertorientierte, planvolle und zeitlich limitierte Austauschprozesse zwischen Organisationen verstanden, welche die Übertragung von Technologien aus ihrer wissenschaftlichen Basis in wirtschaftliche Anwendungen zum Ziel haben“ (Walter 2003, S.€16). Auch bei der Beschreibung des Austauschgegenstandes hat eine Begriffserweiterung stattgefunden. Während der Begriff „Technik“ im Allgemeinen nützliche Artefakte, deren Produktion sowie die Handhabung der Methode, ein Ergebnis zu erzielen, umfasst, schließt der Begriff neben dem manifesten Materiellen explizit auch als zweites die schwieriger zu fassende Komponente des „Wissens“ mit ein. Wissen ist dabei zu verstehen als all die immateriellen Komponenten, die zur Konzeption, Produktion und Nutzung von Technik sowie deren Weiterentwicklung und
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Anpassung erforderlich sind; häufig handelt es sich dabei auch um „tacit knowledge“, das eng an Personen und Arbeitsgruppen gebunden ist und nicht-verschriftetes Erfahrungswissen einschließt. Da moderne Technik aber – so Schmoch – wesentlich auf neuem Wissen beruht, ist eine Differenzierung zwischen Technik und Technologie kaum noch möglich. Für den Technologietransfer bedeute dieses Verständnis in jedem Fall, dass der Transfer sowohl von Artefakten als auch von anwendungsorientiertem Wissen inkl. seiner taziten Komponenten gemeint sein muss (Schmoch 2001, S.€ 4). Entsprechend erscheint es wichtig, bei der Analyse von innovationsorientierten Transferprozessen immer sowohl auf die Ebene der zu transferierenden Artefakte als auch auf die der zu übermittelnden Wissenskomponenten zu achten. Diese Sichtweise hat auch Einzug gehalten in die aktuellen Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Interaktion zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Der Text liefert zwar keine explizite Definition, legt aber nahe, dass das Gremium Technologietransfer in engem Zusammenhang mit Wissenstransfer sieht, daher konsequent von Wissens- und Technologietransfer spricht und darunter „wechselseitigen Wissensfluss zwischen Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft“ sowie den „Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft (…) durch vielfältige Kanäle, die sich in ihrer Bedeutung sowohl für die einzelnen Einrichtungsformen der Wissenschaftslandschaft in Deutschland als auch für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen unterscheiden“, versteht (Wissenschaftsrat 2007, S.€9). Unter den vielen möglichen Formen solcher Interaktionen gelten dem Wissenschaftsrat die folgenden als wesentlich: kooperative Forschung, An-Institute, Stiftungsprofessuren, gemeinsame Forschungseinrichtungen, Auftragsforschung und -entwicklung, Cluster, Patente und Lizenzen, Spin-offs, personengebundener Transfer und informelle Beziehungen (Wissenschaftsrat 2007, S.€34€ff.).6 Zugleich formuliert der Rat auch Warnungen an möglicherweise überbordende Erwartungen: Einerseits bestätigt er, dass die Beziehung von Wissenschaft und Wirtschaft enger geworden sei und sich gleichzeitig zu einem wichtigen Politikfeld entwickelt habe. Diese deutliche Annäherung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft über die vergangenen Jahrzehnte dürfe jedoch nicht dazu führen, dass sie deckungsgleich würden. Wissenschaft und Wirtschaft fußen „auf der Unterschiedlichkeit dieser beiden gesellschaftlichen Bereiche. Gerade durch die Verschiedenheit werden an den Schnittstellen von Wissenschaft und Wirtschaft kreative Potentiale freigesetzt …“ (Wissenschaftsrat 2007, S.€11€f.). Auf der anderen Seite seien es aber gerade diese Unterschiede, die mitunter zu „Missverständnissen und falschen Erwartungen“ führen und produktive Interaktionen verhindern können. „Das Ziel nachhaltiger Innovationspolitik muss es daher sein, die Austauschprozesse zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern, ohne dabei die Prinzipien und Handlungslogiken der beiden Bereiche zu vereinheitlichen.“ (ebd.)
6╇ Schmoch führt als weitere wichtige Interaktionsformen noch Publikationsaustausch, Konferenzen und Workshops, Personalvermittlung, Diplom- und Doktorarbeiten, die Ausrichtung von Seminaren und die industrienahe Gremientätigkeit an (Schmoch 2003, S.€262€ff.).
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1.3 Zum Projekt Das Projekt „Wissens- und Technologietransfer in der Materialforschung – Merkmale und Bedingungen erfolgreicher Produktinnovation (kurz: InnoMat)“ wird geprägt von der Fragestellung nach Merkmalen erfolgreichen Wissens- und Technologietransfers zwischen Materialforschungsteams aus öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen und Anwendern in Unternehmen, die für die Entwicklung innovativer Produkte und Verfahren die Verantwortung übernehmen. Die Anwender in Unternehmen entscheiden in diesen Prozessen sowohl darüber, ob Entwicklungsergebnisse in die unternehmensinterne F&E-Praxis aufgenommen werden als auch darüber, ob Entwicklungen Erfolg versprechender Neuer Materialen bis zur Produktreife fortgeführt werden. Gegenstand der Untersuchung sind sowohl neue Materialien („advanced materials“) als auch Techniken und Verfahren für ihre Herstellung und Verarbeitung. Viele Erfolge, insbesondere solche im Feld der Schlüsseltechnologien, wären nicht ohne die Innovationskapazität der Materialforschung erreicht worden. Ein Ziel von InnoMat ist daher auch, am Beispiel von Projekten in der Materialforschung Erfolgsfaktoren für die Entwicklung von innovativen Produkten herauszuarbeiten. Dabei wurde in InnoMat sowohl auf empirischer als auch auf analytisch-konzeptioneller Ebene ein neuer Ansatz gewählt, der das Handeln von Forscherteams wie auch ihre Kontextstrukturen berücksichtigt. Die dabei entstehenden Ergebnisse werden in die relevanten fachlichen Diskussionen eingebunden, die sich dieser breiten Fragestellung annehmen. Der gewählte Ansatz ist ein mikrosoziologischer, bei dem die Akteure und ihre Transfervorhaben analytisch in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden. Bei der Systematisierung der Beobachtungen werden auf der empirischen Ebene Ergebnisse der Wissenssoziologie, der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung und der Managementdiskussion ebenso berücksichtigt wie die Resultate der Innovationstheorie und der Studien zu Technologie- und Wissenstransfer. InnoMat deckt dabei nicht alle Interaktionsformen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft in ihrer Breite ab, sondern konzentriert sich auf solche, die im empirischen Modul repräsentiert sind. Auch wenn insbesondere in der in Deutschland geführten Diskussion über Technologietransfer und Forschungspolitik die (manchmal nur vermeintlich) vorhandenen Defizite des deutschen Forschungssystems thematisiert werden, muss folgendes Grundproblem berücksichtigt werden: Große Unternehmen können aufgrund ihrer Ressourcenbasis die zeit- und kostenintensive Entwicklung neuer Materialien für die Herstellung neuer Produkte oder die Entwicklung neuer Verfahrenstechniken in den F&E-Abteilungen des Unternehmens selbst durchführen; im Erfolgsfall können die bei der erfolgreichen Vermarktung erwirtschafteten Überschüsse wiederum genutzt werden, um die F&E-Kosten unternehmensintern zu refinanzieren. Gerade im Vergleich zu KMU besitzen Großunternehmen dabei die Möglichkeit, Prozesse der Refinanzierung flexibler zu handhaben oder diese auch bei ausreichenden Marktchancen zu „strecken“, wenn nicht gar in Vorleistung zu treten. Für produktionsnahe KMU, die ebenso in vielen Fällen von neuen Materialien abhängig sind, sind die Spielräume meist deutlich geringer (u.€ a. wegen der dünneren Kapitaldecke). Da KMU eine wichtige Säule der deutschen Wirtschaft sind und
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die deutsche Materialforschung als ein aussichtsreiches Themenfeld einzustufen ist, wird immer wieder die Forderung nach einer Intensivierung und verstärkten Steuerung der Wissens- und Technologietransfer-Aktivitäten zwischen staatlichen Forschungseinrichtungen und innovationsorientierten Unternehmen laut. Die Hightech-Strategie der Bundesregierung ist in diesen Kontext einzuordnen.7 Auch bei den Technischen Universitäten (TU), der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF) und der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) werden die Bemühungen intensiviert, beim Technologietransfer die Erfolge zu steigern und neue Forschungskooperationen zu befördern, die wegen ihrer Qualität langfristige Erfolge auch in der Materialforschung ermöglichen. Ein Beispiel dafür sind die Forschungen im Bereich nanoskaliger Materialien, die als äußerst Erfolg versprechend eingestuft werden. Da der Transfer neuer Materialien generell nur gelingen kann, wenn eine hochwertige und vertrauensvolle Kooperation zwischen Materialforschern, Materialherstellern, Anwendern, aber auch den Spezialisten aus der anzupassenden Verfahrenstechnik, hergestellt werden kann und da die oft sehr langen Entwicklungszeiten (bis zur Marktgängigkeit und entsprechenden Gewinnen) Ausdruck eines sehr vielschichtigen und komplexen Prozesses sind, stellt sich auf der analytischen Ebene die Frage, ob ausreichende „Transferkompetenzen“ auf allen beteiligten Seiten vorhanden sind. Auf Seiten der Materialforschung müssen Forschungsgruppen die aktuellen Herausforderungen bei der Wissensgenese antizipieren können und ihre Aufarbeitung sowohl bei der Grundlagenforschung als auch in ihren primär anwendungsorientierten Forschungssegmenten entsprechend vorbereiten, um dann bei unternehmerischen Anfragen zielgenau zuarbeiten zu können. Bei den nachfragenden Unternehmen müssen nicht nur Entwicklungspotenziale, sondern auch der Wissensstand zu den „angedachten“ neuen Materialien angemessen berücksichtigt werden, und bei den intermediären Einrichtungen (z.€B. den Transferabteilungen in Großforschungseinrichtungen und Universitäten) müssen die Randbedingungen realistisch kalkuliert werden, bevor die allseits gewünschten win-win-Situationen vorbereitet und organisiert werden können. In dieser Studie, die in ihren Kernelementen auf eigenen empirischen Erhebungen und Recherchen beruht, wird der Ausgangspunkt auf Transfervorhaben und -projekte gerichtet, die sich an neun verschiedenen Forschungseinrichtungen der Herausforderung stellten, Transfervorhaben im Feld neuer Materialien erfolgreich umzusetzen. Dabei waren sie nicht nur durch ihre Heimatorganisationen (FhG, HGF, TUs), also auf der Makroebene in sehr unterschiedliche Settings und „Möglichkeitsräume“ (rechtlich, institutionell-organisatorisch etc.) eingebettet. Sie gingen jeweils auf ihre Art und vor dem Hintergrund ihrer lokalen Bedingungen (Ausstattung von Laboren, Personal etc.) auf die anvisierten Ziele ausgesprochen engagiert und professionell zu; allerdings konnte auch beobachtet werden, dass sie sich auf der strategischen Ebene in überraschender Weise ausgesprochen unterschiedlich verhielten.
7╇
Zur Hightech-Strategie der Bundesregierung siehe BMBF (2006) und BMBF (2009).
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Was die Ausgangsbedingungen in den drei verschiedenen institutionellen Typen von Heimatorganisationen (FhG, HGF, TU) waren, wird im folgenden Kapitel ebenso skizziert wie die Eingrenzung und Bestimmung all der Aktivitäten, die dem Technologietransfer zuzuschlagen sind. In diesem Zusammenhang werden auch einige theoretisch-konzeptionelle Bestimmungen eingeführt und in den dafür wichtigen Forschungskontext gestellt sowie die empirische Vorgehensweise skizziert.
1.4 Z u den Heimatorganisationen der untersuchten Materialforscher Die drei Typen von Heimatorganisationen, aus denen jeweils drei Materialforschungsteams stammen, die näher befragt und über zweieinhalb Jahre begleitet wurden, werden in der Forschungsliteratur sehr unterschiedlich eingeschätzt. In Anlehnung an eine Studie von Schmoch et€al. zeichnen sich Technische Universitäten (TUs) dadurch aus, dass sie vor allem bei F&E-Kooperationen, die sich über mittlere oder längere Zeiträume erstrecken, ihre Stärken entwickeln (Schmoch et€al. 2001, S.€XVII). Die Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) wird demgegenüber als ein zentrales und effizientes Element des deutschen Transfersystems eingestuft, das in besonderer Weise die Modernisierung der deutschen Wirtschaft unterstützt (Schmoch et€al. 2001, S.€XIX). Bei aller Heterogenität, die für die Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) festgestellt wird, diagnostizieren Schmoch et€al., dass die HGF-Zentren vorrangig auf Spin-off-Modelle ausgerichtet sind. Das bedeute, dass es eine aktive und sehr kompetente Suche nach Industriepartnern gäbe, die die Verwertung der mehr oder weniger zufälligen Forschungsergebnisse der HGF übernehmen (Schmoch et€ al. 2001, S.€ XXIII). Eingedenk der internen Restrukturierung, die die HGF in den letzten Jahren vollzog, sowie der Einführung der „Programmorientierten Förderung“ als HGF-Steuerungsinstrument, das Instrumente des Wettbewerbs zwischen den Forschungsbereichen in den verschiedenen HGF-Zentren einzuführen versucht, fand eine Öffnung dieser Dachorganisation der Großforschungszentren statt; diese Öffnung kann als tendenzieller Abschied vom Spin-off-Modell interpretiert werden. Ob es dadurch bereits zu einer Verschiebung des oben beschriebenen HGF-Transfermodus und evtl. neuen Konkurrenzen zwischen den genannten Forschungsorganisationen kommt, gehört zu den empirisch offenen Fragen, denen in InnoMat nachgegangen wird. Gleichzeitig ist zu klären, ob und inwiefern diese Unterschiede auch für die Materialforschung in den drei verschiedenen untersuchten Heimatorganisationen gelten. Nach dem Diskussionsstand in der Literatur müssten gerade in dynamischen F&E-Feldern wie der Materialforschung Vernetzungsaktivitäten zwischen Forschungseinrichtungen und innovativen Unternehmen eine besondere Rolle spielen (Rammert 1997). Wenn „Erfolg“ im Technologietransfer das entscheidende Kriterium ist, dann muss weiterhin danach gefragt werden, wie diese Netzwerke im Einzelfall beschaffen und wie sie mit den „innovative environments“ (Castells 1996) verbunden sind.
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Die empirischen Beobachtungen und die dabei eingesetzten Schlüsseltheoreme, die bei der Untersuchung konkreten Transferhandelns (hier aus der Materialforschung) in der vorliegenden Literatur als Forschungsstand vorzufinden sind, nehmen hauptsächlich die Makroebene in den Blick. Nach Ruud Smits besteht das Ziel der Analysen von einzelnen Innovationsprozessen einerseits darin, die mit ihnen einhergehenden sozio-technischen Prozesse besser zu verstehen; das bedeutet, dass eine konkrete Produktinnovation untersucht wird und mit den bei ihrer Vorbereitung und Einführung stattfindenden Interaktionen zwischen Technikentwickler und Anwender in Verbindung gesetzt wird; über dieses (Einzel-)Fall orientierte Vorgehen werden dann allgemeine Merkmale von Transferprozessen identifiziert (Smits 2002, S.€ 875). Die Alternative zu dieser ersten Forschungsstrategie fragt dagegen pointiert nach den „Innovationssystemen“, also mesotheoretischen Konstellationen, ihren Organisationsformen und der Entwicklung neuer institutioneller Transfermuster, die im Fall ihrer stabilen Institutionalisierung in besonderer Weise innovativ sein könnten. Zum Zeitpunkt der Planung dieser Untersuchung musste davon ausgegangen werden, dass für die deutsche Forschungslandschaft zusätzlich die Beobachtung von Schmoch zutrifft, dass systematische, multi-dimensionale und interdisziplinäre Studien über Transferpraxis und Erfolge der öffentlich finanzierten Forschung selten sind.8 Vor allem von niederländischen Kollegen wie Ruud Smits wird der innovationstheoretische Ansatz vertreten, dass der tief greifende Wandel von Innovationsprozessen unter Bedingungen beschleunigter Technisierung und Prozessen globalisierter Wertschöpfungsketten auch substantielle Veränderungen der Transferprozesse in etablierten bedeutsamen F&E-Feldern (insbesondere bei Schlüsseltechnologien wie der Materialforschung) hervorbringt. Mit welchem Ertrag dieser Ansatz verbunden ist, wäre genauer zu bestimmen. Ob allerdings die angenommenen starken und grundsätzlichen Veränderungen der Transfermodi tatsächlich mit den Erwartungen an Erfolg versprechende Innovationsprozesse kompatibel sind, ist noch als empirisch offene Frage zu behandeln. Sicher ist zutreffend, dass sich die Abnehmer dieser Entwicklungen (die „Anwender“) mit Verschiebungen der ökonomischen Ordnungen, aber auch der „Wissensordnungen“, aktiv auseinandersetzen müssen. Auch ist einzuräumen, dass die Grenzen zwischen Subsektoren (wie dem industriellen Subsektor und dem der Dienstleistungen) aufbrechen und neue Wissensordnungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sich nicht nur bei der Wissensgenese durchsetzen9; ob sie aber auch die Organisation, die Qualität und die Zeitdauer von Kooperationen zwischen Wissenschaft und industriellem Anwender auf neue Beine stellen, verdient näherer Prüfung. Bei dem hier eingesetzten Verfahren, das nicht allein die Ergebnisse des Transfers (Erfolg oder Misserfolg), sondern auch den Input der Akteure betont, ist zu bedenken, 8╇ Die Vorbereitungen für das Projekt begannen bereits 2003/2004 und orientierten sich früh auf die Suche nach Materialforschungsteams, die bereit waren, sich über einen Zeitraum von rund zwei Jahren begleiten zu lassen. Realisiert werden konnte dieses Vorhaben erst 2005/2006 und gewann auch zu diesem Zeitpunkt erst seine empirische Gestalt (siehe dazu Bräutigam und Fleischer 2006). 9╇ Zum Konzept der Wissensordnungen und ihrer Relevanz im Kontext von Innovation siehe Wehling (2004) und Rammert (2003).
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dass Institutionen generell, aber natürlich auch Forschungsorganisationen, „Routinen“ besitzen. Da mit Malerba unter diesen Routinen allgemeine Verhaltensweisen, etablierte Praktiken (informell, manchmal aber auch formell), normierte Regeln und Verfahren sowie auf der Mikroebene liegende Standards zu verstehen sind, ist davon auszugehen, dass sie sowohl für einzelne Materialforscher-Teams, aber auch für deren potentielle Anwender und deren Interaktionen mit den Materialforschern meist „steuernd“ wirken (Malerba 2002). Entsprechend galt es, ein forschungsleitendes Verfahren mit einer entsprechenden Konzeptionalisierung zu entwickeln, das diesen Routinen nachspürt und sie an den untersuchten Fällen rekonstruierbar macht.
1.5 Projektmodule und „dialogischer Forschungsprozess“ Wenn Erfolgsbedingungen für Technologietransfer reflektiert werden sollen, bieten sich verschiedene Herangehensweisen an. InnoMat hat sich dafür entschieden, die Aktivitäten von neun kleineren Materialforschungsteams ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen. Insofern orientiert sich das Projektdesign an den Transferaktivitäten, die von den Materialforschern während des zweijährigen Untersuchungszeitraums mit dem Ziel „Technologietransfer“ durchgeführt wurden. Diese Aktivitäten wurden jeweils durch mehrere strukturierte Interviews und teilnehmende Beobachtungen durch eines der InnoMat-Forscherteams begleitet und analysiert. Um dieses Kernmodul gruppierten sich eine Reihe weiterer Analysen, die von weiteren Forscherteams durchgeführt und unter der Leitung von ITAS (Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse im Karlsruher Institut für Technologie) zusammengeführt wurden. Die wissenschaftlichen Ergebnisse wurden einerseits für die Forschung aufbereitet, sie waren zugleich aber auch Gegenstand von Dialog und Reflexion mit den Materialforscherteams im Verlauf des Forschungsprozesses. Dieses „dialogische“ Modul wurde bewusst und kontrolliert in das Gesamtvorhaben integriert. Die Materialforscher hatten so die Möglichkeit, ausgewählte Forschungsergebnisse sowie die Beobachtungen und Erhebungen der Forscherteams mit diesen zu besprechen und kritisch zu diskutieren. Bevor auf das Projektdesign i.€e.€S. eingegangen wird, ist noch eine konzeptionelle Anmerkung von Bedeutung. Bei der Konzeptionalisierung des Gegenstandes „Wissens- und TechnologieTransfer“ zeigte sich, dass die Forschung sich von linearen Vorstellungen dieses Transfers inzwischen weitgehend verabschiedet hat. Am Beginn der Wertschöpfungskette steht nicht mehr zuerst der (Material-)Forscher, der unabhängig von Gesellschaft und Wirtschaft Grundlagenforschung betreibt, deren Ergebnisse punktuell weiterentwickelt und publiziert werden, um so schrittweise Produkte und neue Verfahren vorzubereiten, die anschließend durch zufällige Kooperationen an einen Anwender weitergegeben werden. Dieser Anwender hatte in dem klassischen linearen Modell dann auch dafür Sorge zu tragen, dass auf dem Wissen des Forschers aufbauend erfolgreiche Produkte entstehen. Vielmehr sind in der neueren Forschung wesentlich komplexere Modellvorstellungen entwickelt worden. Für das Untersuchungsdesign von InnoMat sind sowohl Komponenten des „zirkulären Modells“
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des Innovationsprozesses nach Roy und Cross (1983) als auch Modellannahmen wichtig, die die „Interaktion“ und die „Rekursivität“ von Transferprozessen thematisieren. Ohne dies hier näher auszuführen, ist wichtig zu wissen, dass das „zirkuläre Modell“ des Innovationsprozesses nach Roy und Cross (1983) den Lebenszyklus eines Produktes in den Mittelpunkt stellt und als Phasen des Transfers solche mit primärer Orientierung auf „Forschung“ und der davon zu unterscheidenden, aber auch noch früh stattfindenden „Entwicklung“ gegenüberstellt und diese wiederum von den Phasen „Optimierung“, „Markt“ und „Niedergang“ des Produkts unterscheidet. „Rekursive Modelle“ dagegen setzen ähnlich an, in dem sie die verschiedenen Stufen des Innovationsprozesses aufgreifen; sie zeigen den Transferprozess in Abhängigkeit von sich vernetzenden Forschungsaktivitäten in Wissenschaft und Unternehmen einerseits und der Entwicklung von Wissensbeständen andererseits, an denen die Wissenschaft in jeweils unterschiedlichen Phasen der Produktentwicklung beteiligt sein kann. Interaktionsmodelle schließlich differenzieren zwischen verschiedenen Forschungstypen (z.€ B. reiner Grundlagenforschung, orientierter Grundlagenforschung, angewandter Forschung und schließlich Entwicklung) und werden von der Annahme getragen, dass die Arbeiten von wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen parallel zueinander verlaufen und ein ständiger, wechselseitiger Austausch stattfindet (vgl. Schmoch 2001, S.€5€ff.). Um ein integratives Verständnis für den Erfolg und die Hemmnisse erfolgreichen Technologietransfers in den Blick zu bekommen, sind sowohl die jeweiligen Phasen eines Transfergutes zu reflektieren, auf die die F&E-Leistung im Transferprozess abhebt, als auch die rekursiven Prozesse zwischen Forschern und Anwendern bei der Gestaltung von Kooperationen und die konkreten Interaktionen zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren als Dimensionen zu berücksichtigen. Im Rahmen der multidisziplinären Ausrichtung dieser Studie wurden sie auch durch die unterschiedlichen Module des Projektdesigns aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven heraus betrachtet und interpretiert. Die verschiedenen Analysemodule, die im Rahmen des Projektdesigns bearbeitet wurden, beziehen sich – wie bereits herausgestellt – zum einen auf das Transferhandeln der einzelnen Forschungsteams (Kap.€5) und zum anderen auf die „Kontextstrukturen“, in die dieses Projekthandeln eingebunden wurde (Kap.€3). Unter Transferhandeln werden hier alle die Aktivitäten aus einem Materialforscherteam verstanden, die einem spezifischen Transferziel zugeschrieben werden können; zu ihnen gehören die Vorbereitung einer Kooperation genauso wie auch die konkrete Zusammenarbeit mit einem Anwender an einem Transferprodukt, das bereits weit vorangetrieben ist. Zu den Kontextstrukturen gehören sowohl die institutionellen Randbedingungen einer Forschungsabteilung, eines Lehrstuhls oder eines Forschungsinstituts, in die die Materialforschungsteams eingebunden sind, aber auch die Vorgaben und Zielsetzungen, die ihre Heimatorganisationen10 ihnen zu- oder 10╇ Als Heimatorganisationen sind an dieser Stelle das jeweilige Forschungszentrum (z.€B. in der Helmholtz-Gemeinschaft), der Fachbereich oder die Universitätsleitung, aber auch die zuständigen Vorstandsgremien für die jeweiligen funktionalen Einheiten zu verstehen, denen die neun Forschungsteams zuzuordnen sind.
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vorschreiben.11 Während in Kap.€5 das Transferhandeln und die Kontextstrukturen entlang der Fallgeschichten rekonstruiert wird, stellen sich die anderen Forschungspartner einer vertieften Auseinandersetzung mit den institutionellen Strukturmerkmalen der Forschungseinrichtungen und den Erfolgsmaßen für Technologietransfer (Kap.€3, 6 und 8). Parallel dazu werden in zwei Fallstudien von einem weiteren Forschungspartner die Interaktionen zwischen den Industriepartnern und den Materialforscher-Teams selbst auf ihre Passförmigkeit zwischen Wissensgenese und kommerzieller Produktentwicklung untersucht (Kap.€7). In Kap.€2 und Kap.€8 werden schließlich auf der Ebene des nationalen Forschungssystems die Materialforschung als innovatives Teilsystem wissenschaftlicher F&E, die institutionellen Rahmenbedingungen (Entwicklung von HGF, FhG und TUs) und deren Auswirkungen auf die Transferstrategien der Materialforschung untersucht. In Kap.€2 werden die Bedeutung der Materialforschung, deren Charakterisierung als sektorübergreifendes Forschungs- und Innovationsfeld sowie das Management von Werkstoff-Innovationsprojekten thematisiert. Zu den empirischen Verfahren, die bei dieser komparativ angelegten Studie eingesetzt wurden, gehörten Leitfaden-Interviews, teilnehmende Beobachtungen und Workshops ebenso wie problemorientierte Interviews mit einzelnen Schlüsselakteuren und Experten sowie Verfahren der Dokumentenanalyse und die gezielte Teilnahme an Veranstaltungen, die größtenteils von den Materialforschungsteams selbst organisiert wurden.12 Dieses Material wurde systematisch ausgewertet und im multidisziplinären Forscherteam, aber auch ergebnisorientiert mit den beteiligten Materialforschern diskutiert. In Kap.€9 wird die starke Bedeutung von regionalen Netzwerken und Clustern für das Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe vertiefend behandelt. Hierbei werden neben einer Aufarbeitung theoretischer Grundlagen auch empirische Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt vorgestellt, in dem die Erfolgsfaktoren eines Werkstoff-Clusters exemplarisch untersucht und allgemeine Schlussfolgerungen zu der effektiven Steuerung von Werkstoff-Clustern herausgearbeitet wurden. Kapitel€10 fasst die Ergebnisse des InnoMat-Projektes zusammen und formuliert Handlungsempfehlungen für die Steuerung von Werkstoff-Innovationsaktivitäten. Diese Empfehlungen sind auf Forscherteams, Forschungseinrichtungen, die Forschungspolitik sowie das Innovationsmanagement bezogen. Ausgangspunkt der Studie sind neun Transfervorhaben, bei denen F&E-Arbeiten aus den Bereichen „Materialinnovation“ und „Prozessinnovation“ begleitet wurden. Die verschiedenen Teams waren fünf Technikfeldern zuzuordnen: 11╇ Zur Diskussion um die Kontextstrukturen und Rahmenbedingungen von wissenschaftlicher Forschung siehe die Arbeiten der Forschergruppe „Governance der Forschung“ in Speyer. Ein Ergebnis ist z.€B. der Beitrag von Jansen et€al. (2007), in dem der Einfluss von Rahmenbedingungen auf Forschungsleistungen diskutiert wird. 12╇ Kerninformationen zum methodischen Vorgehen, das in den jeweiligen Modulen eingesetzt wurde, finden sich in den Kap.€6, 7 und 8 dieses Textes sowie im Anhang. Ein empirisches Paket stellten die Leitfaden-Interviews dar, die im Rahmen des Moduls 1 in drei Wellen durchgeführt wurden. Zu den externen Veranstaltungen, die von den Forschungspartnern separat oder gemeinsam besucht wurden, gehörten Industriesymposien wie das Werkstoffsymposium Fahrzeugtechnik 2007 in Stuttgart oder der Besuch der Fachmesse Composite Europe 2007.
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der Hochleistungskeramik, den „smart materials“, den Faserverbundwerkstoffen, der materialbezogenen Verfahrenstechnik und Nanopartikeln.
Insgesamt decken sie sehr verschiedene Werkstoffgruppen und Prozesstechniken ab. Eine stärker systematisierende Auswahl wäre zwar wünschenswert gewesen; da die Studie jedoch explorativ angelegt war und es eines spezifischen Vertrauens zwischen Materialforschungsteams und Forschungspartnern bedurfte, waren die Fälle sowohl vom Entwicklungsstand als auch vom Transfervorhaben nicht frei wählbar. Da die Forschungsstrategie aus methodischen Erwägungen heraus explorativ und damit hypothesen-suchend angelegt wurde, schränkte dies den Ertrag der Ergebnisse nicht unzulässig ein. Bei den Materialforschungsteams der HGF waren zwei Vorhaben auf Material- und eines auf Prozessinnovation ausgerichtet: Bei dem Forschungsteam des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart ging es um Reibbeläge für Hochtemperaturanwendungen, bei dem des Forschungszentrums Jülich um Hochtemperatur-Brennstoffzellen und bei dem des Karlsruher Instituts für Technologie um industrielle Mikrowellensysteme für Faserverbundwerkstoffe. Bei den Fraunhofer-Instituten sind ebenfalls zwei Materialforschungsteams den Materialinnovationen und eines der Prozessinnovation zuzuordnen. Das Dresdner Fraunhofer-Institut untersucht keramische Nano-Werkstoffe, während das Würzburger Fraunhofer-Institut sich mit Carbon-Nanotube-Aktuatoren auseinandersetzt; das Karlsruher Fraunhofer-Institut arbeitet zum Thema „Schäumen von Kunststoffen mittels Mikrowellen“. Bei den Technischen Universitäten beschäftigten sich die ausgewählten Materialforscher-Teams mit der anti-mikrobiellen Ausrüstung von Polymeren (Universität Erlangen), der Entwicklung von Materialien mit Formgedächtnis (RWTH Aachen) und Strukturoptimierungsstrategien im Bereich Faserverbundwerkstoffe (TU Clausthal); bei ihnen standen also zweimal Prozessinnovationen und einmal Probleme der Materialinnovation im Vordergrund (siehe Kap.€4). Das multidisziplinäre Forscherteam, das zu Fragen der Innovationsforschung, des New Governance of Science, der Technikfolgenabschätzung sowie zu Innovations- und Transferprozessen in den Materialwissenschaften auf Forschungserfahrung verweisen kann, kam aus mehreren deutschen Forschungseinrichtungen: dem Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse im Karlsruher Institut für Technologie, der Forschungsstelle „Internationales Management und Innovation“ der Universität Hohenheim, dem Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung sowie dem Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Die Perspektiven, die in den verschiedenen Forschungsmodulen auf die Transferaktivitäten der neun Materialforschungsprojekte geworfen wurden und aus denen sich ein Set von Ergebnissen erstellen ließ, variieren je nach disziplinärer Ausrichtung und Zusammensetzung der Teams. Dies mag auf den ersten Blick er-
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staunen. Wir lernten in unseren internen Diskussionen, dass dies so lange kein Problem ist, wie der Bezug zu der allgemeinen Frage nicht verloren geht. Die zentralen Fragen, die uns dabei anhaltend beschäftigten, beziehen sich sowohl auf die Materialforscher als auch auf die Anwender: Wie sind unter Bedingungen öffentlich finanzierter Forschung Transferprozesse und Kooperationsbeziehungen zu organisieren, die als win-win-Situationen für industrielle Anwender und Forschungsteams attraktiv sind? Angesichts der produktzentrierten und damit i.€d.€R. zeitlich befristeten Interessen von industriellen Anwendern ist zu fragen, ob und wie ausreichende Langfristigkeiten bei diesen Transfer- und Kooperationsbeziehungen zu erreichen sind. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre angesichts der zunehmenden Komplexität der Innovationsprozesse und den erforderlichen langen Phasen der Kommerzialisierung, die schnell zehn oder fünfzehn Jahre betragen können, auch bei materialwissenschaftlichen Aufgabenstellungen ein nicht sehr günstiger „Regelfall“ zu diagnostizieren, auf den sich materialwissenschaftliche Forscherteams einzustellen hätten.
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Kapitel 2
Bedeutung der Materialforschung und Stand der Forschung im Bereich des Managements von Werkstoff-Innovationsprojekten Alexander Gerybadze, Daniel Gredel und Christopher Gresse
Inhalt 2.1â•…Einleitung ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓�����������������╇ 18 2.1.1â•…Neue Werkstoffe als Triebfeder der Innovationsdynamik in Deutschland ������������╇ 18 2.1.2â•…Der Innovationsprozess neuer Werkstoffe ����������������������������������尓���������������������������╇ 20 2.2â•…Neue Werkstoffe als sektorübergreifendes Forschungs- und Innovationsfeld �������������������╇ 21 2.2.1â•…Relevanz und Charakterisierung des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������╇ 21 2.2.2â•…Spezifische Merkmale des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������╇ 25 2.3â•…Komplexe Produkte und Systeme mit neuen Werkstoffen: Zusammenarbeit zwischen Werkstoff-, Komponenten- und Endsystemhersteller ����������������������������������尓������╇ 32 2.4â•…Besonderheiten des Projekt- und Kooperationsmanagements in der Werkstoff-Innovation ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������������╇ 34 2.5â•…Ökonomie und Kostenstruktur in Werkstoff-Innovationsprojekten ����������������������������������尓�╇ 36 2.6â•…Typische Konflikte und Innovationshemmnisse in Werkstoff-Innovationsprojekten zwischen Industrie und öffentlicher Forschung ����������������������������������尓���������������╇ 44 2.6.1â•…Selbstverständnis von Wissenschaft und Industrie ����������������������������������尓��������������╇ 45 2.6.2â•…Zielsysteme und Anspruchsgruppen von Wissenschaft und Industrie �������������������╇ 46 2.6.3â•…Die Problematik der Qualität, Frequenz und Reziprozität des Wissensaustausches ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������╇ 47 2.7â•…Verteilte Innovationsteams im Bereich Materialforschung ����������������������������������尓��������������╇ 49 2.8â•…Anforderungen an erfolgreichen Wissenstransfer in Innovationsprojekten �����������������������╇ 52 2.9â•…Intellectual Property Management und Know-how-Absicherung in Verbundprojekten ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓�╇ 57 2.9.1â•…Ausgangsbedingungen und Mechanismen zum Schutz von Werkstoff-Innovationen ����������������������������������尓������������������������������������尓������������╇ 58
Abschn. 2.3, 2.4, 2.7 und 2.8 verfasst von A. Gerybadze und C. Gresse, Abschn. 2.5, 2.6 und 2.9 verfasst von A. Gerybadze und D. Gredel. A. Gerybadze () Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID), Forschungsstelle Internationales Management und Innovation, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
[email protected] K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9_2, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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A. Gerybadze et al.
2.9.2â•…Die Erarbeitung von konsistenten Schutzkonzepten für Werkstoff-Innovationsprojekte ����������������������������������尓������������������������������������尓��������╇ 63 2.9.3â•…Der Prozess der IP-Vereinbarung in Werkstoff-Innovationsprojekten ������������������╇ 65 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓�����������������������������╇ 70
Zusammenfassung╇ In diesem Kapitel werden die Bedeutung neuer Werkstoffe für den Standort Deutschland skizziert und wichtige Grundlagen für die Folgekapitel des Buches gelegt. So werden wichtige Begrifflichkeiten geklärt, der Innovationsprozess neuer Werkstoffe vorgestellt und das sektorübergreifende Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe detailliert aufgearbeitet. Weiterhin werden die Rolle neuer Werkstoffe für komplexe Produkte und Systeme thematisiert und die Besonderheiten des Projekt- und Kostenmanagements sowie des Managements verteilter Teams bei Werkstoff-Innovationsprojekten betrachtet. Abschließend gehen mehrere Teilkapitel auf die Anforderungen an einen erfolgreichen Wissenstransfer, die typischen Konflikte und Barrieren in Werkstoff-Innovationsprojekten zwischen der öffentlichen Forschung und der Industrie sowie das Management des geistigen Eigentums in diesen Projekten ein.
2.1 Einleitung 2.1.1 N eue Werkstoffe als Triebfeder der Innovationsdynamik in Deutschland Für viele bedeutende Industrien in Deutschland stellt die Anwendung neuer Werkstoffe eine Schlüsseltechnologie dar. Werkstoff-Innovationen sind dabei von Bedeutung sowohl für Produkt- als auch für Prozessinnovationen ebenso wie für weitergehende organisatorische Innovationen und Qualitätssteigerungen in vielen Unternehmen. Sie bilden dadurch die Grundlage für eine Vielzahl von Innovationen, die letztendlich auf ein neues Material und dessen Eigenschaften aufbauen. Neue Werkstoffe sind oft Wegbereiter und „Enabler“ für neue Verfahren und Produkte (Maine und Garnsey 2007), die aufgrund ihrer Eigenschaften für ganze Produktionszweige unverzichtbar sind (Klein 2001, S.€1€ff.). Auch aufgrund dieses Zusammenhangs wurde Mitte der 1980er Jahre postuliert, dass die Industrie neuer und hochleistungsfähiger Werkstoffe („Advanced Materials Industry“) zu den drei wichtigsten Industrien des 21. Jahrhunderts zu zählen sein wird (Eagar 1998, S.€4). Trotz des geringen Ausmaßes, in dem neue Werkstoffe in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, ist ihre Bedeutung für die Innovationsdynamik und das Wirtschaftswachstum außerordentlich groß (u.€a. Moskowitz 2009; Acatech 2008). Dennoch beschäftigen sich nur wenige Studien der Innovationsforschung mit den Besonderheiten und Herausforderungen des Managements von Werkstoff-Innovationen. In der Literatur zum Technologie- und Innovationsmanagement gibt es kaum Studien, die eine ausschließliche sowie ganzheitliche Betrachtung des Managements von Werkstoff-Innovationen vornehmen und technische, juristische
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und betriebswirtschaftliche Aspekte verbinden (Harraß et€al. 2007). Daher sollen in diesem Kapitel grundlegende Konzepte der Werkstoff-Innovation aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive dargelegt werden. Hierzu erfolgen eine Klärung der grundlegenden Begrifflichkeiten, eine Darstellung des Prozesses der WerkstoffInnovation und eine grundlegende Beschreibung des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe. Von einer Werkstoff-Innovation kann dann gesprochen werden, wenn durch Forschungs- und Entwicklungs (F&E)-Aktivitäten ein neues Material hergestellt, in ein marktfähiges Produkt oder einen Prozess integriert und kommerzialisiert wird. Werkstoff-Innovationen kommen vielfach in verschiedenen Anwendungsfeldern zum Einsatz und sind damit in den meisten Fällen generischer Natur. Für die Generierung und Kommerzialisierung von Werkstoff-Innovationen sind meist komplementäre Innovationen auf vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufen notwendig. Werkstoff-Innovationen lösen also vielfach weitere Innovationen in der Wertschöpfungskette aus. So machen bspw. neue Werkstoffe, die sich sowohl durch ein geringes Gewicht als auch eine hohe Belastungsfähigkeit auszeichnen, bestimmte Leichtbauanwendungen in der Automobilindustrie erst möglich. Maine und Garnsey (2007) bezeichnen Werkstoff-Innovationen daher auch als „enabling technologies“. Werkstoff-Innovationen rücken ins Zentrum von vier unterschiedlichen Typen von komplementären Innovationstypen und -feldern, zu denen funktionierende Interfaces aufgebaut werden müssen. Diese sind, angelehnt an die Definition im Oslo-Manual der OECD (OECD 2005), Produkt- und Prozessinnovationen und nutzerinduzierte Innovationen bzw. „Application Engineering“. Ein weiteres Innovationsfeld, das einen starken Einfluss auf die technologische Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit neuer Werkstoffe ausübt, ist die Produktions- und Verfahrenstechnik. Die Koordination dieser Interfaces macht Werkstoff-Innovationen oft langwierig, schwer steuerbar und riskant. In der folgenden Abb.€2.1 ist das Zusammenspiel verschiedener Innovationstypen und -felder nochmals visualisiert:
Produkt-Innovation
User-Innovation/ Application Engineering
Werkstoff-Innovation
Abb. 2.1↜渀 Interfaces von Werkstoff-Innovationen zu komplementären Innovationstypen und -feldern
Prozess-Innovation
Produktions- und Verfahrenstechnik
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2.1.2 Der Innovationsprozess neuer Werkstoffe Tradierte Modelle des Innovationsprozesses neuer Werkstoffe, wie das Modell von Jones (1970), berücksichtigen die in Abb.€2.1 aufgezeigten Interfaces nur ansatzweise. Meist liegt ihnen eine linear-sequentielle Sichtweise zugrunde, welche jedoch durch neuere Studien zum Innovationsprozess kritisiert und durch die Integration von „Feedback-/Feedforward“-Schleifen und Interaktionen zwischen den verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses abgelöst wurde (Kline und Rosenberg 1986; Gerybadze 2004). Diese neue Sichtweise ist für den Innovationsprozess neuer Werkstoffe von herausragender Bedeutung, da sie der dort notwendigen Koordination von Interfaces zu anderen Innovationstypen und -feldern besser Rechnung trägt. Weiterhin lösen neue Werkstoffe oftmals eine schwer überschaubare Menge an potentiellen Applikationsmöglichkeiten in verschiedenen Anwendungsfeldern aus. Diese verlangen ebenfalls ein gesteigertes Maß an Interaktion zwischen verschiedenen Ebenen innerhalb der Wertschöpfungskette. Dennoch stellen Braun et€al. (1993) fest, dass die Zusammenarbeit über verschiedene Wertschöpfungsstufen hinweg bei Werkstoff-Innovationen vielfach nicht ausreichend forciert wird. Auch die Deutsche Akademie für Technikwissenschaften (Acatech) thematisiert diesen Sachverhalt in einer aktuellen Studie und beklagt die vielfach nicht „geschlossenen“ Wertschöpfungsketten im Bereich der Werkstoff-Innovation (Acatech 2008). Um den Erfolg einer Werkstoff-Innovation zu gewährleisten, müssen alle Akteure innerhalb der Wertschöpfungskette davon überzeugt sein, dass die Anwendung des neuen Werkstoffes mit Vorteilen verbunden ist, wobei jeder der Akteure hierfür unterschiedliche, teilweise auch sich widersprechende Kriterien anlegt. Jones (1970, S.€797) beschreibt, dass die Wahl des Werkstoffes hauptsächlich von den Präferenzen der Akteure auf der Produktebene abhängt, also der Ebene des Subsystem- oder Systemherstellers.1 Ein weiteres wichtiges, bislang nicht ausreichend beschriebenes Merkmal des Innovationsprozesses neuer Werkstoffe ist die klare Differenzierung von Wertschöpfungsstufen, die sich direkt auf die Integration eines neuen Werkstoffes in Komponenten, Subsysteme und Gesamtsysteme konzentrieren. Aufgrund der geschilderten Faktoren schlagen wir ein erweitertes Modell des Innovationsprozesses neuer Werkstoffe vor, das in der folgenden Abb.€2.2 dargelegt wird. Die Phasenübergänge in diesem Modell sollen als fließender Übergang verstanden werden, da die Grenzen zwischen den Stufen des Werkstoff-Innovationsprozesses oft nicht klar abgrenzbar sind. Weiterhin bilden Interaktionsschleifen die Koordination zwischen verschiedenen Prozessphasen und Wertschöpfungsebenen im Werkstoff-Innovationsprozess ab.
1╇ Dies wird auch in einer der detaillierten Fallstudien in dieser Studie ersichtlich, in der der Endsystemhersteller die Wertschöpfungskette organisiert und auch die Wahl des Werkstoffes bestimmt, vgl. Kap.€7.
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Problemerkenntnis & Ideengenerierung
Forschung & Entwicklung
WerkstoffHerstellung
Werkstoffintegration auf Komponentenebene
Werkstoffintegration auf Sub-Systemebene
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Werkstoffintegration auf Systemebene
Markteinführung & Durchsetzung
Feedback-/Feed-Forward-Schleifen im Innovationsprozess
Abb. 2.2↜渀 Generischer Innovationsprozess neuer Werkstoffe
2.2 N eue Werkstoffe als sektorübergreifendes Forschungs- und Innovationsfeld In diesem Kapitel gehen wir einleitend auf die Relevanz des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe für das gesamte deutsche Innovationssystem ein. Hierauf folgt eine Abgrenzung des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe zu nationalen und sektoralen Innovationssystemen, aufgrund derer wichtige Erkenntnisse für eine präzisere Charakterisierung von Werkstoff-Innovationen und deren Rolle in Innovationssystemen abgeleitet werden können.
2.2.1 R elevanz und Charakterisierung des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe Im deutschen Innovationssystem kommt dem Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe eine Schlüsselstellung zu. Insbesondere im produzierenden Gewerbe sind neue Materialien von entscheidender Bedeutung (Portella 2008, S.€21). Gerade die deutschen Schlüsselindustrien, wie der Fahrzeugbau, der Maschinenbau oder die chemische Industrie, sind stark auf Werkstoff-Innovationen angewiesen. Das BMBF verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass mehr als drei Viertel der 20 größten deutschen Industrieunternehmen der Materialforschung einen hohen Stellenwert für die zukünftige Unternehmensentwicklung einräumen (BMBF 2003, S.€4€f.). Auch für die deutsche Forschungslandschaft ist die Materialforschung ein bedeutendes Feld. Dies zeigt sich u.€a. daran, dass die Materialforschung in 2007 eines der wenigen Themenfelder war, in denen Deutschland im weltweiten Vergleich überdurchschnittliche Publikationsleistungen im Science Citation Index (SCI) aufweisen konnte (EFI 2009, S.€107). Eine starke Forschungslandschaft ist gerade bezüglich des Feldes neuer Werkstoffe von hoher Wichtigkeit, da die Innovations- und Produktionsprozesse hier stark von den Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung abhängen (Legler und Krawczyk 2009, S.€30). Die Bedeutung von neuen Materialien wird in der Öffentlichkeit unterschätzt, da der Zusammenhang zwischen Produkten und Werkstoffen oft nicht wahrgenom-
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men wird. Eine Studie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass das wirtschaftliche Potential neuer Werkstoffe in der Öffentlichkeit verkannt wird (Acatech 2008). Die oft unklare Verknüpfung zwischen Erkenntnissen der Materialforschung und daraus resultierenden Produkten führt zu diversen Schwierigkeiten. Sie erschwert einerseits die klare Orientierung der Materialforschung auf Fragestellungen der Industrie und löst andererseits auf der Projektebene ein fehlendes Verständnis von Materialforschern für ihre IndustrieÂ� partner aus. Die Vernachlässigung der Tatsache, dass erfolgreiche neue Produkte oft nur durch Materialinnovationen ermöglicht werden, führt weiterhin dazu, dass die Bedeutung von Werkstoffen für die Innovationsfähigkeit und die Positionierung Deutschlands im globalen Innovationswettbewerb unterbewertet wird, zumindest in der öffentlichen Meinung (Höcker 2008, S.€10; Acatech 2008). Diese Tendenz wird noch dadurch verstärkt, dass die durch Werkstoff-Innovationen ausgelöste Wertschöpfung in Innovationserhebungen nur unzureichend erfasst wird. So verweist bspw. das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) darauf, dass der tatsächliche Wertschöpfungsbeitrag des Innovationsfeldes neuer Werkstoffe kaum abgeschätzt werden könne. Schließlich wäre auch eine Quantifizierung des Wertschöpfungsbeitrags eines neuen Werkstoffes in einem Produkt nur schwer realisierbar (RWI 2007, S.€195). Dies ist u.€a. auf die Schwierigkeiten bei der Eingrenzung und Systematisierung des Begriffes der Werkstoff-Innovation zurückzuführen. Kretschmer und Kohlhoff (1994) sowie das RWI (2007) unterscheiden Werkstoff-Innovationen anhand verschiedener Werkstoff-Klassen. Wir wollen im Folgenden diesen Lösungsansatz vorstellen, der das breite Spektrum von Werkstoff-Innovationen sehr gut veranschaulicht (Tab.€2.1). In der Innovationsforschung werden verschiedene Forschungs- und Innovationsfelder oftmals als nationales Innovationssystem oder als eigener Innovationssektor charakterisiert. Die Literatur zu nationalen Innovationssystemen geht zurück auf klassische Studien u.€ a. von Nelson (1993) oder Lundvall (1992). Da dieser Ansatz aufgrund seiner starken Fokussierung auf die nationalen Grenzen die Wechselwirkungen und Netzwerkverbindungen von relevanten Akteuren über verschiedene Länder hinweg vernachlässigt, wird er teilweise stark kritisiert. Die Autoren, die die Literatur der nationalen Innovationssysteme maßgeblich prägten, waren sich dieses Schwachpunktes durchaus bewusst. So äußerten Nelson und Rosenberg (1993), dass die kritische Überprüfung der Anwendbarkeit einer nationalen Sichtweise auf Innovationsprozesse ein wichtiger Bestandteil der einschlägigen Forschung wäre. Ein bedeutender Kritiker des Ansatzes nationaler Innovationssysteme, Franco Malerba, griff die Wichtigkeit länderübergreifender Interaktionen auf und entwickelte die Theorie der sektoralen Innovationssysteme (Malerba 2004, 2005), in der Ländergrenzen nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Es dienen vielmehr Kriterien, die auf den jeweiligen Sektor (Branche) bezogen sind, als Systemgrenzen. Malerba definiert einen Sektor dabei folgendermaßen: …a set of activities that are unified by some related product groups for a given emerging demand and that share some basic knowledge. (Malerba 2004, S.€9)
Ein sektorales Innovationssystem beschreibt damit die für einen Sektor wichtigen Einflussfaktoren auf die Innovationsaktivitäten und unterteilt diese in die Faktoren
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Tab. 2.1↜渀 Überblick zu Werkstoff-Innovationen nach Werkstoffgruppen und -klassen. (Quelle: In Anlehnung an Kretschmer und Kohlhoff 1994; RWI 2007, S.€191) Werkstoffgruppen Werkstoffklassen Metalle Leichtbauwerkstoffe (Al-Li, Mg-Legierungen, Schaummetalle) Hochtemperaturwerkstoffe (Superlegierungen, intermetallische Verbindungen) Spezialstähle Formgedächtnislegierungen Magnetwerkstoffe (Nd-Fe-B, amorphe Metalle) Metallische Supraleiter Polymere Copolymere Polymerlegierungen (Blends) Interpenetrierende Netzwerke Polymere mit spezifischen Permeationsfähigkeiten (z.€B. Membranwerkstoffe) Polymere mit spezifischen elektrischen Eigenschaften (z.€B. elektrisch leitend) Polymere mit spezifischen optischen Eigenschaften (z.€B. optisch nicht-linear) Polymere mit spezifischen biologischen Eigenschaften (z.€B. resorbierbar) Gläser Glasfasern Glasfaser-Laser Gläser für die Integrierte Optik (einschl. nicht-linearer optischer Gläser) Keramiken Substratkeramiken funktionskeramische Bauelemente für die Integrationstechnik Elektrooptische Keramiken Hochtemperatursupraleiter Keramische Ionenleiter Organisch modifizierte Keramiken Verbundwerkstoffe Dreidimensionale Faserstrukturen zur multidirektionalen Verstärkung (Composites) Hybride Verbünde mit verschiedenartigen Fasern Schichtverbünde mit kontinuierlichem (gradiertem) Eigenschaftsprofil Einbindung sensorischer oder aktorischer Komponenten in multifunktionale (intelligente) Werkstoffe Silizium HalbleiterÂ� materialien Galliumarsenid Indiumphosphid
der Technologie, des Wissens, der Technologie- und Lernregime, der Akteure und Netzwerke und der Institutionen. Das Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe anhand der in der Innovationsforschung etablierten Konzepte des nationalen oder sektoralen Innovationssystems zu beschreiben, gestaltet sich als schwierig. In beiden Konzepten sind mögliche Ansatzpunkte für eine Anwendung auf den Untersuchungsgegenstand der Werkstoff-Innovation vorzufinden, jedoch auch Ausschlussfaktoren, auf die wir im Folgenden dezidiert eingehen werden. Eine Diskussion und Herausarbeitung dieser Faktoren ermöglicht ein neues, klareres Verständnis über das Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe und dessen prägende Merkmale.
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Wir haben bereits darauf verwiesen, dass neue Werkstoffe zumindest partiell als generische Innovationen anzusehen sind. Diese werden auch oftmals als „General Purpose Technologies“ (GPT) bezeichnet. Neue Werkstoffe werden also in verschiedenen Anwendungsfeldern eingesetzt und wirken sich auf eine Vielzahl von Zwischen- und Endprodukten aus. Aus diesem Grund ist eine technologische Abgrenzung von neuen Werkstoffen als Sektor nur schwer möglich, da die Anzahl möglicher relevanter Technologiebereiche schwer überschaubar ist und nicht ohne weiteres limitiert werden kann. Malerba (2005) beschreibt weiterhin, dass das einem Sektor unterliegende technologische Wissen als sektorale Eingrenzung dienen könnte. Doch auch hier ist das Forschungs- und Innovationsfeld schwer eingrenzbar, da für den Prozess der Materialforschung auf ein sehr breites Spektrum technologischen Wissens zurückgegriffen wird, welches u. a. von der Physik, Mathematik und Chemie bis zu der Prozess- und Verarbeitungstechnik reicht. Der Innovationsprozess neuer Werkstoffe stützt sich damit also auf technologisches Wissen, welches auf nahezu allen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen basiert, und daher als ein äußert interdisziplinäres und heterogenes Forschungs- und Innovationsfeld bezeichnet werden kann (Acatech 2008, S.€9). Zurückkommend auf Kretschmer und Kohlhoff (1994) sowie das RWI (2007) bietet es sich zwar an, das unterliegende Wissen innerhalb des sektoralen Innovationssystems neuer Werkstoffe an den übergeordneten Werkstoffgruppen festzumachen. Doch eine aussagekräftige Einschränkung des für neue Werkstoffe relevanten technologischen Wissens ist auch mit diesem Vorgehen nur eingeschränkt möglich. Ein weiterer Aspekt, anhand dessen ein Sektor eingegrenzt werden kann, sind die Unternehmen, die den Sektor durch ihre Geschäftstätigkeit prägen (Malerba 2004). Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit maßgeblich auf neue Werkstoffe ausgerichtet ist, sind grundsätzlich schwer zu erfassen. In Güterlisten und Industrieklassifikationen ist keine belastbare Klassifikation für das Innovationsfeld neuer Werkstoffe zu finden, die eine solche Abgrenzung ermöglichen würde (RWI 2007, S.€190). Aus diesem Grund kann eine sektorale Abgrenzung des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe auch anhand dieses Kriteriums nicht adäquat erfolgen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe weder als nationales Innovationssystem noch als sektorales Innovationssystem ausreichend präzise charakterisiert werden kann. Eine Charakterisierung als sektorales Innovationssystem scheitert insbesondere aufgrund der generischen Anwendbarkeit von Werkstoff-Innovationen und der schweren Eingrenzbarkeit des technologischen Wissens, auf dem Werkstoff-Innovationen basieren. Vielmehr schlagen wir vor, neue Werkstoffe als ein sektorübergreifendes Forschungsund Innovationsfeld anzusehen, das auf technologisches Wissen (im Sinne des System-Inputs) verschiedenster Disziplinen aufbaut und dessen Erkenntnisse (im Sinne des System-Outputs) in verschiedenste Zwischen- und Endprodukte einfließen. Bei dieser Sichtweise wird deutlich, dass das Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe verschiedene sektorale Innovationssysteme „überlagert“ und über Schnittstellen zu diesen Innovationssystemen verfügt. An diesen erfolgt der Wissenszufluss aus den sektoralen Innovationssystemen, bspw. der Luftfahrt oder der Automobilindustrie, sowie die Wissenseinspeisung in diese Sektoren (s. Abb.€2.3).
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Wissensbasis
Physik
Chemie
Mineralogie
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Maschinenbau
…
Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe Wissensaustausch über Interfaces zu diversen sektoralen Innovationssystemen
Sektorales Innovationssystem der Automobilindustrie
Sektorales Innovationssystem der Luftfahrtindustrie
Sektorales Innovationssystem des Maschinenbaus
…
Abb. 2.3↜渀 Das Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe
2.2.2 S pezifische Merkmale des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe Nachdem nun eine Einordnung des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe vorgenommen wurde, soll der folgende Abschnitt nun dessen spezifische Merkmale genauer beschreiben. Zwei zentrale Merkmale neuer Werkstoffe wurden im bisherigen Verlauf des Kapitels bereits näher ausgeführt: die Breite des für Werkstoff-Innovationen relevanten technologischen Wissens und das meist sehr breite Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten. Ein weiteres, fundamentales Charakteristikum von Werkstoff-Innovationen ist die enorme Zeitspanne, die ab der ersten Forschungsaktivität bis zur Markteinführung einzukalkulieren ist (Maine et€al. 2005, S.€16). Dieses Charakteristikum wird nach Musso (2005, S.€42) im angelsächsischen Raum auch als die „20-year barrier“ bezeichnet, da neue Werkstoffe durchaus einen derartigen Zeitraum benötigen, um von allen Marktakteuren akzeptiert zu werden. Die Problematik eines langen Time-to-Market wird noch dadurch verschärft, dass die Materialeigenschaften erst nach und nach vollständig in Zielmärkten bekannt werden (OECD 1990, S.€25€f.). In Verbindung mit dem hohen kumulativen Investment, das für Werkstoff-Innovationen meist anfällt, erklärt sich bereits sehr anschaulich, warum viele privatwirtschaftliche Unternehmen und Investoren vor Investitionen in neue Werkstoffe zurückschrecken (Musso 2005, S.€43). Die Kommerzialisierung von neuen Werkstoffen war in der Vergangenheit sehr stark durch den Gedanken des „Technology-Push“ geprägt, also der Suche nach Anwendungen für bereits entwickelte Werkstoffe. Dies hat sich in den vergangenen Jahren stärker hinsichtlich einer „Demand-Pull“-Systematik verändert, in der die Werkstoffentwicklung stärker auf Kundenanforderungen ausgerichtet wird (Acatech 2008, S.€ 17 und Kap.€ 8 in diesem Band). Dennoch sind bei der Integration von Impulsen aus dem Anwendersystem neuer Werkstoffe noch starke Defizite vorhanden, was auch von Braun et€ al. (1993) herausgearbeitet wurde. Die Autoren beklagen speziell das Fehlen von dynamischen Nutzergruppen für neue Werkstoffe
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und stellen dies als einen entscheidenden Schwachpunkt im Technologietransferprozess heraus. Werkstoff-Innovationen sind oftmals keine radikalen, bahnbrechenden neuen Werkstoffe, sondern verbessern den Stand der Technik nur um einen kleinen Schritt. Schneider (1992, S.€2) merkte schon in den 1990er Jahren an, dass viele der als Werkstoff-Innovation bezeichneten Werkstoffe diesen Begriff daher nur ansatzweise verdienen würden. Viele „neue“ Werkstoffe wären demnach nur Weiterentwicklungen bereits bekannter Materialien. Interpretiert man Schneiders Argument unter Einbezug der neueren Innovationsliteratur, wird also der inkrementelle Charakter vieler Werkstoff-Innovationen kritisiert, der, wie bereits erwähnt wurde, nur eine geringe Verbesserung des bisherigen Stands der Technik erreicht. Nach Definition der OECD muss eine Innovation jedoch entweder neu oder zumindest eine „signifikante“ Verbesserung der zuvor bekannten Problemlösungen darstellen. Eine geringfügige Verbesserung stellt damit im engeren Sinne keine Innovation dar (OECD 2005). Auch Eagar (1998, S.€5) sieht die eigentlich treibende Kraft im Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe in den kontinuierlichen Verbesserungen vorhandener Materialien, auch wenn die Medien und die wissenschaftliche Diskussion eher den Eindruck nahelegen, dass radikalen Materialinnovationen diese Rolle zukommen würde. Der Innovationsprozess neuer Werkstoffe ist weiterhin durch diverse Risiken gekennzeichnet. Zuerst ist das hohe Entwicklungsrisiko herauszuheben. Hierunter ist das Risiko eines Misserfolgs in der F&E-Phase zu verstehen (BMBF 2003, S.€ 11; OECD 1990, S.€ 25€ f. sowie Maine und Garnsey 2007). Ein weiteres Risiko ist die fehlende Marktakzeptanz des Werkstoffes und der Endprodukte, in welche der Werkstoff integriert wird. Dieses Marktrisiko kann insbesondere dann abgesenkt werden, wenn der Austausch von Wissen zwischen den sektoralen Innovationssystemen der Anwendungsmärkte (z.€B. Luftfahrt oder Automobilindustrie) und dem Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe gut organisiert wird und nachhaltig erfolgt.2 Haftungsrisiken bei Materialfehlern und eine fehlerhafte Einschätzung hinsichtlich der Kostenstrukturen des Werkstoffes, die zu einem Wegfall der im Bereich der Werkstoff-Innovation wichtigen „Economies of Scale“ führen, sind ebenfalls wichtige Risikofaktoren (Musso 2005). Ein ausschlaggebendes Charakteristikum, oder vielmehr ein derzeit noch nicht beseitigtes Defizit vieler Werkstoff-Innovationen, ist ein zu geringer Automatisierungsgrad in den Herstellprozessen. Gerade im Bereich der Verbundwerkstoffe ist der Anteil der Fertigungsschritte, die in Handarbeit erfolgen, immer noch stark ausgeprägt. Die Folgen eines niedrigen Automatisierungsgrades können gravierend sein, da sich dieser negativ auf die Kostenstruktur von Werkstoff-Innovationen und damit letztendlich auf deren Kommerzialisierungserfolg bzw. die Diffusionsbreite und -schnelligkeit auswirkt. Die Verbindung zwischen dem Automatisierungsgrad und der Kostenstruktur einer Werkstoff-Innovation besteht darin, dass die Zwischen- und Endbearbeitung bei vielen Werkstoffen einen großen Kostenanteil einnimmt. Ohne eine ausgefeilte Verarbeitungs- und Prozesstechnik, die Bearbeitungs2╇ Vgl. hierzu die Systematik der „Interfaces“ zwischen verschiedenen sektoralen Innovationssystemen und dem Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe in Abb.€2.3.
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schritte im Herstellprozess automatisiert, ist es nicht möglich, diesen Kostenblock zu senken und serientaugliche Kostenstrukturen zu schaffen. Aus der Perspektive des Kostenmanagements ist die Automatisierung von Herstellprozessen daher ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Absenkung der Stückkosten eines neuen Werkstoffes bzw. von Erzeugnissen auf dessen Basis. Wir werden diesen Themenkomplex in Abschn.€2.5 ausführlicher darstellen. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass die Automatisierung von Bearbeitungsschritten vielfach noch nicht gezielt betrieben wird und daraus im Vergleich zu tradierten Werkstoffen unvorteilhafte Kostenstrukturen resultieren. Ein direkt mit dem Automatisierungsgrad zusammenhängender Aspekt ist die Betriebsgröße von Unternehmen im Werkstoff-Innovationsprozess. Nur in den Teilgebieten, in denen der Automatisierungsgrad stark ist, scheinen Größenvorteile der Unternehmen eine bedeutende Rolle zu spielen. Dies ist z.€B. im Bereich der Polymere und der Stähle der Fall, in denen große Unternehmen den Markt dominieren. Insbesondere bei Werkstoffen, deren Herstellung und Weiterverarbeitung nur einen geringen Automatisierungsgrad erfordern, sind KMU wichtige Akteure im Innovationsprozess. Erkennbar wird dies beispielsweise im Bereich der Faserverbundwerkstoffe oder in Teilbereichen der technischen Keramik. Dies zeigt sich bspw. auch in der Fallstudie A (Abschn. 7.2), in der KMU für wichtige Teilbereiche des Produktionsprozesses verantwortlich waren. Ein weiteres wichtiges Charakteristikum des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe ist die zunehmende Bedeutung von interorganisationaler Zusammenarbeit, sei es in Form von Unternehmenskooperationen oder Interaktionen zwischen Unternehmen und dem Forschungssystem. Peters et€ al. (1998) stellen fest, dass die komplexen Zusammenhänge der Materialentwicklung dazu führen, dass insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Firmen und Forschungseinrichtungen an Bedeutung gewinnt. Weiterhin beschreiben Peters et€ al. (1998), dass auch die auf neue Werkstoffe ausgerichteten F&E-Aktivitäten in Unternehmen durch diesen Effekt beeinflusst wurden. Im Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe sind daher auch zunehmend vertikale Kooperationen zwischen Werkstoffherstellern und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen zu beobachten.3 Gerade weil Werkstoff-Innovationen meist auch mehrere komplementäre Innovationen auf vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufen implizieren (Klein 2001, S.€23€ff.), ist die Zusammenarbeit über die Wertschöpfungsstufen hinweg von hoher Bedeutung. Braun et€ al. (1993) stellen hierzu jedoch fest, dass gerade diese wertschöpfungsstufenübergreifende Zusammenarbeit im Bereich der Werkstoff-Innovation vielfach noch nicht ausreichend realisiert wird. Aktuelle Studien bestätigen die Feststellung von Braun et€al. (1993) und identifizieren die Schwierigkeiten in der Kooperation verschiedener Akteure in der Wertschöpfungskette als Hauptbarriere für den Erfolg von Werkstoff-Innovationen (Acatech 2008, S.€20). In Abschn.€5.3 und Kap.€7 werden empirische Ergebnisse vorgestellt, die diese Argumentation zusätzlich untermauern. 3╇ Da neue Werkstoffe viele weitere Industrien beeinflussen, haben die geschilderten Effekte auch eine Wirkung auf andere Industrien wie die Elektrotechnik, die maßgeblich auf die Anwendung neuer Werkstoffe angewiesen sind (Peters et€al. 1998, S.€259).
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In den folgenden Abschnitten soll auf der Basis der MERIT-CATI-Datenbank4 ein Überblick zu der Intensität der unternehmerischen F&E-Kooperationen in verschiedenen Forschungs- und Innovationsfeldern und speziell im Untersuchungsbereich neuer Werkstoffe gegeben werden. Anhand der MERIT-CATI-Daten wird deutlich, dass das Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe eine vergleichsweise geringe Allianzhäufigkeit aufweist, zumindest was F&E-Kooperationen zwischen Unternehmen betrifft. Weit führend ist der Biotechnologiesektor, gefolgt von der IT-Industrie. Aufgrund der Daten in der MERIT-CATI-Datenbank wird deutlich, dass insbesondere in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eine intensive Kooperationstätigkeit im Bereich der F&E bei neuen Materialien zu verzeichnen war. Nach einem Abschwung zu Beginn der 1990er Jahre stiegen die F&E-Kooperationen im Bereich neuer Materialien wieder deutlich an und erreichten 1993 den Höchstwert für die 1990er Jahre. Seitdem nahm die Kooperationsintensität jedoch tendenziell ab (s. Abb.€2.4 und 2.5). Interessant ist auch die Betrachtung der Verteilung von Equity-Allianzen (Zusammenarbeit in einer neuen Unternehmensgründung bzw. einem Joint Venture) oder Nonequity-Allianzen (Zusammenarbeit von zwei oder mehreren Akteuren ohne Kapitalverflechtung). In den Zeiträumen, in denen eine tendenziell starke Kooperationstätigkeit bei den Unternehmen im Bereich neuer Materialien zu verzeichnen war, ist auch die Anzahl der Equity-Allianzen sehr hoch (s. Abb.€2.5). Insbesondere während der 1980er Jahre waren Equity-Allianzen noch sehr bedeutend 400 Neue Materialien Luftfahrt/Militärtechnik
350
IT Automotive
Biotechnologie Chemie
Allianzhäufigkeit
300 250 200 150 100 50
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
0
Jahre
Abb. 2.4↜渀 Allianzhäufigkeit verschiedener Forschungs- und Innovationsfelder. (Quelle: MERITCATI-Datenbank, aufbereitet für National Science Board 2007) 4╇ MERIT-CATI ist ein Akronym für „Maastricht Economic Research Institute on Innovation and Technology, Cooperative Agreements and Technology Indicators“.
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100
Nonequity Equity
90 Allianzhäufigkeit
80 70 60 50 40 30 20 10 2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
0
Jahre
Abb. 2.5↜渀 Allianzhäufigkeit im Bereich neuer Materialien. (Quelle: MERIT-CATI-Datenbank, aufbereitet für National Science Board 2007)
und meist die dominierende Form der F&E-Zusammenarbeit. Von 1991 bis 2003 wurden F&E-Kooperationen ohne Gründung eines gemeinsamen Joint Ventures die häufigere Organisationsform von F&E-Kooperationen. Weiterhin ist es aufschlussreich, das Kooperationsverhalten der Akteure des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe nach der Herkunft der Organisationen zu differenzieren. Hierbei wird deutlich, dass die Kooperationstätigkeit der japanischen Unternehmen zwar Mitte der 1980er Jahre kurzfristig die der US-amerikanischen und europäischen Akteure überstieg, dann aber signifikant abfiel. Seit den 1990er Jahren sind US-amerikanische und europäische Akteure führend bei der kooperativen F&E im Bereich neuer Materialien (s. Abb.€2.6).
50
US-Firmen Europäische Firmen Japanische Firmen
45
Allianzhäufigkeit
40 35 30 25 20 15 10 5
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
0
Jahre
Abb. 2.6↜渀 Allianzhäufigkeit im Bereich neuer Materialien im Ländervergleich. (Quelle: MERITCATI-Datenbank, aufbereitet für National Science Board 2007)
30
A. Gerybadze et al.
Doch woraus erklärt sich nun diese relativ geringe Allianzhäufigkeit im Bereich der Werkstoff-Innovation, in dem die organisationsübergreifende Zusammenarbeit als wichtiger Faktor eingestuft wird? Ein Erklärungsansatz hierfür ist die Erfassungsproblematik für Allianzen im Bereich der Werkstoff-Innovation, die auch von Betreuern der MERIT-CATI-Datenbank bestätigt wird (Hagedoorn und Schakenraad 1991, S.€ 431). So sind die Grenzen des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe nur schwer zu ziehen, wodurch die Zuordnung von Kooperationen zu diesem Bereich in der MERIT-CATI-Datenbank ein äußert diffiziles Unterfangen sein dürfte. Es kann zudem davon ausgegangen werden, dass bei einer hohen Anzahl von Kooperationen aus den Bereichen IT, Biotechnologie, Luftfahrt/Militärtechnik, Automotive und Chemie zumindest ein geringer Bezug zu Materialentwicklungen vorliegt. Dies würde die tatsächliche Allianzhäufigkeit für den Bereich neuer Materialien wohl immens erhöhen. Weiterhin werden in der MERIT-CATIDatenbank Allianzen zwischen Forschungseinrichtungen und Industriefirmen nur dann erfasst, wenn es sich um multilaterale Allianzen mit mindestens zwei Unternehmenspartnern handelt (Hagedoorn et€al. 2005, S.€179). Allianzen zwischen einer oder mehreren Forschungseinrichtungen und lediglich einem Industriepartner sind damit nicht in der MERIT-CATI-Datenbank erfasst. Da Projektkonstellationen dieser Art im Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe von hoher Bedeutung sind, könnte auch dieser Aspekt die relativ geringe Allianzhäufigkeit bei neuen Materialien in den MERIT-CATI-Daten erklären. Eine wichtige Rolle bei der Intensivierung der wertschöpfungsstufenübergreifenden Zusammenarbeit im Werkstoff-Innovationsprozess kommt den regionalen Clustern zu. Einige wichtige Cluster in Deutschland sind komplett oder zu großen Teilen auf Werkstoff-Innovationen konzentriert, bspw. das Flugzeugbaucluster in Stade (CFK Valley), der Carbon Composites e.€V. (CCeV) in Augsburg oder das Leichtbau-Cluster in Landshut. Innerhalb dieser Cluster tauschen sich Unternehmen über neue Entwicklungen aus, starten gemeinsame Projekte und schmieden Allianzen über sämtliche Stufen des Innovationsprozesses hinweg. Eine wichtige Tendenz, die für die Entwicklung Deutschlands als Innovationsstandort für neue Werkstoffe von hoher Bedeutung werden könnte, ist die zunehmende Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen regionalen Clustern. Es findet also nicht nur innerhalb der Cluster ein Austausch statt, sondern auch über die Grenzen der Clusterorganisationen hinaus. Eine Analyse zu dem Kommunikationsnetzwerk des CCeV hat ergeben, dass der CCeV mit vier weiteren Clusterorganisationen in Verbindung steht, intensive Kommunikation betreibt und Projekte anstößt. In der folgenden Abb.€2.7 ist dies beispielhaft für den Fall des CCeV dargestellt. Im Bereich der Werkstoff-Innovation ist weiterhin eine zunehmend engere Kopplung von Produkt- und Prozessentwicklung zu beobachten. Im Rahmen des Forschungsprojektes „International R&D and Innovation Study (INTERIS)“5 der 5╇ Für INTERIS wurden Forschungsarbeiten zu 50 technologieintensiven Unternehmen durchgeführt. Das Projekt wurde in Kooperation mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und dem National Institute of Science and Technology Policy (NISTEP) in Tokyo durchgeführt.
2â•… Bedeutung der Materialforschung und Stand der Forschung
31
CFK Valley Stade e.V.
Kunststoffnetzwerk Franken Automotive Cluster Cluster Neue Werkstoffe Cluster Sensorik und Leistungselektronik
Cluster Mechatronik und Automation
Leichtbaucluster der Hochschule Landshut CCeV Mechatronik Cluster Oberösterreich Cluster Umwelttechnologie
Abb. 2.7↜渀 Kommunikationsnetzwerke zwischen Werkstoff-Clustern am Beispiel des CCeV. (Quelle: In Anlehnung an van Cour 2008)
Forschungsstelle Internationales Management und Innovation der Universität Hohenheim wurde festgestellt, dass die Kompetenz zu einer effizienten Kopplung dieser beiden Teilbereiche für Unternehmen im Bereich der Werkstoff-Innovation immer mehr zu einem wettbewerbsentscheidenden Faktor geworden ist. Internationale Unternehmen im Bereich der Werkstoff-Innovation verfolgen dabei immer weniger eine primär forschungsbasierte Strategie, sondern setzen stärker auf eine Strategie, die eine enge Kopplung von Produkten und Prozessen vorsieht (Gerybadze 2004, S.€37). Bezüglich der Akteure innerhalb des Forschungs- und Innovationsfeldes neuer Werkstoffe sind neben den Unternehmen und Forschungsinstituten auch die Ausbildungseinrichtungen, sowohl auf Ebene der Hochschulen als auch der Facharbeiterausbildung, von hoher Wichtigkeit. Bei der Hochschulausbildung sind nicht nur
32
A. Gerybadze et al.
die Studiengänge in Werkstoffwissenschaften sondern auch in anderen Disziplinen mit einer starken Verbindung zu Werkstoffen relevant, wie z.€B. die Chemie, die Physik oder die Mineralogie. Derzeit sind die Programme an den deutschen Hochschulen noch dadurch geprägt, dass die Verbindung zwischen Werkstoffforschung und ökonomischen Erfolgsfaktoren von neuen Werkstoffen nicht ausreichend adressiert wird. Einige Studiengänge im Ausland stellen bereits die Verbindung zwischen Werkstoffforschung und Ökonomie her, wie bspw. der Studiengang „Materials Economics and Management“ an der englischen Universität Oxford. Studiengänge dieser Art können als Beispiele für eine erfolgreiche Integration von ökonomischen Fragestellungen in die Ausbildung junger Werkstoffwissenschaftler dienen.
2.3 K omplexe Produkte und Systeme mit neuen Werkstoffen: Zusammenarbeit zwischen Werkstoff-, Komponenten- und Endsystemhersteller Komplexe Produkte und Systeme (Complex Products and Systems, CoPS) sind eine spezifische Klasse von Produkten, die sich deutlich von Massenprodukten unterscheiden lassen. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind (Tidd et€al. 2005, S.€264; Schmidt 2009, S.€95€ff.): • Systemische Struktur: CoPS bestehen aus mehreren, meist hierarchisch angeordneten Komponenten, die nur im Zusammenspiel ihre Funktion erfüllen. • Große Anzahl an Interaktionen zwischen den Subsystemen der CoPS: dies ist eine Folge der Vielzahl hierarchisch angeordneter Komponenten, welche durch Schnittstellen und die Architektur des Systems gesteuert und begrenzt wird. • Schwierigkeit bei der Veränderung von einzelnen Komponenten: einzelne Komponenten der CoPS können nicht verändert werden, ohne dass dies eine Auswirkung auf das Gesamtsystem hätte, d.€h. sie sind nur schwer oder nicht modularisierbar. Hobday et€ al. (2000, S.€ 793€ f.) definieren dementsprechend komplexe Produkte und Systeme folgendermaßen: „…high cost, technology-intensive, customised, capital goods, systems, networks, control units, software packages, constructs and services.“ Die Herstellung des Produktes erfolgt zudem meist im Rahmen eines einmaligen Projektes (z.€ B. ein Kraftwerk) oder in sehr kleiner Stückzahl (z.€ B. Werkzeugmaschinen). Für die Erstellung von CoPS sind meist Fähigkeiten und Kenntnisse in verschiedenen Bereichen notwendig, was die Kompetenz eines einzelnen Unternehmens oft übersteigt (Hobday 1998, S.€ 695). Innovationsmodelle und Innovationskonzepte, die überwiegend auf in Massenproduktion hergestellten Konsumgütern basieren, können hier nur sehr eingeschränkt angewendet werden (Hobday et€al. 2000, S.€793).
2â•… Bedeutung der Materialforschung und Stand der Forschung
Herstellung des neuen Werkstoffs
Fertigung einer Komponente aus neuem Werkstoff
CoPS-Subsystem mit Komponente
33
CoPS mit modifiziertem Subsystem
Abb. 2.8↜渀 Die Rolle neuer Werkstoffe in CoPS: Fertigung einer Komponente, die einen neuen Werkstoff enthält
Entwicklungen im Bereich neuer Werkstoffe können teilweise als CoPS charakterisiert werden. Dabei ist zu beachten, dass die Werkstoffe selbst nicht CoPS sind, aber häufig zuerst in CoPS zur Anwendung kommen. Schematisch ist dieser Zusammenhang in Abb.€2.8 dargestellt. Da in einem CoPS die einzelnen Bestandteile auf die Funktion des Gesamtsystems oder Produktes wirken, hat die Veränderung einer Komponente meist einen deutlichen Einfluss auf das gesamte Gebilde. Auch die Herstellungsverfahren und Verarbeitungsprozesse für neue Werkstoffe stellen manchmal eine komplexe Kombination von Abläufen, Werkzeugen und Werkstücken dar und können dann als CoPS klassifiziert werden. In Fallstudie A in Abschn.€ 7.2 wird deutlich, wie sehr der Werkstoff für eine Teilkomponente eines komplexeren Produktes die Funktion des Produktes beeinflussen kann. Fallstudie B in Abschn.€7.3 ist ein Beispiel für ein CoPS im Bereich Faserverbundwerkstoffe. Das dort entwickelte Mikrowellenverfahren setzt sowohl mehrere vorbereitende Arbeitsschritte für das zu bearbeitende Material voraus, es folgen aber auch weitere Bearbeitungsschritte nach dem Einsatz des Verfahrens bis zur Fertigstellung des Endproduktes. Ein wesentlicher Bestandteil des Mikrowellenofens ist die komplexe Steuerungselektronik in Verbindung mit spezifischen Bauteilen. Eine Veränderung an dem im Mikrowellenofen zu bearbeitenden Material verändert den gesamten Prozess, eine Modifikation an einzelnen Komponenten wirkt sich also auch auf das gesamte System aus. An der Entwicklung waren bisher verschiedene Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit spezifischen, sich teilweise ergänzenden Kompetenzen beteiligt. Bei CoPS spielt der Endsystemhersteller eine entscheidende Rolle bei der Koordination der Zusammenarbeit zur Erstellung des komplexen Produktes oder Systems (Dosi et€al. 2003, S.€100). Die Werkstoff- und Komponentenhersteller erbringen in einem solchen Verbund spezialisierte Teilleistungen ähnlich der Tier-Struktur im Automobilbau, in der die Produktionskette mehrere Ebenen tief gestaffelt ist (z.€B. Dicken 2003, S.€366€ff.). Die beiden Fallstudien in Kap.€7 bieten zwei Beispiele für diese Form der Zusammenarbeit mit mehreren Partnern. Es gelten auch hier die von Gerybadze (2004, S.€194€ff.) dargestellten Überlegungen zu Kooperationen. Wichtig ist vor allem, dass die Ziele und Strategien der Partner übereinstimmen und sie über komplementäre und gleichwertige Kompetenzen verfügen (siehe hierzu auch die Empfehlungen in Kap.€7).
34
A. Gerybadze et al.
Die besonderen Merkmale von CoPS haben spezifische Auswirkungen auf das Innovationsmanagement und die Kooperation bei der Entwicklung und dem Einsatz von CoPS (Hobday et€al. 2000, S.€795€f.). Der Produktlebenszyklus für CoPS kann sich über Jahrzehnte erstrecken, was eine besondere Planungsperspektive bei der Entwicklung erfordert. Zudem läuft der Innovationsprozess auch nach der Übergabe des Produktes weiter, denn es können kontinuierlich Modifikationen und Verbesserungen am CoPS vorgenommen werden, indem alte Komponenten durch leistungsfähigere ersetzt werden. Dies war z.€B. auch in Fallstudie A (Abschn.€7.2) zu beobachten, in der eine Werkstoff-Innovation für die Komponente eines Subsystems den Einsatzbereich des Endproduktes erweitert hat. Ebendiese hohe Anzahl an Komponenten kann auch dazu führen, dass ein CoPS sich von einer Produktgeneration zur nächsten deutlich unterscheidet, je nachdem wie viele Komponenten ausgetauscht oder hinzugefügt werden. Das erforderliche Expertenwissen für die Herstellung von CoPS liegt zudem oft eher implizit in Personen und Teams vor. Dies führt auch dazu, dass Soft Skills wie Kommunikation und Führung von Kooperationen erfolgsentscheidend sowohl für die Entwicklung als auch die Produktion von CoPS sind. Ganz ähnliche Merkmale weisen auch Innovationsprojekte im Werkstoffbereich auf, wie die Fallstudien in Kap.€7 zeigen werden. Entsprechend gelten auch für solche Projekte die hier dargestellten Eigenheiten von CoPS und die Anforderungen an Soft Skills in der Durchführung solcher Werkstoff-Innovationen.
2.4 B esonderheiten des Projekt- und Kooperationsmanagements in der Werkstoff-Innovation Innovationsprojekte, die in Kooperation mit Partnern durchgeführt werden, sind sehr störanfällige und schwierige Unterfangen (Gerybadze 2004, S.€ 220). Gerybadze merkt diesbezüglich an, dass in dem Forschungsprojekt INTERIS von insgesamt 500 Forschungsprojekten rund 100 Kooperationsprojekte untersucht wurden. Von diesen Projekten scheiterten deutlich über die Hälfte oder waren zumindest mit schwerwiegenden Problemen belastet. Eine besondere Herausforderung stellen hierbei multilaterale Projekte dar. Bilaterale Projekte sind im Vergleich dazu weniger konfliktträchtig und weniger komplex. Kooperationsprojekte im Bereich der Werkstoff-Innovation zeigen zusätzlich weitere Eigenschaften, die die Komplexität erhöhen und zu Konflikten in der Zusammenarbeit führen können. Werkstoff-Innovationsprojekte werden meist in interdisziplinären Teams durchgeführt. In den in diesem Forschungsprojekt untersuchten Fällen, die in Kap.€4 genauer beschrieben werden, arbeiteten in den Transferprojekten oft Arbeitsgruppen bestehend aus Werkstoffwissenschaftlern, Chemikern, Physikern und weiteren Disziplinen an einer Werkstoff-Innovation. Die Erfassung und Integration von Kundenbedürfnissen in diesen Projekten erfordert ebenfalls ein zunehmendes Maß an Interdisziplinarität. Die Koordination solcher Teams benötigt eine Verbindung der verschiedenen Perspektiven, die die Experten in das Team einbringen. Dies kann
2â•… Bedeutung der Materialforschung und Stand der Forschung
35
der Problemlösung dienen, aber auch zu Beginn des Projektes die Kommunikation erschweren. Besonders wenn die Ziele nicht ausreichend deutlich abgestimmt werden, kann es geschehen, dass die einzelnen Fachgruppen in einem solchen Projekt eher nebeneinander her arbeiten. In Fallstudie B in Abschn.€7.3 zeigten sich Ansätze einer solchen Entwicklung im Team. Weiterhin werden Werkstoff-Innovationen häufig in Kooperation zwischen verschiedenen Unternehmen und Forschungseinrichtungen bearbeitet (Niosi 1993, S.€18€f.). Laut Niosi (1993) ist der Grund hierfür, dass viele Innovationen in diesem Feld stark durch wissenschaftliche Erkenntnisse geprägt sind und dass die öffentliche Forschung in diesen Feldern oft noch Kompetenzvorteile gegenüber der industriellen Forschung hat. Niosi (1993, S.€17€f.) betont außerdem, dass eine Zusammenarbeit von naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen (z.€ B. Universitäten, private F&E-Dienstleister), produzierenden Firmen und Firmen, die den neuen Werkstoff anwenden, notwendig ist. Nur im Zusammenspiel zwischen diesen Wertschöpfungsstufen können Innovationen im Bereich neuer Werkstoffe generiert werden. Die komplexe Einbettung der Werkstoff-Innovation in am Markt bereits etablierte Wertschöpfungsstrukturen und die Verbindung verschiedener Organisationen in den entsprechenden Kooperationen sind damit weitere wichtige Merkmale von Werkstoff-Innovationen, die bei der Strukturierung von Kooperationsprojekten berücksichtigt werden müssen. Diese Kooperationsstrukturen führen außerdem dazu, dass die Partner in Werkstoff-Innovationsprojekten häufig räumlich verteilt sind. Hierauf wird in Abschn.€2.7 noch genauer eingegangen. Die teils breite Einsetzbarkeit von Werkstoffentwicklungen kann zudem die Fokussierung auf einen ersten Anwendungsbereich erschweren, da sich viele verschiedene Anwendungsmöglichkeiten bieten, die aber jeweils sehr arbeitsintensiv erschlossen werden müssten. Dies war auch in Fallstudie B in Abschn.€7.3 zu beobachten. Die systematische Suche nach einem ersten Anwendungsfeld ist bei eher generischen Werkstoffinnovationen ein nicht zu unterschätzender Meilenstein, da sonst das Innovationsprojekt Gefahr läuft, dass die Innovation sich nicht in der Anwendung etablieren kann. Die erste industrielle Anwendung ist essentiell für die weitere Verbreitung der Werkstoff-Innovation. Nach einer ersten Anwendung, wie es auch in Fallstudie A in Abschn.€7.2 geschehen ist, können meist nach geringfügiger Modifikation des Werkstoffes bzw. des Herstellungsverfahrens weitere Anwendungsbereiche erschlossen werden. Die Ausweitung der Anwendung einer Werkstoff-Innovation hängt dabei stark von den Kostenstrukturen in der Anwendung ab, welche in Abschn.€2.5 diskutiert werden. Auch die Besonderheiten des Innovationsmanagements bei CoPS, die bereits oben in Abschn.€2.3 erläutert wurden, wirken auf das Projekt- und Kooperationsmanagement bei Werkstoffprojekten. Da Werkstoffentwicklungen, vor allem wenn es sich um neue Fertigungsprozesse handelt, dem Charakter nach einem CoPS ähnlich sind, sollten die in Abschn.€2.3 beschriebenen Aspekte bei Werkstoff-Innovationsprojekten beachtet werden. Vor allem das eher implizite Wissen in solchen Projekten erfordert eine strukturierte Herangehensweise im Bereich Kommunikation und Projektmanagement.
36
A. Gerybadze et al.
2.5 Ö konomie und Kostenstruktur in Werkstoff-Innovationsprojekten Einer der entscheidenden Faktoren für die Durchsetzung neuer Werkstoffe ist das Vorhandensein einer vorteilhaften Kostenstruktur. Jedoch ist bei vielen Werkstoffen zu beobachten, dass eine breite Durchsetzung im Markt daran scheitert, dass die Kostenstrukturen unvorteilhaft oder schwer zu prognostizieren sind. Die Kosten für Vorprodukte sowie zeit- und energieintensive Fertigungsprozesse sind hierbei von besonderer Wichtigkeit. Diese Problematik erschwert die Marktakzeptanz von neuen Werkstoffen und damit auch die Substitution konventioneller Werkstoffe (OECD 1990, S.€15; Musso 2005, S.€16). Die OECD hat bereits in den 1990er Jahren festgestellt, dass durch die hohen Kosten von neuen Werkstoffen oftmals ein „Teufelskreis“ entsteht, der zu einer niedrigen Nachfrage nach Werkstoff-Innovationen führt, was dann letztendlich zu einem vorzeitigen Abbruch von Investitionen führen kann (vgl. OECD 1990, S.€15). Wenn Deutschland seine Führungsposition im Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe nachhaltig behaupten will, muss dieser von der OECD beschriebene „Teufelskreis“ vermieden und ein Fokus auf das Kostenmanagement bei neuen Werkstoffen gelegt werden. Dieses Kapitel zeigt auf, welche Grundlagen aus der betriebswirtschaftlichen Literatur hierfür besonders relevant sind und welche Ansatzpunkte und Methoden für das Kostenmanagement bei neuen Werkstoffen verfolgt werden sollten. Bei den Kosten für neue Werkstoffe spielen Erfahrungskurveneffekte eine entscheidende Rolle (Klein 2001). Das Konzept der Erfahrungskurve besagt, dass aufgrund verschiedener Faktoren die Stückkosten eines neuen Werkstoffes bei der zunehmenden kumulierten Ausbringungsmenge absinken. Dieser Effekt wird auch als Kostendegression bezeichnet und durch drei Faktoren verursacht: 1) Größenvorteile bzw. reine Skaleneffekte, die im angelsächsischen Sprachraum als „Economies of Scale“ bezeichnet werden, 2) Verbundvorteile, so genannte „Economies of Scope“ und 3) Erfahrungsvorteile, die zu einer höheren Effizienz bei den zu verrichtenden Arbeitsschritten und den Produktionsprozessen führen (Kehrt und Asum 2008, S.€20; Hilton et€al. 2008, S.€448). In dem folgenden Beispiel in Abb.€2.9 ist die Erfahrungskurve exemplarisch für einen konventionellen und einen neuen Werkstoff dargestellt, wobei der Verlauf der Kostenkurven nicht empirisch belegt ist, sondern lediglich auf die grundsätzlichen Unterschiede zwischen konventionellen und neuen Werkstoffen hinweisen soll. Mit dem Einsatz einer Werkstoff-Innovation ist der Übergang auf eine neue Erfahrungskurve verbunden, die durch erhebliche Strukturaufbau- und Strukturzerstörungskosten gekennzeichnet ist.6 Dieses Problem beschreibt Klein (2001) als typisch für Werkstoff-Innovationen und nennt das Phänomen den „Kostenhöcker“, der die Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen unterdrückt oder entscheidend verlangsamt. Die Umstellungskosten („switching costs“), die durch den Einsatz eines neuen Werkstoffes entstehen, bestimmen das Adaptionsverhalten von Markt6╇
Vgl. hierzu auch die Literatur zu „competence-destroying“-Entwicklungen in Kap.€3.
2â•… Bedeutung der Materialforschung und Stand der Forschung
37
Stückkosten
Abb. 2.9↜渀 Vereinfachtes Konzept der Erfahrungskurve
Kneuer Werkstoff Kkonventioneller Werkstoff
Kumulierte Ausbringungsmenge
akteuren maßgeblich (Musso 2005). Schlüter (2000, S.€89) thematisiert dieses Phänomen ebenfalls und stuft die Umstellungskosten von einer konventionellen auf eine innovative bzw. konkurrierende Werkstoffbasis als wichtiges Kriterium für die Werkstoffadaption ein. Umstellungskosten können neben dem Umbau bzw. Neukauf von Produktionsanlagen auch noch diverse weitere Kostenblöcke sein, z.€B. das Brachliegen von speziellen, an die tradierten Werkstofflösungen gebundenen Kompetenzen des Unternehmens oder die Kosten zum Aufbau von neuem Knowhow für den veränderten Produktionsprozess. Die Umstellungskosten werden dabei insbesondere durch die Komplexität der Wertschöpfungskette und durch das Wissen über den neuen Werkstoff beeinflusst. Bei einer hohen Komplexität der Wertschöpfungskette sind die Umstellungskosten tendenziell höher, wobei sie bei zunehmendem Wissen über den Werkstoff tendenziell absinken (Musso 2005). Musso kritisiert, dass die Studien zur Werkstoff-Innovation diese Zusammenhänge meist nur unzureichend berücksichtigen, obwohl diese das Adaptionsverhalten von Marktakteuren maßgeblich bestimmen. In den empirischen Studien im Rahmen des Forschungsprojektes InnoMat konnte dieses Phänomen anhand der Aushärtungstechnologie für Faserverbundwerkstoffe in der Automobil- und Luftfahrtindustrie beobachtet werden.7 Die dort zur Aushärtung genutzten Autoklav-Öfen sind fest installierte, teure Anlagen, für die hohe Investitionssummen aufgewendet wurden. Die hohen Kosten für einen AutoklavOfen, die bereits für diese Aushärtungstechnologie erlernten Optimierungsprozesse und der mit der Einführung einer neuen Technologie verbundene Zertifizierungsaufwand führen vielfach zu dem Bestreben, die bislang genutzte technologische Lösung beizubehalten. Hieraus resultiert ein „Lock-In“-Effekt. Hersteller- und Zulie7╇
Vgl. hierzu auch Kap.€7.
Technische Leistungsfähigkeit L
38
A. Gerybadze et al.
Neuer Werkstoff (Werkstoff-Innovation)
L2 Lgrenz
Konventioneller Werkstoff
Lt
L1
K1
Kgrenz1
Kt
K2
Kgrenz2
Kosten K (EUR/kg)
Abb. 2.10↜渀 Einfaches Modell der Substitution für einen konventionellen und einen neuen Werkstoff
ferfirmen schrecken also vor Umstellungskosten auf neue technologische Lösungen zurück und bevorzugen tendenziell das Beibehalten der konventionellen Lösung, auch wenn andere Aushärtungstechnologien Kosteneinsparungen und Qualitätsverbesserungen versprechen. Wenn sich ein neuer Werkstoff am Markt durchsetzen soll, muss er meist einen konventionellen Werkstoff ersetzen. Bei der Betrachtung der Entscheidung für einen neuen und gegen einen konventionellen Werkstoff kann in Anlehnung an Hartmann (2000, S.€14) ein einfaches Substitutionsmodell herangezogen werden, in dem der Leistungsverlauf, die technische Leistungsfähigkeit eines Werkstoffes (L) und die Kosten des Werkstoffes in EUR/kg (K) abgetragen werden (s. Abb.€2.10). Der Indifferenzpunkt der Substitutionsentscheidung der Werkstoffe liegt hier bei dem Schnittpunkt der Kurven (Lt/Kt). Wie das Substitutionsmodell zeigt, spielt auch hier die generische Natur von Werkstoff-Innovationen eine Rolle. Da viele Werkstoffe industrieübergreifend eingesetzt werden, z.€ B. sowohl in der Luftfahrt als auch in der Automobilindustrie, müssen die in beiden Branchen geltenden Kostenobergrenzen berücksichtigt und als Kostenschranken verstanden werden. Die Automobilindustrie ist traditionell kostensensitiver als die Luftfahrtindustrie. Betrachtet man die tolerierbaren Mehrkosten für eine Gewichtsminderung um ein Kilogramm bzw. ein Prozent des Gesamtgewichtes, so ergeben sich für die Raumfahrt, den Bereich der Großraumflugzeuge, die Regionalflugzeuge und die Automobilindustrie die in Tab.€2.2 angeführten Größenordnungen. Daher könnten in dem in Abb.€ 2.10 vorgestellten Modell für die Automobilindustrie die Kostenobergrenze Kgrenz1 und für die Luftfahrtindustrie die Kostenobergrenze Kgrenz2 zugeordnet werden. An dem Modell wird nun deutlich, dass im Rahmen der Kostenobergrenze in der Luftfahrtindustrie zwei Fälle denkbar sind: 1)
2â•… Bedeutung der Materialforschung und Stand der Forschung
39
Tab. 2.2↜渀 Richtwerte für tolerierbare Mehrkosten für Gewichtseinsparungen in verschiedenen Anwendungen. (Quelle: Herbeck und Voggenreiter 2007, S.€15) Tolerierbare Mehrkosten pro einTolerierbare Mehrkosten für gespartem Kilogramm (€/kg) 1€% Gewichtseinsparung in € Raumfahrt 5.000 5.000.000 Großraumflugzeuge 500 500.000 Regionalflugzeuge 250 50.000 Automobil 5 50
Die Werkstoff-Innovation muss eingesetzt werden, da das konventionelle Material nicht über das notwendige Eigenschaftsprofil verfügt, oder 2) die Werkstoff-Innovation wird eingesetzt, da sie ein hohes Leistungsspektrum zu geringeren Kosten als der konventionelle Werkstoff realisiert. Andererseits wird deutlich, dass die innerhalb der Automobilindustrie vorherrschende Kostentoleranz einen Einsatz der Werkstoff-Innovation nicht erlauben würde (Hartmann 2000, S.€15). Eine klare Abgrenzung der Anwendungsfelder ist also von entscheidender Bedeutung hinsichtlich der Kostenrestriktionen, die für einen Werkstoff gelten. Bereits Jones (1970, S.€797) ging darauf ein, dass die klare Abgrenzung des Anwendungsfeldes daher für eine Einschätzung der wirtschaftlichen Anwendbarkeit eines Werkstoffes unabdingbar wäre. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass bei der Forschung und Anwendung dynamischer Kostenrechnungsverfahren und dynamischer Controlling-Konzepte für Werkstoff-Innovationsprojekte noch Nachholbedarf besteht. Hierzu wären entsprechende Projekte zwischen Industriefirmen und betriebswirtschaftlichen Lehrstühlen wünschenswert, die neue Ansätze entwickeln und bisherige konkretisieren sollten. Ein viel versprechender dynamischer Ansatz für das Kostenmanagement bei Werkstoffen wurde von Götze und Weber (2007) erarbeitet, die die Analyse von WerkstoffKosten auf den Lebenszykluserfolg des Werkstoffes ausrichten. Der Erfolgsbezug des Werkstofflebenszyklus kann dabei entweder auf den Werkstoffentwickler und -hersteller oder das den Werkstoff verwendende Unternehmen ausgerichtet sein. Der Lebenszykluserfolg von Werkstoffen kann zum einen als langfristiges wirtschaftliches Ergebnis eines (neu zu entwickelnden) Werkstoffes für den Werkstoffentwickler bzw. -hersteller aufgefasst werden, zum anderen als lebenszyklusbezogener Ergebnisbeitrag, den ein Werkstoff für das ihn verwendende Unternehmen leistet. (Götze und Weber 2007, S.€91)
Die Kostenrechnung im Bezug auf Werkstoff-Innovationen muss dabei eine Vielzahl verschiedener Einflussfaktoren einbeziehen. Eine Auswahl dieser Kosteneinflussfaktoren ist in Tab.€ 2.3 zusammengefasst, die auf Ausführungen von Götze und Weber (2007) basiert und durch die Ergebnisse eigener Erhebungen ergänzt wurde. Für die Kostenstruktur einer Werkstoff-Innovation spielen die Materialkosten an sich vielfach nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr sind die Prozesskosten, die Weiterverarbeitungskosten („assembly costs“) und die Endbearbeitungskosten („finishing costs“) von entscheidender Bedeutung für die Durchsetzung neuer Werkstoffe (Jones 1970). Diese Feststellung hat sich in den empirischen Fallstudien
40
A. Gerybadze et al.
Tab. 2.3↜渀 Einflussfaktoren auf die Kostenstruktur eines Werkstoffes Einflussfaktoren durch Einflussfaktoren aus der Unternehmensstruktur Werkstoffeigenschaften oder dem Unternehmensumfeld UnternehPhysikalische FertigungsGebrauchsWerkstoffWeitere untermensexterne Eigenschaften eigenschaften eigenschaften mengen nehmensinterne Faktoren Faktoren •â•‡Unternehmens- •â•‡ Faktorpreise •â•‡Beschaf•â•‡Tempera•â•‡ Mechanisch •â•‡Umformfungsgröße •â•‡ Konkurrenz barkeit turbestän•â•‡ Chemisch menge •â•‡Fertigungstech- •â•‡ Nachfrager •â•‡Schweißdigkeit •â•‡Elektronologien •â•‡Rechtliche •â•‡Zugfestig- •â•‡Losgrößen nisch barkeit •â•‡ Standort •â•‡AbsatzBestimmun•â•‡ Thermisch •â•‡ … keit gen mengen •â•‡Fertigungstiefe/ •â•‡Bruchfes•â•‡Kernphysi•â•‡ … •â•‡ … tigkeit breite kalisch •â•‡ … •â•‡Erfahrung & •â•‡ … Know-how •â•‡Kontrolle von komplementären Assets •â•‡ …
aus dem Forschungsprojekt InnoMat bewahrheitet und spiegelt sich beispielsweise in der Fallstudie A in Kap.€7 anschaulich wider. Trotz seiner unbestrittenen Bedeutung ist das Thema der Kostensenkung bei neuen Werkstoffen in der „Scientific Community“ weniger präsent als dies eigentlich zu erwarten wäre. Jones sprach bereits 1970 an, dass viele Zeitschriften die Kosteneffizienz von Werkstoffen als nicht publikationswürdig ansehen und daher Informationen dieser Art nur in Randnotizen an die Öffentlichkeit gelangen. Dieses Dilemma hat sich bis heute nicht grundlegend aufgelöst und führt dazu, dass die Absenkung von Prozess-, Weiterverarbeitungs- und Endbearbeitungskosten, die für die Kosteneffizienz von Werkstoff-Innovationen eine so entscheidende Rolle spielen, wenig im Fokus der Scientific Community stehen. Die Wichtigkeit dieser Kostenblöcke im Vergleich zu den Kosten für Vorprodukte zeigt sich auch sehr anschaulich in den in Kap.€7 analysierten Anwendungsfällen. Für das Management von Kosten werden verschiedene Instrumente angewendet, unter denen das Target Costing (Zielkostenrechnung) einige Besonderheiten aufweist, welche es für den Bereich der Werkstoff-Innovation in besonderem Maße empfehlen. Das Target Costing stellt daher im Bereich des Managements von Werkstoffkosten ein bedeutendes Instrument dar (Götze und Weber 2007). Unter Target Costing wird ein Managementansatz verstanden, der eine Markt- und Kundenorientierung in das Kostenmanagement integriert. Hierdurch wird frühzeitig ein marktorientiertes Design von Produkten und Produktkostenstrukturen sichergestellt (Riedrich und Sasse 2005, S.€173). Ein Target Costing verläuft dabei üblicherweise in vier Stufen, die wir in Anlehnung an Vorbach (2003, S.€343) sowie Götze und Weber (2007) in der folgenden Abb.€2.11 darlegen. Im Rahmen der für das Projekt InnoMat geführten Expertengespräche wurde deutlich, dass die Anwendung des Target Costing in Werkstoff-Innovationspro-
Funkt. Zielkostenspaltung
Aufspaltung der Zielkosten auf Baugruppen, Komponenten, Werkstoffe und Prozesse
Zielkostenbestimmung
Abb. 2.11↜渀 Ablauf des Target Costing
Zielkostenkontrolle/verbesserung
Identifikation von Abweichungen
Kostenorientiertes ständiges Lernen und Verbessern
Kostenreduktionsmaßnahmen
Zielkostenrealisierung
Zielkostenplanung
Aufwands- und Kostenschätzung
Kostenreduktionsmaßnahmen
Aufwands- und Kostenschätzung
Festlegung von Strategien zur Zielkostenerreichung
5. Out of Standard Costs
4. Out of Competitor
3. Into and out of Company
2. Out of Company
1. Market into Company
2â•… Bedeutung der Materialforschung und Stand der Forschung 41
42
A. Gerybadze et al.
jekten nur vereinzelt erfolgt. Insbesondere gilt dies für Projekte ohne Beteiligung eines Industriepartners. Daher unterbleibt vielfach die frühzeitige Berücksichtigung der im Markt bzw. im Anwendungsfeld vorliegenden Kostenrestriktionen. Götze und Weber (2007) widmen sich dieser Thematik und plädieren für ein werkstoffbezogenes Target Costing, das bei dem Werkstoff-Entwickler bzw. -Hersteller oder dem Werkstoffanwender ansetzen könnte.8 Zu dem werkstoffbezogenen Target Costing bei einem Werkstoff-Entwickler und -Hersteller legen die Autoren folgendes dar: …[der Werkstoff-Entwickler und -Hersteller sollte darauf abzielen, das Target Costing] zur Steuerung seiner eigenen werkstoffbezogenen Entwicklungs-, Herstellungs- und Vermarktungsaktivitäten zu nutzen und dabei Zielkosten für den Werkstoff insgesamt sowie dessen materielle Elemente und die für die Herstellung erforderlichen Prozesse zu bestimmen. (Götze und Weber 2007, S.€96)
Ein Werkstoffanwender sollte stattdessen ein werkstoffbezogenes Target Costing einführen, das die Wünsche des Endkunden in Bezug auf den Werkstoff berücksichtigt. Hier sind gerade die Kostentoleranzen der Anwender, die in dem bereits dargelegten Substitutionsmodell von konventionellen und traditionellen Werkstoffen thematisiert wurden (vgl. Abb.€ 2.10), ein entscheidender Faktor (Götze und Weber 2007, S.€97). Kerngedanke des werkstoffbezogenen Target Costing ist die Verschiebung des Fokus des Kostenmanagements von Produkten und Komponenten auf Werkstoffe: Es lassen sich Zielkosten nicht nur für Produkte sowie deren Merkmale bzw. Funktionen und/oder Komponenten und Teile (wie beim klassischen Target Costing), sondern auch für Werkstoffe bestimmen und als Steuerungsgröße für die werkstoffbezogenen Aktivitäten des gesamten Lebenszyklus verwenden. (Götze et€al. 2009)
Ein wichtiges Charakteristikum des werkstoffbezogenen Target Costing ist die Berücksichtigung von direkten und indirekten Werkstoffkosten bereits in der Phase der Produktentwicklung, in der die Potentiale für Kosteneinsparungen und -beeinflussung am größten sind (Götze et€al. 2009). Daher sollten auch in den so genannten „marktfernen“ Werkstoff-Innovationsprojekten die Kostenstrukturen mit dem Instrument des Target Costing frühzeitig geplant werden. Weiterhin dient das Target Costing als ein Instrument der Projektauswahl. Bereits in einer frühen Phase kann erkannt werden, ob ein Werkstoff zu am Markt akzeptierten Kosten produziert werden kann (Götze et€al. 2009). In einem werkstoffbezogenen Target Costing ist es von besonderer Wichtigkeit, bestimmte Kostenrestriktionen auf nachgelagerten Wertschöpfungsstufen nicht zu überschreiten. Da die End(produkt)käufer vielfach nicht die Kaufentscheidung für den eigentlichen Werkstoff fällen, sind die Zielkosten primär an der direkt nachgelagerten Wertschöpfungsstufe festzumachen. Daraufhin sollte aber eine sukzessive Prüfung der Kostentoleranzen für sämtliche nachgelagerten Wertschöpfungsstufen Auch die Ermittlung der Kostenstruktur für Werkstoffprüfverfahren ist ein für die WerkstoffInnovation sehr relevantes Thema, das aber an dieser Stelle nicht weiter vertieft wird. Ein Modell zur Lösung dieser Fragestellung wird von Berg et€al. (1997) vorgeschlagen.
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bis hin zu den Endabnehmern erfolgen. An dieser Stelle muss betont werden, dass der Endabnehmer durchaus seine Verhandlungsmacht ausspielen kann, in dem er bspw. nur diejenigen Subsystem- oder Systemhersteller berücksichtigt, die den Werkstoff nutzen. Daher ist zwar die eigentliche Kaufentscheidung über den Werkstoff nicht direkt bei dem Endkunden anzusiedeln, jedoch besteht eine nicht zu vernachlässigende Wirkung seiner Verhandlungsmacht auf die Kaufentscheidung der Akteure in den vorgelagerten Wertschöpfungsstufen. Ein weiterer, in Bezug auf Werkstoffe wichtiger Ansatz des Kostenmanagements ist der „Design-to-Cost“-Ansatz, der später zu dem „Design-to-Life-Cycle-Cost“Ansatz weiterentwickelt wurde (Hartmann 2000, S.€28; Arthur D. Little et€al. 2005). In letzterem Ansatz werden auch Vorlaufs- und Folgekosten von Werkstoffen berücksichtigt. Ein ganzheitliches Vorgehen dieser Art wird auch von Schlüter (2000, S.€88€f.) vorgeschlagen, der eine ökonomische Beurteilung von Werkstoffentscheidungen auf alleiniger Basis des Verhältnisses Gewicht/Preis ablehnt. Vielmehr müsse eine Analyse der Kostenstruktur im Hinblick auf das Gesamtkonzept erfolgen, wobei alle kostenrelevanten Faktoren über den Werkstofflebenszyklus hinweg einbezogen werden müssten. Berücksichtigt man die Lebenszykluskosten eines Werkstoffes, ergibt sich bei Substitutionsentscheidungen zwischen konventionellen und neuen Materialien oft eine neue Konstellation. Hartmann (2000) beschreibt ein Modell der LebenszyÂ� kluskostenrechnung für neue Werkstoffe am Beispiel von Faserverbundwerkstoffen. Er schlägt hierbei eine Aufteilung des Lebenszykluskostenkonzeptes in vier Bausteine vor: 1. Vorlaufkosten 2. Herstellkosten 3. Betriebs-, Wartungs- und Reparaturkosten 4. Recycling- und Entsorgungskosten. Hartmann (2000) nutzt für sein Modell einen dynamischen Ansatz der Investitionsrechnung. Bei der Bewertung von Investitionsprojekten, die durch den Einsatz einer Werkstoff-Innovation geprägt sind, empfiehlt Hartmann eine Lebenszyklusbetrachtung über die vier genannten Phasen hinweg, die die in der Zukunft liegenden Kosten auf den Analysezeitpunkt tâ•›=â•›0 abdiskontiert. Für die Berechnung der Herstellkosten schlägt Hartmann eine Erweiterung der klassischen Kostenschätzmethode um zwei, gerade für Faserverbundwerkstoffe, wichtige Teilaspekte vor: 1) die Bewertung von produktionsintegriertem Recycling und Produktionsabfällen und 2) die Berücksichtigung von Lernkurveneffekten. Letzteres deckt sich mit den Ausführungen von Klein (2001). Die Integration eines werkstofforientierten Target Costing und eines LifeCycle-Â�Costing liefert Werkstoff-Herstellern und Werkstoff-Anwendern wertvolle Informationen über einen neuen Werkstoff. Jedoch bleibt abzuwarten, inwieweit diese Methoden greifbar und anwenderfreundlich gestaltet werden können. Eine spezielle Anpassung des Target Costing auf den Anwendungsbereich neuer Werkstoffe ist bislang noch nicht in ausreichendem Maße erfolgt. Die Ausarbeitung eines anwenderfreundlichen Methodenbaukastens für das Kostenmanagement bei
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Werkstoff-Innovationsprojekten ist damit eine interessante Fragestellung für zukünftige Projekte.
2.6 T ypische Konflikte und Innovationshemmnisse in Werkstoff-Innovationsprojekten zwischen Industrie und öffentlicher Forschung Um die typischen Konflikte und Innovationshemmnisse in Werkstoff-Innovationsprojekten zu verstehen, müssen die Merkmale der verschiedenen am Projekt beteiligten Akteure und deren institutioneller Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Im Fall des Forschungsprojektes InnoMat arbeiten in sämtlichen Transferprojekten Projektakteure aus Forschungseinrichtungen (sowohl universitär als auch außeruniversitär) mit Akteuren aus der Industrie zusammen, um einen Wissens- und Technologietransfer (WTT) zu realisieren. Daher erfolgt in diesem Kapitel eine Gegenüberstellung der Merkmale und Rahmenbedingungen von Industrieunternehmen und öffentlichen Forschungseinrichtungen. Innovationsprojekte, in denen Unternehmen mit öffentlichen Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten, sind geprägt durch die Unterschiedlichkeit der Akteure und ihrer Rahmenbedingungen. Hall (1999) nimmt in diesem Zusammenhang das mehrfach genutzte Bild von „zwei Welten“ auf, in denen sich Forscher und Vertreter von Industrieunternehmen bewegen. Sie merkt hierzu Folgendes an: [W]e might expect particular tensions to arise in settings where the conventions of one world (private industry) come up against the conventions of another (public R&D and university science). (Hall 1999, S.€9; zitiert nach Hall et€al. 2001, S.€6)
Sicherlich simplifiziert diese Darstellung die Rahmenbedingungen der Interaktionen zwischen Industrie und öffentlicher Forschung. Dennoch stellt das Bild der „zwei Welten“ die Ausgangslage prägnant dar, die jedoch für jeden Fall und jede Organisation hinterfragt werden muss. So wurde von dem Forschungsteam des ITAS festgestellt, dass die institutionellen Rahmenbedingungen von Forschungsorganisationen sehr stark voneinander abweichen können, was dann auch zu verschiedenen Handlungsmustern in Werkstoff-Innovationsprojekten führt (vgl. hier auch Kap.€ 8). So werden bspw. die Veröffentlichungsrechte an Erfindungen zu neuen Werkstoffen durch Technische Universitäten vehementer durchgesetzt als von Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG). Diese sind eher bereit, auf Veröffentlichungsrechte zu verzichten, beanspruchen dafür jedoch bei Verhandlungen mit Industriepartnern eine stärkere Beteiligung an den Eigentumsrechten (vgl. Abschn.€5.3). In den folgenden Unterpunkten sollen die Rahmenbedingungen und Unterschiede zwischen Industrie und Wissenschaft noch detaillierter herausgearbeitet werden. Hierbei fokussieren sich unsere Betrachtungen im ersten Schritt auf das unterschiedliche Selbstverständnis und die unterschiedlichen Zielsetzungen von Wissenschaft und Industrie. Dann gehen wir auf die Charakteristika der unterschiedlichen
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Anspruchsgruppen ein. Abschließend folgt eine Betrachtung der Probleme des Wissensaustausches zwischen Wissenschaft und Industrie.
2.6.1 Selbstverständnis von Wissenschaft und Industrie Forscher aus dem universitären Umfeld oder einer außeruniversitären Forschungsorganisation sind geprägt und getrieben von dem Streben nach Erkenntnisgewinn. Je stärker die Forschungsorganisation in ihrem Selbstverständnis und ihrem öffentlichen Auftrag auf die Grundlagenforschung konzentriert ist, desto stärker ist im Regelfall die Grundmotivation des Erkenntnisgewinns ausgeprägt. Ein Forscher aus einem FhG-Institut ist damit tendenziell weniger auf den Erkenntnisgewinn fokussiert als ein Forscher einer universitären Einrichtung. Im Fall der Werkstoff-Forschung entspricht der Erkenntnisgewinn meist neuen, leistungsfähigeren Materialien und bestmöglichen Materialkennwerten. Im Vordergrund stehen demnach das Streben nach neuem Wissen und die Motivation, sich selbst als Forscher und die Forschungseinrichtung als führende Wissensträger zu positionieren. Neue Erkenntnisse verstehen Wissenschaftler, im speziellen Wissenschaftler in staatlich finanzierten und auf die Grundlagenforschung ausgerichteten Organisationen, oft als „Public Good“, welches dem Gemeinwohl und der Wissenschaft zuträglich sein soll. Das Selbstverständnis der Industrie ist in diesem Punkt mit dem Selbstverständnis der Scientific Community nur schwer in Einklang zu bringen. Das Streben nach Gewinnmaximierung und Wachstum einer Unternehmung lässt es beispielsweise nicht zu, dass eine in gemeinschaftlichen Projekten erarbeitete und finanzierte Werkstoff-Innovation der Allgemeinheit, und damit auch den Wettbewerbern, zugänglich gemacht wird. Die Innovationsliteratur merkt jedoch einige Fälle an, in denen ein Abrücken von vollkommener Exklusivität nutzenstiftend sein kann (Simcoe 2006). Zieht man die Systematik des nationalen Innovationssystems nach Freeman (1987) in Betracht, tritt an dieser Stelle ein Grundkonflikt zwischen dem Forschungs- und Bildungssystem sowie dem Produktionssystem zu Tage. Akteure aus beiden Systemen arbeiten in gemeinschaftlichen Projekten an Werkstoff-Innovationen, sind sich aber uneins über die Art der Verwertung der Innovation. Die Industrie erwartet möglichst exklusive Regelungen und eine klare Absicherung des komparativen Konkurrenzvorteils, wohingegen weite Teile des Wissenschaftssystems eine offene Grundausrichtung und Nichtexklusivität des in Technologietransferprojekten generierten Wissens befürworten. Trotz dieser Aspekte sollte die „kulturelle Lücke“ zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen nicht generalisiert werden, da diese immer von den jeweiligen Akteuren und Projektkonstellationen abhängt (Schmoch 2003, S.€345). Jedoch muss die Frage der unterschiedlichen Organisationskulturen in Projekten mit Beteilung von Industrie und Wissenschaft thematisiert und gelöst werden, insbesondere dann, wenn stark grundlagenorientierte Forschungseinrichtungen in Kooperationsprojekte mit Unternehmen eingebunden werden sollen und diese Projekte auf eher
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inkrementelle Verbesserungen in anwendungsnahen Feldern abzielen (Schmoch 2003, S.€345).
2.6.2 Z ielsysteme und Anspruchsgruppen von Wissenschaft und Industrie Innovative Akteure in Projekten sind durch spezielle Charakteristika geprägt. Hübner (2002) merkt an, dass Innovatoren stark durch intrinsische Faktoren, wie persönliche Zufriedenheit, angetrieben werden. Extrinsische Motivationsfaktoren wie wirtschaftlicher Erfolg und Prämien nehmen bei Innovatoren nur eine nachrangige Bedeutung ein. Gerade für Wissenschaftler, die tendenziell eher durch Erkenntnisgewinn als den Gewinn von Marktanteilen und Marktführerschaftspositionen getrieben sind (vgl. Kap.€6), ist diese Aussage von Hübner zutreffend. Ein weiterer intrinsischer Faktor ist das Standing des jeweiligen Forschers in der Scientific Community. Dieses wird eher durch innerwissenschaftliche Kriterien gemessen, innerhalb derer meist die Qualität und Quantität der Publikationen und Vorträge des Forschers herangezogen werden (vgl. Kap.€8). Die gleiche Systematik gilt auch auf der Ebene der Forschungseinrichtung als Institution. Daher ist das Streben nach der Publikation neuen Wissens hier ein systemimmanenter Faktor. Die in Unternehmen prioritär verfolgten Ziele sind vielen Zielen der Scientific Community diametral entgegengesetzt. Werkstoff-Innovationsprojekte sind aus Sicht der Industrie nicht dann erfolgreich, wenn ein Werkstoff mit hoher Leistungsfähigkeit und überlegenen Kennwerten entwickelt wurde, sondern dann, wenn ein klarer komparativer Konkurrenzvorteil aus dem neuen Werkstoff generiert werden kann („unique selling proposition“). Die Ziele industrieller Partner sind damit nur auf solche Werkstoffcharakteristika ausgerichtet, für welche in den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen Preisprämien oder Kostensenkungseffekte zu erwarten sind. Gerade letztgenannte Effekte spielen jedoch oft nur am Rande in das Zielsystem von Wissenschaftlern und Forschungsorganisationen hinein. Wie wir bereits in Abschn.€2.5 dargestellt haben, betrachten für Werkstoffwissenschaftler relevante wissenschaftliche Publikationen die Neuerungen im Bereich der Kostensenkung durch Prozess- und Verarbeitungstechnik oft als nicht publikationswürdig, insbesondere dann, wenn es sich nur um eine inkrementelle Verbesserung handelt. Die fehlende Würdigung von Forschungsergebnissen dieser Art führt dazu, dass der Anreizmechanismus zur Initiierung und der nachhaltigen Förderung einschlägiger Projekte auf Seiten der Wissenschaft fehlt. Diese Schlussfolgerung ist insbesondere für grundlagenorientierte Forscher nachvollziehbar, da diese auf eine Publikationsmöglichkeit für ihre Forschungsergebnisse in besonderem Maße angewiesen sind. Ist die Publikationsmöglichkeit nicht oder nur sehr eingeschränkt vorhanden, fehlt ein ausschlaggebender Anreizmechanismus für den Forscher.9 Die fehlende Honorierung von WTT9╇ In Abschn. 5.3 erfolgt eine weiterführende Darstellung der unterschiedlichen Zielvorstellungen von Materialforschern und Industriepartnern.
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Aktivitäten und der zu starke Fokus auf innerwissenschaftliche Leistungskriterien werden für die deutsche Forschungslandschaft differenziert nach Einrichtungen in Kap.€8 dieses Bandes diskutiert. Auch bei den Anspruchsgruppen (Stakeholdern) sind signifikante Unterschiede zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen der Anlass für diverse Spannungen in Kooperationsprojekten.10 Wie auch in Kap.€6 ausgeführt wird, sind diese für das Zielsystem der Akteure in WTT-Projekten von elementarer Bedeutung. Öffentlich (teil)finanzierte Forschungseinrichtungen orientieren sich an vielen unterschiedlichen Anspruchsgruppen. Ihre erste Verpflichtung gilt nachvollziehbarerweise den staatlichen Institutionen auf föderaler, Länder- und Kommunalebene. Die zweite Anspruchsgruppe, die an dieser Stelle herausgehoben werden soll, ist die Scientific Community selbst. Deren Prinzipien, Ideale und Zielsysteme wirken in einem hohen Maß auf die Forschungseinrichtungen ein. Die dritte hier zu betonende Anspruchsgruppe ist das Produktionssystem im Sinne eines nationalen Innovationssystems nach Freeman (1987), also die Unternehmenslandschaft in Deutschland. Die deutschen Forschungseinrichtungen haben das Ziel, das Produktionssystem im globalen Wettbewerb mit Ideen und Problemlösungen zu stärken und eine konkurrenzfähige Basis, in Form von Bildung und Weiterbildung, für das deutsche Innovationssystem zu schaffen (vgl. Kap.€5). Die Anspruchsgruppen der Industrie, wie bspw. die Investoren einer Kapitalgesellschaft, verfolgen meist andere Ziele als die Anspruchsgruppen von wissenschaftlichen Einrichtungen. Dies ist ein wichtiger Faktor bei der Erklärung von Spannungen in Projekten und den Schwierigkeiten der Einigung auf gemeinsame Ziele innerhalb von WTT-Vorhaben.
2.6.3 D ie Problematik der Qualität, Frequenz und Reziprozität des Wissensaustausches Einer der wichtigsten Auslöser von Konflikten im Technologietransferprozess ist die mangelnde Qualität, Frequenz und Reziprozität des begleitenden Wissensaustausches (Schmoch 2003). Dieser wird verstanden als die Ansammlung sämtlicher Interaktionen, in denen Wissen zwischen den Partnern eines Werkstoff-Innovationsprojektes ausgetauscht wird, beginnend mit der Aufnahme informeller Vorgespräche bis hin zu der Nachbereitung des erfolgten Transfers. Auch Walter (2003) sieht im Technologietransferprozess ein Informationsdefizit als gegeben an. Er argumentiert, dass die Technologiegeber aus der Scientific Community und die Technologienehmer aus der Industrie um dieses Informationsdefizit wüssten, aber dieses bewusst nicht abbauen würden, da sie einen zu hohen Aufwand und eine zu Der Stakeholder-Ansatz ist die theoretische Basis für die Beschreibung der Anspruchsgruppen an Unternehmen. Es sind eine Vielzahl unterschiedlicher Stakeholder-Gruppierungen zu unterscheiden. Wichtige weitere Stakeholder sind Kunden, Kooperationspartner des Unternehmens, Zulieferer, Mitarbeiter und die Öffentlichkeit. Für weitere Aspekte der Stakeholder-Theorie in der betriebswirtschaftlichen Literatur soll an dieser Stelle auf Freeman (1984) verwiesen werden.
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niedrige Erfolgswahrscheinlichkeit der Informationssuche vermuten (Walter 2003). Ein besonders kritischer Punkt ist die Reziprozität des Wissensaustausches im Prozess des WTT. In den empirischen Arbeiten des Forschungsprojekts InnoMat wurde festgestellt, dass ein Rückfluss von anwendungs- und marktbezogenem Wissen in die Forschungsorganisation nur in sehr geringem Maße erfolgt. Die von Schmoch (2003) aufgeworfene Problematik hat sich also auch in den empirischen Studien von InnoMat bestätigt. Gerade in der Materialforschung ist dieser Konflikt ein wichtiger Faktor. Die empirische Arbeit im Projekt InnoMat lässt darauf schließen, dass das Anwendungswissen, das zurück in die Forschung fließt, gerade in der Materialforschung vernachlässigbar gering ist. Dies lag einerseits daran, dass die Unternehmen in dieser Art von Wissensfluss nur wenig Sinn sahen, da die Projektaufgaben auch ohne dieses Wissen erfüllt werden konnten. Andererseits spielen hier auch Geheimhaltungsvereinbarungen eine Rolle, durch die die Unternehmen Wissensabfluss unterbinden, gerade auch in Zusammenarbeit mit Forschungsorganisationen, in denen eine meist hohe Fluktuation vorherrscht. Die mangelnde Reziprozität des Wissensaustausches in Technologietransferprojekten führt zu diversen Problemen, Missverständnissen und strukturellen Hemmnissen im Management von Werkstoff-Innovationsprojekten. In Bezugnahme auf das Modell des Kooperationsmanagements von Gerybadze (1995, 2004, 2005a) wird schon der erste notwendige Schritt der Bildung einer Kooperation (Bildung und Entwicklung einer gemeinsamen Zielsetzung für das Projekt) durch den eingeschränkten Wissensaustausch stark erschwert. Durch den mangelnden Wissensaustausch werden Ziele und Strategien nicht gemeinsam formuliert, was in den späteren Phasen des Werkstoff-Innovationsprojektes zu Konflikten und Missverständnissen führen kann. Schmoch (2003) fasste dieses Phänomen folgendermaßen zusammen: Nur mit Aussicht auf einen wechselseitigen Wissensaustausch ist aus der Perspektive der akademischen Forschung die Interaktion mit Unternehmen mittel- und langfristig tragfähig. (Schmoch 2003, S.€281)
In Kap.€6 dieses Bandes wird für das Sample der InnoMat-Projekte festgestellt, dass insbesondere die Hochschulen unter der mangelnden Weitergabe von Wissen durch ihre Kooperationspartner aus der Industrie leiden und in besonderem Maße auf den reziproken Wissenstransfer angewiesen waren. Benneworth (2001) diskutiert in diesem Zusammenhang die in Verbundprojekten oft vorliegende Trennung von Wissensgenerierung und Wissensverwertung. Er bezieht sich dabei auf die seit langem in der Literatur beschriebene Kritik an dem linearen Modell der Technologiekommerzialisierung, das die Forschungseinrichtungen und Hochschulen lediglich als Wissensproduzent sieht und die Technologiekommerzialisierung als alleinige Aufgabe der Industrie versteht. Kritiker dieses Modells merken an, dass die Verbindung von Forschungsprojekten zu daraus folgenden Produkten, Techniken und Geschäftsmodellen nicht ausreichend berücksichtigt wird. Benneworth (2001) verweist hierbei u.€ a. auf die Kritik von Dosi (1988) und Nightingale (1998). Insofern kann dieser Kritikpunkt auch als logische Folge der im vorhergehenden Teilkapitel dargestellten Schnittstellenproblematik
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zwischen Forschung und Marktimpulsen einerseits sowie Forschung und unternehmensinterner Produktentwicklung andererseits angesehen werden.
2.7 V erteilte Innovationsteams im Bereich Materialforschung Wenn die Mitglieder eines Innovationsteams an verschiedenen Standorten ihre ständigen Arbeitsplätze haben, dann spricht man von (räumlich) verteilter Teamarbeit. Selbst innerhalb eines Unternehmens kann es zu einer solchen Teamkonfiguration kommen, wenn das Unternehmen mehrere Standorte hat. In multilateralen Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten fast immer verteilte Innovationsteams. In der Fallstudie B in Abschn.€7.3 besteht z.€B. das zweite Kooperationsprojekt aus neun verschiedenen Partnern (sieben Unternehmen und zwei Forschungseinrichtungen), die an neun verschiedenen Standorten in Deutschland lokalisiert sind. Die Vorteile einer verteilten Teamkonfiguration lassen sich in Anlehnung an Gassmanns (1997a, S.€ 137€ ff.) Darstellung länderübergreifender F&E-Kooperationen erläutern und liegen in der Berücksichtigung unterschiedlicher, spezifischer Marktanforderungen durch die Beteiligung der entsprechenden Teammitglieder, in dem Zugang zu räumlich verteilten Ressourcen (hauptsächlich Humanressourcen und Forschungs-/Entwicklungseinrichtungen mit Spezialausstattungen) und in der Ausnutzung von Größenvorteilen in internationalen Kompetenzzentren. Die Aktivitäten können außerdem über verschiedene Zeitzonen verteilt werden, und es kann rund um die Uhr an einer Entwicklung gearbeitet werden. Es ergeben sich auch Synergieeffekte, die aus der Einbindung von regionalen Unternehmenseinheiten entstehen. Dazu kommen Lernprozesse, also projektbegleitender und standortübergreifender Wissenstransfer neben der eigentlichen Projektarbeit. Auch Parallelforschungsstrategien, welche einen Wettbewerb der besten Lösungsansätze für ein gegebenes Problem erlauben, lassen sich einsetzen. Schließlich können informelle Kontakte über Standorte hinweg aufgebaut werden, welche einen zukünftigen Wissensaustausch und die gemeinsame Projektarbeit erleichtern dürften. Für Werkstoff-Innovationsprojekte ist vor allem die Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen in einem organisationsübergreifenden Team entscheidend. Neben diesen Vorteilen zeigen verteilte Projekte laut Gassmann (1997a, S.€137€ff.) aber auch einige Problemfelder. Diese sind teilweise Kehrseiten einiger der Vorteile. Die Vorteile der Zeitzonen und die damit einhergehende geographische Distanz führen zu einer Abnahme der persönlichen Kontakte zwischen den Teammitgliedern, was die Informationsübertragung und besonders die Abstimmung der Projektarbeit erschwert. Auch die informelle Kommunikation zur Vertrauensbildung im Projektteam wird so komplizierter. Kulturelle Unterschiede erschweren die Verständigung weiter. Dies gilt uneingeschränkt auch für in Werkstoff-Innovationen arbeitende verteilte Teams. Trotzdem wächst die Bedeutung von kooperativen
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Entwicklungen deutlich. Die Zunahme der international verteilten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten seit 1992 wurde im Rahmen des „Global Benchmarking Survey on Strategic Management of Technology“ untersucht (Roberts 2001). Der Anteil der europäischen Firmen, für die externe kooperative Technologiegewinnung eine zentrale Rolle spielt, stieg von 22€% (1992) auf 77€% (1998) und wurde von Roberts (2001) mit 86€% in 2001 prognostiziert. Gerybadze (2005b) weist ebenfalls auf den Trend zu verstärkt global verteilter F&E-Tätigkeit hin. Verschiedene Begriffe und Bezeichnungen sind verwendet worden, um Teams mit Mitgliedern an verschiedenen Orten zu beschreiben, darunter distal und proximal bzw. virtual und proximal (Workman 2007), dispersed und colocated (Polzer et€al. 2003, 2006) oder transnational (Adenfelt und Lagerström 2006). Eine etwas umfassendere Definition wurde von McDonough et€al. (2001, S.€111) vorgestellt. Dort werden drei Formen von Teamorganisation unterschieden: lokal (↜collocated), virtuell (↜virtual) und global (↜global). Die beiden Dimensionen, in denen sich die drei Formen unterscheiden, sind der Arbeitsort der Teammitglieder und ihre Kulturzugehörigkeit. Sind die Teammitglieder dauerhaft am selben Ort stationiert und gehören auch der gleichen Kultur an, dann bilden sie ein lokales Team. Sind sie dagegen über verschiedene Orte verteilt aber kulturell gleich (was sehr wahrscheinlich bei Teams auftritt, die im gleichen Land verteilt sind), dann stellen sie ein virtuelles Team dar. Nur wenn die Teammitglieder in verschiedenen Ländern arbeiten und kulturell unterschiedlich sind, besteht ein globales Team. Dabei wird allerdings die vierte mögliche Kombination der beiden Dimensionen, nämlich ein am selben Ort stationiertes Team mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund, von McDonough et€ al. nicht weiter diskutiert. Zudem ist die Bezeichnung virtuell aus der informations- und kommunikationstechnologisch orientierten Teamforschung entlehnt, in der es meist um die Frage von Methodeneinsatz zur Kommunikation und Zusammenarbeit geht. Gassmann (1997b) dagegen leitet eine Unterscheidung der verschiedenen Formen räumlicher Teamverteilung aus seinen Fallstudien ab und charakterisiert zwischen den Extremformen der völligen Interlokalität, also der größtmöglichen räumlichen Verteilung des Teams, und der völligen Intralokalität, also der stärksten räumlichen Konzentrierung, vier räumliche Konfigurationen von F&E-Teams. Diese eignen sich unterschiedlich gut für die Projektmerkmale der Innovationsarten (inkrementell, radikal), Wissensmerkmale (explizit, implizit), Aufgaben (autonom, systemisch) und Ressourcentypen (redundant, komplementär). Am stärksten interlokal ist die Konfiguration der dezentralen Selbstbestimmung. In diesem Fall liegen unabhängige Module im Projekt vor, die an verschiedenen Standorten fast ohne jede Interaktion von Subteams bearbeitet werden können. Die Steuerung des Projektes erfolgt allein über das Budget, das den Teams an den verschiedenen Standorten zur Verfügung gestellt wird. Diese Teamkonfiguration setzt ein inkrementelles Innovationsvorhaben voraus, da hier der Problemraum sehr klar abgesteckt ist. Die zu bearbeitenden Aufgaben müssen autonom bearbeitbar, also in Modulen verteilbar, sein, redundante Ressourcen erfordern und von explizitem Wissen geprägt sein. Weniger interlokal ist die Konfiguration um einen Systembeauftragten. Dieser stimmt die Schnittstellen zwischen den Teams und den Projektmodulen aufeinan-
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der ab. Damit ist das Gesamtprojekt weniger anfällig für Abstimmungsprobleme, die auftreten können, wenn zu Beginn des Projektes die Schnittstellen nicht klar genug definiert wurden. Der Systembeauftragte koordiniert die Arbeit der verschiedenen lokalen Teams und baut persönlichen Kontakt zu allen Teams auf. Bei Bedarf können alle Projektbeteiligten vom Systembeauftragten zusammengerufen werden, um in persönlicher Interaktion Meinungsverschiedenheiten oder Unklarheiten zu beseitigen. Dadurch trägt er auch wesentlich zum Wissenstransfer zwischen den Teams bei. In der schon stärker intralokal orientierten Konfiguration des Kernteams wird die Rolle des Systembeauftragten von einer Gruppe von Subteamleitern übernommen. Die Leiter der verteilt arbeitenden Subteams bilden das Kernteam, in welchem z.€B. die Produktarchitektur und Schnittstellendefinitionen vorgenommen werden. Dieses Team übernimmt dann im laufenden Projekt auch das Schnittstellenmanagement und die Konfliktlösung zwischen den Subteams. Bei diesen beiden Zwischenformen Systembeauftragter und Kernteam sind die vier Merkmale des Projektes nicht so stark ausgeprägt wie bei der dezentralen Selbstbestimmung. Dem entgegengesetzt ist die Konfiguration des zentralisierten Ventureteams, welches höchste Intralokalität zeigt. Hier sind alle Teammitglieder an einem Standort zusammengefasst und arbeiten räumlich sehr nah zusammen. Diese Projektgestaltung empfiehlt sich laut Gassmann (1997b) für radikale Innovationen mit systemischen Aufgabenmerkmalen, dem Bedarf an komplementären Ressourcen und einem hohen Anteil an implizitem Wissen. Ein weiterer Einflussfaktor auf die Leistung von verteilten Teams stellt die kulturelle Zusammensetzung des Teams dar. Interkulturelle bzw. kulturell heterogene Teams (so bezeichnet wegen der unterschiedlichen kulturellen Herkunft ihrer Mitglieder) sind meist auch internationale Teams (in der Hinsicht, dass die Teammitglieder meist auch aus verschiedenen Ländern stammen, wenn sie kulturell unterschiedlich sind). Studien zeigen, dass solcherart zusammengesetzte Teams kreativer sind als kulturell homogene Teams, diese Kreativität erfordert allerdings sorgfältiges Management (Gassmann 2001). In einer experimentellen Untersuchung von Watson et€ al. (1993) zeigte sich über einen langen Beobachtungszeitraum allerdings, dass interkulturelle Gruppen lediglich das gleiche Niveau an Problemlösekapazität erreichten wie kulturell homogene Gruppen, was das Kreativitätsargument für kulturell heterogene Gruppen etwas abschwächt. Bezüglich Gruppenkohäsion und Kommunikation zeigten Untersuchungen, dass die Verteilung sich nachteilig auf die Kommunikation auswirkt und die Kooperation beeinträchtigt (Allen 1977; Boutellier et€al. 1998). Es zeigten sich Schwierigkeiten in interkulturellen Teams, Konflikte zu lösen und Gruppenzusammenhalt zu erreichen (Kirchmeyer und Cohen 1992; Watson et€ al. 1993). Zudem gelang es solchen Teams teilweise nicht, komplexe Entscheidungen ihren Fähigkeiten entsprechend zu treffen (Adler 1997, S.€141€ff.). Insgesamt können auch diese Faktoren erklären, weshalb verteilte Teams eher schlechtere Leistungen zeigen als lokale Teams. Dabei ist zu bedenken, dass in den meisten Fällen eine räumliche Verteilung und interkulturelle Zusammensetzung von Teams in Werkstoff-Innovationsprojekten weniger der Gestaltungsfreiheit der Projektleitung unterliegt, sondern mehr der räumlichen und organisationellen Verteilung der benötigten Kompetenzen für die Werkstoff-Innovation geschuldet ist.
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Die räumliche Verteilung lässt sich daher meist nicht frei gestalten. In der Führung und Koordination eines solchen sollten aber zumindest die besonderen Merkmale verteilter Teams berücksichtigt werden. Verteilte Teams in der Materialforschung sind zudem meist nicht nur über regionale oder organisationale Grenzen, sondern auch über Disziplinengrenzen hinweg zusammengesetzt. Die Verfahrenstechnik spielt hier ebenso eine Rolle wie die Materialeigenschaften, und meist finden sich in solchen Teams neben Chemikern auch Produktionsfachleute und Ingenieure. Dies kann die Kommunikation und den Wissensaustausch im Team erschweren, da zunächst eine gemeinsame Sprache gefunden werden muss, die die Überzeugungen aus den verschiedenen fachlichen Kulturen zusammenbringt.
2.8 A nforderungen an erfolgreichen Wissenstransfer in Innovationsprojekten Wissenstransfer geschieht im Innovationsprozess zum Einen an den Übergabeschnittstellen zwischen den strukturellen Einheiten des Innovationsprozesses, also zwischen den beteiligten Teams und Organisationen (klassische Sicht des Wissenstransfers), und zum Anderen innerhalb der Projekt- und Teamarbeit (organisationales Lernen). Innerhalb der Teams wird vorwiegend an Wissenserzeugung gearbeitet, also an der Entwicklung einer neuen technischen Lösung oder der Untersuchung der Kundenbedürfnisse zu dieser Lösung. Die Verschiebung im Modus der Wissenserzeugung, der auch Ausdruck in den zunehmend interdisziplinär zusammengesetzten Projektteams findet, wird von Gibbons et€al. (1994) beschrieben. Der klassische Modus 1 der Wissenserzeugung arbeitet auf die Generierung neuen Grundlagenwissens hin, aus dessen Entdeckung sich dann neue Produkte und Lösungen für den Markt ergeben. Es wird innerhalb disziplinärer Grenzen geforscht und streng nach Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung unterschieden. Dabei kommt es zu einem größtenteils sehr homogenen Austausch unter Angehörigen der gleichen akademischen Disziplinen. Die Organisationsformen der Disziplinen sind zudem streng hierarchisch (Johnston 1998, S.€15). Im neuen Modus 2 dagegen ist die Wissenserzeugung von der Suche nach anwendungsorientierten Lösungen getrieben, was einen ständigen Austausch zwischen den fundamentalen Erkenntnissen verschiedener Forschungsdisziplinen und deren Anwendungen erfordert. Den Vorbemerkungen von Rothwell (1992) und der Diskussion von Hobday (2005) ähnlich kann davon ausgegangen werden, dass beide Modi der Wissenserzeugung nebeneinander existieren, und dass für einige Industrien bereits nur noch die interdisziplinäre Vorgehensweise nach Modus 2 Fortschritte ermöglicht, während in anderen Branchen nach wie vor der Modus 1 vorherrscht. Durch den Modus 2 bilden sich auch neue Industriezweige heraus, wie das Beispiel der Mechatronik und der Nanotechnologien zeigt. Diese Kombination bisher unabhängiger Entwicklungslinien auf der Ebene der Technologien wurde von Kodama (1992, 1993) als technology fusion bezeichnet. Diese Betrachtungsweise weist Parallelen zu der von Gibbons et€al. (1994) als Modus 2 der
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Wissenserzeugung beschriebenen Entwicklung auf. Dabei spielen Effekte der Kommunikation und Informationsverarbeitung auf Teamebene eine wichtige Rolle. Hier kann man eher von Wissensaustausch und Wissenserzeugung sowie Kommunikation sprechen, anstatt dies als (klassischen) Wissenstransfer zu bezeichnen. Grundlegende Prämissen, die für oder gegen eine Kooperation sprechen und die in die strategische Entscheidung einfließen sollten, werden von Gerybadze (2004, S.€195) behandelt. Ein Erfolgsmaß für den Wissenstransfer in einer F&E-Kooperation ist die Zufriedenheit der Projektteilnehmer mit dem Projektverlauf (siehe hierzu weiter unten die Erläuterungen zu Mora-Valentin et€al. 2004, außerdem ausführlicher in Kap.€6). Eine eher quantitative Erfolgsmessung ist dagegen die systematische Evaluation der Projektziele oder die Überprüfung des erfolgreichen Absatzes des Produktes bzw. Einsatzes des Projektergebnisses. Selbst bei nach diesen Kriterien misslungenen Transferprojekten können sich unerwartet positive Effekte einstellen, wie zum Beispiel eine Erweiterung der Wissensbasis des Unternehmens oder die Aneignung neuer technologischer Fähigkeiten bei den Mitarbeitern (Dodgson 1994, S.€286). Des Weiteren kann der Erfolg wissensbezogen festgestellt werden. Wissenstransfer kann dann als erfolgreich angesehen werden, wenn der Transferempfänger der Technologie diese auch im intendierten Ausmaß anwenden bzw. verwenden kann, was sich üblicherweise mit den Projektzielen decken dürfte. Hier können der Erfolg bzw. das Ausmaß der Anwendung nach den vier Stufen der Wissensaneignung klassifiziert werden (Sanchez 1997, S.€166€f.; Heene 1993). Es wird unterschieden zwischen der Reproduktion (↜reproduction), also dem einfachen Wiedergeben von Wissen ohne Verständnis, und der Erklärung (↜explanation), also der Befähigung, das Wissen und seine Bedeutung zu erläutern. Dazu kommen die Anwendung (↜application), d.€h. die Verwendung des Wissens im richtigen Zusammenhang und die InteÂ� gration (↜integration), d.€h. die Fähigkeit zur Übertragung der Anwendung auf andere Kontexte. Erfolgreich wäre ein Wissenstransfer dann, wenn der Transferempfänger sich das Wissen bis zu der gewünschten Stufe angeeignet hat. Um einen erfolgreichen Wissenstransfer zwischen Forschungseinrichtungen und Industrie zu erreichen, sind sowohl Aspekte der projektübergeordneten Organisation der beteiligten Partner zu berücksichtigen als auch projektspezifische Faktoren. In einer umfangreichen Studie zum WTT in Deutschland wurden in vier Fallstudien die projektübergeordneten Erfolgsfaktoren des Wissenstransfers von Forschungseinrichtungen in die Industrie untersucht (Schmoch et€al. 2000). Dabei identifizierten Schmoch et€al. (2000) sechs wesentliche Erfolgsfaktoren des Wissenstransfers für transferorientierte Forschungseinrichtungen (s. Tab.€2.4): Sie beobachteten erstens, dass Wissenstransfer von den Instituten nicht als Nebenprodukt der Forschungsaktivitäten betrachtet wird, sondern als eine wesentliche Aktivität neben der Forschung, die systematisch in die Strategie der Institute integriert ist. Da zweitens die betrachteten Institute in Forschungsbereichen aktiv sind, welche ständigen Kompetenzaufbau erfordern, integrieren sie die Vorlaufforschung in ihr Vorgehen. Ohne diese grundlagenorientierte Forschung, die den Aufbau und die Sicherung von Kompetenzen in den bearbeiteten Forschungsfeldern ermöglicht, wären die Institute keine leistungsfähigen Partner für die Industrie. Die Industrie sucht in
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Tab. 2.4↜渀 Erfolgsfaktoren für den Wissenstransfer in Forschungseinrichtungen. (Quelle: Schmoch et€al. 2000) 1.╇ Wissenstransfer wird als eine Kernaktivität betrachtet und ist Teil der Strategie 2.╇Vorlaufforschung (Grundlagenforschung) wird als kompetenzerhaltende und kompetenzschaffende Aktivität für den Wissenstransfer eingesetzt 3.╇Die Verantwortung für den Wissenstransfer liegt bei den Forschern selbst, nicht bei einer zentralen Stelle 4.╇Regelmäßiger Abgleich der Kompetenzen der Forschungseinrichtung mit aktuellen technologischen Entwicklungen und Veränderungen der relevanten Märkte 5.╇ Integration von Unternehmensvertretern in die Forschungseinrichtung 6.╇Umsetzungsarbeiten und produktbezogene Aufträge werden nicht in der Forschungseinrichtung selbst, sondern in einer der Einrichtung beigeordneten Umsetzungseinheit bearbeitet
Kooperationen aber eher kurzfristige Entwicklungen und Problemlösungen, deshalb müssen die Institute einen angemessenen Ausgleich zwischen der kurzfristigen kooperativen Entwicklung und der langfristig orientierten Grundlagenforschung finden. Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Verantwortung für den Wissenstransfer. Diese muss bei den beteiligten Wissenschaftlern liegen, nicht bei einer zentralen Stelle. Hierzu ist es notwendig, entsprechende Anreizsysteme zu schaffen und ggf. bei den Forschern einen Kulturwandel zu erreichen, damit sie ihre Transferverantwortung akzeptieren. Um viertens bei der strategischen Ausrichtung des Institutes unter Berücksichtigung sowohl von langfristig orientierter Vorlaufforschung als auch eher kurzfristig orientierter F&E-Kooperationen nicht wichtige Technologie- oder Marktentwicklungen zu verpassen, empfehlen Schmoch et€al. (2000) die Durchführung von regelmäßigen Strategie-Audits. Hier sollten die Kompetenzen des Institutes mit technologischen Entwicklungen und Veränderungen des Marktes verglichen und entsprechende Konsequenzen für die Ausrichtung der Forschung gezogen werden. Dabei sollten unbedingt auch Vertreter aus der Industrie beteiligt werden, um die Anwenderperspektiven und Marktkenntnisse einzubeziehen. Zur weiteren Integration der Anwenderperspektive wird als fünfter Aspekt auch die engere Bindung von Unternehmen an die Institute empfohlen. Unternehmensvertreter können in Aufsichtsgremien oder Beiräte einbezogen werden, oder Unternehmen können sich finanziell an Instituten beteiligen. Damit wird vermieden, dass durch eine reine Nachfragerrolle der Unternehmen der Kompetenzaufbau in den Instituten vernachlässigt wird. Und schließlich sollten Umsetzungsarbeiten oder produktbezogene Aufträge, die wenig forschungsorientiert und stark anwendungsbezogen sind, von den Instituten in einer mit dem Institut verbundenen, aber eigenständigen Einheit bearbeitet werden. Die Empfehlungen von Schmoch et€al. (2000) für Unternehmen (s. Tab.€2.5) zielen hauptsächlich auf die Verbesserung der Absorptionsfähigkeit für Wissen ab. Es wird empfohlen, schon in der Ausbildung der Fachkräfte an Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen auf die Vermittlung von innovationsrelevantem Methodenwissen zu achten. Um die betriebliche Weiterbildung zu verbessern, wird eine Intensivierung der Informationsmöglichkeiten zu Weiterbildungsangeboten im Be-
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Tab. 2.5↜渀 Erfolgsfaktoren für den Wissenstransfer auf Unternehmensseite. (Quelle: Schmoch et€al. 2000) 1.╇Integration von Innovationsmanagement in die (naturwissenschaftliche und technische) Ausbildung an Hochschulen 2.╇ Betriebliche Weiterbildung im Bereich Technologie- und Innovationsmanagement 3.╇Durchführung von Innovationsbenchmarks und Innovationsaudits zur Kontrolle der Innovationsmanagementfähigkeiten 4.╇Einrichtung von internetgestützten F&E-Kompetenzplattformen und regionalen InnovationsKontaktforen zum verbesserten Austausch mit externen Wissensquellen
reich des Technologie- und Innovationsmanagements vorgeschlagen. Hierzu sollte auch ein Akkreditierungs- und Zertifizierungssystem eingerichtet werden, damit die Unternehmen das Angebot besser beurteilen können. Innerhalb der Unternehmen sollten Innovations-Benchmarking und Innovationsaudits sowie Besuchsprogramme bei erfolgreichen Innovatoren die Fähigkeiten zum Innovationsmanagement verbessern. Eine Methodik zu Innovationsaudits wurde von Gerybadze (2005b) und Gerybadze und Gaiser (2005) entwickelt. Zur besseren Information der Unternehmen über verfügbare Technologien, neue Lösungen sowie neue Entwicklungen werden schließlich die Einrichtung von F&E-Kompetenzplattformen im Internet sowie regionale Innovations-Kontaktforen vorgeschlagen. Diese Erfolgsfaktoren sind primär auf die Organisation von transferorientierten Forschungseinrichtungen und die allgemeine Steigerung der Transferfähigkeit auf Industrieseite bezogen und empfehlen eine entsprechende Organisationsgestaltung, die auch auf die Transferprojekte im Einzelnen wirkt. In den Transferprojekten gilt es, auch projektspezifische Faktoren zu beachten. Hierzu lassen sich insbesondere die Untersuchungen von Gerybadze (2004, 2005a) und von Mora-Valentin et€ al. (2004) heranziehen, die Erfolgsfaktoren von F&E-Kooperationen untersucht haben (zusammengefasst dargestellt weiter unten in Tab.€2.6). Mora-Valentin et€al. (2004) Tab. 2.6↜渀 Organisationale Erfolgsfaktoren für Wissenstransfer in der Kooperations- und Prozessgestaltung von Innovationskooperationen. (Quelle: Nach Gerybadze 2004, 2005a; Mora-Valentin et€al. 2004) Kooperationsgestaltung 1.╇ Klare Zielsetzung und Bedarfserfassung existiert 2.╇ Prozesse und Lösungswege sind definiert 3.╇ Aufgaben und Arbeitspakete sind beschrieben und Verantwortlichen zugeordnet 4.╇Kompetenzen und Technologien sind gleichmäßig zwischen den Partnern der Kooperation verteilt 5.╇ Organisation und Kooperationsdesign sind explizit geplant und festgelegt Prozessgestaltung 1.╇ Verpflichtung gegenüber der Kooperation 2.╇ Kommunikation zwischen den Partnern 3.╇ Vertrauen zwischen den Partnern 4.╇ Ausmaß von Konflikten (wirkt negativ auf den Transfererfolg) 5.╇ Abhängigkeit zwischen den Partnern
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untersuchten Einflussfaktoren auf den Erfolg von F&E-Kooperationen und verwendeten hierfür ein fragebogenbasiertes Forschungsdesign. Von den zehn Faktoren, die sie aus früheren Studien abgeleitet hatten, erwiesen sich sieben als signifikant positiv und einer als signifikant negativ korreliert mit der subjektiven allgemeinen Zufriedenheit mit dem jeweiligen Projekt sowohl auf Firmen- als auch auf Forschungseinrichtungsseite. Aufgeteilt wurden diese Faktoren in die zwei Kategorien: Kontextfaktoren und Organisationsfaktoren. Kontextfaktoren sollten die Eigenschaften der Partner und der Kooperationsumstände erfassen und Organisationsfaktoren die Merkmale der eigentlichen Kooperation. Zu den Kontextfaktoren gehörten die früheren Erfahrungen mit Kooperationen, die Reputation der Kooperationspartner und eine klare Zieldefinition für die Kooperation. Die Organisationsfaktoren umfassten die Verpflichtung gegenüber dem Projekt, die Kommunikation sowie das Vertrauen zwischen den Partnern, das Ausmaß von Konflikten (negativ korreliert) und die Abhängigkeit zwischen den Partnern. Der Projekterfolg hätte allerdings noch direkter gemessen werden sollen, nicht nur als subjektive Zufriedenheit, sondern besser als objektive Erreichung der gesetzten Ziele. Gerybadze (2004, 2005a) schließlich definiert für technologische Kooperationsprojekte fünf Erfolgsfaktoren, die sich auf das konkrete Projekt beziehen. Diese folgen der empfohlenen Strukturierung von technologischen Kooperationen (Gerybadze 2004, S.€207€ff.). Erstens sind die Zielsetzung und Bedarfserfassung für das Projekt zu berücksichtigen. Sowohl die Ziele des Projektes sollten klar definiert sein als auch die Abnehmerseite für das resultierende Produkt in der Planung berücksichtigt werden. Zweitens müssen Prozesse und Lösungswege für das Projekt gemeinsam mit allen Projektbeteiligten einvernehmlich festgelegt werden. Drittens sollen die Aufgaben und Arbeitspakete für das Projekt klar festgelegt und zugeteilt werden. Viertens müssen die relevanten Kompetenzen und Technologien im Projektteam vorhanden sein. Dabei sollte auch darauf geachtet werden, dass diese das erforderliche Kompetenzniveau aufweisen und keiner der Partner Wissensabflüsse befürchten muss. Schließlich ist fünftens auf die Organisation und das Kooperationsdesign zu achten. Die Kooperation sollte formal beschrieben und dem Ziel entsprechend organisiert sein. Auch die Verwertung der Kooperationsergebnisse sollte hier geregelt sein. Die Kontextfaktoren, die Mora-Valentin et€al. (2004) identifiziert haben, lassen sich in das Faktorenkonzept von Gerybadze einordnen. Mit den organisationsbezogenen Faktoren wurde zusätzlich ein weiterer Aspekt zu dem komplexen Bild um die Erfolgsfaktoren von F&E-Kooperationen hinzugefügt. Diese organisationsbezogenen Faktoren stellen einen Ansatz für die Prozessgestaltung des eigentlichen Wissenstransfers dar, während sowohl Schmoch et€al. (2000) als auch Gerybadze (2004, 2005a) primär auf die formale Gestaltung des Wissenstransfers wirken. In Tab.€2.6 werden diese Faktoren aufgeführt, und es wird unterschieden zwischen Erfolgsfaktoren der Kooperationsgestaltung und der Prozessgestaltung. Mit den Faktoren der Kooperationsgestaltung sollen die Struktur und die formalen Regelungen einer F&E-Kooperation beeinflusst werden. Die Prozessgestaltung schließlich zielt auf die während des Projektes ablaufenden Wissenstransferaktivitäten und Interaktionen der beteiligten Partner ab. Zusammen mit den oben aufgeführten organisatio-
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nal differenzierten Erfolgsfaktoren für Forschungseinrichtungen und Unternehmen ergibt sich ein umfassendes Bild der Aktivitäten und Gestaltungsmöglichkeiten, die zum Erfolg von Innovationskooperationen im Werkstoffbereich beitragen können.
2.9 I ntellectual Property Management und Know-howAbsicherung in Verbundprojekten Bislang haben sich die Ausführungen dieses Kapitels stärker mit den Grundlagen und Herausforderungen der Generierung von Werkstoff-Innovationen auseinandergesetzt. Dieses Teilkapitel geht nun stärker auf den Schutz von Werkstoff-Innovationen und auf die Know-how-Absicherung in Kooperationsprojekten ein. Der Schutz von Werkstoff-Innovationen ist ein Thema von grundlegender Bedeutung, da die Realisierung erfolgreicher Innovationsprojekte vielfach daran scheitert, dass die potentiellen Erträge aus einer Innovation nicht primär durch den Innovator sondern einen Imitator erzielt werden. Innovative Akteure, die die Angriffe von Imitatoren abwehren wollen, müssen daher Maßnahmen zum Schutz ihres geistigen Eigentums (Intellectual Property, IP) ergreifen. Das IP-Management organisiert die Absicherung von Erträgen aus Innovationsprojekten und ist damit ein elementarer Bestandteil des Technologie- und Innovationsmanagements sowie des Managements technologischer Kooperationsprojekte (Hertzfeld et€ al. 2006; Bader 2006; Gerybadze 2004). In Kooperationsprojekten müssen sich Projektpartner mit dem Schutz des generierten geistigen Eigentums auseinandersetzen sowie Lösungen bzw. Schutzkonzepte hierfür erstellen und implementieren. Der Schutz einer gemeinschaftlich generierten Werkstoff-Innovation ist jedoch nur eines der Aufgabenfelder des IP-Managements in Kooperationsprojekten. Weitere Aufgaben sind die Berücksichtigung von IP, welche vor der Kooperation generiert wurde und durch die Kooperationspartner in die Zusammenarbeit eingebracht wird, genauso wie die Einigung auf Nutzungsrechte für die Verwertung der erzielten Forschungsergebnisse. Da Schutzrechte zu einem gewissen Grad verdeutlichen, welche technologischen Kompetenzen durch die Partner in das F&E-Projekt eingebracht oder während dessen Verlaufes generiert werden, dienen sie für die Projektbeteiligten auch als eine Art Richtschnur und wichtiger Orientierungspunkt in den Kooperationsverhandlungen. Mit welchen Strategien und Mechanismen Innovationsergebnisse vor der unerlaubten Nutzung durch Dritte geschützt werden können, ist nicht nur eine zentrale Frage für die Unternehmenspraxis und die Managementforschung. Auch die staatliche Technologie- und Innovationspolitik beschäftigt sich immer eingehender mit dieser Frage, der eine Schlüsselrolle für die tatsächliche Durchsetzung von Innovationen und die Standortstärkung zukommt (Dunning und Lundan 2009). Rammer (2007, S.€55) führt eine wichtige Unterscheidung zwischen diesen beiden Perspektiven an. Er betont, dass die staatliche Technologie- und Innovationspolitik den Fokus auf die breite Nutzung von neuen Technologien und neuem Wissen legt und damit primär die optimalen Produktivitäts- und Wachstumseffekte im Blick hat. Die Aus-
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gestaltung des Patentrechtes erscheint hierfür außerordentlich passend, da sowohl Innovationsergebnisse für einen limitierten Zeitraum bei dem Innovator gehalten werden können, als auch eine Wissensdiffusion durch die Veröffentlichungspflicht der patentierten Erfindung gegeben ist (Rammer 2007, S.€55). Das Ziel innovativer Unternehmen muss es jedoch sein, die durch die Innovation generierten Werte für das eigene Unternehmen anzueignen, um damit nicht zuletzt die Kosten für die Innovationstätigkeit decken zu können. Das IP-Management stellt für Unternehmen also primär eine Grundlage für Wettbewerbsvorteile dar. Dahingegen räumen insbesondere universitäre Forschungseinrichtungen der Kommerzialisierung von Wissen eher eine nachrangige Bedeutung ein und legen weiterhin ihr Hauptaugenmerk auf die Schaffung und Verbreitung neuen Wissens (Young et€al. 2008, S.€478). Dennoch legen auch Forschungseinrichtungen immer größeren Wert auf die Absicherung und Verwertung ihres geistigen Eigentums. Nachdem insbesondere universitäre Einrichtungen für lange Zeit dem Modell „Open Science“ folgten, nehmen sie nun eine zunehmend proaktive Haltung in Bezug auf die IP-Entwicklung und IP-Verwertung ein (Siegel und Wright 2007, S.€530; Young et€al. 2008, S.€474). Im Folgenden stellen wir einen Überblick zu den theoretischen Grundlagen des IP-Managements in Werkstoff-Innovationsprojekten vor. Hierzu erläutern wir einleitend wichtige Grundlagen zum Schutz von geistigem Eigentum und den Faktoren, von denen Strategien hierfür maßgeblich abhängen. Weiterhin erfolgt eine Betrachtung von rechtlichen und informalen Absicherungsstrategien für Werkstoff-Innovationen. Abschließend gehen wir dann auf die Besonderheiten der Aushandlung von IP-Verträgen zwischen Industrie und öffentlicher Forschung ein.
2.9.1 A usgangsbedingungen und Mechanismen zum Schutz von Werkstoff-Innovationen Die Grundlage für den Schutz einer Werkstoff-Innovation ist die Analyse der Einflussfaktoren auf den Prozess der „Aneignung“ der Innovationserträge. In der Innovationsliteratur wird dieser Prozess auch als Appropriierung bezeichnet. Die relevanten Einflussfaktoren auf die Appropriierung werden als Appropriierungsregime charakterisiert.11 Teece (1986) stellt in seiner vielzitierten Studie „Profiting from InÂ�â•‚ novation“ dieses Appropriierungsregime dar und versteht darunter die Gesamtheit der (externen) Faktoren, die bestimmen, in welchem Umfang sich Innovatoren die Erträge aus ihren Innovationen sichern können (Teece 1986). Wichtige Faktoren für das Appropriierungsregime bei neuen Werkstoffen sind die Folgenden: 1. Vorhandensein und Stärke der rechtlichen Absicherungsmöglichkeiten, insbesondere Patente An dieser Stelle soll nachdrücklich darauf verwiesen werden, dass auch die Kontrolle und der Zugang zu komplementären Assets und die Schaffung bzw. Einflussnahme auf ein „dominantes Design“ für die Aneignung von Innovationserträgen von hoher Bedeutung sind (Teece 1986).
11╇
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2. Charakteristika der Werkstoff-Innovation, insbesondere des technologischen Wissens (Winter 1987; Teece 2000) a) Explizites vs. implizites Wissen b) Nachvollziehbarkeit der Technologie in der Nutzung c) Komplexität der Technologie 3. Eigenschaften der potentiellen Nachahmer 4. Charakteristika der Branche (u.€ a. die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts in der Branche). Je nach Stärke und Verfügbarkeit der Absicherungsmöglichkeiten wird von einem starken oder einem schwachen Appropriierungsregime gesprochen. Das starke Appropriierungsregime ermöglicht dem Innovator eine gute Ausgangsposition zur Abschöpfung von Erträgen, das schwache Appropriierungsregime führt dazu, dass die Bedingungen eher für Imitatoren vorteilhaft sind (Teece 1986; Gulati und Singh 1998). Ein starker Patentschutz, ein hoher Anteil impliziten Wissens, eine schwere Nachvollziehbarkeit der Technologie sowie eine hohe Technologiekomplexität sind Ausprägungen, die für ein starkes Appropriierungsregime sprechen. Abbildung€2.12 visualisiert diese Zusammenhänge. Weitere wichtige Einflussfaktoren auf das Appropriierungsregime sind Merkmale der potentiellen Imitatoren, z.€B. deren Kompetenz zur Nachahmung von Technologien, sowie diverse Branchencharakteristika. Hierbei ist wichtig zu betonen, dass das Appropriierungsregime über verschiedene Branchen hinweg teilweise stark variiert (Arundel 2001). Für das Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe kann grundsätzlich weder ein schwaches noch ein starkes Appropriierungsregime festgestellt werden (Gulati und Singh 1998; Levin et€ al. 1987). Durch die hohe Heterogenität von Werkstoff-Innovationen ist eine allgemeingültige Einordnung jedoch ohnehin nur bedingt aussagekräftig. Starker Patentschutz
Schwacher Patentschutz
Hoher Grad an implizitem Wissen
Hoher Grad an explizitem Wissen
Geringe Nachvollziehbarkeit in der Nutzung
Hohe Nachvollziehbarkeit in der Nutzung
Hohe Komplexität
Geringe Komplexität Optimales Appropriierungsregime Tendenziell starkes Appropriierungsregime Schwaches Appropriierungsregime
Abb. 2.12↜渀 Ausprägungen eines Appropriierungsregimes
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Tab. 2.7↜渀 Arten von Schutzmechanismen. (Quelle: In Anlehnung an Teece 1986; Burr 2004; Gassmann und Bader 2006; Hurmelinna-Laukkanen und Puumalainen 2007; Moses 2007) Formale, rechtliche Schutzmechanismen Informale Schutzmechanismen Technische Nicht-Technische Faktische Schutzmecha- Alternative SchutzmeSchutzrechte Schutzrechte nismen (Ausschließlich- chanismen (keine direkte Ausschließlichkeitswirkeitswirkung) kung) •â•‡ Zugang und Kontrolle •â•‡ •â•‡ Designschutz Geheimhaltung •â•‡ Patente von komplementären •â•‡ Gebrauchsmuster (Geschmacksmus- •â•‡Technische Assets ter, Teilbereiche •â•‡Schutz von HalbSchutzmaßnahmen •â•‡ Zeitlicher Vorsprung des Markenrechts) •â•‡Komplexität der leitertopographie Gestaltung •â•‡Kontinuierliche •â•‡KennzeiWeiterentwicklung chenrechte •â•‡Humanressourcen(Markenrecht) Management •â•‡ Urheberrechte •â•‡ Trade Secrets
Die Schutzmechanismen für Werkstoff-Innovationen können grundsätzlich in zwei Gruppen unterteilt werden: 1) Formale, rechtliche Schutzmechanismen und 2) informale Schutzmechanismen. Unter den formalen Schutzmechanismen werden die Möglichkeiten der rechtlichen Absicherung für Werkstoff-Innovationen verstanden, speziell durch Schutzrechte wie Patente. Informale Schutzmechanismen müssen nochmals danach differenziert werden, ob sie eine direkte Ausschließlichkeitswirkung innehaben (faktische Schutzmechanismen) oder lediglich die Generierung und Aneignung der Innovationserträge unterstützen, jedoch keinen Ausschließlichkeitseffekt aufweisen (alternative Schutzmechanismen) (Burr 2004; Moses 2007; Rammer 2007). In Tab.€2.7 stellen wir eine Auswahl wichtiger Mechanismen zum Schutz von Werkstoff-Innovationen zusammenfassend dar, gehen aber in den Folgekapiteln noch detaillierter auf Einzelmechanismen ein. ormale, rechtliche Schutzmechanismen 2.9.1.1 F in Werkstoff-Innovationsprojekten In der Literatur wird ausführlich diskutiert, ob sich Patente auf die Diffusion des in der Wissenschaft generierten Wissens positiv oder negativ auswirken (Arora et€al. 2001; Murray und Stern 2007). Unbestritten ist jedoch, dass Patente für die Absicherung und Kommerzialisierung von technologischen Neuerungen von hoher Wichtigkeit sind. Sie gelten als die stärksten Schutzrechte für technologische Problemlösungen und sind insbesondere dann effektiv, wenn in einer Branche hohe F&E-Kosten und relativ geringe Imitationskosten vorliegen, wie bspw. in der Chemie- und Pharmabranche (Arundel 2001). Eine Patentanmeldung bringt zwingend die Veröffentlichung der Erfindung und der ihr zugrunde liegenden Funktionsweise mit sich. Cohen et€ al. (2000) gehen auf diesen Aspekt näher ein und merken an, dass der Zwang zur Offenlegung der Patentschrift für viele Unternehmen der Grund ist, komplett auf den Patentschutz zu verzichten. Die Offenlegung lässt das
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Wissen, auf welchem die Erfindung beruht, in einem gewissen Grad zu einem öffentlichen Gut („Public Good“) werden (Stiglitz 1999). Hierdurch können Wettbewerber einen Einblick in die angewendete Konfiguration der Werkstoff-Innovation erlangen, was ihnen die Entwicklung alternativer Konfigurationen ermöglicht (Gerybadze 2004, S.€ 92). Die Entwicklung alternativer Lösungen auf der Basis von bereits angemeldeten oder erteilten Patenten wird auch als Patentumgehung oder „patent around“ bezeichnet. Die Patentierung zwingt den Patentanmelder also dazu, technologisches Wissen offenzulegen und evtl. ein Opfer von Nachahmung und Patentumgehungen zu werden. Dies wird ein Patentanmelder nur dann in Kauf nehmen, wenn der rechtliche Regelungsrahmen ihm eine Durchsetzung seiner Rechtsansprüche erlaubt. Patente werden im Bereich der Prozess- und Verfahrensinnovationen nicht so intensiv eingesetzt wie bei Produktinnovationen. Dies hängt mit den Schwierigkeiten von Patentanmeldern zusammen, die Verletzung von Patenten auf Verfahren und Prozesse zu überwachen und nachzuweisen, da diese Verletzungen meist nicht für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sind. Diese Ergebnisse werden durch zwei wichtige empirische Studien, der „Yale I“-Studie von Levin et€ al. (1987) und der Carnegie Mellon-Studie von Cohen et€al. (2000), gestützt. Den Akteuren eines Innovationsprojektes stehen neben dem Patent auch weitere Schutzrechte zur Verfügung. Die Tab.€2.8 fasst die verschiedenen Schutzrechte im deutschen Rechtsraum zusammen. In welchem Ausmaß Patente in Werkstoff-Innovationsprojekten zur Anwendung kommen wird in der Literatur widersprüchlich diskutiert. Maine et€al. (2005, S.€16) vertreten die Position, dass die Kompetenz zur Erlangung von Patentschutz für Unternehmen im Bereich der Werkstoff-Innovation von besonderer Wichtigkeit wäre, was eine Effizienz von Patenten als Schutzinstrument voraussetzt. Niosi hingegen stellte fest, dass Patente in strategischen Allianzen im Bereich der Werkstoff-Innovation nur von einer geringen Bedeutung wären (Niosi 1993, S.€24). Er Tab. 2.8↜渀 Arten von Schutzrechten in Deutschland. (Quelle: In Anlehnung an Gassmann und Bader 2006; Burr et€al. 2007) Schutzrecht Schutzobjekt Anmel- PrüMaximale Schutzdauer dung? fung? Ja In der Regel 20 Jahre Patente Technische Erfindung Ja Gebrauchsmuster Technische Erfindung Ja Nein 10 Jahre (keine Verfahren) Geschmacksmuster Design/Gestaltung Ja Nein 25 Jahre (Designschutz) Ja Ja Alle 10 Jahre verlängerbar Marken (Trademark) Geschäftliche Bezeichnung; Herkunftsangabe Nein Nein Bis zu 70 Jahre nach Tod Urheberrecht Literatur; Kunst; des Urhebers (Copyrights) Wissenschaft; Software Topographie bzw. Halbleitertopographie Ja Nein 10 Jahre Halbleiterschutz
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führt dies darauf zurück, dass ein großer Bestandteil von Werkstoff-Innovationen generell nicht patentierbar wäre. In Werkstoff-Innovationsprojekten entscheiden sich Akteure jedoch auch oft bewusst für eine Nichtanmeldung der Produkte (Werkstoffe) und Prozesse, auch wenn die Patentierbarkeit gegeben ist. Begründet wird dies mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der Patentumgehung (Niosi 1993, S.€24) und, speziell auf der Ebene der Prozesse, der empirisch belegten Präferenz für den Schutzmechanismus der Geheimhaltung (Cohen et€al. 2000; Arundel 2001). Neben den gewerblichen Schutzrechten steht den Akteuren eines WerkstoffInnovationsprojektes auch die Möglichkeit offen, die Werkstoff-Innovation durch das Vertragsrecht zu schützen. Verträge sind durch das Rechtssystem durchsetzbar und können eine mächtige Waffe für den Schutz einer Werkstoff-Innovation darstellen. So können Verträge bspw. Mitarbeiter langfristig an ein Unternehmen oder Institut binden, Wettbewerbsverbote beinhalten oder aber Geheimhaltungsrichtlinien zwischen Kooperationspartnern, Zulieferern oder anderen Partnern festlegen. Mit diesen Beispielen wird deutlich, dass über eine geschickte Anwendung von Verträgen als Schutzmechanismus eine wirkungsvolle Barriere für Imitationen aufgebaut werden kann (O’Hearn 2008, S.€438). 2.9.1.2 Informale Schutzmechanismen in Werkstoff-Innovationsprojekten Informale Schutzmechanismen lassen sich dadurch charakterisieren, dass sie Wissens-Spillover verhindern, was wiederum zu einer Maximierung der Innovationserträge beiträgt. Rammer (2007, S.€55) hebt verschiedene typische Formen dieser Schutzmaßnahmen heraus, z.€B. die Geheimhaltung technischer Lösungswege einer Problemlösung, die rasche Umsetzung von Innovationsprojekten zur Erzielung von zeitlichen Vorsprüngen und die komplexe Produktgestaltung. Die Produkt- bzw. Technologiekomplexität erschwert die Nachvollziehbarkeit einer technischen Lösung und wirkt damit einem „Reverse Engineering“ entgegen. Eine wichtige Unterscheidung, die innerhalb der informalen Schutzmaßnahmen noch vorgenommen werden kann, ist die der Ausschließlichkeitswirkung. So heben bspw. Moses (2007) und Burr (2004) hervor, dass hinsichtlich dieser zwischen faktischen und alternativen Maßnahmen unterschieden werden müsste, wobei faktische Maßnahmen einen Ausschließlichkeitseffekt hervorrufen, alternative Maßnahmen aber lediglich eine unterstützende Wirkung auf die Absicherung von Innovationserträgen aufweisen. Faktische Schutzmaßnahmen sind insbesondere die bereits angesprochene Geheimhaltung, der technische Schutz und eine komplexe, damit schwer nachzuahmende, Produktgestaltung. Alternative Schutzmaßnahmen sind insbesondere Zeitvorsprünge und daraus resultierende Kosten- und Marktbearbeitungsvorteile („First-MoverEffekte“). Weiterhin zählen der Zugang zu und die Kontrolle von komplementären Assets zu den wichtigen Schutzmaßnahmen für Innovationen (Teece 1986, 2000). Darunter ist beispielsweise die Kontrolle über wichtige Distributionskanäle oder Vorprodukte zu verstehen. Ein plastisches Beispiel ist das Unternehmen SGL Group, das als Hersteller von Faserverbund-Bauteilen auch das kritische Vorprodukt der Kohlenstoff-Faser herstellt. In diesem Bereich hat das Unternehmen massiv Fertigungskapazitäten und damit verbundenes Know-how aufgebaut. Die gesicherte
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Zuliefersituation und die erreichten Kostenvorteile stärken die Position von SGL im Bezug auf die erfolgreiche Durchsetzung seiner Faserverbundwerkstoff-Bauteile.
2.9.2 D ie Erarbeitung von konsistenten Schutzkonzepten für Werkstoff-Innovationsprojekte Für die Erstellung eines Schutzkonzeptes ist wie bereits erwähnt eine Analyse verschiedener Ausgangsbedingungen notwendig (Abschn.€ 2.9.1). Hertzfeld et€ al. (2006) stellen diesen Prozess im Kontext technologischer Kooperationsprojekte dar und greifen dabei die bereits angesprochenen Bestandteile des Appropriierungsregimes auf. So betonen die Autoren in ihrer Studie bspw. die Wichtigkeit der Art des zu schützenden Wissens, die auch in traditionellen und neueren Studien der Innovationsliteratur zur Appropriierung herausgestellt wird.12 Weitere wichtige Einflussfaktoren sind die Wettbewerbssituation in den durch das F&E-Projekt beeinflussten Industrien sowie die organisationalen Merkmale und Ziele der involvierten Akteure. Auf die Analyse der Ausgangslage für den Schutz der Werkstoff-Innovation baut dann die Wahl der Schutzmechanismen auf, welche entweder isoliert oder in Kombination zur Anwendung kommen. Dieser Auswahlprozess erfolgt auf der Basis der Erkenntnisse über das relevante Appropriierungsregime, also die bereits angesprochenen Rahmenbedingungen für den Schutz der Werkstoff-Innovation (s. Abb.€2.13). Bei der Erarbeitung von Schutzkonzepten für neue Werkstoffe sind einige wichtige Besonderheiten zu berücksichtigen, die weitestgehend auf die generische Natur von Werkstoff-Innovationen zurückzuführen sind. Wie bereits thematisiert wurde, sind Werkstoff-Innovationen meist in verschiedenen Anwendungsfeldern einsetzbar. Da das Appropriierungsregime in den einzelnen Anwendungsfeldern unterschiedlich ausgestaltet sein kann (Arundel 2001), müssen die Bedingungen der Appropriierung für sämtliche in der Kommerzialisierungsstrategie relevanten Anwendungsfelder berücksichtigt werden. In Innovationsprojekten, die nur auf eine Anwendung abzielen, ist der Prozess der Analyse von Rahmenbedingungen für den Innovationsschutz und die Zusammenstellung eines konsistenten Schutzkonzeptes nicht annähernd so komplex. Ein Garant für den Erfolg eines Schutzkonzeptes für eine Werkstoff-Innovation ist also die Aufarbeitung der Rahmenbedingungen für den Schutz der Innovationserträge über die Primäranwendung hinaus. Hierbei sollte der Innovator berücksichtigen, dass er aus Gründen der Ressourcenknappheit oder aufgrund von Restriktionen in der Kompetenzbasis meist nicht jedes Anwendungsfeld selbst bearbeiten kann. Hier bieten generische Werkstoff-Innovationen das Potential zur externen Technologiekommerzialisierung. Spezifische Märkte, Nieto und Pérez-Cano (2004) untersuchen aufgrund verschiedener Taxonomien den Einfluss des technologischen Wissens auf die Auswahl und Nutzung von Schutzmechanismen, wobei die Aspekte der Kodifizierbarkeit und der Abhängigkeit des Wissens von anderen Wissensbestandteilen betont werden. Diese und weitere einschlägige Studien werden in Gredel und Gresse (2008) diskutiert.
12╇
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A. Gerybadze et al. 1. Analyse der Ausgangslage für den Schutz der Werkstoff-Innovation
Möglichkeiten der rechtlichen Absicherung
Charakteristika der Werkstoff-Innovation
Charakteristika der Anwendungsfelder
Charakteristika der potentiellen Nachahmer
2. Auswahl der Mechanismen zum Schutz der Werkstoff-Innovation
Patente
Gebrauchsmuster
Geheimhaltung
Technische Schutzmaßnahmen
Trademarks
Designschutz
Ausnutzen von Zeitvorsprüngen
Bindung von Schlüsselerfindern
Abb. 2.13↜渀 Vorgehensweise für die Erarbeitung eines Schutzkonzeptes für eine Werkstoff-Innovation
die für den Innovator aufgrund des Geschäftsmodells oder der spezifischen Ressourcenbasis nur geringe Gewinne versprechen würden, können für andere Akteure hochattraktiv sein. An diese Akteure könnte der Innovator im Kontext einer „Open Innovation“-Strategie (Chesbrough 2006) eine Lizenz vergeben bzw. kooperative Verwertungsmodelle anstreben (Gredel und Gresse 2008). Ein weiterer Erfolgsfaktor für den Schutz von Werkstoff-Innovationen ist die Differenzierung von Erzeugnissen (bzw. Werkstoffen) und Prozessen innerhalb des Schutzkonzepts. Diese ist wichtig, da die Effizienz der Schutzmechanismen jeweils stark abweicht. So kann ein Prozess gewöhnlich sehr gut über Geheimhaltung geschützt werden, da er „hinter der geschlossen Fabriktür“ durchgeführt und am Produkt oft schwer nachvollzogen werden kann. Weiterhin ist für die Durchführung eines Herstellungsverfahrens vielfach ein hoher Anteil an implizitem Wissen notwendig, das schlecht von Wettbewerbern nachvollzogen werden kann. Der Werkstoff kann dahingegen von potentiellen Nachahmern leichter beschafft und am Endprodukt in Form eines „Reverse Engineering“ analysiert werden. Daher kann ein Werkstoff grundsätzlich schlechter durch Geheimhaltung, sondern eher durch formale bzw. rechtliche Mechanismen wie ein Patent abgesichert werden. Dies gilt jedoch nicht für Werkstoffe, deren Zusammensetzung und technologischer Vorteil sich nur schwierig über „Reverse Engineering“ rekonstruieren lassen. Auch Young et€al. (2008, S.€480) merken an, dass in diesen Fällen eine Patentierung eher unvorteilhaft wäre. Bei einer Berücksichtigung der in diesem Abschnitt genannten Aspekte wird deutlich, dass in Schutzkonzepten für Werkstoff-Innovationen zwei Ebenen unterschieden werden sollten: 1) die Werkstoff-Ebene und 2) die Verfahrensebene. Das Unternehmen bzw. das Forschungsinstitut kann dann in einem ersten Schritt die
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WerkstoffEbene (starke Nachvollziehbarkeit; höherer Anteil expliziten Wissens)
Breite des Patentschutzes
Vertragsrechtliche Schutzmaßnahmen
VerfahrensEbene (geringe Nachzvollziehbarkeit; höherer Anteil impliziten Wissens)
Selektive Geheimhaltung von Prozesswissen
• Geheimhaltungsklauseln • Exklusivrechte im relevanten Anwendungsfeld durch Lizenznahme
Abb. 2.14↜渀 Schutzkonzept für ein Werkstoff-Innovationsprojekt
Rahmenbedingungen für das Schutzobjekt der jeweiligen Ebene analysieren. Insbesondere die Art des Wissens und die Gefahr des „Reverse Engineerings“ sind hier von Bedeutung. Dann können in einem zweiten Schritt die Schnittstellen zwischen den beiden Ebenen untersucht werden. Hierbei steht die Frage im Mittelpunkt, inwieweit sich die Anwendung von Schutzmechanismen auf der einen Ebene auf die Schutzwirkung der anderen Ebene auswirkt. In Abb.€2.14 stellen wir beispielhaft ein Schutzkonzept für eine Werkstoff-Innovation vor. Dort werden die Differenzierung unterschiedlicher Ebenen des Schutzkonzeptes sowie das Zusammenspiel verschiedener Schutzmechanismen deutlich. Das vorgestellte Beispiel macht deutlich, dass sich der Patentschutz auf beide Ebenen erstrecken kann, also auch auf die Verfahrensebene. Gerade bei der Patentierung von Herstellverfahren bietet sich jedoch die Option, nicht das komplette Prozess-Know-how in der Patentschrift zu kodifizieren, sondern auch stark auf den Absicherungsmechanismus der Geheimhaltung zu setzen. Daher erklärt sich, dass die Werkstoff-Ebene weitestgehend durch den Patentschutz abgedeckt ist, die Verfahrensebene jedoch nur in einem Teilbereich. Ergänzt werden sollte ein Schutzkonzept für eine Werkstoff-Innovation durch zusätzliche Geheimhaltungsvereinbarungen und evtl. durch weitere vertragliche Absicherungsklauseln, z.€B. die Vereinbarung von exklusiven Lieferbeziehungen, die eine hohe Abschöpfung von Innovationserträgen ermöglichen. Auch dies wird in Abb.€2.14 deutlich.
2.9.3 D er Prozess der IP-Vereinbarung in Werkstoff-Innovationsprojekten Bei Kooperationsprojekten im Bereich der Werkstoff-Innovation sind verschiedene Arten von IP zu unterscheiden. Hierfür können zwei Differenzierungsmerkmale
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Tab. 2.9↜渀 Arten von geistigem Eigentum (IP) in Kooperationsprojekten. (Quelle: In Anlehnung an Europäische Kommission 2007; Bader 2006) Relevanz für die Zeitpunkt der IP-Generierung Kooperation Vor der Kooperation Während der Nach der Kooperation Kooperation Ja Background IP Foreground IP Postground IP Nein Potentielles Background IP Sideground IP Potentielles Postground IP
herangezogen werden: Einerseits die Relevanz der IP für den Kooperationsgegenstand und andererseits der Zeitpunkt der IP-Generierung. Die Relevanz der IP für den Kooperationsgegenstand hängt davon ab, ob die IP für die Durchführung der Kooperation oder die Verwertung des neuen Werkstoffes notwendig ist.13 Bei dem Zeitpunkt der IP-Generierung unterscheiden wir zwischen IP, die vor, während oder nach einem Kooperationsprojekt generiert wurde bzw. generiert werden wird. Tabelle 2.9 stellt die sich hieraus ergebenden Arten von IP vor. Unter Background IP ist geistiges Eigentum zu verstehen, das vor dem Beginn der Kooperation generiert wurde (vorgelagerte Phase, Anbahnungsphase). Die hierauf basierenden Schutzrechte sind wichtig für die Erfüllung der Aufgaben innerhalb der Kooperation und die anschließende Kommerzialisierung. Gemäß der Europäischen Kommission (2004) werden Background-Schutzrechte von öffentlichen Forschungseinrichtungen nur selten oder nur in sehr speziellen Anwendungsfeldern lizenziert. Während der Laufzeit eines Innovationsprojektes wird jedoch den Kooperationspartnern über eine Lizenz Zugang zu dem Background IP gewährt, meist ohne Zahlung von Lizenzgebühren. Foreground IP ist das geistige Eigentum, das während der F&E-Kooperation durch die Kooperationspartner generiert wird und direkt mit dem Zweck der Kooperation in Verbindung steht (Bader 2006; Europäische Kommission 2004, 2007). Das Postground IP bezieht sich auf geistiges Eigentum, welches nach einer abgeschlossenen Kooperation auf der Basis des dort aufgebauten Know-hows entsteht. Meist wird eine bestimmte Zeitspanne definiert, in der neu angemeldete Schutzrechte als Postground IP angesehen werden. Sideground IP ist geistiges Eigentum, welches während der F&E-Kooperation generiert wurde, aber nicht direkt mit deren Aktivitäten in Verbindung steht (Bader 2006). In Verbundprojekten werden gemeinschaftliche Erfindungen meist auch als gemeinsame Patente angemeldet.14 Gemeinsam angemeldete Patente werden als KoPatente bezeichnet. Hagedoorn und Hesen (2007, S.€356) konnten dies in ihrer Studie zu der Gestaltung von Kooperationsverträgen ebenfalls feststellen. Das EigenDie Relevanz der IP für den Kooperationsgegenstand ist oftmals zu Beginn der Kooperation schwer einzuschätzen. Daher erfolgt eine Einstufung in dieser Kategorie durchaus auch erst zu einem späteren Zeitpunkt. 14╇ Vgl. hierzu Musterverträge zu den Projekten des 7. Forschungsrahmenprogrammes der Europäischen Union (DESCA) oder auch Mustervereinbarungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi 2007). 13╇
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tum am eigenständig entwickelten Foreground IP und dem eigenen Background IP verbleibt meist bei den jeweiligen Akteuren (Hagedoorn und Hesen 2007, S.€356). Niosi (1993, S.€ 23) untersuchte für Werkstoff-Innovationsprojekte die Verteilung der Schutzrechte, die während einer Kooperationsphase angemeldet wurden. Er stellte dabei fest, dass in den meisten Fällen die Schutzrechte dem Unternehmen zukommen würden, das als „organizational leader“ fungiert hatte oder dem Unternehmen, das den größten Teil der Finanzierung des Projektes übernommen hatte. Bei einem Drittel der von Niosi untersuchten Kooperationen wurde vereinbart, dass die Schutzrechte Eigentum aller Teilnehmer der Kooperation sind. Bei 14€ % der Kooperationen wurde die Regelung getroffen, dass die Schutzrechte dem Endanwender oder Zulieferer zukommen sollen. Nur in sechs Prozent aller Kooperationen wurden die Schutzrechte gemäß der Anteile an den durchgeführten Forschungsarbeiten den jeweiligen Partnern zugeteilt. Ein Problem, das bei den IP-Vereinbarungen zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen oftmals für Schwierigkeiten sorgt, ist die Frage der Publikationsfreiheit. Die Publikation stellt das Hauptinstrument der Forschungseinrichtungen dar, um die Diffusion von Wissen in der Volkswirtschaft voranzutreiben. Young et€ al. (2008, S.€ 478) zeigen in ihrer Untersuchung auf, von welcher Bedeutung die Publikationsfreiheit gerade für universitäre Forschungseinrichtungen ist. Die Ausrichtung auf Publikationen steht in direktem Widerspruch mit der von Unternehmen gewünschten Geheimhaltung und Exklusivität von Forschungsergebnissen. Weiterhin sind bereits durch einen Kooperationspartner publizierte Forschungsergebnisse laut Patentgesetz nicht mehr patentfähig, da sie das Kriterium der Neuheit nicht mehr erfüllen (BMBF 2009). Der Verlust der Patentierungsmöglichkeit kann für Industrieunternehmen, die in einem harten, globalen Wettbewerb stehen, ein entscheidender Nachteil sein. Um eine exklusive Nutzung der Ergebnisse einer Kooperation abzusichern, sollten klare Publikationsrichtlinien erarbeitet werden. Diese sollten die Patentfähigkeit der Forschungsergebnisse nicht beeinträchtigen und dem Forschungspartner dennoch einen gewissen Spielraum für die Publikationstätigkeit zugestehen, da er diese für sein Standing in der Wissenschaft benötigt. Das Publikationsproblem lässt sich gemäß den Ergebnissen unserer Studie durch klare und faire Publikationsrichtlinien pragmatisch lösen. Auf diese müssen sich die Projektteilnehmer bei dem Start des Werkstoff-Innovationsprojektes einigen. Mit dem Problem der Einigung auf Publikationsrichtlinien verknüpft, aber noch auf einer anderen Ebene angesiedelt, ist die Abwägung einer Patentierung von Kooperationsergebnissen. So sind Fälle bekannt, in denen Unternehmen es vorziehen, auf eine Patentierung von Kooperationsergebnissen zu verzichten, um die Nachteile aus der mit einer Patentanmeldung verbundenen Offenlegungspflicht zu umgehen. Insbesondere bei Prozess- und Verfahrensinnovationen ist dies der Fall. Auch in den untersuchten Fallstudien in dem Forschungsprojekt InnoMat hat sich die Neigung zu der Geheimhaltung von Herstellungsprozessen bestätigt. Unsere empirischen Ergebnisse deuten an, dass dies unter bestimmten Rahmenbedingungen zu einem Problem werden kann, insbesondere wenn die Forschungseinrichtung stark an der Patentierungsrate gemessen wird und auf eine Patentierung der Kooperationsergeb-
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nisse besteht. Jedoch hat sich in den Expertengesprächen ebenfalls abgezeichnet, dass Forschungseinrichtungen teilweise auf die Patentierung von Kooperationsergebnissen verzichten, wenn dies für die Innovationsverwertung des Unternehmenspartners von essentieller Bedeutung ist. In den Expertengesprächen für das Projekt InnoMat wurde insgesamt deutlich, dass Vereinbarungen zu intellektuellen Eigentumsrechten erhebliches Konfliktpotential in sich bergen. In vielen Fällen ist nach Aussage von Industrieexperten eine Einigung bzgl. des Umgangs mit intellektuellen Eigentumsrechten der ausschlaggebende Grund dafür, kein Verbundforschungsvorhaben mit öffentlichen Forschungseinrichtungen einzugehen. Diese Aussage wird auch durch Studien aus dem US-amerikanischen Raum bestätigt. So wurde in einem Sample von 38 Verbundprojekten, die zwischen 1993 und 1996 von dem US-amerikanischen „Advanced Technology Program“ gefördert wurden, bei 32€% der befragten Projektteilnehmer die Regelungen zu intellektuellen Eigentumsrechten zwischen Hochschulen und der Industrie als unüberwindbare Barriere in der Anbahnungsphase von Forschungsvorhaben bezeichnet (Hall et€al. 2001).15 Bei der Frage nach dem Auslöser für diese unüberwindbare Barriere muss wieder auf die Diskussion um die unterschiedliche Betrachtung und Behandlung von Wissen durch das Forschungssystem einerseits und die Industrie andererseits Rückgriff genommen werden. Brainard (1999) führt in diesem Kontext folgendes aus: The goal of business and universities in producing and protecting intellectual property is innovation for the production of revenue. Beyond this ultimate shared goal, the interests of universities and businesses diverge. Universities value intellectual property not only as a revenue-producing resource, but also as a tool in the advancement and dissemination of knowledge. These divergent interests can result in conflicts… (Brainard 1999, S.€9)
Hall et€al. (2001) stellen einen direkten Zusammenhang zwischen dem Anteil der staatlichen Förderung sowie dem erwarteten Grad der „Publicness“ und der Appropriierbarkeit des Wissens aus Verbundprojekten fest. Die Autoren verweisen darauf, dass die beteiligten Unternehmen bei einem niedrigen Anteil staatlicher Projektfinanzierung einen adäquaten Anteil des Wissens für ihre exklusive Nutzung beanspruchen. Vice versa wird bei einem hohen Anteil der staatlichen Förderung in einem Verbundprojekt erwartet, dass Unternehmen von einem hohen Grad an „Publicness“ und damit einer geringen Appropriierbarkeit ausgehen. Hall et€ al. (2001) stellen fest, dass gerade bei Verbundprojekten mit hoher Grundförderung die Fronten zwischen Unternehmen und Hochschulen bezüglich der Regelungen zu intellektuellen Eigentumsrechten verhärtet wären. Daraus folgt die Erkenntnis, dass bei Vereinbarungen bezüglich intellektueller Eigentumsrechte ein steigender Anteil an staatlicher Förderung das Konfliktpotential in einem Verbundprojekt erhöht und die IP-Verhandlungen zu einer schwer überwindbaren Barriere werden. Als eine Die von den Autoren angefertigte Studie untersuchte die Barrieren für Verbundprojekte mit einem Schwerpunkt auf Regelungen zu intellektuellen Eigentumsrechten. Es ist wichtig anzumerken, dass das Forschungsdesign der Studie darauf ausgerichtet war, die Barrieren vor und bei dem Aufbau eines Verbundprojektes näher zu untersuchen. Barrieren, die während oder nach einem Verbundprojekt auftreten, waren nicht Kern der Untersuchung.
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weitere Einflussgröße auf das Konfliktpotential von Regelungen zu intellektuellen Eigentumsrechten in Verbundprojekten bezeichnen Hall et€al. (2001) die Projektlaufzeit. Bei kurzen Laufzeiten wäre gemäß den Autoren die Wahrscheinlichkeit für Konflikte größer als bei langen Laufzeiten. Als besonders problematisch für den WTT aus der öffentlichen Forschung in die Industrie wird die Rolle der Technologietransferstellen und Patentverwertungsagenturen von Forschungseinrichtungen angesehen (Siegel et€al. 2007; Blind et€ al. 2008). Transferstellen sind Organisationseinheiten innerhalb einer Forschungseinrichtung. Patentverwertungsagenturen sind dahingegen für mehrere Forschungsinstitute einer Region (Wissenschaftsrat 2007, S.€56) oder eines Themenfelds verantwortlich. Siegel et€ al. (2007) äußern, dass in Transferstellen oftmals Probleme auftreten, die durch mangelnde Erfahrung in betriebswirtschaftlichen Fragen und Marketingaktivitäten begründet sind. Im Verlauf des Projekts InnoMat konnte dieser Befund anhand der Expertengespräche und Fallanalysen weitestgehend bestätigt werden. Dies wiegt im Bereich der WerkstoffInnovation umso schwerer, da dort die Rahmenbedingungen für die Kommerzialisierung ohnehin äußert herausfordernd sind (Gerybadze et€al. 2010). So waren die Forschungseinrichtungen durch das breite Spektrum möglicher Anwendungsfelder eines neuen Werkstoffes oftmals überfordert. Dies gilt jedoch nicht nur für die Transferstellen und Patentverwertungsagenturen sondern auch die Institute. Insbesondere die Bewertung und Auswahl von möglichen Primär- und Sekundäranwendungen gestaltete sich als schwierig. Diese ist jedoch die Grundlage für die Formulierung einer konsistenten Kommerzialisierungsstrategie, die dann im Rahmen von IP-Vereinbarungen in klare und für die Industrie attraktive Lizenzvereinbarungen umgesetzt werden müsste. Der Wissenschaftsrat hat mehrere Faktoren identifiziert, die Auslöser für die Überforderung von Transferstellen im Kommerzialisierungsprozess sind. Genannt werden dabei ein unklares Aufgabenprofil, eine unsichere institutionelle Identität innerhalb der Forschungsorganisationen sowie eine unzureichende Ressourcenausstattung (Wissenschaftsrat 2007, S.€79). Es bleibt festzuhalten, dass IP-Vereinbarungen im Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe dadurch erschwert werden, dass es sich bei Werkstoff-Innovationen meist um generische Innovationen handelt, die in mehreren Anwendungsfeldern zum Einsatz kommen können und deren Marktpotential oft noch nicht klar erkennbar ist. Die potentielle Anwendung in mehreren Anwendungsfeldern kann bei der IP-Verwertung zu einem hohen Kommerzialisierungspotential führen, wenn die Anwendungsfelder durch segmentierte Lizenzierungsmodelle angegangen werden. Die Abgrenzung und Absicherung von kommerziell attraktiven Anwendungsfeldern sind hier wichtige Erfolgsfaktoren, stellen jedoch hohe Anforderungen an die involvierten Akteure. Insbesondere Forschungseinrichtungen sowie deren Transferstellen bzw. Patentverwertungsagenturen sind mit diesen Aufgaben oftmals überfordert. Eine Professionalisierung der Abgrenzung und Absicherung von Anwendungsfeldern würde Forschungseinrichtungen im Bereich der Materialforschung die Möglichkeit geben, ihre Ausgangslage für die Erzielung von Lizenzerlösen stark zu verbessern.
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Kapitel 3
Governance des deutschen Forschungssystems Hans-Willy Hohn
Inhalt 3.1â•…Nationale Innovationssysteme und neue Herausforderungen an die Governance der Materialwissenschaft ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������╅ 78 3.2â•…Wandel der Materialforschung ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������╅ 83 3.3â•…Institutionelle Architektur des deutschen Forschungssystems ����������������������������������尓������╅ 86 3.3.1â•…Technische Hochschulen und Universitäten ����������������������������������尓���������������������╅ 86 3.3.2â•…Struktur und Genese des außeruniversitären Forschungssystems in Deutschland ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������������╅ 89 3.3.3â•…Vom Konflikt zum Gleichgewicht. Der Entwicklungspfad des außeruniversitären Forschungssystems ����������������������������������尓�����������������������������╅ 91 3.4â•…Stärken und Schwächen der außeruniversitären Forschung ����������������������������������尓���������╅ 94 3.5â•…Institutionelle Stabilität und Reformresistenzen ����������������������������������尓���������������������������╅ 97 3.6â•…Neue forschungspolitische Instrumente und ihre Folgen ����������������������������������尓���������������╅ 99 3.6.1â•…Wandel der staatlichen Forschungspolitik ����������������������������������尓�������������������������╅ 99 3.6.2â•…Neue Allianzen von universitären und außeruniversitären Forschungsorganisationen – Eine Revolution „von unten“? �������������������������������╇ 100 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 103
Zusammenfassung╇ Das dritte Kapitel des Buches geht zunächst auf das Konzept der nationalen Innovationssysteme und dessen Entwicklung in der Folge der Pionierstudien in den 1980er Jahren ein. Im Anschluss daran wendet es sich Aspekten des Wandels der Materialforschung und der Passförmigkeit von materialwissenschaftlichen Anforderungen an die Governance von Forschungs- und Transferprozessen und den institutionellen Strukturen des deutschen Innovationssystems zu. Es beschreibt die Entstehung und Grundzüge der Funktionsweise dieses Systems sowie einige seiner typischen Stärken und Schwächen. In der jüngeren Vergangenheit sind die institutionellen Strukturen der deutschen Forschungslandschaft zunehmend unter Veränderungsdruck und auch in einem für viele wissenschaftliche und politische Beobachter unerwartetem Maße in Bewegung geraten. Nicht zuletzt hat H.-W. Hohn () Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Freiherr-vom-Stein-Straße 2, 67346 Speyer, Deutschland E-Mail:
[email protected] K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9_3, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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auch die staatliche Forschungspolitik neue Steuerungsinstrumente entwickelt. Das Kapitel geht einem Teil der wichtigsten dieser Veränderungen und deren Bedeutung für die Funktionsweise des deutschen Innovationssystems nach.
3.1 N ationale Innovationssysteme und neue Herausforderungen an die Governance der Materialwissenschaft Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich in allen industrialisierten Ländern eine eigenständige Forschungs- und Technologiepolitik mit einer eigenständigen institutionellen und organisatorischen Infrastruktur herausgebildet, deren Aufgabe darin besteht, die heimische Wirtschaft gewissermaßen für den internationalen Wettbewerb „fit“ zu machen. Allerdings erfüllen die nationalen Innovationssysteme diese Funktion in sehr unterschiedlicher Weise. Die institutionellen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Produktion und Nutzung des wissenschaftlich-technologischen Wissens variieren von Land zu Land erheblich und erzeugen spezifisch nationale technologische Trajektorien, die einen großen Einfluss auf die Performanz und Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Volkswirtschaften ausüben. Diese Differenzen sind aber erst langsam in das Blickfeld der sozialwissenschaftlichen Forschung geraten. Während sich die traditionelle Wissenschaftssoziologie das Blickfeld auf solche nationalen Besonderheiten durch ihr lineares und internalistisches, auf innerwissenschaftliche Kriterien absetzendes Modell der wissenschaftlichen Entwicklung verstellte, handelte sich die „neue“, konstruktivistische Wissenschaftssoziologie einen entsprechenden blinden Fleck als Folge ihrer Beschränkung auf das Labor als Untersuchungsgegenstand ein. Aber auch die international vergleichende politikwissenschaftliche Forschung hat das Phänomen der nationalen Innovationssysteme bis in die 1990er Jahre weitgehend ignoriert. In der Tradition des Werkes von Andrew Schonfield „Modern Capitalism“ (Schonfield 1965) interessierte sich die politikwissenschaftliche Komparatistik zwar seit langem dafür, wie sich die unterschiedlichen nationalen Arrangements in den Arbeitsbeziehungen, Finanzsystemen oder in der beruflichen Bildung auf die ökonomische Performanz der jeweiligen Länder auswirken, entwickelte zunächst aber keine analoge Fragestellung für die Forschungs- und Technologiepolitik. Auch der vergleichenden Politikwissenschaft verstellte das traditionelle lineare Modell der wissenschaftlichen Entwicklung den Blick für nationale Differenzen in der Produktion und Nutzung des technologischen Wissens. Aus der Perspektive dieses Modells folgten die Wissenschaft und Technologie in allen Ländern denselben institutionellen Prinzipien. Zudem begünstigte es die Vorstellung, dass es ebenfalls lineare Beziehungen zwischen dem finanziellen „Input“ in die technologische Forschung und ihrem ökonomischen „Output“ gäbe. Dementsprechend beschränkten sich internationale Vergleiche im Wesentlichen auf die „quantitative“ Dimension des differenziellen Wachstums der wissenschaftlichen Institutionen in den jeweiliÂ� gen Nationen.
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Erst die am Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts entstandenen Pionierstudien von Christopher Freeman (1987) und Bengt-Åke Lundvall (1992) haben dann die „qualitativen“ Unterschiede im Innovationsverhalten der konkurrierenden Volkswirtschaften zu Tage gefördert. Diese Studien waren vom Siegeszug der „Lean Production“ und der Krise des Fordismus motiviert und gingen der Frage nach, warum Japan und kontinentaleuropäische Länder wie Deutschland in erfolgreicherer Weise als die USA und andere angelsächsische Nationen dazu in der Lage waren, innovationsorientierte Wettbewerbsstrategien hervorzubringen. Als Antwort auf diese Frage entwickelten sie ein netzwerktheoretisches Konzept von Innovationsprozessen, das zugleich bis dahin weitgehend ignorierte Differenzen in der Technologiepolitik der einzelnen Länder und ihrer Rolle für die Koordination solcher Prozesse aufzeigte. Mit ihrer „qualitativen“, institutionalistischen und netzwerktheoretischen PerÂ� spektive haben diese Studien in vielerlei Hinsicht einen fruchtbareren Zugang zur Innovationsproblematik eröffnet als die früheren, im Wesentlichen „quantitativ“ vergleichenden Untersuchungen. Sie haben maßgeblich zur Entdeckung der „externen Ökonomien“ als Alternative zu den Governanceformen von Markt und Hierarchie beigetragen und damit auch der transaktionskostentheoretischen Diskussion neue Anstöße gegeben. Zugleich aber hat sich im Zuge der neueren und nicht zuletzt von den Pionierstudien selbst angestoßenen Forschung zu den nationalen Innovationssystemen herausgestellt, dass sowohl zentrale empirische als auch theoretische Positionen, die diese Studien vertreten hatten, so nicht zu halten sind. Unter dem Eindruck des Siegeszugs der „Lean Production“ hatten diese Studien den Innovationssystemen á la Japan und den kontinentaleuropäischen Ländern eine geradezu optimale Struktur und durchweg überlegene Effizienz gegenüber den angelsächsischen Nationen attestiert. Freeman (1987) wagte sogar die Prognose, dass Japan aufgrund der kooperativen und koordinierten Struktur seines Innovationssystems sich weltweit an die Spitze nahezu aller Schlüsseltechnologien setzen werde. In den 1990er Jahren hat sich dieses Bild von der überlegenen Effizienz des japanisch-deutschen Modells dann aber relativiert. Im Verlauf dieses Jahrzehnts wurde deutlich, dass die Innovationssysteme vom deutsch-japanischen Typus bei der Entwicklung und Kommerzialisierung grundlegend neuer Produkte und Verfahren mit den USA und anderen angelsächsischen Ländern nicht Schritt halten konnten und vor allem auf Gebieten wie der Informationstechnik und Biotechnologie zurückfielen. Dies hat der schon recht betagten These von der Konvergenz der unterschiedlichen nationalen Wirtschaftsformen auf das marktorientierte angloamerikanische Modell (Kerr et€al. 1960; Graubard 1964) nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der sozialwissenschaftlichen Literatur, neues Leben verliehen.1 1╇ Während sich ein neoliberalistisch inspirierter Teil dieser Literatur von der Notwendigkeit umfassender Deregulierungen als Folge der wachsenden globalen Regimekonkurrenz überzeugt zeigt (vgl. etwa Strange 1997), warnen vor allem Globalisierungsgegner vor einem sozialpolitischen, ethischen und kulturellen race to the bottom, das die Vielfalt nationaler Institutionen auf dem Altar einer eindimensionalen ökonomischen Effizienz opfert (zusammenfassend: Stehr 2003, S.€248–258).
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Empirisch spricht jedoch wenig für diese Behauptung und auch theoretisch erscheint sie kaum plausibel. Die nationalen Innovationssysteme weisen empirisch nach wie vor robuste institutionelle Divergenzen und technologische Differenzen auf (Whitley 2000, 2003), und aus der theoretischen Perspektive lassen sich zunächst einmal sogar gute Gründe für die Annnahme mobilisieren, dass diese Unterschiede nicht verschwinden, sondern sich gerade als Folge von wirtschaftlicher Globalisierung und zuspitzendem globalen Wettbewerb noch intensivieren werden. Wie die Studien zur Lean Production und zum japanischen Innovationssystem geht auch die These von der Konvergenz der nationalen Innovationssysteme von absoluten Wettbewerbsvorteilen aus. Demgegenüber hatte bereits Michael Porter gezeigt, dass es keinen „One Best Way“ zur Erzeugung und Umsetzung von Innovationen gibt, sondern die einzelnen Länder spezifische technologische Stärken und Schwächen aufweisen und über relative „Comparative Advantages“ verfügen (Porter 1990, S.€ 623). Peter Hall und David Soskice führen diese relativen Vorteile im Rahmen des Konzepts der „Varieties of Capitalism“ wiederum auf die unterschiedlichen nationalen Strukturen der Kerninstitutionen wie der Bildungs-, Finanz- und Rechtssysteme, Arbeitsmärkte und industriellen Beziehungen in den jeweiligen politischen Ökonomien zurück (Soskice 1999; Hall und Soskice 2001). Sie unterscheiden in idealtypischer Weise koordinierte Marktwirtschaften und liberale Kapitalismen, für die Deutschland und die USA paradigmatisch stehen. In Marktwirtschaften wie der deutschen ist die Ökonomie in staatlich koordinierte Netzwerke von Verbänden und korporativen Akteuren eingebettet, die auf der Basis kooperativer Beziehungen und langfristiger Ziele die Bedingungen der Beschäftigung und Entlohnung, der Ausbildung und Qualifizierung, der Unternehmensfinanzierung und des Technologietransfers organisieren. Gegenüber diesen institutionell „reichen“ („institutionally rich“) Regimes operiert die Wirtschaft in den liberalen Kapitalismen in einer an Institutionen „armen“ („institutionally impoverished“) Umwelt von Märkten und Hierarchien (Hollingsworth und Streeck 1994), in der die Koordination des wirtschaftlichen Handelns, soweit sie nicht durch vertikale Integration erfolgt, auf Wettbewerb, Verträgen und eher kurzfristigen Beziehungen beruht (Sturgeon 1997; Hollingsworth und Boyer 1977). Diese unterschiedlichen institutionellen Strukturen bringen auch unterschiedliche und geradezu spiegelbildliche technologische Trajektorien in den koordinierten Marktwirtschaften und liberalen Kapitalismen hervor. Während die dichten, relationalen Netzwerke der Innovationssysteme in Japan und Deutschland langfristige, kontinuierliche und inkrementelle Neuerungen im Rahmen vorhandener Technologien begünstigen, stehen die eher kurzfristig angelegten Marktbeziehungen der angelsächsischen Regimes dem entgegen. Diese Regimes weisen hingegen dort Vorteile auf, wo es, wie vor allem im Bereich der neuen Technologien, um radikale Innovationen und die Bewältigung von diskontinuierlichem und „zerstörerischem“ technologischen Wandel geht (Casper 2000). Diese Differenzen in den technologischen Stärken und Schwächen der koordinierten und liberalen Marktwirtschaften erweisen sich umso robuster, als sich die Institutionen des Rechts, der Arbeitsmärkte, Bildungs- und Finanzsysteme etc. in den jeweiligen Ländern wechselseitig stützen und wie komplementäre Güter ver-
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halten, indem die Anwesenheit oder Effizienz der einen Institution den Nutzen oder die Effizienz einer anderen steigert. Auch die Forschungssysteme der jeweiligen Länder verhalten sich weitgehend komplementär zu den jeweils spezifischen Strukturen der unterschiedlichen politischen Ökonomien (Archibugi und Pianta 1992, auch Guerrieri 1999). So konzentriert sich die öffentliche Forschungsförderung in den USA auf eine stark anwendungsorientierte Grundlagenforschung an den Hochschulen und auf staatliche „Missionen“ primär in den Bereichen Gesundheit und Verteidigung. Sie ist hauptsächlich an der Förderung von technologischen Durchbrüchen, weniger an der Diffusion von Technologien ausgerichtet und überlässt die Strukturierung der Forschungslandschaft weitgehend Marktkräften und dem Wettbewerb. Demgegenüber unterhält die öffentliche Forschungsförderung in Deutschland eine staatlich koordinierte Infrastruktur von Forschungsorganisationen, die das gesamte Spektrum von der Grundlagenforschung bis hin zur Organisation des Technologietransfers in die Industrie abdeckt und in hohem Maße an der Diffusion von vorhandenen Technologien orientiert ist. Im Unterschied zur Informationstechnik haben Studien, Evaluationen und Experten der deutschen Materialforschung in der Vergangenheit eine durchaus führende wissenschaftliche Position attestiert und sie nach den USA auf Rang zwei oder drei, gleichauf oder kurz hinter Japan platziert (Wissenschaftsrat 1996). Zugleich meldeten sich aber auch schon am Beginn der 1990er Jahre kritische Stimmen zu Wort, die eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Innovationssystems vor allem im Bereich neuer Materialien konstatierten (Porter 1990; Hall und Soskice 2001). Diesen Stimmen zufolge droht das deutsche Innovationssystem seine „alte“ Stärke in der Materialforschung einzubüßen und sieht sich gerade auf diesem Gebiet mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Die wirtschaftliche Globalisierung und der zunehmend intensivere Wettbewerb um neue Produkte gehen mit einem Wandel der Materialforschung von einer durch „Demand-pull“ zu „Technologypush“ bestimmten Entwicklung einher. Beides hat das Muster der inkrementellen und kontinuierlichen Verbesserungen vorhandener Technologien auf diesem Gebiet durch neue Anforderungen an das Forschungs- und Transferhandeln abgelöst. Die Prozesse des Technologietransfers und der Kommerzialisierung von Produkten und Verfahren im Bereich der Materialforschung präsentieren sich heute mehr und mehr als ein komplexes und unter hoher Ungewissheit operierendes „Matching“ von technologischen und wirtschaftlichen Anforderungen. Dies wirft unmittelbar die Fragen auf, ob und in welchem Maße die institutionellen Bedingungen des deutschen Innovationssystems der Governance von Forschungs- und Transferprozessen in der Materialforschung angemessen sind, wie viel „Technology-push“ die deutschen Forschungsorganisationen erzeugen können und wie „fit“ das deutsche Innovations- und Forschungssystem für das „Matching“ der technologischen und wirtschaftlichen Anforderungen im Bereich der Materialforschung ist. Materialforschung wird in Deutschland sowohl an den technischen Hochschulen und Universitäten als auch an allen außeruniversitären Forschungsorganisationen betrieben. Zwischen beiden Bereichen, aber auch innerhalb der außeruniversitären Forschung, bestanden bislang hohe institutionelle Barrieren. Während die universi-
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täre Forschung im Kompetenzbereich der Länder liegt und der Bund von der Förderung dieses Sektors weitgehend ausgeschlossen ist, zählt die außeruniversitäre Forschung zu den Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern. Die aus dieser Gemeinschaftsaufgabe resultierende „verflochtene“ politische Entscheidungsstruktur hatte wiederum zur Folge, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine arbeitsteilige Struktur von weitgehend autonomen korporativen Akteuren herausgebildet hat, die auf bestimmte Typen von Forschung wie Grundlagenforschung, anwendungsorientierte Grundlagenforschung und industrielle Vertragsforschung spezialisiert sind. Aufgrund dieser Spezialisierung operieren die grundlagenorientierten Organisationen in den Augen von Beobachtern vielfach „zu weit weg“ von kommerziellen Produkten und die anwendungsorientierten Einrichtungen gewissermaßen „zu nahe am“ artikulierten Bedarf der Industrie, um in effektiver Weise angebotsorientierte „Technology-push-Strategien“ entwickeln zu können. So attestierten die so genannten Systemevaluationen, die der Bund am Ende der 1990er Jahre durchführen ließ, den großen deutschen Wissenschaftsorganisationen erhebliche Stärken, aber auch gravierende Schwächen und Rigiditäten und konstatierten eine „Versäulung“ innerhalb der außeruniversitären Forschungslandschaft und eine nur geringe Vernetzung der dort angesiedelten Organisationen mit den Hochschulen. Zugleich verfügen diese Organisationen über mächtige Vetopositionen, die es immer wieder ermöglicht haben, sich forschungspolitischen Reformstrategien und Interventionsversuchen zu widersetzen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Entwicklung des Sektors weniger durch genuin forschungs- als vielmehr durch verfassungspolitische Kriterien und durch seine föderal „verflochtene“ Entscheidungsstruktur bestimmt wurde und wird. Gleichwohl zeichnet sich rund zehn Jahre nach der Diagnose ihrer „versäulten“ Struktur ein komplexeres und weniger eindeutiges Bild von der deutschen Forschungslandschaft ab. Die Versäulung des außeruniversitären Forschungssystems ist nicht überwunden, zugleich aber sind die interorganisatorischen Grenzen partiell durchlässiger geworden. Die großen deutschen Forschungsorganisationen haben auch in der jüngeren Vergangenheit staatliche Reformversuche blockiert oder weitgehend unterlaufen, aber zugleich ihre Governancestrukturen im Rahmen von Prozessen der Selbstorganisation und Selbstanpassung modifiziert. Als Folge der seit den 1990er Jahren rasant zunehmenden Ökonomisierung und Internationalisierung der Forschung und eines zunehmend intensiveren Wettbewerbs um Ressourcen und Reputation sind die deutschen Forschungsorganisationen in steigendem Maße unter organisationalen Stress und Veränderungsdruck geraten. Sie müssen mehr denn je die technologische und wirtschaftliche Relevanz ihrer Forschungsaktivitäten nachweisen und haben mehr und mehr Versuche unternommen, durch inkrementelle Anund Umbauten an ihren Governancestrukturen die institutionellen Grenzen unter ihnen und zur Hochschulforschung zu verschieben und neu zu justieren. Neben neuen Formen des Wettbewerbs haben sich auch neue Formen der Kooperation entwickelt. Die lange Zeit vorherrschende Distanz zwischen den großen Wissenschaftsorganisationen ist Strategien gewichen, mehr „Kooperation unter heterogenen Partnern“ (Kuhlmann et€al. 2003) herzustellen und sich zugleich mit den Hochschulen zu vernetzen. Zudem haben sich neue Formen der horizontalen
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Koordination von Forschungseinrichtungen durch die Bildung von Clustern und Forschungsverbünden herausgebildet, die aufgabenbezogen und im Rahmen temporärer Vernetzungen agieren. Die Forschungspolitik des Bundes hat diese Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit durch Maßnahmen wie insbesondere den Pakt für Forschung und Technologie und die Exzellenzinitiative forciert. Mit diesen Maßnahmen greift sie nicht unmittelbar steuernd in die Governancestrukturen dieser Einrichtungen ein, schafft jedoch Anreize für mehr Wettbewerb und Kooperation. Schließlich aber besteht die wichtigste institutionelle Neuerung innerhalb des deutschen Forschungssystems in neuen Allianzen zwischen außeruniversitären Forschungszentren und Hochschulen, die mit dem expliziten Ziel entstanden sind, die föderalen Grenzen innerhalb der deutschen Forschungslandschaft dauerhaft zu überwinden. Wenn diese Allianzen tatsächlich funktionstüchtige Strukturen hervorbringen sollten, liefe dies auf einen völlig neuen Typus von Forschungsorganisation und eine geradezu revolutionäre Innovation innerhalb des deutschen Forschungssystems hinaus.
3.2 Wandel der Materialforschung Die nun folgenden Abschnitte gehen in einem ersten Schritt auf den Wandel der traditionellen Materialwissenschaft zu den Neuen Materialien und den damit verbundenen funktionalen Erfordernissen an das Forschungs- und Transferhandeln ein. An diesen Schritt schließt sich eine Darstellung der institutionellen Struktur und der verfassungspolitisch geprägten Genese des Forschungssystems Deutschlands an. In einem dritten Schritt werden die typischen Stärken und Schwächen des Systems behandelt. Im vierten Schritt schließlich wird auf die wichtigsten aktuellen Veränderungen in der Governance der deutschen Forschungslandschaft eingegangen. Diese Veränderungen lassen den Schluss zu, dass das deutsche Forschungssystem als Folge neuer Herausforderungen an die Wettbewerbs- und Kooperationsfähigkeit der einzelnen Organisationen einem wachsenden Reformdruck „von unten“ ausgesetzt und „Bottom-up“ in Bewegung geraten ist. Das „alte“ Muster der Domänenabgrenzung unter den Forschungsorganisationen ist vielfach „neuen“ Strategien der Kooperation und Vernetzung gewichen, die möglicherweise ein sehr viel höheres Maß an Veränderungspotenzial enthalten als staatliche Interventionsversuche. Traditionell herrschte auf dem Gebiet der Materialforschung ein empirischer und eher induktiver, auf „Trial-and-Error“ beruhender Ansatz vor. Die Forschungsaktivitäten folgten meist bestimmten Leitanwendungen, wie etwa die Werkstoffforschung für die Kerntechnik dem Bau von Reaktoren, und brachten im Wesentlichen kontinuierliche Technologieentwicklungen und inkrementelle Innovationen hervor. Heute hat sich das Feld der Neuen Materialien dagegen vielfach von speziellen Leitanwendungen emanzipiert und zu einem eigenständigen interdisziplinären Gebiet entwickelt, das tief in die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung hineinreicht und häufig diskontinuierliche und generische Innovationen mit einer Vielfalt möglicher industrieller Anwendungen hervorbringt.
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Mit diesem technologischen Wandel haben sich wie bereits zuvor in der Informationstechnik auch in der Materialwissenschaft die Anforderungen an die Governance der Forschungs- und Transferprozesse verändert. Während sich die traditionelle Materialforschung vielfach durch „Big-Science-Centers“ und vertikal integrierte Großunternehmen organisieren ließ, so ist diese Governancestruktur den Neuen Materialien oft nicht mehr angemessen. Anders aber als in der Informationstechnik, in der der diskontinuierliche technologische Wandel zur Desintegration der vertikal integrierten Wertschöpfungskette und zu einer marktförmigen Organisation des Sektors führte (vgl. Hohn 2006), werden auf dem Gebiet der Neuen Materialien netzwerkartige Formen der Koordination erforderlich. Die Informationstechnik und die Neuen Materialien bilden gewissermaßen die Gegenpole auf einem Kontinuum von marktförmiger Koordination und relationalen Netzwerkbeziehungen. Während sich die technologischen Komponenten in der Informationstechnik zunehmend standardisieren ließen, weisen materialwissenschaftliche Technologien zumeist eine hohe „Faktorspezifizität“ („Asset Specificity“) und einen hohen Bedarf an komplementären Gütern („Complementary Assets“) auf. Dies hat auch zugleich den Grad der technologischen und wirtschaftlichen Ungewissheit und den Bedarf an Koordination auf diesem Gebiet stark ansteigen lassen. So steht bereits die Auswahl der Forschungsziele und Anwendungsfelder unter hoher Entscheidungsunsicherheit. Hier stellt sich nicht mehr nur die Frage, welcher Werkstoff ein bekanntes Problem löst oder die Funktionsweise eines Produkts verbessert, sondern welche Produkte mit einem neuartigen Material avisiert werden sollen. Basisinnovationen in den Neuen Materialien eröffnen in der Regel multiple Anwendungsfelder und Märkte, deren Erfolgsaussichten und Profitabilität schwer zu prognostizieren sind. Dies gilt umso mehr, als sich solche Prognosen über lange Zeiträume erstrecken müssen. Im Vergleich zu anderen Technologien nehmen Entwicklungsprozesse in der Materialforschung sehr viel Zeit in Anspruch. Von der ersten Synthese eines neuen Werkstoffs bis zu seinem Einsatz in einem industriellen Produkt vergehen zumeist zehn bis zwanzig Jahre. Und die Durchsetzung eines Produkts am Markt nimmt oft nochmals ein bis zwei Dekaden in Anspruch. Dieser hohe Zeitaufwand geht vor allem darauf zurück, dass die Entwicklung eines neuen materialwissenschaftlichen Produkts oder Verfahrens in der Regel komplementäre Innovationen erforderlich macht. Materialien stehen am Beginn der industriellen Wertschöpfung, und radikale Neuerungen können dementsprechend tiefgreifende Folgen für die Gesamtheit der nachgelagerten Produktionsprozesse entfalten und zur technologischen Restrukturierung ganzer Wertschöpfungsketten führen. Zudem muss für die Entwicklung komplementärer Innovationen häufig heterogenes und dezentral verteiltes Wissen mobilisiert und miteinander kombiniert werden. Beides steigert die Ungewissheit von materialwissenschaftlichen Transferprozessen, da nicht sicher vorausgesagt werden kann, ob das erforderliche Wissen zur Verfügung steht und zu welchem Zeitpunkt und in welcher Quantität und Qualität sich die „Complementary Assets“ realisieren lassen. Vor diesem Hintergrund präsentiert sich der Wechsel von der traditionellen Materialforschung zu den Neuen Materialien als Übergang vom seriellen Modell
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des Technologietransfers von Cline und Rosenberg zu einem interaktivem Modell des „Matchings“ von Technologien und Märkten oder auch „Technology-Market Couplings“ (Maine und Garnsey 2006). Dieses Matching oder Coupling macht es erforderlich, dass bereits die Auswahl der Forschungs- und Entwicklungsziele in enger Kooperation mit den Anwendern neuer Technologien erfolgt. Wie zahlreiche Fallbeispiele zeigen, scheitern materialwissenschaftliche Transferprojekte häufig daran, dass die potenziellen Nutzer der Innovationen nicht effektiv und nicht früh genug in die Grundlagenforschung der öffentlichen Forschungszentren einbezogen werden, um die Fragen zu klären, welche Anwendungsfelder sich durch eine Innovation eröffnen, welche Differenzen zu vorhandenen Materialien bestehen und welche ökonomischen und ökologischen Vor- und Nachteile gegenüber bereits existierenden Lösungen zu erwarten sind. In ähnlicher Weise müssen die erforderlichen „Complementary Assets“ identifiziert und der Zugang zu diesen Komponenten gewährleistet werden. Dazu bedarf es der Organisation und Koordination von Forschungsketten. In vielen Fällen kann dieser Prozess des „Matchings“ darauf hinaus laufen, im Sinne des Konzepts von Michael Porter (1990) den kompletten „Upstream“ entlang der Wertschöpfungskette bis hin zu kundennahen Herstellern zu organisieren und zu koordinieren. In diesem Prozess laufen Forschung und Entwicklung häufig parallel zur Kommerzialisierung der Produkte, während zugleich die Ziele der Forschung und Produktentwicklung beständig revidiert und neu justiert werden müssen. Darüber hinaus gilt es in vielen Fällen, den Widerstand von industriellen Anwendern und ganzen Netzwerken von Produzenten und Nutzern vorhandener Technologien gegen die Einführung radikaler Innovationen zu überwinden. Während sich Neuerungen im Bereich kontinuierlicher Technologien „kompetenzsteigernd“ („competence enhancing“) auswirken und es den Unternehmen relativ leicht fällt, solche Innovationen zu adaptieren, hat ein radikaler und diskontinuierlicher technologischer Wandel oft „kompetenzzerstörende“ („competence destroying“) (vgl. Casper 2000) Auswirkungen auf Unternehmen, Sektoren oder Produktionsnetzwerke. Zudem können sie ganze Produktionssysteme obsolet machen und möglicherweise auch solche, in die erst kürzlich große Summen investiert wurden und die noch nicht amortisiert sind. Die Anwender vorhandener Technologie werden deshalb häufig gute Gründe haben, sich Neuerungen zu widersetzen. Zudem ist zu erwarten, dass dieser Widerstand ansteigt, je näher die Innovationen am Beginn der Wertschöpfung rangiert und je mehr Glieder der Kette von deren Auswirkungen potenziell erfasst werden. Um Widerstände solcher Art zu überwinden, bedarf es wiederum strategischer Allianzen und Forschungskollaborationen zwischen öffentlichen, öffentlichen und privaten sowie zwischen privaten Akteuren. Für die Bildung solcher Allianzen müssen die Forschungsorganisationen dazu bereit und in der Lage sein, kleine Firmen, die als Pioniere neuer Technologien fungieren, auszugründen und Joint Ventures zwischen diesen „Start-ups“ und etablierten Großunternehmen zu organisieren. Dazu ist es erforderlich, trotz hoher Risken langfristiges und „geduldiges“ Kapital zu mobilisieren. Vor allem aber kommt es für den Erfolg von Transferprozessen im Rahmen solcher Allianzen und Joint Ventures darauf an, dass die Akteure in den
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öffentlich geförderten Forschungsorganisationen angesichts der hohen technologischen und wirtschaftlichen Ungewissheit der Transaktionen „Commitments“ mit ihren Kooperationspartnern eingehen können. Die Frage, ob und in welchem Maße die institutionellen Strukturen des deutschen Forschungssystems die Bewältigung dieser Anforderungen fördern oder behindern, lässt sich nicht pauschal beantworten. Gleichwohl gilt auch und speziell für das System der außeruniversitären Forschung die Feststellung der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, dass diesen Anforderungen in Deutschland vielfach organisatorische Hürden und „Brüche in der Kette vom Material zum Produkt“ (Acatech 2008) entgegenstehen.2
3.3 I nstitutionelle Architektur des deutschen Forschungssystems 3.3.1 Technische Hochschulen und Universitäten Materialforschung findet in Deutschland in einer zweigeteilten Struktur von Technischen Hochschulen und Universitäten einerseits und im außeruniversitären Sektor andererseits und damit in bislang stark segmentierten Bereichen statt. Die Technischen Hochschulen Deutschlands haben eine lange Tradition. Sie entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem lang andauernden Konflikt um ihre Gleichstellung mit den Universitäten und als Gegenbewegung zu ihrer „idealistischen“ Konzeption, wie sie prominent von Wilhelm von Humboldt vertreten wurde. Das Humboldtsche Konzept hat zwar nachhaltig zur Emanzipation der Wissenschaft von der Politik und Religion beigetragen und die Einheit von Forschung und Lehre als Leitidee im Selbstbild der deutschen Hochschulen und Universitäten tief verankert, gestand den technischen Wissenschaften aber keinen akademischen Status zu. Die technischen Disziplinen führten lange Zeit ein weitgehend untergeordnetes Dasein in den rund zwanzig Polytechnischen Schulen und „Gewerbeinstituten“, die sich um 1820 vor allem in Preußen etabliert hatten. Diese Polytechnischen Schulen legten sich im Zuge ihres Ringens um akademische Anerkennung und Gleichstellung mit den Universitäten zunehmend höhere Standards in der Forschung und Lehre auf, die ihre Reputation allmählich steigerten und sie politisch handlungsfähig werden ließen. Ein wichtiger Meilenstein auf ihrem Weg, politische Verhandlungsmacht gegenüber den Universitäten aufzubauen, bestand 1856 in der Gründung des Vereins Deutscher Ingenieure, der sich ihre Ziele zueigen machte. Gegen den entschiedenen Widerstand der Universitäten erteilte der König von Preußen im Jahr 1899 den technischen Hochschulen dann persönlich das Promotionsrecht und bevollmächtigte sie zugleich, den Titel des „Diplom Ingenieurs“ zu verleihen. Die anderen Länder folgten sehr bald dieser Entscheidung (Manegold 1970). 2╇
Vgl. dazu auch die Beiträge in Höcker (2008).
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Dieser Schritt trug maßgeblich zur Entwicklung einer „Science-Based-Industry“ in Deutschland bei und verlieh den deutschen Ingenieurwissenschaften im internationalen Vergleich eine technologische Spitzenposition.3 Die Technischen Hochschulen Deutschlands zogen zudem viele ausländische Studenten an und dienten in anderen Nationen wie etwa in Frankreich, Südamerika oder den USA vielfach als Vorbild für die Reform der Ingenieursausbildung (Keck 1993). Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die heute 24 Technischen Hochschulen bzw. Technischen Universitäten zeitweise einen geradezu stürmischen Auf- und Ausbau erlebt. Vor allen in den 1970er Jahren stieg die Zahl der Studierenden, auch als Folge der Ausdehnung ihres Fächerkanons auf die Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften, stark an. Anders als die außeruniversitären Einrichtungen verblieben die Hochschulen und Universitäten von den Anfängen der Bundesrepublik an in der alleinigen Kompetenz der Länder. Zwar hat der Bund auch in der Bildungspolitik immer wieder Versuche unternommen, durch Mitfinanzierung zugleich Mitwirkungsrechte an den Aufgaben der Länder zu erlagen, ist damit aber im Unterschied zum Bereich der außeruniversitären Forschung bis in die jüngere Zeit weitgehend gescheitert. Schimank und Lange führen dies darauf zurück, dass die Universitäten unmittelbar in der Zuständigkeit der jeweiligen Sitzländer liegen, während die Länder im außeruniversitären Sektor von 1949 an im „gesamtstaatlichen Interesse“ gemeinschaftlich für die Forschungsfinanzierung zuständig waren (Schimank und Lange 2006). Die deutschen Hochschulen und Universitäten sind in der Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts und gleichzeitig staatliche Einrichtungen der einzelnen Bundesländer. Sie verwalten ihre akademischen Angelegenheiten in eigener Regie und Selbstverwaltung und besitzen einen Anspruch auf Autonomie im Bereich der Forschung und Lehre. Zugleich erfüllen sie staatliche Aufgaben, zu denen insbesondere die Personal- und Wirtschaftsverwaltung zählen. Sie unterstehen in dieser Hinsicht der Rechtsaufsicht der jeweils zuständigen Ministerien der Länder. Dies konstituiert eine duale Zuständigkeitsstruktur, in der die Grenzen von akademischer Selbstverwaltung und staatlichen Entscheidungskompetenzen nicht immer klar getrennt sind. Als Beispiele hierfür lassen sich etwa Berufungsverhandlungen, Genehmigungen von Prüfungsordnungen oder die Einrichtung oder Auflösung von Fakultäten, Fachbereichen und Abteilungen aufführen. Diese duale Zuständigkeitsstruktur von akademischer Selbstverwaltung und staatlichen Entscheidungskompetenzen im Bereich der Universitätsverwaltung begünstigte in der Vergangenheit eine Governancestruktur des deutschen Hochschulsystems, in dem „starke“ Professoren mit hoher Autonomie in der Lehre und Forschung in Verbindung mit einem ebenso „starken“ Staat auf der administrativen Ebene „schwachen“ Dekanen und Rektoren gegenüberstanden. In den Augen vieler Kritiker des deutschen Hochschulsystems verhinderte dies im Unterschied zu den angelsächsischen Ländern eine Leistungsdifferenzierung zwischen den UniversitäIn der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts brachten die deutschen Universitäten und HochschuÂ� len mit 30.000 Absolventen gemessen an der Bevölkerungsgröße die doppelte Zahl von Ingenieuren hervor als die USA, und 1913 zehn mal mehr als Großbritannien und Wales (Keck 1993). 3╇
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ten und die Entstehung eines effektiven Wettbewerbs unter ihnen. Nach einer langen Phase, in der in der deutschen Bildungspolitik auch konzeptionell eine institutionelle Vereinheitlichung dieses Sektors im Vordergrund stand, sind die deutschen Hochschulen allerdings seit etwa zehn Jahren mit dem Konzept des „New Public Managements“ unter einen meist politisch induzierten Reformdruck geraten, der auf den Versuch hinausläuft, nach dem Muster der angelsächsischen Länder stärker wettbewerbs-, anreiz- und leistungsorientierte Governancestrukturen in der Lehre und Forschung zu implementieren (vgl. dazu ausführlich Schröder 2003). Das Ziel dieses Konzepts besteht darin, den staatliches Einfluss auf die Hochschuladministration durch die Beschränkung der Ministerien auf pauschale und leistungsorientierte Mittelzuweisungen zurückzudrängen und zugleich die Autonomie der Lehrstühle und Fachbereiche zugunsten einer größeren Entscheidungskompetenz der Dekane und Rektoren zu schwächen. Im Rahmen des „New Public Managements“ sollten ihnen nach dem angelsächsischen Vorbild mehr Kompetenzen bei Entscheidungen über die Allokation von Ressourcen eingeräumt und Anreizinstrumente zur Intensivierung des hochschulinternen Wettbewerbs und zur Steigerung der Drittmittelquoten an die Hand gegeben werden. Die Auswirkungen der Reformstrategie des „New Public Managements“ auf die Funktionsweise der Universitäten in Deutschland sind zum Teil umstritten. Aktuelle Untersuchungen sprechen von einer deutlichen Tendenz zur Professionalisierung des Hochschulmanagements (Krücken et€al. 2009). Berichte aus der Reformpraxis geben sich in dieser Hinsicht skeptischer (z.€ B. Pasternack 2005), verweisen auf Fälle wechselseitiger Blockaden von Politik und Universitäten und bezweifeln eine zielgerechte Implementation des Reformansatzes. Tatsächlich haben die deutschen Hochschulen und Universitäten in der jüngeren Vergangenheit auf breiter Basis neue Steuerungsinstrumente im Sinne des „New Public Managements“ adaptiert. Die konkrete Ausformung dieser Instrumente variiert jedoch von Bundesland zu Bundesland. Auch in den Hochschulen selbst wurden solche Instrumente in sehr unterschiedlicher Weise implementiert. Ob und in welchem Maße sie ihnen, wie beabsichtigt, im Einzelnen den Weg zur „Entrepreneurial University“ gebahnt haben, werden künftige Studien zeigen müssen. Kaum umstritten ist allerdings, dass die deutsche Hochschullandschaft als Folge der Exzellenzinitiative deutlich in Bewegung geraten ist. Mit dieser Initiative beabsichtige die Bundesregierung, mehr Wettbewerb an und zwischen den Universitäten zu mobilisieren und eine Leistungsdifferenzierung innerhalb der Hochschullandschaft zu induzieren. Nach Maßgabe bislang vorliegender Berichte und Analysen (vgl. DFG & WR 2008) hat sie dieses Ziel nicht nur weitgehend erreicht, sondern in unintendierter Weise sogar dahingehend übertroffen, dass von ihr mobilisierende Auswirkungen auch auf das außeruniversitäre Forschungssystem ausgegangen sind. Vor allem aber hat sie zu einem bisher ungeahntem Maß zu einer Vernetzung zwischen Universitäten und Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschulen geführt, die über die bestehenden föderalen Grenzen hinweg auch dem außeruniversitären Forschungssystem neue Entwicklungsrichtung verleihen könnte. Dessen Governancestruktur und mögliche Entwicklungsrichtung werden das Thema der nun folgenden Abschnitte sein.
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3.3.2 S truktur und Genese des außeruniversitären Forschungssystems in Deutschland Seit Ende der 1960er Jahre zählt die außeruniversitäre Forschung zu den „Gemeinschaftsaufgaben“ des Bundes und der Länder und stützt sich seitdem auf eine arbeitsteilige Struktur von korporativen Akteuren, die auf bestimmte Typen von Forschung wie Grundlagenforschung, anwendungsorientierte Vorsorgeforschung oder industrielle Vertragsforschung spezialisiert sind. Das außeruniversitäre Forschungssystem Deutschlands vereint in hohem Umfang die Prinzipien von föderalem und korporatistischem „Joint Decision Making“ (Scharpf 2004) und weist dementsprechend auch ein hohes Maß an institutionellen Rigiditäten, politischen Blockaden und Resistenzen gegenüber institutionellem Wandel auf. Aus der Sicht der Wissenschaftsorganisationen setzt die föderale Verflechtung dieses Sektors der staatlichen Politik gewissermaßen „Benefical Constraints“. Die Konstellation, dass keine einzelne Regierung ohne die Zustimmung anderer Regierungen handeln kann, nimmt die Forschungspolitik weitgehend von parlamentarischen und parteipolitischen Kontroversen aus. Sie verlagert ihre Formulierung und Umsetzung von der Arena der politischen Parteien auf die Ebene professioneller Wissenschaftsmanager in der Administration und verleiht den korporativen Akteuren in der außeruniversitären Forschung ein hohes Maß an Autonomie und großen Spielraum zur Selbstorganisation. Zugleich aber läuft diese Konstellation darauf hinaus, dass die staatliche Politik als Quelle institutioneller Neuerungen innerhalb des deutschen Forschungssystems bis in die jüngere Vergangenheit ausgefallen ist. Während sich die politischen Strategien des Bundes und der Länder im verflochtenen Sektor der außeruniversitären Forschung wechselseitig weitgehend blockieren, verfügen die großen deutschen Wissenschaftsorganisationen auf fest abgegrenzten Domänen über funktionale Monopole, die sie durch faktische Veto-Positionen effektiv gegen Veränderungen abschirmen können. Ein fundamentaler institutioneller Wandel innerhalb der außeruniversitären Forschung wird bereits dadurch verhindert, dass die staatliche Forschungspolitik bereits im Vorfeld möglicher Reformen durch die Antizipation dieser Vetopositionen auf entsprechende Initiativen verzichtet.4 Aber auch inkrementelle Veränderungen lassen sich im System der außeruniversitären Forschung vielfach nicht oder nicht im angestrebten Umfang durchsetzen. Als Organisationen, die jeweils auf bestimmte Typen von Forschung spezialisiert sind, haben sie auch spezifische und ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld angepasste interne Governancestrukturen ausdifferenziert. Dies befähigt sie dazu, Effizienzvorteile zu realisieren, über die Forschungsorganisationen mit multiplen Orientierungen nicht zu verfügen scheinen (Krupp 1990, S.€124), schafft zugleich aber auch Rigiditäten, sich anderen Anforderungen anzupassen, als sie der jeweilige Typus 4╇ Robischon et€al. sehen hierin im Anschluss an Bachrach und Baratz (Bachrach und Baratz 1975) einen typischen Fall der politischen Gestaltung durch „Non-decision making“ (Robischon et€al. 1995).
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Tab.€ 3.1↜渀 Überblick über die wichtigsten außeruniversitären Forschungsorganisationen in Deutschland Forschungsorganisation Domäne Finanzierungsform Finanzierungsquelle 50€% Bund, 100€% öffentliche Max-Planck-Gesellschaft (MPG) Akademische Grundförderung 50€% Länder Grundlagen– Global forschung Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF), ehemals Arbeitsgemeinschaft Deutscher Großforschungseinrichtungen (AGF)
100€% öffentliche Staatliche VorsorgeforGrundförderung – schung Zweckgebunden
90€% Bund, 10€% Sitzland
Fraunhofer-Gesellschaft (FhG)
Ca. 33€% öffentliche Industrielle VertragsforGrundförderung schung – Global und erfolgsabhängig
90€% Bund, 10€% Sitzland
Thematische Wissenschaftsgemeinschaft Forschung Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL), ehemals „Blaue Liste“
Variiert nach Instituten
Anteile Bund und Länder variieren nach Instituten
von Forschung stellt, an den ihre Governancestruktur angepasst ist (siehe als Überblick Tab.€3.1). So ist die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) innerhalb dieses Systems für die akademische Grundlagenforschung zuständig. Die MPG wird jeweils zur Hälfte durch die Gemeinschaft der Länder und den Bund finanziert und verfügt über einen Globalhaushalt, der keine Zweckbindungen vorsieht. Die interne Allokation dieser Mittel liegt in der Autonomie der MPG und ist weitgehend frei von politischen und wirtschaftlichen Einflüssen. Die Forschung an ihren Instituten richtet sich dementsprechend im Wesentlichen an innerwissenschaftlichen Kriterien und einem besonders hohen Maßstab an Excellenz aus. Den Großforschungseinrichtungen unter dem Dach der Helmholtz-Gemeinschaft kam als vertikal integrierte und staatlich koordinierte Organisationsform bislang konzeptionell die Aufgabe zu, im Rahmen einer hohen Fertigungstiefe an das in der Grundlagenforschung erzeugte Wissen anzuknüpfen und den gesamten Transferprozess bis hin zu den industriellen Prototypen zu organisieren. Ihre Aktivitäten umfassen Projekte hauptsächlich in der Vorsorgeforschung und auf Forschungsfeldern, die für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie als strategisch bedeutsam gelten. Der finanzielle Bedarf dieser Einrichtungen wird ebenfalls im Verhältnis neunzig zu zehn Prozent durch Mittel des Bundes und des jeweiligen Sitzlandes gedeckt, im Unterschied zu den Haushalten der MPG und Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) sind die Mittel allerdings zweckgebunden.
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Die Institute der FhG wiederum betreiben angewandte Vertragsforschung für private Auftraggeber und die öffentliche Hand. Die Gesellschaft erhält ebenfalls einen Globalhaushalt, der zu neunzig Prozent vom Bund und zu zehn Prozent vom jeweiligen Sitzland finanziert wird und in erfolgsabhängiger Weise an das Volumen ihrer eigenen Erträge aus der Vertragsforschung gebunden ist. Diese Anreizfinanzierung macht die FhG zu einem Adressatenmodell von Forschungsorganisation, das sich stark an den technologischen Problemen seiner Kunden orientiert. Eine Sonderrolle im außeruniversitären System nimmt die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) ein. Die WGL weist die größte Heterogenität unter den außeruniversitären Forschungsorganisationen auf und umfasst ein Spektrum von Einrichtungen, das von der Grundlagenforschung über Dienstleistungen in der Aus- und Weiterbildung bis hin zu Museen reicht. Sie ging aus der so genannten Blauen Liste hervor, in der Bund und Länder in den frühen 1970er Jahren alle die Einrichtungen versammelten, die keinen Platz unter dem Dach der MPG, der heutigen HGF und der FhG fanden. Dementsprechend weist die WGL bislang einen relativ geringen Grad an organisatorischer Autonomie und strategischer Handlungsfähigkeit auf. Sie verfügt derzeit lediglich über eine Geschäftsstelle, die ihrerseits keine zentralisierte Kompetenz für die Finanzierung der Einrichtungen besitzt.
3.3.3 V om Konflikt zum Gleichgewicht. Der Entwicklungspfad des außeruniversitären Forschungssystems Die Genese dieser arbeitsteiligen Struktur innerhalb des außeruniversitären Forschungssystems ging nicht auf ein forschungspolitisches Konzept, sondern auf einen verfassungspolitischen Konflikt zwischen Bund und Ländern zurück, der im Zuge seiner Beilegung dazu führte, das institutionelle Design des außeruniversitären Forschungssystems stark am Forschungs- und Transfermodell der Kerntechnik auszurichten (dazu ausführlich: Hohn und Schimank 1990). Dieser verfassungspolitische Konflikt beruhte auf einer ambivalenten Institutionalisierung der forschungspolitischen Kompetenzen nach dem Zweiten Weltkrieg, die zu einer lang anhaltenden Auseinandersetzung von Bund und Ländern um die Förderung der MPG als Rechtsnachfolgerin der bereits 1911 gegründeten Kaiser-WilhelmGesellschaft (KWG) führte. Die Institute der KWG waren nach dem Ende des Krieges weithin über das Gebiet der späteren Bundesrepublik zerstreut, wurden aber mit Hilfe der britischen Besatzungsmacht unter dem Dach der MPG wieder zusammengeführt. Anders als die amerikanische Regierung, die vom technologischen Wissen deutscher Wissenschaftler vor allem durch „Brain Drain“ zu profitieren suchte, verfolgten die Briten nach dem Zweiten Weltkrieg das Ziel, die Kooperation insbesondere der Kernphysiker innerhalb der Gesellschaft zu gewinnen. Mit der Hilfe der britischen Besatzungsmacht war um das Jahr 1948 mit der MPG außerhalb der Hochschulen und Universitäten ein korporativer Akteur entstanden, der nach innen und außen strategieund handlungsfähig war und über eine zentralisierte Organisationsstruktur verfügte.
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Die entscheidende Weichenstellung für den Entwicklungspfad, den die außeruniversitäre Forschung in den folgenden Jahrzehnten einschlug, erfolgte im selben Jahr, als die Alliierten die Finanzierung der Forschung allgemein und der MPG im Besonderen in die Zuständigkeit der Länder legten. Damit war eine zunächst fragile Situation entstanden, die der Logik des kollektiven Handelns zufolge über kurz oder lang zu einer Auflösung und Zersplitterung der Gesellschaft nach dem Prinzip der Sitzlandfinanzierung geführt hätte. Dass dies nicht geschah und sich die Länder zugunsten einer gemeinschaftlichen Finanzierung der MPG darauf verzichteten, die Institute der Gesellschaft auf ihrem jeweiligen Territorium individuell zu fördern, war nur auf die kurz bevorstehende Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 zurückzuführen. Für die Länder war es abzusehen, dass der Bund sehr rasch versuchen würde, forschungspolitische Kompetenzen an sich zu ziehen, und damit ein leichtes Spiel gehabt hätte, wenn die Länder nicht dazu in der Lage gewesen wären, im „gesamtstaatlichen Interesse“ zu handeln und ihre Partikularinteressen hintan zu stellen. Angesichts der Bedrohung ihrer forschungspolitischen Kompetenzen durch die künftige Bundesregierung schlossen die Länder im Jahr 1948 den sogenannten Königsteiner Staatsvertrag, mit dem sie ihre alleinige Zuständigkeit für die Forschungspolitik reklamierten und dem künftigen Bund nur eine eigene Ressortforschung überließen. Zu dieser Zeit war im parlamentarischen Rat die Frage nach der Verteilung der forschungspolitischen Kompetenzen in der künftigen Bundesrepublik noch offen, und die Länder konnten darauf hoffen, durch den Staatsvertrag die Beratungen zum Grundgesetz zu ihren Gunsten zu entscheiden. Tatsächlich traf der parlamentarische Rat keine grundgesetzliche Regelung in der Frage der forschungspolitischen Kompetenzverteilung und ließ dem Bund damit nur die Möglichkeit, sich im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung durch ein Forschungsförderungsgesetz den erwünschten Einfluss zu schaffen. Diese Möglichkeit hat der Bund allerdings nie genutzt, da ein solches Gesetz der Zustimmung des Bundesrats bedurft und diesen mit einiger Sicherheit nicht passiert hätte. Der Preis, den die Länder für ihre gemeinschaftliche Zuständigkeit für die Forschungspolitik entrichteten, bestand allerdings darin, dass sie auf eine Steuerung der MPG verzichten und die Gesellschaft in Form von Globalhaushalten fördern mussten. Das Königsteiner Abkommen hatte zu einer Situation geführt, in der einem korporativen Akteur elf Regierungen gegenüberstanden. Kam bereits das Abkommen selbst einem kollektiven Kraftakt gleich, so war das Konsenspotenzial der Länder vollends überfordert, wenn es darum ging, die Forschungsprioritäten und die Forschungsagenda der MPG zu bestimmen. Die Gesellschaft wiederum sah sich in der strategisch günstigen Situation, als „Tertium gaudens“ auf eine globale Finanzierung insistieren zu können, und lehnte jede Zweckbindung ihrer Fördermittel ab. Der anfängliche Dissens unter den Ländern über die globale Förderung der MPG wich nach einer Reihe von ungelösten Konflikten einem kollektiven Verzicht auf Steuerung und dem Einverständnis in diese Form der Forschungsfinanzierung. Ab 1951 gewährten sie der MPG globale Haushalte, über deren interne Allokation die Gesellschaft autonom entschied. Zugleich setzte zu dieser Zeit ein rund zwanzig Jahre anhaltender forschungspolitischer Konflikt zwischen Bund und Ländern um die Finanzierung der MPG
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ein, der mit der Beteiligung des Bundes am Königsteiner Staatsvertrag der Länder dann allerdings zu einem überaus stabilen und bis heute gültigen Kompromiss führte. Der Bund bestritt den Ländern das Recht auf ihre alleinige Kompetenz in der Forschungspolitik, sah aber angesichts der verfassungsrechtlichen Situation seine Hände gebunden. Stattdessen entwickelte sich auch auf dem Gebiet der Forschungspolitik seit etwa Mitte der 1950er Jahre die für das politische System der Bundesrepublik generell charakteristische Kompromisslogik des kooperativen Föderalismus. Die Länder lernten, dass sie auf der Basis einer solidarischen Handlungsorientierung untereinander ein Positiv-Summen-Spiel gegen den Bund spielen konnten, während der Bund die Strategie verfolgte, sich durch finanzielle Beteiligung an den Aufgaben der Länder gewissermaßen in deren Kompetenzen einzukaufen. Auch und gerade in der Forschungspolitik entstand damit das von vielen wissenschaftlichen und politischen Beobachtern häufig kritisierte System von „Dotationen“, mit dem der Bund den Ländern mehr und mehr „goldene Zügel“ anlegte. Im Fall der MPG geschah dies mit regelmäßigen und stetig steigenden, aber immer als „Sonderhaushalte“ bezeichneten Finanzzuschüssen, die zu festen Bestandteilen der Forschungsfinanzierung wurden. Am Ende der 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre sahen sich die Länder zunehmend nicht mehr dazu in der Lage, die Finanzierung des Forschungshaushalts der MPG alleine zu bestreiten. Auch sie strebten jetzt eine reguläre Beteiligung des Bundes an der Forschungsförderung an, die mit dem „Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung“ von 1964 ihre rechtliche Basis fand. Mit diesem Verwaltungsabkommen einigten sich der Bund und die Länder darauf, die MPG je zur Hälfte global zu finanzieren. Das Abkommen zog wiederum eine Änderung des Grundgesetzes nach sich, die mit Artikel 91 a, b die Forschungsförderung zur Gemeinschaftsaufgabe erklärte und konstituierte ein bis heute stabiles Interessengleichgewicht zwischen Bund und Ländern. Es leitete nun auch zugleich die funktionale Gliederung des außeruniversitären Forschungssystems Deutschlands ein. Nach dem Abschluss dieses Staatsvertrags, der ihr nunmehr auch gegenüber dem Bund weitgehende Autonomie gewährte, zog sich die MPG mehr und mehr aus der angewandten Forschung zurück und unterstützte zugleich die Institutionalisierung der FhG zu einer Organisation, die sich der angewandten Forschung widmete. Eine solchermaßen „komplementäre“ Einrichtung in der industrienahen Forschung konnte die MPG selbst künftig davor schützen, auf unmittelbar anwendungsorientierten Gebieten tätig werden zu müssen. Der zeitgleich erfolgende Auf- und Ausbau der kerntechnischen Forschung fügte sich zudem dieser Vorstellung eines Systems von einander ergänzendem Forschungseinrichtungen. Da die Förderung der kerntechnischen Forschung als eine Aufgabe von „gesamtstaatlichem“ Interesse galt, hatte der Bund auf diesem Gebiet bereits in den 1950er Jahren Kompetenzen erringen können. Als sich der forschungspolitische Kompromiss mit den Ländern abzeichnete, war er dann frei, sein Engagement in der Kerntechnik zur Großforschung auszubauen und auf der Basis bilateraler Abkommen mit den Ländern Großforschungseinrichtungen zu gründen. Mit der kerntechnischen Großforschung schien der Bund zudem über ein generalisierbares Modell von „Vorsorgeforschung“ zu verfügen, das genau zwischen der freien Grundlagenforschung
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und der industriellen Entwicklung angesiedelt war. Mit der Organisation dieser anwendungsorientierten Grundlagenforschung konnte er eine eigene, von den Ländern weitgehend unabhängige „Hausmacht“ und Handlungsautonomie entwickeln. In der Folge weitete der Bund das Modell der Großforschung aus. Nachdem die Ära der Großforschung in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit dem Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK) und der Kernforschungsanlage Jülich (KfA) begonnen hatte, schuf die Bundesregierung in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts drei weitere Forschungszentren auf diesem Gebiet und gründete dann in den 1970er Jahren nach dem Vorbild der kerntechnischen Forschung acht weitere solcher Einrichtungen auf Feldern wie der Luft- und Raumfahrt, der Krebsforschung oder der Biologie. Im Zuge des Auf- und Ausbaus der Großforschung setzte sich dann auch zunehmend das Konzept durch, dass es sich bei der institutionellen Architektur der außeruniversitären Forschungslandschaft um eine interorganisatorische Wertschöpfungskette handele, die sich von der Grundlagenforschung der MPG über die anwendungsorientierte Vorsorgeforschung der Großforschungszentren bis hin zur industriellen Vertragsforschung erstreckte (Hohn 1998). Zugleich gab der Bund mit der sogenannten „Haunschild-Doktrin“5 nach dem Abschluss der Rahmenvereinbarung die Projektförderung als Instrument der forschungspolitischen Steuerung weitgehend preis. Mit dieser bis heute gültigen Doktrin legte er sich als Konzession an die Länder die Selbstbeschränkung auf, den Umfang der Projektförderung an den von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten Einrichtungen gering zu halten und sie auf Ausnahmen zu begrenzen. Dies sollte verhindern, dass er gewissermaßen auf schleichendem Wege die Agenda dieser Einrichtungen übernahm.6
3.4 S tärken und Schwächen der außeruniversitären Forschung Was als Wertschöpfungskette gedacht war, präsentierte sich im Verlauf der späten 1980er und 1990er Jahre zunehmend als eine weitgehend segmentierte Struktur spezialisierter korporativer Akteure, unter denen insbesondere die Großforschungseinrichtungen die ihnen zugewiesene Funktion nicht erfüllen konnten. Auf dem Feld der Kernenergieforschung hatte sich das Konzept der Wertschöpfungskette durchaus bewährt. Auf diesem Gebiet existierten stabile „Lieferbeziehungen“ zwischen der Grundlagenforschung und der technischen Entwicklung, die es er5╇ Benannt nach dem damaligen Staatssekretär im Forschungsministerium des Bundes, Hans-Hilger Haunschild. 6╇ Es ist wenig bekannt über die Funktionsweise und Wirkung der Projektförderung des Bundes. Eine neuere Studie, die diese Problematik am Rande thematisiert, deutet aber darauf hin, dass sie als Folge der hohen institutionellen Finanzierung und Autonomie der Zuwendungsnehmer stark klientelistisch orientiert ist und oft einer Aufstockung der Grundförderung der Institute dient (vgl. ZEW und ZWM 2007).
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möglichten, den Technologietransfer auf der Basis serieller interorganisatorischer Schnittstellen zu bewältigen (Hohn 1998). Die Übertragung dieses Konzepts auf andere Forschungsfelder erwies sich jedoch vielfach als problematisch und nicht funktionstüchtig. So geriet das Modell der Großforschung schon am Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts in die Kritik, dem zunehmend dynamischeren technologischen Wandel nicht gewachsen zu sein. Faktisch war dieses Modell auf den Bau großer Anlagen mit hoher Fertigungstiefe zugeschnitten. Die Stärken der Großforschung liegen ihrer vertikal integrierten Struktur entsprechend in der langfristigen und kontinuierlichen „In-house-Entwicklung“ komplexer großtechnischer Systeme.7 Wo es dagegen um die Bewältigung einer Vielzahl „kleinteiliger“ Technologien, um raschen und diskontinuierlichen technischen Wandel und um die Kombination von heterogenem und dezentral verteiltem Wissen geht, stößt das Modell an die Grenzen seiner Problemlösungskapazitäten. Dies zeigte sich vor allem auf dem Gebiet der Informationstechnik, auf dem dieses Modell mit der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) geradezu auf der ganzen Linie scheiterte (Hohn 1999). Der Verlust der „großen“, integrativen Aufgaben, wie des Baus von Kernreaktoren, hatte zur Folge, dass die Forschungsziele, die der Bund mit diesem Modell verfolgte, zunehmend diffus wurden, sich die Zentren seit den frühen 1980er Jahren intern mehr und mehr diversifizierten und zugleich vielfach in die Grundlagenforschung zurückzogen. Dennoch hielt der Bund an den einmal gegründeten Einrichtungen und lange Zeit auch an der informationstechnischen Großforschung fest. Während die Großforschungszentren in die Kritik gerieten, „zu weit weg“ vom Bedarf der Industrie zu operieren, setzte sich die FhG seit den frühen 1990er Jahren dagegen dem Vorwurf aus, „zu nahe“ mit der Industrie zu kooperieren und zu starke Bindungen mit ihr einzugehen. Dennoch gilt die FhG als das große Erfolgsmodell des deutschen Innovationssystems. Durch die Umstellung der FhG auf das Prinzip der erfolgsabhängigen Grundfinanzierung hatte der Bund die Gesellschaft als eine bis zur Mitte der 1970er Jahre eher unbedeutende Forschungseinrichtung am Beginn der 1980er Jahre in eine prosperierende Organisation für die Vertragsforschung verwandelt und eine Wachstumsdynamik freigesetzt, die alle Erwartungen übertraf. Die Performanz des Modells Fraunhofer beruht auf einer Kombination von dezentraler Autonomie und hierarchischer Koordination. Die Institute der FhG fungieren jeweils als „Profit Center“, die am Markt für die Auftragsforschung weitgehend autonom operieren. Sie tun dies allerdings „im Schatten“ einer hierarchischen Koordination durch die Zentrale, die ihre Leistungen an den Erträgen aus der Auftragsforschung bemisst und die Höhe ihrer Grundförderung von diesen Erträgen abhängig macht. Zudem verfügt die Zentrale über die Befugnis, in die Politik der Institute zu intervenieren und die Strategien und Zielvorgaben neu zu justieren, 7╇ Wie im Fall der Entwicklung der beiden Brutreaktoren SNR-300 und THTR, die in der Öffentlichkeit besser unter den Namen „Schneller Brüter“ und „Kugelhaufenreaktor“ bekannt wurden, an den beiden Großforschungseinrichtungen Kernforschungszentrum Karlsruhe (heute Karlsruher Institut für Technologie) und an der Kernforschungsanlage Jülich (heute Forschungszentrum Jülich).
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wenn das Volumen der Vertragsforschung in einem Institut hinter den Erwartungen zurückbleibt (Hohn 2006). Diese Governancestruktur macht die FhG zu einem Adressatenmodell von Forschungsorganisation, das sich stark an den technologischen Problemen seiner Kunden orientiert. Sie bindet die Organisation in enge Kooperationsbeziehungen mit den Anwendern ein und richtet ihre Vorhalteforschung an deren Problemen aus. Genau darin aber liegt auch eine Schwäche des Modells Fraunhofer. Das Prinzip der Anreizfinanzierung kann die Institute dazu verleiten, gewissermaßen zu viel industrielle Auftragsforschung und nicht genügend Vorlaufforschung zu betreiben und sich damit zu sehr an der industriellen Nachfrage und zu wenig an der Entwicklung neuer Produkte und Verfahren zu orientieren. Forschungspolitiker und Beobachter des deutschen Innovationssystems sahen seit dem Beginn der 1990er Jahre denn auch die Gefahr, dass sich Institute der FhG zu „verlängerten Werkbänken“ der Industrie entwickelten. Die Systemevaluationen der großen deutschen Wissenschaftsorganisationen nahmen am Ende der 1990er Jahre eine ähnlich kritische Perspektive auf das außeruniversitäre Forschungssystem Deutschlands ein. Im speziellen Fall der FhG bemängelte der Bericht, dass die Gesellschaft vor allem im Bereich der Informationstechnik einen zu hohen Anteil an industrieller Auftragsforschung und nicht genügend Grundlagenforschung betreibe und sich zu sehr an der industriellen Nachfrage und zu wenig an der angebotsseitigen Entwicklung neuer Produkte und Verfahren orientiere (FhG 1998). Dementsprechend empfahl er, die Grundlagenforschung innerhalb der Gesellschaft auszubauen. Generell konstatierten die Systemevaluationen der großen deutschen Wissenschaftsorganisation am Ende der 1990er Jahre eine „Segmentierung des Wissenschafts- und Forschungssystems in Deutschland“ und eine „Dominanz institutioneller Eigeninteressen“ (Internationale Kommission 1999, S.€7). Sie prägten den Begriff von der „Versäulung“ der außeruniversitären Forschungslandschaft, forderten durchlässigere organisatorische Grenzen und sprachen sich für mehr Wettbewerb und Kooperation zwischen den „Säulen“ des außeruniversitären Forschungssystems aus. Das von den Systemevaluationen konstatierte Phänomen der „Versäulung“ korrespondiert eng mit dem Interesse der großen deutschen Forschungsorganisationen, einen Domänenwettbewerb zu vermeiden. Stabile Domänengrenzen versetzen sie in die Lage, Verteilungskonflikte zwischen Projekten, Instituten und Forschungsprogrammen um knappe Ressourcen organisationsintern zu regeln. Solche Grenzen schränken die zulässige Varianz und das Spektrum der Forschungsinteressen, die innerhalb einer Organisation verfolgt werden können, auf bestimmte Typen ein. Indem sie damit das Konfliktpotenzial um die interne Allokation der Mittel begrenzen, bilden sie zugleich eine Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit der Forschungsorganisationen als korporative Akteure. Stabil definierte Domänen erlauben es ihnen zudem, sich in ihren jeweils intern bestimmten Zielen und Präferenzen wechselseitig zu unterstützen und eine Allianz zu bilden, die für das finanzielle Wachstum und die organisatorische Autonomie der gesamten organisierten Wissenschaft eintritt (Mayntz und Scharpf 1990, S.€72).
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3.5 Institutionelle Stabilität und Reformresistenzen Tatsächlich gaben die Systemevaluationen nach einer rund dreißigjährigen Phase reformpolitischer Zurückhaltung vor allem im Bund dem Wunsch nach einer Reorganisation der organisatorischen Struktur der außeruniversitären Forschung Auftrieb. So entwickelte die Bundesregierung im Anschluss an die Evaluationen zunächst das Konzept, grundsätzlich alle Forschungsorganisationen in diesem Sektor auf eine programmorientierte Förderung umzustellen, in der keine Organisation mehr über eine bestimmte Monopolstellung, sondern nur mehr über einen entsprechenden Schwerpunkt innerhalb nationaler Forschungsprogramme verfügen sollten. Sie nahm dieses „große“ Reformziel aber alsbald wieder zurück und die MPG von einer programmorientierten Förderung aus. Um grundsätzliche Veränderungen der Finanzierungsform der MPG zu bewirken, bedürfte es einer Neudefinition der forschungspolitischen Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern. Dies aber hieße gleichsam die Büchse der Pandora zu öffnen und all die föderalen Konflikte wieder heraufzubeschwören, die mit dem Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern in der Mitte und der Änderung des Grundgesetzes am Ende der 1960er Jahre so mühsam beigelegt wurden.8 So wurde denn auch die gemeinsame Förderung der Gesellschaft durch Bund und Länder von der Kommission zur „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ (vgl. Scharpf 2004) schon am Beginn der Debatte von einer möglichen Entflechtung ausgenommen. Die vom Bund verfolgte „kleinere“ Lösung bestand nun darin, die programmorientierte Förderung auf den Bereich der Großforschungszentren unter dem Dach der HGF zu beschränken und zugleich die GMD um das Jahr 2000 mit der FhG zu fusionieren (Hohn 2006). Die Einführung der programmorientierten Förderung für die Großforschungseinrichtungen läuft darauf hinaus, das Modell der „staatlich geplanten Big Science“ mit seiner vertikal integrierten „In-House-Production“ auf eine interorganisatorische Matrixstruktur mit mittelfristigen Kooperationsprojekten umzustellen, um die sie untereinander im Wettbewerb stehen. Dazu hat der Bund eine neue Steuerungsebene im Bereich der Großforschung geschaffen und das Präsidium und den Senat der HGF zu Koordinationsinstanzen für zentrenübergreifende Forschungsprogramme ausgestaltet, über die durch „Evaluation Panels“ im Rhythmus von fünf Jahren entschieden wird. Die Evaluation dieser evaluationsgesteuerten Form von Forschungsförderung steht noch weitgehend aus. Eine erste Untersuchung zu ihrer konzeptionellen Entwicklung, Operationalisierung und administrativen Umsetzung kommt allerdings zu dem Ergebnis: „In der Ausgangssituation der Reform zeichnen die Machtverhältnisse geradezu idealtypisch das System des kooperativen Föderalismus in Deutschland nach, in welchem dem Staat nur eine semi-souveräne Machtposition zukommt“ (Helling-Moegen 2008, S.€167). Als Folge der Vielzahl der am Prozess beteiligten 8╇ Die Ministerpräsidenten aller Länder sprachen sich angesichts der Gefahr eines Wiederaufloderns der Konflikte einstimmig für eine Beibehaltung des „bewährten“ Modells der Gemeinschaftsfinanzierung der großen Forschungsorganisationen aus.
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Akteure und ihrer heterogenen Interessen sind auf der Leitungsebene der HGF eine „ausgeweitete Gremienstruktur“ und „ein erhöhter Aufwand und Reibungsverluste zu verzeichnen“ (Helling-Moegen 2008, S.€167). Ein weiteres Problem besteht in den ambivalenten und sich überschneidenden Zuständigkeiten, die durch die Reform auch auf Ebene der Zentren selbst geschaffen wurden. Die Reorganisation der HGF hat die rechtliche Selbständigkeit der Zentren intakt gelassen und zugleich eine Art Nebenhierarchie in den Einrichtungen installiert. Dies gibt vielfach Anlass zu Konflikten zwischen dem Präsidium und den Vorständen der Forschungsorganisationen bei der Umsetzung der Programme und belässt den Zentren zugleich große Spielräume zur Verteidigung ihrer Autonomie und für das Unterlaufen externer Vorgaben. Ähnliches gilt für die Ebene der einzelnen Institute und Forschergruppen, die sich häufig dem Wettbewerb zu entziehen suchen oder Scheinkooperationen eingehen. Es gibt auch bislang keine Anzeichen dafür, dass sich im Zuge der programmorientierten Förderung eine nennenswerte Umschichtung der finanziellen Mittel zwischen den Zentren eingestellt hätte (Helling-Moegen 2008, S.€174). Die Frage, ob dieses reformpolitische Konzept dazu in der Lage ist, mehr Wettbewerb und Kooperation unter den Zentren zu mobilisieren oder weitgehend ins Leere läuft, lässt sich derzeit allerdings nicht sicher beantworten und muss Gegenstand noch ausstehender Untersuchungen sein. Die Ergebnisse des Versuchs, die Organisation der informationstechnischen Forschung in Deutschland durch die Fusion der GMD mit der FhG zu reformieren, zeichneten sich dagegen schon sehr bald ab. Mit dieser Fusion verfolgte die Forschungspolitik das Ziel, die Stärken beider Organisationen miteinander zu verbinden und ihre Schwächen zu kompensieren. Im Verlauf ihrer rund dreißigjährigen Existenz hatte sich die GMD weitgehend von einer marktorientierten Forschung entfernt und stattdessen hohe Kompetenzen in der informationstechnischen Grundlagenforschung erworben. Ihre Fusion mit der FhG sollte nun einerseits dazu dienen, die GMD in höherem Maße am Markt zu orientieren und andererseits ganz im Sinne der Empfehlungen der Systemevaluation die Grundlagenforschung in der FhG zu stärken. Die FhG sollte durch die Fusion auf ein Portfolio-Modell von Forschungsorganisation umgestellt werden, das unterschiedliche Institutstypen mit unterschiedlichen Anteilen an Grundförderung und damit an Grundlagenforschung umfasste. Da eine solche differenzielle Institutsstruktur aber interne Verteilungskonflikte innerhalb der FhG heraufbeschworen hätte, traf die Reform auf einen entschiedenen Widerstand der Gesellschaft. Die FhG widersetzte sich von Beginn an einer Fusion unter Gleichen und verfügte faktisch auch über die Möglichkeit, eine solche Fusion abzuwenden, indem sie den Beistand der Länder mobilisierte. Die Länder befürchteten ihrerseits, dass sich der Bund durch die Reform einen stärkeren Einfluss auf die Forschungsagenda der FhG zu verschaffen suchte, und legten ihr Veto gegen ein Portfoliomodell ein. Nach einem etwa zwei Jahre andauernden Konflikt vollzog sich die Eingliederung der GMD in die FhG schließlich zu den Konditionen und unter der Federführung der FhG. Die früheren GMD-Institute weichen in ihren Akquisitions- und Forschungsstrategien heute nicht mehr von der Norm des Modells Fraunhofer ab (Hohn 2006).
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3.6 N eue forschungspolitische Instrumente und ihre Folgen 3.6.1 Wandel der staatlichen Forschungspolitik In der jüngeren Vergangenheit hat die staatliche Forschungspolitik mit dem Pakt für Forschung und Innovation einen neuen Weg eingeschlagen, um mehr Wettbewerb und Kooperation innerhalb des deutschen Forschungssystems durchzusetzen. Der Pakt für Forschung und Innovation läuft konzeptionell und der Form nach auf ein Anreizsystem hinaus. Bund und Länder haben den Wissenschaftsorganisationen künftige Haushaltszuwächse von drei Prozent zugesagt, wenn sie erwartete und vereinbarte Reformziele erfüllen. Dazu erstellen die Forschungsorganisationen jährliche Berichte an die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK), die einer vergleichenden Evaluation ihrer Aktivitäten dienen und „für die jeweilige finanzielle Ausstattung, insbesondere für die Höhe des jährlichen Aufwuchses und der denkbaren Differenzierung zwischen den Organisationen, von Bedeutung sein“ sollen (GWK 2008, S.€2). Mit dieser neuen Maßnahme scheint die staatliche Forschungspolitik eine Konsequenz aus den gescheiterten Versuchen gezogen zu haben, auf direktem Weg in die Governancestrukturen der großen deutschen Forschungsorganisationen zu intervenieren. Der Pakt ist ein „weiches“ Steuerungsinstrument, das darauf abzielt, die Kooperationsbereitschaft der forschungspolitischen Adressaten zu steigern und durch Selbstverpflichtungen und Selbstanpassungen der großen deutschen Forschungsorganisationen einen Wandel in den intra- und interorganisatorischen Governancestrukturen des außeruniversitären Forschungssystems zu induzieren. Ob er tatsächlich eine wirksame Anreizstruktur darstellt, ist fraglich. Angesichts der Konsenszwänge, mit denen sich eine föderale Institution wie die GWK konfrontiert sieht, kommen Zweifel daran auf, ob sie tatsächlich dazu in der Lage ist, durch differenzielle Haushaltszuwächse positive oder negative Sanktionen über die Forschungsorganisationen zu verhängen. Zudem verfügt die GWK über keine klar operationalisierbaren Erfolgskriterien und -indikatoren und kann nur in einem sehr allgemeinen Sinne eine Erfolgskontrolle ausüben. Gleichwohl kann sich auch ein solchermaßen „weiches“ Instrument als durchaus effektiv erweisen. Mit der Unterzeichung des Paktes haben die großen Forschungsorganisationen, wenn zum Teil auch widerstrebend und mit Vorbehalten, grundsätzlich dem Ziel zugestimmt, die segmentierte Struktur des deutschen Forschungssystems und das Nebeneinander der Einrichtungen zu überwinden. Dies erschwert es ihnen, ihre „Alleinstellungsmerkmale“ und Domänen zu behaupten und sich wechselseitig gegeneinander abzugrenzen. Das mit viel Aufwand betriebene vergleichende jährliche „Monitoring“ ihrer „Fortschritte“ auf dem Weg zu mehr Wettbewerb und Kooperation strukturiert Erwartungen und begünstigt das Entstehen von Gelegenheitsstrukturen für eine „positive Koordination“ (Mayntz und Scharpf 1975; Scharpf 2000, S.€ 225–229) der Organisationen untereinander. In verhandlungstheoretischen Termini formuliert kann dieses neue Arrangement dazu beitra-
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gen, „positionsorientiertem Verhandeln“ im organisatorischen Eigeninteresse entgegenzuwirken und in ein „verständigungs- und kompromissorientiertes arguing“ zu überführen (vgl. zu dieser Logik Benz 2007, S.€111–112). Obwohl es nach einer erst zweijährigen Laufzeit des Paktes für Forschung und Innovation nicht möglich ist, seine Auswirkungen bereits präzise zu bestimmen, scheint die Behauptung nicht zu kühn, dass er im Begriff ist, genau diesen Entwicklungspfad einzuschlagen. So konstatiert der Monitoring-Bericht der GWK: „Die Wissenschaftsorganisationen haben mit beträchtlichem Engagement eine Vielzahl von Fördermaßnahmen, strategischen Prozessen und Kooperationsverfahren entwickelt, mit denen sie die Ziele des Paktes für Forschung und Innovation verfolgen“ (GWK 2008, S.€2). Ob und wie diese Maßnahmen, Prozesse und Verfahren im Einzelnen im Zusammenhang mit dem Pakt stehen, lässt sich freilich nicht mit Sicherheit ermitteln. Man darf aber annehmen, dass er ein „Framing“ begünstigt, das die Forschungsorganisationen dazu veranlasst, in stärkerem Maße als dies in der Vergangenheit geschehen ist, forschungspolitische Relevanzkriterien zu berücksichtigen. Sehr viel deutlicher zeichnen sich dagegen die Folgen der Exzellenzinitiative ab. Diese Initiative lief in ihren ersten beiden Runden auf ein Anreizprogramm hinaus, das in erster Linie darauf abzielte, Wettbewerb an den Universitäten zu mobilisieren und eine Leistungsdifferenzierung innerhalb der Hochschullandschaft zu induzieren. Im Sinne einer durchaus erwünschten Nebenfolge hat sie aber auch mobilisierende Auswirkungen auf das außeruniversitäre Forschungssystem. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen waren nicht zu Anträgen berechtigt, konnten aber im Rahmen von Kooperationsprojekten mit den Hochschulen und Universitäten an der Exzellenzinitiative teilnehmen. Dies hat in einem so nicht vorausgesehenen Maße sowohl zu einem Wettbewerb zwischen den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen als auch unter den großen Wissenschaftsorganisationen geführt und ihre Vernetzung über die bestehenden föderalen Grenzen hinweg vorangetrieben (DFG & WR 2008). Alle außeruniversitären Forschungsorganisationen haben sich mit insgesamt 113 Einrichtungen an der Exzellenzinitiative beteiligt (GWK 2008, S.€7).
3.6.2 N eue Allianzen von universitären und außeruniversitären Forschungsorganisationen – Eine Revolution „von unten“? Die wohl wichtigste Folge der Exzellenzinitiative aber besteht darin, dass sie eine Reihe von Allianzen zwischen universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen hervorgebracht hat, die dauerhafte Kooperationsformen anstreben und zum Teil auch bereits eingegangen sind. Im Einzelnen betrifft dies das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und das Zentrum für Molekulare Biologie der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg (ZMBH), das ehemalige Forschungszent-
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rum Karlsruhe (FZK) und die Technische Universität Karlsruhe9 sowie das Forschungszentrum Jülich (FZJ) und die Rheinisch Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH). Diese drei Allianzen beschreiten unterschiedliche organisatorische und rechtliche Wege mit dem jeweils gleichen Ziel, durch die Überwindung der föderalen Grenzen des deutschen Forschungssystems eine kritische Masse an Ressourcen aufzubauen, die es ihnen erlaubt, sich als „Global Players“ zu positionieren. Die DKFZ-ZMBH-Allianz besitzt keine eigenständige rechtliche Struktur, sondern wird durch ein gemeinsames Leitungsgremium des Forschungszentrums und der Universität koordiniert, das über die Vergabe von Forschungsprojekten aus einem Förderprogramm, an dem sich beide Partner beteiligen, entscheidet. Die Federführung liegt bei dieser Allianz klar beim DKFZ als der weitaus größeren Forschungsorganisation, während dem ZMBH gewissermaßen die Rolle eines Junior Partners zukommt. Der Schwerpunkt dieser strategischen Kooperation liegt auf der Grundlagenforschung im Bereich der molekularen und zellulären Lebenswissenschaften, in dem die Allianz eine führende Position auf der europäischen Ebene anstrebt. Dagegen geht es beim Zusammenschluss des FZK mit der Technischen Universität Karlsruhe zum Karlsruhe Institute of Technology (KIT) um eine vollständige organisatorische Fusion beider Einrichtungen, durch die sie auf der Grundlage einer entsprechenden rechtlichen Regelung des Bundes und des Landes Baden-Württemberg in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts überführt werden. Auch in diesem Fall besteht das primäre Ziel der Fusion darin, auf ausgewählten Forschungsfeldern die Performanz beider Organisationen im europäischen und internationalen Wettbewerb zu steigern. Diesem Ziel unterliegt ebenfalls die Jülich Aachen Research Alliance (JARA) als dem derzeit dritten Weg, den das FZJ und die RWTH Aachen zur Überwindung der föderalen Grenzen des deutschen Forschungssystems eingeschlagen haben. Mit JARA streben das Helmholtzzentrum und die Universität explizit keine Fusion an. JARA schafft vielmehr einen formalen Rahmen für Kooperationen, in denen die beiden Partner selektiv ihre jeweiligen Stärken zu bündeln suchen und zu diesem Zweck eigenständige GmbHs gründen, an denen sie je zur Hälfte beteiligt sind. Alle diese Allianzen sind „Bottom-up“ im Zuge der Exzellenzinitiative des Bundes auf der Basis zunächst zeitlich befristeter Kooperationen entstanden, schicken sich aber nun an, einen völlig neuen Typus von Forschungsorganisation innerhalb des deutschen Innovationssystems zu etablieren. Wenn diese neuen Initiativen funktionstüchtige Strukturen hervorbringen, könnten sie in der Tat Modellcharakter gewinnen und zum Vorbild für viele weitere Koalitionen und Allianzen zwischen universitären und außeruniversitären Forschungsorganisationen werden. Angesichts der institutionellen Hürden, die dem im Wege stehen, ist es allerdings ungewiss, ob und in welchem Maße ihnen Erfolg beschieden sein wird. So sind Interessenkollisionen mit der programmorientierten Förderung vielfach nicht ausAm 1. Oktober 2009 wurde das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) als Zusammenschluss des Forschungszentrums Karlsruhe und der Universität Karlsruhe gegründet.
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zuschließen. Darüber hinaus hat insbesondere das Modell KIT mit einer Reihe von gewichtigen Problemen zu kämpfen. Bund und Land haben zwar die rechtlichen Grundlagen für die Fusion gelegt, dies aber nur zögerlich und nach einer anfänglich ablehnenden Haltung gegenüber der Zusammenführung beider Einrichtungen, da sie jeweils um ihre Rolle als deren „Hausherren“ fürchteten.10 Es bleibt fraglich, wie weit ihre Kooperationsbereitschaft in Zukunft reicht. Mit dem KIT entsteht zudem ein sehr komplexes organisatorisches Gebilde, das einen hohen Koordinationsaufwand erforderlich macht, da es die unterschiedlichen Strukturen einer zentral geführten Großforschungseinrichtung und einer dezentral organisierten Landesuniversität integrieren muss. Zugleich sind das FZK und die Universität weiterhin dazu gezwungen, getrennte Haushalte zu führen. Die Frage, ob und in welchem Maße dies die Integration beider Einrichtungen beeinträchtigt, ist derzeit noch völlig offen. Schließlich weckt die Fusion Befürchtungen, dass dieser Prozess Gewinner und Verlierer hervorbringt, indem einzelne Arbeitsgruppen, Abteilungen oder Institute zugunsten anderer verkleinert oder aufgelöst werden. Dementsprechend trifft sie unter den Mitarbeitern vielfach auf Skepsis. Dagegen scheinen das FZJ und die Hochschule Aachen mit JARA und der selektiven Kombination ihrer jeweiligen Stärken in eigens dafür gegründeten und gemeinsam betriebenen GmbHs einen weniger steinigen Weg eingeschlagen zu haben. JARA läuft auf ein interorganisatorisches Arrangement hinaus, mit dem das Helmholtzzentrum und die Hochschule den Versuch unternehmen, ihre Eigenständigkeit jeweils zu erhalten und zugleich Win-win-Spiele zwischen beiden Partnern zu ermöglichen. Dieses Modell lässt die unterschiedlichen Organisationsstrukturen beider Einrichtungen grundsätzlich intakt, vermeidet damit die potenziellen Konflikte einer Fusion und bietet zugleich eine relativ simple und funktionstüchtige Lösung für das Problem der Rechnungslegung. Um die föderalen Grenzen formal korrekt zu umgehen, genügt es, dass das FZJ und die Hochschule die gemeinsam errichteten GmbHs je zur Hälfte finanzieren. Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen haben JARA geradezu mit Enthusiasmus aufgenommen, gewähren der Allianz große Unterstützung und haben sie zum Vorbild für andere Forschungseinrichtungen erklärt (FZJ 2008, S.€19). In den Augen ihrer Protagonisten steht bereits fest: „Die Versäulung (…) ist gestoppt, Fusionen zwischen Universitäten und Forschungszentren könnten schon bald an der Tagesordnung sein“ (Wiarda 2007). Wenn auch aus Perspektive des Beobachters Skepsis an dieser Überzeugung angebracht ist, so belegen die neuen Allianzen doch, dass das deutsche Forschungssystem nach einer rund dreißigjährigen Phase hoher institutioneller Stabilität in Bewegung geraten ist. Noch über das Ende der 1990er Jahre hinaus schien keine Alternative zu der versäulten Struktur dieses Systems zu bestehen. Dem stabilen Interessengleichgewicht, das Bund und Länder mit der Rahmenvereinbarung im Jahr 1975 besiegelt hatten, entsprach ebenso stabiler Konsens über die jeweiligen Domänen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die deutsche Forschungs„Weder der Bund noch das Land zeigten sich allzu begeistert, dem jeweils anderen ein Mitspracherecht in der eigenen Forschungseinrichtung zuzugestehen“ (Nitsche 2008, S.€7).
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politik war „partizipatorisch“ und „konsensuell“ strukturiert (Mayntz und Scharpf 1990, S.€79) und musste insbesondere darauf verzichten, neue Akteure ins Spiel zu bringen, die in Konkurrenz zu den etablierten Einrichtungen hätten treten können. Diese Charakterisierung der deutschen Forschungspolitik als „partizipatorisch“ und „konsensuell“ trifft auch heute noch grundsätzlich zu, aber die strikte Ordnung, die die Forschung noch am Ende der neunziger Jahre besaß, scheint an vielen Stellen und zum Teil durch unintendierte Entwicklungen zu erodieren. Vor allem mit den neuen Allianzen zwischen universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen formiert sich möglicherweise „bottom-up“ ein neuer Typus von Akteur, der in Konkurrenz zu den etablierten Organisationen tritt. Auch wenn diesen neuen Allianzen zum Teil beachtliche institutionelle Hürden im Wege stehen, so zeigen sie doch deutlich, dass die institutionellen Grenzen des deutschen Forschungssystems in zunehmendem Maße als Fesseln empfunden werden und einem wachsenden Veränderungsdruck „von unten“ ausgesetzt sind.
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Kapitel 4
Anwendungsfelder Klaus-Rainer Bräutigam, Torsten Fleischer und Peter Hocke
Inhalt 4.1â•…Einleitung ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������╇ 108 4.2â•…Projekte der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.€V. ��������������������╇ 108 4.2.1â•…Der Mikrowellen-Ofen aus Karlsruhe ����������������������������������尓�������������������������������╇ 108 4.2.2â•…Hochleistungskeramik aus Schwaben ����������������������������������尓��������������������������������╇ 110 4.2.3â•…Metalle und Keramiken bei der Entwicklung von Brennstoffzellen �������������������╇ 111 4.3â•…Projekte aus Fraunhofer-Instituten ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������╇ 114 4.3.1â•…Entwicklung von Schäumen aus thermoplastischen Polymeren ��������������������������╇ 114 4.3.2â•…Steuerungskomponenten auf der Basis von Carbon-Nano-Tubes �����������������������╇ 116 4.3.3â•…„Nano-Keramiken“ des Fraunhofer Instituts für keramische Technologien und Sinterwerkstoffe, Dresden ����������������������������������尓��������������������╇ 118 4.4â•…Projekte aus Technischen Universitäten ����������������������������������尓������������������������������������尓����╇ 120 4.4.1â•…Materialien mit Formgedächtnis ����������������������������������尓������������������������������������尓����╇ 120 4.4.2â•…Nanosilber aus Franken ����������������������������������尓������������������������������������尓�����������������╇ 122 4.4.3â•…Der CFK-Skiroller aus Clausthal-Zellerfeld ����������������������������������尓����������������������╇ 124 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 126
Zusammenfassung╇ Die Transfervorhaben, die bei InnoMat begleitet und analysiert wurden, verteilen sich auf drei Forschungsorganisationen, denen die insgesamt neun Materialforschungsteams zuzuordnen sind: die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, die Fraunhofer-Gesellschaft und Technische Universitäten. Bei diesen analysierten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten standen „Materialinnovationen“ und „Prozessinnovationen“ im Vordergrund. Neben der inhaltlichen Ausrichtung der Projekte auf diese Schwerpunkte war für die Auswahl der Projekte von Bedeutung, dass sie eine starke Transferorientierung aufwiesen und dass die jeweiligen Forscher bereit waren, über die Entstehung und den Verlauf ihres Transferprojekts im Rahmen von Interviews und Workshops detailliert Aus-
K.-R. Bräutigam () Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), 76021 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected]
K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9_4, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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kunft zu geben. Dieses Kapitel enthält eine kurze technische Beschreibung der neun untersuchten Transferprojekte und beschreibt deren Transferverlauf.
4.1 Einleitung Die Transfervorhaben, die bei InnoMat begleitet und analysiert wurden, verteilen sich auf drei Forschungsorganisationen, denen die insgesamt neun Materialforschungsteams zuzuordnen sind: die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF), die Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) und Technische Universitäten (TUs). Bei diesen analysierten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten standen „Materialinnovationen“ (Generierung neuer Werkstoffe und Werkstoffvarianten) und „Prozessinnovationen“ (neue Prozesse und Verfahren zur Herstellung und Bearbeitung von Werkstoffen) im Vordergrund. Neben der inhaltlichen Ausrichtung auf diese Schwerpunkte war für die Auswahl der Projekte von Bedeutung, dass sie eine starke Transferorientierung aufwiesen und die jeweiligen Forscher bereit waren, über die Entstehung und den Verlauf ihres Transferprojekts im Rahmen von Interviews und Workshops detailliert Auskunft zu geben. Im Folgenden werden die drei Projekte jeder Forschungsorganisation kurz vorgestellt.
4.2 P rojekte der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.€V. 4.2.1 Der Mikrowellen-Ofen aus Karlsruhe Der innovative Einsatz industrieller Mikrowellen beim Aushärten von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff-Strukturen steht im Mittelpunkt eines Transfervorhabens, das im früheren Forschungszentrum Karlsruhe, dem heutigen Karlsruher Institut für Technologie (KIT), untersucht wurde. Es wurde unter dem Titel „Optimierte industrielle Fertigung von Faserverbundstrukturen mit modularer innovativer Mikrowellentechnik“ am Institut für Hochleistungsimpuls- und Mikrowellentechnik des KIT durchgeführt. Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK) bezeichnet einen Faser-Kunststoff-Verbundwerkstoff, bei dem Kohlenstofffasern, meist in mehreren Lagen, als Verstärkung in eine Kunststoffmatrix eingebettet werden. Die Festigkeit und Steifigkeit eines aus CFK hergestellten Materials ist in Faserrichtung wesentlich höher als quer zur Faserrichtung. Quer zur Faser ist sie geringer als bei einer unverstärkten Matrix. Deshalb werden einzelne Faserlagen in verschiedenen Richtungen verlegt. CFK wird verwendet, wenn hohe gewichtsspezifische Festigkeiten und Steifigkeit gefordert sind, z.€B. in der Luft- und Raumfahrt, im Fahrzeugbau oder für Sportgeräte.
4â•… Anwendungsfelder
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Zur Herstellung von Bauteilen aus CFK werden Kohlenstofffasern in einer Kunststoffmatrix eingebettet und anschließend durch Erwärmung ausgehärtet. Dies geschieht üblicherweise in einem Umluftofen oder – falls zusätzlich ein erhöhter Druck erforderlich ist – im sogenannten Autoklaven. Zur Erwärmung des Kohlenstofffaser-Harz-Gemisches muss die Kammer des Umluftofens bzw. des Autoklaven aufgeheizt werden, und durch Diffusion gelangt die Wärme dann in das Bauteil. Bei den teilweise sehr großen Volumina dieser Kammern erfordert dies einen hohen Energieeinsatz und lange Prozesszeiten. Darüber hinaus kann eine inhomogene Temperaturverteilung im Ofen und im Material zu Problemen bei der gleichmäßigen Aushärtung des Bauteils führen. Der Einsatz von Mikrowellen zur Erwärmung von Kohlenstofffasern-Harz-Gemischen verspricht demgegenüber einige Vorteile. So können mit Mikrowellen die Bauteile direkt erhitzt werden – eine Aufheizung des gesamten Ofens kann damit weitgehend verhindert werden. Dies würde zu einer deutlichen Energieeinsparung für den Prozess führen. Da darüber hinaus die Mikrowellen in das Bauteil eindringen, erwärmen sie jeden Punkt des Bauteils direkt und verhindern damit weitgehend eine inhomogene Temperaturverteilung im Bauteil. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein möglichst homogenes Mikrowellenfeld. Die Qualität des Materials bzw. die Quote fehlerhafter Bauteile dürfte damit deutlich abnehmen. Getragen werden die Arbeiten von einem Wissenschaftler, der mit einer Grundlagenarbeit zur Erzeugung homogener Mikrowellenfelder die Basis schuf und dieses Wissen in seine F&E-Arbeiten einfließen ließ. Im Mittelpunkt dieser Arbeiten steht die Entwicklung eines Mikrowellenofens mit einer sechseckigen Prozesskammer. Die bisher durchgeführten F&E-Arbeiten gruppieren sich um drei Mikrowellenanlagen, die unter dem Namen „Hephaistos“ laufen und bisher in drei Größen gebaut wurden. Die größte Anlage, die als Demonstrator zu charakterisieren ist, umfasst mit seiner hexagonalen Geometrie der Prozesskammer ein Volumen von sieben Kubikmetern und kann dabei im Vergleich zu den Vorgängern etwas größere Bauteile aufnehmen. Angesichts der angedachten Einsatzmöglichkeiten zeigen sich aber noch Herausforderungen bei der Dimensionierung der Mikrowelle und der Automatisierung des Beschickens der Kammer. Kontakte zu einer Reihe von potenziellen Anwendern dieser Innovation sowie zu Anlagen- und Komponentenbauern sind aufgenommen. Insgesamt erweisen sich die Arbeiten jedoch als zeit- und ressourcenaufwändig. Gerade zu fertigende Hochleistungsprodukte (z.€B. im Flugzeugbau) unterliegen aufwendigen Verfahren der Zertifizierung. Da wechselseitig getragene und auf eine gewisse Dauer gestellte Kooperationen im Untersuchungszeitraum nicht realisiert werden konnten, entwickelten sich die Interessen weg von anwendungsorientierten F&E-Arbeiten i.€e.€S. und verlagerten sich bis zu einem gewissen Grad auf forschungszentrierte Themen. Ein vierjähriges BMBF-Projekt bündelte diese Arbeiten über weite Strecken des Untersuchungszeitraumes. Die Zahl der beteiligten Mitarbeiten im Karlsruher Forscherteam blieb insgesamt niedrig und der verantwortliche HGF-Wissenschaftler, der die zentralen Entwicklungen mit langem Atem und Geschick verfolgte, hatte die F&E-Arbeiten zur Vorbereitung des Wissenstransfers mit einem fluktuierenden Team von Assistenten und Jungwissenschaftlern voranzutreiben.
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Da das strukturelle Setting der HGF-Großforschungseinrichtung am Ende des Untersuchungszeitraums zunehmend auf Aspekte der Akademisierung abgestellt wurde, eröffneten sich für die Schlüsselperson des Transfervorhabens immer wieder Chancen wissenschaftlicher Weiterqualifizierung. Diese wurden auch aufgegriffen. Inwiefern dadurch jedoch eine Stabilisierung des Transfervorhabens und den dabei vorbereiteten konkreten Transferaktivitäten erreicht werden kann, zeichnet sich bisher noch nicht deutlich ab (siehe dazu auch Kap.€7).
4.2.2 Hochleistungskeramik aus Schwaben Keramische Gewebekomponenten, die auf einer Matrixstruktur aufsetzen, besitzen gegenüber monolithischen Keramiken den Vorteil, dass sie sich durch deutlich erhöhte Hitzebeständigkeit (insbesondere bei sehr hohen Temperaturen) und wesentlich verzögert einsetzendes Bruchverhalten auszeichnen. An dieser Kombination von Eigenschaften setzte die Materialforscher-Gruppe aus Stuttgart an, deren Projekt unter dem Titel „Die Herstellung von keramischen Faserverbundwerkstoffen zur Anwendung als Reibbeläge für Hochleistungsaufzüge“ am Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung des „Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.€ V.“ durchgeführt wurde. Die erzielte Belastbarkeit des dort entwickelten Materials gegenüber hohem mechanischen und thermischen „Stress“ führte dazu, dass diese Materialen auch bei der konzeptionellen Modifikation von Notfall-Bremssystemen in Hochgeschwindigkeitsaufzügen auf Interesse stießen und schließlich die Materialforscher erfolgreich eine Zusammenarbeit mit einem der Hersteller für Hochgeschwindigkeitsaufzüge aufbauen konnten. Obwohl dieses Wissens- und Technologietransfer (WTT)-Vorhaben beim Einsetzen der empirischen Untersuchung bereits weitgehend abgeschlossen war, wurden die Kontakte zu den Anwendern von beiden Seiten aufrechterhalten. Allerdings zeigte sich in diesem Zusammenhang auch, dass eine fruchtbare Kooperation nicht umstandslos zu einem belastbaren Anschlussvertrag führen muss; die Kontakte selbst aber bewiesen sich als belastbar. Nachdem Veröffentlichungen der Materialforschungsgruppe die Aufmerksamkeit des Aufzugherstellers erregt hatten, wurden intensive Konsultationen durchgeführt, um schließlich eine bilaterale Kooperation aufzubauen, in die im Lauf der Zeit auch weitere Industriepartner eingebunden werden konnten. Letztere übernahmen die Herstellung der Bremsbeläge. Interessanterweise übernahm die Stuttgarter Forschungsgruppe während der Produktionsphase der Aufzüge, in die diese Bremsbeläge eingebaut wurden, die Qualitätsprüfung und die vorausgehende Qualifizierung der Ausgangswerkstoffe der in Kleinserie hergestellten Beläge. Offensichtlich war es für sie interessant, angesichts eines nicht unmittelbar zu erwartenden Folgeauftrags so einen stabilen Kontakt zu dem Aufzughersteller aufrecht zu erhalten. Parallel dazu erarbeiteten sie auch eine weitere Entwicklungslinie, die nicht auf den Faser-Harz-Kombinationen der keramischen Matrixstruktur aufsetzte, sondern biomorphe Materialen als Ausgangsstoff zum Einsatz brachte.
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Bei ihren Arbeiten konnte die Materialforschungsgruppe von einer spezifischen Ausgangsposition ausgehen. Vorüberlegungen und an anderer Stelle gewonnene Ergebnisse aus der Luft- und Raumfahrt, in denen auf ausgesprochen anspruchsvolle Zielhorizonte abgestellt und ohne explizite Ausrichtung auf niedrige Werkstoffkosten geforscht werden konnte, waren der experimentelle Ansatzpunkt. Von ihm aus konnten verschiedene Aspekte möglicher Weiterentwicklungen erschlossen und z.€T. in neue Entwicklungsarbeiten eingebracht werden. Getragen wurde die Materialforscher-Gruppe von der Schlüsselperson des Transfervorhabens, die diese Rolle von einem Kollegen übernommen hatte, der aus der Forschungseinrichtung an die Universität gewechselt war. Zusätzlich arbeitete ihm ein wissenschaftlicher Mitarbeiter zu, der zeitweise in das Projekt eingebunden war. Darüber hinaus war eine kleine Zahl von Mitarbeitern aus dem technischen Bereich involviert. Das Team wurde nach den jeweils aktuellen Erfordernissen zusammengestellt; die personelle Zusammenstellung wechselte dabei, wobei auch die Techniker eine zentrale Rolle in der zweiten Phase des Projektauftrags spielten. Neben der phasenweise intensiven Zusammenarbeit mit dem Aufzughersteller wurden bei der Herstellung der Beläge für das Aufzugnotbremssystem auch Kooperationen mit zwei Anwendern aus der Keramikbranche eingegangen, die die Herstellung des Bremsbelags übernahmen und auf die Entwicklungsarbeiten in Stuttgart aufbauten. Für die Materialforschungsgruppe entwickelten sich parallel zu dem hier untersuchten Vorhaben zusätzlich themenverwandte Kooperationsbeziehungen, die z.€T. in den militärischen F&E-Bereich hineinreichten. Dabei wurde die Grundidee des Transfervorhabens modifiziert, und so wurden neue Einsatzgebiete mit materialwissenschaftlich modifizierten Erwartungsprofilen erschlossen.
4.2.3 M etalle und Keramiken bei der Entwicklung von Brennstoffzellen „Die Entwicklung von metallischen Interkonnektorwerkstoffen sowie von Keramiken für Hochtemperatur-Brennstoffzellen“ lautete der Projekttitel des dritten Materialforscherteams aus der HGF, das in InnoMat begleitet und analysiert wurde. Das Institut für Energieforschung 1 (IEF-1) des Forschungszentrums Jülich (FZJ) transferiert Material- und Verfahrenswissen für Festoxid-Brennstoffzellen (SOFC) an die Firma CeramTec. Brennstoffzellen sind – allgemein gesprochen – eine Technik zur Energiewandlung, bei der die chemische Energie eines Brennstoffes mit Hilfe eines Oxidationsmittels in elektrische Energie (sowie Wärme und Abgase) überführt wird. Da dieser Wandlungsprozess – anders als bei konventionellen Kraftwerken – nicht über eine Verbrennung sowie Wärmekraftmaschinen geführt wird, sondern in einer galvanischen Zelle erfolgt, sind die elektrischen Wirkungsgrade des Brennstoffzellensystems besser und die Elektrizitätserzeugung mithin effizienter als bei Wärmekraftwerken. Unter anderem darum gelten Brennstoffzellen als wichtige Zukunftstechnik der Energieversorgung.
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Brennstoffzellen bestehen aus zwei Elektroden, die kontinuierlich etwa mit einem Brenngas (in der Regel Wasserstoff oder Erdgas) und einem Oxidationsgas (meistens Sauerstoff oder Luft) versorgt werden, sowie einem Elektrolyten, der die beiden Elektroden miteinander verbindet. Der Elektrolyt muss die beiden Elektroden gasdicht voneinander trennen. In einer solchen, „Zelle“ genannten, Konfiguration läuft eine kontrollierte Reaktion ab, so dass Strom und frei werdende Wärme genutzt werden können. Da solche Zellen nur eine begrenzte Spannung bereitzustellen vermögen, die durch systembedingte Verluste weiter reduziert wird, ergeben sich praktisch Zellspannungen im Bereich von in der Regel unter einem Volt. Die begrenzte Zellspannung einer Brennstoffzelle hat zur Konsequenz, dass in der Praxis mehrere Brennstoffzellen in Reihe zu sog. „Stacks“ zusammengeschaltet werden, um eine höhere Spannung zu erreichen. In den Stacks sind die einzelnen Brennstoffzellen über bipolare Platten elektrisch kontaktiert. Gasleitschichten über der Oberfläche der bipolaren Platten sichern die Versorgung mit Brennstoff und führen das entstehende Reaktionsprodukt nach außen ab. Aus funktionstechnischer Sicht sind auf der Basis verschiedenster elektrochemischer Reaktionen und ihrer Randbedingungen eine Reihe von BrennstoffzellenTypen denkbar und zum Teil auch im Labormaßstab untersucht worden. Aus dieser möglichen Palette sind jedoch nur wenige Brennstoffzellen-Typen unter kommerziellen Gesichtspunkten weiterentwickelt worden, die typischerweise hinsichtlich des gewählten Elektrolytmaterials unterschieden werden. Bei den im Rahmen des hier begleiteten Projektes entwickelten Zellen handelt es sich um sogenannte oxidkeramische oder Festoxid-Brennstoffzellen (SOFC, solid oxide fuel cells). Bei diesen wird ein keramischer Festelektrolyt verwendet. Damit dieser eine ausreichend hohe Leitfähigkeit erzielt, sind Betriebstemperaturen im Bereich von ca. 700€°C bis ca. 1.000€°C notwendig. Dies bedeutet einerseits einen höheren technischen Aufwand für den Stack als bei Brennstoffzellen, die bei einer niedrigeren Temperatur betrieben werden. Andererseits stellen SOFC wesentlich geringere Anforderungen an die Reinheit der Brenngase, was den technischen und wirtschaftlichen Aufwand für die peripheren Systeme deutlich reduziert. Für SOFC gibt es verschiedene Zellkonzepte, wobei insbesondere zwischen einem Röhrenkonzept und planaren Anordnungen (Flachzellenkonzept) unterschieden wird. Hinsichtlich der tragenden Struktur wird des Weiteren zwischen elektrolytgestützten und anodengestützten SOFC differenziert. Hauptanwendungen für SOFC werden in der Energieerzeugung in Kraftwerken sowie in der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), sowohl im industriellen Bereich als auch in der Hausenergieversorgung, gesehen. Es werden aber auch Anwendungen zur Stromerzeugung an Bord von Fahrzeugen verfolgt. Die Leistung von derzeitig verfügbaren SOFC-Demonstrationsanlagen liegt typischerweise im Kilowatt-Bereich. Die betrachtete Kooperation hat eine längere Vorgeschichte. Sie hat ihre Wurzeln in einer strategischen Neuorientierung des Forschungszentrums Jülich, das in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren eine teilweise Neuausrichtung weg von der Kerntechnik und hin zu neuen Energiewandlungstechniken umsetzte. Im Zuge dieser Entwicklung wurde auch ein größerer Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt in der Brennstoffzellentechnik begründet. Das FZJ führt seit 1990 F&E-
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Arbeiten im Bereich der Festelektrolyt-Brennstoffzelle durch. Nach ersten Aktivitäten an verschiedenen Designs wurden die Arbeiten ab 1991 systematisiert und verstärkt auf die planare Technologie ausgerichtet (FZJ 2009). Dies ging einher mit wachsenden Industriekooperationen in diesem Bereich, unter anderem mit der deutschen Elektrotechnikindustrie, der Fahrzeugindustrie sowie Materialherstellern. Diese Entwicklung wurde katalysiert durch eine Reihe von drittmittelfinanzierten Projekten, etwa mit Mitteln des deutschen Wirtschaftsministeriums (BMWi) sowie der Europäischen Union. Zusammen mit den damals führenden deutschen SOFC-Entwicklern, Siemens und Dornier, und mithilfe von Fördermitteln des Bundes erfolgte eine strategische Ausrichtung der SOFC-Aktivitäten des FZJ auf das fortschrittliche Konzept der anodengestützten SOFC mit dünnem Elektrolyten. Neben der Eigenentwicklung dieser Technik unterstützte das FZJ weiterhin SOFC-Industrieprojekte in anderen Bereichen. Da bis über das Jahr 2000 hinaus nur wenige industrielle Kooperationspartner zur Verfügung standen, ist das FZJ-Engagement in der SOFC sehr breit aufgestellt und deckt alle Aspekte von der grundlegenden Materialforschung und Verfahrensentwicklung bis hin zu Design, Aufbau und Betrieb von Stacks, der Systementwicklung und der Modellierung ab (FZJ 2009). Die eigentliche Kooperation zwischen IEF-1 und CeramTec wurde begründet im Rahmen des BMWi-Projektes „ZeuS-II“1. In dessen Rahmen kooperierten die Unternehmen BMW, CeramTec, ElringKlinger, GKN Sinter Metals Service, H.C. Starck, Liebherr Aerospace, Rhodius und ThyssenKrupp VDM mit den Forschungseinrichtungen Forschungszentrum Jülich und Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Rahmen des Projektes erfolgte der Abschluss eines separaten Know-how Transfervertrages zwischen dem FZJ und der CeramTec AG. Dieser hatte die Industrialisierung einer F&E-Arbeit, also die Übertragung des gesamten FZJ-Fertigungswissens für Zellen an die Firma CeramTec zum Ziel, um das Unternehmen in die Lage zu versetzen, Zellen zu fertigen und später zu industrialisieren. Kernstück des Transfers ist eine in Jülich aufgebaute Produktionslinie, auf der SOFC-Zellen im Technikums-Maßstab gefertigt werden können. Anders als in anderen Forschungseinrichtungen, die Zellen in der Regel nur im Labormaßstab herstellen können bzw. von Unternehmen beziehen, hat man sich in Jülich entschlossen, selbst eine Fertigungsstrecke für SOFC-Zellen aufzubauen. Dadurch gewinnt man neben Grundlagenerkenntnissen auch wertvolles Prozess- und Fertigungswissen, das sich nicht aus der reinen Grundlagenforschung und der Lektüre wissenschaftlicher Fachliteratur erschließt. Hiermit adressierte das FZJ die oftmals beklagte Lücke zwischen F&E-Erkenntnissen und industrieller Produktion und baut gezielt Wissen zu der Übertragung von F&E-Projekten in tragfähige Produktionskonzepte auf. Die Möglichkeit der Verbindung von beidem scheint ein starker Attraktor für Industriepartner zu sein. CeramTec solle, so unser Gesprächspartner, in die Lage versetzt werden, Teile in vergleichbarer oder gar besserer Qualität als im Jülicher Technikum herzustellen. Großer Wert werde im Transferprojekt dabei auf eine hohe Reproduzierbarkeit in der Fertigung sowie auf ein Verständnis für Pro1╇ Der ausgeschriebene Titel des ZeuS-II- Projektes lautete „Leichtbau-SOFC für stationäre und mobile Anwendungen“ und wurde von 2004 bis 2006 vom BMWi gefördert.
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zessabläufe und deren Grundlagen gelegt. Im Rahmen des Transferprojektes haben deshalb Mitarbeiter des Unternehmens zum Teil längere Zeit in Jülich verbracht, sind dort von den Mitarbeitern des Instituts im Technikum aus- und weitergebildet worden und haben sich so entsprechende wissenschaftliche und Fertigungsexpertise angeeignet. Der Prozess des Wissenstransfers ist inzwischen abgeschlossen: Sämtliches Wissen bezüglich der Werkstoffe, der Zwischenprodukte wie Pasten, Suspensionen und der Verfahren inklusive aller diesbezüglich anhängenden Patente, die das IEF-1 respektive das FZJ als Patentinhaber hielten, hat die Firma CeramTec erworben. Die Kooperation wird in einem Anfang 2007 begonnenen und auf vier Jahre angelegten Anschlussprojekt ZeuS III fortgeführt, das die weitere Industrialisierung der Ergebnisse von ZeuS II zum Ziel hat und in dem das Institut weitgehend Dienstleistungsaufgaben hinsichtlich der Fortentwicklung und der Testung industriell gefertigter Brennstoffzellenkomponenten wahrnimmt. Parallel zum hier betrachteten Transfervorhaben existierte eine zweite Industriekooperation mit der Firma Saint Gobain. In deren Rahmen wurde nicht nur das Wissen für die Zellfertigung, sondern das Know-how für das gesamte SOFC, also auch für die Stack-Fertigung und periphere Systeme, übertragen. Diese Zusammenarbeit wurde im Rahmen von InnoMat nicht intensiver betrachtet und wird darum hier nicht weiter ausgeführt.
4.3 Projekte aus Fraunhofer-Instituten 4.3.1 E ntwicklung von Schäumen aus thermoplastischen Polymeren Bei der Herstellung von Kunststoffbauteilen im Spritzgießverfahren wird auf einen Kunststoffträger ein Schaum aufgebracht, der Treibmittel erhält. Anschließend wird das Bauteil mit einer Folie abgedeckt (kaschiert) und das Bauteil erwärmt. Das dabei entweichende Treibmittel schäumt das Bauteil auf. Beim anschließenden Abkühlen erhärtet dann das Bauteil. Auf diese Weise werden beispielsweise im Automobilbereich Armaturen oder Lenkradsäulen hergestellt. Spritzgießen ist dabei ein sehr schneller Prozess (wenige Sekunden), das Schäumen dagegen benötigt deutlich längere Zeiten (ca. 30€sec). Wird der gesamte Prozess in einem Schritt durchgeführt, hat dieser eine relativ lange Taktzeit, was wiederum Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des gesamten Prozesses hat. Daher wird das Schäumen normalerweise in einem zweiten Prozessschritt durchgeführt. Der Einsatz von Mikrowellenstrahlung, die durch das Dekor hindurch den Kunststoffschaum unmittelbar erwärmen kann, würde zu einer deutlichen Verringerung der Taktzeit im zweiten Prozessschritt führen. Ziel des Projektes „Entwicklung von Schäumen aus thermoplastischen Polymeren“, das von Forschern des „Fraunhofer Instituts für Chemische Technologie“ (ICT) aus Karlsruhe durchgeführt wurde, war
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es daher, einen Schaum zu entwickeln, der für einen Einsatz von Mikrowellenstrahlung besonders geeignet ist. Die Idee zu diesem Projekt entstand im Jahr 2002 bei einem Besuch von Vertretern des ICT bei einer Firma aus dem Bereich Kunststofftechnik. Da eine Kooperation mit dieser Firma jedoch nicht zustande kam, das ICT das Thema aber als besonders vielversprechend empfand, wurde mit einer sogenannten Vorlaufstudie begonnen, für die aus dem Etat des ICT ca. 10.000€DM zur Verfügung standen. Mit derartigen Vorlaufstudien können in Fraunhofer-Instituten Ideen, die für tragfähig gehalten werden, soweit umgesetzt werden, dass die technische Realisierbarkeit dieser Idee demonstriert werden kann. Danach wird das Projekt sich selbst überlassen, und eine Fortführung hängt davon ab, ob Gelder aus der Industrie oder der öffentlichen Förderung eingeworben werden können. Allerdings wird unabhängig davon Werbung für die Entwicklung gemacht; das Projekt wird also in den „Bauchladen“ der anwendungsorientierten Forschungsofferten der FhG mit aufgenommen. Konkret wurden in dem Projekt zunächst Recherchen zu folgenden Fragestellungen durchgeführt: Welche Materialien sind schaumfähig? Welche Gasgeneratoren gibt es und wie lassen sich die Zersetzungstemperaturen der Gasgeneratoren beeinflussen? Wie kann der Blasenbildungsprozess beim Schäumen stabilisiert werden? Anschließend wurde dann ein geeignetes Granulat hergestellt und in einer Spritzgießmaschine zu einer Platte verarbeitet. An dieser Stelle wurden die Arbeiten schließlich aber eingestellt. Sie sollen weitergeführt werden, wenn ein Industriepartner gefunden worden ist, der Interesse an der Entwicklung hat, diese finanziert und gemeinsam mit dem ICT zur industriellen Anwendung bringt. Dies scheint aber schwierig zu sein, da die herkömmlichen Verfahren gut etabliert sind und für das neue Verfahren die erforderlichen Materialien deutlich teurer sind; obwohl gleichzeitig die Zykluszeiten kürzer und Recycling leichter möglich ist, wurde diesem Schäumverfahren im Untersuchungszeitraum noch keine Bedeutung zugeschrieben. Dieses optimierte Schäumverfahren weist also auf den ersten Blick keine großen Vorteile auf. Konkrete Wirtschaftlichkeitsrechnungen konnten aus Mangel an entsprechenden Daten aus der Industrie bisher nicht durchgeführt werden. Ende 2007 fanden Gespräche mit einer Firma aus einem vollständig anderen Anwendungsbereich jenseits der Automobilindustrie statt. Diese Firma plante, eine vollkommen neue Produktlinie zum Schäumen von Materialien aufzubauen, hätte also ideale Voraussetzungen für den Einsatz des beim ICT entwickelten Prozesses und Verfahrens geboten. Allerdings wurden dann lediglich Vorversuche durchgeführt und gemeinsam mit der Firma eine Prototyp-Anlage aufgebaut. Alle weiteren Arbeiten hat die Firma aus Kostengründen dann zunächst in Eigenregie durchgeführt, die Arbeiten wurden Ende 2008 eingestellt. Das ICT hatte 1994 im Rahmen einer Kooperation mit der Industrie begonnen, mit Mikrowellen zu arbeiten. Dieses Kooperationsprojekt wurde erfolgreich abgeschlossen und aufgrund der guten Erfahrung wurde die Entscheidung getroffen, dass mit Mikrowellen – speziell auf dem Gebiet „Heizen von Kunststoffen“ – weiter gearbeitet wird. Dies wurde damit begründet, dass man davon ausgeht, dass der Einsatz der Mikrowelle eine immer größere Rolle beim Erwärmen von Bauteilen
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oder Produkten spielen wird. Ein Indiz hierfür ist, dass die Arbeitsgruppe im Zeitraum von 2003 bis 2006 von sechs auf 14 Personen gewachsen ist.
4.3.2 S teuerungskomponenten auf der Basis von Carbon-Nano-Tubes Technischer Gegenstand des im Rahmen des Projektes begleiteten Transfervorhabens am „Fraunhofer Institut für Silicatforschung“ in Würzburg sind Aktuatoren aus Kohlenstoff-Nanoröhren (CNT), als Projektkürzel auch benannt als „CarNAk“ (Carbon-Nanotube-Aktuatoren). Der Arbeitstitel des begleiteten Vorhabens lautete „Entwicklung von Aktuator-Systemen auf der Basis von Kohlenstoff-Nano-Tubes“. CNT sind eine Kohlenstoff-Modifikation, in der sich Kohlenstoff-Atome zu nanoskopisch kleinen röhrenförmigen Gebilden zusammengefügt haben. In ihrer einfachsten Form kann man sich CNT als „aufgerollte“ Graphitebene vorstellen. Je nachdem, in welchem Winkel das aus sechseckigen Waben bestehende Netz des Graphits zur Röhre gerollt wird, entstehen dabei verschiedene Strukturen mit jeweils unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften. Im Rahmen von Forschung und industrieller Fertigung sind bis heute zahlreiche Varianten von CNT hergestellt worden. Allgemein unterscheidet man zwischen ein- und mehrwandigen, zwischen offenen oder geschlossenen Röhren (mit einem Deckel, der einem Ausschnitt aus einer Fullerenstruktur gleicht) und zwischen leeren und gefüllten Röhren (beispielsweise mit Silber, flüssigem Blei oder Edelgasen). Darüber hinaus ist eine Funktionalisierung mit verschiedenen „angebauten“ Atomen oder Molekülen möglich. Eine mögliche Konfiguration in Aktuatoren sind dünne Schichten aus CNT, sogenanntes Buckypaper. Aktuatoren (eine weit verbreitete Übertragung des Englischen actuator, im Deutschen eigentlich korrekt als Aktor zu verwenden) bezeichnen im weiten Sinne technische Elemente, die eine Eingangsgröße in eine andersartige Ausgangsgröße umwandeln. Im engeren Sinne werden darunter – vor allem in der Steuerungs- und Regelungstechnik – Komponenten verstanden, die ein Eingangssignal in mechanische Arbeit, in eine Bewegung umsetzen. Beispiele hierfür sind etwa Greifer, Ventile, Kupplungen oder auch „künstliche Muskeln“. Mikroaktuatoren finden schon heute breite Anwendung, unter anderem in der Fahrzeugtechnik und im medizinischen Bereich. Dabei werden für die Erzeugung einer mechanischen Auslenkung sehr unterschiedliche physikalische Prinzipien angewendet, die jeweils mit dem Einsatz anderer Funktionsmaterialien verbunden sind. So kennt man unter anderem elektromagnetische, elektrostatische, elektrostriktive, piezoelektrische, magnetostriktive, thermomechanische und ShapeMemory-Mikroaktuatoren. Heutige piezoelektrische Bauelemente weisen den Nachteil auf, dass zur Erzeugung vergleichsweise kleiner Ausdehnungsänderungen (die die „Bewegung erzeugen“) relativ hohe Spannungen erforderlich sind und sie aus Materialien mit einer
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hohen spezifischen Dichte gefertigt werden. Hier verspricht der Einsatz von CNT neues Entwicklungspotential, da diese hohe Dehnungen (bis 1€%), niedrige Steuerspannungen (im unteren Volt-Bereich) und eine niedrige Dichte (mit Elektrolyt im Bereich <2€g/cm3) aufweisen. Darum könnten sie, ließen sie sich technisch sicher realisieren, nicht nur in technischen Geräten, sondern auch innerhalb des menschlichen Körpers eingesetzt werden. Ein von Protagonisten dieser Entwicklung immer wieder angeführtes Entwicklungsziel ist daher auch der künstliche Muskel als Teil eines Implantats. Bei dem hier näher betrachteten, in 2005 begonnenen Vorhaben, handelt es sich um ein Projekt, das mit internen Mitteln der FhG gefördert wurde. In der FhG gibt es einen gewissen Verfügungsfonds des Vorstandes, in dessen Rahmen sich Institute mit neuen Zukunftsthemen in einem Wettbewerbsverfahren um eine Förderung bewerben können. Der Bewerbungsaufwand wurde als vergleichbar mit einem BMBF- oder DFG-Projekt beschrieben. Insgesamt wurden rund 3,5€Mio.€€ für eine Gesamtlaufzeit von drei Jahren beantragt. Mit der Zuwendung geht die Verpflichtung der so geförderten Institutionen einher, innerhalb von zwei Jahren das Doppelte dieses Betrags als zusätzliche Erträge nachzuweisen. Kernziele des Vorhabens waren die reproduzierbare Herstellung von CNT, Verfahren zur Reinigung, Dispergierung und Oberflächenmodifizierung von CNT sowie deren Ausrichtung, Bewertung der Toxizität und Biokompatibilität, neue Elektrolyte, neue Konzepte zu Elektrodierung, Design und Aufbau von aktuatorischen Strukturen mit optimierter Dehnung im Prozent-Bereich, die Simulation von CNT und CNT/Elektrolyt-Interaktionen auf atomistischer und auf makroskopischer Ebene sowie die Charakterisierung und Zuverlässigkeitsuntersuchungen. Im Verlaufe des Projektes zeigten sich Schwierigkeiten auf der wissenschaftlich-technischen Seite. So ist es wohl wider Erwarten nicht gelungen, innerhalb der Laufzeit einen Festkörperelektrolyten herzustellen, der für die anvisierten Anwendungen entsprechend schnell schalten kann. Für die im Moment möglichen nachgewiesenen Schaltzeiten gibt es kaum attraktive Verwendungen. Ungeachtet dessen gilt dem Interviewpartner das Projekt insgesamt als gelungen. Einerseits sei es gelungen, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Arbeitsgruppen gut und konstruktiv zu organisieren. Zum anderen wurde die Weiterführung der F&E-Arbeiten in einem anderen organisatorischen Rahmen gesichert. Die oben beschriebenen Transferideen werden im Rahmen des im April 2009 gegründeten und mit 3€ Mio.€ € durch den Freistaat Bayern geförderten Zentrums Smart Materials (CeSMa) in Würzburg weiter verfolgt. Die Förderquote beträgt 50€%, d.€h. innerhalb der Laufzeit dieses Projektes von fünf Jahren sind die wissenschaftlichen Partner aufgefordert, die komplementären 3€Mio.€€ bei der Industrie zu akquirieren. Damit dies gelingen kann, ist die Technik zu einem bestimmten Reifegrad weiterzuentwickeln, da nach Erfahrung des Interviewten den Industriepartnern ein reiner Nachweis des physikalisch-technischen Effektes für den Beginn einer Entwicklungskooperation in der Regel nicht ausreicht. Die Entwicklung eines entsprechenden Demonstrators, der die Funktionsfähigkeit der Idee in einem an-
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wendungsähnlichen Setting nachweist, ist darum ein Ziel der nächsten Phase. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei die Elektrolyt-Entwicklung ein. Der Umfang der tatsächlichen Kooperation mit (möglichen) Transferpartnern aus der Industrie wurde über die gesamte Laufzeit dem InnoMat-Projektteam nicht transparent. Immer wieder wurde die Zusammenarbeit mit verschiedenen Industriepartnern angeführt. So wurden in den Interviews unter anderem die Firmen Otto Bock AG als Partner für die Entwicklung von künstlichen Muskeln und Liebherr als Anwendungspartner für Aktuatoren im Aerospace-Bereich angeführt. Ein genauerer Einblick in Inhalte und Umfang dieser Zusammenarbeit wurde uns mit Verweis auf bestehende Geheimhaltungsvereinbarungen – deren Abschluss als Standardpraxis sogar schon in der Anbahnungsphase von Kooperationsprojekten geschildert wurde – jedoch nicht gewährt.
4.3.3 „ Nano-Keramiken“ des Fraunhofer Instituts für keramische Technologien und Sinterwerkstoffe, Dresden Im Mittelpunkt des Projekts „Nano-Keramiken“ des „Fraunhofer Instituts für keramische Technologien und Sinterwerkstoffe (IKTS)“ in Dresden steht nicht der Transferverlauf anhand einer konkreten Materialentwicklung, sondern eine institutionelle Innovation, die der Vorbereitung und Anbahnung von Transferkontakten insbesondere mit kleinen und mittelständischen Unternehmen dienen soll. Zu diesem Zwecke wurde am Standort des IKTS und der sechs anderen beteiligten FhG-Institute (IPK Berlin, ISC Würzburg, IWM Freiburg, IZFP Saarbrücken, LBF Darmstadt und IPT Aachen) als Projekt der Fraunhofer-Allianz Hochleistungskeramik das Fraunhofer-Demonstrationszentrum „AdvanCer“ eingerichtet. Dies erfolgte mit Eigenmitteln der FhG über drei Phasen von jeweils zwei Jahren Dauer – eine erste, Anfang 2005 begonnene Phase mit einer relativ hohen Förderung, eine zweite Phase mit einer reduzierten Förderung und eine dritte Phase ohne Förderung. Im Rahmen dieser Förderung wurden unter anderem an den sieben Standorten Demonstratoren für Keramiktechniken und –anwendungen aufgebaut sowie ein Newsletter entwickelt und veröffentlicht. Verbunden mit dem Demonstrationszentrum in Dresden ist der „Treffpunkt Keramik“: eine Dauerausstellung, in der repräsentative Keramikexponate und Anwendungen der verschiedenen Mitglieder das ganze Spektrum der Technischen Keramik präsentieren sollen. Auf rund 160€ m² – jeweils rund ein Drittel besetzt durch Demonstratoren, Angebote von Unternehmen und der Vorstellung der Möglichkeiten des IKTS – werden die vielfältigen Optionen, keramische Komponenten als Prototyp oder Serienbauteil herzustellen, im Rahmen einer vollständigen Wertschöpfungskette dargestellt. Diese Exposition geht zurück auf ein Technologietransferprojekt in Nordrhein-Westfalen mit vergleichbarer Ausrichtung, das von 1989 bis 1996 lief und aus dem zudem auch die TASK GmbH (TechnologieAgentur Struktur-Keramik) hervorgegangen ist. Mitglieder der Gesellschaft sind neben Fraunhofer-Instituten rund 30 Unternehmen aus der keramischen Industrie.
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Die Gesellschaft erbringt vor allem Beratungs- und Ausbildungsleistungen für ihre Mitglieder und weitere interessierte Unternehmen. Der stellvertretende Institutsleiter und Verwaltungsleiter des IKTS ist zugleich Geschäftsführer der TASK GmbH. Mit dieser Einrichtung reagieren die Initiatoren zum einen auf eine von ihnen wahrgenommene forschungsorganisatorische Schwäche. Einerseits erwarten neue Kunden für Keramikmaterialien oder –technologien technologische Beispiele bzw. Demonstratoren, um eine Informationsgrundlage für ihre (möglichen) Kooperationsentscheidungen zu haben. Andererseits dürfen Fraunhofer-Institute Entwicklungsergebnisse, die sie im Rahmen von Industrieprojekten gewonnen haben, oft nicht ohne weiteres kommunizieren, da die Ergebnisse den Industriepartnern „gehören“ und dem auch vertragliche Verpflichtungen der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen entgegen stehen (z.€B. in Form von Geheimhaltungsvereinbarungen). Die Ausstellungsstücke stellen hier typischerweise einen pragmatischen Kompromiss dar: Sie zeigen an sich bekannte, im Rahmen von Eigenprojekten erworbene Erkenntnisse in einem den Forschern sinnvoll erscheinenden Anwendungsfall und demonstrieren so die Leistungsfähigkeit von Entwicklungsergebnissen, ohne Kundenwissen zu offenbaren. Als zweites Transferproblem wird eine defensive Haltung der Keramik herstellenden Industrie gegenüber potentiellen Kunden genannt. Oft gäbe es noch ein Bewusstsein, dass „alle schon zu ihnen kommen, (…) wenn sie was wollen.“ Es hätte sich aber gezeigt, dass das insbesondere von kleinen Firmen betriebene aktive Marketing in vielen Fällen erfolgreicher gewesen sei als die in größeren Unternehmen vorzufindende erfolgsgewohnte Trägheit. Dies zeige die Notwendigkeit einer guten Kommunikation mit den potenziellen Kunden, der man sich auch als Forschungsinstitut nicht verschließen könne. Als Erfolgsbeispiel, zu dem das Demonstrationszentrum wesentlich mit beigetragen hat, wurde auf das Co-Shaping, den Mehrkompontentenspritzguss als Fertigungsprozess, verwiesen. Diese Technologie sei ursprünglich auch als Demonstrator im Zentrum vertreten gewesen. Man habe sich aber dann entschieden, sie daraus zu entfernen und nur noch auf Projektebene weiterzuführen, weil das Verfahren inzwischen in mehreren BMBF- und EU-finanzierten Kooperationsprojekten weiter verfolgt werde. Sowohl das Demonstrationszentrum „AdvanCer“ als auch die Ausstellung „Treffpunkt Keramik“ bestehen zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches fort. Die Arbeit des Demonstrationszentrums an den Standorten der Mitgliedsinstitute der Fraunhofer-Allianz Hochleistungskeramik wird begleitet durch eine aktive Präsentation auf Industriemessen. Beispielsweise ist unter dem Begriff „Treffpunkt Keramik“ auf der Hannover-Messe gemeinsam mit der Technologieagentur Strukturkeramik eine Plattform entstanden, um technische Keramik und ihre Hersteller zu präsentieren. Organisatorischer Hintergrund ist hier, dass die Keramik-Hersteller und diesbezügliche Forschungseinrichtungen zwar auch schon auf der Messe präsent waren, aber verteilt auf viele Hallen mit jeweils kleiner Ausstellfläche als Einzelanbieter „untergingen“. Durch die Bündelung in einem zentralen, leichter aufzufindenden Ort und die gemeinsame Darstellung von Wettbewerbern in einem thematischen Block sei die Wahrnehmung auch durch Vertreter anderer Branchen
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entschieden verbessert worden. Inzwischen habe auch der Verband der Keramischen Industrie mit seinen Mitgliedern das gleiche Standkonzept übernommen und sich in der Nähe des Treffpunktes Keramik platziert.
4.4 Projekte aus Technischen Universitäten 4.4.1 Materialien mit Formgedächtnis Das Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen (ITA) beschäftigt sich mit der Entwicklung von Textilmaschinen und -komponenten, neuen Werkstoffen, neuen Verfahren zur Herstellung von Textilien, neuen textilen Strukturen, sowie neuen Produkten (z.€ B. Faserverbundwerkstoffe, Medizintextilien). Im Forschungsschwerpunkt „Medizintechnik“ werden neue Werkstoffe für Anwendungen in der Medizintechnik entwickelt. Ziel des hier betrachteten Transferprojekts „Erschließung von Anwendungsfeldern für Materialien mit Formgedächtnis (NiTiNol) in der Medizin“ ist die Entwicklung eines innovativen Herstellverfahrens von Gefäßstützen, so genannten Stents. NiTiNol ist eine Legierung aus Nickel und Titan mit sehr speziellen Eigenschaften. NiTiNol ist bei Zimmertemperatur leicht zu verformen. Wird es aber über eine bestimmte Temperatur erwärmt, so nimmt es eine vorher festgelegte Form an. Es gehört daher zu den Materialien mit Formgedächtnis. Darüber hinaus ist NiTiNol ein biokompatibler Werkstoff, der seit einigen Jahren zunehmend auch für medizinische Implantate und Komponenten für interventionelle Behandlungstechniken eingesetzt wird. Ein Anwendungsfeld sind die bereits angesprochenen Stents bzw. Mikrostents. Ein Stent ist ein medizinisches Implantat, das in Hohlorgane eingebracht wird, um sie offen zu halten. Es handelt sich dabei meist um ein kleines Gittergerüst in Röhrchenform, im hier betrachteten Fall aus NiTiNol. Verwendung finden Stents u.€a. in Blutgefäßen, speziell den Herzkranzgefäßen, um nach deren Aufdehnung einen erneuten Verschluss zu verhindern. Die Aufdehnung des Stents erfolgt dabei, bedingt durch das Formgedächtnis des Materials, durch die Erwärmung im Körper. Im konventionellen Herstellverfahren werden NiTiNol-Stents aus vorgefertigten Röhrchen mittels Laser gefräst. Dabei fallen, bezogen auf die für den Stent benötigten Mengen an Ausgangsmaterial, große Mengen an Abfall an. Darüber hinaus ist der Durchmesser der Stents abhängig vom Durchmesser der Röhrchen und daher wenig flexibel. Ziel des Transferprojektes ist es nun, diese Stents aus NiTiNolDrähten zu flechten. Auf diese Weise wird es möglich, Stents herzustellen, die in ihrer Größe variabel sind. Da beim Flechten nahezu keine Abfälle anfallen, dürften bei diesem Herstellverfahren die Kosten deutlich geringer sein. Allerdings lagen zu Beginn des Projektes keinerlei Erfahrungen darüber vor, wie sich NiTiNol auf konventionellen Textilmaschinen verarbeiten lässt. Drähte verhalten sich anders als Textilien. Textilien besitzen eine gute Drappierbarkeit, bei NiTiNol gibt es eine Reibung zwischen Metall und Metall und damit eine Reibung zwischen NiTiNol-Draht und Maschine. Daraus kann eine Zerstörung
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von Materialien resultieren. Die Aufgabe besteht nun darin, die Maschinen beispielsweise durch Oberflächenbeschichtungen so zu modifizieren, dass derartige Probleme nicht auftreten. Darüber hinaus musste Erfahrung mit der Verarbeitbarkeit (wirken, weben, stricken, flechten) des Materials gesammelt werden. Im Rahmen von Gesprächen zwischen Mitarbeitern des ITA und Ärzten des Universitätsklinikums Aachen wurde der Wunsch geäußert, flexible Stents zu entwickeln. Zu einem späteren Zeitpunkt bot dann eine Firma, die bereits NiTiNol-Stents herstellt, dem ITA das Ausgangsmaterial zu einem Vorzugspreis an, da diese Firma Interesse an einem alternativen Herstellverfahren von Stents hatte. Daraus entwickelte sich zunächst ein Eigenprojekt, dann ein Forschungsprojekt, das von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) gefördert wurde. In diesem Projekt wurden zunächst Materialuntersuchungen im Hinblick auf die maschinelle Verarbeitbarkeit von NiTiNol-Drähten durchgeführt sowie verschiedene Verarbeitungstechniken (wirken, weben, stricken, flechten) untersucht. Obwohl die Herstellung der Stents – sowohl handgefertigt als auch maschinell – inzwischen einigermaßen funktioniert, kann der Transfer in die industrielle Anwendung nicht als abgeschlossen und daher bislang auch nicht als erfolgreich angesehen werden. Über Veröffentlichungen, Internetauftritte sowie persönliche Kontakte zu Medizinern ergaben sich zwar immer wieder Nachfragen und auch kleine Aufträge (maximal 100 Stück), eine Fertigung in großen Stückzahlen hat aber bisher nicht stattgefunden. So wurde im Fall des handgeflochtenen Mikrostents ein Industriepartner gefunden, der neben Laborgeräten auch „Zubehör“ für Tierversuche produziert. An diesen Industriepartner wurden einige wenige Stents geliefert, die dann an Mäusen in Kurzversuchen (wenige Stunden) getestet wurden. Ein großes Problem stellt auch die noch fehlende Zulassung der Stents für die Anwendung beim Menschen dar. Diese Zulassung, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen dürfte, kann nicht vom ITA geleistet werden. Aus Sicht des ITA wäre diese Zulassung Aufgabe des Industriepartners. Ein weiteres Problem für die industrielle Fertigung besteht in der relativ geringen zu produzierenden Menge an Stents. Nach einer groben Abschätzung des ITA benötigt der Weltmarkt ca. 180.000 Stück pro Jahr. Geht man von einem Marktanteil einer Firma, die diese Stents produziert, von ca. 10€% aus, so würde die Jahresproduktion maximal 18.000 Stück betragen. Diese Menge könnte bei maschineller Produktion in wenigen Wochen hergestellt werden. Sofern die Maschine für den Rest der Zeit nicht für die Produktion anderer Textilprodukte eingesetzt werden könnte, würde sich die Anschaffung einer derartigen Maschine nicht rentieren. Das ITA und der damit verbundene Lehrstuhl für Textilmaschinenbau beschäftigen ca. 50 wissenschaftliche Mitarbeiter und ca. 125 studentische Hilfskräfte. Die Forschungsdienstleistungen des Instituts – und dazu gehört auch das hier untersuchte Transferprojekt – werden in der Regel in Zusammenarbeit mit der zum Institut gehörenden Firma 3T TextilTechnologieTransfer GmbH angeboten und durchgeführt. Das hier untersuchte Transferprojekt wurde im Bereich Medizintechnik bearbeitet. In diesem Bereich sind ca. neun wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt. Die im Rahmen des InnoMat-Projekts durchgeführten Interviews wurden sowohl
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mit Mitarbeitern des Instituts (aus dem Bereich Textiltechnik und mit dem Institutsleiter) als auch mit Mitarbeitern der 3T GmbH durchgeführt. Bedingt durch die hohe Fluktuation der Mitarbeiter im Bereich Textiltechnik ergaben sich häufig Verzögerungen im Ablauf des Transferprojekts, da immer wieder neue Mitarbeiter eingearbeitet werden mussten.
4.4.2 Nanosilber aus Franken Die antimikrobielle Ausstattung von Polymeren ist an dem „Lehrstuhl für Polymerwerkstoffe des Instituts für Werkstoffwissenschaften“ der „Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg“, dem das Transfervorhaben „Antimikrobielle Ausrüstung von Polymeren durch silberhaltige Füllstoffe“ zuzurechnen ist, seit einigen Jahren ein etabliertes Arbeitsfeld. Der sogenannte „oligo-dynamische“ Effekt des traditionellen Werkstoffes Silber setzt an der Inaktivierung vitaler Enzyme von Bakterien an. Silberionen binden dabei funktionale Gruppen, die Schwefel-, Stickstoff- und Sauerstoff-Verbindungen besitzen und über diese denaturiert werden können. Gleichzeitig werden die Silberionen durch die DNA-Helix absorbiert und unterbinden so das Entstehen neuer Bakterien.2 Eine Vielzahl von Kunststoffen wurde in diesem Zusammenhang erfolgreich getestet und für sehr unterschiedliche Anwendungskontexte vorbereitet und z.€ T. auch vertieft geprüft. Analytisch betrachtet handelt es sich um F&E-Arbeiten, die sich mit der Freisetzungskinetik von Partikeln (hier: Nano-Silber) auseinandersetzen. Die Anwendungskontexte, die zu Beginn des Beobachtungszeitraums im Mittelpunkt standen, waren auf einen Hersteller von orthopädischen Produkten abgestellt. Bei diesen Produkten ist die Keimfreiheit von besonderer Bedeutung. Während der Erhebung zeigte sich schnell, dass die Aktivitäten, die als transfernah eingestuft werden können, sowohl sehr weit zurückreichen und gerade in ihrer Frühzeit auch auf eine marktnahe medizinische Anwendung ausgerichtet waren. Vor der Realisierung dieser Anwendung für die Orthopädiefirma wurden Projekte mit einer Landeseinrichtung zur Forschungsförderung und eine Beteiligung an einem EU-Projekt durchgeführt. Als die Kooperation mit der Orthopädiefirma auf der Ebene einer Service-Leistung verharrte und sich als nicht ausbaufähig erwies, wurde langfristig ein forschungszentriertes Arbeits- und Forschungsprogramm entwickelt und durchgeführt, das als eng verzahnte Interaktion zwischen Forschung (häufig drittmittelfinanziert mit unterschiedlichen Zuwendungsgebern, u.€a. DFG) und einer Vielzahl von Anwenderkontakten zu beschreiben ist. In diesem Zusammenhang wurden sowohl vielfältige universitätsinterne Kooperationen aufgebaut, die oft nur punktuell waren, in einzelnen Fällen aber auch zu langfristigen Kooperationsbeziehungen führten. Gleichzeitig wurden aber auch Kontakte mit Industriepartnern gepflegt und neu eingegangen, die an den Fragen von Silber-Nanopartikeln und der FreisetPositiv geladene Silberionen können bereits in Konzentrationen von 10−7 Gramm pro Liter antimikrobiell wirken.
2╇
4â•… Anwendungsfelder
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zungskinetik von Silberpartikeln Interesse besaßen. Diese Einzelkontakte führten zu einem Netzwerk von Kontakten mit sehr verschiedenen Anwendern, die über den Lehrstuhlinhaber integriert wurden, ohne jedoch die relative Ressourcenschwäche der universitären Einrichtung kompensieren zu können. Einzelne Mitarbeiter pflegten diese Kontakte häufig auch auf persönlicher Ebene. Insgesamt zeigte sich, dass über die Jahre sowohl ein großes Labor wie auch eine stabile Forschergruppe am Institut bestehen blieb, die sich immer wieder der Freisetzungskinetik von Silberionen widmen konnte. Entsprechend universitärer Gepflogenheiten war diese stark auf den Lehrstuhlinhaber ausgerichtet. Um den Lehrstuhlinhaber zentrierte sich das wissenschaftliche Team zur Freisetzungskinetik von Silberionen, das sich aus Doktoranden und einem promovierten Mitarbeiter zusammensetzte. Dieses Team war eingebettet in das mehrgliedrige Aufgabenprofil des Lehrstuhls für Polymer-Werkstoffe, das neben den vielfältigen Lehr- und Prüfungsverpflichtungen in den Werkstoffwissenschaften mehrere Transfervorhaben verfolgte. Insgesamt wurden diese Transfervorhaben von einem relativ großen und stabilen Forschungsteam getragen, dessen Personenzahl über die Zeit zwischen 20 und 40 Personen schwankte.3 Dieses Team gruppierte sich dabei um das Labor und den Lehrstuhl und pflegte zielgerichtet auch Kontakte mit anderen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Instituten, die vor allem zu ihrer Heimatuniversität gehörten. Da die Pensionierung des Lehrstuhlinhabers zum Ende des Untersuchungszeitraums anstand, muss die Weiterentwicklung des Forschungsteams als offen eingestuft werden. Der Nachfolger auf dem Lehrstuhl wird – wie es an Universitäten usus ist – entsprechend seiner Prioritäten und Kompetenzen seine eigenen Forschungs- und Transferlinien verfolgen. Allerdings ergab sich am Ende des Untersuchungszeitraums auch eine Gelegenheit, die eine attraktive Verlängerung der extern finanzierten Forschungsaktivitäten über den Pensionierungszeitpunkt des Lehrstuhlinhabers hinaus ermöglichte. Auslöser dafür waren Optionen, die auf Anwendungen abstellten, bei denen nanoskaliges Silber mit seinen antimikrobiellen Eigenschaften auf Interesse stieß. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Manuskriptes lassen sich diese Forschungsaktivitäten insbesondere im Hinblick auf ihre Transferorientierung noch nicht benennen. Sie zeigen jedoch, dass selbst traditionelle Materialien, die nicht im klassischen Sinn zu „advanced materials“ zu zählen sind, angesichts von Sprüngen in der Anwendungstechnik (hier von der Mikro- zur Nano-Ebene) auch für industrielle Anwender nicht einfach vorhersehbare neue Hochphasen erleben können. Die Suche nach Kontakten zu potentiellen Anwendern und Transferpartnern sowie die dabei aktivierten Netzwerke sind die üblichen „klassischen“ Wege, um Technologietransfer zu ermöglichen. Wissenschaftliche Veröffentlichungen und Vorträge auf Konferenzen und Workshops sowie die traditionell-wissenschaftszen3╇ Dabei sind neben den wissenschaftlichen Mitarbeitern auch die technischen Mitarbeiter des Labors, die zuarbeitenden BA-, MA- und Diplomarbeiten als auch die Dissertationen am Lehrstuhl mitgerechnet. Der Lehrstuhl-Inhaber betonte im Interview, dass alle Mitarbeiter jeweils, wenn auch oft nur punktuell, in die verschiedenen Transfervorhaben eingebunden waren.
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trierte Darstellung dieser Aktivitäten auf der Website des Lehrstuhls sind dabei auffallend. Einzelne Mitarbeiter werden als Ansprechpartner für spezifische Themen genannt; diese wiederum sind gleichzeitig an ein Lehrstuhlmanagement angekoppelt, das neben der Zentrierung auf Ausbildungs- und Forschungsnotwendigkeiten (Einsatz von Diplomanden für isolierte Vorarbeiten, gezielt entwickelte Promotionsvorhaben, EU-Projekte und Projekte mehrerer Stiftungen) eine Vielzahl von Anwenderkontakten in einem Modus integrierte, der als nachfragegesteuert zu klassifizieren ist. Professionelle Entscheidungen darüber, ob ein Kontakt zum Kompetenzprofil des Lehrstuhls passt und die nachgefragten Leistungen sowohl angesichts des vorhandenen Labors auch erbracht werden können, wurden bei den Arbeitsbesprechungen des Gesamtteams abgewogen und im Falle des Zustandekommens mit der Anwenderseite verbindlich verabredet und bearbeitet. Geheimhaltungsvereinbarungen, die an die Notwendigkeiten des Lehrstuhls angepasst waren, gehörten ebenso dazu wie die Aufforderung an qualifizierte Mitarbeiter, industrienahe Projekte in Eigenverantwortung voranzutreiben und dabei auch mit einem spezifischen Maß an Entscheidungsfreiheit und Eigenverantwortung zu agieren.
4.4.3 Der CFK-Skiroller aus Clausthal-Zellerfeld Wie in Abschn.€ 4.2.1 bereits beschrieben, bezeichnet kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK) einen Faser-Kunststoff-Verbundwerkstoff, bei dem Kohlenstofffasern, meist in mehreren Lagen, als Verstärkung in eine Kunststoffmatrix eingebettet werden. Die Festigkeit und Steifigkeit eines aus CFK hergestellten Materials ist in Faserrichtung wesentlich höher als quer zur Faserrichtung. Quer zur Faser ist sie geringer als bei einer unverstärkten Matrix. Deshalb werden einzelne Faserlagen in verschiedenen Richtungen verlegt. CFK wird verwendet, wenn hohe gewichtsspezifische Festigkeiten und Steifigkeit gefordert sind, z.€B. in der Luft- und Raumfahrt, im Fahrzeugbau oder für Sportgeräte. Bei Faserverbundwerkstoffen benötigt man, anders als bei herkömmlichen Werkstoffen, relativ aufwendige Rechenmethoden, um daraus hergestellte Bauteile rechnerisch auszulegen und sie beispielsweise im Hinblick auf Gewichtseinsparungen zu optimieren. Konstrukteuren in Industrieunternehmen stehen aber häufig nicht die nötige Erfahrung, aber auch nicht die Zeit und damit verbunden die finanziellen Mittel zur Verfügung, um entsprechende Entwicklungen durchzuführen. Ziel der Arbeiten des „Instituts für Polymerwerkstoffe und Kunststofftechnik“ der „Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld“ im Transferprojekt „Strukturoptimierungsstrategien durch Kombination von Verfahren und Werkstoffen am Beispiel von Faserverbundwerkstoffen“ ist es daher u.€a., am Beispiel unterschiedlicher Projekte bei industriellen Anwendern das Interesse an Einsatzmöglichkeiten von Faserverbundwerkstoffen zu wecken, um damit die Gestaltung von neuen Produkten für neue Märkte zu erleichtern, neue Anwendungsfelder zu eröffnen und Konstrukteure für diese neuen Materialien und damit verbunden für neue Konstruktionsmittel und neue Konstruktionswege zu sensibilisieren. Ein Beispiel hierfür ist die
4â•… Anwendungsfelder
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Entwicklung, Herstellung und Vermarktung eines Skirollers aus Faserverbundkunststoffen mit den Feder- und Dämpfungseigenschaften eines normalen Langlaufskis, ein Projekt, das vom „Europäischen Fond für Regionalentwicklung (EFRE)“ über eine Laufzeit von drei Jahren mit einem Gesamtbudget von ca. 670.000€€ gefördert wurde. Von diesem Gesamtbudget waren ca. 300.000€€ aus Drittmitteln finanziert. Potentielle Käufer derartiger Skiroller, die das Feder-/Dämpfungsverhalten der Langlaufskis im Winter möglichst exakt abbilden und damit ein Training auch in den Sommermonaten ermöglichen, sind Skilangläufer und Biathleten. Das Entwicklungsprojekt wurde in mehrere Teilziele aufgegliedert. Zunächst wurden Berechnungen erstellt, und es wurde eine erste Grobauslegung für den Skiroller definiert. Anschließend wurden Untersuchungen zur Prozessauswahl zur Herstellung des Skirollers durchgeführt und an einem Prototypen die ersten Prozessschritte vollzogen. Dabei stellte sich relativ schnell heraus, dass das angestrebte Ziel erreichbar ist. Darüber hinaus wurden an einem Prototyp Langzeituntersuchungen mit unterschiedlichen Beanspruchungen und Lastwechseln durchgeführt, um so zu überprüfen, ob der Skiroller auch langzeitstabil ist. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für den kommerziellen Einsatz des Skirollers. Ende des zweiten Projektjahres begann dann die Umsetzung in die Serie, indem man die einzelnen Arbeitsschritte optimierte, um so die Kosten für die Herstellung des Skirollers möglichst gering zu halten. Auf dem Markt für Skiroller gibt es etwa 15 unterschiedliche Anbieter. Dabei gibt es Roller aus Holz sowie aus Glasfaser. Beide Produkte sind nach Meinung des Interviewten dem Roller aus CFK jedoch deutlich unterlegen. Preislich liegt der CFK-Roller im oberen Preissegment der herkömmlichen Roller, aufgrund seiner überlegenen Funktionalität sollte er jedoch konkurrenzfähig sein. Allerdings wird mittelfristig kein großer Markterfolg erwartet, da der Abnehmerkreis sich auf den Bereich der Skiathleten beschränkt. Eine breite Anwendung in der Freizeitindustrie ist derzeit nicht absehbar; dies würde auch eine Automatisierung der Produktion erfordern, was derzeit nicht geplant und auch nicht finanzierbar ist. Die Idee zu dem Projekt entstand über den Kontakt eines Mitarbeiters des Instituts zu einer kleinen Firma mit zwei Mitarbeitern, die in jungen Jahren selbst Leistungsathleten waren und mit einem Skiroller aus Metall auf dem Markt sind. Diese Firma produzierte den Skiroller zunächst in Räumlichkeiten des Instituts. Dabei wurde sie von Mitarbeitern des Instituts bei der Optimierung der Struktur, des Verarbeitungsverhaltens und bei den Verarbeitungsprozessen beraten. Inzwischen hat die Firma auch eigene Räume, in denen sie die Skiroller auf Nachfrage in kleinen Stückzahlen (einige 100 pro Jahr) produziert. Eine Erweiterung auf eine Serienfertigung (ca. 5.000 bis 10.000 Stück pro Jahr) ist derzeit nicht geplant und auch nicht realisierbar. Dies wäre nur über ein weiteres Projekt, verbunden mit einer zusätzlichen Finanzierung, möglich und würde ca. ein Jahr in Anspruch nehmen. Aus Sicht des Interviewten hat ein derartiges Projekt jedoch keine Aussicht auf Genehmigung. Eine Alternative bestünde darin, Risikokapital auf dem Finanzmarkt zu beschaffen. Hierzu ist die Firma jedoch zu klein, das Marktpotential des Skirollers lässt sich nicht abschätzen, und es ist zu riskant, mit nur einem Produkt auf den Markt zu gehen.
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Für das Institut ist das Projekt daher inzwischen abgeschlossen. Der Skiroller ist auf dem Markt und im Einsatz, und es gibt Rückmeldungen, dass das Verhalten dieses Systems wesentlich besser ist als das eines herkömmlichen Metallskirollers. Allerdings fungiert das Institut weiterhin als Ansprechpartner für die Firma. Aufbauend auf den Erfahrungen aus der Konstruktionsweise des Skirollers werden ständig neue Projektideen entwickelt um so das Verständnis für die unterschiedlichsten Einsatzmöglichkeiten von CFK-Werkstoffen zu erweitern. Das Institut für Polymerwerkstoffe und Kunststofftechnik wurde im Jahre 1998 an der Technischen Universität Clausthal gegründet. Der Arbeitskreis im Institut hat derzeit insgesamt 22 Beschäftigte, davon 13 im wissenschaftlichen und neun im technischen und verwaltenden Bereich. Der Leiter des Instituts war nach Studium und Promotion zunächst bei der Firma Dornier in Friedrichshafen tätig und beschäftigte sich dort mit der Entwicklung von Bauweisen im Flugzeugbau, vorwiegend aus Faserverbundstrukturen. Anschließend wechselte er zur Firma AKZO in Wuppertal und wurde dort Leiter der Anwendungstechnik Faserverbundwerkstoffe. Danach wurde er Leiter des Bauweisenlabors der ETH-Zürich und beschäftigte sich dort schwerpunktmäßig mit der Faserverbundtechnologie. Im Rahmen dieser Tätigkeit entwickelte er ein Fahrrad aus Faserverbundstoffen, bei dem Steifigkeit und Feder-/Dämpferprinzip entsprechend umgesetzt wurden. Das Fahrrad ist seit 1996 auf dem Markt und wurde seitdem etwa 12.000 Mal produziert und verkauft. Die mit der Konstruktion dieses Fahrrads gewonnenen Erfahrungen flossen unmittelbar in die Konstruktion des Skirollers ein.
Literatur FZJ (2009) SOFC in Jülich. http://www.fz-juelich.de/ief/ief-pbz/sofc_juelich. Zugegriffen: 8. Dez. 2009
Kapitel 5
Wie Wissenschaftler Transferprozesse gestalten: Technologietransfer im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Wirtschaft Anna Schleisiek, Klaus-Rainer Bräutigam, Torsten Fleischer und Peter Hocke
Inhalt 5.1â•…Fragestellung ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓����������╇ 128 5.2â•…Empirisches Design und Vorgehen ����������������������������������尓������������������������������������尓������������╇ 129 5.3â•…Transferhandeln in der Materialforschung ����������������������������������尓������������������������������������尓�╇ 131 5.3.1╅╇ Wissenschaftliche Praxis und Technologietransfer ����������������������������������尓����������╇ 132 5.3.2╅╇ Wer sind die Akteure des Wissens- und Technologietransfers? �������������������������╇ 137 5.3.3╅╇ Was wird transferiert und in welchem Stadium? ����������������������������������尓�������������╇ 138 5.3.4╅╇ Zum Verlauf von Transfer-Vorhaben ����������������������������������尓�������������������������������╇ 140 5.3.5╅╇Welche Rolle sehen die Materialforscher dabei für sich selbst, welche für die Industrie? ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������╇ 155 5.3.6╅╇Interaktion mit Anwendern ����������������������������������尓������������������������������������尓����������╇ 158 5.3.7╅╇ Durch die Forschungsorganisationen gesetzte Rahmenbedingungen ����������������╇ 166 5.3.8╅╇ Rolle des WTT für die wissenschaftliche Praxis ����������������������������������尓�������������╇ 170 5.3.9╅╇ Hürden für den (erfolgreichen) Transfer ����������������������������������尓��������������������������╇ 173 5.3.10â•…WTT befördernde Bedingungen und Gestaltungsspielräume ����������������������������╇ 175 5.4â•…Ausblick ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓�����������������╇ 178 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 178
Zusammenfassung╇ Basierend auf einer qualitativen Studie werden in diesem Kapitel wichtige Schritte des Transferprozesses identifiziert. Dazu gehört die Identifizierung wesentlicher Akteure von Transferprozessen ebenso wie die Charakterisierung von Transfergütern und Beobachtungen des Verlaufs von Transfervorhaben. Ein Schwerpunkt liegt auf der bisher in der einschlägigen Literatur wenig beachteten Frage nach der Integration von Transferaktivitäten in die wis-
A. Schleisiek () Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), 76021 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected]
K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9_5, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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senschaftliche Praxis der Forschungsteams. Sie verfolgen Entwicklungslinien, in denen sie forschungs- und transferorientierte Aktivitäten miteinander verbinden. Das Handeln der Materialforscher lässt sich als Handeln unter verschiedenen Dimensionen von Unsicherheit charakterisieren, in dem Wissens- und Technologietransfer sich als ambivalente Anforderung an wissenschaftliche Praxis charakterisieren lässt, die Handlungsspielräume für die Forschergruppen sowohl eröffnet als auch eingrenzt.
5.1 Fragestellung Für die analytische Reflexion und Beantwortung der Frage nach den Merkmalen erfolgreicher Prozesse des Wissens- und Technologietransfers (WTT) ist mitentscheidend, wie sich Forscher selbst in diesen Prozessen verorten und mit welchem Verständnis sie diese Transferprozesse vorantreiben. Innerhalb des InnoMat-Projektdesigns wurde daher am Beispiel von neun „Transfervorhaben“ rekonstruiert, nach welchen Mustern das intendierte „Transferhandeln“, also die Interaktion zwischen untersuchten Materialforschungsteams und den Technologieanwendern in der Wirtschaft, gestaltet wird. Entsprechend ist herauszustellen, dass das Verständnis der Materialforscher von ihrer eigenen Forschungs- und Transferpraxis eine wichtige Einflussgröße für den Verlauf von Kooperationen zwischen Industrie und Forschung, aber auch von Innovationsleistungen insgesamt, darstellt. Transferhandeln ist im Fall von WTT in der Materialforschung immer auch die Interaktion an der Überschneidung zweier Felder, dem der Wissenschaft und dem der Wirtschaft. Die Perspektive der Materialforschungsteams auf diese Interaktion mit der Wirtschaft, die verschiedenen Dimensionen dieses Interaktionsverhältnisses und deren Reflexion, stellen den empirischen Kern dar, der in diesem Kapitel beschrieben wird. Ursprünglich war InnoMat auf einzelne „Forschungsprojekte“ aus verschiedenen Typen von Forschungsinstitutionen ausgerichtet, die über zwei Jahre begleitet werden sollten. Diese Konzeptionalisierung stellte sich jedoch nach den ersten intensiveren Kontakten und Interviews mit den Materialforschungspartnern als nicht haltbar heraus. Vielmehr waren die einzelnen Transfergüter, die in den Blick genommen werden sollten, als Teile von „Entwicklungslinien“1 zu begreifen. Zu einer Entwicklungslinie gehören alle Forschungs- und Entwicklungsarbeiten (F&E-Arbeiten) eines Forschungsteams, die sich um einen spezifischen Forschungsgegenstand gruppieren. Aus Entwicklungslinien heraus kann es dabei zu unterschiedlichen Transfervorhaben kommen. Innerhalb von Entwicklungslinien werden F&E-Arbeiten meist als zeitlich befristete Projekte gefasst. Um also das auf Transfer gerichtete Handeln der Forschungsteams beobachten zu können, musste der Blick über die Grenzen einzelner Projekte hinaus erweitert werden. Somit wurden „Transfervorhaben“ 1╇
Vgl. hierzu auch€5.3.1.1.
5â•… Wie Wissenschaftler Transferprozesse gestalten
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als Untersuchungseinheiten festgelegt. Unter einem Transfervorhaben werden deshalb hier im folgenden meist mehrere kleinere, miteinander in Verbindung stehende Forschungsprojekte verstanden, die sich in die Kontinuitäten und Kompetenzen der jeweiligen Materialforscherteams einbinden lassen und während der Analyseperiode, ausgehend von einem konkreten Forschungsprojekt mit einem spezifizierten Transfergut, im Zusammenhang rekonstruiert und beschrieben werden können. Diese Rekonstruktion und Beschreibung nimmt ihren Ausgangspunkt bei den Wissensbeständen, die bei den Materialforschern selbst handlungsleitend sind. Die Forschungsfrage, die in diesem Kapitel im Vordergrund steht, bezieht sich auf vier Aspekte: Organisation des Forschungsprozesses im Team, das Prozess- und das Selbstverständnis, projektbezogene Kontextstrukturen und institutionelle Rahmenbedingungen. Diese vier Aspekte sind mit den folgenden zwei Leitfragen verknüpft: 1. Wie organisieren Materialforscherteams den WTT, und welche Perspektive besitzen sie dabei auf den Prozess selbst? 2. Welche Kontextstrukturen und institutionellen Parameter beeinflussen dabei ihr Transferhandeln?
5.2 Empirisches Design und Vorgehen Um diese Forschungsfragen systematisch aufgreifen zu können, wurde die Studie empirisch angelegt. Da einschlägige Forschungsarbeiten zu den oben aufgeführten Fragestellungen, insbesondere zur ersten Fragestellung, fehlen, wurde ein explorativ angelegtes Verfahren gewählt, das sich vom quantitativen Vorgehen insofern unterscheidet, als nicht die Repräsentativität der Analyse im Mittelpunkt der Untersuchung steht. Stattdessen wird im Kern ein empirisches2 Design gewählt, das die Akteursperspektive einnimmt und die Handlungsorientierung und Deutungsmuster der beteiligten Materialforscher in das Zentrum der Analyse rückt. Das Vorgehen ist dabei vergleichend auf der Ebene der unterschiedlichen Transfervorhaben angelegt und greift auf eingeführte Konzepte der qualitativen Sozialforschung zurück (vgl. beispielsweise Gobo 2005; Flick et€al. 2005; Lamnek 2005). Um Transferhandeln innerhalb des oben beschriebenen Konzeptes von WTT angemessen untersuchen zu können, muss herausgearbeitet werden, welche Handlungen für den Transfer von Entwicklungen relevant sind, in welchem Kontext sie stattfinden und auf welchen (impliziten) Annahmen sie beruhen. Die Fragen richten sich also auf einen komplexen Gegenstand, der in möglichst vielen Facetten zu erfassen ist. Da sich die Frage auf das Handeln von Materialforschern, also 2╇ Eine ausführliche Darstellung der Überlegungen, die zum gewählten empirischen Design geführt haben, eine Diskussion des eingesetzten Verfahrens der qualitativen Sozialforschung und eine Dokumentation des Vorgehens finden sich im Anhang dieses Buches.
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Forschungsteams als Akteursgruppe, richtet, nimmt sie die „soziale Wirklichkeit“ dieser Akteure in den Fokus. Der methodologische Ansatz muss entsprechend in der Lage sein, den Facettenreichtum des Gegenstands als sozialen Gegenstand und damit als soziale Wirklichkeit zu erfassen. Dies ist durch Methoden der qualitativen Sozialforschung gegeben.3 Das gewählte Forschungsdesign soll es ermöglichen zu rekonstruieren, welche Transfervorhaben verfolgt wurden, zu welchen Kooperationen mit industriellen Anwendern es dabei kam und ob und in welcher Weise diese Aktivitäten in die sonstigen Aktivitäten des Forschungsteams und die jeweilige Kontextstruktur ihrer Forschungsorganisation eingebunden waren. So bilden sowohl der Transferverlauf als auch dessen Vorgeschichte die zentralen Aspekte der empirischen Rekonstruktion der neun untersuchten Transfervorhaben. Die Rekonstruktion basiert dabei auf der an der Grounded Theory (Glaser und Strauss 1967) orientierten Auswertung empirischen Materials, das im Rahmen des Forschungsprozesses in den neun Transfervorhaben aus drei verschiedenen Forschungskontexten (Institute in Technischen Universitäten (TUs), der Fraunhofer Gesellschaft (FhG) sowie der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF)) erhoben wurde. Dabei wurden vor allem Leitfadeninterviews mit erfahrenen Mitgliedern der Forschungsteams in drei Wellen durchgeführt. Diese Erhebungen wurden sowohl durch begleitende themenzentrierte Interviews und teilnehmende Beobachtungen bei Veranstaltungen der untersuchten Materialforschungsteams als auch durch drei Workshops ergänzt, in denen das Vorhaben InnoMat und dessen Zwischenergebnisse mit den beteiligten Materialforschungsteams besprochen und reflektiert wurden. Gerade diese Workshops waren Teil der gewählten dialogisch ausgerichteten Forschungsstrategie, in der die Diskussion der jeweils vorliegenden Ergebnisse mit den befragten und beobachteten Materialforschungsteams einen herausgehobenen Stellenwert hatte. Dabei wurde der Versuch unternommen, mittels des Forschungsprozesses die Materialforscher in einen Reflexionsprozess über ihr eigenes Tun zu integrieren. Als empirisches Material liegt somit die Auswertung von Interviewtranskripten, Beobachtungsprotokollen, Tonaufnahmen aus den Workshops und von Materialien der Materialforschungsteams (wie Homepages, Prospekte, Präsentationen) der folgenden Darstellung zugrunde. In der folgenden Ausarbeitung werden hauptsächlich Interviewzitate zur Verdeutlichung der Ergebnisse verwendet. In Abb.€5.1 wird das Forschungsdesign grafisch dargestellt. 3╇ Qualitative Sozialforschung versteht soziale Wirklichkeit als Ergebnis beständig ablaufender sozialer Konstruktionsprozesse. Die geteilte Prämisse qualitativer Sozialforschung ist: „dass Realität interaktiv hergestellt und subjektiv bedeutsam wird, dass sie über kollektive und individuelle Interpretationsleistungen vermittelt und handlungswirksam wird, (…)“ (Flick et€al. 2005, S.€21). Soziale Wirklichkeit wird durch die Handlungen und Interpretationen der Akteure erst hergestellt. Aus diesem Axiom leitet sich der erste methodologische Ansatzpunkt qualitativer Forschung ab: „die Konzentration [der Forschungsaktivitäten, die Verf.] auf die Formen und Inhalte dieser alltäglichen Herstellungsprozesse über die Rekonstruktion der subjektiven Sichtweisen und Deutungsmuster der sozialen Akteure“ (Flick et€al. 2005, S.€20). Qualitative Sozialforschung ist als solche gleichzeitig auch an Perspektiven gebunden, mit ihr kann lediglich eine „perspektivische Re-Konstruktion der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit“ (dies. Flick 2002, S.€21) geleistet werden.
Interview 3
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Interview 2
Datenerhebung
Interview 1
5â•… Wie Wissenschaftler Transferprozesse gestalten
Themenzentrierte Interviews
Beobachtungszeitraum
Vorgeschichte Interpretation und Dialog
Projekt 1 bis Projekt 9
4/06
10/08 Workshop 1
Workshop 2
Workshop 3
Abb. 5.1↜渀 Forschungsdesign InnoMat
5.3 Transferhandeln in der Materialforschung Wie gestalten die Materialforscher nun den WTT? Insgesamt ist festzuhalten, dass sich die institutionellen Rahmenbedingungen der Forschungsorganisationen der neun Materialforschungsteams, die in InnoMat beobachtet werden, hinsichtlich verschiedener Kriterien unterscheiden. Dazu gehören ihre unterschiedliche Ertragsorientierung, ihre Personalstruktur, ihre Orientierung auf wissenschaftlichen Output und ihre Finanzierung (s. auch Kap.€3 und 8). Die erforschten „Neuen Materialien“ stammen aus den Bereichen der Kohlenstofffaserverbundwerkstoffe (CFK), Nanomaterialen und Keramiken. Trotzdem lassen sich zahlreiche Gemeinsamkeiten beim WTT beobachten. Vor allem hinsichtlich der Wahrnehmung von WTT-Prozessen und des strategischen Umgangs mit ihnen dominieren die Gemeinsamkeiten. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Versäulung des deutschen Forschungssystems und der Diskussion um die unterschiedlichen Missionen der öffentlichen Forschungsorganisationen (Schmoch 2000, S.€XV€f.) überraschte die Beobachtung, dass bei fast allen Materialforschungsteams ein deutliches Nebeneinander von grundlagen- und anwendungsorientierten Arbeiten zu beobachten war.4 Für die folgende Darstellung der Beobachtungen sollen daher die Gemeinsamkeiten 4╇ Dass die Tendenz zu einer Homogenisierung der Forschungsorganisationen Teil des Wandlungsprozesses der deutschen Wissenschaftslandschaft ist, nehmen auch Knie et€ al. in einer Sondierungsstudie auf Initiative des BMBF (vgl. Knie et€al. 2002) an.
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im Vordergrund stehen. Anhand eines „typischen“ Verlaufs soll der Prozess eines WTTs aus der Perspektive der Forscher in seinen verschiedenen Stationen dargestellt werden. Zusätzlich zu diesem idealtypischen Ablauf eines Transferprozesses wird an einigen Stellen auf Differenzen zwischen den Transfervorhaben hingewiesen. Neben dieser prozessorientiert-deskriptiven Darstellung werden dann noch die folgenden Aspekte diskutiert: • Einfluss der Kontextstruktur und anderer Rahmenbedingungen auf die beobachteten WTT Vorhaben (vgl. insbesondere Abschn.€5.3.7), • Rolle des WTT für die wissenschaftliche Praxis (vgl. insbesondere Abschn.€5.3.8), • Hürden für den (erfolgreichen) Transfer (vgl. insbesondere Abschn.€5.3.9) und schließlich • befördernde Bedingungen bzw. Gestaltungsspielräume für WTT (vgl. insbesondere Abschn.€5.3.10)
5.3.1 Wissenschaftliche Praxis und Technologietransfer In der Materialforschung sind sehr lange Entwicklungszeiten für den Weg vom Labor in den Markt eher die Regel als die Ausnahme (vgl. Kap.€2). Für die vorausgehenden F&E-Arbeiten zu „neuen Materialien“ erläutern die Interviewten, dass die Zeiträume hier nochmals länger sind. Allein die Zeiträume der „Entdeckung“ bis zur Anwendung umfassen meist ein Jahrzehnt. Im folgenden Zitat5 beschreibt ein Forscher die „Geschichte“ der Entwicklungslinie, an der er arbeitet: Das ist so eine (…) Langfristgeschichte (…), als ich das 1986 erstmals gehört habe, habe ich gesagt- ‚Nee, wahrscheinlich geht das gar nicht.‘. Aber irgendwo setzt sich das fest. Es muss einen Weg geben- aber- [es hat](…) also (…) wirklich 15 Jahre gedauert und jetzt haben wir einen Weg. (…) jetzt, wie gesagt, haben wir 2008, noch mal sieben Jahre später. (…) in [einer] Phase, wo hier das Upskill gemacht wird für [das Verfahren] dazu. Und wenn alles gut läuft haben wir 2011 eine eigene europäische [Fertigung]. (FA1 W2 730)
Im WTT ihrer Entwicklungen sahen alle befragten Materialforscher eine ihrer Kernaufgaben. Die Forschung und Entwicklung neuer Materialien wird als ein Prozess beschrieben, der stark durch „Unsicherheiten“ gekennzeichnet ist. Wenn von den Materialforschungsteams über den Verlauf von Entwicklungslinien berichtet wird, stehen finanzielle, personelle und anwendungsbedingte Unsicherheiten sowie Unsicherheiten bei der Komponentenverfügbarkeit im Mittelpunkt: 1. Finanzielle Unsicherheit: Durch Unterbrechungen der Finanzierung, z.€B. durch Wartezeiten auf Folgefinanzierungen nach einem abgeschlossenen Projekt, wird immer wieder der Anschluss an den Stand der Forschung gefährdet. 5╇ Dieses, ebenso wie die folgenden Zitate, wurde im Interesse der besseren Lesbarkeit sprachlich geglättet.
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2. Personelle Unsicherheit: Personelle Diskontinuitäten können zum Abbruch oder „Versanden“ von Entwicklungslinien führen, wenn die Person, die die Entwicklungslinie im wesentlichen vorangetrieben oder verfolgt hat, nicht mehr in der Institution beschäftigt ist. Dies kann alle Hierarchieebenen (von der Qualifikation im Rahmen einer Promotion bis zur Institutsleitung) betreffen, wobei der Einfluss auf Entwicklungslinien mit der Höhe der Position in der Institution zunimmt. Hier erzählt ein Interviewter, wie der Weggang von Personen zum Ende einer Entwicklungslinie in seinem Institut geführt hat: Gut, aber jetzt/aber nur so/war noch eine Promotionsarbeit, die aber 1994 abgeschlossen an der [Name der lokalen Universität] dann- der Professor ging auch in Ruhestand später. Da wurde nichts mehr gemacht (FA1 W2 678)
3. Planerische Unsicherheit: Bei F&E-Arbeiten zu neuen Materialien handelt es sich um ein stark anwendungsorientiert arbeitendes Feld, in dem die Forschungsarbeiten durch Kooperationen mit Industrieunternehmen finanziert werden. Eine Unsicherheit für die Weiterführung von Entwicklungslinien wird im „Verhalten“ von Unternehmen gesehen.6 Auch deren strategische Ausrichtung wird von einigen Interviewten als undurchsichtig und für sie nicht antizipierbar beschrieben. Dies steht einer langfristig planbaren Kooperation im Weg. 4. Unsicherheit bei der Komponentenverfügbarkeit: Auch die Tatsache, dass bestimmte für ein Produkt benötigte Komponenten – aus verschiedenen Gründen – nicht zur Verfügung stehen, kann eine Entwicklungslinie gefährden. … ein Beispiel in dieser Sensorik, (…) vor 6 Jahren haben wir ein Projekt durchgeführt zur Überwachung eines [Fertigungsprozess mit dem zu transferierenden Verfahren]. Fantastisch funktioniert, wirklich gut funktioniert. Dann sind wir zum Anwender, das war ein DFG-gefördertes Projekt, der meinte, ‚Schön‘, macht er, wo sind die [technische Eigenschaft]. Dann sind wir die [technische Eigenschaft] suchen gegangen. Was war’s, [technischer Wert]… Fast unmöglich. Das war grad die Zeit, in der- [Autohersteller] das erste- [Innovation eines Autoherstellers] – in die Serie gebracht hat. Dann sind wir zu [großer Konzern]. ‚Das hatten wir eben gern [Innovation des Autoherstellers]. Aber nur [Teil der Innovation des Autoherstellers]‘. Dann haben die uns ne ganz böse Abfuhr gegeben. Das geben sie nicht raus. Insofern haben wir einfach vor der Situation gestanden, wir hatten keine Quellen. Klar, irgendwelche- Fraunhoferinstitute hätten irgendwie russische Quellen gehabt, aber (da) war nichts zu machen und heute bekommen Sie dieses Teil ohne Probleme für einen Preis von, ja, 7.000 Euro. (FB1 W2 438).
Nur am Rande wurde in den Interviews die Unsicherheit des Verlaufs von Entwicklungslinien selbst thematisiert. Wann und ob ein entscheidender Durchbruch gelingt, erscheint vor allem durch Zufälle bestimmt. Exemplarisch wird dies in der folgenden Interviewpassage beschrieben: … das ist schwer abzuschätzen. Es kann innerhalb der nächsten Monate ein Durchbruch geben, das einer zufällig den Knackpunkt findet, es kann aber auch sein, dass es (sich) noch Jahre hinzieht (UB1 W2 445).
All diese Dimensionen von Unsicherheit spielen nicht nur für die Forschungsarbeit eines Forschungsteams, sondern auch für den Technologietransfer aus der öffent6╇
Diesen Aspekt werden wir im Abschn.€5.3.6 noch einmal vertiefend aufgreifen.
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lichen Forschung zum Anwender eine herausragende Rolle. Schließlich bedeutet WTT, dass im Rahmen einer Entwicklungslinie entweder ein Teil des Wissens mit Unternehmen zusammen für deren konkrete Anwendung generiert oder Wissen der Forschungseinrichtung an ein Unternehmen transferiert wird. Die Materialforschungsteams charakterisierten also ihr Transferhandeln als Handeln unter Bedingungen deutlicher und schwer reduzierbarer Unsicherheit. Diese Vorbemerkungen sollen zunächst den Kontext verdeutlichen, in dem Transferaktivitäten in wissenschaftlichen Einrichtungen stehen. Im Folgenden soll WTT als Aktivität von Forschungsteams in den Blick genommen werden. Zunächst werden zentrale Schritte des Transferprozesses erläutert und problematisiert. Im zweiten Teil der deskriptiven Darstellung werden dann Vorstellungen, Bewertungen und andere handlungsleitende Aspekte in den Blick genommen.
5.3.1.1 W ie wird Wissens- und Technologietransfer an den untersuchten Forschungseinrichtungen betrieben? Forscherteams verfolgen generell „Entwicklungslinien“. Diese umfassen beispielsweise die Entwicklung eines neuen Materials als Hauptziel und seine Charakterisierung, Anpassung und Erprobung für unterschiedliche Anwendungen als Zwischenziele. Im Rahmen einer Entwicklungslinie soll es auch zu konkretem Technologietransfer kommen. Dabei soll idealerweise mit einem Anwender zusammen ein Transferprojekt initiiert werden, in dessen Rahmen es zu Entwicklungsleistungen und einem gegenseitigen Austausch von Wissen kommt. Das gemeinsam generierte Wissen soll dann wieder in weitere Entwicklungsarbeiten einfließen, möglicherweise im Rahmen eines erneuten Transferprojektes für eine andere Anwendung. In diesem Sinne sind WTT-Projekte keine isolierten Aktivitäten, sondern aus der Perspektive der Materialforschungsteams diskrete Abschnitte einer kontinuierlichen, typischerweise längerfristigen Entwicklung. Abbildung€5.2 verdeutlicht diesen Ablauf grafisch. Forschungsteams beschreiben ihr Vorgehen bei der Verfolgung von Entwicklungslinien als strategisch: Sie nutzen Transferaktivitäten, um damit zur Kontinuität ihrer Entwicklungsarbeiten beizutragen. Eine lineare Entwicklung wird favorisiert, Entwicklungslinien sind aber selten linear.7 7╇ „Entwicklungslinien“ ist dabei alleine als analytisches Konzept zu verstehen, das die Planung der F&E-Arbeiten für das Materialforschungsteam an einer Forschungseinrichtung bezeichnet. Es ist explizit nicht im Sinne eines linearen Modells von Innovationsprozessen (vgl. Kap.€1) zu verstehen. Des Weiteren ist das Konzept der Entwicklungslinie auch in Abgrenzung zum Begriff der Forschungslinie („lines of work“, Gerson 1983) als spezifische Ausrichtung einer Forschungsgruppe zu verstehen, die gerade aus der je eigenen Verfolgung von Forschungs- und Transferaktivitäten besteht. Mit der Verfolgung von Entwicklungslinien tragen die Forschungsgruppen wiederum zu Erkenntnisfortschritten in Forschungslinien bei.
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Abb. 5.2↜渀 Rekonstruktion der idealen Integration von WTT in den Forschungsprozess entlang einer Entwicklungslinie aus Sicht der Materialforscher
Gegenstand wissenschaftsgetriebener Transferaktivitäten können sowohl aktuelle als auch weiter zurück liegende Forschungsarbeiten sein. Oft wurde berichtet, dass Entwicklungen nur bis zu einem bestimmten Stadium entwickelt werden. Oft ist dies der Nachweis der Machbarkeit oder das Erstellen eines Prototypen bzw. Demonstrators. Ab diesem Stadium soll die Entwicklung dann nur noch mit einem Anwender fortgeführt werden. Wenn Entwicklungsprojekte nicht in einen konkreten Transfer münden oder dieser zunächst scheitert, wird weiterhin versucht, diese Entwicklungen zu transferieren bzw. aus diesen Entwicklungen heraus noch weitere Forschungsaktivitäten zu generieren. Diese Entwicklungen werden dann in den so genannten „Bauchladen“ überführt, wie es dieser Interviewte bezeichnet: Dinge, die nicht in wenigen, im Prinzip nicht in mittelfristiger bis, beziehungsweise kurzfristiger Planung in ein finanzielles Projekt kommen, müssen wir außen vorlassen oder zurückstellen. Wir haben so einen Bauchladen und gehen dann mit dem Bauchladen mehr oder weniger zu den Firmen und sagen, das haben wir und das haben wir, könnten sie sich vorstellen, das mit uns zu entwickeln. (FB1 IW1 26)
Er führt diese Strategie für einen konkreten Fall aus: Im Moment wird an dem Projekt nicht weiter gearbeitet, wir nehmen das in den Bauchladen, mit dem wir dann auf Akquisitionstour gehen und stellen diese Dinge immer vor. Und daraus wird sich sicherlich bald, da bin ich hoch/ziemlich zuversichtlich, in den nächsten paar Jahren was ergeben. (FB1 IW1 58–59)
Entwicklungen werden oft in einer solchen Form von „Stand-by“ Modus gehalten, das heißt die Forschungsteams verfolgen sie nicht aktiv in Form von Forschungsvorhaben weiter, stellen sie aber bei Firmenkontakten vor und suchen nach Möglichkeiten, diese Entwicklungen in ein in der Regel drittmittelgefördertes Projekt überführen zu können. Dies kann auch bedeuten, dass eine eigentlich schon für den Transfer gedachte Entwicklung in den „Bauchladen“ kommt und zu einem späte-
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ren Zeitpunkt z. B. in Form eines grundlagenorientierten Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) weiter entwickelt wird, wie in der folgenden Interviewpassage beschrieben: Wir hatten jetzt also diese intelligente Apparatur, diese [Name der Apparatur], also ein sehr empfindliches Instrumentarium, mit dem man [Eigenschaft] messen kann und kamen jetzt in diese Fragestellungen hinein: Wie sieht denn das überhaupt grundsätzlich aus? Und sind dann eben eine andere Richtung gegangen. Das hat jetzt also mit Wissenstransfer letztlich nichts mehr zu tun, aber vielleicht kommt es aber wieder mit ins Spiel. Und haben dann eben bei der DFG, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Projekte eingereicht, bei denen es um die Grundlagenfragen geht. Und da das so wichtige Fragen sind, haben wir dann Geld bekommen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und sind jetzt von der sehr anwendungsorientierten Forschung zur Grundlagenforschung gegangen. Ich erwarte aber, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dass aus dieser Grundlagenforschung wieder anwendungstechnische Forschung wird. (UB2 IW1 76)
In gleicher Weise gibt es Erzählungen darüber, wie eine zunächst anwendungsgetriebene Entwicklungsarbeit intern weiter geführt wurde: Ja. OK, da ist es natürlich so, dass das halt auftragsgetrieben ist. Wir entwickeln das ja nicht von uns aus weiter, das geht gar nicht. Wir brauchen da Aufträge natürlich und das muss halt von den Firmen kommen beziehungsweise von den Anwendern. Ja, wenn da was kommt, machen wir gerne was, aber so aus eigenem Antrieb machen wir das eigentlich weniger. Wir haben also irgendwann mal aufgehört, als wir gesagt haben ‚Gut, jetzt haben wir einen Stand erreicht, den kann man überall/den kann man anwenden.‘ Ja, und zum Beispiel diese [Anwendung] hergestellt, da war ja früher alles gefügt aus [Verfahren] und dann haben wir das im Rahmen von Studien- und Diplomarbeiten entwickelt, dass man die einteilig machen kann, und dann war für uns halt Stopp. Wenn jetzt jemand kommt und will was haben, dann können wir darauf zurückgreifen, haben das parat, aber werden natürlich jetzt nicht ewig weiter-. Das macht ja keinen Sinn, weil Sie müssen dann irgendwann mal die konkrete Anwendung haben, um es auch testen zu können, um zu sehen, ob es dann auch wirklich funktioniert oder nicht. Und dann kann man an dem konkreten Beispiel weiter entwickeln. Man kann also nicht so allgemein forschen und denken, dass man dann die beste [Name des Produkts] heraus bekommt. (HA1 W2 668–672)
Obwohl also der Interviewte eigentlich zu beschreiben scheint, dass die Arbeiten des Forschungsteams anwendungsgetrieben und fremdfinanziert erfolgen, erwähnt er auch eine Ausnahme von dieser Regel: Wenn bei einer Entwicklung ein (Innovations-)Potenzial vermutet wird, können von der Forschungseinrichtung eigenständig initiierte Arbeiten mit eigenen Mitteln zumindest bis zu einem bestimmten Punkt angehängt werden. 5.3.1.2 W ie lässt sich das Transferhandeln der Materialforscher am treffendsten charakterisieren? Technologietransfer ist somit Teil der Strategie von Forschungsteams, Entwicklungslinien zu verfolgen. Die Strategie für den WTT selbst kann am ehesten als eine Mischung von strategischem Handeln vor dem Hintergrund von Restriktionen und der Ausnutzung einer Gelegenheitsstruktur beschrieben werden. Auf einer abstrakten Ebene beschreiben fast alle Materialforschungsteams, dass sie auf bestimmte
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Leitanwendungen setzen, um so ihre Entwicklung am Markt zu positionieren und dadurch zu etablieren. Gleichzeitig lässt sich allerdings beobachten, dass die Praxis selbst mehr durch Zufälle gekennzeichnet zu sein scheint. Oft ergeben sich Gelegenheiten aus ungeplanten Kontakten und Begegnungen. Aus Firmenkontakten resultieren Anwendungsfelder, die den Forschern zuvor nicht präsent waren. Immer wieder wurde in den Interviews davon berichtet, dass ein Transferprojekt für ein bestimmtes Anwendungsfeld erst aus einer günstigen Gelegenheit, einem Zufall heraus, erwachsen ist. Dass erfolgreicher Transfer oft gerade aus diesen nicht antizipierbaren Gelegenheiten resultiert, ist den Materialforschungsteams bewusst. Es kann beobachtet werden, dass sie Gelegenheiten suchen, bei denen sich Zufälle und ungeplante Möglichkeiten ergeben, beispielsweise indem sie Entwicklungen im „Stand-by Modus“ halten und mit einem „Bauchladen“ Entwicklungslinien vorstellen, die augenscheinlich nicht zum eigentlichen Gesprächstermin mit dem Industriepartner gehören. Dies wird auch dadurch deutlich, dass in der Hälfte der Fälle der in InnoMat betrachtete Transfer im Rahmen einer dem Forschungsteam bisher unbekannten Anwendung erfolgt.
5.3.2 W er sind die Akteure des Wissens- und Technologietransfers? An einem WTT, wie er hier untersucht wird, sind unterschiedliche Akteursgruppen beteiligt: die Forschergruppe aus der öffentlichen Forschungseinrichtung sowie das beteiligte Unternehmen. Eine wesentliche Eigenschaft dieses WTT ist also, dass sich hier Akteure aus zwei gesellschaftlichen Teilsystemen begegnen: dem der Wissenschaft und dem der Wirtschaft. Auf Seiten der Forschungseinrichtung sind meist mehrere Personen an der Kooperation beteiligt, die unterschiedliche Positionen in der Forschungseinrichtung ausfüllen. Oft ist eine Forschungsgruppe über den Zeitverlauf eines konkreten Transfervorhabens mit allen ihren Mitgliedern sowie mit mehreren Personen anderer Abteilungen beteiligt. Bei einigen Einrichtungen tritt noch eine Transferabteilung oder ein Transferbüro hinzu. Diese Einrichtungen erfüllen unterschiedliche Aufgaben (z.€B. die rechtliche Ausgestaltung von Transferaktivitäten). Eine Person auf hoher Hierarchieebene (Instituts- oder Abteilungsleitung) wird meist ebenfalls beteiligt. Sowohl Transferagenturen als auch das Führungspersonal der Forschungseinrichtungen sind meist nur zeitlich begrenzt in den WTT integriert. Auf Firmenseite sind ebenfalls unterschiedliche Akteure beteiligt. Auch hier sind es Personen auf unterschiedlichen Hierarchieebenen, die direkt am WTT teilnehmen. Neben den unmittelbar beteiligten Mitarbeitern der F&E-Abteilungen handelt es sich dabei je nach Größe des Unternehmens um Personen mit unterschiedlichen Positionen und Rollen in dem Unternehmen: um den Eigentümer eines KMU in Familienbesitz, den Eigentümer einer kleinen Ausgründung aus der betrachteten Forschungseinrichtung oder aber auch um den Forschungsleiter eines internationalen Großunternehmens.
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In einigen wenigen Fällen stammen die Kooperationspartner nicht nur aus einem, sondern aus mehreren Unternehmen. Diese Unternehmen stehen dann meist in einer funktionalen Beziehung zueinander (z.€B. der Produzent eines Produkts und dessen Zulieferer). Die Rolle des Transferpartners i.€e.€S. hat dann oft das zuliefernde Unternehmen, Kooperationspartner und Initiator des Transfers ist allerdings meist das produzierende Unternehmen. In der Phase der Aushandlung der vertraglichen Seite eines konkreten Transfervorhabens sind dann in fast allen Fällen (zumindest auf Seite der Forscher) Personen einer höheren Hierarchieebene involviert. Hier beteiligen sich Abteilungs- und/oder Institutsleiter sowie, so vorhanden, Rechtsabteilungen. An dieser Stelle sind auch Transferstellen oder -büros der Forschungseinrichtungen aktiv. Die Durchführung des WTT-Projektes selbst liegt dann meist bei wissenschaftlichen Mitarbeitern, die gleichzeitig Qualifikationsarbeiten erstellen. In einigen Fällen liegt der (zeitliche) Hauptanteil der Arbeit im Rahmen eines Transferprojekts bei Technikern. Auf Seite der Unternehmen sind während der Durchführung des WTTs ebenfalls eher mittlere Hierarchieebenen involviert. In den Forschungseinrichtungen wird im Verlauf der Arbeiten in einem großen Teil der Fälle auch auf Kompetenzen außerhalb des eigentlichen Projektteams zurückgegriffen. Gerade bei Universitäten wird berichtet, dass auf das Wissen aus anderen Disziplinen unkompliziert zurückgegriffen werden konnte und zum Beispiel Geräte an anderen Instituten der gleichen Universität punktuell genutzt wurden. Dass spezialisierte Kollegen der eigenen Einrichtung nach ihren Kompetenzen in verschiedenen F&E-Bereichen punktuell in das Projektteam eingebunden werden, wurde ebenfalls als übliche Praxis von einigen Interviewten beschrieben. In wenigen Fällen wurde erwähnt, dass bei der Durchführung des Projektes in der F&EPhase die Zusammensetzung des Teams sehr flexibel nach den jeweils benötigten Kompetenzen wechselte.
5.3.3 Was wird transferiert und in welchem Stadium? Die gängige Differenzierung wissenschaftlicher Arbeit erfolgt entlang der Linien „Grundlagenforschung“ und „anwendungsorientierte Forschung“. Im Rahmen der Feldforschung konnte dabei jedoch vielfach beobachtet werden, dass diese lineare Abfolge von „Grundlagenforschung – anwendungsorientierte Weiterentwicklung – Transfer der Entwicklung“ zur Beschreibung von WTT-Aktivitäten nicht trägt. Im Lauf einer Entwicklungslinie können diese unterschiedlichen Typen in unterschiedlicher Reihenfolge auftreten: Eine Entdeckung in der Grundlagenforschung muss nicht immer der Ausgangspunkt einer Entwicklung sein. Es wurde vielfach berichtet, dass unterschiedliche Schleifen zwischen anwendungsorientierter F&E und grundlagenorientierten Formen für unterschiedliche Transfervorhaben im Verlauf einer Entwicklungslinie vorkommen. Dieses Wechselspiel zwischen grundlagen- und anwendungsorientierten Arbeiten soll im Folgenden am Beispiel eines Transferprojektes eines Lehrstuhlinhabers
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einer Universität aufgezeigt werden. Hierbei handelt es sich um einen arbeitsteilig organisierten Transfer, in dessen Rahmen Grundlagenergebnisse in Zusammenarbeit mit mehreren Unternehmen im Laufe der Zeit in ein „marktfähiges“ Produkt umgesetzt wurden. Nachdem ein erstes WTT-Projekt gescheitert war, wurde nach weiteren Fortführungsmöglichkeiten der Entwicklungslinie gesucht. In einem durch die DFG geförderten Projekt wurde dann im wesentlichen Grundlagenforschung zum Verständnis eines spezifischen chemisch-physikalischen Effektes im Kontext der Entwicklungslinie durchgeführt. Während dieser Zeit ergab sich (zufällig) eine unverbindliche Gesprächssituation mit einem Unternehmen, der – in längeren Zeitabständen – weitere gemeinsame Gespräche folgten. Nach Abschluss des Grundlagenprojektes erinnerte man sich wieder an den Kontakt mit der Firma und kam erneut ins Gespräch. … aus diesen Erkenntnissen heraus haben wir uns dann gesagt, wir müssen also jetzt versuchen,[den Mechanismus zu optimieren], wie kann man das machen (…) das ist die grundsätzliche Fragestellung. Hinzu kommt natürlich folgendes, dass der Mechanismus- (…) auch untersucht werden sollte und dazu hat die [UB1] auch eine Reihe von Veröffentlichungen gemacht, hat sie also sehr schön herausgefunden, [die Funktion]. Also Antwort auf Ihre Frage ist, die Neugierde, also Grundlagenuntersuchungen, standen im Vordergrund hier, übrigens auch in dem Projekt von [UB1], letztlich gefördert durch die DFG. (…). Wir haben also einen Forschungsantrag da gestellt, (…), der klar diese Fragestellungen auf den Tisch legte, [um den Mechanismus] zu verstehen, (…) Und nur über dieses andere anwendungsnahe Projekt und die Kommunikation zufällig mit dieser Firma führte [dies] dann dazu, dass wir (…) unsere Erkenntnisse aus der Grundlagenuntersuchung nebenbei haben einfließen lassen und daher entstand das Interesse mit der Firma. Interviewer 1: Ist das eher untypisch, oder gilt es für die generellen Arbeiten hier am Lehrstuhl? â•›Ich würde schon sagen, das (…) ist eigentlich typisch. Also wir sind nicht UB2: so sehr- getrieben durch- Anforderungen anderer Firmen, wir machen (…) hier sehr viel Grundlagenuntersuchungen und Sie sehen, was aus so grundsätzlichen Überlegungen heraus kommen kann. (UB2 W2 89–93)
Durch die erfolgreiche Grundlagenforschung, die nach den „Regeln“ des wissenschaftlichen Feldes umgesetzt wurde (unter anderem Publikationen), können die Erkenntnisse nun gewinnbringend weiter verwertet werden. An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine Differenzierung zwischen grundlagenorientierter und anwendungsorientierter Forschung zwar analytisch vollzogen werden kann, aber wenig klassifikatorischen Aufschluss über die wissenschaftliche Praxis der Materialforschungsteams leistet. Diese Differenzierung erscheint somit für die hier interessierende Fragestellung als wenig geeignet. Vielmehr scheint diese Unterteilung in die Irre zu führen, da im Fall von WTT in der Materialforschung sowohl anwendungs- als auch grundlagenorientierte Forschungsarbeiten zu Transfer führen. Folgende Unterscheidung könnte für die Typisierung von WTT Aktivitäten geeigneter sein: 1. Wissenschaftsgetriebene WTT-Aktivität: Typisch für eine wissenschaftsgetriebene Transferaktivität ist der Transfer einer in Eigenforschung oder Grundlagenforschung getätigten Entwicklung. Oft entwickelt das Forschungsteam
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dann Ideen über mögliche Anwendungsfelder. Leitende Fragen sind in diesem Fall: Was sind die herausragenden Eigenschaften „unseres“ Materials? Wofür kann man diese nutzen? Wo kann die Entwicklung eingesetzt werden? Meist rekurriert man hier auf Erfahrungen, Kontakten und Anwendungsfelder, die bereits aus vorangegangenen Projekten und Kooperationen bekannt sind. Ideen für Anwendungsfelder werden aber auch aus der Alltagserfahrung oder aus Massenmedien gewonnen. Auffällig ist, dass hier oft Anwendungen im Automobil- oder Flugzeugbau bevorzugt werden. Andererseits ist dies aber auch plausibel, da es sich bei diesen Anwendungen um Leitanwendungen handelt, von denen sich die Materialforscher erhoffen, dass sie in andere Anwendungsfelder ausstrahlen. 2. Unternehmensgetriebene WTT-Aktivität: Hier geht die Initiative für eine Kooperation meist vom Unternehmen aus. Ein typisches Szenario wäre hier, dass ein Unternehmen ein technisches Problem oder eine neue Produktidee hat und auf die Expertise der Forschungseinrichtung zurückgreift. Hier gibt es oft konkrete Vorstellungen über Eigenschaften und andere Merkmale der Entwicklung, die das Unternehmen teilweise auch aufgrund von Kundenanforderungen entwickelt hat (s. hierzu auch Abb.€2.1 aus Kap.€2). In diesem Kontext wurde von konkreten Lastenheften berichtet, die im Rahmen des WTT-Projekts durch die Forschungseinrichtung abgearbeitet werden sollten. Anwendungen des Materials können hier auch solche sein, die das Forschungsteam aus sich heraus zuvor noch nicht im Blick hatte. Von den Interviewten wird hier oft beschrieben, dass durch derartige Kontakte oft eine Umorientierung der Entwicklungsarbeiten auf dieses neue Feld erfolgt, die dann auch über das konkrete Transfervorhaben hinausgeht. 3. Gemeinsam geplante WTT–Aktivitäten: Diese Aktivitäten resultieren meist aus einem schon längere Zeit bestehenden Kontakt zwischen einer Forschungseinrichtung und einem Unternehmen. Dieser Typ von Aktivität wird von den Interviewten hauptsächlich für WTT-Projekte mit KMU beschrieben: Beide Seiten haben schon längere Zeit Interesse an einer Kooperation, allerdings ohne konkretes Vorhaben. Dann gerät eine geeignete Ausschreibung in den Blick, und es bietet sich die Gelegenheit, ein drittmittelfinanziertes Projekt zu beantragen. Mit dieser Finanzierung ist dann eine Kooperation möglich. Kooperationen werden hier also in der Form von drittmittelfinanzierten, zumeist öffentlich geförderten, F&E-Projekten formalisiert.
5.3.4 Zum Verlauf von Transfer-Vorhaben Im Folgenden wird der Verlauf von WTT-Projekten aus der Perspektive der beteiligten Materialforschungsteams nachgezeichnet. Dabei werden die einzelnen Elemente eines Transferprozesses anhand eines „typischen“ Transferprozesses rekonstruiert. An entscheidenden Stellen wird auf Besonderheiten und Unterschiede
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in den Ausprägungen hingewiesen. Der Ablauf von konkreten WTT-Projekten kann in zwei Phasen unterteilt werden: • Die Vorphase beinhaltet Aktivitäten wie Kontaktanbahnung, Verhandlungen über den Projektzuschnitt, über rechtliche Vereinbarungen und über die Finanzierung. • In der Hauptphase erfolgt die Durchführung des WTT-Projekts: die gemeinsame Entwicklungsarbeit und/oder auch nur das entsprechende Wissen und die Technik werden von der Forschungseinrichtung an den industriellen Anwender transferiert. Eigentlich könnte man auch noch von einer dritten Phase sprechen: In wenigen Fällen wurde berichtet, dass das Unternehmen mit offenen Fragen oder Problemen auf die Forschungsteams nach Ablauf der Projektlaufzeit zugeht und sich hieraus noch Nacharbeiten ergeben. Nach Ablauf des Transferprojekts und teilweise auch schon parallel dazu wird von der Forscherseite an der wissenschaftlichen Verwertung der generierten Ergebnisse, zum Beispiel in Form von Publikationen oder der Generierung von neuen Projekten, gearbeitet. Hier können neue Projekte entstehen, und es können so Überschneidungen, zu einer neuen Vorphase auftreten. 5.3.4.1 Anbahnung eines WTT-Projekts Voraussetzung für den erfolgreichen Transfer ist, dass auch ein Anwender existiert, an den eine Entwicklung transferiert werden kann. Es muss also ein Kooperationspartner gefunden werden. Das Finden des „richtigen“ Partners kann schon ausschlaggebend für den Verlauf des Transferprozesses sein.8 WTT-Projekte entstehen über unterschiedliche Wege. Diese können danach unterschieden werden, ob die Kontaktaufnahme von der Forschungseinrichtung ausging oder vom Industrieunternehmen. Für die Praxis der Materialforschungsteams lassen sich jenseits der konkret ausgewählten Transfervorhaben in fast allen Fällen beide Formen der Kontaktaufnahme beobachten. Generell ließen sich fünf unterschiedliche Wege rekonstruieren, die für die Kontaktaufnahme beschrieben wurden. 1) Von einigen Forschern wird über eine aktive eigene Akquisitionspraxis berichtet. Potenzielle Kooperationspartner werden mittels gezielt geführter Telefonate angesprochen. Einige Forscher berichten über hoch organisierte Kontaktstrategien. In diesen Fällen wird explizit von der Akquisition von Kunden gesprochen. Hier werden in der Einrichtung Techniken wie vernetzte Datenbanken und Gesprächsnotizen verwendet, um die Kontakte zu Firmen zu dokumentieren und unabhängig von der Kontaktperson auf Seiten der Wissenschaft oder über Abteilungs- und Gruppen8╇ „Und wer ist auch hier von den Partnern am Ende belastbar, ohne Partner kann man es abhaken. Also es gibt eine Sache das sind Mitarbeiter, die sind wichtig, aber Partner ist eine andere Korrespondenz, auf die man sich dann auch durchweg verlassen muss und da ist, ich sag‘ mal diese Partnerwahl oder die Partnersuche ist dort, glaube ich einer mit der entscheidensten Aspekte dann dabei.“ (HB1 W1 40:20–24)
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grenzen hinweg nutzbar zu machen. Diese Praxis wurde vor allem aus Einrichtungen der FhG beschrieben. In nahezu allen Fällen lässt sich beobachten, dass die Materialforschungsteams strategisch handeln, um die Aufmerksamkeit geeigneter Kooperationspartner auf ihre eigenen Aktivitäten und Fähigkeiten zu ziehen. Um diese Aufmerksamkeit zu erzielen, werden verschiedene Wege beschritten. Dazu gehören: • die gezielte Darstellung eigener Kompetenzen, Geräte und möglicher Ansprechpartner auf der eigenen Homepage, • die Präsentation eigener Arbeiten auf Tagungen, • Präsentationen auf Messen, • die Veranstaltung von Seminaren und Fortbildungen. Über diese Wege soll zunächst ein erster Kontakt zu möglichen Industriepartnern hergestellt werden. Wenn diese kein konkretes Anliegen haben, sondern zunächst mit einem allgemeinen Interesse mit den Forschern ins Gespräch kommen, ist es das Ziel, über mehrere gemeinsame Treffen und Gespräche ein gemeinsames Interesse oder einen konkreten Bedarf bei der Firma zu identifizieren, um so ein gemeinsames F&E-Projekt zu initiieren. Im folgenden Zitat berichtet die Gruppenleiterin an einem Lehrstuhl, wie Internetauftritte gezielt (für die Selbstvermarktung) eingesetzt werden: Das läuft ganz anders, sowohl der [Name des Lehrstuhls] als auch der Lehrstuhl da drüben haben ausgefeilte Internetseiten, wo alle Mitarbeiter mit ihren Arbeitsgebieten aufgelistet sind und wo auch der Gerätepark vermerkt ist und die wichtigsten Forschungsgebiete. Und damit ist das für jedermann zugänglich, auch für Firmen. Und meine Erfahrung von hier zeigt, dass eine gute Internetseite auch ein sehr guter Angriffspunkt für Anwender ist. Also die stoßen zufällig auf die Seite, sehen ‚Aha, an der Uni wird ja gerade das erforscht, was wir für unsere Entwicklungsarbeit brauchen‘ und- da kamen die Firmen auf uns zu. (…) das wird im Internet in Sonderforen reingeschrieben, dass das recht populärwissenschaftlich geschrieben ist und damit auch attraktiv für Außenstehende, zum Beispiel für Leute aus Firmen. (…) Also bei mir hatten schon Leute von Firmen angerufen, die sagten direkt ‚Wir haben im Internet gelesen, Sie machen ja [Verfahren]. Wir haben da folgendes Problem‘, und dann kamen wir ins Gespräch. (UB1 W2 504–515)
Das gemeinsame Gespräch steht immer am Anfang einer Kooperation. Von allen Interviewten wurde dies als erster zentraler Schritt hin zu einer Kooperation beschrieben. Das „gemeinsame Gespräch“ ist zunächst unverbindlich. Es wird nach gemeinsamen Interessen für Aktivitäten gesucht. Wenn die Forschungsteams berichten, dass die Initiative für ein „gemeinsames Gespräch“ von der Firmenseite ausgeht, beschreiben sie meist, dass das Unternehmen ein Interesse an einer bestimmten Entwicklung des Forschungsteams artikuliert. Darüber hinaus erwähnen einige Forscher, dass Kontakte zu Firmen durchaus über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten wurden, dass wiederholt „gemeinsame Gespräche“ stattgefunden haben und dass daraus erst zu einem relativ späten Zeitpunkt eine konkrete Zusammenarbeit entstand. Ursache ist dann meist entweder, dass noch keine konkrete Transferidee gefunden wurde oder dass die Machbarkeit eines Transfers noch nicht ausreichend nachgewiesen werden konnte. 2) Oft werden Kooperationen mit Firmen auch aus Kontakten zu Projektpartnern vergangener Projekte gebildet. Dabei sind es entweder die Projektpartner selbst, die
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die Forschungseinrichtung kontaktieren, oder es ist die Forschungseinrichtung, die mit einer konkreten Projektidee an einen „alten“ Partner herantritt. Auch in diesem Zusammenhang sprechen einige Forscher davon, dass die eigene Reputation, die im Wesentlichen über erfolgreiche Projekte erlangt wird, wesentlich für das Gewinnen von Kooperationspartnern für WTT-Projekte ist. Übernehmen die Forschungsgruppen selbst die aktive Suche nach einem Kooperationspartner, werden folgende Strategien beschrieben, um einen Partner zu finden: • Nutzung des persönlichen Netzwerks mit Unternehmen (beispielsweise über ehemalige Kommilitonen oder Mitarbeiter), • Nutzung des persönlichen Netzwerks in der eigenen Einrichtung, • Suche nach geeigneten Firmen über das Internet, • Anfrage bei ehemaligen Projektpartnern, • Nutzung „organisierter“ Netzwerke, • Nutzung von Innovationsberatern. In den meisten Fällen, in denen diese Strategie beobachtet wurde, berichteten die Interviewten von einer konkreten Idee für eine Anwendung ihrer Entwicklung. Diese Ideen wiesen einen unterschiedlichen Detaillierungsgrad auf und bewegten sich zwischen Vorstellungen über ein mögliches Anwendungsfeld auf der einen Seite und Vorstellungen über ein konkretes Projektdesign auf der anderen Seite. 3) Eine besonders wichtige Rolle für die Anbahnung eines Kontakts, der später in WTT mündet, wurde Fachtagungen und Fachmessen zugeschrieben. Beide Veranstaltungsformen stellen Orte dar, an denen sowohl die Forschungsinstitute als auch die Unternehmen ihre eigenen Aktivitäten darstellen können. Die Interviewten berichteten, dass diese Veranstaltungen von beiden Seiten zur Suche nach Kooperationspartnern genutzt werden. In einem Interview nahmen beispielsweise die Beschreibungen von Strategien für Messeauftritte einen großen Raum ein. Sie spielen für diese Einrichtung eine zentrale Rolle, nicht nur für die Anbahnung von Kooperationen, sondern auch als Impulsgeber für neue Ideen. Obwohl sie ein ganz anderes Setting bieten, zeichnen sich für andere Interviewte Fachtagungen durch vergleichbare Eigenschaften für die Kontaktanbahnung wie Fachmessen aus. Im folgenden Zitat beschreibt der Interviewte die Rolle, die eine Fachtagung für den Kontakt zu Firmen spielt: Ja, also (…) es geht beides, gerade auf solchen Tagungen spricht man die Leute an. Ein anderes Beispiel wäre: wir sind ja klassischerweise ein [Name einer Technologie] Institut. Es gibt jedes Jahr die [Name einer Technologie] -Tagung in [Name einer deutschen Stadt] da sind wir immer auch dort, selbst wenn wir keinen Vortrag haben ist irgendeiner aus dem Hause dort und wenn wir denken, wir haben irgendwas interessantes, was wir irgendeinem der Industriepartner anbieten können, dann sprechen wir die auch direkt an. Und dann sagen die entweder ‚Nö, wollen wir zur Zeit nicht‘ oder ‚Gucken wir uns mal an, wir kommen mal vorbei‘ oder ‚Kommt ihr mal vorbei, stellt es uns vor‘. Und dann kann sich so was entwickeln. Oder eben, dass mal direkt eine Firma sagt ‚Das finden wir toll. Mit denen sprechen wir jetzt mal, was wir da zusammen machen können‘. Also ich denk, es sind beide Richtungen da, dass wir direkt auf eine Firma zugehen, wo wir denken, das wäre die ideale dafür, oder das eine Firma eben, die wir vielleicht gar nicht auf der Rolle haben -oder wo wir gar nicht wissen, dass die so was machen- dass die dann uns ansprechen und sagen- ‚Macht doch mal für uns‘ oder ‚Da machen wir was zusammen‘. (HC1 W2 546)
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Fachtagungen stellen so einen Ort dar, an dem sich Firmen und Forscher selbst darstellen, zunächst unverbindlich treffen, an denen sie gegenseitiges Interesse bekunden und die Aktivitäten von anderen einschlägig tätigen Forschern und Unternehmen beobachten können. 4) Ein weiterer Weg der Kontaktanbahnung ist durch verschiedene Typen von Netzwerken gegeben. Dabei ist zu unterschieden zwischen • persönlichen Netzwerken, also Verbindungen zu ehemaligen Kommilitonen, Freunden oder ehemaligen Kollegen, die für die Suche nach Transferpartnern aktiviert werden können oder über die Transferpartner an die Forschungseinrichtung vermittelt werden, • organisierten Netzwerken als Zusammenschlüsse von Personen, Institutionen und/oder Firmen mit der Selbstbeschreibung „Netzwerk“; diese sind vergleichbar einem Verein, in dem sich Gleichgesinnte freiwillig zusammenschließen, • wissenschaftlichen Netzwerken, also Kontakte zu anderen wissenschaftlichen Instituten und Institutionen, die ohne eigenständige organisatorische Struktur aus gemeinsamen Interessen heraus entstehen, • regionale Netzwerke, in denen sich Firmen und Forschungseinrichtungen einer Region begegnen; diese sind oft organisiert durch Verbände oder regionale Programme der Länder. 5) In einem Interview wurden „Innovationsberater“ als ein weiterer Weg genannt, um Kooperationspartner für Projekte zu finden: Diese Innovationsberater vermitteln Kooperationspartner an die Forschungseinrichtung oder machen Ausschreibungen von Unternehmen bekannt. Bei einigen der untersuchten Transfervorhaben lässt sich nicht mehr eindeutig rekonstruieren, auf wen die Initiative für eine Kooperation zurückgeht. Dies gilt vor allem, wenn von allgemeinen Gesprächen mit einem Anwender bei Fachtagungen und Fachmessen ohne einen konkreten Transferhintergrund berichtet wurde. Bei Kontaktwegen, die nur im Kontext von „Firma findet uns“ genannt wurden, handelt es sich um „nicht adressatenspezifische Aktivitäten“ der Forschungsteams. Diese Aktivitäten lassen sich als eine Form der andauernden Selbstvermarktung (zum Beispiel über Internetseiten) beschreiben. Sie sind nicht explizit an eine bestimmte Anwendergruppe gerichtet, es wird dem „richtigen“ Anwender überlassen, die Einrichtung als geeigneten Partner zu identifizieren und sie zu kontaktieren. Diese Strategien zeigen unterschiedlichen Erfolg: So kann es der Einrichtung passieren, dass bereits durch das Zeigen eigener Geräte Messaufträge vom Anwender vergeben werden. Ob dieser Anwender oder gar eine größere Zahl von Anwendern allerdings nach diesen Kleinaufträgen auch ein Entwicklungs- oder Transferprojekt mit der Einrichtung eingeht, ist nicht feststellbar. Aber auch für kleine Messaufträge – vor allem wenn sie denn in großer Zahl kommen – wird meist nennenswerte Arbeitskapazität von Forschern benötigt, die dann nicht für andere Aufgaben (z.€B. wissenschaftliche Kernaufgaben wie Publizieren) zur Verfügung steht.9 9╇ Zur Konkurrenz der verschiedenen Aufgaben für die wissenschaftliche Praxis siehe auch Abschn.€5.3.8
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In den mit Materialforschern geführten Gesprächen wurde deutlich, dass alle in InnoMat begleiteten Forschungsteams auf vielfältige Weise den Kontakt zu potenziellen Anwendern und Industriepartnern suchen. Deutlich wird somit, dass teilweise vielfältige Kontaktwege beschritten werden und dabei nicht immer ein Transferpartner für eine bestimmte Entwicklung gefunden wird. Im Gegensatz zu den Ausführungen in Kap.€6 verdeutlicht die Rekonstruktionen des Transferhandelns der Materialforscher in den beobachteten Fällen gerade bei der Anbahnung eines WTT-Vorhabens die aktive Rolle, die die Forschungsteams hier spielen. Die Haltung der untersuchten Forschungsteams kann auch so charakterisiert werden: Sie sind immer bereit, ein Transfervorhaben anzubahnen und Kooperationsmöglichkeiten zu entwickeln. Sie nutzen dabei vielfältige Möglichkeiten und richten insbesondere ihre öffentliche Selbstdarstellung darauf aus, potentielle Partner anzuziehen. Die Vielfalt der beschrittenen Wege führt allerdings nicht zu Aktionismus. Sie orientieren sich viel eher an konkreten Situationen und Gelegenheiten. 5.3.4.2 Formalisierung des WTT-Vorhabens Ist ein Anwender gefunden, müssen der rechtliche Rahmen des Transfers sowie das „Design“ des Transferprojektes bestimmt werden. Diese Formalisierung ist auch für den weiteren Projektverlauf bedeutsam. Die entscheidenden Festlegungen für den konkreten Transfer, zum Beispiel auch die Form, in der das notwendige Wissen aus der Forschungseinrichtung in das Unternehmen übertragen wird, werden somit bereits als Teil der Vorphase des eigentlichen Transferprojekts getroffen. Vor dem konkreten WTT-Vorhaben stehen zunächst Sondierungsgespräche zwischen der Forschungseinrichtung und dem Unternehmen. Von der Forschungsseite aus nehmen hier Gruppen- und Abteilungsleiter sowie Institutsleiter (abhängig von der Größe der wissenschaftlichen Einrichtung und dem Auftragsvolumen) teil, sowie auch meist die künftigen Projektbearbeiter. Im Rahmen dieser Gespräche wird das WTT-Vorhaben abgestimmt: Was kann und will die wissenschaftliche Einrichtung leisten? Was möchte der Industriepartner?10 Wie soll der rechtliche Rahmen des Projektes aussehen? Strategische Vorprojekte╇ Einige Interviewte berichteten, dass diese Gespräche und die weiteren Aushandlungen mit den Firmen gut gelängen, wenn vor dem eigentlichen WTT-Projekt ein so genanntes „Vorprojekt“ gemeinsam durchgeführt wird. Ein solches Projekt wird als kleiner Auftrag beschrieben, der hauptsächlich eine Vertrauensbasis zwischen der Forschungseinrichtung und dem Unternehmen schaffen soll. Diese Vertrauensbasis soll so auf zwei Ebenen hergestellt werden: Zunächst einmal können beide Partner überprüfen, „ob die Chemie stimmt“.11 Ausführlicher zu diesem Aspekt in Abschn.€5.3.6 Auf diesen für eine Kooperation durchaus entscheidenden Punkt kommen wir ebenfalls in Abschn.€5.3.6 noch einmal zurück.
10╇ 11╇
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Auf der anderen Seite soll aber auch noch einmal die technische Machbarkeit des WTT-Vorhabens belegt werden. In einigen Einrichtungen wird dann auch nicht explizit von einer Vorstudie oder einem Vorprojekt gesprochen, sondern von Machbarkeitsstudien. … ein typisches Industrieprojekt ist- oder startet mit einem Kleinprojekt, irgendwo unter 20.000 Euro, indem man mal in wenigen Versuchen, mit möglichst wenig Aufwand die prinzipielle Machbarkeit testet. Und dann eben Schritt für Schritt weiter geht. Das ist so die typische Vorgehensweise. Und das funktioniert auch gut, die Firmen fühlen sich damit auch wohl, sie können in kleinen Häppchen das zur Verfügung stellen. Das geht auch hier von der Abarbeitung relativ gut, weil, man bekommt dann eine Zeit befristete konkrete Aufgaben, das ist wie so (ein) Produktionsauftrag, das müssen wir machen: Zack zack zack bis dann. Und dann klappt das, und dann setzt man sich wieder zusammen, dann sind die Besprechungen sehr zielorientiert, man lernt sich einfach kennen, weil man oft miteinander kommuniziert, die Firmen sind auf der sicheren Seite, der Projektleiter dort, ja, dass er keinen Karriereknick ((lacht)) erfährt. Interviewer 1: ((lacht)) FB1: ((amüsiert)) wenn er noch hundert Millionen in den Sand setzt, ja. Und das funktioniert gut. Der einzige Nachteil ist, Sie können auf diese kleinen Projekte oder auf diese Schrittfolge natürlich keine Leute einstellen. Das stimmt, ja. (FB1 W2 195–202)
Vorprojekte oder Machbarkeitsstudien bergen aber auch Schwierigkeiten in der internen Organisation. Ein Interviewter beschreibt ein strukturelles Problem, das sich aus diesen Projekten für die Leitung des Instituts ergibt. Es ist anzunehmen, dass das hier beschriebene strukturelle Problem in vergleichbarer Weise ebenfalls andere Einrichtungen betrifft. FB1:
as geht von- der Prüfung- [Bandbreite an Anwendungen des zu transD ferierenden Verfahrens] Komplett durch, ja. Oder messen Sie uns mal [bestimmte] Werte von- 20 Substanzen, das ist auch dabei. Oder simulieren Sie uns mal die [Technik] oder so irgendwas. Bis hin eben zu diesen kleinen Aufträgen, wo wir versuchen, rein zu kommen. Interviewer 1: Ja. Und das macht dann sozusagen grundfinanziertes Personal oder das Geld trägt die [Personalkosten?.] FB1: [Also wir haben natürlich] eine äußerst schwierige Situation, da wir zu hundert Prozent projektfinanziert sind. Das heißt, projektfinanziert aus öffentlich geförderten, beziehungsweise in Industrieprojekten. Die Ausstattung wird im großen Teil von diesen Kleinprojekten getragen. Das heißt, irgendwelche Netzgeräte-, Spannungsmesser, Raumschlüssel, Bohrmaschine, Lötstationen, das kommt aus diesen öffentlich geförderten Projekten, aus diesen Kleinprojekten im Wesentlichen. Die würden also so. Jetzt weiß ich nicht, ob man das ganz so kommunizieren kann. Die prinzipielle Planung macht der Wissenschaftler beziehungsweise das technische Personal, den Aufbau macht ein Hiwi. Wir sind unterm Postmindestlohn, ja ((lacht)) Für sieben Euro, acht Euro die Stunde. Die Inbetriebnahme macht der Wissenschaftler, die ersten Versuche macht dann auch der Wissenschaftler und den Rest macht der Hiwi. Und dann kommt man da einigermaßen günstig raus, denn sonst geht das nicht. Und dann hat man/ die Leute machen gute Arbeit, also keine Frage, ja. Ja und dann bleibt da immer noch- oder oftmals- was übrig und das wird zur Verbesserung unserer Struktur, Infrastruktur aus-
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gegeben. Denn da sind einfach die Mittel nicht ausreichend da, ne. Klar, das ist halt so, ja, denn ansonsten müsst man die – es ist halt einfach so, fertig. Ja. (FB1 W2 205–217)
Hier wird deutlich, dass Vorprojekte und Machbarkeitsstudien zwar als positiv für WTT-Vorhaben eingestuft werden, auf der anderen Seite aber schwer zu finanzieren sind. Sie dennoch zu ermöglichen bedeutet oft für die Materialforschungsteams, von institutionellen Vorgaben abzuweichen. Bei einer stark an Drittmitteln orientierten Einrichtung wie der FhG ergibt sich hier ein Widerspruch zwischen unterschiedlichen Zielen. Offensichtlich können diese Projekte nur zu einem Preis vereinbart werden, zu dem sie eigentlich nicht durchführbar sind. Ob sich später ein Folgeprojekt ergibt, durch das sich das Vorprojekt rentiert, ist dabei nicht garantiert. Unter welchen Bedingungen von den Vorgaben abgewichen wird, verdeutlicht die folgende Interviewpassage: Wo es sehr, sehr stark funktioniert ist in [Anwendungsfeld]technikbereich, weil wir da auch mit Eigenmitteln Vorlaufforschung betreiben, mit erheblichen Eigenmitteln. Wir haben fast zehn Millionen Euro Projekte im Bereich der [Entwicklung] [Anwendung] über ein paar Jahre und da erwartet sich Fraunhofer einfach dann auch später interessante Lizenzeinnahmen. Da schwebt immer der MP3-Player, den man natürlich nicht erreichen wird, geh ich mal von aus. Aber träumen ist ja immer erlaubt. Also da gibt es schon Bereiche, wo man sowohl über Vorlaufforschung-/ betreibt, mit der Intention rein zu gehen, oder es schon tut. (FC1 W2 681–684)
In Bereichen von strategischem Interesse für die Forschungseinrichtung sind also Ausnahmen möglich. Entscheidend für das strategische Interesse der Forschungsorganisation scheinen dabei aus Sicht dieses Forschers erhoffte Drittmittelerlöse, z.€B. aus Lizenzeinnahmen, zu sein. Bei einer Forschung und einem gewünschten Transfer in einem Gebiet, das nicht diesem besonderen strategischen Interesse entspricht, müssen allerdings die oben thematisierten Finanzierungsprobleme anders gelöst werden. Zwischenformen╇ Im Anschluss an eine Machbarkeitsstudie oder ein Vorprojekt folgt dann das eigentliche Projekt, aus dem heraus transferiert werden soll. Welchem Zuschnitt dieses Projekt folgt, ist wiederum unterschiedlich. Einige Interviewte beschreiben, dass hier das Transferprojekt angeschlossen wird, andere beschreiben, dass hier üblicherweise ein gemeinsames Entwicklungsprojekt angeschlossen wird, das zu einem Transfer hinführen soll. Eine langfristige Perspektive entwirft die folgende, einem Interview entnommene Textpassage: Weil es gibt so Kurzläufer, es gibt Langläufer-. Der Regelfall, ja, das kann man wirklich als Regelfall bezeichnen, ist wirklich der, dass man, wenn das Interesse da ist, auch das Geld bewilligt ist, dass man in bestimmen Schritten vorwärts geht: Machbarkeitsstudie, jetzt sagen wir mal – nehme ich mal eine Größe: Kostet um die 50.000 Euro für eine bestimmte Zeit, bestimmte Aufgabe, ist beschrieben. Ist auch abgestimmt und wenn das erfolgreich ist-. Macht man Erfolg/ schon sich überlegen: ‚Wie macht man da weiter?‘ Und das ist dann in der Regel dann ein Zwei-, wenn nicht sogar Drei-Jahres-Projekt. Und deswegen ist auch wichtig, dass man die Machbarkeit gut bearbeitet, dass da auch was substanzielles auch an (neuem) hinten rauskommt, und ist dann mutig. Wir müssen natürlich Mut haben oder Mut bekommen, da weiter zu machen. (FA1 W2 240)
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Der Interviewte beschreibt einen aus seiner Perspektive üblichen Kooperationsweg mit Unternehmen. Dieser verläuft über einen längeren Zeitraum mit einem hohen Engagement von beiden Seiten. Aus anderen Forschungsteams wird allerdings eher der erste Weg beschrieben: Hier folgt auf eine Vorstudie ein Entwicklungsprojekt, in dessen Rahmen der WTT schon festgelegt ist. Mit einem Vorprojekt wird eine Zusammenarbeit vorbereitet. Welche Schritte bis zu einem Transfer noch erforderlich sind, richtet sich vor allem nach dem Entwicklungsbedarf. Befindet sich die Entwicklung noch in einem frühen Forschungsstadium, dann sind noch weitere Arbeiten nötig, um zunächst die Forschungsarbeit für eine konkrete Anwendung hin zu entwickeln. Anschließend oder in diesem Rahmen folgt dann die Übertragung der Entwicklung aus der Forschungsorganisation in den konkreten Produktionsablauf des Unternehmens. Von einigen Interviewten wurde diese gemeinsame Entwicklungsarbeit als Transfer beschrieben, andere Interviewte betonten, dass mit „Transfer“ erst ein konkretes Transferprojekt, das sich an ein Entwicklungsprojekt anschließt und oft vergleichsweise kurz angelegt ist, zu bezeichnen ist. Rechtlicher Rahmen╇ Vor dem eigentlichen Beginn eines WTT-Projekts werden die rechtlichen Rahmenbedingungen des Transferprojekts ausgehandelt. Bei diesem Aushandlungsprozess treten in einigen Fällen neben die beteiligten Forscher und Unternehmensvertreter, die das konkrete Projekt durchführen wollen, noch Rechtsabteilungen der Forschungseinrichtung oder des Unternehmens, die die kontraktuellen Bedingungen eines Transfers mitgestalten. An dieser Stelle spielen auch organisatorische Vorgaben der Forschungsorganisation wieder eine größere Rolle: Hier wurde von unterschiedlichen Prioritäten in den Missionen der Forschungsorganisationen gesprochen, die sich dann auch auf die Prioritäten in den Verhandlungen über die kontraktuelle Gestaltung des WTT-Vorhabens auswirken. Die Vereinbarungen zu kritischen Punkten wie Veröffentlichungsrechten der Forschungseinrichtung oder die Form der Patentierung sind oft Resultat eines Kompromisses. Auffällig war hier, dass bei Forschungsteams der FhG das Management des geistigen Eigentums (Intellectual Property, IP) im Vordergrund stand (s. zu dem Thema IP-Management und Know-how Schutz Abschn.€2.9). Des Weiteren wurde hier davon gesprochen, dass man in Einzelfällen auch gänzlich auf Publikationsrechte verzichtet hat. Dagegen wurde aus Forschungsteams, die an TUs arbeiten, berichtet, dass hier das Recht auf wissenschaftliche Publikationen eine Priorität in den Verhandlungen über WTTVorhaben darstellt. Geheimhaltungsvereinbarungen╇ Geheimhaltungsvereinbarungen werden durch die befragten Materialforscher unterschiedlich bewertet: Für einige Befragte ist der Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung zwischen dem Forschungsteam und einem Unternehmen die Vorbedingung, um Gespräche erst aufzunehmen. Ein anderer Befragter spricht davon, aus eigener Motivation heraus keine Geheimhaltungsvereinbarungen abzuschließen: Es gibt die Möglichkeit, natürlich zu sagen: Ich sage Dir erst etwas, wenn Du mir ein Vertraulichkeitspapier unterschreibst. Was ja die Industrie normalerweise macht, was wir von uns aus wenig machen. Ist meine ganz spezielle Meinung und meine Haltung, dass ich durch eine Art Vertrauensvorschuss erst mal in Vorlauf gehe, um dem Partner zu sagen:
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Du kannst Dich wirklich vertrauensvoll an mich wenden; wir können Dein Problem diskutieren; wir können versuchen, eine Lösung zu finden. Ich bin ja kein Garant dafür, dass ich wirklich eine Lösung finde, aber dass wir uns auf jeden Fall bemühen und dass wir immer fair mit dem Partner umgehen. Und so eine Vertrauensbasis aufzubauen, ist, meiner Meinung nach, für eine Langfriststrategie die beste Basis. Damit kann man sich, denke ich mal oder bilde ich mir ein, einen Namen machen, der nicht von Kurzfristigkeit geprägt ist. (UA1 IW1 173)
Geheimhaltungsvereinbarungen spielen aber auch eine Rolle für die Qualität der Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner auf Unternehmensseite. Geheimhaltungsvereinbarungen dienen als Indikator für die Bereitschaft zur Kooperation und stellen darüber hinaus eine vertrauensbildende Maßnahme dar. Im folgenden Zitat beschreibt ein interviewter Materialforscher die Bedeutung von Geheimhaltungsvereinbarungen: Ganz wichtig auch in der Kultur noch mal. Das fängt ja mit der Geheimhaltungsvereinbarung an. Die Zweiseitigkeit, die Doppelseitigkeit, das ist für uns sehr wichtig, wenn wir Partner haben, die sehr restriktiv auf einer einseitigen Vertraulichkeitserklärung zum Beispiel bestehen. Alles was sie sagen ist geschützt und verbindlich. Andererseits die Aussage, was vom Institut kommt ist ja erst mal nur offen, ist ja sowieso irgendwie öffentlich bezahlt und damit kann es nicht schützenswert sein. Damit tun wir uns dann auch schwer, so ein Projekt zu beginnen, und es führt nicht unbedingt zu einer vertrauensvolleren Zusammenarbeit, weil dieses, ich will jetzt nicht sagen Misstrauen, aber- dieses Gefühl muss von beiden Seiten letztendlich herkommen, gerade wenn es größere Projekte sind. (FC1 IW2 18)
Wie weiter unten noch vertiefend erläutert werden wird, ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit und insbesondere das Vertrauen in die Kooperationsbeziehung von herausragender Bedeutung für die Bewertung der Qualität der Zusammenarbeit und auch der Qualität des Transfers durch die Materialforscher. Von mehreren Materialforschern wurde hervorgehoben, dass Geheimhaltungsvereinbarungen tatsächlich eine mehr informelle Rolle spielen und weniger als einklagbare Rechtsgrundlage zwischen den Partnern zu gelten scheinen: Aber sagen wir mal so, ich habe es noch nie erlebt, dass man dann vorn Kadi gegangen ist wegen-/ Geheimhaltungsvereinbarung raus gezogen hat. Also es muss dann schon ganz was krasses sein. Also von daher ist das das Papier, das die innere Einstellung ein bisschen unterstützt, aber man kann sich da nicht dran festhalten. Wenn das Vertrauen so nicht da ist, dann hilft das Vertragswerk auch nichts. (HA1 IW2 209)
Patente und Lizenzen╇ Die Verhandlungen zu Patenten und Lizenzen finden ebenfalls in der Vorphase des Transfervorhabens statt. Konnte man im Fall von Geheimhaltungsvereinbarungen davon sprechen, dass sie eine Indikatorfunktion ausfüllen, gilt vergleichbares in einer anderen Gewichtung auch für die Verhandlung von Patenten und Lizenzen. Mehr als bei Geheimhaltungsvereinbarungen geht es hier allerdings um einen höheren Einsatz: Einnahmen aus Patenen und Lizenzen können einerseits eine lukrative Einnahmequelle für die Forschungseinrichtung sein. Auf der anderen Seite sind die „Pflege“ und das Aufrechterhalten von Patenten und Lizenzen kostspielig. Für TUs, die ein äußerst knappes Budget haben, wird auch von der großen Herausforderung gesprochen, die die Pflege und Abwicklung von Patenten und Lizenzen vor dem Hintergrund knapper Ressourcen darstellen:
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Ja, das ist aber so, dass die Universität da also gar nicht, trotz aller Anstrengungen, die Kapazität hat, breit etwas zu machen. Schauen Sie, wenn uns hier an der Universität- da gibt es also eine einzige Person, die also für das Patentwesen zuständig ist in dieser großen Hochschule und der ist also total überfordert. Und wenn Sie da sehen, wir sind einfach nicht ausgerichtet in der Weise- was macht man denn in einer Firma dann, da haben Sie ein Patentbüro, wenn sie eine große Firma sind, sind das eigene Leute, wenn sie eine kleinere Firma sind, haben sie ein Patentanwaltsbüro an der Hand und da geben Sie alles hinein, was an Ideen kommt und das wird also breit abgedeckt, wenn dort irgendetwas ist, das kann die Hochschule gar nicht machen. (UB2 IW2 128)
Auf Seiten der Forschungseinrichtung muss hier die Höhe der erwartbaren Einnahmen und Kosten schon frühzeitig antizipiert und kalkuliert werden. Hier bilden in den außeruniversitären Forschungsorganisationen die Vorgaben der Forschungsorganisation den Rahmen, innerhalb dessen verhandelt werden kann. Mit der folgenden Interviewpassage beschreibt ein Materialforscher, dass dieser Rahmen durchaus zu Verhandlungsbedarf mit den Unternehmen führen kann. Bei uns ist das zum Glück anders, denn die zentrale Frage ist, was passiert mit Know-howPatenten, die im Projekt letztendlich erarbeitet wurden. Und da gibt es natürlich zwei- die Fraunhofer hat die eine klare Position, die Erteilung eines Auftrags ist keine erfinderische Leistung. Das heißt, gar keine Rechte dran. Ein nicht-ausschließliches- Nutzungsrecht. Damit können sich die meisten Industriefirmen nicht anfreunden. Das heißt, man muss da Abstriche machen und die Abstriche hängen ganz klar davon ab, wie viel Marktvolumen tatsächlich da ist und wie groß der Auftrag ist. Und wie viel Anbieter es gibt, ja. Wenn ich jetzt in einem Bereich zwei Anbieter in Deutschland habe, oder in Europa vielleicht sogar, ja fast weltweit, dann brauch ich mir über dieses Ausschließlichkeitsproblem ja kaum Gedanken machen, ja. Weil ich würde ja nicht zur Konkurrenz gehen, dann ist auch mein gutes Verhältnis mit der Firma, mit der ich wahrscheinlich und hoffentlich über Jahre noch vertrauensvoll und erfolgreich im Rahmen von Forschungsverträgen, Aufträgen, arbeiten möchte, dahin. Und einen neuen Kunden zu akquirieren kostet mehr als einen alten zu erhalten. Insofern sollte man die Alten erhalten. (FB1 IW2 178–180)
Die Bedeutung von Patenten für die Forschungseinrichtungen wird so durchaus unterschiedlich von den Materialforschern gesehen. So beschreibt der folgende Interviewte, dass das Erlangen von Patenten nicht das primäre Ziel der Arbeit ist und sich aus Patentvereinbarungen mit Firmen durchaus Konflikte zwischen den Kooperationspartnern ergeben können: Und die große Schwierigkeit also hier bei uns ist also die, dass alle patentwürdigen Dinge eigentlich zusammen gemacht sind mit Firmen. Ja, und weil sie-. Also wir machen hier von uns aus Forschung und Forschung hat primär nicht das Ziel, dass Patente dann-. Also, legen wir dort kein Wert drauf und die Dinge, die wir dann mit Firmen zusammen machen, da wachsen eine Vielzahl von Patenten. Als Beispiel: einer meiner Mitarbeiter will in- oder wollte im Januar auf eine Tagung gehen nach England, da ist eine Kooperation mit einer Firma, wir haben einen Vertrag, in dem also jetzt das Manuskript vorgelegt werden muss, die Firma hat die Hand drauf gelegt und hat gesagt, ‚Das wollen wir patentieren lassen, der darf das nicht vortragen‘. Aber das kommt nur aus der Kooperation heraus, wir selbst, ohne Kooperation mit dieser Firma, wären da raus gegangen wahrscheinlich. (UB2 IW2 128–132)
Deutlich wird, dass die Materialforscher in Abhängigkeit von ihren jeweiligen Rahmenbedingungen unterschiedliche Interessen bei der Aushandlung von Patenten und Lizenzen verfolgen. Während der oben zitierte Universitätsprofessor davon spricht, dass es sein Anliegen ist, dass Publikationsmöglichkeiten nicht eingeschränkt wer-
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den, legen Forscher aus Fraunhofer-Instituten Wert darauf, dass sie bei Verhandlungen um IP-Rechte bei den möglichen Erträgen nicht übervorteilt werden. In diesen Verhandlungen um Geheimhaltungsvereinbarungen und IP-Rechte werden nicht nur die weitere Kooperationsbeziehung und der Transferverlauf definiert, sondern aus Sicht der Materialforscher wird hier durchaus auch über die zukünftigen Arbeitsmöglichkeiten der Forschungseinrichtung mitverhandelt. Da das Interesse von Unternehmen in der Kooperation meist bei einer weitgehenden Exklusivität liegt, ist es für die Zukunftsfähigkeit der Forschungseinrichtung aus Sicht der Materialforscher wichtig, sich die Möglichkeit weiterer Forschungen und Entwicklungen zu erhalten, ebenso wie die Möglichkeit, auch noch mit anderen Partnern für andere Anwendungen Kooperationsbeziehungen eingehen zu können. UA1:
â•›(…) bei direkter Kooperation mit der Industrie, in diesen Kooperationsverträgen steht zum Beispiel drin, dass diese Information exklusiv und nur für diese Firma und über drei Jahre Stillhalteabkommen und so weiter- oder fünf Jahre. Da hat man natürlich ein Problem. Wenn ich dann zu viel an Informationen in so ein Projekt mit einbringe, dass dieses Wissen, das ich da einbringe, plötzlich blockiert ist, nur für ein Projekt. Und das darf eigentlich für eine Hochschule oder gar für ein Universitätsinstitut nicht sein, weil wir damit natürlich- zum Teil in verschiedenen Bereichen- einfach nur Einbahnstraßen betreten würden und das darf ich gar nicht tun. Ist n biss-/ [bin ich nicht mehr frei] Interviewer 1: Das müssen Sie also im Vornherein eigentlich schon bei dem Beginn der Aushandlungen sicherstellen, dass Sie nicht zu weit da vorgehen? â•›Ja. Es ist natürlich nicht so einfach, das sicher zu stellen. Es gibt UA1: Verträge, bei diesem F&E-Projekt gab es einen Kooperationsvertrag, der vorgeschrieben ist, der auch- ich sag mal relativ harmlos ist- was das Projekt anbelangt, aber ich muss eben trotzdem aufpassen, wie viel ich weitergebe, was auch andere Gebiete berühren könnte, und was mir dann in anderen Arbeitsgebieten möglicherweise Probleme bereiten könnte oder mich dann blockieren könnte, wenn ich mich dadurch eben, dass ich mich in diesem Projekt öffentlich- oder auch nicht öffentlich- geäußert habe dass ich damit dann eingeschränkt und blockiert bin. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Idee, wie Sie einen Prozess neu gestalten könnten und bringen jetzt diese Idee in einen Prozess ein- oder in dieses Projekt ein- und plötzlich ist diese Idee völlig blockiert für alle anderen Projekte- damit wären wir natürlich extrem eingeschränkt und das sind nämlich so die Punkte, die man abwägen muss: Wie viel darf ich sagen, wie viel kann ich sagen. (UA1 IW2 197–203)
Es wird also deutlich, dass die Formalisierung nicht nur den rechtlichen Rahmen des konkreten Transferprojektes definiert, sondern auch von weit reichender Bedeutung für die Verfolgung von Entwicklungslinien auf Seiten der Materialforschungsteams und deren strategischer Planung ist.
5.3.4.3 Finanzierung Vor Beginn des konkreten WTT ist die Finanzierung des Projekts zu klären. Es gibt unterschiedliche Wege, über die Transfervorhaben finanziert werden können.
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Geht es tatsächlich lediglich um die Übertragung der Technologie an ein Unternehmen, also um ein Transfervorhaben im engeren Sinne, wird das Transfervorhaben meist komplett durch das Unternehmen finanziert. Sollte an einen Zulieferer im Auftrag eines Herstellers transferiert werden, übernimmt ebenfalls meist letzterer die Kosten. Handelt es sich um ein Transfervorhaben, bei dem im Rahmen eines gemeinsamen Entwicklungsprojekts eine bestimmte Entwicklung erst noch für die Anwendung im Unternehmen gestestet wird und damit das Entwicklungsrisiko sehr hoch ist, gilt dies nicht. In den meisten beobachteten Fällen wird hier zumindest eine öffentliche Teilfinanzierung genutzt. Bei Kooperationsprojekten mit KMU gilt dies in besonderer Weise: Soll ein gemeinsames Entwicklungsprojekt mit dem Ziel eines WTT durchgeführt werden, wird in fast allen Fällen berichtet, dass öffentliche Drittmittel zwingend notwendig sind. Dies stellt hier vor allem die Forschungsteams vor die Herausforderung, die notwendigen Drittmittel zu akquirieren. 5.3.4.4 Durchführung des Transferprojekts Kooperationen Im Rahmen von Transfervorhaben werden auch Kooperationen mit anderen Forschungseinrichtungen eingegangen, sind oft sogar notwendig, um das Material oder Verfahren entwickeln zu können. Kooperationen mit anderen Forschungseinrichtungen gehören somit für die meisten Materialforschungsteams zum täglichen Geschäft. Es wird mit anderen Forschungseinrichtungen kooperiert, um notwendige Kompetenzen für die Bearbeitung einer Forschungsfrage einzuholen oder zu ergänzen. In den meisten Fällen wird mit anderen Forschungseinrichtungen kooperiert, um deren Anlagen mitnutzen zu können. Es sind aber auch Unterschiede zwischen den einzelnen Forschungseinrichtungen und ihren Kooperationsstrategien beobachtbar: Aus TUs heraus wird meist über universitätsinterne Kooperationen berichtet, die unbürokratisch auf der Ebene von Forschungsgruppen und zwischen Mitarbeitern abgestimmt werden. Durch Kooperationen, die hauptsächlich der Ergänzung des eigenen Know-hows dienen (sei es durch Verwenden von Geräten anderer Einrichtungen oder durch das Einholen von Expertisen bei anderen Disziplinen), werden aber auch stabile Kooperationsbeziehungen initiiert, die zu gemeinsamen Publikationen und Projekten führen können. Diese Kooperationen haben einen stark informellen Charakter und zeichnen sich vor allem durch die kurze und unkomplizierte, anscheinend konkurrenzfreie Erreichbarkeit von Kooperationspartnern aus. Andererseits wird im Kontext dieser Kooperationen aber auch von der Notwendigkeit der internen Kooperation gesprochen, da knappe Mittel eine Ausstattung mit allen für die Arbeit eines Instituts notwendigen Geräten nicht zulassen. Das Kooperationshandeln in Einrichtungen der FhG scheint eher vom Gegenteil gekennzeichnet zu sein. Von bestehenden Kooperationen innerhalb der FhG wurde kaum berichtet. Mögliche Kooperationen werden hier auch als Ausnahme einer „Wolfsgemeinschaft“ charakterisiert. Folgt man diesem Bild, ist Kooperation nur unter zweckrationalen Kalkülen möglich, nämlich um eine „Beute“ zu erlegen.
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die Fraunhofer ist zwar- eine Wolfsgemeinschaft, bei dem sich keiner die Beute gönnt, ((lacht)) aber manchmal funktioniert’s doch ((lacht)). (FB1 IW2 295–297)
In einzelnen Fällen wurde berichtet, dass gerade andere Einrichtungen der FhG keine attraktiven Kooperationspartner darstellen. Kommen Kooperationen zustande, geschieht das immer im Zusammenhang mit einem starken Anreiz von außen, zum Beispiel durch Programme, die interne Kooperationen gezielt fördern sollen und diese durch finanzielle Anreize positiv sanktionieren. Natürliche Kooperationspartner sind für Fraunhofer-Einrichtungen eher Institute anderer Forschungsorganisationen. Bei den Einrichtungen der HGF können sowohl Kooperationen zwischen Instituten der einzelnen Großforschungszentren als auch Kooperationen zwischen unterschiedlichen Helmholtz Einrichtungen oder mit Universitäten und Instituten der FhG beobachtet werden. Finanzielle Anreize zur Kooperation wirken hier ebenfalls positiv auf die Anbahnung interner Kooperationen. Wissenstransfer Ist ein Kooperationspartner gefunden und ein Transferprojekt vereinbart, liegt beim Transfer die eigentliche Schwierigkeit darin, das zur Produktion notwendige Wissen zur Anwendung der Technologie an ein Unternehmen zu übergeben. Das ist das eigentliche Problem beim Transfer. Also Sie haben dann andere Herstellungsbedingungen, andere Öfen und so weiter und andere Leute, die das machen, ja, können auch mal einen Fehler machen und Sie merken das gar nicht, weil das halt einfach nirgends beschrieben ist, dass man das so machen muss und der macht es intuitiv halt einfach anders, ne. Das ist die Schwierigkeit eigentlich. Das ist auch immer kritischer Punkt bei dem Gesamtprojekt, dieser Transfer. (HA1 W2 306)
Eine der wesentlichen Herausforderung des Transfers ist es, die Entwicklung aus der Forschung an die Produktionserfordernisse des Unternehmens anzupassen. Um das leisten zu können, muss aber auch das nötige Wissen des Forschungsteams über die Entwicklung einerseits und des Unternehmens über die Anforderungen an die Entwicklung andererseits ausgetauscht werden. Der Transfer des nötigen Wissens, das sowohl implizites als auch explizites Wissen umfasst, wird von den Materialforschern als eine soziale Situation beschrieben, bei der die Kooperationspartner aufeinander angewiesen sind. Wie wichtig auch das Unternehmenswissen über die Anwendung für die Entwicklungsarbeit des Forschungsteams ist, lässt sich gut am folgenden Beispiel verdeutlichen: Gegenstand des gemeinsamen Entwicklungsprojektes war die Entwicklung von Reibbelägen für eine Hochtemperaturanwendung: Das Anwendungsgebiet mit seinen spezifischen Anforderungen war der Forschergruppe zunächst nicht bekannt, dieses Wissen musste bei der Firma „abgeholt“ werden. …und in dem Projekt war meines Wissens eine Person von der Firma [Firmenname] dran beteiligt, die uns im Prinzip mit dem [Anwendungs-]wissen gefüttert hat… (HA2 IW1 17:2–4)
Um nach Abschluss des Transferprojekts die erworbene Entwicklung auch nutzen zu können, ist die Firma wiederum auf das praktische Wissen der Forscher ange-
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wiesen. So lernt die Firma wiederum von der Forschungsgruppe die Handhabung des Prozesses: […] und zu dem Zweck war die Firma dann schon bei uns. Um einfach (um) auch, ja ein Training hier zu bekommen, zu gucken, wie funktioniert das mit dem [technisches Artefakt], man berät dann auch, wie wir es jetzt auch mit einem anderen Industriepartner dann haben, berät dann auch vor Ort, berät dann auch mit die [technische Anlage] oder die [technische Anlage] oder was weiß ich der [alternative technische Anlage] oder die [Produktionsschritt] ist … Das ist dann schon wirklich mit einem richtigen Training verbunden, wo man die Mitarbeiter schult. (HA2 IW1 17:35–18:7)12
Das notwendige Wissen, um die Herstellung unabhängig von der Forschungseinrichtung leisten zu können, wird so oft über „Trainings“ von Firmenmitarbeitern an der Forschungseinrichtung transferiert. Über diese Praxis berichten mehrere Interviewte. Von vielen der interviewten Materialforscher wurde betont, dass selbst eine hervorragende Dokumentation der Transferaktivitäten den Kooperationspartner nicht notwendigerweise in die Lage versetzt, unabhängig von der Forschungseinrichtung die Entwicklung reproduzieren zu können. Ein weiteres Interviewzitat soll diese Praxis verdeutlichen: Heißt für uns eher, dass wir versucht haben, die Kollegen vom Industriepartner hier einzubinden, das heißt die haben ihre Leute zu uns geschickt, für kürzere und längere Zeiten, am Anfang etwas kürzer, aber dann auch mal wirklich wochenweise und die haben dann bei uns in der Fertigung gearbeitet. (HC1 IW1 4:4–7)
Das praktische Lernen ist ein notwendiger Bestandteil des Transfers. Die Mehrzahl der Interviewten sieht dies in den Eigenschaften des Gegenstands begründet: Zu seiner Herstellung ist implizites Wissen (vgl. Polanyi 1985) notwendig, das nicht in Form von Beschreibungen transferiert werden kann: Weil in den Verfahrensanweisungen, die die kriegen, da steht alles drin, aber da steht natürlich nicht drin, warum man das macht, und das erfährt man natürlich erst, wenn man mit dem Operateur an dem Apparat steht, an der Technik steht und halt fragt, warum tust du das so und so. (HC1 IW1 4:10–16)
Für den Wissenstransfer in WTT-Projekten lassen sich aus Sicht der Materialforscher daher zwei Aspekte festhalten, die einen erfolgreichen WTT-Prozess ausmachen: Zum einen sollte sich der Transfer als ein gegenseitiger Prozess charakterisieren lassen, in dessen Rahmen beide Seiten an unterschiedlichen Punkten Wissen vermitteln und aufnehmen. Zum anderen muss neben schriftlich vermittelbarem Wissen auch Wissen vermittelt werden, das nicht schriftlich dargestellt werden kann, sondern ausschließlich praktisch gelernt werden muss. Gerade diese Form des Wissensaustauschs kann offensichtlich nur gelingen, wenn ein ausreichendes Vertrauensverhältnis zwischen den Kooperationspartnern besteht. Somit wird deutlich, dass es auch beim zentralen Element des Transfers, dem Wissenstransfer, vor allem qualitative Aspekte sind, die als zentral für das Gelingen angesehen werden. Im vorangegangenen Text wurden zentrale Schritte im Transferprozess dargestellt. Im Folgenden werden nun Perspektiven der Materialforscher auf die Rollen 12╇
Hier scheint der Lernprozess allerdings kein Bestandteil des Transfervertrags zu sein.
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der Partner eines Transfervorhabens, Herausforderungen des Transfers, Marktchancen und die Rolle von Transferaktivitäten für die wissenschaftliche Praxis dargestellt. Auch hier wird die Darstellung zunächst die Perspektiven allgemein beschreiben und dann Unterschiede zwischen den beobachteten Forschungsteams fokussieren.
5.3.5 W elche Rolle sehen die Materialforscher dabei für sich selbst, welche für die Industrie? Motivation╇ Die Motivation für WTT auf Seiten der Materialforscher ist durchaus vielfältig: • Technologietransfer entspricht einerseits der Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung. Dabei wird das Ziel verfolgt, die (technologische) Entwicklung der Gesellschaft zu unterstützen und bei der Lösung von (technologischen) Problemen zu helfen. Hier hat WTT eine legitimierende Funktion, die Materialforscher beschreiben eine Rechtfertigungsstrategie: öffentlich finanzierte Forschung muss ihre Finanzierung vor der Gesellschaft rechtfertigen, die Gesellschaft soll von den wissenschaftlichen Ergebnissen profitieren können. • Andererseits müssen sich Materialforscher mit Anforderungen verschiedener externer Instanzen, Wissen zu transferieren, auseinandersetzen. In diesem Fall wird WTT vermehrt als ein Evaluationskriterium in Forschungseinrichtungen herangezogen. WTT muss geleistet werden, wenn auch nur, um andere Ziele zu erreichen, z.€B. Evaluationen zu meistern oder sich in der eigenen Organisation erfolgreich zu positionieren. So wird WTT zu einem mittelbaren Ziel und stellt kein Ziel aus sich selbst heraus dar. Die Motivation, die ihm zu Grunde liegt, ist somit als ambivalent zu beschreiben. Rollen╇ Die Rollen, die die Wissenschaftler für sich selbst in Bezug auf Transferprozesse sehen, sind vielfältig. Einige sehen sich in der Rolle des Dienstleisters, sei es für KMU oder große Unternehmen. Beispielsweise nimmt ein Lehrstuhlinhaber an einer TU die Rolle des Dienstleisters ganz bewusst an: Der Lehrstuhl bietet Messtechniken auf einem speziellen Gebiet über das Internet an, dieses Angebot richtet sich an Firmen. Mit der Erteilung eines Messauftrags wird allerdings immer wieder die Hoffnung auf eine umfassendere Kooperation verbunden, vor allem in Gestalt gemeinsamer Entwicklungsprojekte. Bei Kooperationen mit KMU übernimmt der Lehrstuhl dann auch die Aufgabe des Initiators und des Koordinators, indem er die notwendigen Anträge vorbereitet und KMU hier entlastet beziehungsweise ein Kooperationsprojekt so erst ermöglicht: Das heißt, (…) jetzt kommt aber der Punkt hinzu, dass die Firmen natürlich, weil Sie sagen, Sie haben zu viel Arbeit-. Wir müssten das Heft in die Hand nehmen und ich müsste jetzt also der Überzeugung sein, ich müsste hier in dem Falle (…) nehmen wir mal eine [Bundesland] Firma, dann würde ich mich dann ans Wirtschaftsministerium wenden, ja, und sagen, wir haben hier einen interessanten Punkt, kann man das machen? Und dann müsste ich für die Firma den Antrag schreiben und dann würden die sich mit in ein Boot setzen. Das ist
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also typisch also für Firmen, die nicht so besonders groß sind. (…) Die Firmen sind also in der Regel nicht in der Lage und auch nicht bereit, hier die Initiative zu ergreifen und öffentliche Mittel anzuzapfen. Das muss also dann die Hochschule tun. (UB2 IW2 94)
Viele Materialforscher beschreiben in den Interviews, dass sie sich selbst als Treiber von Transferprozessen wahrnehmen. Sie betreiben die Akzeptanz neuer Technologien, auch bei Firmen. Als solche sehen sie für sich selbst auch die Aufgabe, auf einen Bedarf der Industrie an diesen neuen Technologien zu reagieren, auch wenn dieser den Unternehmen selbst möglicherweise noch nicht bekannt ist. Im folgenden Zitat wird deutlich, wie sich ein Materialforscher als Treiber und Gestaltender von Innovationsprozessen sieht: Also ich sehe in der Industrie, dass da Bedarf ist. Die wollen [Materialeigenschaft] herstellen und vor allem- sehe ich da auch jetzt- aus den Herstellungsprozessen, dass dortquantenmechanisch, sag ich jetzt wieder, Eigenschaften, Materialien- sich niederschlagen, die nur über[Verfahren] eingestellt werden können, mit Effekten, die heut noch gar nicht verstanden sind, wo ich jetzt einen Zugang habe, durch meinen Kram da jetzt. Und ich sehe da jetzt mit dem [Name des Verfahrens] eine Lösungsmöglichkeit. Und jetzt setze ich das um, einfach. Und sehe da auch, was wir großtechnisch heute machen, also- tun wir mal den Kram da bauen und dann bringen wir es unter, irgendwie bei [Konzern] oder irgendwo. (HB1 IW2 778–780)
Aber auch in einem nicht ganz so umfassenden Sinn beschreiben die Materialforscher ihre Rolle als die eines „Initiators“ von Innovationen. Sie entwickeln Technologien, die die Unternehmen selbst nicht herstellen können, sei es aufgrund fehlender personeller Ressourcen oder weil ihnen eine Entwicklung nicht gelingt. Einige Materialforscher haben in den Interviews betont, dass ihnen Entwicklungen gelingen, an denen die Unternehmen scheitern. Die Demonstration der Machbarkeit bestimmter Entwicklungen sehen sie dann auch als ihre Kernkompetenz in Bezug auf Transferaktivitäten. …da ist halt einfach die Aufgabe, die wir haben. (…) Wir sehen uns eigentlich eher darin zu zeigen, was machbar ist, deswegen wollen wir ja auch ein 20 Kilowatt-System aufbauen, um einfach zu zeigen: Man kann das, wissend, weder mit dem Design noch mit der Technologie, wie wir alles herstellen, noch wie wir es betreiben wird das später mal so funktionieren. Das ist dann aber auch nicht mehr unser Job. (HC1 IW2 932–934)
5.3.5.1 W ie sehen die Materialforscher ihre Kooperationspartner auf Firmenseite? In Transferprozessen stimmen die Materialforscher ihre Handlungen und Strategien auch auf ihren Kooperationspartner auf Firmenseite ab. Für die Planung ihrer Handlungen spielt das Bild, das sie von ihrem industriellen Kooperationspartner haben, insofern eine herausragende Rolle, als sie ihre Handlungen an dem orientieren, was sie als Einstellung, Prioritäten und erwartbare Handlung (sprich: als Bild des Industriepartners) wahrnehmen. Zu diesem Bild gehören auch Annahmen darüber, welchen Anforderungen die Endprodukte der Industriepartner auf dem Markt gerecht werden müssen. Aus diesen Bildern leiten die Materialforscher Anforderungen an
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die Eigenschaften des Materials oder Verfahrens ab. Diese spielen dann bereits in der frühen Entwicklungsarbeit eine Rolle, indem Materialien und/oder Verfahren auf diese Eigenschaften hin von den Materialforschungsteams entwickelt werden. Die Annahmen über diese Anforderungen basieren in unterschiedlichem Maße auf Informationen der industriellen Kooperationspartner selbst. Der überwiegende Teil der Materialforscher sieht beispielsweise eine Anforderung darin, dass das neue Material oder Verfahren für Unternehmen einen Vorteil gegenüber dem jeweils etablierten Material oder Verfahren bieten muss. Ist diese Bedingung gegeben, wurden vor allem zwei Aspekte genannt, in denen sich ein Vorteil für die Unternehmen erweisen muss: 1. Kosten: Der Werkstoff muss dem Unternehmen einen Kostenvorteil gegenüber dem früheren Verfahren ermöglichen. 2. Technische Eigenschaften: Die technischen Eigenschaften müssen gegenüber herkömmlichen Verfahren gleichwertig bis überlegen sein. Diese Anforderungen müssen in den Augen der Materialforscher durch ihre Entwicklungen erfüllt werden, um für einen Transfer überhaupt in Frage zu kommen. In Bezug auf das Senken von Kosten liegt aber auch nahe, dass die Materialforschungsteams hier die internen Kalkulationen des Unternehmens kennen müssen, um Kostenaspekte treffend einschätzen zu können. Transferprozesse sind in den Augen der Materialforscher in entscheidender Weise von Firmenentscheidungen abhängig. Diese Entscheidungen sind den Materialforschern nicht immer transparent. Die Annahmen über das Verhalten der im Transfer kooperierenden Firmen werden aus vorangegangenen Erfahrungen mit diesen oder anderen Kooperationspartnern abgeleitet. In der Hälfte der Fälle erscheinen die Entscheidungen und Entscheidungskalküle der Industriepartner für die Materialforschungsteams nicht antizipierbar. Eine Kooperation bietet daher keine Garantie auf weitere gemeinsame Projekte in der Zukunft. Die Materialforschungsteams müssen mit dieser Unsicherheit umgehen und sie in ihre Handlungen integrieren. Die Materialforscher sehen in der Größe oder der jeweiligen Unternehmenskultur des Unternehmens die Ursachen für die Handlungen des Unternehmens. Erfahrungen, die man mit verschiedenen Arten von Unternehmen gemacht hat, werden als Erwartungen an das Handeln anderer Unternehmen, die die gleichen Merkmale aufweisen, übertragen. Den Unternehmen wird auf der anderen Seite eine positive Rolle bei der Ausrichtung der Produkte für den Markt zugebilligt: Die Anwender scheinen kompetenter als die Forscher, wenn es um die Einschätzung eines künftigen Marktes für die Entwicklung geht. Als positive Eigenschaft von Anwendern im WTT wird ihre Fähigkeit, durch ihre Vorgaben eine Entwicklung in die richtige Richtung zu lenken, gesehen. Diese Fähigkeit scheint für die meisten Wissenschaftler außerhalb ihres eigenen Kompetenzbereichs, ihrer „bekannten Welt“ (der Wissenschaft), zu liegen. Die Firmen ‚kennen den Markt und die Bedürfnisse des Kunden‘, die der Forscher so mittelbar nutzen kann. Also gut geführte Firmen, die machen ja so was auch. Na, nicht nur so was, sondern die machen halt Kundenzufriedenheitsanalyse und daraus lernen die. Nämlich genau an den Stellen, wo sie nicht zufrieden sind, da müssen wir was machen. Und so was kann auch-.
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Oder wo man eben sagt, dass bestimmte orthopädische Einrichtungen da, so als Gehhilfe, die ist eben nicht optimal, aus den und den Gründen, da muss man was dringend machen. Und zwar stellen wir uns das so und so vor, aber wir haben das Material bisher zum Beispiel nicht. So kann es ja auch kommen. Die Anfrage, ne. (FA1 IW1 37:19–24)
5.3.6 Interaktion mit Anwendern Für die Verteilung der Aufgaben in der Kooperation bevorzugen die Materialforschungsteams das Modell einer arbeitsteiligen Organisation des Transfers. Klar definierte Arbeitspakete werden hier eigenverantwortlich und kooperativ bearbeitet. Eine solche Organisation der Aufgaben wird aus ihrer Sicht am ehesten den unterschiedlichen Kompetenzen der Kooperationspartner gerecht. Der Anwender verfügt beispielsweise über bestimmte Fähigkeiten, die für einen Transfer zwingend erforderlich sind: In der Regel braucht man gar nicht verhandeln. Ich muss eigentlich seine Vorstellung mit/ die brauch ich ja. Ich kann den ja-. Ich meine, da im Produktmarkt, bin ich nicht so zu Hause. Das geht gar nicht. Der kriegt ja, die kriegen ja eigene Anfragen, ne. Oder haben eigene zu den Nutzern wieder, ne. Sag mal, in der Medizintechnik zu den Ärzten zum Beispiel: Die wissen, was da eigentlich – verbessert werden müsste, das wissen die. In der Regel wissen die das ganz genau. (FA1 IW1 37:14–19)
Die genauen Kenntnisse über die Anforderungen der Kunden und des Feldes liegen also bei den Unternehmen. Dem Anwender wiederum fehlen bestimmte Kompetenzen, um den wissenschaftlichen Teil des Transfers beurteilen zu können. Aus diesen unterschiedlichen Kompetenzen (die sich hier auf Arbeitsschritte des Transfers und nicht auf für die Entwicklung notwendiges Wissen beziehen) folgt dann eine arbeitsteilige Organisation des Transferprozesses als Ideal der Materialforschungsteams. In dieser Vorstellung wird der Wunsch der Materialforschungsteams nach möglichst eigenständiger Arbeit in der Kooperation deutlich. Wenn Unternehmen in Kooperationen auch auf einer inhaltlichen Ebene in die Arbeit der Teams eingreifen und hier Vorgaben machen, wird die Kooperation von den Materialforschungsteams überwiegend negativ beschrieben. Diese Vorstellung einer funktionalen Arbeitsteilung in der Kooperation folgt ebenfalls dem Bild der gleichberechtigten Kooperation auf Augenhöhe, die bei fast allen Materialforschungsteams Bestandteil eines idealen Transferprozesses (auf der Ebene der Qualität der Zusammenarbeit) ist. Qualität der Zusammenarbeit╇ Rückblickend wird die Interaktion mit dem Kooperationspartner im Transferprozess positiv beschrieben, wenn die Interviewten den Eindruck hatten, in einer reziproken Weise mit einem Partner gearbeitet zu haben. Dies bezieht sich zum einen auf ein Feedback durch den Partner auch während des Forschungsprozesses, zum anderen aber auch auf dessen Verhalten: Es ist den Forschern wichtig, dass der Anwender ihnen auf Augenhöhe begegnet. Diese Tipps und dann auch diese Offenheit von der Industrie, also das ist was Besonderes. Das sind so besondere Kunden, die uns auch gerne helfen und wir helfen ihnen auch gerne,
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weil die sind ziemlich offen und wir sind ja keine Konkurrenz eigentlich, weil wir sind ja mehr –. Hochschule ist ja eigentlich für sie da, sozusagen. Und das sind dann eigentlich die Punkte, was Sie meinten, OK, solche Persönlichkeiten sind eigentlich für uns sehr, sehr hilfreich. (UC2 IW1 18:12–17)
Darüber hinaus ist die gute Chemie zwischen den Personen ebenfalls eine entscheidende Qualität für die Kooperation, die für einen Teil der Interviewten die anderen Aspekte nahezu überwiegt. Wichtig für die Zusammenarbeit ist für die Forscher ein ständiger Austausch und eine offene Kommunikation miteinander sowie wechselseitiges Verständnis für Bedürfnisse und Zwänge des Anderen. Als wichtig werden von einigen Materialforschern allerdings auch übereinstimmende Interessen und ein beidseitiger Nutzen gesehen. Hier wird noch einmal die Bedeutung von Reziprozität (und Gleichheit) der Partner im Transferprozess deutlich, schließlich geht es darum, ein „gemeinsames Baby“ zu entwickeln. Die Ausrichtung der eigenen Handlung an den Wünschen des Kooperationspartners kann in einer Kooperation für den Forscher entscheidend sein: Ich muss dessen Interessen vertreten, weil ich will dem ja-. Der will sich ja mitgenommen fühlen. Und ich kann nicht sagen, ich bin nur Forscher und das geht mich gar nix an, was du damit machst. Sondern das hilft dem sogar. Und das ist auch das, was hier so der eine oder andere hier im Haus nicht versteht, an manchen Stellen, wenn ich- auch an den Projekten. Wenn ich mich immer auf die Seite des Projektpartners stelle. Und denen beibringe-. Und genau dasselbe sage, was der von uns erwartet und berechtigt erwartet. (FA1 IW1 36:19–25)
Daran richtet sich dann auch die Ausgestaltung der Beziehung während der laufenden Kooperation aus. Das erste Mal ist immer wichtig, dass sie, sagen wir mal, offen informiert werden. Das ist das Mindeste, ja. Weil das ist ja eigentlich die Vertrauensgrundlage für eine Projektpartnerschaft. Wenn es nicht partnerschaftlich geht, geht kein Projekt. Ja, das muss jedem, jeder muss was geben und was nehmen können. Beide Seiten. Also es ist nicht nur so, Industrie gibt Geld und kriegt dafür, sondern es muss mehr sein. Wir müssen ja auch bisschen was an Wissen geben, damit wir es- wir wissen, es passt dort rein. Und dann kommt man sich aber auch dann näher. (FA1 I W1 10:28–11:2)
Offenheit und Vertrauen╇ Von den befragten Materialforschern wird die Interaktion mit den Industriepartnern positiv bewertet, wenn der Partner als „offen“ erlebt wurde: Offenheit als herausragende Eigenschaft, als notwendige Bedingung für das Gelingen des Transferprozesses findet sich in allen Interviews. In folgender Interviewpassage wird die Qualität der Zusammenarbeit mit dem industriellen Kooperationspartner thematisiert: Also sehr offen. Das ist ja so, dass wir immer Vertraulichkeit vereinbaren und da können wir offen reden über die Themen. Und diskutieren das auch sehr offen und die- wichtig ist halt, dass man die Ergebnisse dann weiterleitet, dass das auch getestet wird, ohne großen Zeitverzug und so weiter und dann kann man gut zusammenarbeiten und das hat eigentlich in dem Fall sehr gut geklappt. (HA1 IW1 15:17–21)
Offenheit ist somit eine Voraussetzung, um erfolgreiche gemeinsame Arbeit überhaupt zu ermöglichen. Offenheit, die auch durch vertragliche Vereinbarungen ge-
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währleistet werden kann (so zum Beispiel durch Geheimhaltungsvereinbarungen), ist auch eine wichtige Voraussetzung für einen reibungslosen Arbeitsprozess. Sie ist aber nur möglich, wenn Vertrauen herrscht, andererseits wird Vertrauen erst durch Offenheit ermöglicht. Vertrauen und Offenheit werden von fast allen Interviewten durchgängig als wichtige Elemente für eine gute Qualität der Zusammenarbeit beschrieben. Darüber hinaus ist es gerade erst durch Offenheit möglich, einen erfolgreichen Technologietransfer selbst zu leisten: das heißt einerseits, dass die Materialforschungsteams die genauen Bedingungen und Anforderungen der Anwendung kennen und andererseits, dass die Unternehmensseite in die Lage versetzt wird, die transferierte Technologie unabhängig von der Forscherseite einzusetzen. Hergestellt werden sowohl Vertrauen als auch Offenheit in den Augen der Materialforschungsteams am ehesten über Kommunikation und gegenseitiges kennen lernen. Einen wichtigen Beitrag dazu können in der Vorphase eines Transferprojektes Machbarkeitsstudien und Vorprojekte spielen (siehe hierzu auch Abschn.€5.3.4.2). Dass es sich bei der Herstellung von Vertrauen und Offenheit auch um einen Balanceakt für die Materialforschungsteams handelt, beschreibt dieser Interviewte: Vertrauen bedeutet für mich auch, dass wir auch persönliche Probleme ansprechen und versuchen, persönliche Probleme oder persönliche Empfindlichkeiten zu klären. Denn ich meine, ich war nicht bei jedem Gespräch dabei und ich bin natürlich auch nicht jeden Tag aktuell am Geschehen, das ist ganz klar, von daher sind sagen wir mal auch atmosphärische Störungen zwischen Industriepartner und Mitarbeiter, sind natürlich möglich und da jetzt die Balance zu ergreifen, die Balance zu suchen, zwischen Offenheit und Vertrauen. Ja Offenheit in der Informationsweitergabe und ich sag mal dem vollkommenen Entblätternnicht ganz einfach ist. Vor allen Dingen, was dann natürlich auch Randbereiche betrifft, denn ich meine die Uni, das wissen Sie ja auch, lebt davon, dass wir natürlich Ideen umsetzen in Projekte und dass wir Ideen, entweder grundlagenorientiert oder anwendungsorientiert, versuchen zu verarbeiten und auch für uns, für Zukunftsprojekte zu gestalten und von daher-. Es ist ein nicht ganz einfacher Punkt: Wo ist noch Vertrauen? Und ich sag mal, wenn damit ein Partner Dinge nutzen würde, die ich im Vertrauen gesagt habe, um sie für sich auszuschlachten, dann würde ich das als ein Vertrauensbruch sehen. Dass es sich also, ja vertrauensvolle Zusammenarbeit, bedeutet erst mal für mich, dass ich mich einfach auf den Partner einlasse. (UA1 IW2 189–193)
Konflikte╇ Konflikte treten in der Interaktion auf, wenn die Materialforschungsteams den Eindruck gewinnen, dass das Verhalten des Industriepartners nicht ihrem Ideal eines Transfers gerecht wird. Diese Konflikte werden als unterschiedlich gravierend für den Transferprozess beschrieben. Teilweise haben sie aber für die Materialforschungsteams eine so große Bedeutung, dass sogar die Kooperation selbst in Frage gestellt wird. Im Folgenden werden die drei Aspekte erläutert, die von den Materialforschungsteams hauptsächlich als problematisch gesehen wurden: unterschiedliche Zeitperspektiven, Anspruchshaltung des Industriepartners und Verletzung des Vertrauensverhältnisses. 1) Unterschiedliche Zeitperspektiven: Die Teams auf Seiten der Industrie bringen überwiegend ein hohes Interesse an einem schnellen Transfer oder einer kurzen Entwicklungszeit zum Ausdruck. Vor dem Hintergrund der Positionierung eines Unternehmens am Markt erscheint diese Orientierung der Unternehmen für die Ma-
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terialforscher nachvollziehbar. Für die Entwicklungsarbeit beschreiben die Materialforschungsteams sie allerdings als problematisch. Zum einen beschreibt ein Teil der Materialforschungsteams eine hohe Belastung mit unterschiedlichen Aufgaben und parallelen Kundenaufträgen, die einer Bearbeitung nach den Zeitvorstellungen der Unternehmen im Wege steht. Folgendes Zitat ist ein Beispiel dafür: Also, die Firmen wollen schnelle Lösungen haben. Also, schon möglich gestern schon das bekommen haben, aber-. Also ein Institut funktioniert ganz anders (…). Aber andererseits verlangen ja die Firmen, dass das schnell geht, also schon innerhalb einer Woche, dass die Lösung schon auf dem Tisch liegt. Das versteh ich schon auch von Firmenseite, die wollen ja auch- Zeit verschaffen, und schnell vor den anderen voran sein, aber am Institut hier- meistens ist auch nicht machbar, dass man dann eine Woche- weil man nebenbei auch noch andere Aufgaben hat. Man hat nicht nur diesen Kunden, man hat auch noch zig andere Kunden die man irgendwie arbeitet, das ist leider Gottes so. Also schön wäre es, wenn jetzt jeder für eine Firma zuständig ist, das macht. Aber wir haben ja jede Menge andere Aufgaben und dann müssen wir das ganze organisieren und dann klappt das eben nicht und es klappt auf der anderen Seite vielleicht von dem Material nicht, was die bestellt haben. Also dieses Verständnis zwischen Firmen, Industrie und Forschung fehlt. (…) Also, diese Vorurteile, dass Institute sehr langsam geht Interviewer 1: Aber manchmal geht das ja auch einfach praktisch nicht schnell genug, weil die Idee Zeit braucht umgesetzt zu werden und man führt die Ideen aus- probieren muss â•›Ja, Ja, Ja, überhaupt, Ja UC1: Interviewer 1: Aber das muss also die Industrie doch eigentlich auch verstehen UC1: â•›Nein, eigentlich in vielen Fällen nicht. Also die – das ist auch-. Obwohl wir auch die Zeitrahmen schreiben: Sagen, ‚also für diesen Lösungsweg‘, sag ich mal, meistens Prototypentwicklung, wir rechnen auch sehr eng, damit wir den Kunden nicht verlieren und- Also meisten denk ich mal, wir ziehen das sehr eng zusammen, (…) aber für solche zu entwickeln hätten wir doppelt Zeit gebraucht, aber wir geben uns doch Mühe, also das verstehen die in den meisten Fällen nicht. Also, die brauchen, dass das schnell geht. Also die möchten schon, dass wir schon Lösungen in der Tasche haben quasi dann: ‚hier habe ich und nehmst du das mit‘. (UC1 IW2 173–183)
Ein Teil der Materialforschungsteams betont dann auch, dass ein Transfer eher gelingt, wenn die Materialforschungsteams den Zeitrahmen bestimmen können. 2) Konflikte resultieren aus Sicht der Materialforschungsteams ebenfalls aus einer ungerechtfertigten Anspruchshaltung des Industriepartners. Ein großer Teil der Materialforschungsteams beschreibt eine solche Haltung bei einigen Firmen, die dann meist auch als „schlechte Transferpartner“ charakterisiert werden. Sie beschreiben, dass einige Industriepartner das Recht auf weitgehende Exklusivität der Entwicklung fordern. Dies ist eine Forderung, die einige Materialforscher zwar verstehen, weil die Industriepartner einem permanenten Erfolgsdruck des Marktes gerecht werden müssen. Die Materialforscher sehen hier aber für sich selbst keine Möglichkeit, diesen Forderungen zu entsprechen, da sie in diesem Falle gegen ihre eigenen Interessen, die in der Verfolgung weiterer Anwendungen und Forschungen an der Entwicklungslinie bestehen, zuwider handeln würden. Folgendes Zitat ist ein Beispiel für eine solche Beschreibung, in der insbesondere die Beanspruchung von Wissen, das vor der eigentlichen Kooperation
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durch die Forschungseinrichtung generiert wurde (so genanntes Background IP, S.€Kap.€2.9), thematisiert wird: auch gerade bei größeren Unternehmen- die kleineren machen sich häufig nicht unbedingt so den Kopf- die größeren sagen doch häufiger- haben einen enormen Alleinstellungsanspruch, nach dem Motto: ‚Alles was ihr wisst, gehört dadurch dann uns‘ und unterscheiden nicht zwischen Vorwissen, was ja auch aufgrund von anderen Projekten, öffentlichen Projekten und so weiter generiert wurde. Und es ist schon (ein) relativ großer Aufwand klarzustellen, ‚Ihr hab nicht den Zugriff durch dieses Projekt auf ein Gesamtpool, auf alles, und könnten damit dann alles auch zukünftig exklusiv schützen‘, ja, und dann damit auch dem Institut- es hat ja auch einen Markt- den letztendlich komplett blockieren, sondern: ‚Ihr profitiert alle da‘ Oder alle Industriepartner profitieren davon, dass das Institut irgendwo eine gemeinsame Schnittmenge hat, die frei bleibt und die Details und Konkretisierungen dann auch durchaus exklusiv behandelt werden können. Gerade bei größeren Projekten, wo dann auch die Verwertungsrechte definiert werden, ist das ein sehr großer Schritt, gerade wenn beide Partner große Rechtsabteilungen haben. Fraunhofer hat eine große Rechtsabteilung, große Industriepartner auch. Wie gesagt, die kleineren sagen dann eher schon mal entweder ‚Ja und Amen‘ oder ganz früh ‚Nein‘. (FC1 IW2 23–26)
3) Verletzung des Vertrauensverhältnisses: Die Materialforscher beschreiben ihre Interaktion größtenteils als professionelles Handeln, bei dem auch entsprechende Regeln gelten. Sie beschreiben sich selbst und im Regelfall auch die Industriepartner als professionell und zuverlässig agierende Partner. Wird allerdings gegen das „gute Geschäftsgebaren“ verstoßen, das die Grundlage einer Kooperation bildet, kann eine Kooperation sogar abgebrochen werden. Verstöße gegen dieses Geschäftsgebaren bestünden darin, dass die Kooperation nicht als gleichwertig erlebt wird, also Kompetenzen überschritten oder ungebührliche Forderungen von Seiten der Industriepartner gestellt werden. Gleiches gilt, wenn das Vertrauen in das „regelkonforme“ Handeln des Kooperationspartners gestört wird, beispielsweise, indem dieser heimlich noch weitere Kooperationen mit ähnlichem Ziel verfolgt. Ein Abbruchkriterium wäre, wenn klar und deutlich ist, dass meinetwegen der Industriepartner das Institut nur ausnutzt für sich und eigenständig -ich sag mal zum Beispiel mit anderen Partnern etwas machen würde- und das wäre für mich ein Kriterium, sofort aufzuhören. (UA1 IW2 315)
Ein weiteres Beispiel: Kommunikationsschwierigkeiten, die sich nicht lösen lassen, Vertrauensverlust über Patentstreitigkeiten ist sicherlich ein Punkt, nach dem Motto, es passiert etwas, was erfolgreich ist und plötzlich sieht man, dass ein Patent auftaucht eines Projektpartners, ohne dass die anderen informiert sind. Also eigentlich ein klarer Vertragsverstoß. Auch das kommt ja vor. Und das kann durchaus auch dazu führen, dass man ein No-Go setzt, weil man sagt, ‚Hier sind strategische- Linien verletzt.‘, bis dahin, dass man gegen einen Industriepartner wirklich auch ein Patentverfahren beginnt. Auch solche Fälle haben wir- mit Gemeinschaftsvorhaben, wo dann sieben Firmen drin sind, wo einer ein Vorläuferpatent hat und die anderen sechs oder man zusammen dann noch mal ein Patent anmeldet, der siebte sich aber nicht beteiligt und dann sagt, ‚Aber ihr dürft eigentlich gar nicht, weil ich hab da schon eins.‘ und dass man da als Institutspartner auch Gesicht oder Stil beweist und dann auf dieser Linie bleibt und dann zu sagen ‚Wir haben euch vorher gesagt, das Ding ist patentfrei, wir sind der Meinung, das geht‘ und man sich an diesem Rechtsstreit beteiligt,
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obwohl man das Risiko läuft, den Industriepartner zu verärgern. Unter der Voraussetzung man glaubt sich natürlich im Recht. Nicht um des Prinzips willen, sondern weil man-. Das ist langfristig glaub ich eine gute Geschichte. (FC1 IW2 123–125)
Weitere Aspekte, die aus Sicht einiger Interviewten zu einem verletzten Vertrauensverhältnis führen können, sind beispielsweise das Vorenthalten von Informationen oder abrupt einseitige Entscheidungen auf Firmenseite.
ie sehen die Materialforscher den „Markt“ für die transferierte 5.3.6.1 W Entwicklung? Im letzten Absatz wurde beschrieben, wie Materialforschungsteams den Kooperationspartner in der Interaktion erleben. Wichtig für die Ausrichtung transferorientierter Arbeiten ist aber auch, wie die Materialforschungsteams den Markt für ihre Entwicklungen einschätzen. Strategien über die Verfolgung von Entwicklungslinien werden nach diesen Vorstellungen ausgerichtet. Dazu gehören Einschätzungen, welche Anwendungen für wirtschaftlich ertragreich gehalten werden oder welche Regeln am Markt gelten (und so vom künftigen Produkt erfüllt werden müssen). Regeln für die Durchsetzung der Entwicklung am Markt╇ Ein Materialforscher charakterisiert die Hürden auf dem Weg zu einem erfolgreichen Markteinsatz als aus zwei wesentlichen Schritten bestehend. Zunächst ist der Anwender entscheidend: Setzt er auf das Material bzw. Verfahren? Gelingt hier ein Erfolg, dann sind die Endanwender (Konsumenten) entscheidend: Fragen sie das Produkt, das mit Hilfe des neuen Materials bzw. Verfahrens entstanden ist, nach? Die Einschätzung des Marktes für das neue Produkt fällt für einen großen Teil der Interviewten in den Kompetenzbereich der Unternehmen (vgl. Abschn.€5.3.5). Ein Materialforschungsteam hat davon gesprochen, dass Kostenrechnungen in Studienarbeiten in Auftrag gegeben wurden. Allerdings wurde in diesem Transferprojekt die Technologie an eine Ausgründung transferiert. Annahmen über Marktpotenziale werden sonst häufig über allgemeine Annahmen über den Markt getroffen. Eine entscheidende Rolle für die Durchsetzung am Markt spielt für einen Teil der Materialforscher das Marketing für das Produkt. Denn mit einem guten Marketing ist es aus Sicht eines Teils der Materialforschungsteams auch möglich, Bedürfnisse für ein Produkt bei Kunden zu wecken. Als wesentliche Entscheidungsinstanz für Erfolg oder Misserfolg eines Einsatzes am Markt sieht der überwiegende Teil der Materialforscher dann auch die Einstellung des Endanwenders zum Produkt. So wird eine eher konservative Haltung bei Medizinern vermutet, die die Endanwender vieler Produkte im medizintechnischen Bereich sind. Vom Markterfolg ihrer Entwicklungen überzeugt ist ebenfalls ein großer Teil der Materialforschungsteams. Sie führen diese, oft als Gewissheit geäußerte Annahme, auf die überzeugenden technischen Eigenschaften ihrer Entwicklungen zurück. Auf die Frage, unter welchen Umständen sich ihre Entwicklung nicht am Markt durchsetzen würde, beziehungsweise unter welchen Umständen die Aussichten auf
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einen Einsatz der Entwicklung im Markt hätten scheitern können, wurden im wesentlichen Gründe auf drei unterschiedlichen Ebenen genannt: 1. Eigenschaften der Innovation: Die Innovation genügt beispielsweise nicht den technischen Anforderungen. Genannt wurden hier aber auch Kostengründe, beispielsweise wenn das Material zu teuer oder die Preise der benötigten Rohstoffe zu hoch sind und es nicht gelingt, sie zu senken. Ein weiterer Grund könnte darin bestehen, dass konkurrierende Verfahren sich als langfristig günstiger erweisen. 2. Folgen der Technik: Hierbei erscheint es einem Teil der Materialforscher unerheblich, ob es sich um einen Nachweis von oder um einen Verdacht auf negative Folgen des Technikeinsatzes handelt. Genannt wurden hauptsächlich negative Folgen für die Gesundheit oder die Umwelt. Häufiger wurden hier Analogien zur öffentlichen Debatte um Atomenergie, der Gentechnik oder Asbest gezogen. 3. Firmenhandeln: Auch hier spielt die Erwartungsunsicherheit in Bezug auf Firmenhandeln erneut eine Rolle. Als Gründe nannten die Materialforscher hier einen Wandel der Firmenstrategie, die Schließung oder einen Besitzerwechsel auf Seiten des kooperierenden Unternehmens. 5.3.6.2 Was ermöglicht und was behindert aus Forschersicht den Transfer? Die Herausforderungen des Transfers, mit denen sich die Materialforscher konfrontiert sehen, lassen sich folgenden Aspekten zuordnen: 1. Kriterien, die das Transfergut der Materialforscher erfüllen muss, damit ein Transfer zustande kommt: Die Materialforschungsteams nennen überwiegend zwei Kriterien, die ihrer Ansicht nach aus Unternehmenssicht erfüllt sein müssen, damit ein Transferprozess, also die Investition der Firmen in ein neues Material oder Verfahren mit dem Ziel der Anwendung und des Einsatzes am Markt, für Firmen attraktiv wird. Zum einen sind es die erwarteten Kosten, die geringer als bei einem konkurrierenden Werkstoff oder Verfahren sein müssen und zum anderen die Zeit für die Produktion, die ebenfalls geringer sein muss. Allerdings sind dies beides Kriterien, für die Informationen über die Produktion, Kosten und Preise sowie auch über unternehmensinterne Kalkulationen den Materialforschungsteams bekannt sein müssen. Gerade der Zugang zu diesen Daten bleibt den Teams meist verwehrt, so dass die Einschätzungen darüber, ob Kosten und Zeit den Anforderungen einer potenziellen Anwendung entsprechen, in einigen Fällen eher auf Annahmen beruhen. 2. Herausforderungen in der Kooperation, damit der WTT gelingt: Durch die interviewten Materialforscher werden Aspekte als Hemmschwellen des Transfers identifiziert, die in den Kompetenzbereich der Unternehmen fallen, beispielsweise, wenn die entsprechende Infrastruktur fehlt, die Produzierbarkeit durch den Kooperationspartner nicht ausreichend getestet wurde oder die durch das Unternehmen artikulierten Materialanforderungen nicht mit der technischen Machbarkeit vereinbar sind. Darüber hinaus wird von einem Teil der interview-
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ten Materialforscher genannt, dass Firmen den Zeit- und Geldaufwand eines Transfers unterschätzen. In der eindeutigen Definition der Aufgabenteilung im Transferprozess wird ebenfalls eine Hürde für einen erfolgreichen Verlauf des Transfers gesehen. 3. Übertragung in die serielle Produktion: Hier liegt der kritische Punkt, an dem viele Transfervorhaben scheitern: Die serielle Umsetzung gelingt nicht. Oft wird das Transfergut händisch und in kleiner Stückzahl, in einem Teil der Fälle auch in der Forschungseinrichtung selbst, hergestellt. Meist wird hier davon gesprochen, dass es nicht gelungen ist, die serielle Herstellung bei gleicher Qualität zu leisten. Oft wird argumentiert, dass die Serienherstellung einer Entwicklung prinzipiell machbar ist – aber dafür erst die Investition in ein weiteres Projekt nötig wäre. Wird hier ein Transfervorhaben abgebrochen, wird die Ursache für den Abbruch in Teilen auf Firmenseite gesehen. Oft bleiben solche Vorhaben Teil des Stand-by Repertoires. 4. Hürden für die Durchsetzung einer Entwicklung am Markt: Den Erfolg eines Transfers messen einige interviewte Materialforscher an einer Durchsetzung ihrer Entwicklung am Markt. Dies trifft eher auf Fälle zu, deren Beitrag zu einer Innovation deutlich im Produkt sichtbar ist oder die Innovation selbst darstellt. Die Vermarktung einer Entwicklung spielt für sie eine entscheidende Rolle für einen erfolgreichen Einsatz der Entwicklung am Markt. Die Vermarktung der Entwicklung gegenüber Firmen ist aber eine Aufgabe, die für die Materialforscher nur schwer zu leisten zu sein scheint. Gibt es Transferagenturen, können diese die Entwicklung vermarkten und so das Zustandekommen eines Transferprozesses befördern. Eine weitere Hürde liegt dann in der Nachfrage nach der neuen Entwicklung. Aus Sicht der befragten Materialforscher sollte ein Bedürfnis nach einem Produkt in der Gesellschaft geweckt werden. Die letztlich für den Erfolg entscheidende Kaufentscheidung scheint für die Forscher aus ihrer Perspektive nicht antizipierbar. Hier sind aus Sicht der Materialforscher wiederum die Kompetenzen der Unternehmen zur Einschätzung der Nachfrage entscheidend. 5. Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren als Hürde auf dem Weg in den Markt: Nicht nur bei großen Stückzahlen müssen neue Werkstoffe bzw. von ihnen beeinflusste Erzeugnisse Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren durchlaufen. Aus Sicht der Materialforscher sind diese Verfahren sehr aufwendig und für sie selbst kaum zu leisten. Gerade im Medizinbereich müssen langwierige und kostenintensive Zulassungsverfahren erfüllt werden, in der Luftfahrt- und Automobilindustrie sind die Zertifizierungsverfahren ebenfalls eine notwendige Bedingung vor einem Einsatz im Markt. Einige Forscher fordern hier von der Unternehmensseite, dass sie die Zertifizierung übernehmen sollen, da für sie dort die eigenen Entwicklungsarbeiten enden. Wegen der Kostenintensivität von Zertifizierungsverfahren beschreiben andere Materialforscher, dass sie auf die Zertifizierung in anderen Bereichen angewiesen sind. Oft ist es somit die ausbleibende Finanzierung dieser notwendigen Schritte, die dazu führt, dass ein Transfervorhaben an diesem Punkt scheitert oder seine Ermöglichung erhebliche Zeit in Anspruch nimmt.
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Es sind also vielfältige Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen, mit denen sich die Forscher konfrontiert sehen. Nur ein Teil dieser Herausforderungen kann überhaupt durch sie selbst beeinflusst werden.
5.3.7 D urch die Forschungsorganisationen gesetzte Rahmenbedingungen Nach der Beschreibung von Transferprozessen, in der der Transferverlauf selbst und weniger die Unterschiede zwischen den einzelnen Fällen im Vordergrund stand, sollen im Folgenden die durch die Forschungsorganisationen zur Verfügung gestellten Rahmenbedingungen von Transferaktivitäten vergleichend in den Blick genommen werden.13 Diese Einbindung soll anhand von sechs Kriterien für die drei Forschungsorganisationen (TUs, FhG, HGF) diskutiert werden, die sich als bedeutsam für den Verlauf von Transfervorhaben erwiesen haben: 1. Homo- bzw. Heterogenität in den Beschreibungen der Vorgaben durch die Organisation: Mit diesem Punkt soll in den Blick genommen werden, ob die Forschungsteams die Rahmenbedingungen ihrer Forschungsorganisation einheitlich oder eher unterschiedlich beschreiben. 2. Bedeutung des Leitbildes der Forschungsorganisation: Hier soll die Bindung und Identifizierung der Forscher anhand eines organisationsspezifischen Leitbildes betrachtet werden. 3. Orientierung auf WTT: Unter diesem Aspekt wird beschrieben, wie die Materialforscher die Orientierung ihrer Organisation auf WTT wahrnehmen. 4. Rolle des Finanzierungsmodus: Die Art der Finanzierung, die an den Einrichtungen üblich ist, und ihre Bedeutung für das Handeln der Forschungsteams wird hier in den Blick genommen. 5. Personalstabilität: In der Untersuchung hat sich gezeigt, dass die Stabilität von Forscherteams kritisch für die langfristige Arbeit mit einem industriellen Kooperationspartner ist (vgl. unter Abschn.€5.3.7 den Unterpunkt 5 zu „Personalstabilität“). Hier soll daher die Bedeutung der Rahmenbedingungen für die Stabilität des Forschungsteams diskutiert werden. 1. Homo- bzw. Heterogenität in den Beschreibungen der Vorgaben durch die Organisation╇ Die Beschreibung der eigenen Kontextstruktur nimmt bei Interviewten der FhG den größten Raum ein. Die Sichtweise auf die FhG ist überwiegend homogen. Eine Gemeinsamkeit der TUs liegt in der Wahrnehmung der Aufgabe, den wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden. Hier liegt für viele Interviewte an Universitäten nach ihrem Selbstverständnis eine Hauptaufgabe, die sich nicht im Halten von Der Blick richtet sich dabei auf solche Aspekte, die auf der Mikro-Ebene beobachtbar sind. Somit liegt diesen Kriterien eine andere Beobachter-Perspektive als die in Kap.€3 und 8 eingenommene makrosoziologische Perspektive zugrunde. Beide Perspektiven sind ergänzend zueinander zu verstehen.
13╇
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Lehrveranstaltungen erschöpft, sondern auch die Weitergabe von in industrienahen Projekten erworbenem Wissen beinhaltet. Heterogen wird dagegen die Einbindung in eine universitäre Kontextstruktur beschrieben. Oft taucht sie als allgemeine, übergreifende Ebene in den Beschreibungen nicht auf. Die für die Interviewten relevante Rolle scheint hier die Einbindung in Lehrstühle und Institute zu spielen. Diese werden dann auch primär als von individuellen Politiken des Lehrstuhlinhabers oder Institutsleiters geprägt erlebt. Von den Interviewten aus Instituten der HGF wird die Einbindung in die HGF ähnlich unterschiedlich bewertet wie durch die Interviewten aus Universitäten. Hier scheinen es aber nicht im gleichen Maße individuelle Politiken von Institutsleitern o.ä. zu sein, auf die Bezug genommen wird, sondern es sind vielmehr die einzelner Zentren und Institute der HGF. So sind es die Zentren, deren Geschichte und Strukturen als prägend beschrieben werden. Darüber hinaus beschreiben die Interviewten eine teilweise sehr komplexe Einbindung in unterschiedliche Ebenen oder auch zueinander quer liegende Struktureinheiten, so in Instituten, Programmen, Abteilungen, etc. Die Orientierung der eigenen Entwicklungsarbeiten darin wird unterschiedlich beschrieben: Bei einigen steht der Transfer im Vordergrund, bei anderen sind es gesellschaftlich relevante Entwicklungen. In ihrer strategischen Ausrichtung orientieren sich die einzelnen Institute der FhG am Markt. Die Materialforscher der FhG sehen für sich selbst darüber hinaus eine hervorragende Ausgangsposition in der Konkurrenz um Industrieaufträge und führen das auf das wissenschaftliche Standing und die Reputation der FhG zurück. Das Verhältnis der einzelnen Fraunhofer Institute zueinander wird allerdings primär als durch Konkurrenz gekennzeichnet beschrieben. Die Mitarbeiter der Universitäten betonen für ihr „Standing“ eher Eigenschaften des spezifischen Lehrstuhls oder Instituts, Mitarbeiter der FhG und der HGF betonen eher Eigenschaften ihrer Forschungsorganisation, wobei diese Betonung bei Mitarbeitern der HGF nicht ganz so ausgeprägt ist. 2. Bedeutung des Leitbildes der Forschungsorganisation╇ Was die Orientierung an einem organisationsspezifischen „Leitbild“ betrifft, scheinen die Interviewten der FhG eher noch als die Mitarbeiter der anderen Einrichtungen einem gemeinsamen Leitbild zu folgen. Die Orientierung auf Erträge wird von allen Interviewten als Prinzip der FhG gesehen, und die Teams richten ihre Aktivitäten hier auch darauf aus, diesem Ziel als erstem gerecht zu werden. Bei Mitarbeitern der HGF ist die Orientierung an einem einheitlichen Leitbild am wenigsten ausgeprägt. Bei diesen Mitarbeitern scheint am ehesten eine Institutskultur prägend, die Orientierung findet entlang der Linie der Institutsleitung statt, in einem Fall auch eher an einem selbstgeprägten Leitbild. Ähnliches lässt sich für die TUs darstellen. Die Orientierung ist hier ebenfalls eher an einer Person orientiert, dem Institutsleiter, der meist auch der Lehrstuhlinhaber ist. Gerade durch die unbefristete Berufung auf Lebenszeit ist er in der Lage, die „Kultur“ eines Instituts zu prägen. Diese hohe Bindung an eine Person bedeutet aber auch, dass eine Kontinuität in der spezifischen Institutskultur nicht zwingend ist, wenn der Lehrstuhl, beispielsweise wegen der Pensionierung des Inhabers, neu besetzt werden muss. Diese Umbrüche bedeuten eine
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hohe Ungewissheit für die Mitarbeiter und die Verfolgung von Entwicklungslinien. Die unterschiedliche Bindung an ein Leitbild oder eine geteilte Kultur scheint aber weniger bedeutsam für Technologietransfer an den Einrichtungen zu sein als andere Faktoren. 3. Orientierung an WTT╇ Die Transferorientierung der Forschungsorganisationen ist in den Fällen der FhG und HGF vergleichbar. Es scheint aber einen Unterschied zwischen den Zweck-Mittel Verhältnissen zu geben: Bei Fraunhofer ist der Transfer ein Mittel, um Erträge und Finanzierung zu erreichen, bei den Helmholtz-Zentren ist zumindest in einem Fall der Transfer an die Industrie selbst das Ziel. Es konnte beobachtet werden, dass alle untersuchten Teams Transferstrategien verfolgen, die an ihre jeweiligen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten angepasst sind. Schließlich müssen die Materialforscher in unterschiedlicher Weise noch weiteren Aufgaben nachkommen. Zu nennen sind hier vor allem die Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Publikation von Forschungsergebnissen für die Allgemeinheit. In jeweils abgestufter Form sind diese Ziele für Teams der TUs der HGF und der FhG verpflichtend, wobei diese Aspekte für die Teams der FhG eine stark nachrangige Bedeutung nach Industriekooperationen und Technologietransfer haben. Bei Einrichtungen der HGF scheint auch hier kein eindeutiges Bild identifizierbar zu sein, die Teams verfolgen sowohl das Ziel des Technologietransfers als auch das der wissenschaftlichen Publikation. 4. Rolle des Finanzierungsmodus╇ Ihre Handlungsspielräume erfahren die Interviewten aus diesen Einrichtungen ebenfalls unterschiedlich: Auf der einen Seite wird beschrieben, wie Handlungsspielräume gegen eine hierarchische Organisationsstruktur erkämpft werden müssen, bei anderen werden die Handlungsspielräume in Abhängigkeit von Drittmitteln und Forschungsthemen gewährt und in diesem Rahmen als positiv erlebt. Kriterien für die Aufnahme neuer Themen oder auch das Beibehalten alter Themen sind für Forscher der FhG Finanzierbarkeit und die Ertragsaussichten, die mit diesen Themen verbunden werden. Intern finden Industriegelder die höchste Anerkennung. Dies gilt auch im Hinblick auf Vorlaufforschung. Grundlagen- oder Risikoforschung sind in der FhG möglich, die hierfür notwendige Finanzierung wird über einen internen Wettbewerb vergeben. Wird ein solches Projekt gewonnen, gelten Regeln darüber, in welchem Umfang hier ein Gewinn erzielt werden muss. Darüber hinaus wird eine Anschubfinanzierung nur in kleinem Umfang ermöglicht. Alle übrigen Vorhaben müssen über Drittmittel finanziert werden. Unter diesen Rahmenbedingungen entstehen unterschiedliche Startbedingungen, gerade für die in InnoMat betrachteten Fälle: Während ein Fall aus der eigenfinanzierten Vorlaufforschung stammt, hat ein anderes Team keine eigene Grundfinanzierung. Die Spielräume in der wissenschaftlichen Arbeit werden dann von den Interviewten auch in Abhängigkeit von der Finanzierung gesehen. Ist diese gewährleistet, werden sie als extrem groß eingeschätzt. Andererseits nehmen sich Wissenschaftler aus Instituten der FhG oft als Getriebene wahr: Ihr primäres Ziel liegt in der Finanzierung ihrer eigenen Organisationseinheit; Projektfinanzierungen zu finden und zu
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beantragen ist die primäre Aufgabe, die sie für sich selbst sehen.14 Die Forscher an Fraunhofer-Instituten sehen sich stärker als Forscher an Universitäten dem Druck ausgesetzt, Drittmittel akquirieren zu müssen. Allerdings erleben auch die Angehörigen von Universitäten ihre Handlungsspielräume in der wissenschaftlichen Praxis durch die knappe Finanzierung als eingeschränkt. Das Einwerben von Drittmitteln nimmt deshalb auch hier eine bedeutende Rolle im Alltag der Interviewten ein. Als positiv für die Akquisition von Drittmitteln wird die Verfügbarkeit günstiger Arbeitskräfte (wissenschaftliche Hilfskräfte, Studenten) erlebt, die bei Drittmittelanträgen einen Vorteil gegenüber konkurrierenden Anbietern von Forschungsleistungen bieten. Die HGF spielt eher in Erzählungen über die veränderte interne Mittelvergabe mit der programmorientierten Förderung (POF) eine Rolle. In diesem Zusammenhang wird vor allem ein aufwendiges Berichts- und Evaluationswesen beschrieben, das eher restriktiv im Hinblick auf zeitliche Ressourcen ist. 5. Personalstabilität╇ Ein Aspekt, der in allen Einrichtungen beobachtet wurde und den Transferprozess augenscheinlich erschwert, ist die Verfügbarkeit von Personal an den jeweiligen Einrichtungen, das eine Kooperation kontinuierlich begleitet. Zum einen gibt es eine hohe Personalfluktuation. Diese hängt – und hier überwiegend an Universitäten – mit dem hohen Anteil an Qualifizierungsstellen zusammen. Nach Ablauf der Qualifikation verlässt die Mehrheit der Stelleninhaber die Einrichtung. Sind diese Mitarbeiter die Hauptträger der Firmenkontakte, können diese Kontakte auch abbrechen. Besonders stark kämpfen Forschungsgruppen an Universitäten um qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs. Es fiel ihnen im Untersuchungszeitraum von 2006 bis 2008 schwer, ausreichend qualifizierte Nachwuchswissenschaftler nach Abschluss des Studiums zu binden. Darüber hinaus ist in den Forschungsteams eine sehr hohe Personalfluktuation zu beobachten, die im Zusammenhang mit den Vorgaben des Hochschulrahmengesetzes steht (Bundesgesetzblatt in der Fassung vom 12.04.2007). Dessen Vorgaben werden als restriktiv erlebt und sind die Hauptursache dafür, dass Projektleiter oder andere Mitarbeiter, die Schlüsselpositionen in den Materialforschungsteams innehaben und auch hauptsächlich Industriekunden betreuen, Forschungsteams nach einigen Jahren verlassen müssen. In diesen Fällen steht oft auch die Kontinuität der Beziehung zu einem Industriepartner auf dem Spiel. Darüber hinaus lässt sich beobachten, dass die starke Bindung von Forschungs- und Transferaktivitäten an die Person des Lehrstuhlinhabers oder Institutsleiters bei dessen Emeritierung die Kontinuitäten von Entwicklungslinien immer wieder gefährdet, da Forschungsthemen und Kontakte oft wesentlich mit der Person des Lehrstuhlinhabers verknüpft sind. Vor allem sind es aber die Rahmenbedingungen, die es aus Sicht der Materialforscher erschweren, ein Team aufzubauen, das kontinuierlich eine Entwicklungs„Letztendlich sind wir getrieben durch die Projektfinanzierung. Und die bestimmt alles. Ja. Gibt es kein Geld, gibt es keine Forschung.“ (FB1 IW2 467)
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linie, auch mit unterschiedlichen disziplinären Hintergründen, verfolgen könnte. Aus ihrer Sicht ist eine erfolgreiche Arbeit nur möglich, wenn eine kritische Teamgröße nicht unterschritten wird. Diese Teamgröße zu erreichen ist in allen Fällen nur durch Drittmittel möglich. Somit ist die Beschäftigung der entsprechenden Teammitglieder allerdings in den meisten Fällen prekär. Eine andere Hürde besteht darin, dass ein erheblicher Teil des Personals in die Industrie wechselt oder die wissenschaftlichen Einrichtungen für den hochqualifizierten Nachwuchs als langfristiger Arbeitsplatz als nicht attraktiv erscheinen. Die Materialforscher führen dies zu einem großen Teil auf die nach ihrer Ansicht unattraktiven Tarifbestimmungen des TVöD/TVL zurück, die ein im Vergleich mit der Industrie eher geringes Entgelt zulassen.
5.3.8 Rolle des WTT für die wissenschaftliche Praxis 5.3.8.1 WTT als ambivalente Anforderung für die wissenschaftliche Praxis15 In den Projekten, die wir beobachten konnten, stellt sich WTT als ein für die wissenschaftliche Praxis mehrschichtiger Prozess mit multidimensionalem Zielhorizont dar. Auf der einen Seite werden durch WTT vor dem Hintergrund knapper Ressourcen (vgl. Knie et€al. 2002, S.€5€f.) Spielräume für die einzelnen Forschergruppen oder Einrichtungen eröffnet, auf der anderen Seite werden durch die Anforderungen des WTT und seiner Integration in die wissenschaftliche Praxis auch wieder Gestaltungsspielräume der Materialforschungsteams eingeschränkt.
5.3.8.2 Durch WTT eröffnete Spielräume für die wissenschaftliche Praxis Die Materialforschungsteams beschreiben, wie sie WTT und in Verbindung damit akquirierbare Ressourcen nutzen, um Entwicklungen fortzuführen und ihr eigenes Forschungsprofil zu stärken. Sie nehmen so einerseits Einfluss auf die weitere Gestaltung der Entwicklungslinie über das Labor hinaus, gestalten aber auch andererseits ihre eigenen Arbeitsbedingungen. So konnten wir beobachten, dass Forschungsteams ihre Forschungsaktivitäten mit Hilfe von WTT selbst planen und in dieser Weise Einfluss auf den Weg einer Entwicklung außerhalb des Labors nehmen: Die Forschungsteams akquirieren Industriepartner für Kooperationen selbst und „vermarkten“ ihre Entwicklungen gezielt in Firmenpräsentationen und in „Kundengesprächen“. So nehmen sie Einfluss auf mögliche Anwendungen und in Folge dessen auch auf die weitere „Biographie“ der Entwicklungslinie, indem sie Weichenstellungen für eine mögliche Kommerzialisierung vornehmen. Die Textpassagen in diesem Abschn.€5.3.8 wurden weitgehend der Publikation Schleisiek et€al. (2010) entnommen
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Ihre eigenen Arbeitsbedingungen gestalten sie, indem sie gruppenintern beispielsweise den Umgang mit institutionellen Vorgaben abstimmen. So beziehen sie institutionell vorgegebene Drittmittelquoten pro Person auf die Gruppe und organisieren deren Erfüllung arbeitsteilig. Darüber hinaus eröffnen sich durch Drittmittel (und Industrieeinnahmen) aus WTT-Projekten für sie Möglichkeiten, ihre Forschungsteams zu vergrößern oder vor dem Hintergrund knapper Ressourcen die Größe des Teams stabil und arbeitsfähig zu halten. Des Weiteren werden Teile der finanziellen Mittel aus Kooperationen für Grundausstattung oder Eigenforschung verwendet. Wir konnten außerdem beobachten, dass die Forschungsteams jeweils unterschiedliche Zuwendungsgeber nutzen, um unterschiedliche Aufgaben oder Kooperationen fördern zu lassen. Durch die aktive Gestaltung von WTT-Aktivitäten werden so Schwierigkeiten, die sich durch knappe Ressourcen für die Praxis der Materialforschungsteams ergeben, ausgeglichen. 5.3.8.3 Durch WTT eingegrenzte Spielräume wissenschaftlicher Praxis Auf der anderen Seite beschreiben die Materialforscher, wie Transferaktivitäten ihre wissenschaftliche Praxis eingrenzen: Für WTT-Projekte notwendige Akquisitionen und Anträge sind mit einem hohen Zeitaufwand bei ungewissem Ausgang verbunden. Gruppen- oder Abteilungsleiter, die diese Aufgaben vor allem erfüllen, sind eher Wissenschaftsmanager als Forscher. Die eigentlichen „wissenschaftlichen“ Arbeiten werden zunehmend auf Qualifizierungsarbeiten wie Studien- oder Doktorarbeiten verlagert. Oft gelingt es nicht, sei es aus strukturellen oder aus ökonomischen Gründen, die Qualifikanten nach Abschluss der Arbeit an der Institution zu halten. So bleibt nach Abschluss der Qualifikation das erworbene Wissen oft nicht im vollen Maß für die Einrichtung erhalten. In Folge dessen können Anwendungen nicht weiter verfolgt werden und die Kontinuität von Entwicklungslinien kann in Gefahr geraten. Darüber hinaus bewirkt das Einwerben von Drittmitteln eine Eigendynamik. Diese Dynamik vermittelt sich für die Forschungsgruppen als doppelter Zwang: Dieser Zwang wirkt sowohl intrinsisch, weil eine bestimmte Gruppengröße und somit ein einmal erreichtes Niveau an Drittmitteln gehalten werden muss, um mit ausreichender Teamgröße zu arbeiten, als auch extrinsisch, da die Institution und die Forscherteams basierend auf einem einmal erreichten Niveau von Drittmitteln evaluiert werden. Eine heterogene Kooperation, wie die zwischen öffentlicher Forschung und Unternehmen, bringt auch als solche schon Interessenkonflikte für die Materialforscher mit sich: In der Kooperation mit Industriepartnern steht für die Materialforschungsteams ein Firmeninteresse an exklusiver Nutzung von Entwicklungen häufig im Widerspruch zu ihrer wissenschaftlichen Praxis. So ist die Aushandlung von Eigentums- und Nutzungsrechten an dem relevanten geistigen Eigentum kritisch: Das Interesse der Firmen liegt in den Augen der Materialforscher bei weitgehender Geheimhaltung und exklusiven Rechten. Die Forschungsteams haben dagegen ein starkes Interesse daran, das zu transferierende Wissen weiter zu nutzen, um Entwicklungslinien weiterhin zu verfolgen und um sich im wissenschaftlichen
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Wettbewerb zu positionieren – zum Beispiel durch Veröffentlichungen. Eine starke Orientierung an den Interessen des Partners brachte in einem der betrachteten Fälle den Verzicht auf Publikationen mit sich. 5.3.8.4 Thematische Konjunkturen und Ökonomisierung Forschungsförderung nimmt eine zentrale Rolle für die Praxis der Materialforschungsteams ein. Die Materialforscher beschreiben eine existenzielle Abhängigkeit von Forschungsförderungsmaßnahmen, die sich in ihrer Wahrnehmung auf wenige Themen konzentrieren. Außerhalb dieses thematisch eingegrenzten Rahmens sehen sie kaum verfügbare Drittmittel, sei es nun auf regionaler, nationaler oder europäischer Ebene. Die Themen und so auch die damit verbundenen Mittel unterliegen in ihrer Wahrnehmung Konjunkturen: Bestimmte Themen werden von verschiedenen Zuwendungsgebern gleichzeitig aufgegriffen und gezielt gefördert. Als Beispiel wurden vor allem „alles was Nano ist“ oder der Bereich „Kohlenstofffaser verstärkte Kunststoffe (CFK)“ genannt. Forschungsteams beschreiben, wie sie versuchen, Verbindungen zwischen ihren Entwicklungen und den Ausschreibungsthemen herzustellen. Dies kann ihnen nicht immer gelingen, schließlich ist der Anschluss an ein „populäres Thema“ nicht von jeder Entwicklungslinie aus möglich. Als eine Folge dieser Entwicklung können Teams mit engem Bezug zum Thema zeitweise stark profitieren und wachsen. Für die Forschung an anderen Themen verringert sich ohnehin knapper Spielraum weiter. Die Antizipation dieser Konjunkturen ist aus Sicht der Forscher kaum möglich. Eine Konjunktur sei erst zu ihrem Höhepunkt, der durch umfangreiche Ausschreibungen markiert sei, erkennbar. Auf der Mikroebene kann hier die Steuerung von F&E-Aktivitäten hin zu bestimmten Themen beobachtet werden. Aus der Perspektive der Governance von Forschung legt dies die Schlussfolgerung nahe, dass das mit diesen Ausschreibungen verfolgte Ziel, Forschungsaktivitäten auf bestimmte Themen zu fokussieren und hier Innovationen zu fördern, erfolgreich zu sein scheint. Diese Beobachtung deckt sich mit Studien aus anderen Forschungsfeldern.16 Ob diese Fokussierung von Forschungsgeldern allerdings auch die erhofften Standortvorteile mit sich bringt, bleibt an anderer Stelle zu klären. Aber auch die Zielsetzung der Forschungsprozesse selbst und ihre Organisation wandeln sich. Die Materialforscher beschreiben, wie bei Entscheidungsträgern in wissenschaftlichen Einrichtungen zunehmend ökonomische Kriterien eine Rolle spielen: Wissenschaft wird in wachsendem Maße nach unternehmerischen Kriterien geführt, es ist eine Ökonomisierung von Forschungsprozessen auf drei Ebenen zu beobachten: 1. auf personeller Ebene durch die Planung und Fragmentierung des Personaleinsatzes und des Forschungsprozesses nach ökonomischen Kriterien, indem ZeitFür die Felder Astrophysik, Nanotechnologie und Mikroökonomik beschreiben Franke et al., dass durch den verschärften Wettbewerb um Drittmittel ein Einfluss auf die Definition von Forschungslinien zu beobachten ist (Franke et€al. 2006, S.€1).
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nachweise nach Projekten geführt werden (Zeitökonomie) und Arbeitsverträge zunehmend an Drittmittel gebunden sind (Personalökonomie). 2. auf institutioneller Ebene, indem neue Tools aus anderen Kontexten in der Wissenschaft eingesetzt werden, wie beispielsweise Erfolgskontrolle, interne Budgetierung und F&E-Planung. 3. auf planerischer Ebene, indem Forschungsaktivitäten zunehmend auf wirtschaftliche Ertragsaussichten für Forschungsorganisationen oder potenzielle Partner hin ausgerichtet werden. Letzteres bedeutet, dass Forschungsfelder, die kurzfristig keine Ertragsaussichten zeigen, eingestellt werden. Forschungsarbeiten werden auf (vermeintlich) gewinnbringende Anwendungen hin ausgerichtet. Dies ist vor allem in jenen Forschungsfeldern problematisch, in denen in einer frühen Phase oft weder das konkrete Anwendungsfeld noch der Ausgang von Entwicklungsarbeiten bekannt sind. So beschreiben die Materialforscher auch erfolgreiche Entwicklungslinien als von Unterbrechungen, Pausen, Boomphasen, Wendungen und Neujustierungen bestimmt, für deren Verlauf das Ausnutzen von Gelegenheitsstrukturen, „Zufall“ oder „Glück“ eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen scheinen.
5.3.9 Hürden für den (erfolgreichen) Transfer Durch die intensive empirische Arbeit in InnoMat ließen sich verschiedene Hürden für einen erfolgreichen WTT beobachten. Sie haben unterschiedliche Ursachen. Spannungsfeld╇ Der WTT aus einer öffentlich finanzierten Forschungseinrichtung heraus findet immer in einem Spannungsfeld statt: Auf der einen Seite stehen die Anforderungen des wissenschaftlichen Feldes, denen die Materialforscher gerecht werden müssen. Dies sind wissenschaftliche Vorträge und Publikationen. Auf der anderen Seite stehen die Interessen der Anwender nach Exklusivität und Geheimhaltung. Aber auch die Governance im Feld der Forschung spielt eine Rolle für die Konstitution des Spannungsfeldes: Durch immer weiter verknappte Finanzierung zwingt sie die Materialforschungsteams zur Akquisition von Drittmitteln, um in den Forschungsteams eine arbeitsfähige Gruppengröße zu erhalten (s. hierzu auch Abschn.€3.6). Forschungsteams müssen so dreierlei leisten: wissenschaftlich publizieren, Gelder akquirieren und Technologien transferieren. Diese Anforderungen bilden ein Spannungsfeld, dessen unterschiedliche Pole sich durch die Materialforschungsteams nicht in gleicher Weise realisieren lassen. Forschungsteams, die ihre Strategie auf Publikationen ausrichten, gelingt es vielleicht auch, Drittmittel zu akquirieren, allerdings eher in Bereichen der Grundlagenforschung. Andere Forschungsteams zielen eher auf den Transfer, sie schaffen es durch diese Orientierung, Drittmittel durch direkte Industriekooperationen einzuwerben. Um den Interessen des Industriepartners entgegen zu kommen, ist die wissenschaftliche Publikation von Ergebnissen nur eingeschränkt möglich. Diese Strategie ist offensichtlich die transferfreundlichere, führt aber andererseits zu Problemen im wissenschaftlichen
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Feld. In dieser Weise lassen sich die wählbaren Strategien der Forschungsteams (in dem durch die Forschungsorganisation gesetzten Rahmen) als Trade-Off beschreiben. Die Ziele des Transfers an einen Industriepartner, Erkenntnisgewinn auf dem Gebiet der neuen Materialien oder deren Herstellungsverfahren, Beteiligung am wissenschaftlichen Wettbewerb mittels Publikationen und die Weitergabe des Wissens an den Nachwuchs sind nicht in gleicher Weise realisierbar. Doch wo liegt hier die Hürde für den Transfer? Wenn interne Zwänge den Wissenschaftler vor allem dazu aufrufen, Drittmittel zu akquirieren, kann ein Paradox auftreten: Eigentlich soll auch die Idee eines Transfers befördert werden. Da die Wissenschaftler aber hauptsächlich Gelder akquirieren müssen, halten sie an der Entwicklung der Entwicklungslinie auf Forschungsseite fest. Es werden immer wieder neue Forschungsprojekte formuliert. Ein richtiger Transfer, auch im Sinne einer Abgabe der Technologie, findet aber nicht statt. Die Entwicklung wird im Haus gehalten. Schnittstelle zwischen Anwender und Materialforschungsteam╇ Besteht eine Kooperation, so sind verschiedene weitere Hürden zu identifizieren: Eine wesentliche Hürde für den Erfolg des Transfers ist personelle Diskontinuität auf beiden Seiten der Kooperation. Wie oben dargestellt, betonen die Materialforscher die Bedeutung eines Akteurs auf Firmenseite, der die Technologie auf Firmenseite „pusht“. Gibt es hier eine Diskontinuität, geraten Transfervorhaben mit in Gefahr. Noch wesentlicher als dieses Risiko wirkt allerdings die personelle Diskontinuität auf Forscherseite: Fehlt der bekannte Ansprechpartner, geraten Kooperationen in Gefahr, mehr noch: fehlt plötzlich das personifizierte Wissen für eine Anwendung, scheitern Transferprojekte. Von den Materialforschern wurde als eine Ursache für nicht gelungene Transfervorhaben auch das mangelnde Vertrauen der Anwender in ein neues Material oder ein neues Verfahren genannt. Die Einsicht, dass eine der Ursachen für dieses mangelnde Vertrauen auch in Verbindung mit dem unternehmerischen Risiko steht, das die Einführung eines neuen Materials oder Verfahrens darstellt, könnte in einzelnen Fällen zu einem besseren Verständnis des Unternehmerhandelns führen. Eine weitere Hürde besteht darin, dass die Strategie der Unternehmen oft eine Quelle der Unsicherheit für die Forschungsteams darstellt. Das Handeln und die Strategie des Industriepartners erscheinen nicht berechenbar oder verlässlich, ein abrupter Umschwung oder Strategiewechsel, selbst die Täuschung des Kooperationspartners aus internen strategischen Erwägungen heraus, erscheinen erwartbar. So sind es denn auch (vermeintlich) plötzliche Strategiewechsel, die Materialforschungsteams ratlos und mit einem gescheiterten Transfervorhaben zurücklassen. Oft erscheint aber auch der „Durchhaltewille“, den die Materialforscher von ihren Partnern wünschen, einfach nicht einlösbar. Materialforscher planen Forschungsaktivitäten in einer anderen Zeitperspektive als dies Unternehmen tun müssen. Für Unternehmen sind Verzögerungen mit erheblichen Kosten verbunden, auf Seiten der Wissenschaft ergeben sich dagegen häufig keine Konsequenzen, wenn ein Projekt einer kostenneutralen Verlängerung bedarf. Transferprozess╇ Betrachtet man den Technologietransfer in verschiedenen Projekten, wird deutlich, dass es zwei kritische Schritte gibt, an denen die beobachteten
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Materialforschungsteams geplante Transfervorhaben nicht realisieren konnten: Zum einen, wenn es nicht gelang, einen industriellen Partner zu finden, an den die Entwicklung transferiert werden konnte und zum anderen, wenn die Umsetzung in die serielle Produktion nicht gelang. Ein erfolgreiches Transferprojekt kann zunächst einmal in der Demonstration einer Funktion o.ä. bestehen. Soll ein Transfer aber wirklichen Erfolg haben, muss die Entwicklung auch seriell herstellbar sein, das heißt unter den Bedingungen der Produktionsweise der Firma zu einem marktfähigen Preis reproduzierbar sein. Aber gerade hier liegt die große technische Schwierigkeit. Denn die Übertragung von Laborbedingungen auf die einer industriellen Produktion gelingt oft nicht. Ursachen hierfür können auch außerhalb der eigentlichen Kooperation liegen, zum Beispiel, wenn ein entscheidender Rohstoff zu teuer ist. Eine weitere Ursache für ein Scheitern an dieser Stelle kann darin liegen, dass es dem Materialforschungsteam nicht gelingt, auf die Bedürfnisse der Produktion vor Ort hin zu entwickeln. Dies kann einerseits dadurch verursacht werden, dass die Firma ihre Produktion nicht offen legt. Bei der seriellen Umsetzung treten auch technische Probleme auf, die bei einer Herstellung im Labor nicht gegeben sind. Es konnte aber auch beobachtet werden, dass eine Umsetzung in eine serielle Produktion aus unbekannten Gründen nicht erfolgte, genauer: Dass die Gründe hierfür den Materialforschern gegenüber nicht kommuniziert wurden. Hier sind es die unternehmensinternen Kalküle, die nicht transparent erscheinen und im Fall von gescheiterten Transferprojekten zu einem Vertrauensverlust auf Seiten der Materialforschungsteams führen. Teilweise war eine serielle Produktion zwar möglich, stand aber in Konkurrenz zu einem etablierten Verfahren oder einem etablierten Material. Hier konnten die Vorzüge des Neuen nicht überzeugen oder wiesen nicht die entscheidenden Qualitäten auf, die es für ein Unternehmen finanziell reizvoll macht, in neue Anlagen zu investieren. Um einen erfolgreichen WTT zu garantieren, müsste der Forscher in der Lage sein, eine Reihe von Ungewissheiten zu kontrollieren: Er müsste die Strategie des Unternehmens und den Markt kennen (und damit: Preise, Zulieferer, Produktionsanforderungen, etc.), er müsste personelle Stabilität auf beiden Seiten garantieren können und mögliche Technikfolgen und öffentliche Debatten vorausahnen und nicht zuletzt alle diese Faktoren auch noch günstig beeinflussen können. Diese Anforderungen sind schwerlich von der Forscherseite alleine erfüllbar, teilweise können sie nur in einer guten Kooperation gelöst werden (Vergleiche hierzu Gerybadze et€al. in Abschn.€2.6 zu typischen Konflikten oder Innovationshemmnissen in Werkstoffinnovationsprojekten).
5.3.10 W TT befördernde Bedingungen und Gestaltungsspielräume Den WTT befördernde Bedingungen lassen sich hier aus Elementen einer „good practice“ der WTT-Vorhaben verallgemeinern, im Anschluss daran lassen sich
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auch „Merkpunkte“ formulieren, die Materialforschern bei einem reflektierten Umgang mit WTT und einer erfolgreichen Positionierung im Spannungsfeld helfen sollen. Neben externen Faktoren für den Erfolg eines Transfervorhabens (wie Glück, Boom eines Themenfeldes, gute Auftragslage bei Firmen), die in den Interviews auch prominent genannt wurden, die sich aber der Beeinflussung durch den Materialforscher entziehen, sollen hier Aspekte genannt werden, die auch durch die Materialforschungsteams beeinflussbar sind. Eine gute Praxis im Umgang mit den Anforderungen des WTT lässt sich in verschiedenen Problemfeldern identifizieren. Wissen╇ Es hat sich gezeigt, dass es gerade vor dem Hintergrund der Gefahr einer „Entwertung“ des wissenschaftlichen Wissens durch WTT-Aktivitäten für Materialforschungsteams entscheidend ist, die eigene wissenschaftliche Basis nicht aus dem Auge zu verlieren und diese auch weiterzuentwickeln. Gelingt es, Transferaktivitäten und die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Basis in Balance zu halten, kann eine nachhaltige Ausgangsbasis für eine Forschungsgruppe erreicht werden. Entscheidend ist auch, Wissen, insbesondere implizites Wissen, bereit zu halten und nicht durch Personalfluktuation die eigene Wissensbasis zu gefährden. Hier ist es entscheidend, dass Wissen innerhalb der Forschungsorganisation weitergegeben wird und nicht bei einer einzigen Person verbleibt. Des Weiteren erscheint es als wichtig, die eigene Entwicklung auch loslassen zu können. Für einen Transfer ist es notwendig, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt die Entwicklung oder einzelne Aspekte an dieser an ein Unternehmen abgegeben wird. Auch wenn eine eigene Wissensbasis aufrechterhalten werden soll, um von ihr aus weiter zu entwickeln, gehört es doch zum Wesen des Transfers, dass ein Unternehmen unabhängig von der wissenschaftlichen Einrichtung ein Verfahren oder Material einsetzen kann und auch tatsächlich einsetzt. Dazu gehört, dass auch das Wissen, welches ein Unternehmen dazu befähigt, beim Unternehmen vorhanden sein muss. Dies bedeutet, dass das Materialforschungsteam und seine Forschungsorganisation dieses Wissen teilen oder abgeben. Organisation╇ Wir konnten beobachten, dass ein abgestimmter Umgang mit organisationsinternen Vorgaben eine gute Strategie für Materialforschungsteams darstellt. In vielen beobachteten Fällen gab es Vorgaben für Abteilungen und Gruppen hinsichtlich unterschiedlicher evaluationsrelevanter Merkmale, seien es Publikationszahlen oder Drittmittelvolumina. Wurden diese Quoten pro Kopf festgelegt, haben einzelne Gruppen hier die Umlage dieser Quoten auf die Gruppe verhandelt und intern eine Strategie im Hinblick auf unterschiedliche Ziele (Qualifizierungsarbeiten, Publikationen, Akquisition) entwickelt, die nicht nur den Vorgaben der Organisation entsprachen, sondern darüber hinaus auch den Bedürfnissen der Gruppenmitglieder. Entscheidend war es hier, sich arbeitsteilig zu organisieren. In den Einrichtungen wurde weiterhin beobachtet, dass Entwicklungslinien nach fehlgeschlagenen Transferbemühungen entweder abgebrochen oder im Standby-Modus weitergeführt werden. Gerade das Bereithalten von Entwicklungen im Stand-by-Modus konnte in Teilen noch zu einem erfolgreichen Transfer in eine andere Anwendung führen. Wesentlich für diese Strategie ist es aber auch, die Ent-
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scheidung (über Abbruch oder Stand-by) bewusst zu treffen. Fällt die Entscheidung, eine Entwicklung im Stand-by-Modus fortzuführen, ist es entscheidend, dass auch das Know-how zu dieser Entwicklung in der Einrichtung erhalten bleibt. Anwender╇ Wir konnten beobachten, dass bei einem guten Transfer auch immer die Qualität der Kooperation mit dem Anwender als sehr professionell, aber auch offen und vertrauensvoll beschrieben wurde. Es erscheint wesentlich, dass beide Kooperationspartner, also Materialforschungsteams ebenso wie Unternehmen, ein Verständnis für die Bedürfnisse und Zwänge des jeweils anderen Akteurs erreichen und als gleichberechtigte Partner miteinander umgehen. Wenn es hier gelingt, offen Anforderungen und Probleme zu thematisieren sowie lernbereit in den Prozess des Transfers einzusteigen, schlägt sich dies auch im Gelingen des Transfers nieder. Die Bedürfnisse und Zeitpläne des Industriepartners kennen und mit den eigenen abgleichen╇ Materialforschungsteams sollten abwägen, welches Unternehmen über die Kompetenz und Finanzkraft verfügt, ihre Entwicklung umzusetzen. Besondere Chancen gibt es für einen Transfer, wenn eine neue Produktion aufgebaut wird und das Unternehmen ohnehin erhebliche Investitionen in neue Anlagen und Verfahren tätigt. Müsste ein etabliertes Verfahren in einem Unternehmen ersetzt werden, sind gerade bei einem KMU die Hürden für den Transfer sehr hoch. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass es empfehlenswert ist, sich nicht auf einen bestimmten Anwender zu konzentrieren. Denn wenn Firmenstrategien sich wandeln, ein Prozess, der für die Materialforscher weder beeinflussbar noch antizipierbar ist, kann es fatal für eine Entwicklungslinie sein, nur auf einen Anwender ausgerichtet zu sein. Anwendung╇ Darüber hinaus erscheint es lohnend, offen für unterschiedliche Anwendungsfelder zu sein. Oft wurde über erfolgreichen Transfer in Anwendungen gesprochen, die dem Materialforschungsteam vor einem Kontakt weder bekannt waren noch aussichtsreich erschienen. Wenn mit einem Transfervorhaben in ein neues, bisher unbekanntes Anwendungsfeld vorgedrungen werden soll, erscheint es wichtig für die Materialforschungsteams, sich beraten zu lassen. Es ist empfehlenswert, mit erfahrenen Praktikern aus unterschiedlichen Branchen zu sprechen, die den Materialforschern auch Impulse für die Identifikation neuer Anwendungen geben können. Transferprozess╇ Vor dem eigentlichen Transferprojekt erscheint es wesentlich, entscheidende Elemente des Transferprojektes oder auch des Transferprozesses zu thematisieren und zu klären. Dazu gehört es, Ziele, Grenzen und weitere Rahmenbedingungen des Transfers früh nachzufragen, Eigentums- und Nutzungsrechte an dem geistigen Eigentum frühzeitig zu klären und auch den Zeitrahmen und notwendige Entwicklungsschritte früh zu kommunizieren. Darüber hinaus sollten auch die Materialforschungsteams ihre eigenen Interessen und Ziele selbstbewusster kommunizieren. Im Transferprojekt selbst erscheint es wichtig, dass eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist, wofür die Voraussetzungen schon in der Phase der Verhandlungen vor dem eigentlichen Transferprojekt gelegt werden. Im Transferverlauf ist die Lernbereitschaft auf beiden Seiten wichtig.
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5.4 Ausblick Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Materialforscher WTT-Aktivitäten in der wissenschaftlichen Praxis als Spannungsfeld wahrnehmen. Im Idealfall profitieren sie von der gemeinsamen Wissensgenerierung in Kooperationen mit industriellen Anwendern, zum Beispiel, wenn ein neues Anwendungsfeld eröffnet und die Finanzierung der Forschungsarbeiten gesichert wird. Auf der anderen Seite ist eine zu starke Orientierung auf WTT problematisch, um das Ziel der Kontinuität von Entwicklungslinien über einen längeren Zeitraum zu erreichen. Gerade im Feld der „Neuen Materialien“ ist dieser Aspekt vor dem Hintergrund benötigter langer Entwicklungszeiten kritisch, da das Potenzial einer Entwicklungslinie ebenso wie mögliche Anwendungen in einer frühen Phase kaum prognostizierbar erscheinen. Darüber hinaus wird die Stabilität von Forschungsgruppen selbst prekär, wenn sie in hohem Maß von Drittmitteln oder Qualifizierungsarbeiten abhängen. Entwicklungslinien sind gefährdet, wenn das nötige Know-how zu ihrer Fortführung in der Institution fehlt. Schließlich wird die Forschung in einem frühen Stadium bzw. an noch unpopulären Themen durch verringerte Spielräume als zunehmend prekär empfunden. Für die Materialforschungsteams ergibt sich ein Balanceakt zwischen den sich widersprechenden Anforderungen aus wissenschaftlichen Kernaufgaben und WTT. Dies stellt die Teams selbst vor Herausforderungen hinsichtlich ihrer internen Organisation von Kontinuität ihrer Forschungsarbeiten und des Managements von Wissen.
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Kapitel 6
Erfolg von Technologietransfer in der Materialforschung Joachim Hemer
Inhalt 6.1â•…Erfolgsmaße und Erfolgsindikatoren des Wissens- und Technologietransfers (WTT) ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������╇ 182 6.1.1â•…Vorbemerkungen zum Erfolgsbegriff ����������������������������������尓���������������������������������╇ 182 6.1.2â•…Zielsysteme für den WTT-Prozess ����������������������������������尓������������������������������������尓�╇ 183 6.1.3â•…Beurteilung und Messung des Projekterfolgs ����������������������������������尓��������������������╇ 188 6.2â•…Erfolgsfaktoren für den WTT-Prozess ����������������������������������尓������������������������������������尓�������╇ 188 6.2.1â•…Vorbemerkungen ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������╇ 188 6.2.2â•…Produktbezogene und prozessinterne Einflussfaktoren ����������������������������������尓�����╇ 189 6.2.3â•…Personengebundene Erfolgsfaktoren ����������������������������������尓���������������������������������╇ 190 6.2.4â•…Umfeldbezogene Erfolgsfaktoren ����������������������������������尓������������������������������������尓��╇ 191 6.3â•…Erfolg der InnoMat-Projekte: Empirische Befunde ����������������������������������尓�����������������������╇ 193 6.3.1â•…Ermittlungswege für Ziele und Erfolgsmaße ����������������������������������尓���������������������╇ 193 6.3.2â•…Synopse: Vergleich der drei Ergebnisse der Zielsystembetrachtung �������������������╇ 201 6.4â•…Fazit ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓������������������������╇ 203 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 205
Zusammenfassung╇ Dieses Kapitel erörtert die Begriffe Ziele, Zielsysteme, Erfolg, Erfolgsfaktoren und Erfolgsmaße von Wissens- und Technologietransferprojekten im Allgemeinen und im Besonderen anhand der Spezifika von neun Materialforschungsvorhaben, die der Beobachtungsgegenstand des InnoMat-Projektes waren. Es wird gezeigt, wie vieldimensional Zielsysteme, Erfolgsmaße und Erfolgserwartungen sind, warum in Projektpartnerschaften in der Regel darüber keine Übereinstimmung besteht und dass deshalb eine Erfolgsbewertung von Technologietransfer-Projekten nur sehr selten stattfindet und gelingt. Zusätzlich wird gezeigt, dass Materialwissenschaftler nicht immer nur erkenntnisorientiert arbeiten und der Grundlagenforschung zugeneigt sind, sondern durchaus ein Bewusstsein für die praktischen Interessen der Industrie und die Anforderungen der Anwender bzw. des Marktes besitzen. J. Hemer () Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, Breslauer Straße 48, 76139 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected] K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9_6, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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6.1 E rfolgsmaße und Erfolgsindikatoren des Wissensund Technologietransfers (WTT) 6.1.1 Vorbemerkungen zum Erfolgsbegriff In einem sehr allgemeinen Sinn wird unter Erfolg grundsätzlich die positive Wirkung oder Folge von Entscheidungen oder Handlungen verstanden (Tjaden 2003). Im Lichte einer ökonomischen Interpretation fußt der Begriff „Erfolg“ auf dem Streben nach Realisierung einer Erfolgsgröße, die sich in einem möglichst günstigen Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag dokumentiert (Burgstahler 2001). Demnach steht Erfolg für das oft in monetären Größen ausgedrückte Ergebnis dieses Strebens, vielfach verstanden als Nettogröße im Sinne einer wertmäßigen DiffeÂ� renz zwischen Ausbringung und Mitteleinsatz (Tjaden 2003). Erfolg ist eine begriffliche Kategorie, die bei Forschungs- und Transferprojekten zumindest implizit immer eine Rolle spielt, sowohl bei den am Projekt beteiligten Akteuren als auch bei den Geld- und Auftraggebern. Allerdings werden Erfolgserwartungen oder gar Erfolgsmaße relativ selten explizit in Projektbeschreibungen formuliert; das gilt ebenfalls für Projektanträge. Für Wissens- und Technologietransfer (WTT) gibt es noch eine zusätzliche Dimension dergestalt, dass Mitwirkende in Forschungs- und Entwicklungs (F&E)-Projekten, in denen der WTT eine wichtige Zielgröße darstellt,1 zwischen Erfolg des Transferprozesses und Erfolg des F&EProjektes unterscheiden können: Das Ergebnis des F&E-Prozesses kann außerordentlich gut sein (es kam beispielsweise zu einer Erfindung), aber es findet noch bei keinem potenziellen Anwender Interesse. Zusätzlich erschwert die Besonderheit der Materialwissenschaft, dass die Anwendungsfelder bzw. die Anwender während des F&E-Prozesses, der sich ja häufig über viele Jahre erstrecken kann, oft a priori nicht bekannt sind bzw. noch nicht benannt werden können, die Definition von Erfolg. In einem noch abstrakteren Erfolgsverständnis wird vom Erfolg auch als „Grad der Zielerreichung“ hinsichtlich eines bestimmten Kriteriums gesprochen,2 wobei sich das Ausmaß des Erfolges proportional zur Höhe des Zielerreichungsgrades verhält (Burgstahler 2001). Diese Aussage erklärt den engen Zusammenhang des Erfolgs- mit dem Zielbegriff, dessen man sich im Zuge der folgenden Erörterungen immer wieder bewusst sein muss. Auf der weltwirtschaftlichen Ebene kann z.€B. eine hohe technologische Wettbewerbsposition eines Landes vermittels intensiver Materialforschung als bedeutendes ökonomisches Ziel formuliert werden. Aus der Perspektive einer nationalen Volkswirtschaft stehen wiederum Beschäftigungswachstum und Strukturwandel als prioritäre Ziele im Mittelpunkt. Im regionalwirtschaftlichen Kontext tritt neben beschäftigungspolitischen Zielen die Sicherung des Steueraufkommens im Zusammenhang Weiter unten wird auch der Zusammenhang zwischen dem Erfolgsbegriff und Zielen erörtert. Ziele sind in diesem Zusammenhang als zukünftig erstrebte Zustände definiert (Burgstahler 2001). Die sich aus den festgelegten Zielen ergebenden Vergleichswerte erlauben eine Dichotomie zur Differenzierung zwischen erfolgreichen und erfolglosen Unternehmen (Dreier 2001). 1╇ 2╇
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mit innovativen wachsenden Unternehmen als wichtiges Ziel- und Erfolgskriterium hinzu (Dreier 2001). Gänzlich davon abweichende, individuelle Ziele können im WTT-Prozess beteiligte handelnde Personen wie Forscher, Ingenieure, Unternehmensgründer, Mitarbeiter von Technologietransfer (TT)-Agenturen usw. verfolgen. Zielsysteme zeichnen sich durch eine pyramidale Hierarchie aus, d.€ h. „ganz oben“ finden sich die übergeordneten, politischen, gesellschaftlichen oder strategischen Ziele. Sie setzen sich nach unten in einer umgekehrten Baumstruktur in nachgelagerten, abhängigen Zielen fort, die nach unten einen immer operationaleren Charakter bekommen. Bei den im Folgenden aufgezeigten Ziel-Beispielen wird die unterschiedliche Nähe zur instrumentellen Praxis (d.€h. strategische versus operationale Ziele) deutlich. Beim Erörtern des Erfolgsbegriffs ist darüber hinaus konsequent auf den Unterschied zwischen „Erfolgsmaßen“ (auch „Erfolgsindikatoren“) und „Erfolgsfaktoren“ zu unterscheiden. Zur Beurteilung, ob eine Einflussgröße (ein „Faktor“) im konkreten Fall ein Erfolgsfaktor ist oder nicht, bedarf es einer Festlegung auf geeignete Referenz-, d.€h. Erfolgsmaße. In den Abschn.€6.1.2€ff und 6.2 wird versucht, anhand wissenschaftlicher Literatur und der Erfahrungen des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung3 aus Fallstudien diesen unterschiedlichen Zielsystemen und den dazugehörigen Erfolgskriterien in einer allgemeinen Form nachzugehen, während in dem dann anschließenden Abschn.€6.3 die Verbindung zu spezifischen Erfahrungen aus der Beobachtung der InnoMat-Projekte hergestellt wird.
6.1.2 Zielsysteme für den WTT-Prozess Erfolg kann, wie oben beschrieben, mit dem Erreichen eines vorher definierten Zielerreichungsgrades definiert werden. Aussagen über den Grad einer Zielerreichung setzen jedoch voraus, dass vorab ein Ziel definiert wurde; das geschieht, wie oben bereits angemerkt, in vielen F&E- und TT-Projekten nicht oder nur unzulänglich. Zielsysteme sind, wie erwähnt, subjektiv und vom Standpunkt des Akteurs abhängig. Jeder Akteur hat individuelle Ziele, d.€h. jeder Akteur definiert darum auch seinen Erfolg unterschiedlich, und in der Regel konvergieren die unterschiedlichen Ziele unter den Projektbeteiligten kaum, zumal die (möglicherweise nur implizit existierenden) Ziele auf verschiedenen Ebenen der Zielhierarchie formuliert werden. In materialwissenschaftlichen Vorhaben werden Ziele tendenziell technischwissenschaftlich formuliert, d.€h. es werden Werkstoffeigenschaften oder Parameter genannt, die man mit einer Materialinnovation erreichen möchte. Diese korrespondieren wenig mit etwa forschungsstrategischen Zielen der Muttereinrichtung, die sich z.€B. mit einem Projekt in einem bestimmten Segment der Materialforschung als Exzellenzzentrum positionieren möchte. Betriebswirtschaftliche oder sonstige ökonomische Ziele sind eher im Fokus des (potenziellen) Anwenders der Werk3╇
Im Folgenden mit Fraunhofer ISI abgekürzt.
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stoffinnovation (wie das Erzielen eines Wettbewerbsvorteils oder von Kostensenkungen, Steigerung des Marktanteils etc.), werden von diesem in ein WTT-Projekt eingebracht, aber nicht immer von den Wissenschaftlern in deren Zielsystem übernommen (vgl. hierzu Abschn.€2.2, 2.5 und 2.6 in diesem Band). Unterschiedliche Zielvorstellungen, hier auf politischer oder strategischer Ebene der Zielhierarchie, zeigen auch Schmoch et€al. (2000, S.€220) am Beispiel eines Berliner Forschungsinstituts, von dem sich der Industrieverband „Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie e.V. (ZVEI)“ mehr Produkte am Markt wünscht, während der Wissenschaftsrat in einem Audit die zu starke Ausrichtung auf die Interessen der Industrie beklagt, d.€h. eine stärker wissenschaftliche Ausrichtung des Instituts zum Ziel hat. Dies ist nur ein Beispiel unter vielen, das zeigt, wie sich auch im Hinblick auf WTT die Zielsysteme der Stakeholder eines Projekts im Innovationsprozess unterscheiden, im schlimmsten Fall sogar kollidieren können. Die in Tab.€6.1 und 6.2 aufgeführten fiktiven Beispiele sollen dies zusätzlich illustrieren. Selbst auf der strategischen oder politischen Ebene einer Zielhierarchie formulieren die diversen Stakeholder eines TT-Projekts Ziele, die nicht unbedingt miteinander kongruent sind, so zwischen der Öffentlichen Hand bzw. der Wirtschaftsförderung und geförderten Unternehmen oder zwischen Letzteren und externen Investoren, wie die Übersicht in Tab.€6.3 illustrieren soll. Bemerkenswert ist, dass Ziele wie Senkung der Material- oder Prozesskosten bzw. Verbesserung der Produktivität bzw. Rendite aus dem Blickwinkel des potenTab. 6.1↜渀 Beispiel 1: Industriekunde erteilt einer F&E-Einrichtung einen F&E-Auftrag. (Quelle: Beobachtungen und Ergebnisse des Fraunhofer ISI in diversen Projekten) Mögliche Ziele der FuE-Einrichtung Mögliche Ziele des Unternehmens •â•‡Externalisierung der F&E-Kosten, d. h. von •â•‡ Drittmittelerlöse erzielen subventionierter öffentl. Forschung profitieren •â•‡ Mindestens Kostendeckung erzielen •â•‡ Innovative Produkte finden •â•‡ Viele wissenschaftl. Publikationen •â•‡Spitzen-Know-how oder Spitzentechnologien •â•‡Viele Themen für Dissertationen oder Habilitationen gewinnen erwerben •â•‡Sichtbares Profil erarbeiten, •â•‡ Innovationsfähigkeit steigern Spezialisierung •â•‡ Wissenszuwachs erzielen •â•‡ Marketing für Folgeaufträge •â•‡ Wissenschaftl. Erkenntnisgewinn
Tab. 6.2↜渀 Beispiel 2: F&E-Einrichtung machte eine Erfindung und bietet Industriekunden eine Lizenz an. (Quelle: Beobachtungen und Ergebnisse des Fraunhofer ISI in diversen Projekten) Mögliche Ziele der F&E-Einrichtung Mögliche Ziele des Unternehmens •â•‡ Kostengünstiger Technologieeinkauf •â•‡ Lizenzerlöse erzielen •â•‡Schneller Know-how-Zuwachs, schnellere •â•‡ Politische Vorgaben erfüllen •â•‡ Eigenes Rating verbessern Produktreife •â•‡Claims sichern, Wettbewerbern den Techno•â•‡Weiter von Industrieeinfluss unabhängig forschen können, Freiheit der Forschung logiezugang erschweren sichern •â•‡Wegsperren der neuen Technologie, um eigene Produkte nicht zu gefährden
Innovative Impulse geben, SpinOffs generieren, bestehende Unternehmen stärken
Bessere Vernetzung im Innovationssystem
Regional- oder strukturpolitische Ziele
Innovationspolitische o. technologiepolitische Ziele
Standort und Arbeitsplätze sichern
Spitzenplatz im Wissenschaftssystem erringen, Chancen für Förderprojekte erhöhen, VerhandlungsposiRenommée für Einrichtung und Wissention gegenüber F&E-Partnern schaftler, Erkenntnisgewinn, Spitzenkräfte verbessern attrahieren
Spezialisierung und Profil in bestimmten Wis- Pionier o. Innovationstreiber werden o. bleiben senschaftsfeldern verbessern, Technologien voranbringen
Regional wichtiger Player werden
Umsatz, Gewinn, Rendite, Erhöhung der Selbstfinanzierungskraft durch Produktivität o. Marktanteil TT-Erlöse, mehr Unabhängigkeit von steigern, Kosten- und Zeitstaatl. Finanzierung, Beziehung zu industersparnis, Marktvorsprung riellen Kunden festigen und Auftragspotenoder Pionierposition erringen zial steigern (first to market), Marktmacht
Ziele aus Sicht des Unternehmens Neue Produkt- oder Systemlösung schaffen, Technologieführerschaft, Innovationsvorsprung schaffen, Qualitätsführerschaft
Allgemein einen sozial- oder gesellschaftspoli- Gesellschaftliche Rolle als UnterSozialpolitische oder gesellschaft- Qualifikationsanreize durch tischen Beitrag leisten nehmen ernst nehmen liche Ziele attraktive Arbeitsplätze setzen, Jobs schaffen
Forschungspolitische oder wissen- Spitzenplatz im internationaschaftliche Ziele len Ranking, Erfüllung des Lissabon-Kriteriums
BIP/Wertschöpfung steigern, Zuschussbedarf für F&EEinrichtung reduzieren, Jobs schaffen
Volks- o. betriebswirtschaftliche o. monetäre Ziele wie Markterfolg i.€e.€S.
Tab. 6.3↜渀 Beispiele strategischer Ziele nach Akteursgruppen und Zielkategorien. (Quelle: Fraunhofer ISI) Zielkategorien Ziele aus Sicht des Staates Ziele aus Sicht der F&E-Einrichtung Innovationssprung oder TechnologievorTechnisch-wissenschaftliche Ziele Erringen einer guten Posisprung schaffen, Erkenntnisgewinn, tion im globalen Erreichen definierter Performanzziele oder Technologiewettbewerb Meilensteine
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ziellen Anwenders der Werkstoffinnovation explizit nur äußerst selten von den einzelnen Werkstoffwissenschaftlern oder von der Institutsleitung als wichtige Ziele genannt werden; so weit geht die Identifikation mit den Interessen der Anwender offenbar in der Regel nicht.4 Der einzelne Werkstoffwissenschaftler identifiziert sich mit obigen Zielen nur ausnahmsweise; für ihn ist das Erreichen angestrebter technisch-wissenschaftlicher Meilensteine (z.€B. bestimmte Verfahrens-, Produkt- oder Materialeigenschaften) ein ausreichender Erfolg. Viele geben sich im Rahmen ihres intrinsischen Zielsystems damit zufrieden. Technologiepolitisch und ökonomisch kann dies jedoch nicht befriedigen. Es wäre aber nicht angemessen, für jedes TTProjekt allein ökonomischen Erfolg als Zielkategorie anzulegen, denn um diesen geht es – im Verständnis notwendiger Vorlaufs- oder Vorratsforschung – durchaus nicht immer. Andererseits wäre es aber aus volks- bzw. betriebswirtschaftlicher Perspektive kaum zu akzeptieren, wenn der Transfer der Ergebnisse eines aufwendigen F&EProjekts dann (z.€B. von der Politik) als erfolgreich bezeichnet würde, wenn nur der Nachweis erbracht werden konnte, dass sich ein (u.€U. kleines und mittleres) Unternehmen dafür interessiere, die Technologie evtl. für eine geringe Gebühr übernehmen wolle und ein (u.€ U. gesamtwirtschaftlich unbedeutendes) Nischenprodukt daraus fertigen möchte. Solche Beispiele finden sich auch unter den neun InnoMat TT-Projekten (vgl. Kap.€4 in diesem Band). Solch bescheidene Ansprüche können bestenfalls der erste Schritt eines erfolgreichen Transfers sein, und es darf nicht dabei enden, einen „interessierten potenziellen Anwender“ oder eine interessante Anwendung identifiziert zu haben. Andere InnoMat-Projekte zeigen wiederum, dass sich sowohl Institutsleiter wie auch die einzelne Werkstoffwissenschaftler durchaus die ökonomischen Ziele der Anwender zu Eigen machen (vgl. Abschn.€6.3). Gelegentlich finden sich Ziele bzw. Erfolgsmaße für WTT, die sehr allgemeine, ja strategische Bedeutung haben. So nennt die Universität von Montana u.€a. folgende bemerkenswerte strategische oder gesellschaftspolitische Ziele:5 • Freiheit der Wissenschaft erhalten, • Technologien zum Nutzen der Gesellschaft bereitstellen, • für die Mitarbeiter zusätzliche Einkommensquellen über Lizenzgebühren erschließen, • die Industrie zur Finanzierung externer Forschung animieren, • die Beziehungen der Hochschule zu ihren Sponsoren schützen, • für Fakultätsmitarbeiter Beratungsanlässe schaffen, • die lokale und regionale Unternehmensentwicklung fördern. Dieses Beispiel der Universität von Montana erscheint jedoch als Ausnahme; viel häufiger werden sehr operative Ziele formuliert, wie das folgende Beispiel zeigt: Eine Umfrage bei der nordamerikanischen „Association of University Technology Managers“ (AUTM) in Kanada und den USA ergab folgende „primäre Ziele“ 4╇ Diese Aussage gründet sich auf eine über Jahre geführte Vielzahl von Gesprächen des Fraunhofer ISI in Fallstudien mit industrienahen bzw. werkstoffwissenschaftlichen Verbundprojekten. 5╇ University of Montana (2008).
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für einzelne WTT-Vorhaben: (s. Gardner et€al. 2006, S.€1, 2): Zahl der Erfindungsmeldungen, Zahl der Patentanmeldungen, Zahl der aktiven Lizenzverträge, Lizenzgebühren-Erlöse, Zahl der entstandenen Start-Ups. Daneben wurden noch folgende „sekundäre“ (indirekte) Ziele genannt: Volumen der Drittmittel, Zahl der erteilten US-Patente, Zahl der qualifizierten Vollzeitmitarbeiter in der TT-Agentur einer wissenschaftlichen Einrichtung, Ausgaben für die Durchsetzung der IP-Rechte (Intellectual Property). Bei europäischen TT-Agenturen von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen finden wir diese Liste in ähnlicher Weise, oft sogar noch feiner differenziert und ergänzt um qualitative Kategorien wie „Art der Beziehung der Hochschule zu seinen Spin-offs“ (vgl. Gardner et€al. 2006, S.€3). Allen diesen Zielen bzw. Erfolgsmaßen ist gemeinsam, dass sie nur für die Bewertung der eigenen WTT-Aktivitäten der hochschuleigenen TT-Agentur entwickelt wurden, nicht jedoch für die Erfolgsmessung des einzelnen, konkreten TT-Vorhabens selbst. Mithin stellen sie lediglich Evaluationsindikatoren zur Bewertung der Performance der TT-Agentur dar. Das Studium von Arbeitsvorschlägen zu F&E-Projekten und Gespräche mit Projektverantwortlichen zeigen oft, dass zwischen Auftragnehmern, Auftraggebern, Projektpartnern und Vertretern der Zielgruppe (Anwender) kein allseits akzeptiertes Zielsystem ausgehandelt wurde, ja, dass Ziele oft gar nicht schriftlich formuliert sind.6 Oft herrscht nur ein implizites, manchmal auch vermeintliches Einverständnis über technische, weniger aber über kommerzielle Ziele vor.7 Wenn dies der Fall ist, kann es nicht verwundern, dass zum Ende des Vorhabens die Beteiligten zu unterschiedlichen Beurteilungen des Projekt- bzw. Transfererfolgs kommen, je nach ihren individuellen Zielsystemen. Nichtsdestotrotz ist das häufigste implizite Ziel eines transferorientierten Projektes die Hervorbringung eines kommerziell oder praktisch verwertbaren Produktes oder Verfahrens, manchmal auch einer Dienstleistung. Dies entspringt einer sehr engen Betrachtungsweise des gesamtgesellschaftlichen Innovations- und Transferprozesses, denn sie ignoriert, dass gesellschaftlich nützliche WTT-Prozesse an vielen Stellen im Verlauf eines Innovationsprozesses stattfinden, ohne dass schon ein Transfer in eine praktische Anwendung in Sichtweite ist. Dieses sehend, wird bei weniger marktnahen F&E-Arbeiten auch gelegentlich etwas vage eine weiter gefasste „gesellschaftliche Verwertbarkeit“ reklamiert, ohne dass diese immer konkret spezifiziert werden kann. Aus den verschiedenen Gesprächsrunden, die das InnoMat-Projektteam in den neun InnoMat-Materialforschungsprojekten mit Projektmitarbeitern und -verantwortlichen in den Forschungseinrichtungen führte, ergab sich, wie bereits in Abschn.€5.3 erwähnt, dass WTT teilweise sogar als ein eigenes, wenn auch mittelbares Ziel betrachtet wird, das der Erreichung anderer Ziele wie gutes AbschneiDas gilt auch für einige der neun InnoMat-Materialforschungsprojekte (vgl. Tab.€6.5). Allerdings hatte das Projektteam keinen Einblick in die Arbeitsvorschläge oder Projektanträge, um dies beÂ� lastbar zu verifizieren. 7╇ In vier InnoMat-Projekten wurden durch Formulierungen wie „kostengünstige“ oder „Optimierung“ indirekt ökonomische Ziele angesprochen (vgl. Tab.€6.5). 6╇
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den in einer Evaluation oder in einem Ranking der Forschungseinrichtung dient. Hierbei hat sich das Zielsystem bereits vom Transfergegenstand gelöst; es geht gar nicht mehr um den erfolgreichen Transfer einer Innovation in eine praktische Anwendung oder um Wissensvermittlung, sondern – weitgehend erfolgsunabhängig – darum, dass WTT überhaupt stattfindet.
6.1.3 Beurteilung und Messung des Projekterfolgs Wenn, wie erwähnt, der Grad der Zielerreichung den Erfolg beschreibt, ist ein InstruÂ� mentarium hilfreich, mit dem der Grad der Zielerreichung gemessen bzw. quantifiziert werden kann. In der angelsächsischen Literatur finden wir hierfür den Begriff „metrics“. Die Metrik liefert Algorithmen zur Quantifizierung des Erfolges, also Erfolgsindikatoren. Die Literatur befasst sich häufig mit dieser Metrik; methodisch ist sie eine spezifische Disziplin der quantitativen Indikatorik. Andererseits finden wir in der Praxis (auch in der Praxis von systematischen Projektevaluationen) viel häufiger qualitative Erfolgsbeurteilungen. Oft gründen sie auch auf subjektiven, d.€h. individuellen Zufriedenheitsmaßstäben und sind daher als objektive, d.€h. allgemein akzeptierbare Erfolgsmaße wenig geeignet (vgl. hierzu auch Abschn.€2.8). Hat ein Materialforschungsprojekt eine Transferkomponente wie die neun InnoMat-Projekte, gibt es immer mindestens zwei Sichtweisen auf den Transfererfolg: Die Sicht des Wissensproduzenten bzw. Materialforschers und die des potenziellen Anwenders (Industrie). Hinzu kommen die Erwartungen, die die sonstigen Beteiligten bzw. Stakeholder möglicherweise mit dem Projekt verbinden (vgl. oben Abschn.€6.1.2). Dann wird es außerordentlich schwierig, überhaupt ein einheitliches Verständnis vom Projekterfolg bzw. vom Erfolg des Transfers zu entwickeln, geschweige denn zu formulieren. Darüber hinaus stellen sich im Nachhinein oft unerwartete Effekte ein, insbesondere vorher nicht erkennbare Transferwirkungen (z.€B. Lerneffekte bei Beteiligten, die sich plötzlich und unerwartet in einem anderen Zusammenhang als sehr nützlich erweisen), die das ursprüngliche Zielsystem und die ursprünglichen Erfolgsmaße aus der Sicht des einzelnen Stakeholders revidieren.8
6.2 Erfolgsfaktoren für den WTT-Prozess 6.2.1 Vorbemerkungen Wie schon erwähnt sind Erfolgsfaktoren von Erfolgsmaßen (oder Erfolgsindikatoren) zu unterscheiden. Die folgenden Erörterungen der wissenschaftlichen Literatur bezogen sich ursprünglich auf wissenschaftsbasierte Unternehmensgründun8╇
Dies wurde auch in Abschn.€2.8 schon angesprochen.
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gen („akademische Spin-Offs“) bzw. auf deren Gründer oder auf gründungswillige Wissenschaftler und sind weitgehend zwei Studien des Autors entnommen (Hemer et€al. 2006, 2007). Die in diesen beiden Untersuchungen durchgeführten Fallstudien hatten oft materialwissenschaftliche Projekte als Grundlage. Auch daher zeigen die Ergebnisse hinreichende Ähnlichkeiten mit werkstoffwissenschaftlichen Vorhaben mit Transferzielen und mit wissenschaftlichen Mitarbeitern solcher Projekte, die eine unternehmerische Sicht und/oder ein persönliches Interesse an der wirtschaftlichen Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse besitzen, so dass sich eine ausführliche Beschäftigung mit diesen Befunden und eine Erörterung ihrer Anwendbarkeit auf den WTT in der Werkstoffwissenschaft rechtfertigt. Dabei erfolgt die Reihenfolge der Erörterungen nach folgender Logik: 1. Produktbezogene und prozessinterne Einflussfaktoren, 2. personenbezogene Einflussfaktoren und schließlich 3. umfeldbezogene Einflussfaktoren.
6.2.2 Produktbezogene und prozessinterne Einflussfaktoren In verschiedenen Arbeiten, auch in populären oder politischen Artikeln, werden Faktoren genannt, die Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg eines konkreten Transferprojekts haben. Dabei werden häufiger Hemmnisfaktoren genannt als Erfolgsfaktoren. Meißner (2001, S.€90) diskutiert eine große Zahl solcher Faktoren, insbesondere Hemmnisfaktoren, wobei er von einer detaillierten Analyse der fünf Hauptdeterminanten des WTT ausgeht: • • • • •
Transferobjekt, Transfergut Transferpartner, Transferinstrument, Informationsfluss und -richtung und Zeitdimension.
Diese Analysen führen zu einer Vielzahl von differenzierenden Kenngrößen von WTT-Prozessen, die z.€T. auch als Einflussgrößen wirken. So führt z.€B. eine Klassifizierung der Technologien zwangsläufig zu einer Unterscheidung nach Transferierbarkeit und Anwendungsbezug von Technologien (s. Tab.€6.4) Durch Befragung von Universitäten und Unternehmen erstellte Meißner ein Rating von 14 Hemmnisfaktoren für WTT (Meißner 2001, S.€233). Die vier wichtigsten sind: • • • •
industriefeindliches Klima an der Universität, wissenschaftsfeindliches Klima bei den Unternehmen, Verfügbarkeit über Schutzrechte und zu niedriges wissenschaftliches Niveau.9
In ähnlicher Weise behandeln Schmoch et€al. (2000) Erfolgsfaktoren des WTT unter verschiedenen Perspektiven (vgl. auch die entsprechenden Erörterungen in Kap.€2.8 dieses Berichts) und erarbeiteten ein Ranking für acht Hemmnisfaktoren (Schmoch et€al. 2000, S.€65€f). 9╇
190 Tab. 6.4↜渀 Einflussfaktoren auf Anwendungsbezug und Transferierbarkeit einer Technologie. (Quelle: Meißner 2001)
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Reifegrad Stand im Lebenszyklus Grad des Produkt- oder Verfahrensbezugs Spezialisierungsgrad Komplexität Kompatibilität Demonstrierbarkeit Teilbarkeit Bedeutung für den Anwender Rechtliche Schützbarkeit, IPR Zentralität der Technologie für Anwender
Einfluss auf Anwendungsbezug + + + Einfluss auf Transferierbarkeit − − + + + + + +
6.2.3 Personengebundene Erfolgsfaktoren10 Als wesentliche Einflussparameter auf den Erfolg junger Unternehmen hat die Forschung im Fall von Unternehmensneugründern eine Reihe personenbezogener Faktoren identifiziert (Klandt 1984; Klandt und Müller-Böling 1990; Böhmer und Lück 1994 sowie Ostermann und Schulte 2002). Es ist sicher naheliegend, bei Wissenschaftlern, die transferrelevante angewandte Forschung betreiben bzw. für Transferprojekte verantwortlich sind, ähnliche Einflüsse auf den Erfolg ihrer Projekte bzw. ihrer kommerziell verwertbaren Produkte zu vermuten. Schwächen in der Persönlichkeit schlagen sich folglich unmittelbar im Projekterfolg nieder. Amerikanische Materialwissenschaftler beschreiben sich selbst als erkenntnisorientiert. Sie wollen Materialstrukturen auf den Grund gehen und haben ein starkes Interesse an ingenieurwissenschaftlichen Fragen. Sie sehen sich selbst als Generalisten „mit einer Wissensbasis, die Meilen breit, aber nur einen Zoll tief sei“. Ihr Fokus sei die Entwicklung produktbezogener Technologien (American Chemical Society o.J.): Many materials scientists say they were drawn to the field because they are naturally curious and always wanted to know what things were made of. “In industry, though, it is not just a question of being curious, but what you are being curious about and how it will benefit the company you work for,” …. The field is becoming more business-driven all the time. “When I started in pre-ceramic polymers in the 1980s, people were making pre-ceramic polymers just to make them,” …. “Now, research is much more focused so we look for specific functionalities and applications in materials.” …. “Aside from universities and some government labs, there are few places that still do exploratory research.” Because the focus is on business, materials scientists say the emphasis of their work is on how to make materials for the marketplace more economically. Some materials scientists are employed by academia and government; however, most are employed by industry…. Some materials 10╇
Diese Ausführungen wurden in großen Teilen Hemer et€al. (2007) entnommen.
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scientists say one of the most satisfying aspects of their work is being involved in a project from the materials’ initial conception through its manufacture and marketing. Much of their work is performed in the lab, but they also work with engineers and processing specialists in pilot plants or manufacturing facilities. After a material is sold, materials scientists often help customers tailor the material to suit their needs. American Chemical Society o.J.
Über das Selbstbild deutscher Materialforscher ist leider wenig dokumentiert. Möglicherweise unterscheidet sich das obige Bild von dem des deutschen Materialforschers, da in Deutschland vermutlich relativ mehr von ihnen in der öffentlichen Forschung beschäftigt sind als in den USA. Das könnte bedeuten, dass sie geringeres Interesse an kommerziellen Fragen haben und eher der marktfernen, aber durchaus anwendungsnahen Forschung zugewandt sind. Die Befragung der in den InnoMat-Projekten verantwortlich tätigen Materialwissenschaftler, deren Ergebnisse im Kap.€5 dieses Berichts wiedergegeben sind, korrigiert zumindest für dieses Sample ein wenig diese Vermutung (vgl. Abschn.€5.3.5). Diese Wissenschaftler betreiben WTT zwecks Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, wobei WTT hierbei auch der Legitimation ihres Tuns dient. Gleichzeitig sehen viele sich als Dienstleister für die Industrie und sehen es u.€a. auch als ihre Aufgabe an, Anwendungen und Bedarf für die betrachteten Innovationen zu wecken und zu entwickeln bzw. die Machbarkeit bestimmter innovativer technischer Lösungen zu demonstrieren (s. Abschn.€5.3.2). Gleichwohl begegnete das Fraunhofer ISI in anderen Projekten auch nicht selten Materialforschern mit einer industrie-aversen Haltung. Dies kann u.€U. zur faktischen Torpedierung von Transferaktivitäten führen.11
6.2.4 Umfeldbezogene Erfolgsfaktoren12 6.2.4.1 Rolle der Forschungseinrichtung Die Forschungseinrichtung, bei der das transferrelevante werkstoffwissenschaftliche Vorhaben durchgeführt wird, beschreibt den bedeutendsten Bestandteil des mikrosozialen Umfeldes eines unternehmerisch orientierten Wissenschaftlers. Weil Forschungsergebnisse in Form neuer (Werkstoff)Technologien bzw. technologischer Innovationen die Basis erfolgreicher Transferprozesse darstellen, legen akademische Einrichtungen sowie Forschungseinrichtungen der Privatwirtschaft einerseits das Fundament des Transfers, andererseits kommt insbesondere dem Hochschulbereich aufgrund lehrplanmäßiger Aus-, Weiterbildungs- und Fördermaßnahmen eine prägende Funktion zu. Die Forschungseinrichtung determiniert
Amy Lemay zitierte auf dem FPTT National Meeting am 12. 6. 2007 Wissenschaftlerkollegen so, dass Wissenschaftler Wissen viel eher transferieren (würden), wenn es nicht um Kommerzialisierung von geschütztem Wissen ginge! (s. Lemay 2007). 12╇ Diese Ausführungen wurden in großen Teilen Hemer et€al. (2007) entnommen. 11╇
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damit auch Wissen, Erfahrungsschatz und nicht zuletzt die Persönlichkeit des Wissenschaftlers (vgl. Beer 2000). Soweit es um die Umsetzung einer Transferidee im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber geht, wird dem Vorhaben häufig weit gehende Unterstützung zuteil. Kontakte zu potenziellen Kunden sind in einem solchen unterstützenden Umfeld leichter zu knüpfen, geschäftspolitisch relevante Informationen wie über patentrechtliche Gegebenheiten oder Internationalisierungsstrategien sind leichter zu gewinnen. Wissenschaftler, die am kommerziellen Transfer von Forschungsergebnissen beteiligt sind, sind tendenziell Kandidaten für eine Übernahme durch die IndusÂ� triekunden oder für eine eigene Unternehmensgründung. Je nach der Verwertungspolitik der Forschungseinrichtung kann der wissenschaftliche Mitarbeiter dabei in entsprechend unterschiedlichem Umfang mit Unterstützungsleistungen rechnen. Die individuellen Rahmenbedingungen in wissenschaftlichen Institutionen beeinflussen unmittelbar die Motivation und die kommerziellen Einstellungen und können den Aufbau unternehmerischer Kompetenzen unterstützen. Neben dem bereits erwähnten Leistungsangebot des Arbeitgebers sind hierbei besonders Erfahrungen von Belang, die Wissenschaftler im Rahmen einer Beteiligung an Akquisition und Durchführung von industriellen Forschungsprojekten erlangen. Diese können z.€B. die Wissenschaftler für die eigene industrienahe Tätigkeit sensibilisieren, zu marktorientiertem Denken verhelfen und zum Reifen einer innovativen Idee beitragen (Kriegesmann 2000). Neben den sich unmittelbar aus der Arbeitstätigkeit des wissenschaftlichen Mitarbeiters ergebenden Rahmenbedingungen unterstreichen explizit geschaffene Bedingungen zur gezielten Unterstützung von Transfervorhaben eine grundsätzlich positive Einstellung wissenschaftlicher Einrichtungen gegenüber den industrienahen Vorhaben ihrer Mitarbeiter. Das Unterstützungsangebot differiert dabei deutlich zwischen einzelnen Einrichtungstypen, je nach primärer Ausrichtung der Forschungstätigkeit und Institutspolitik bezüglich Transfer und Verwertung von F&E-Ergebnissen. 6.2.4.2 Branche und Markt des Anwendungsfeldes Mit der Branche eines potenziellen Anwenders der werkstoffwissenschaftlichen Innovation werden wesentliche Umfeldparameter festgelegt: Liefer- und Absatzstrukturen, Wettbewerber, Kunden, Arbeitsmarkt, Kapitalgeber u.€v.€m. Daran schließen Erkenntnisse der industrieökonomischen Forschung an, wonach die konkreten in einer Branche anzutreffenden Bedingungen Einfluss auf die Entwicklung neuer Produkte oder Unternehmen ausüben. Bei der in der Literatur zu findenden, oft etwas bemüht wirkenden Suche nach Erfolgs- bzw. Hemmnisfaktoren und nach „good or best practices“ werden sehr häufig die marktlichen Risiken ignoriert (wie nicht ausreichendes Marktpotenzial, unterkritisches Marktvolumen, geringe Marktadäquanz, ausbleibende Marktakzeptanz, falscher Verkaufspreis, Wettbewerbsdruck, hoher F&E-Aufwand bzw. zu hohes Investitionsvolumen, globale Marktverände-
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rungen, Insolvenz eines großen Kunden usw.). Solche Größen können den Erfolg eines WTT-Vorhabens in sehr viel größerem Maße beeinflussen als alle zuvor genannten Faktoren. Selbst bei Einsatz von „best practices“ und unter günstigen Bedingungen in den Instituten bzw. beim Industriepartner kann einer zu transferierenden Werkstoffinnovation der Markterfolg13 versagt bleiben. Diese Einflüsse können alle anderen Faktoren stark überlagern, so dass alle Bemühungen, eine wirksame Erfolgsmetrik zur Operationalisierung des Zusammenhangs zwischen Einflussfaktoren und Erfolg, d.€h. letztlich zur aktiven Beeinflussung des Transfererfolges, zu entwickeln, a priori obsolet erscheinen, es sei denn, die Instrumente der Erfolgsmetrik schließen Methoden des Foresight, der Marktforschung und der Technologiebewertung ein.
6.3 Erfolg der InnoMat-Projekte: Empirische Befunde 6.3.1 Ermittlungswege für Ziele und Erfolgsmaße Es gehört zu den verblüffenden Beobachtungen in der empirischen Erfolgs(faktoren)forschung, dass bei Forschungs-, TT- und/oder Gründungsprojekten objektivierbare Ziele, d.€h. solche, aus denen sich Erfolgsmaße für die jeweiligen Projekte ableiten lassen, relativ selten in Projektanträgen formuliert sind. Zwar werden in der Regel vom Auftraggeber Ziele vorgegeben bzw. in Zuwendungsprojekten definieren die Antragsteller ihre Forschungsziele selbst, doch sind diese oft nicht an ein Referenzmaß gekoppelt, sondern eher „fuzzy“ formuliert. Die Gründe hierfür sind mit Sicherheit sehr vielfältig und dürften auch in den Traditionen der jeweiligen Forschungsgebiete oder in der Sozialpsychologie zu suchen sein; jedenfalls war es nicht Aufgabe dieser Studie, diese Gründe zu untersuchen. Das beschriebene Phänomen war – c.€g.€s. – auch bei den neun WTT-Vorhaben innerhalb des InnoMat-Projekts zu beobachten und, um der Frage nach Erfolgsmaßen und Erfolgsfaktoren nachzugehen, mussten verschiedene Wege gegangen werden. Folgende vier mögliche Wege der Ermittlung der Projektziele bzw. ihrer Erfolgsmaße boten sich an: 1. Zielformulierungen aus den Projektvorschlägen (Anträgen): Dieser Weg konnte leider nicht beschritten werden, denn diese Dokumente lagen dem InnoMatTeam nicht vor. 2. Implizit aus gedrucktem Material, Webseiten und Präsentationsunterlagen über die Projekte. 3. Direkte oder indirekte Erwähnungen in den Interviews mit den neun Projektleitungen: Die diesbezüglichen Ergebnisse aus der ersten Befragungswelle werden im Folgenden vorgestellt. Darüber hinaus wurden mit zwei WTT-Vorhaben aus-
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Bei „Markt“ kann hier auch der industrielle Anwender gemeint sein.
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führliche Fallstudien durchgeführt, die bezüglich der Zielsysteme dieser beiden Vorhaben einige zusätzliche Antworten lieferten (vgl. Kap.€7). 4. Explizite Erfragung bei den Projektleitungen durch einen schriftlichen Fragebogen: Dies wurde realisiert durch einen Fragebogen im Vorlauf zur zweiten Befragungswelle (ebenfalls nachfolgend vorgestellt). 6.3.1.1 E rkenntnisse aus gedrucktem Material, Webseiten und Präsentationsunterlagen Dokumente, Webseiten und Präsentationsunterlagen14, die im ersten Jahr des InnoMat-Projektes zugänglich waren, wurden nach Aussagen zu Projektzielen oder Erfolgsmaßen durchgesehen. Die Ergebnisse dieses Schritts sind in der Tab.€ 6.5 zusammengefasst. Auffällig an der Übersicht in Tab.€6.5 ist, dass – mit Ausnahme der Projekte 3 und 5 – in der Regel weder implizit noch explizit forschungsstrategische, technologiepolitische oder ökonomische Ziele artikuliert wurden, obwohl die Projekte schon längst begonnen hatten. Fraunhofer ISI hat ersatzweise die Ziele interpretativ aus den verfügbaren Dokumenten abgeleitet, was in der Tab.€6.5 ebenfalls wiedergegeben ist. Es überwiegen dabei eindeutig technische Ziele, gleichwohl in Verbindung mit markt-, anwendungs- oder umsetzungsrelevanten Dimensionen, was zeigt, dass Werkstoffwissenschaftler solche Aspekte in ihrem Handeln durchaus internalisiert haben. Allein im Projekt 5 waren sogar institutsstrategische Ziele genannt worden (Erschließung eines Zukunftsmarktes bzw. Einübung von Kooperation im Verbund). Aus diesem Sachverhalt folgt, dass bei allen übrigen acht InnoMat-Projekten und bei allen ihren Akteuren die nicht-technischen Ziele explizit zu erfragen waren. Dies geschah im Zuge der ersten beiden Befragungswellen schrittweise. 6.3.1.2 Erkenntnisse aus der ersten Befragungswelle Die erste Befragungsrunde15, die im Sommer 2006 anlief, wurde ausschließlich von Mitarbeitern des ITAS durchgeführt. Die Befragungsinhalte bestanden zwar nicht primär aus Fragen der Erfolgsmessung, doch aus den Transskripten von acht Tonaufzeichnungen war eine subjektive, hermeneutische Interpretation aus dem Gesprächszusammenhang möglich. Hierbei wurden sowohl explizite Aussagen zu Zielen und Erfolgsvorstellungen der Interviewpartner als auch Äußerungen berücksichtigt, die nur einen indirekten Bezug zu diesen Aspekten hatten. Da jede dieser Äußerungen in individueller Weise formuliert wird (schließlich handelte sich um freie Gespräche anhand eines teil-offenen Gesprächsleitfadens), mussten sie zu Aussagengruppen gemäß Tab.€6.6 und 6.7 zusammengefasst werden. Die darin anInsbesondere Präsentationen der Projektleitungen auf dem ersten InnoMat-Workshop im Sommer 2006. 15╇ Im InnoMat-Projekt wurden die drei Befragungsrunden „Befragungswellen“ genannt. 14╇
Projektinhalte, Zweck
Projekt 2
Projekt 3
Projekt 4
Projekt 5
Projekt 6
Projekt 7
Projekt 8
Projekt 9
Antimikrobielle Entwicklung von Nano-Kerami- Erschließung StrukturoptimieOptimierte indus- Herstellung von Entwicklung von Entwicklung von metallischen Schäumen Ausrüstung Aktuatorken von Anwenrungsstratetrielle Ferkeramischen Interkonnektoraus thermoSystemen dungsvon Polymeren gien durch tigung von Faserbundwerkstoffen plastischen auf der Basis feldern für durch silberhalKombination Faserverwerkstoffen sowie von Polymeren tige Füllstoffe zur Anwenvon KohlenMaterialien von Verfahren bundstrukKeramiken für dung als stoff-Nanomit Formund Werkturen mit Hochtemperatur Tubes gedächtnis stoffen am Reibbeläge modularer -Brennstoff(NiTiNol) in Beispiel von für Hochinnovativer leistungsaufzellen der Medizin FaserverbundMikrowelzüge werkstoffen lentechnik Explizit und Keine Mate- Nein, auch indi- Nein, auch indirekt Nein, auch indirekt Nur implizit Bestenfalls Zum Teil explizit Nur z.€T. explizit, Wie waren sonst nur impliimplizit rialien rekt wenig wenig ableitbar wenig ableitbar implizit Ziele forzit ableitbar verfügbar ableitbar muliert? Interpretation Beschleunigung Entwicklung und Entwicklung von Entwicklung Erprobung alterna- Optimierung der Vorlauf-FuE zur Technologie- Optimierung der Pround RationaHochtemperaProduktion von thermoentwicktiver Verfahren FertigungsHerstellung der Verjektziele tur-Brennstoffvon hochplastischen lung zur zur Freisetzung technologie für lisierung des von CNT; arbeitungszellen (SOFC) temperaturPolymeren, die Verarbeivon Silberionen GebrauchsarFertigungsSchaffung technologie mit besonderen beständigen, mit Mikroweltung von aus Polymeren tikel aus CFK prozesses eines USP von Nitinol; Eigenschaften verschleißlen geschäumt von CFK f.€d. FhG; nanoskalizur gezielten im Hinblick EntwickErschließung und eines und anderen festeren und werden können; gem Kera„antimiauf Reprolung von v. Zukunftskostengünstigen VerbundzuverlässiEntwicklung mikpulver kro-biellen duzierbarkeit textilen märkten für Fertigungswerkstoffen; geren Bremseines zeit- und zwecks Wirkung“ in der BauteilStrukturen FhG; Einverfahrens; Energie- und belägen; kostengünstigen Erstellung verschiedenen qualität, auf aus Nitinol übung von Outsourcing der KosteneinErschlieVerfahrens, verschleißfür den medizinischen wirtschaftliche InstitutsZellenfertigung; sparung ßung neuer schweißbare und fester, mediziAnwendungsTaktzeiten und kooperation Transfer des Einsatzfelder recyclierbare dichter nischen gebieten; auf Kosten des im Verbund; FertigungsMaterialien; Oberflächen; Erschließung Bauteils. Einsatz ZuverlässigKnow-hows; MachbarkeitsErschlieweiterer keitstests großtechnische nachweis;Gewinßung neuer Einsatzgebiete Kommerzianung von Anwenlisierung eines Materialproben dungsfelF&E-Ergebzwecks Kundender; nisses akquisition
Projekt 1
Tab. 6.5↜渀 Wie die Projektziele in den Projektdokumenten im Jahr 2006 beschrieben wurden
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Tab. 6.6↜渀 Aussagen zu wissenschaftlich-technischen Zielen (erste Befragungswelle; nâ•›=â•›8, Mehrfachnennungen) Wissenschaftliche/technische/technologische Ziele Nennungshäufigkeit Konstrukteure und Entwickler beim Industriekunden sensibilisieren und xxx ertüchtigen, die Möglichkeiten der neuen Technologie wahrzunehmen und zu beherrschen Neuen Werkstoff mit neuen Funktionalitäten finden bzw. entwickeln, xxx seine Anwendungsmöglichkeiten erkunden, erweitern und austesten Herstell- und Machbarkeit, Reproduzierbarkeit oder Automatisierbarkeit xxx aufzeigen Wissenschaftl. Erkenntnisgewinn, Erreichen bestimmter techn. Fortxx schritte oder Kennwerte, Prozessoptimierung Erreichen bestimmter techn. Ziel- oder Kennwerte xx Anfassbare o. sichtbare Ergebnisse erzielen (Prototypen bis Kleinserien) x X gelegentlich genannt, XX mehrfach genannt, XXX häufig genannt
Tab. 6.7↜渀 Aussagen zu nicht-technischen Zielen (erste Befragungswelle; nâ•›=â•›8, Mehrfachnennungen) Nicht-technische/technologische Ziele Nennungshäufigkeit Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des Industriekunden leisten xx Am Markt erfolgreiches Produkt o. System zu schaffen x WTT von Wissenschaft in die Wirtschaft realisieren xx Auch WTT von der Industrie in die Lehre oder die Wissenschaft xx ermöglichen Mit guten Projektergebnissen weitere Aufträge akquirieren können xx Mit dem Projekt weiterführende Forschungsfragen anstoßen und x bearbeiten Generieren eines Spin-Off x Den Kunden zufrieden stellen x Institut soll alle Schritte im FuE-Prozess von Grundlagen- über Anwenx dungsforschung bis Produktentwicklung beherrschen Projekt soll Image und Profil des Instituts stärken x Art oder Zahl der Publikationen x Zahl der erzielten Patente und Lizenzen x Zahl der akquirierten Industrieprojekte x X gelegentlich genannt, XX mehrfach genannt, XXX häufig genannt
geführten Häufigkeiten sind ein sehr grobes Maß für die Bedeutung der jeweiligen Aussagengruppe und sind wegen des geschilderten subjektiven Vorgehens bei der Auswertung und Interpretation nur als Anhaltspunkte zu betrachten. In den folgenden Übersichten werden zunächst die Aussagen zusammengefasst, die einen eher allgemeinen Charakter haben, wobei sie nach wissenschaftlichen und/oder technisch bzw. technologischen Zielen und nicht technologischen, d.€h. auch ökonomischen Zielen, unterschieden werden (s. Tab.€6.6 und 6.7).
6â•… Erfolg von Technologietransfer in der Materialforschung
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Tabelle 6.6 liefert ein ermutigendes Bild, denn es zeigt sich, zumindest anhand der ersten drei Zeilen, dass das Transferhandeln für die befragten Wissenschaftler tatsächlich eine marktliche und industrielle Orientierung besitzt. Gleichzeitig zeigt sich aber auch eine starke Kongruenz der intrinsischen und extrinsischen Motive, was sich besonders in den letzten drei Kategorien ausdrückt. In Tabelle 6.7 beziehen sich die ersten beiden Zeilen auf die Aspekte „Erfolg am Markt“ und bestätigen damit noch einmal das Vorhandensein eines markt- und kundenorientierten Bewusstseins bei den befragten Materialwissenschaftlern. Die Kategorien 3 und 4 aus Tab.€6.7 betreffen technologiepolitische Ziele (WTT), was zeigt, dass sich ein Teil der Befragten auch deren Bedeutung bewusst ist. Befragte, die auch in der Lehre tätig sind, vertreten auch politische Ziele dahingehend, dass der WTT nicht eindirektional sein darf, sondern dass die Unternehmen für das Wissen, das sie von der Hochschule erhalten, umgekehrt auch ihr Wissen oder ihre praktischen Kenntnisse an Hochschulen und Studierende zurückgeben sollten.16 Die übrigen neun Zeilen sind eher auf die Eigeninteressen der F&E-Einrichtungen bezogen. Auch wenn die Häufigkeitsangaben in den obigen Übersichten wegen des nicht repräsentativen Charakters der Befragungen nicht belastbar sind, erscheint die erkennbare Priorität wissenschaftlich/technologischer Ziele (Tab.€6.6) plausibel, denn die Interviewpartner waren überwiegend Ingenieure oder Naturwissenschaftler. Bemerkenswert ist eher das Vorkommen der sonstigen Ziele, wobei tendenziell bei Lehrstuhlinhabern oder Institutsleitern eher nicht-technische Ziele Erwähnung finden als bei Projektleitern, die nicht in Führungspositionen sind. Das deutet an, dass, je höher die Hierarchiestufe des Befragten ist, er desto mehr eine gesamtheitliche Sicht auf seine Forschungseinheit einnimmt. Auch dies scheint plausibel. Die beschränkte Zahl der Befragten und der Aussagen lässt hingegen eine belastbare detailliertere Auswertung nach der Stellung der Befragten in der jeweiligen Institutshierarchie nicht zu. 6.3.1.3 Explizit erfragte Ziele und Erfolgsmaße Als nächsten Schritt zur empirischen Darstellung der Zielkategorien der neun WTTProjekte wurde eine kleine schriftliche Befragung mit einem einfachen, strukturierten Fragebogen durchgeführt, der den Projektleitungen kurz vor der zweiten Befragungswelle im Herbst 2007 vorab zugestellt wurde (s. Tab.€6.8). Zu diesem Zeitpunkt hatten die zu Befragenden schon an zwei InnoMat-Workshops teilgenommen, bei denen auch über Zielhierarchien und Erfolgsmaße debattiert worden war, sodass ihnen diese Begrifflichkeiten vertrauter waren. Damit war, mit Recht, wie die Ergebnisse zeigen, die Hoffnung verbunden, dass sie zu den damit verbundenen Fragestellungen nun dediziert Auskunft geben konnten. 16╇
Die Bedeutung dieses wechselseitigen Transfers von Wissen wird auch in Kap.€2.6 diskutiert.
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Tab. 6.8↜渀 Fragebogen zur Erfassung der Erfolgsmaße bei Projektbeteiligten
In dem Fragebogen wurde, analog zur Differenzierung nach technisch bzw. nichttechnisch in den obigen Darstellungen, zwischen ökonomischen und nicht ökonomischen Erfolgsmaßen unterschieden. In diesem Schritt waren die zu bewertenden Kategorien klar vorgegeben und mit einer Bewertung ihrer Wichtigkeit in drei Klassen (unwichtig, weniger wichtig, wichtig bis sehr wichtig) zu beantworten. Fünf der neun WTT-Projekte gaben sechs Fragebögen zurück, wobei in einem Fall der Projektleiter sowie der Vorgesetzte unabhängig voneinander antworteten, was interessante Unterschiede in der Einschätzung hervorbrachte.
6â•… Erfolg von Technologietransfer in der Materialforschung
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Die ökonomischen Erfolgskategorien wurden anschließend gruppiert in solche, die den Vorteil der eigenen Forschungsgruppe oder des Instituts betreffen (Eigenziele) und in solche, die die Vorteile auf Seiten des Kunden bzw. die Markteffekte betreffen (Marktziele). Mit einer Gewichtung von 0:1:3, entsprechend „nicht wichtig“: „weniger wichtig“: „wichtig bis sehr wichtig“ wurde der letzten Note ein überproportional hohes Gewicht eingeräumt. Daraus wurden die in den Abb.€6.1 und 6.2 dargestellten Wertungsnoten errechnet. Dabei sind in Abb.€6.1 die Marktziele, in Abb.€6.2 die Eigenziele dargestellt.
Marktumsätze beim Nutzer/Lizenznehmer Time-to-market Hohe Kostenersparnis beim Nutzer Zeit bis Break-Even beim Lizenznehmer Grad u.Tempo d. Marktdurchdringung Substitution älterer Produkte Zahl der Spin-Offs Lizenzerlöse Zahl der entstandenen Patente Deckungsbeitrag für den Institutshaushalt Zahl der potenziellen Lizenznehmer 0,00
0,50
1,00
1,50
2,00
2,50
gewichteter Wert
Abb. 6.1↜渀 Bedeutung ökonomischer Erfolgsmaße (nâ•›=â•›6). (Quelle: Fraunhofer ISI, eigene BeÂ� rechnung)
Bessere technische Parameter Neue techn. Problemlösung (n = 5) Technologischer Durchbruch Hohes Innovationsniveau (n = 5) Zahl d. Promotionen/Habilitationen (n = 5) Penetration in Wissenschaft/Wirtschaft Zahl wissenschaftlicher Publikationen (n = 5) Wissenschaftlicher Erkenntniszuwachs Position im wissenschaftlichen-Wettbewerb Image in d. wissenschaftlichen Community 0,00
0,50
1,00
1,50
2,00
2,50
3,00
gewichteter Wert
Abb. 6.2↜渀 Bedeutung nicht ökonomischer Erfolgsmaße (nâ•›=â•›5 bzw. 6). (Quelle: Fraunhofer ISI, eigene Berechnung)
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Wir betrachten im Folgenden nur die sieben höchstbewerteten Kategorien (sortiert nach Rangnummern): 1. Substitution älterer Produkte, 2. Zahl der potenziellen Lizenznehmer, 3. Deckungsbeitrag für den Institutshaushalt, 4. Hohe Kostenersparnis beim Nutzer (i.€d.€R. der Industriekunde), 5. Zeit bis Break-Even beim Anwender, 6. Grad und Tempo der Marktdurchdringung, 7. „time-to-market“, d.€h. die Schnelligkeit, in der ein Forschungsergebnis zu einer Produktentwicklung und zum Markt geführt wird. Die ersten drei dieser als wichtig erachteten Erfolgsmaße (oder Ziele) betreffen den Vorteil der eigenen Forschungsgruppe oder des Instituts (Eigenziele). Die letzten vier betreffen den Vorteil auf Seiten des Kunden; sie indizieren eine klare Marktorientierung der Antwortenden (Marktziele). Ökonomische Eigenziele und Marktziele zeigen also eine Durchmischung. Die Notenwerte 1 bis 2 entsprechen der Einschätzung „weniger wichtig bis wichtig“ und die Werte 2 bis 3 entsprechen „wichtig bis sehr wichtig“. Zwar ist nach diesem Befund eine positiv auf Anwendungsnähe gerichtete Haltung der Materialforscher zu konstatieren, aber betrachtet man die gewichteten Werte, so haben die ökonomischen Ziele trotz des hohen Gewichtungsfaktors von 3 für die Bewertung „wichtig bis sehr wichtig“ offensichtlich keinen überragenden Stellenwert bei den befragten Wissenschaftlern. Im Unterschied zu diesem Ergebnis fallen die Einschätzungen zur Bedeutung nicht ökonomischer Ziele viel höher aus, wie die Abb.€ 6.2 zeigt. Die bei diesem Fragenkomplex vorgegebenen Kategorien richteten sich ausschließlich an die Ziele aus der Sicht der Wissenschaftler bzw. ihrer Institutionen. In der folgenden Grafik sind die Erfolgskategorien (oder Ziele) ebenfalls in zwei Gruppen sortiert: oben jene, die auf technische bzw. technologische Erfolge der Werkstoff- oder Produktentwicklung zielen und unten jene, die der kollektiven Profilbildung der Institute bzw. der individuellen Profilierung der Wissenschaftler in ihrer Community dienen. Im Vergleich zu den ökonomischen Erfolgsmaßen (aus Abb.€6.1) fällt das Profil der nicht ökonomischen Maße homogener aus. Insgesamt wird auch eine höhere Durchschnittsbewertung erzielt: die Werte 2 bis 3 entsprechen der Einschätzung „wichtig bis sehr wichtig“. Acht Kategorien rangieren mit folgender Rangfolge ganz oben, d.€h. oberhalb des Wertes 2,0: 1. Technologischen Durchbruch erreichen, 2. Erreichen eines neuen Innovationsniveaus, 3. Position im wissenschaftlichen Wettbewerb, 4. Image in der wissenschaftlichen Community, 5. neue technische Problemlösung finden, 6. wissenschaftlicher Erkenntniszuwachs, 7. Zahl der wissenschaftlichen Publikationen, 8. Penetration in Wissenschaft und/oder Wirtschaft.
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Bei dieser Spitzengruppe vermischen sich vier Ziele, die der individuellen und kollektiven Profilbildung in der wissenschaftlichen Fachcommunity dienen, und weitere vier Ziele, die auf den technologischen Erfolg der Werkstoff- oder Produktentwicklung gerichtet sind. Wenn man bedenkt, dass letztere vier Ziele schließlich indirekt ebenfalls der Profilbildung dienen (einen technischer Durchbruch zu erzielen oder eine neue technische Lösung zu finden dient, beispielsweise, ebenfalls dem eigenen Image in der Community), kann man aus diesem Befund folgern, dass aus der Sicht der Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen die profilbildenden Ziele eine über die ökonomischen Ziele deutlich herausragende Bedeutung haben. Selbstverständlich wurde den Befragten in den Fragebögen auch die Gelegenheit gegeben, andere Zielkategorien bzw. Erfolgsmaße anzugeben. Diese Möglichkeit wurde leider nur einmal wahrgenommen. Hierbei nannte ein Universitäts-Institutsleiter zusätzlich die Verbesserung des Ausbildungsstandes der Mitarbeiter des Industriekunden und die Verbesserung der Wettbewerbsposition des Industriekunden durch Erweiterung des Produkt- und Prozessportfolios. Er bewertete beide Erfolgsmaße mit sehr wichtig. Die Tatsache, dass es nur einmal Ergänzungsvorschläge gab, könnte man in zwei Richtungen interpretieren: Entweder ist das Bewusstsein für die Bedeutung eines Zielsystems in einem F&E- bzw. in einem WTT-Projekt nicht entwickelt oder die von uns vorgegebene Liste wurde als erschöpfend empfunden. Eine interessante Einzelbetrachtung bot sich dadurch, dass bei einem Projekt zwei Projektbeteiligte aus einer Technischen Universität je einen Fragebogen ausfüllten, die bei den ökomischen Erfolgsmaßen/Zielen sehr unterschiedliche Ergebnisse zeigten. Der eine Antwortende war der Projektleiter, der andere dessen Institutsleiter; beide Einträge erfolgten offensichtlich unabgestimmt. Während die Bewertungen bei den nicht ökonomischen Maßen fast identisch ausfielen, hatte der Institutsleiter die ökonomischen Ziele deutlich abgewertet (bis zu zwei Stufen). Auch wenn diese Einzelbeobachtung nicht generalisiert werden darf, bietet sie Anlass zu der These, dass Projektleiter in werkstoffwissenschaftlichen Projekten mit Industriebeteiligung eine größere Identifikation mit den Zielen des Kunden entwickeln als Vorgesetzte, die im Wissenschaftsbetrieb von den konkreten Kunden weiter entfernt sind und eher die Institutsinteressen oder noch höherwertige Ziele im Sinn haben. Diese These wurde oben im Zusammenhang mit der direkten oder impliziten Erwähnung nicht technischer Ziele in den Interviews der ersten Welle bereits angedeutet.
6.3.2 S ynopse: Vergleich der drei Ergebnisse der Zielsystembetrachtung Stellt man die Ergebnisse der drei oben beschriebenen Analyseschritte zusammen, so ergibt sich das in den Tab.€6.9 und 6.10 dargestellte Bild. Methodisch wäre es nur dann zulässig, die Nennungshäufigkeiten aus den ersten beiden Quellen mit Wichtigkeitseinschätzungen der dritten Quelle (schriftliche
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Tab. 6.9↜渀 Ökonomische Ziele und Erfolgsmaße: Vergleich der drei Quellen Aus Inter- Explizit Ökonomische Ziele/Erfolgsmaße Implierfragt views der zit aus Welle 1 Dokumenten Zahl der aus den Projektergebnissen entstandenen k.A. X 0 Patente Zahl der interessierten potenziellen Lizenznehmer k.A. X + Lizenzerlöse, Royalties X ? 0 Deckungsbeitrag für Institutshaushalt k.A. ? + Grad und Schnelligkeit der Marktdurchdringung k.A. ? + Zahl der Spin-Offs k.A. X − Time-to-market k.A. ? + Break-Even-Zeit des Produkts beim Lizenznehmer k.A. ? − XX X 0 Marktumsätze mit den entwickelten Produkten, Verfahren Substitution älterer Produkte XX ? + Hohe Kostenersparnis beim Nutzer XX X + X gelegentlich genannt, XX mehrfach genannt, XXX häufig genannt, − unwichtig, 0 weniger wichtig, + wichtig bis sehr wichtig, ? Zu diesen Fragen waren die Aussagen nicht eindeutig
Tab. 6.10↜渀 Nicht ökonomische Ziele/Erfolgsmaße: Vergleich der drei Quellen Aus Inter- Explizit Nicht ökonomische Ziele/Erfolgsmaße Implierfragt views der zit aus Welle 1 Dokumenten Image in der wissenschaftlichen Community X X + verbessern Position im wissenschaftlichen Wettbewerb X XX + verbessern Zahl der wissenschaftlichen Publikationen k.A. X + Zahl der Promotionen oder Habilitationen k.A. k.A. + Neue technische Problemlösung finden XX XXX + Erreichen eines neuen Innovationsniveaus X XXX + technologischen Durchbruch erreichen XX XX + Wissenschaftlicher Erkenntniszuwachs XX XX + Penetration in Wissenschaft und/oder Wirtschaft XX XXX + bessere technischer Parameter und Kennwerte k.A. XX + X gelegentlich genannt, XX mehrfach genannt, XXX häufig genannt, − unwichtig, 0 weniger wichtig, + wichtig bis sehr wichtig
Befragung) zu vergleichen, wenn die Nennungshäufigkeiten mit perzipierter „Bedeutung“ des jeweiligen Kriteriums interpretierbar wäre. Das käme allenfalls für die Interviews in der ersten Befragungswelle in Frage. Da die Befragung nur teilweise strukturiert erfolgte, könnte man unterstellen, dass eine nicht durch den Fragenden getriggerte, implizite oder explizite Erwähnung bestimmter Zielkategorien deren subjektive Bedeutung zum Ausdruck bringt. Folgt man diesem Deutungsver-
6â•… Erfolg von Technologietransfer in der Materialforschung
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such, so kann man in den beiden obigen Übersichten zumindest die beiden rechten Spalten miteinander vergleichen, während die erste Spalte, die ja die Nennung von Zielen in Präsentationen und Dokumenten zeigt, sich einem solchen Interpretationsversuch entzieht. In diesem Sinne kann man in der Tab.€6.9 nur zwei ökonomische Zielkategorien ausmachen, bei denen die beiden rechten Spalten eine gleichgerichtete Wertung aufzeigen: • Zahl der interessierten potenziellen Lizenznehmer und • hohe Kostenersparnis beim Nutzer. In ähnlichem Sinne ausgewertet ergibt die in Tab.€6.10 dargestellte Übersicht der nicht ökonomischen Erfolgsmaße/Ziele eine größere Zahl solcher gleichgerichteten Wertungen: Bei neun von zehn Zielkategorien trifft dies zu; die einzige Ausnahme ist „Zahl der Promotionen oder Habilitationen“. Was bedeuten aber abweichende Zielbewertungen, zumindest in den beiden rechten Spalten? Zunächst ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Abweichungen auf individuell unterschiedlich perzipierte Ziele der befragten Akteure zurückzuführen sind, die wiederum von deren persönlichen Profilen, vom Charakter und dem Inhalt der Projekte, der Rolle des Forschungsinstituts, aber auch von der hierarchischen Stellung der Befragten abhängen dürfte (vgl. hierzu Abschn.€6.2). Andererseits könnten Abweichungen in der Bewertung der Zielgrößen auch ein Ausdruck der zeitlichen Veränderlichkeit und Dynamik von Zielsystemen sein. Immerhin liegen einige Monate zwischen den Zeitpunkten, an denen die drei o.€g. Informationsquellen erfasst wurden. In dieser Zeit entwickelten sich die Projektinhalte und die Erkenntnisse weiter, Lerneffekte tun ihre Wirkung bei allen Beteiligten und Projektziele verändern sich. Insofern ist es plausibel, wenn sich Zielsysteme zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich darstellen oder sie unterschiedlich perzipiert werden. Abweichende Zielformulierungen können aber auch ein Ausdruck der unterschiedlichen, sich darüber hinaus verändernden Rollen der betroffenen Akteure sein, die i.€d.€R. auch mit unterschiedlichen, manchmal auch konfligierenden Interessen verknüpft sind. Beispielsweise muss ein Doktorand oder Habilitand an seiner wissenschaftlichen Profilbildung arbeiten, während ein promovierter Fraunhofer-Mitarbeiter seine Industriekunden zufrieden stellen muss, nicht zuletzt auch um seinen Arbeitsplatz zu erhalten. Und ein Institutsleiter sieht die Interessen der Einrichtung insgesamt und nicht die der Akteure in einem individuellen Projekt im Vordergrund.
6.4 Fazit Drei verschiedene empirische Quellen wurden im Verlauf des InnoMat-Projektes genutzt, um Aussagen über die Ziele und Erfolgsmaße der Projekte zu gewinnen. Sie wurden im Abschn.€6.3.1 beschrieben. Unterschiedliche Methoden wurden bzw. werden zur Erfassung der Ziele und Erfolgsmaße eingesetzt und sie erbrachten
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bisher Ergebnisse unterschiedlichen Charakters. Die Schwäche dieses Ansatzes liegt vor allem in der beschränkten Datenbasis. Maximal neun „Datensätze“ reichen weder zu verallgemeinerbaren Aussagen, noch lassen sie zu, dass sie nach einzelnen Charakteristika der Befragten bzw. der betroffenen neun Projekte differenziert werden (z.€B. nach Institutstyp, nach Projekttyp, nach Technologie, nach Disziplin der Befragten, nach ihrer hierarchischen Stellung etc.).17 Sieht man von diesen Einschränkungen ab, können die bisher vorliegenden Ergebnisse dennoch mit aller Vorsicht interpretiert und zur Thesenbildung genutzt werden. Unter den in Tab.€6.8 gelisteten Zielkategorien erwiesen sich zumindest die folgenden elf aus der Sicht der beteiligten Wissenschaftler als offensichtlich wichtig: Wichtige Zielgrößen bzw. Erfolgsmaßstäbe für werkstoffwissenschaftliche Entwicklungsprojekte mit Industriebeteiligung und mit WTT-Zielen:╇ • • • • • • • • • • •
Zahl der interessierten potenziellen Lizenznehmer, hohe Kostenersparnis beim Anwender der Neuentwicklung, Image in der wissenschaftlichen Community verbessern, eigene Position im wissenschaftlichen Wettbewerb verbessern, Zahl der wissenschaftlichen Publikationen, neue technische Problemlösung finden, Erreichen eines neuen Innovationsniveaus, technologischen Durchbruch erzielen, wissenschaftlicher Erkenntniszuwachs, Penetration in Wissenschaft und/oder Wirtschaft, Erzielen besserer technischer Parameter und Kennwerte.
Die Brauchbarkeit der obigen Ergebnisse wird allerdings eingeschränkt durch das Fehlen von Aussagen über die Zielsysteme der Industriepartner in den WTT-Projekten. Eine diesbezügliche Befragung von Mitwirkenden in den Unternehmen könnte dazu beitragen, das Bild vom Zielsystem von werkstoffwissenschaftlichen WTTProjekten aus deren Sicht abzurunden und die Übereinstimmung dieser Ziele zu überprüfen. Eine weitere wichtige Frage muss nach Abschluss des InnoMat-Projektes offen bleiben: Die Frage, welches der betrachteten neun WTT-Vorhaben sich erfolgreich entwickelt bzw. sich letztendlich als erfolgreich erwies oder erweisen wird. Warum dies nicht beantwortet werden kann, ergibt sich aus den in diesem Kapitel erörterten Gründen: • Materialinnovationen brauchen mehr Zeit als andere technische Innovationen, bis sie breite Akzeptanz finden und sich am Markt bewähren können (Ausreifungszeit, bzw. die in Kap.€2 bereits ausgeführte „20-year barrier“). Die neun TT-Vorhaben innerhalb des InnoMat-Projekts waren entweder noch am Anfang Jede feinere Differenzierung der wenigen Aussagen hätte zu atomisierten Einzelaussagen ohne empirische Verwertbarkeit geführt.
17╇
6â•… Erfolg von Technologietransfer in der Materialforschung
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ihrer Laufzeit bzw. ihres Innovationszyklus oder deutlich unter der Ausreifungszeit des Marktes. • Wie mehrfach erläutert, fehlt in den Projekten ein Konsens aller Stakeholder über geeignete und akzeptierte Zielkategorien und Erfolgsmaße. Welches Maß soll demnach zu Grunde gelegt werden? Erfolg scheint also eine weitgehend akteursspezifische Größe zu sein. Man könnte daher eine Erfolgsbewertung nur isoliert für die Einzelakteure durchführen. Eine solche Bewertung hat dann jedoch wenig Aussagekraft für die Beurteilung des WTT-Projekts. • Somit lassen sich für die vielen infrage kommenden Erfolgsmaße (vgl. Abschn.€6.1.2 und 6.3) ebenso viele „Erfolge“ ableiten, ohne jedoch irgendeine verbindliche Aussagekraft zu besitzen. • Die Unternehmenssicht wurde nur im Rahmen zweier Fallstudien (vgl. Kap.€7) berücksichtigt. Hierbei konnten auch nur spärliche Auskünfte über Ziele und Erfolgskategorien gewonnen werden. Somit würden Erfolgsbeurteilungen durch den forschenden Teil der Projektgemeinschaften nur eine Seite der Medaille beachten. Die Aspekte der Kongruenz der Zielsysteme und Erfolgsmaßstäbe sowie die Erfolgsbeurteilung bei Projektgemeinschaften mit zwei oder mehreren Projektpartnern in einem werkstoffwissenschaftlichen Vorhaben mit WTT-Hintergrund wäre daher eine wichtige Fragestellung für spätere Untersuchungen ähnlichen Charakters.
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Kapitel 7
Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten Alexander Gerybadze, Daniel Gredel und Christopher Gresse
Inhalt 7.1â•…Einleitung ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������╇ 208 7.2â•…Fallstudie A: Neue Verbundwerkstoffe im Maschinen- und Anlagenbau ������������������������╇ 209 7.2.1â•…Beschreibung der Innovation ����������������������������������尓������������������������������������尓���������╇ 209 7.2.2â•…Markt und Endanwender ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������╇ 212 7.2.3â•…Vorbereitung und Verlauf der F&E-Kooperation ����������������������������������尓���������������╇ 214 7.2.4â•…Kooperationsstruktur ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������������╇ 215 7.2.5â•…Beteiligte Akteure ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������╇ 216 7.2.6â•…Analyse und Handlungsempfehlungen zum Projektmanagement �����������������������╇ 218 7.3â•…Fallstudie B: Herstellungsverfahren für Faserverbundwerkstoffe ����������������������������������尓�╇ 223 7.3.1â•…Beschreibung der Innovation ����������������������������������尓������������������������������������尓���������╇ 224 7.3.2â•…Markt und Endanwender ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������╇ 228 7.3.3â•…Vorbereitung und Verlauf der F&E-Kooperation ����������������������������������尓���������������╇ 235 7.3.4â•…Analyse und Handlungsempfehlungen zum Projektmanagement �����������������������╇ 242 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 245
Zusammenfassung╇ Um den Prozess des Wissenstransfers und des Projektmanagements in Werkstoff-Innovationsprojekten eingehend zu untersuchen, wurden zwei Werkstoff-Innovationsprojekte ausgewählt, die in einem explorativen Vorgehen über etwa drei Jahre begleitet und beobachtet wurden. In den Fallstudien erfolgt eine Beschreibung der Werkstoff-Innovation, des relevanten Marktkontexts und der beteiligten Akteure sowie deren Rolle und Aktivitäten innerhalb der Kooperation. Das Projektmanagement der Kooperationen wird abschließend analysiert und bewertet.
A. Gerybadze () Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID), Forschungsstelle Internationales Management und Innovation, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
[email protected] K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9_7, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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A. Gerybadze et al.
7.1 Einleitung Um den Prozess des Wissenstransfers und des Projektmanagements in WerkstoffInnovationsprojekten eingehend zu untersuchen, wurden zwei Werkstoff-Innovationsprojekte ausgewählt, die in einem explorativen Vorgehen über etwa drei Jahre begleitet und beobachtet wurden. Die folgenden Fälle zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass in ihnen der Transfer von Prozesswissen und Produktwissen über Organisationsgrenzen hinweg unternommen wurde, sondern auch durch die teilweise multilaterale Struktur der Kooperationen. Besonders Fallstudie B ist komplex strukturiert, da hier teilweise neun verschiedene Organisationen an der Kooperation beteiligt waren. Diese Fallstudien basieren zum größten Teil auf Expertengesprächen mit Beteiligten der Projekte (in Tab.€7.1 als „intern“ bezeichnet). Weiterhin wurden Fachgespräche mit externen Vertretern der relevanten Wertschöpfungskette bzw. der relevanten Märkte (in Tab.€ 7.1 als „extern“ bezeichnet) geführt. Dabei wurde mit einigen Gesprächspartnern mehrmals gesprochen. Da sich diese wiederholten Gespräche inhaltlich unterschieden, werden sie für die Anzahl der Interviews einzeln gezählt. Die unterschiedliche Anzahl an internen Interviews in den Fallstudien ist durch die unterschiedlich großen Projektteams begründet. Die entsprechenden Gesprächsnotizen der Experteninterviews waren die Grundlage für ausführliche Inhaltsprotokolle. Zusätzlich wurden Dokumentenstudien und teilnehmende Beobachtungen als Teil der Erhebungen verwendet. Yin (2003, S.€13) folgend sind Fallstudien eine empirische Untersuchungsmethode, die ein aktuelles Phänomen in der natürlichen Umgebung des Phänomens untersucht, besonders wenn die Trennung zwischen dem Phänomen und dem Kontext noch nicht vollständig geklärt ist. Im Gegensatz zu anderen Forschungsmethoden bietet die Fallstudie nicht die Möglichkeit, das Verhalten der Beteiligten zu konÂ� trollieren oder geplant zu variieren. Ihre Stärke liegt in der genauen Beschreibung und prozessorientierten Studie eines Phänomens und der Möglichkeit, aus diesen Analysen Hypothesen und Modelle zur Erklärung des Phänomens abzuleiten. Dies bietet sich hier besonders als Methode an, da Wissenstransfer ein prozessbasiertes Phänomen ist. Nonaka et€al. (2008) stellen zur Methode der Fallstudie fest: … the essence of process cannot be captured using the traditional scientific method of analyzing substance. (Nonaka et€al. 2008, S.€4)
Die Analyse von lediglich quantitativen Daten ermöglicht also noch keine Erklärung von Prozessabläufen. Nonaka et€al. (2008) beschreiben die Vorteile der Fallstudie als Forschungsmethode des Weiteren so: It is an effective approach to understanding organizational complexity because it makes it possible to maintain contextuality, reflexivity, purpose and motives, and temporal sensitivity for grasping and explaining actuality … (Tsoukas und Hatch 2001, zitiert nach Nonaka et€al. 2008, S.€4) Tab. 7.1↜渀 Anzahl der durchgeführten Interviews
Intern Extern
Fallstudie A 11 19
Fallstudie B 19 4
7â•… Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten
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In dieser Arbeit wird dem Ansatz der multiplen Fallstudien mit größtenteils holistischer Herangehensweise, also der möglichst umfassenden Untersuchung eines spezifischen Phänomens, in diesem Fall dem Wissenstransfer, gefolgt (Yin 2003, S.€39€ff.). Die Analyse der Fallstudien erlaubt eine robustere Ableitung von Konzepten und Empfehlungen, soweit dies im Rahmen von Fallstudien erreicht werden kann. In den Fallstudien werden zunächst die Beschaffenheit der bearbeiteten Innovation, marktbezogene Hintergrundinformationen zu der Innovation und die Zusammensetzung der Projektteams dargestellt. Das Management des Werkstoff-Innovationsprojektes wird anschließend analysiert und die Fallstudien schließen jeweils mit einer kurzen Zusammenfassung ab.
7.2 F allstudie A: Neue Verbundwerkstoffe im Maschinen- und Anlagenbau Das in dieser Fallstudie untersuchte Projekt hatte das Ziel, einen neuartigen Verbundwerkstoff sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung zu entwickeln. Die genaue Art des Werkstoffes und dessen Anwendungsgebiet können aufgrund von Anonymisierungswünschen der Interviewpartner nicht näher ausgeführt werden. Der Verbundwerkstoff wird in einer Komponente eines komplexen Endsystems eingesetzt und substituiert dort einen konventionellen Werkstoff. Die Kernakteure des Projektes waren ein außeruniversitäres Forschungsinstitut und ein internationaler Endsystemhersteller. In den weiteren Technologietransfer waren auch zwei periphere Partnerunternehmen eingebunden, die im weiteren Verlauf als Produktionsspezialist A und B bezeichnet werden.
7.2.1 Beschreibung der Innovation Das für dieses Projekt relevante Anwendungsfeld ist traditionell durch sehr hohe Materialanforderungen und Sicherheitsstandards geprägt. Die im Markt aktiven Systemhersteller müssen daher sehr hohe Anforderungen an die genutzten Materialien stellen, nicht zuletzt um die strengen Zertifizierungsrichtlinien und die Sicherheit ihrer Produkte sicherzustellen. Im Zentrum dieser Fallstudie steht die Substitution eines Materials bei einer Teilkomponente eines sehr komplexen Produktes. Dieses Produkt hat systemischen Charakter und wird im weiteren Verlauf des Textes als „Endsystem“ bezeichnet. Systemische Produkte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich aus verschiedenen Teilsystemen (bzw. Subsystemen) zusammensetzen, in denen wiederum verschiedene Teilkomponenten zusammenwirken. Das Motiv des Endsystemherstellers, den bislang genutzten konventionellen Werkstoff zu ersetzen, hängt stark mit gestiegenen Materialanforderungen in der Branche zusammen. Diese sind in den stetigen Weiterentwicklungen und
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A. Gerybadze et al.
Performancesteigerungen des Endsystems begründet. Die konventionellen Werkstoffe, die für die Teilkomponente bislang genutzt wurden, stießen bei Materialtests zunehmend an ihre Grenzen, woraufhin sich der Endsystemhersteller für die Suche nach neuen Materialien entschloss, mit denen diese gestiegenen Anforderungen erfüllt werden können. Der in der Kooperation entwickelte Verbundwerkstoff basiert auf einer Werkstoffklasse, für die das Forschungsinstitut seit Mitte der 1990er Jahre Forschungsarbeiten durchführt, die Bezüge zu dem für diese Fallstudie relevanten Anwendungsfeld aufweisen. Verschiedene Industrieunternehmen reagierten mit großem Interesse auf erste positive Forschungsergebnisse und starteten Projekte zur Applikation der Werkstoffklasse in ihre Produkte. Wie im vorherigen Abschnitt bereits ausgeführt wurde, war für die Applikation des neuen Verbundwerkstoffes in erster Linie die Notwendigkeit ausschlaggebend, den gestiegenen Materialanforderungen im Anwendungsfeld gerecht zu werden. Die bislang genutzten konventionellen Materialien erreichten die erforderten Kennwerte nicht bzw. taten dies nur, wenn die Bauweise der Teilkomponente stark verändert wurde. Diese Veränderung hätte jedoch zu immensen Kosten und weiteren Problemen für das Gesamtsystem geführt. Der neue Werkstoff erfüllt hingegen die neuen Anforderungen und behält dabei ein hohes Maß an Stabilität. Durch die Werkstoff-Innovation konnten im Vergleich zu der herkömmlichen Lösung eine um ca. 30€% verbesserte Leistung, ein rund 50€% kleineres Volumen und eine massive Gewichtseinsparung erreicht werden. Ein weiterer Vorteil des neuen Verbundwerkstoffes ist dessen niedrige Verschleißanfälligkeit. Weiterhin ermöglicht es die Werkstoff-Innovation, dass das veränderte Subsystem sehr kompakt konstruiert und dadurch gut in das Gesamtsystem eingepasst werden konnte. Die innerhalb des Projektes entwickelte Werkstoffvariante wurde ein Jahr nach der Forschungs- und Entwicklungs (F&E)-Zusammenarbeit in die Serienfertigung überführt. Die Werkstoff-Innovation wird in mehreren Produktlinien des Endsystemherstellers mit Erfolg eingesetzt. 7.2.1.1 Innovationstyp Bei der hier untersuchten Innovation handelt es sich um eine Anpassung einer Komponente in einem Teilbereich eines systemischen Produktes. Das Gesamtsystem bleibt selbst weitgehend unverändert. Die Beziehung zwischen den einzelnen Teilbereichen bzw. zwischen den Subsystemen innerhalb des Gesamtsystems wird durch die Werkstoff-Innovation kaum beeinflusst. Bei der Werkstoff-Innovation handelt es sich daher im Sinne der Innovationstypologie von Henderson und Clark (1990)1 eher um eine inkrementelle Innovation. Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Generierung des Verbundwerkstoffes einen signifikanten Beitrag zum bisherigen Stand der Technik darstellt, also einen hohen Entwicklungssprung beinhaltet. 1╇ Die Autoren unterscheiden in ihrem Konzept zwei Merkmalsdimensionen: (1) den Einfluss einer Innovation auf das grundlegende Konzept einer Technologie (Core Concept) und (2) die Zusammenhänge von Kerntechnologie und relevanten Komponenten (Linkages).
7â•… Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten
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Will man nun die Werkstoff-Innovation nach Produkt- oder Prozessbezug unterscheiden, ist eine Betrachtung des Kernpatentes des Projektes hilfreich. Dieses Patent ist auf den ersten Blick ein klassisches Erzeugnispatent, das den Verbundwerkstoff und insbesondere dessen Materialaufbau absichert. Jedoch ist in einem Patentanspruch auch verzeichnet, dass das Herstellverfahren in den Schutzumfang eingeschlossen ist. Damit handelt es sich bei dem Kernpatent also nicht nur um ein Anwendungs- bzw. Erzeugnispatent, sondern ebenfalls in Teilen um ein Verfahrenspatent. Die Werkstoff-Innovation setzt sich damit zusammen aus einer Produkt- und einer Verfahrensinnovation. Sie baut signifikant auf zeitlich vor dem Projekt liegende Prozess- bzw. Verfahrensinnovationen des Forschungsinstitutes auf. 7.2.1.2 Motor der Innovation Bei der Analyse dieses Projektes konnte festgestellt werden, dass die Innovation eher forschungsgetrieben war. Die Werkstoffklasse wurde sehr stark aus der Forschung gefördert, welche auch die treibende Kraft bei der Suche nach Applikationsmöglichkeiten war. Im konkreten Fall dieses Projektes war jedoch der Endsystemhersteller der Auslöser der Werkstoff-Innovation, da er mit einem konkreten Bedarf an das Forschungsinstitut herantrat. Da jedoch die Entwicklungsleistung innerhalb des Forschungsprojektes nicht komplett losgelöst von den vorhergehenden F&ELeistungen in Bezug auf die Werkstoffklasse betrachtet werden kann, überwiegen daher Merkmale einer forschungsgetriebenen Innovation. Durch die starken „Pull“Impulse des Anwenders können jedoch auch Charakteristika von Lead-MarketInnovationen attestiert werden. 7.2.1.3 Wertschöpfungskette des Projektes Für den Technologietransfer einer Werkstoff-Innovation ist eine umfassende Betrachtung sämtlicher Wertschöpfungsstufen notwendig. Durch die damit gewonnenen Erkenntnisse über das Umfeld der Innovation wird ein zielgerichteter Wissensund Technologietransfer (WTT) erleichtert und die Grundlage für eine effiziente Kooperation über verschiedene Wertschöpfungs- und Systemebenen geschaffen. Die Wertschöpfungskette des Projektes ist in Abb.€7.1 dargestellt. In der derzeitigen Konstellation wird eines der Vorprodukte durch das Forschungsinstitut vorproduziert und von Produktionsspezialist A zugekauft. Dies wurde im weiteren Verlauf der Serienfertigung der Komponente nicht mehr weiter praktiziert und an Produktionsspezialist B weitergegeben bzw. transferiert. Das Institut wird in Zusammenarbeit mit Produktionsspezialist A nach einem geeigneten Unternehmen suchen, das die Fertigung von Vorprodukt A übernimmt. Bei der detaillierten Betrachtung der verschiedenen Fertigungsprozesse können die Aufgaben den verschiedenen Projektteilnehmern bzw. deren Kooperationspartnern direkt zugeordnet werden. Das Forschungsinstitut ist dabei, wie zu Anfang dieses Absatzes erwähnt wurde, auf der Vorproduktebene involviert. Produktionsspezialist B zeich-
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A. Gerybadze et al.
Vorprodukte A&B RohlingFertigung
Zwischenbearbeitung A
Zwischenbearbeitung B
Endbearbeitung Integration in Komponente Teilkomponente Integration in Subsystem
Subsystem
Integration in Endsystem
System
Abb. 7.1↜渀 Wertschöpfungskette von Vorprodukt bis Endsystem
net sich verantwortlich für die Rohlingfertigung, während Produktionsspezialist A die Zwischenbearbeitung und Endbearbeitung vornimmt. Der Endsystemhersteller ist dann verantwortlich für die Integration der Teilkomponente in das Subsystem und schlussendlich auch das Endsystem.
7.2.2 Markt und Endanwender 7.2.2.1 Anwendungsfelder Die Werkstoff-Innovation ist in einem sehr breiten Anwendungsspektrum nutzbar. Die Breite dieses Spektrums macht sich nicht nur an den unterschiedlichen Branchen fest, für die Anwendungen mit diesem Werkstoff denkbar sind, sondern auch an der Breite der Funktionen, die der Verbundwerkstoff leisten kann. Hinsichtlich der Branchen werden der Maschinen- und Anlagenbau, jedoch auch der Automobilbau und die Luft- und Raumfahrttechnik als wichtige Zielbranchen genannt. Das in dieser Fallstudie untersuchte Projekt ist dem Anwendungsbereich des Maschinenund Anlagenbaus zuzuordnen. 7.2.2.2 Marktdaten Der im Projekt involvierte Endsystemhersteller bewegt sich in einem Absatzmarkt, für den Marktforschungsinstitute von einem jährlichen Absatzzuwachs im Neugeschäft von über 5€% bis 2011 ausgehen. In 2011 wird mit einem Marktvolumen von rund 16€Mrd.€US$ für das Neugeschäft gerechnet. Circa 20€% der Nachfrage wird in 2011 bereits in China generiert werden. Auch Indien, Russland und die Regionen
7â•… Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten
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um den persischen Golf werden als besonders attraktive Zukunftsmärkte für die Branche angesehen. Der Endsystemhersteller bewegt sich in einem oligopolistisch geprägten Marktund Wettbewerbsumfeld. Der globale Markt wird also von wenigen Unternehmen beherrscht. Der Endsystemhersteller hat eine starke Position im Weltmarkt, ist jedoch nicht Marktführer. Das Marktsegment, für das die hier vorgestellte WerkstoffInnovation relevant ist, gilt im Gesamtmarkt als das kleinste Segment. Bei den restlichen Produktsegmenten sind die Materialanforderungen noch nicht so hoch, als dass die konventionellen Werkstoffe diese nicht erfüllen könnten. Da der Einsatz des neuen Werkstoffes mit hohen Kosten verbunden ist, spielt er für diese Segmente daher momentan noch keine Rolle.
7.2.2.3 Preis- und Kostenparameter Bei der Betrachtung der Preise und Kosten der Werkstoff-Innovation fielen insbesondere zwei Kostentreiber ins Gewicht: 1) Vorprodukte und 2) die Komplexität des Produktionsverfahrens. Die Komplexität des Herstellprozesses resultiert aus einem hohen Anteil von Handarbeit bei der Produktion des neuen Werkstoffs. Neuentwicklungen, die auf den Ausbau des Automatisierungsgrades bei Verbundwerkstoffen abzielen, könnten hier enorme Kostenreduktionen und Economies of Scale (s. Abschn. 2.5) erschließen. Weitere Kostentreiber der Werkstoff-Innovation sind die Energieintensität des Herstellungsprozesses, die Dauer der Zwischen- und Endbearbeitung sowie die notwendige Kapitalintensität, um Produktionskapazitäten für diese Art der Verbundwerkstoffe aufbauen zu können. Die Kostenstruktur der Werkstoff-Innovation ist generell stark von der maschinellen Bearbeitung geprägt, die rund 60€% der Gesamtkosten ausmacht. Dies bestätigt die Feststellung in Abschn.€2.5, dass die Prozesskosten bei Werkstoff-Innovationen eine sehr hohe Bedeutung einnehmen und ein dementsprechend hohes Kostensenkungspotential in sich bergen. In der Kooperation wurden verschiedene Werkstoffalternativen in Betracht gezogen. Sechs Werkstoffvariationen kamen in die engere Auswahl und wurden auch in Bezug auf ihre Kostenstruktur untersucht. Der Endsystemhersteller entschied sich dann aufgrund hervorragender Kennwerte für den Einsatz einer bestimmten Werkstoffvariante, obwohl andere Varianten niedrigere Produktionskosten versprachen. Aufgrund des geringen Kostenanteils der Komponente an den Gesamtkosten für ein Endsystem ging der Endsystemhersteller aber davon aus, dass dieser Kostennachteil nicht sonderlich ins Gewicht fallen würde. Betrachtet man die Kosten für die Teilkomponente, fällt die Bedeutung der Kosten für die maschinelle Bearbeitung auf, die nicht ohne weiteres einer spezifischen Stufe des Herstellprozesses zugeordnet werden können. Auch Energiekosten spielen bei diesem Kostenblock eine große Rolle. Abbildung€7.2 verdeutlicht die relativen Produktionskosten der verschiedenen Kostenblöcke sowie deren Zuordnung zu den Stufen des Herstellprozesses:
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A. Gerybadze et al. Maschinelle Bearbeitung
57%
12% 20%
Verfahrens- und Prozesskosten für Rohling Verfahrens- und Prozesskosten Zwischenbearbeitung Vorprodukte
11%
Vorprodukt A Vorprodukt B
RohlingFertigung
Zwischenbearbeitung A
Zwischenbearbeitung B
Endbearbeitung
Abb. 7.2↜渀 Relative Produktionskosten der gewählten Werkstoffvariante im Herstellprozess
7.2.3 Vorbereitung und Verlauf der F&E-Kooperation Ein Jahr vor der Unterzeichnung des F&E-Vertrages wurde der Endsystemhersteller auf die mögliche Anwendung des Verbundwerkstoffes des Forschungsinstitutes in seinen Produkten aufmerksam. Bald wurden hierzu erste Sondierungsgespräche mit dem Forschungsinstitut geführt. Die Initiative hierzu lag bei dem Endsystemhersteller bzw. einem leitenden Ingenieur des Unternehmens. Diese Gespräche führten dann direkt zu der Vereinbarung, die Eignung des Verbundwerkstoffes für das Anwendungsfeld des Endsystemherstellers zu testen. Der Endsystemhersteller finanzierte die Herstellung von sechs alternativen Werkstoffvarianten, die der Firma dann exklusiv für Vorstudien, Tests und die damit verbundene Kennwertermittlung überlassen wurden. Nachdem die Tests mit positiven Ergebnissen endeten, vereinbarten der Endsystemhersteller und das Institut eine gemeinsame Kooperation, um die Anwendung des Verbundwerkstoffes zu realisieren. Nach der Durchführung der Tests wurde dann ein F&E-Kooperationsvertrag abgeschlossen, der primär von den Zielen (z.€ B. tribologische Kennwerte) des Endsystemherstellers dominiert wurde. Die Zusammenarbeit kann daher als Auftragsforschung charakterisiert werden. In diesem Sinne lag keine Materialforschung im klassischen Sinne vor, sondern eher eine Materialentwicklung. Das Projekt hatte damit auch eine sehr pragmatische Ausrichtung. Trotz der Grundkonstellation der Auftragsforschung bezog der Endsystemhersteller die Einschätzungen der Forscher in die Definition der Ziele mit ein, wodurch das Projekt auch Züge einer Kooperation trägt. Dies spiegelte sich
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auch darin wider, dass der Endsystemhersteller das Institut in die Gestaltung des Pflichtenheftes einbezog und die Werkstoff-Kompetenz des Institutes und seiner Mitarbeiter von Beginn an anerkannt und geschätzt hat. Die peripheren Partner waren nicht in die Erarbeitung der Projektziele eingebunden. Das zentrale Kooperationsergebnis ist durch ein Patent geschützt. Hierbei handelt es sich um ein Europäisches Patent, für das in verschiedenen weiteren Staaten Patente nachgemeldet wurden. Der Schutzumfang des Patents umfasst nicht nur den neuen Verbundwerkstoff, sondern auch das hierfür relevante Herstellverfahren. Die zugrunde liegende Herstellungstechnik wurde von dem Forschungsinstitut in allgemeiner Form nicht patentiert, was auch mit der Einstellung des damaligen Institutsleiters in Bezug auf Patente zusammenhängt. Die ursprüngliche Institutsleitung hatte eine Publikation der Forschungsergebnisse als erstrebenswerter eingestuft als die Patentierung. Das zentrale Patent in der Kooperation wurde von dem Endsystemhersteller angemeldet. Damit hält dieser die kompletten Eigentumsrechte an der Werkstoff-Innovation. Das Institut kann jedoch in anderen Branchen das relevante Wissen anwenden und als Basis für weitere Projekte nutzen. Der Schutz des geistigen Eigentums ist in dem gemeinsamen Projekt jedoch nicht nur über Patente erfolgt, sondern auch über zusätzliche Schutzmaßnahmen. So wurden beispielsweise einige Teile des allgemeinen Herstellungsprozesses weder publiziert noch patentiert. Es wurde also Wissen geheim gehalten und über Geheimhaltungsvereinbarungen auch vertraglich geschützt. Zudem liegt bei der Verfahrenstechnik und dem Herstellungsprozess ein hoher Anteil an Erfahrungswissen (implizitem Wissen) vor, das wiederum eine Schutzwirkung mit sich bringt (vgl. Abschn.€2.9). Dieses Know-how wurde durch das Forschungsinstitut für den Endsystemhersteller teilweise dokumentiert und in Form einer Prozessbeschreibung sowie von Schulungen vor Ort an die Produktionsspezialisten A und B weitergegeben. Nach zwei Jahren der Zusammenarbeit war die Komponente auf der Basis des neuen Verbundwerkstoffes ausgereift und das Know-how an die Produktionsspezialisten A und B transferiert. Die Serienproduktion startete dann im dritten Jahr nach dem Abschluss des F&E-Vertrages.
7.2.4 Kooperationsstruktur Die Kooperation sollte grundsätzlich auf zwei Ebenen betrachtet werden. Einerseits besteht eine bilaterale F&E-Kooperation zwischen dem Forschungsinstitut und dem Endsystemhersteller. Andererseits sind periphere Partner in den Technologietransfer- und Herstellungsprozess eingebunden. Diese Partner sind zwar nicht Teil des Kooperationsvertrages, haben jedoch aufgrund ihrer Bedeutung für den Wissensund Technologietransfer sowie den Produktionsprozess einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg des gesamten Vorhabens. Unter Einbezug sämtlicher Akteure ergibt sich eine multilaterale Projektstruktur mit folgenden Partnern: dem Forschungsinstitut, dem Endsystemhersteller und den Produktionsspezialisten A und B. Gery-
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A. Gerybadze et al.
Zentrale Akteure
Periphere Akteure Forschungsinstitut
Kooperative F&E Kooperationsstruktur Endsystemhersteller
Wissens- und Technologietransfer bzgl. des Herstellverfahrens
Produktionsspezialist A Zulieferbeziehung
Zulieferbeziehung Produktionsspezialist B
Abb. 7.3↜渀 Kooperationsstruktur
badze (2005b) merkt an, dass multilaterale Kooperationen komplexer zu steuern und zu organisieren sind als bilaterale Kooperationen. Dennoch ist ein multilaterales Kooperationsdesign dann notwendig und sinnvoll, wenn Kompetenzen wie in dem untersuchten Fall stark auf verschiedene Institutionen verteilt sind. Innerhalb der untersuchten Kooperation interagiert Produktionsspezialist B am intensivsten mit Produktionsspezialist A und übernimmt einen kleinen, wenn auch kritischen, Teilschritt im Produktionsprozess. Die Struktur des Projektes ist gemäß der zusätzlichen Berücksichtigung der beiden peripheren Akteure in Abb.€7.3 zusammengefasst: Der Endsystemhersteller übernimmt innerhalb der Kooperation die Rolle eines zentralen Koordinators und verfügt über enge Kontakte zu dem Forschungsinstitut und Produktionsspezialist A. Die Kooperation hat einen vertikalen Charakter, da die Partner verschiedene Aufgaben innerhalb der verschiedenen Wertschöpfungsstufen wahrnehmen (Gerybadze 2004). Der Endsystemhersteller ist dabei der Produkt- und Systemebene, die Produktionsspezialisten A und B sind dem Bereich der Bauteile zuzuordnen. Das Institut stellt die Verarbeitungsprozesse und -verfahren zur Verfügung.
7.2.5 Beteiligte Akteure In den folgenden Unterpunkten beschreiben wir detaillierter, welche Rolle die Kooperationspartner innerhalb der Kooperation einnehmen. In diese Betrachtung be-
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ziehen wir auch Aspekte wie Patente und Lizenzen, aufgewendete Ressourcen und zugewiesene Aufgaben ein. 7.2.5.1 Die außeruniversitäre Forschungseinrichtung In der Forschungseinrichtung sind mehrere Organisationseinheiten in die Kooperation eingebunden. Zuallererst ist an dieser Stelle das Institut zu nennen, das die Forschungsarbeit für den neuen Werkstoff leistete. Am Institut waren kontinuierlich 4–5 Mitarbeiter an der Kooperation direkt beteiligt, deren Aufgaben die Forschung selbst, die Prozessbeschreibung und die Schulung von Mitarbeitern der Kooperationspartner umfasste. Das Institut hält mehrere relevante Patente und einen großen Erfahrungsschatz hinsichtlich des Werkstoffs und des Handlings der Herstellprozesse. Es ist damit hinsichtlich des geistigen Eigentums der bedeutendste Akteur innerhalb der Kooperation. Für alle Fragen zum Technologietransfer, insbesondere zu der Thematik der Patente und Lizenzen, wird das Institut von der Technologietransferstelle der Einrichtung unterstützt. 7.2.5.2 Der Endsystemhersteller Der Endsystemhersteller ist ein international führendes Unternehmen. Es verfügt über eine divisionale Organisationsstruktur und beschäftigt weltweit rund 40.000 Mitarbeiter. Die Produktlinien, in denen die Werkstoff-Innovation eingesetzt werden sollte, gelten als sehr lukrative und strategisch wichtige Geschäftsfelder des Konzerns. Das Unternehmen hat der F&E-Kooperation 5–6 Festangestellte und zwei Teilzeitangestellte zugeordnet. Es ließ sich Optionen für den Wechsel eines oder beider Kooperationspartner offen, indem ein Exklusivvertrag mit dem Institut und dem Produktionsspezialisten A vermieden wurde. Der Endsystemhersteller hat von dem Forschungsinstitut eine Lizenz erworben, die verschiedene Teilbereiche des allgemeinen Herstellungsverfahrens für den neuen Werkstoff abdeckt. In dem spezifischen Anwendungsfeld des Endsystemherstellers darf dieser aufgrund dieser Lizenz diese Herstellprozesse exklusiv nutzen. Der Verbundwerkstoff und das spezifische Herstellverfahren wurden wie bereits ausgeführt vom Endsystemhersteller zum Patent angemeldet.2 Als Erfinder des Patents werden Forscher des Institutes angeführt. 7.2.5.3 Produktionsspezialist A Als direkter Zulieferer und Hauptakteur des Produktionsprozesses fungiert Produktionsspezialist A. Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 70 Mitarbeiter, von denen kontinuierlich 3–4 Mitarbeiter direkt in die untersuchte Kooperation einge2╇
Vgl. hierzu die Ausführungen zu dem relevanten Patent in Abschn.€7.2.1.1.
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A. Gerybadze et al.
bunden sind. Die Serienproduktion bei Produktionsspezialist A wird ausschließlich an den Endsystemhersteller geliefert. Das Know-how für das Herstellverfahren wurde von dem Institut an Produktionsspezialist A transferiert. Eine Lieferung an Konkurrenten des Endsystemherstellers ist ausgeschlossen, da dieser eine exklusive, branchenweite Lizenz für das Herstellverfahren erworben hat. 7.2.5.4 Produktionsspezialist B Produktionsspezialist B ist auf die Entwicklung, den Formenbau, die Prototypenherstellung und die Serienfertigung von Verbundwerkstoffen spezialisiert. Das Unternehmen hat in verschiedenen Bereichen der Verbundwerkstoffe technologische Kompetenzen aufgebaut. Es übernimmt einen wichtigen Produktionsschritt im Herstellprozess und ist ebenfalls Lizenznehmer des Herstellungsverfahrens des Forschungsinstitutes.
7.2.6 A nalyse und Handlungsempfehlungen zum Projektmanagement Das Projektmanagement soll anhand der Methoden der Projektstrukturierung und des Projektmanagements aufgearbeitet werden, die in den Forschungsarbeiten der Forschungsstelle Internationales Management und Innovation entwickelt wurden. Die theoretische Grundlage für die in diesem Rahmen erstellten Modelle geht zurück auf das von Gerybadze (1995) formulierte Modell der Projektstrukturierung. Dieses wurde in verschiedenen empirischen Arbeiten angewendet und weiterentwickelt. Es besteht aus sechs Strukturierungsstufen, die wiederum in verschiedene Analyseschritte aufgeteilt sind. In Anlehnung an Gerybadze (2005a) stellen wir dieses Modell in Abb.€7.4 grafisch dar.
Abb. 7.4↜渀 Strukturierungsmodell technologischer Kooperationen
Performance Evaluation / Zielüberprüfung
Strategieformulierung und Zielfestlegung
Organisationsstruktur / Organisationsgestaltung
Prozessanalyse und -gestaltung
Strategische Aufgabenanalyse und Kompetenzbewertung
Modularisierung und Aufgabenzerlegung
7â•… Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten
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7.2.6.1 Festlegung der Projektziele und -strategien In Bezug auf die Festlegung der Ziele dieses Projektes ist nochmals zu betonen, dass es sich vertraglich eher um eine Auftragsforschung als um ein gemeinschaftliches F&E-Projekt handelte. Aus diesem Grund war die Festlegung der Projektziele prinzipiell kein kooperativer Prozess, sondern stark geprägt durch die Erwartungen und Zielparameter des Industriepartners. Jedoch war das Forschungsinstitut durchaus in den Zielfestlegungsprozess eingebunden und arbeitete bei der Erstellung des Pflichtenheftes mit dem Endsystemhersteller zusammen. Der Prozess der Leistungsbeschreibung sowie der Erstellung des Pflichtenheftes war von kontinuierlicher Zusammenarbeit geprägt. Die Einbindung des Institutes in die Zielfestlegung war ein sehr positives Signal für die Forscher am Institut. Die offiziell formulierten und im Kooperationsvertrag dargelegten Ziele sind dennoch weitgehend von dem Endsystemhersteller festgelegt worden. Auch das Institut konnte durch die Kooperation diverse eigene Vorteile realisieren. Insbesondere die Generierung von Lizenzeinnahmen und die Schaffung einer Basis für Folgeprojekte sind hier zu betonen. Die Produktionsspezialisten A und B konnten durch die Produktion der Teilkomponente ihre Auslastung erhöhen, zusätzlichen Cash Flow generieren und ebenfalls die Basis für zukünftige Folgeaufträge schaffen. Die Zielsetzungen der Akteure waren größtenteils überschneidungsfrei und untereinander kompatibel. Zwischen den Kooperationspartnern bestand darüber hinaus Klarheit im Hinblick auf die unterschiedlichen verfolgten Ziele. In den Gesprächen mit den Projektteilnehmern wurde deutlich, dass keine oder nur geringe Konflikte zwischen den im Projekt verfolgten Zielen und den Unternehmensstrategien bzw. der Strategie der Forschungseinrichtung vorlagen. 7.2.6.2 Prozessanalyse Für den Erfolg eines Verbundprojektes ist es von entscheidender Wichtigkeit, ob ein klar definierter und von allen Projektteilnehmern unterstützter Lösungsweg bzw. -prozess für das Projekt vorliegt. In dem hier untersuchten Projekt gab es hinsichtlich des technischen Lösungsweges bis auf wenige Ungereimtheiten einen breiten Konsens. Lediglich die Entscheidung über ein wesentliches Vorprodukt war in der Kooperation umstritten. Die Einigung auf einen gemeinsamen Lösungsweg wurde durch die vor dem F&E-Projekt durchgeführten Testreihen ermöglicht, die verschiedene Werkstoffalternativen verglichen, um so für das Projekt optimale Werkstoffvarianten zu identifizieren. Der am Endnutzer orientierte Prozesseigner bzw. Prozessverantwortliche war in diesem Projekt der Endsystemhersteller. 7.2.6.3 Modularisierung und Aufgabenzerlegung Die Modularisierung der für den Erfolg des F&E-Projektes wichtigen Aufgaben erfolgte einerseits formell im Kooperationsvertrag und andererseits über vertragliche
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A. Gerybadze et al.
Vereinbarungen, die abseits des Kooperationsvertrages beschlossen wurden. Letztere Vereinbarungen betrafen die Aufgaben, in denen die Produktionsspezialisten A und B als Leistungsersteller in Aktion traten. Die Aufgaben der Forschungseinrichtungen und des Endsystemherstellers wurden hingegen durch den Kooperationsvertrag festgelegt, verteilt und synchronisiert. Im Rückblick auf das Projekt kann festgestellt werden, dass bis auf eine Ausnahme alle Teilaufgaben kompetent besetzt waren. Bei der gerade angesprochenen problematischen Teilaufgabe wurden die für eine Schnittstelle vereinbarten Leistungsstandards von einem der Projektpartner nicht erreicht, was zu Spannungen führte. Die Modularisierung der Aufgaben sowie deren Synchronisierung unter den Projektpartnern war erfolgreich, hätte jedoch durch einen systematischeren Ansatz der Prozessanalyse und des Process Mappings noch verbessert werden können (Gerybadze 1995, S.€155€ff.). 7.2.6.4 Analyse und Bewertung der Kompetenzen Bei der Analyse und Bewertung der Kompetenzen, die in dem Verbundprojekt integriert werden, müssen verschiedene Betrachtungsebenen berücksichtigt werden. Hierbei sind vier entscheidende Fragestellungen zu prüfen, welche im weiteren Verlauf für den untersuchten Fall beantwortet werden (Gerybadze 2004). Frage 1: Werden die wesentlichen Kompetenzen und Technologien im Projektverbund vollumfänglich abgedeckt?╇ Die Kooperationspartner verfügen bis auf eine Ausnahme über alle für die Kooperation wichtigen Kompetenzen. Die Ausnahme besteht in der Herstellung eines spezifischen Vorproduktes, welches für die Rohlingherstellung des Verbundwerkstoffes von existenzieller Bedeutung ist. Daher musste dieses Vorprodukt zugekauft werden. Ansonsten waren alle wichtigen Prozessschritte zur Fertigung in der Kooperation integriert und auf die einzelnen Projektpartner verteilt. Die auf produktionstechnische Prozesse bezogenen Kompetenzen der Produktionsspezialisten A und B waren nicht in der eigentlichen Kooperationsvereinbarung eingeschlossen. Frage 2: Sind die zu Beginn eingebrachten Kompetenzen aller Partner vom Niveau her gesehen vergleichbar?╇ Die Kompetenzen der Partner sind schwer vergleichbar, da sie sich aufgrund der klar verteilten Rollen innerhalb des Verbundes stark unterscheiden. So ist die Forschungskompetenz des Institutes schwer mit der Produktionskompetenz des Produktionsspezialisten A vergleichbar, da streng genommen auch unterschiedliche Ansätze zur Ermittlung des Kompetenzniveaus gewählt werden müssten. Die empirischen Ergebnisse legen jedoch nahe, dass die eingebrachten Kompetenzen von allen Akteuren auf einem vergleichbaren Niveau waren. Eine Konfliktsituation bzgl. fehlender oder nicht erwartungsgemäßer Kompetenzniveaus konnte nur für eine Teilleistung innerhalb des Projektes festgestellt werden, hatte aber für die Kooperation keine existenzbedrohende Wirkung. Frage 3: Ergänzen sich die eingebrachten Kompetenzen und Technologien der Partner in komplementärer Weise?╇ Die Kompetenzen der Partner stehen in komplementärer Beziehung zueinander, was auch auf die bereits dargestellte klare Rollenverteilung in der Kooperation zurückzuführen ist. Abbildung€7.5 visualisiert die
Werkstoff-Herstellung
Markteinführung und Durchsetzung
Werkstoff-Integration auf Systemebene
Forschung
Anpassung der Produktionsprozesse
Abb. 7.5↜渀 Kompetenzverteilung in der Kooperation
Originärer Kompetenzbereich der Produktionsspezialisten A und B
Problemerkenntnis & Ideengenerierung
Werkstoff-Integration auf Subsystemebene
Materialprozessentwicklung
Originärer Kompetenzbereich des Endsystemherstellers
Werkstoff-Integration auf Komponentenebene
Materialkonzeptentwicklung
Originärer Kompetenzbereich des Institutes
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verschiedenen originären Kompetenzbereiche der Kooperationspartner. Hierzu wurden in Anlehnung an eine Systematik des National Research Council (1999) Stufen der Wertschöpfung in Werkstoff-Innovationsprojekten herausgearbeitet. Interessant war ebenfalls, dass die Komplementarität der Kompetenzen als solche in der Kooperation wahrgenommen und von den Akteuren als positiv herausgestellt wurde. Hierbei hat auch die Anerkennung der Rolle des jeweiligen Akteurs (z.€ B. Anerkennung des Institutes als Forschungsakteur und Kompetenzträger in diesem Bereich) eine wichtige Bedeutung. Frage 4: Sind intellektuelle Eigentumsrechte zu Beginn ebenso wie im Verlauf des Projektes so geregelt, dass kein Partner einen Know-how-Abfluss befürchten muss?╇ Die intellektuellen Eigentumsrechte waren durch den F&E-Vertrag und die darin enthaltenen Regelungen zu Patenten und Lizenzen klar geregelt und stellten sicher, dass kein bedeutender Know-how-Abfluss durch die Zusammenarbeit zu befürchten war. Durch diverse Geheimhaltungsvereinbarungen wurde zudem die Weitergabe des nicht in Patenten dokumentierten Prozesswissens unterbunden.
7.2.6.5 Gestaltung der Organisationsstruktur Als rechtlichen Rahmen für die Zusammenarbeit entschieden sich die Beteiligten für ein temporäres F&E-Projekt. Der Endsystemhersteller nimmt im Rahmen der Kooperation die Rolle des Systemintegrators ein und kann als zentraler Projektkoordinator der Kooperation bezeichnet werden. Das Unternehmen ist sowohl in die Forschungskooperation als auch in die Produktionsprozesse eingebunden und kommuniziert bzw. agiert damit mit allen Kooperationspartnern. Dies ist bei dem Institut nicht der Fall, das keine enge Bindung zu den Produktionsspezialisten A und B aufweist. Ein systematischer Ansatz des Projektmanagements wurde nur in Ansätzen verfolgt, was jedoch durch die im Forschungsinstitut und bei dem Endsystemhersteller vorhandenen Routinen für die Zusammenarbeit mit externen Partnern zum großen Teil kompensiert wurde. Das Institut und der Endsystemhersteller hielten regelmäßig Meetings ab, bei denen eine direkte Kommunikation zwischen den involvierten Personen möglich war. Zudem fand häufig ein Austausch über Telefongespräche statt. Für den Produktionsspezialisten A wurden Schulungen durch Mitarbeiter des Institutes in den Räumen des Unternehmens durchgeführt. Durch die Institutionalisierung eines regelmäßigen Austausches zwischen den Projektteilnehmern wurden einige strukturelle Defizite abgefedert. Besonders herauszuheben wäre, dass kein Projektlenkungskreis für die hier untersuchte Kooperation gebildet wurde. Durch das Auftreten verschiedener Missverständnisse während des Projektverlaufes wurde klar, dass die Projektorganisation durch einen Projektlenkungskreis, der ein gemeinsames Verständnis und eine bessere Synchronisierung der Partnerziele im Kooperationsverlauf hätte generieren können, profitiert hätte. Gerybadze (2005b) geht auf die Problematik ein, dass Industrieunternehmen „auf Zuruf“ die Zusammenarbeit in Kooperationen regeln wollen und dabei zu stark auf die Routinen im
7â•… Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten
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Innovationsprozess innerhalb des Unternehmens vertrauen. Diese Schilderung trifft auch auf das hier analysierte Projekt zu. 7.2.6.6 Performance Evaluation und Zielüberprüfung Eine systematische Evaluation der von den Projektteilnehmern während des Projektes erbrachten Leistungen fand nicht statt. Eine Evaluation konnte nur implizit festgestellt werden durch die Qualitätsüberprüfungen, die durch das Institut in diesem Projekt durchgeführt wurden. Aufgrund dieser konnte die Leistung der Produktionsspezialisten A und B bewertet werden. 7.2.6.7 Zusammenfassung Als Ergebnis des Projektes konnte ein Wissens- und Technologietransfer realisiert werden, der dem Endsystemhersteller einen technologischen Wettbewerbsvorteil sicherte und seine Position in einem wichtigen Marktsegment positiv beeinflusste. Die Qualität des Wissenstransfers durch das Institut war ausgesprochen gut und befähigte die Produktionsspezialisten zu der eigenständigen Übernahme der von ihnen verantworteten Prozesse bei der Fertigung des Bauteils. Verbesserungspotentiale lagen insbesondere in der noch ausbaufähigen Strukturierung der Prozessabläufe, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen. Eine stärkere Nutzung von Methoden des Projektmanagements und der Strukturierung von F&E-Projekten wäre hier sinnvoll gewesen und hätte Schwierigkeiten bei der Erfüllung von Teilaufgaben wohl zu einem früheren Zeitpunkt aufgedeckt. In der Zusammenschau kann das Projektmanagement in dem untersuchten Fall jedoch als erfolgreich bezeichnet werden.
7.3 F allstudie B: Herstellungsverfahren für Faserverbundwerkstoffe HEPHAISTOS (High Electromagnetic Power Heating Automated Injected Structures Oven System) ist eine Verfahrenstechnologie zur Erhitzung von Werkstücken mittels Mikrowelleneinwirkung. Diese Technologie wurde vom Forschungszentrum Karlsruhe (FZK)3 in Zusammenarbeit mit der Universität Stuttgart, Vötsch Industrietechnik und der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) zu einem Verfahren für die Bearbeitung von Faserverbundwerkstoffen entwickelt und wird aktuell weiter erforscht. Das Verfahren existiert zurzeit in drei Ausführungen, der Mikrowellen-Kompaktanlage HEPHAISTOS-CA1, der Mikrowellen3╇ Das FZK wurde am 1.Oktober 2009 mit der Universität Karlsruhe zu dem Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) zusammengefasst.
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Großanlage HEPHAISTOS-CA2 sowie der neuen Anlage CA3 (mit der Bezeichnung VHM 180/300), die im Juni 2007 vorgestellt wurde. Ab Januar 2010 wird zudem eine erste industrielle Anlage (CA3) bei dem Unternehmen GKN Aerospace im Einsatz sein. Im Rahmen der Datenerhebung wurden 19 Experteninterviews mit Projektmitgliedern geführt. Die Interviews wurden als teilstrukturierte Gespräche durchgeführt. Der zugrunde liegende Interviewleitfaden wurde jeweils dem neuesten Erkenntnisstand und der Funktion der Gesprächspartner angepasst. Es kamen außerdem teilnehmende Beobachtungen und Dokumentenstudien sowie Expertengespräche mit Fachleuten aus den entsprechenden Gebieten hinzu. In dieser Fallstudie wird die Kooperation zur Entwicklung der Anlage in zwei aufeinander folgenden Projekten untersucht. Dabei werden die Merkmale der Innovation und des Wissens sowie deren Einfluss auf den Wissenstransfer analysiert. Es wird im Folgenden zunächst die Innovation charakterisiert. Anschließend werden die potentiellen Endanwender und Zielmärkte beschrieben. Danach werden Strukturen und Verlauf der beiden Kooperationsprojekte erläutert. Abschließend wird die Analyse der Beobachtungen dargestellt, und es werden Handlungsempfehlungen zum Projektmanagement von F&E-Kooperationen abgeleitet.
7.3.1 Beschreibung der Innovation Mit dem HEPHAISTOS-Verfahren können Werkstücke aus Faserverbundwerkstoffen bzw. Polymeren hergestellt werden. Zukünftige Einsatzmöglichkeiten werden über diese Anwendung hinausgehen können (z.€B. Einsatz in der Trocknung oder bei der Bearbeitung von anderen Materialien). Der Faserverbundwerkstoff besteht aus einem Fasergelege und einer Harzmatrix (meist auf Epoxidharzbasis) sowie einem Härter, der dem Harz zugesetzt wird. Das Harz sorgt dabei nach der Fertigstellung für die Verbindung der Fasern und für eine Kraftübertragung auf diese. Die gebräuchlichsten Fasern sind Glasfasern (verwendet in Glas Fiber Komposit, GFK), Kohlenstofffasern (Carbon Fiber Komposit) und Aramidfasern (Aramid Fiber Komposit, AFK). Faserverbundwerkstoffe weisen eine geringe Dichte bei sehr guten mechanischen Eigenschaften auf. Zudem ist das Material korrosionsunempfindlich und besitzt eine hohe Temperaturfestigkeit. Für die Herstellung eines Werkstückes müssen die Fasern in die gewünschte Form gebracht und mit dem Harz verbunden werden. Dies geschieht unter Hitzeeinwirkung oder Hitzeund Druckeinwirkung. Hier gibt es zwei verbreitete Verfahren (Feher und Thumm 2003). Bei der Prepreg-Technik werden bereits imprägnierte (mit Harz benetzte) Fasern (↜preimpregnated fibers, kurz Prepregs) in Bahnen geliefert und vor Ort von Hand oder maschinell in Form gelegt. Die Aushärtung erfolgt über Erhitzung des Werkstücks unter Druckeinwirkung. Wichtig ist hierbei, die Prepregs vor der Verarbeitung und Härtung ständig gekühlt zu halten. Bei einem Unterbrechen der Kühlkette beginnt das Harz zu reagieren und das Prepreg wird unbrauchbar, da es so zu einem ungleichmäßigen Aushärten käme, was die Stabilität des fertigen Werk-
7â•… Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten
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stücks beeinträchtigen würde. Bei der Injektionstechnik (auch als Resin Transfer Molding oder RTM bezeichnet) wird zunächst das Fasergelege in Form gebracht. Dann wird es vorgewärmt, und das Harz wird in das Werkstück injiziert. Eine anschließende weitere Erhitzung des Werkstücks bewirkt die Verbindung zwischen Matrix und Fasern. Das HEPHAISTOS-System ist vor allem für die Anwendung von drucklosen Verfahren geeignet. Die bisher gebauten HEPHAISTOS-Anlagen zeichnen sich durch eine hexagonale Geometrie des Ofeninnenraumes aus, was für ein homogenes Mikrowellenfeld im Inneren sorgt. Außerdem verwenden sie für die Erzeugung der Mikrowellen kostengünstige 2,45€GHz Standardindustriekomponenten. Die CA1-Anlage wurde zu Forschungs- und Erprobungszwecken gebaut und kann lediglich für kleinere Bauteile eingesetzt werden (Innendurchmesser 1050€mm). Die CA2-Anlage erlaubt bei einem Innendurchmesser von 1800€mm die Verarbeitung von etwas größeren Bauteilen. Das Verfahren hat einige wesentliche Vorteile (Feher und Thumm 2003). Die Mikrowellenstrahlen dringen direkt in das Bauteil ein und erhitzen es unmittelbar. Diese unmittelbare Erhitzung ermöglicht eine Senkung der Zykluszeiten, da Bauteile kürzer in der Anlage verbleiben. Durch die Mikrowellen wird zudem lediglich das Bauteil selbst erwärmt, der Ofen bleibt kalt. Damit ist nach dem Prozess keine Abkühlung des Ofens erforderlich. Das System ist skalierbar und kann auch für größere Anwendungen gebaut werden. Eine zunehmende Automatisierung des Systems ist möglich und wird in Zukunft weiter vorangetrieben werden. Und schließlich ist diese Anlage durch die Anwendung von Standardindustriekomponenten kostengünstiger als Anlagen, die Spezialbauteile wie z.€B. Hochleistungsmikrowellengeneratoren verwenden. Da sich das Verfahren in der Weiterentwicklung befindet, können sich aktuell noch Veränderungen an diesen Vorteilen ergeben. 7.3.1.1 Innovationstyp Bei der HEPHAISTOS-Anlage handelt es sich um eine Prozessinnovation in Verbindung mit einem neuen Produkt. Der Einsatz von Mikrowellen zur Härtung oder allgemeiner zur Erhitzung von Werkstücken ist ein neuer Prozess, der zumindest in dieser Konfiguration noch nicht existierte. Das Ofensystem an sich stellt ein neues Produkt für das Portfolio der Firma Vötsch dar, ist aber eher die Manifestation der Prozessinnovation. Daher wird diese Innovation von der Perspektive des Prozesses aus betrachtet. Um die Innovation, die mit der Entwicklung der HEPHAISTOSAnlage hervorgebracht wurde, besser beurteilen zu können, wird diese im Folgenden in das Innovationsmodell von Henderson und Clark (1990) eingeordnet. Henderson und Clark unterscheiden wie in Abschn. 7.2.1.1 bereits angemerkt zwei relevante Merkmalsdimensionen: den Einfluss einer Innovation einerseits auf die Kernkonzepte einer Technologie (↜Core Concept) und andererseits auf die Zusammenhänge von Kerntechnologie und Komponenten (↜Linkages). Das Kernkonzept des HEPHAISTOS-Verfahrens ist die Hitzeeinbringung in ein Werkstück, sei es nun ein Faserverbundwerkstoffteil oder ein anderes Objekt. Dies wurde schon in der Vergangenheit mit Mikrowellen versucht, allerdings gelang dabei bisher kein
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homogenes Mikrowellenfeld. Im Grunde wird also das Kernkonzept durch dieses neue Verfahren nicht verändert. Das Zusammenspiel von Verfahren und Komponenten (↜Linkages) dagegen könnte eine nachhaltige Veränderung erfahren, wenn es gelingt, die Erhitzung mittels HEPHAISTOS zu automatisieren. Bisher war dies bei der Fertigung von Verbundwerkstoffbauteilen nicht möglich, die Öfen wurden von Hand bestückt. Nach Henderson und Clark liegt hier also eine architekturelle Innovation vor. Eine Schwierigkeit dieser Innovationsform ist die Tatsache, dass Unternehmen dieses Verfahren zunächst wie einen Ofen alten Typs wahrnehmen könnten. Bei HEPHAISTOS sind demgegenüber Veränderungen am bisherigen Produktionsablauf notwendig, um das Verfahren einzusetzen. Es kann nicht gänzlich wie ein herkömmlicher Ofen behandelt werden, auch wenn es zunächst so erscheint. Henderson und Clark führen die Flugzeugturbinenentwicklung als Beispiel an, die auch ein Umdenken bei der Entwicklung des Flugzeugkörpers notwendig machte (Henderson und Clark 1990, S.€17). 7.3.1.2 Motor der Innovation Ein weiteres für die Bewertung und Analyse dieser Innovation hilfreiches Konzept ist der Ansatz von Gerybadze (2005b) zur Identifizierung des Typus der Innovation. Dieses Konzept wurde ursprünglich für die Analyse von international verteilter F&E entwickelt, enthält aber auch relevante Implikationen für die verteilte Forschungsarbeit in nationalen Innovationsprojekten. Der Typus der Innovation ist dabei davon abhängig, wo die wesentlichen Impulse für die Innovation herkommen. Es werden drei Ursprungsfelder für Innovationen unterschieden: Forschung in Forschungseinrichtungen und bei Grundlagenforschungsabteilungen in Unternehmen, Engineering im Sinne von problemgetriebenen Entwicklungen innerhalb von Unternehmen und schließlich Lead-Market-Anstöße durch Kundenanfragen und Lösungsaufträge von außen. Nach dem Ursprung dieser Impulse unterscheidet Gerybadze drei Typen der Innovation: forschungsbasierte Innovation, Engineering-Innovation und Lead-Market-Innovation. Im Fall des HEPHAISTOS-Verfahrens ist eine Entwicklung von einem Typus zum anderen zu beobachten. Die ersten Anstöße kamen eindeutig aus einer Dissertation am FZK (Feher 1997) und wurden im ersten Projekt stark forschungsseitig weiterentwickelt, womit ein forschungsgetriebener Typus vorlag. Im durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt sind nun auch Partner aus dem Kreis der potentiellen Anwender in einer stärker formalen Struktur beteiligt, die auch deutliche Ansprüche an die Entwicklung der Technologie haben. Damit kommen immer stärker Impulse von den Anwendern, die sich für den Einsatz der Anlage in ihren Fertigungsprozessen interessieren. Diese Anwender selbst sind allerdings nicht Endkunden, sondern eher der Engineering-Stufe zuzuordnen. Die Innovationstätigkeit nähert sich somit einem Engineering-Typus an. Für die Arbeit in einem forschungsgetriebenen Innovationsprojekt ist es zunächst wichtig, mit den relevanten Forschungseinrichtungen in Kontakt zu stehen und aktuelle Forschungsergebnisse zu berücksichtigen. Engineering-Innovationen erfor-
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dern dagegen die Kenntnis der Wertschöpfungsprozesse um die HEPHAISTOSAnlage herum. Daher wäre zu erwarten, dass im ersten Projekt zur Entwicklung der eigentlichen Anlage zunächst der Kontakt zu verwandten Forschungseinrichtungen gesucht wird. Hier wurde auch tatsächlich hauptsächlich mit solchen Einrichtungen kooperiert. Allerdings wurden dabei gleichzeitig Kontakte zu potentiellen Anwendern (in Form der EADS) aufgenommen, und es wurde ein Maschinenbauunternehmen einbezogen, um die Anlage ggf. auch in größeren Mengen oder nach Auftrag herstellen zu können. Im zweiten Projekt ist noch stärker die Einbeziehung von Anwendern wichtig, die sich gleichzeitig an den Tests der Anlage beteiligen, um deren Anwendbarkeit zu überprüfen. 7.3.1.3 Wertschöpfungskette des Projektes In der Wertschöpfungskette für Verbundwerkstoffe setzt das HEPHAISTOS-System bei der Härtung zur Herstellung von Halbzeugen an. In Abb.€7.6 sind die Wertschöpfungsketten für die beiden verbreiteten Verfahren der Faserverbundwerkstoffherstellung, die Prepreg-Technik (1) und die Injektionstechnik (2) dargestellt. Die durchgehend umrandeten Schritte stellen Zwischenprodukte in dieser Kette dar, der
Fasergrundstoffe
Faserhalbzeug Prepreg
a
Harzstoffe
Epoxidharze
Bauteil
b
Härtung
Fasergrundstoffe
Faserhalbzeug
Harzstoffe
Epoxidharze
Bauteil
Modul
Produkt
Härtung mit Injektion
Modul
Produkt
Abb. 7.6↜渀 Wertschöpfungskette für CFK bei Prepreg-Technik (a) und Injektionstechnik (b)
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unterbrochen umrandete Schritt ist der hier explizit genannte Prozess der Härtung, welcher an den Zwischenprodukten durchgeführt wird. In der übrigen Darstellung stehen die Pfeile sowohl für hier ablaufende Verarbeitungsprozesse als auch für entsprechende Test- und Prüfverfahren, die an den Zwischenprodukten durchgeführt werden. Nach der Härtung folgen der Beschnitt und die Montage (das Verkleben und z.€B. das Bestücken mit Bohrungen und Schraubenfassungen). Dies ergibt das endbearbeitete Bauteil, welches mit weiteren funktionalen Teilen zu einem Modul zusammengebaut und letztendlich im Endprodukt, z.€B. einem Automobil, eingebaut wird. Die Vorbereitung bei der Injektionstechnik ist entsprechend die Formung des Werkstückes aus Fasergewebe, in das dann das Harz injiziert wird. Ein Beispiel für den Verlauf der Wertschöpfungskette bietet die Herstellung von Bauteilen für die Luftfahrtindustrie. Faser- und Harzgrundstoffe werden von den großen Basischemieunternehmen wie BASF oder Wacker hergestellt. Spezialisierte Anbieter erzeugen dann Kohlenstofffasern (z.€B. SGL Group) und Harze (z.€B. Bakelite). Diese werden entweder noch bei diesen Firmen zu Prepregs verarbeitet oder unbearbeitet an die Modulhersteller (z.€B. GKN) geliefert. Hier werden nach Vorgaben der Endabnehmer/Systemintegratoren (z.€B. Airbus) Bauteile oder ganze Module hergestellt.
7.3.2 Markt und Endanwender Die Prozessinnovation, die in der Kooperation entwickelt werden soll, ist für den Einsatz im Luftfahrtbereich geplant. Dies war ursprünglich eine große Hürde für das Projekt, da dieser Markt von großen Sicherheitsanforderungen geprägt ist. Ab Januar 2010 startete eine erste industrielle Anwendung des Verfahrens in Form einer HEPHAISTOS CA3-Anlage bei GKN Aerospace. Bisher erfolgt die Herstellung von Halbzeugen aus Faserverbundwerkstoff hauptsächlich in Autoklaven. Dies sind Hochdrucköfen, in denen ein Druck um 10€bar und Temperaturen um 400€°C erzeugt werden können. Für Harzsysteme reichen aber schon geringere Temperaturen von etwa 120€°C und ein geringerer Druck von ca. 6€bar aus. Hierbei wird hauptsächlich das Prepreg-Verfahren angewendet. Die Werkstücke müssen dabei, abhängig vom verwendeten Harz, mehrere Stunden im Ofen verbleiben. Die Firma Terruzzi Fercalx Spa beispielsweise liefert Autoklaven für die Luft- und Raumfahrt mit einem Durchmesser zwischen 0,5 und 7,5€m, einer Länge von bis zu 20€m und einem Druck von 1 bis 20€bar. Dabei kann eine Temperatur von bis zu 700€°C erreicht werden. Das Unternehmen Maschinenbau Scholz GmbH & Co. KG bietet Autoklaven für diesen Bereich mit einem Durchmesser von 6,5€m, einer nutzbaren Länge von 25€m, einem Betriebsdruck von bis zu 70€bar und Temperaturen von bis zu 650€°C an. Dabei können die Autoklaven nach Kundenspezifikationen gebaut werden. Die Nachteile des Autoklaven-Verfahrens sind der langsame Prozess (oft mehrere Stunden), ein hoher Energieverbrauch (es muss nicht nur das Bauteil erhitzt werden, sondern auch der ganze Ofen), hohe Installationskosten und ein sehr träges System. Allerdings sind für den Autoklaven bereits zahlreiche Parameter bei
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der Herstellung von Werkstücken bekannt, hier besteht eine große Erfahrungs- und Wissensbasis für den Einsatz dieses Verfahrens. Dieses Niveau an Erfahrung muss mit dem HEPHAISTOS-System erst erarbeitet werden. Es wird in innovativen Projekten teilweise systematisch unterschätzt, welche Bedeutung die Erfahrung mit der Innovation im praktischen Einsatz für die Durchsetzung hat. 7.3.2.1 Anwendungsfelder Mit dem HEPHAISTOS-System können im Prinzip für alle Bereiche, in denen heute schon Faserverbundwerkstoffe eingesetzt werden, Werkstücke hergestellt werden. Eine Demonstration der Serienreife von HEPHAISTOS für die Produktion von Faserverbundbauteilen steht aber noch aus. Das System wurde zunächst für den Flugzeugbau entwickelt und soll hier als Erstes zum Einsatz kommen. Beim Airbus A320 sind bereits Faserverbundwerkstoffe mit einem Gewichtsanteil an der gesamten Maschine von 15€% verbaut (Feher und Thumm 2003), was das Potential für den Einsatz dieses Verfahrens deutlich macht. Der A380 und der Dreamliner von Boeing weisen noch höhere Anteile an Kohlenstofffaserverbundbauteilen auf. Zudem verbaut der Flugzeugbau nur hochwertige Komponenten und ist zurzeit der einzige Anwendungsbereich, in dem die noch hohen Kosten der Verbundwerkstoffherstellung tragbar sind. Das langfristige Ziel für das HEPHAISTOS-Verfahren ist es, den Preis pro Kilogramm Werkstoff zu erreichen, der für Aluminium gilt. Auch in der Automobilbranche sind neben Glasfaserverbundbauteilen bereits Kohlenstofffaserverbundbauteile im Einsatz, so z.€B. beim Porsche Carrera GT. Hier beschränkt sich allerdings der Einsatz auf teure Hochleistungsautomobile, da der Werkstoff und das Herstellungsverfahren noch zu kostspielig für eine breitere Verwendung sind. Die Automobilhersteller würden gerne verstärkt Kohlenstofffaserverbundbauteile einsetzen, erwarten aber dafür eine Reduktion der Prozesskosten, Werkstoffkosten, Zykluszeiten und Anlagekosten sowie eine höhere Flexibilität des Fertigungsprozesses (Erb 2006). Konkrete Berechnungen zu den Reduktionen, die erforderlich sind, damit HEPHAISTOS eine wirtschaftliche Alternative zum Autoklaven darstellt, liegen vor, sind bis jetzt aber noch nicht veröffentlicht worden. Ein weiterer Anwendungsbereich ist der Maschinenbau, wie etwa die Herstellung von Walzen für Papiermaschinen. Die Aushärtung erfolgt dabei entweder in konventionellen Öfen oder durch selbsthärtende Harze. Schließlich kann das HEPHAISTOS-System auch in der Produktion von Sportartikeln eingesetzt werden, wo schon seit Jahren mit Kohlenstofffaserverbundwerkstoffen gearbeitet wird (z.€ B. im Wintersport und im Radsport). In der Energietechnik kann das System für die Herstellung von Teilen für Windkraftanlagen verwendet werden. Die Flügel der Anlagen erreichen mittlerweile Längen von an die 30€m und sind damit eine Herausforderung für den Autoklaven, was die gleichmäßige Erhitzung des Bauteils angeht. Nicht nur die Abnehmer der HEPHAISTOS-Anlage haben ein Interesse an dem neuen Verfahren, sondern auch die Zulieferer der Grundstoffe für die Herstellung von Verbundwerkstoffen beobachten genau, wie sich
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dieses System entwickelt. Eine dieser Firmen ist Hexion Specialty Chemicals mit der Tochterfirma Bakelite AG in Deutschland, die unter anderem Epoxidharze herstellt. Durch ein neues Verfahren eröffnen sich den Zulieferern der Grundstoffe hier Chancen auf die Entwicklung neuer, für dieses Verfahren angepasster Substanzen. Neben dem Einsatz für die Herstellung von Faserverbundwerkstoffen kann die Mikrowelle auch in vielen Arbeitsschritten Verwendung finden, bei denen es um die Erwärmung von Materialien geht, unter anderem die Erwärmung von Harzen, die in ein Fasergelege injiziert werden sollen. Mit der Mikrowelle kann man Keramik brennen (eine ursprüngliche Anwendung auch in den Forschungen am FZK). Auch in der Chemie wird nach Anwendungen bei der Verarbeitung von Materialien gesucht. Versuche in diesem Bereich werden durchgeführt, die Auswertung läuft noch. Ein wesentlicher Vorteil ist hier, dass die Chemieunternehmen ihren Kunden durch den Einsatz von HEPHAISTOS wiederum innovative Technik bieten können. Seit der JEC Composites Show 2006 in Paris ist die HEPHAISTOS-Anlage in der Industrie bekannt. Die DLR-Standorte Braunschweig und Stade haben noch Vorbehalte gegen das Mikrowellensystem bei großen und asymmetrischen Strukturen, auch wenn der Standort Stade gemeinsame Versuche mit Vötsch durchgeführt hat. Möglicherweise werden sie also in Zukunft auf HEPHAISTOS zurückkommen. Dass sie weiterhin an der Mikrowellentechnologie interessiert sind, zeigt auch ein Patent für einen Mikrowellenautoklaven (Publikationsnummer DE102005050528 (A1)), angemeldet durch das DLR und die Maschinenbau Scholz GmbH & Co KG, in dem Autoklaventechnologie mit einer Mikrowellenanwendung verbunden wird. Eine Zeit lang stand Norddeutschland (Stade und Braunschweig) mit seinen autoklavengestützten Verfahren den süddeutschen Ansätzen (Forschungszentrum Karlsruhe, Ottobrunn, Eurocopter) mit dem Mikrowellensystem gegenüber. Zu bedenken ist, dass das HEPHAISTOS-System nicht nur für die Anwendung in der Luftfahrtindustrie geeignet ist. Die Projektpartner strebten zunächst eine erste Anwendung in diesem Bereich an, da diese Branche die höchsten Anforderungen an Materialqualität und Sicherheit stellt. Inzwischen ist die Anwendungsperspektive aber schon erweitert, Automobilhersteller und Zulieferer werden in die weitere Entwicklung zunehmend mit einbezogen. In der Luftfahrtbranche wird es vermutlich ein längerer Prozess sein, die Autoklaven zu ersetzen, weil die Luftfahrt eine sehr konservative Branche ist. HEPHAISTOS muss erst fertig entwickelt und qualifiziert werden, das Institut für Flugzeugbau (IFB) der Universität Stuttgart und EADS arbeiten an der entsprechenden Prozessentwicklung. Am FZK wurde inzwischen ein HEPHAISTOS-Versuchszentrum (HEPHAISTOS Experimental Center, HEC) eingerichtet, das als Lernfabrik für die Industrie zur Prozessentwicklung in allen Bereichen des Verfahrens dient. Es muss auch nicht das Ziel sein, die Autoklaven sofort ganz zu ersetzen. Zunächst können die beiden Systeme durchaus parallel eingesetzt werden. Sobald also ein erster Referenzeinsatz der Anlage gelungen ist, wird wahrscheinlich verstärkte Vertriebstätigkeit bei Vötsch einsetzen. Dabei ist zunächst eine Durchsetzung in den europäischen Märkten vorgesehen. Weitere zukünftige Entwicklungen, die geplant sind, sind eine Durchlaufanlage, die die Einbindung des
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HEPHAISTOS-Systems in eine Fließfertigung ermöglicht, und eine Hochleistungsmikrowellenanlage auf Basis des HEPHAISTOS-Systems, das momentan noch mit handelsüblichen Mikrowellengeneratoren arbeitet. Es wird auch die Ansicht vertreten, dass HEPHAISTOS weniger den Autoklaven ablösen könnte, sondern eher den Umluftofen. Für jeden Werkstoff gibt es spezifische Verarbeitungsmethoden, und bei Prepregs war dies bisher eher der Autoklav. Allerdings hat auch die Firma Hexcel ein autoklavloses Prepreg-Verfahren vorgestellt, das diese Festlegung auf den Autoklaven in Zukunft beeinflussen könnte. Aber die Mikrowelle kann sich möglicherweise als neue Verarbeitungstechnologie für andere Werkstoffe etablieren. Je nach Anwendungsgebiet muss dazu noch die Tauglichkeit des hergestellten Halbzeugs genauestens geprüft werden. 7.3.2.2 Marktdaten Wesentlich für die Durchsetzung der HEPHAISTOS-Anlage ist auch die Verfügbarkeit der Rohstoffe zur Herstellung von Faserverbundwerkstoffen. Besonders die Kohlenstofffasern stellen dabei einen Engpass für die Verbreitung des Werkstoffes dar. Deshalb wird im Folgenden kurz der Markt für diese Fasern beleuchtet. Sowohl die Verfügbarkeit der Fasern als auch der Einsatz des Materials sind in den letzten zehn Jahren kontinuierlich angestiegen (s. Abb.€7.7). Die Verwendung von Kohlenstofffaserverbundwerkstücken als Bauteile in komplexeren Produkten hängt sehr stark ab von der Verfügbarkeit der Fasern (s. hierzu Schneider 1992, S.€155€ff.) und der Beherrschbarkeit der Herstellungsprozesse (s. hierzu Spinardi 2002). Entsprechend besteht eine direkte Verbindung zwischen der Entwicklung des Marktes für Kohlenstofffasern und der Verbreitung von Kohlenstofffaserverbundwerkstoffen.
Abb. 7.7↜渀 Weltweite Entwicklung von Produktion und Nachfrage von Kohlenstofffasern. (Quelle: Eigene Darstellung nach Tefera et€al. 2007)
Kohlenstoffasern in metrischen Tonnen
60000
Produktion Verbrauch
50000 40000 30000 20000 10000 0 1997
2002
2006 Jahr
2011
232 90000 Verbrauch von Kohlenstofffasern (t)
Abb. 7.8↜渀 Verbrauch von Kohlenstofffasern in den drei größten Marktsegmenten. (Quelle: Eigene Darstellung nach unveröffentlichter Forschungsarbeit am Lehrstuhl Internationales Management der Universität Hohenheim basierend auf Daten von SRI Consulting)
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80000 70000
Luftfahrt Sport Industriell 23864
60000 7913
50000 40000 30000
5040 5457
20000 10000 0
5204 3747 7166
19343
2000
2007
48680
2015 (Prognose)
Japan und die USA produzierten 2006 zusammen 74€ % der weltweit verfügbaren Kohlenstofffasern, in Europa wurden 21€% und im übrigen Asien 5€% der Fasern hergestellt (Tefera et€al. 2007). Der größte Teil der verfügbaren Fasern wird im Maschinen- und Anlagenbau verwendet (industriell: Windkraftanlagen, tragende Strukturen). Luftfahrt und Sportausrüstung verbrauchten 2007 dagegen einen etwa gleich großen Anteil (s. Abb.€7.8). Stark ansteigen wird der Anteil der Luftfahrt bis 2011. Hier ist vermutlich bereits die sich mit dem A 380 und dem Dreamliner abzeichnende Entwicklung von verstärktem Verbundwerkstoffeinsatz beim Flugzeugbau berücksichtigt. Entsprechend diesen stark steigenden Verarbeitungsmengen ist eine Verbesserung der Produktionsverfahren von Verbundwerkstoffen für die Hersteller solcher Bauteile von Interesse.
7.3.2.3 Preis- und Kostenparameter Wie Feher und Thumm (2003) darstellen (s. Abb.€ 7.9), macht die Fertigung bei Halbzeugen aus Verbundwerkstoffen einen erheblichen Anteil der Produktionskosten aus. Dies wurde auch in der Masterarbeit von Klautzsch (2005) berichtet. Ursprünglich war es das Ziel, die Autoklaventechnik am Markt durch die Mikrowellentechnik zu ersetzen. Hieran wollte man den Erfolg der Entwicklung messen. Eine Durchsetzung von HEPHAISTOS gegenüber den Autoklaven wäre ein großer Erfolg und würde das System durch die Einführung in die Luftfahrtindustrie etablieren, da hier höchste Ansprüche an die Qualität gelten. Die Luftfahrtindustrie ist nach derzeitigen Einschätzungen zu den Kosten des Verfahrens und der entsprechenden Werkstücke am ehesten aufnahmebereit für die neue Technologie, wenn die Qualitätsanforderungen erfüllt werden können. Wie weiter unten berichtet wird, änderte sich diese Perspektive im Verlauf der zweiten Kooperation. Es wird nun eher eine breitere Einsetzbarkeit angestrebt.
7╅ Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten Abb. 7.9↜渀 Kostenstruktur von CFK-Verbundbauteilen. (Quelle: Feher und Thumm 2003)
233 13%
10%
5% 72%
Fertigung Fasern
Strukturen & Prepreg Harz
Ein Preisvergleich von CFK-Werkstücken mit Werkstücken aus anderen Materialien ist nur anhand konkreter Teile möglich, da je nach Komplexität eines Werkstückes die Herstellungskosten stark schwanken. Größter Kostenfaktor ist bei der Herstellung die manuelle Fertigung, was stark mit der benötigten Zeit variiert. Weiter unten werden hierzu die Ergebnisse von Klautzsch (2005) kurz berichtet. Einen Eindruck von den Potentialen der neuen Werkstoffe bieten die Projektionen zu Kosten- und Gewichtsersparnis für den Bau von Flugzeugrümpfen (s. Abb.€7.10). Faserverbundtechnologien wird hier noch erhebliches Einsparungspotential zugeschrieben. In der Abschlussarbeit von Klautzsch (2005) an der Fachhochschule Rosenheim wurde in Zusammenarbeit mit dem Corporate Research Center der EADS die Wirtschaftlichkeit von alternativen Verfahren zur Herstellung von Faserverbundwerkstoffen untersucht. Klautzsch vergleicht hier die Mikrowellenanlage HEPHAISTOS mit dem Autoklaven und dem Heißluftofen. Er kommt dabei zu zwei für die Bewertung des Verfahrens wesentlichen Erkenntnissen. Zum einen weisen alle drei Verfahren die gleiche Kostenrangfolge auf (Klautzsch 2005, S.€66€ff., insbesondere S.€67, Abb.€40). Die Lohnkosten der manuellen Fertigung sind dabei der wichtigste Kostenfaktor. Dem folgen die Materialkosten für CFK-Halbzeuge und Hilfsstoffe. Weniger bedeutend sind die Investitionskosten für die Anlage selbst. Am geringsten ins Gewicht fallen schließlich die Energiekosten, die beim Betreiben der Anlage entstehen. Zum anderen zeigen sowohl der Heißluftofen als auch die Mikrowellenanlage Kostenvorteile gegenüber dem Autoklaven, besonders was die Investitionskosten und die Energiekosten angeht (Klautzsch 2005, S.€72). Die Differenzen zwischen den drei Herstellungsverfahren scheinen zwar gering, aber es
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A. Gerybadze et al.
Heutige Metalle Neue Metalltechnologien
–40
–30
Gewichtsveränderung (%)
+10
–20
–10
+10 Kostenveränderung (%)
–10 Heutige Faserverbunde
–20
Zukünftige Faserverbundtechnologien
–30
Abb. 7.10↜渀 CFK-Flugzeugrumpf Entwurfsraum für Kosten und Gewicht. (Quelle: Herbeck und Voggenreiter 2007)
besteht die Einschätzung, dass Autoklav und Heißluftofen ihr Einsparungspotential schon stark ausgeschöpft hätten, das Mikrowellenverfahren dagegen noch viel Einsparungspotential biete. Ein wesentlicher Faktor für die Durchsetzung der HEPHAISTOS-Anlage ist die Verbreitung von CFK-Werkstoffen. Diese Verbreitung hängt wiederum stark von den Kosten und der Verfügbarkeit der Fasern ab (s. oben). Bisher sind Kohlenstofffasern noch vergleichsweise teuer und nur begrenzt verfügbar. Obwohl schon neuere Technologien zur Herstellung der Fasern vorhanden sind, werden ältere Verfahren nach wie vor eingesetzt. Dies wurde in informellen Gesprächen anlässlich der 1. Handelsblatt Tagung Werkstoffsymposium Fahrzeugtechnik am 3. und 4. Juni 2007 in Stuttgart deutlich. Die wenigen Unternehmen, die Kohlenstofffasern herstellen, haben noch kein Interesse an einem Preisverfall und sind auch bisher in der Lage, diesen zu verhindern. Basierend auf Aussagen der Firmen Toray und SGL Group ist festzustellen, dass in den letzten drei Jahren die Nachfrage nach Kohlenstofffasern höher lag als die Produktion.
7â•… Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten
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7.3.3 Vorbereitung und Verlauf der F&E-Kooperation Drei Ereignisse gaben den Anstoß für die Entwicklung des Verfahrens. Erstens entdeckte ein Mitarbeiter des FZK bei seinen Forschungen, dass eine hexagonale Form des Inneren eines Mikrowellenofens die Erzeugung homogener Mikrowellenfelder erlaubt (Feher 1997). Dies war mit der bisher üblichen zylindrischen Form nicht möglich gewesen. Zweitens zeigten Berechnungen zur Temperaturentwicklung und zu den relevanten Materialeigenschaften, dass eine Bearbeitung von CFK-Werkstoffen machbar war. Und schließlich entstand in der Zusammenarbeit mit der Luftfahrtindustrie zur Enteisung von Flugzeugtragflächen mittels Mikrowellenstrahlung die Idee für die Anwendung der Mikrowellenanlage in der Materialherstellung. Ausgelöst wurde diese Zusammenarbeit im Mikrowellenbereich unter anderem durch die Atomkraftpolitik der rot-grünen Koalition seit 1998 und die Entscheidung zum Ausstieg aus der Kernenergie im Jahr 2000. Ein Forschungsschwerpunkt des FZK war früher die Nukleartechnik. Die politischen Richtungsvorgaben machten es notwendig, die Forschung in andere Bereiche als die der Nukleartechnik auszudehnen, um für den Fall zu diversifizieren, dass Deutschland sich gänzlich von seinem nuklearen Know-how trennen würde. Seit neuestem zeichnen sich zwar deutliche Bemühungen z.€B. in Nordrhein-Westfalen ab, das Wissen im Bereich Nukleartechnik nicht nur zu halten, sondern auch trotz der voraussichtlichen Beendigung der Kernenergie in Deutschland weiterzuentwickeln, aber das war Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts im Zuge der „Abschaltungseuphorie“ nicht zu erwarten gewesen. Aus diesem Grund begann man in Karlsruhe mit der Forschung zum Einsatz von Mikrowellen. Die Entwicklung des Verfahrens begann 1999 und durchlief einige Höhen und Tiefen. Im Mai 2006 wurde schließlich im Rahmen des Einweihungssymposiums an der Universität Stuttgart die erste einsatzbereite HEPHAISTOS-CA2 Anlage präsentiert. Abbildung€7.11 gibt einen Überblick über den zeitlichen Verlauf der Entwicklung. Die Arbeit an HEPHAISTOS verlief nicht immer problemlos. Nach dem Abschluss der ersten Forschungsarbeiten 1997 begann das FZK 1998 in einer Kooperation mit Airbus Untersuchungen zur Enteisung von Flugzeugtragflächen mittels Mikrowellen. Dort scheiterte das Projekt der Mikrowellenenteisung allerdings am internen Widerstand. Das Projekt wurde mit Fairchild Dornier weiterverfolgt. Auch
1997 Forschung FZK
1999 Enteisung
2003 Übergangsphase
2006 Erste Kooperation
2010 BMBF-Projekt
Abb. 7.11↜渀 Zeitlicher Verlauf der Entwicklung des HEPHAISTOS-Verfahrens mit den vorbereitenden Arbeiten
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hier musste das Projekt auf Eis gelegt werden, nachdem Fairchild Dornier von einem chinesischen Unternehmen übernommen wurde. Die Enteisung sollte dann ab 1999 bei der DLR weiterverfolgt werden. Hiermit begann die Übergangsphase für die Mikrowellenentwicklung. Der DLR-Bereich für die Enteisung war auch zuständig für CFK-Materialien. Hier ergab sich der Anstoß, in der Materialherstellung ein Entwicklungsprojekt zu starten. Das Institut für Flugzeugbau der Universität Stuttgart war ebenfalls an der Entwicklung der Anlage beteiligt. Im Rahmen des Exzellenzprogramms erhielt das FZK für seinen Mitarbeiter eine unbefristete Stelle, somit konnte dieser seine Forschungen weiterverfolgen. Allerdings führte dieses Programm auch zu Konflikten, insbesondere bei Geldfragen und bei anwendungsnahen Themen. Zudem wehrten sich Mitglieder der alten Struktur innerhalb des Forschungszentrums gegen die Veränderungen. Der Projektpartner DLR strebte die Kontrolle über die Patente an und machte ein Kaufangebot. Das FZK war allerdings nicht bereit, die Kontrolle abzugeben und verlor in Folge dessen den Partner DLR. Es entstand eine kritische Situation für das Projekt, da Fördermittel fehlten und Mitarbeiter nicht mehr bezahlt werden konnten. Die darauf folgenden Entwicklungsschritte des Projektes (erste Kooperation und BMBF-Projekt) werden ausführlich im folgenden Teilkapitel zur Kooperationsstruktur erläutert. Mit dem Beginn der ersten Kooperation begann die formale Arbeit an der Entwicklung einer Prozesstechnologie für Verbundwerkstoffe unter Einsatz von Mikrowellen. Da sich die Kooperationsstrukturen später durch den Übergang in das BMBF-Projekt grundlegend veränderten, werden hier die beiden Entwicklungsstufen separat behandelt. 7.3.3.1 Erste Kooperation 2003–2006 2003 fand man in EADS einen neuen Partner für die Entwicklung des Mikrowellenverfahrens. EADS stellte in der Folge verschiedene Testaufgaben für das prototypische CA1-System, um die Machbarkeit der Anlage und des Konzeptes zu prüfen. Die Ergebnisse waren überzeugend, und es wurde beschlossen, ein größeres System für weitere Tests zu bauen. Für dieses Vorhaben suchte man einen Industriepartner und entschloss sich, mit der Firma Vötsch zusammen zu arbeiten. Das Unternehmen überzeugte durch die Qualität der anderen von ihm produzierten Anlagen und hatte bereits in den 1980er Jahren ein Mikrowellentrocknungssystem entwickelt. Über EADS wurde der Kontakt zum Vertrieb der Firma Vötsch hergestellt. Man einigte sich darauf, den Bau einer größeren Anlage mit der Bezeichnung CA2 zu 50€% durch Vötsch und zu 50€% durch das FZK zu finanzieren. Die Nutzungsrechte an dieser Anlage sollten bei Vötsch liegen, das Eigentum beim FZK. Vötsch erhielt außerdem die exklusiven Lizenzen für die Herstellung der Anlage für die Luft- und Raumfahrt sowie für den Bereich Automobilbau. In Karlsruhe arbeiteten zeitweise vier Techniker, drei Akademiker und einige Diplomanden an dem Verfahren. Seit 2003 wurden inzwischen vier CA1-Anlagen gebaut, eine davon wurde allerdings beim Transport irreparabel beschädigt. Die Rollen der Kooperationspartner in der HEPHAISTOS-Entwicklung in dieser multilateralen, vertikalen Kooperation (Ge-
7╅ Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten Abb. 7.12↜渀 Partner der ersten Kooperation im HEPHAISTOS-Projekt
Vötsch Industrietchnik
237 MUEGGE
(Vormontage der Anlage)
(Prototyp Mikrowellengenerator)
FZK
ISOJET
(Fertigstellung, Tests)
(Beratung Harzinfusion)
Einsatzbereite Anlage
IFB (Test der Anlage und der Werkstoffe)
EADS (Test der Anlage und der Werkstoffe)
rybadze 2005a, S.€162€f.) werden in Abb.€7.12 veranschaulicht und im folgenden Abschnitt beschrieben. Beteiligte Akteure in der ersten Kooperation╇ In diesem Projekt agierten vier Organisationen als Kernpartner der Kooperation: das FZK, das Institut für Flugzeugbau der Universität Stuttgart, die Abteilung Innovation Works der EADS und die Firma Vötsch Industrietechnik als zentraler Industriepartner. Hinzu kamen in beratender Funktion die Firmen MUEGGE Electronics und IsoJet Equipments. Die Forschungszentrum Karlsruhe GmbH (FZK) ist ein Mitglied der HelmholtzGemeinschaft und besteht aus den beiden Geschäftsbereichen Stilllegung (Nukleare Anlagen) und Forschung. Die Forschung gliedert sich in die fünf Teilbereiche Struktur der Materie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Energie sowie Schlüsseltechnologien. Unter den insgesamt 21 Instituten des FZK ist auch das von Prof. Thumm geleitete Institut für Hochleistungsimpuls- und Mikrowellentechnik, an dem das HEPHAISTOS-Verfahren entwickelt wurde. Im Rahmen des technisch-wissenschaftlichen Exzellenznachwuchsprogrammes der Helmholtz-Gemeinschaft wurde der Mitarbeiter des FZK hier gefördert und konnte seine mit der Dissertation begonnenen Forschungen zum Einsatz von Mikrowellen fortsetzen. Das FZK ist in dieser ersten Kooperation sowohl der Projektkoordinator als auch der primäre Entwickler
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der Prozesstechnologie und stellte eine Zeit lang die Anlagen nach Vorarbeiten von Vötsch fertig. Inzwischen ist die Firma Vötsch auch in der Lage, die Anlagen vollständig selbst fertig zu stellen. Das Institut für Flugzeugbau an der Universität Stuttgart umfasst die ForschungsÂ�bereiche Flugzeugbau, Flugzeugentwurf, Faserverbundwerkstoffe und Windenergie. Das IFB ist in diesem Projekt vor allem für die Prozessentwicklung und die Durchführung von Materialtests zuständig. Eine Zeit lang stand die einzige betriebsbereite CA2-Anlage beim IFB. Dort konnten interessierte Kunden Testläufe durchführen. In dieser ersten Kooperation ist das IFB zuständig für Tests an dem Material und der Anlage und stellt Kontakte zu interessierten Unternehmen her. Die European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) N.€V. ist ein Unternehmen unter Beteiligungen französischer, spanischer und deutscher Konzerne sowie der jeweiligen Staaten. Die Geschäftsbereiche sind Luft- und Raumfahrt, u.€a. mit den Unternehmen Airbus und Eurocopter, sowie Waffensysteme und Verteidigungstechnologie. Die Abteilung Innovation Works (IW) des Corporate Research Center der EADS Deutschland GmbH in Ottobrunn war als Kooperationspartner an den Materialtests mit der HEPHAISTOS-Anlage sowie der Prozessentwicklung beteiligt. Der Kontakt wurde über das IFB an der Universität Stuttgart hergestellt. Die EADS ist gleichzeitig potentieller Anwender für die Prozesstechnologie. Die Firma Vötsch Industrietechnik GmbH wurde als Industriepartner gewonnen, um die Entwicklung von FZK und IFB zur Marktreife zu führen. Dieses Unternehmen wurde von der EADS vorgeschlagen, weil es bereits langjährige Erfahrungen im Bereich des Aushärtens von Faserverbundwerkstoffen besitzt und selbst vor einiger Zeit eine Mikrowellenanlage gebaut hatte. Vötsch führte eine Vormontage der Anlage durch und fertigte zunächst den Grundaufbau der Mikrowellenanlage, der dann beim FZK mit den Mikrowellengeneratoren und der Steuerungselektronik versehen wurde. Inzwischen ist Vötsch in der Lage, selbst komplette Anlagen herzustellen. Zwei weitere Unternehmen waren zeitweilig am Projekt beteiligt. Die Firma Muegge Electronic GmbH ist spezialisiert auf Mikrowellensysteme und entsprechende Dienstleistungen. Ein Prototyp zur Einbringung von Mikrowellen in die Anlage wurde bei dieser Firma in Auftrag gegeben. Nach der Herstellung und Testung des Prototypen entschied sich allerdings das FZK, eine andere technologische Lösung zu verfolgen, und es wurden keine weiteren Aufträge an die Firma erteilt. In beratender Funktion war die Firma IsoJet Equipments an der Entwicklung der HEPHAISTOS-Anlage beteiligt. Als Spezialist für Harzinjektionssysteme besitzt das Unternehmen Kenntnisse über die Möglichkeiten der Harzeinbringung in Fasergelege und hat hierüber mit dem FZK diskutiert. Beide Unternehmen waren nur sehr begrenzt an der ersten Kooperation beteiligt. Beurteilung des Projektverlaufes in der ersten Kooperation╇ Im Folgenden wird der Projektverlauf der ersten Kooperation zusammenfassend beurteilt. Der Anlage und dem Verfahrensansatz bescheinigen die Gesprächspartner ein großes Potential. Besonders vorteilhaft ist die Verkürzung der Zykluszeiten. Für das Projekt spricht
7â•… Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten
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auch, dass Aufmerksamkeit am Markt erzeugt wurde. Die Produktentwicklung ist gut gelungen und die Anlage wird kontinuierlich verbessert. Insgesamt wird das Projekt auf Seiten von FZK und Vötsch als ein Erfolg angesehen, auf den man stolz ist. An einer effizienteren Unterstützung durch die EADS und das IFB, insbesondere auf der Materialforschungsseite, wird gearbeitet. Der Zugang zu internen Kontakten bei EADS ist komplex. Man würde gerne mehr Versuche für Kunden fahren, die Kapazität ist aber begrenzt. Es kann hier nur die Anlage in Stuttgart verwendet werden, die zur Hälfte von Vötsch finanziert wurde. Auf Seiten von EADS und dem IFB herrscht großes Interesse an der Technologie, und die Beteiligten sind sehr interessiert an weiteren Messergebnissen. Diese erste Kooperation hatte auch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es gab kein eigenes Budget für das Projekt. Die Arbeit wurde hauptsächlich durch Diplom- und Studienarbeiten vorangetrieben, die von manchen Projektpartnern nicht als aussagekräftige Forschung im Rahmen des Projektes angesehen werden. Zudem waren diese Untersuchungen nicht zielgerichtet und koordiniert genug, da die Budgetbeschränkungen keine längerfristige Planung von Versuchsreihen erlaubten. Auch bezüglich der Ziele der Zusammenarbeit gab es teilweise merkliche Differenzen zwischen den Partnern. Dies betrifft auch das mit HEPHAISTOS verfolgte Geschäftsmodell. Ein Teil der Kooperationspartner strebt eine Ablösung der Autoklaven an, da diese einen wesentlichen Teil der Fertigungstechnologie in der Luftfahrt ausmachen und damit ein attraktives Marktsegment besetzen. Ein anderer Teil der Kooperationspartner ist dagegen eher generell an einer Machbarkeitsstudie zu dem Verfahren an sich interessiert, also der Frage, ob Mikrowellen überhaupt zu dieser Art von Verfahren eingesetzt werden können. Damit einher gehen auch die Ansprüche an das Gesamtergebnis der Zusammenarbeit, das auf der einen Seite die Markteinführung einer Verfahrenstechnik sein soll, andererseits aber die Beantwortung der Frage nach der generellen Machbarkeit. Anfangs war die Zusammenarbeit reibungslos, aber mit steigendem Industrieinteresse haben sich die formalen Ansprüche des FZK an Testdurchläufe gesteigert, was zu Verstimmungen bei den Partnern geführt hat. Eine bedeutende Frage, die in dieser Kooperation noch nicht beantwortet werden konnte, ist die Frage nach dem Verlauf der Erwärmung des Werkstückes. Es konnte zwar nachgewiesen werden, dass das Mikrowellenfeld in der Anlage sehr homogen ist, aber der Nachweis, dass auch komplexer geformte Werkstücke homogen erwärmt werden können, steht noch aus. Die Projektpartner waren sich einig, dass hier noch weitere Entwicklungsarbeit insbesondere bei der Automatisierung notwendig war und entschlossen sich zu einer Fortsetzung der Zusammenarbeit an dem Verfahren in einem Folgeprojekt. 7.3.3.2 Kooperation im BMBF-Projekt ab 2006 Die Prototypenanlage CA2 war nach Aussagen des IFB nicht effektiv genug, um die Möglichkeiten der Industrialisierung erschöpfend zu überprüfen. Deshalb wurde auf Initiative von Lambert Feher, dem Erfinder der Technologie, am FZK und dem IFB ein Antrag für eine BMBF-Förderung eingereicht, um mit der Finanzierung
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weiterer Versuche die Verwendung des Prozesses in der Luftfahrt zu untersuchen. Das neue Kooperationsvorhaben wird durch das BMBF gefördert und besteht aus aktuell neun Kooperationspartnern. Es handelt sich um eine multilaterale, vertikal organisierte Kooperation (nach Gerybadze 2005a, S.€162€f.). Dabei wird insbesondere die Eignung für das von der EADS angewendete Infusionsverfahren überprüft. Geplant ist außerdem der Aufbau weiterer Pilotanlagen, die Untersuchung der werkstoffkundlichen Grundlagen und insgesamt die Erprobung und Bewertung der Technologie. Dies wäre mit der bisherigen Finanzierung nicht möglich gewesen. Der Verbund aus dem ersten Projekt besteht insofern lose fort, als einige Nutzungsrechte noch bei diesem ersten Verbund liegen. Während die erste Kooperation von FZK, IFB, Vötsch und EADS die praktische Umsetzung des Verfahrens in der Produktion zum Ziel hatte, soll der zweite BMBF-geförderte Verbund auch die Grundlagen des Verfahrens erforschen und gleichzeitig mehr interessierte Unternehmen einbinden. Entsprechend wurde die Kooperation um einige weitere Partner erweitert. Beteiligte Akteure im BMBF-Projekt╇ Aus dem ersten Verbund sind noch die Partner FZK, EADS und IFB beteiligt. Obwohl der Industriepartner Vötsch von der Technologie überzeugt ist, hat sich das Unternehmen entschlossen, nicht an dem BMBF-geförderten Projekt teilzunehmen. Neu hinzugekommen sind die Unternehmen Stesalit AG, Hexion Specialty Chemicals (bisher Bakelite), Porsche Engineering Group, Fritzmeier Composites GmbH, GKN Aerospace GmbH und die BASF AG als assoziierter Partner. Die Bearbeitung des Projektes ist zudem in verschiedene Arbeitspakete aufgeteilt worden. Kurz nach Beginn des Projektes kam es bei der Stesalit AG (inzwischen Gurit GmbH) zu einem Eigentümerwechsel und in der Folge zum Ausscheiden aus dem Verbund. Anstelle der Stesalit AG wurde die SGL Group in den Verbund aufgenommen, die hauptsächlich als Hersteller von Bauteilen in dieser Kooperation mitarbeitet (s. Abb.€7.13). Die Industriepartner sind dabei hauptsächlich mit werkzeugintegrierten Prozessen, der Werkstofftechnologie und der Herstellung von Demonstratorbauteilen befasst. Die Forschungsinstitute FZK und IFB werden dazu noch ofenbasierte Prozesse und Fügetechniken untersuchen.
Abb. 7.13↜渀 Projektpartner im BMBF-Projekt zur Entwicklung von HEPHAISTOS (in kursiv sind die jeweiligen Arbeitspakete angegeben)
Projektleitung
Alle Arbeitspakete
FZK
IFB
Materialeigenschaften
Anwendungen
Rohmaterialien Hexion BASF
Automobil Porsche Fritzmeier Bauteile SGL
FZK
Luftfahrt EADS GKN
7â•… Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten Abb. 7.14↜渀 Wertschöpfungsstufen und zugeordnete Kooperationspartner im BMBF-geförderten Projekt
Fasergrundstoffe
Kunstfasergelege
Harzgrundstoffe
Epoxidharz
BASF AG
Bauteil GKN Fritzmeier SGL
Hexion
Modul GKN Fritzmeier
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Härtung mit Injektion
FZK IFB EADS
Produkt EADS Porsche
Beurteilung des Projektverlaufes im BMBF-Projekt╇ Im Folgenden wird der Projektverlauf der BMBF-geförderten Kooperation zusammenfassend beurteilt. In diesem zweiten Projekt zur Weiterentwicklung der HEPHAISTOS-Anlage liegt eine multilaterale, tendenziell eher vertikale Kooperation vor. Die Partner im Projekt vertreten die verschiedenen Wertschöpfungsstufen bei der Herstellung von Bauteilen aus Faserverbundwerkstoff, wobei einige Kooperationspartner auch an der Entwicklung auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette beteiligt sind (s. Abb.€7.14). Mit BASF als Grundstofflieferanten, dem Spezialchemiehersteller Hexion, den Forschungseinrichtungen (FZK, IFB), den Bauteilherstellern (GKN, Fritzmeier) sowie den Systemintegratoren (EADS, Porsche) sind somit alle Stufen der Wertschöpfungskette im BMBF-Projekt vertreten. Diese Struktur berücksichtigt die Einbeziehung von allen Interessenten des Produktionsprozesses, was besonders bei Prozessinnovationen eine große Rolle spielt, um die Innovation auch erfolgreich durchsetzen zu können. Problematisch für diese Kooperation ist, dass die beteiligten Partner teilweise deutlich unterschiedliche Ziele verfolgen, was möglicherweise eine Folge der unscharfen Zieldefinitionen des Projektes ist. Gerybadze (2005a, S.€164) empfiehlt die genaue Zieldefinition als wesentlichen Schritt zur Vorbereitung der Kooperation. EADS und GKN sind eher an der Leistungsfähigkeit des Materials interessiert, Porsche dagegen eher an den Kosten und den möglichen Stückzahlen. Die Modularisierung im BMBF-Projekt bewirkt hierbei auch, dass die Partner eher parallel forschen, anstatt an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten. Die Modularisierung der Aufgaben hat hier möglicherweise zu früh zu einer teilweisen Abschottung der Projektpartner geführt und den produktiven Austausch von Erkenntnissen verhindert.
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Es sind allerdings in diesem Projekt alle wichtigen Wertschöpfungsstufen vertreten, was für die weitere Entwicklung eine sehr gute Basis bietet. Die Expertise in den einzelnen Organisationen kann in der Kooperation zusammengeführt werden, und in den einzelnen Arbeitspaketen sind schon interessante Fortschritte zu beobachten. Um hier nun eine Optimierung des Projektablaufes zu erreichen, sollte die Strukturierung des Projektes überdacht werden. Hierfür bietet sich das Strukturierungsmodell von Gerybadze (2005a) an.
7.3.4 A nalyse und Handlungsempfehlungen zum Projektmanagement Gerybadze (2005a) empfiehlt zur Strukturierung von technologischen Kooperationen einen sechsstufigen Prozess (s. Abschn.€7.2.6, dort insbesondere Abb.€7.4). Diese Strukturierung basiert auf Gerybadzes (1995) ursprünglichem Vorschlag eines fünfstufigen Prozesses, der aktualisiert und erweitert wurde (s.€a. Gerybadze 2004, S.€207€ff.). Zunächst sollen die Gesamtstrategie formuliert und Ziele festgelegt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Ziele und Strategien der Kooperationspartner zueinander und zu dem Projektvorhaben kompatibel sind. Ausgehend von diesen Zielen wird dann eine Prozessanalyse und Prozessgestaltung durchgeführt. Diese soll zu einem gemeinsam erstellten Projektplan führen, der offen für spätere Anpassungen und Veränderungen sein muss. Im Anschluss daran werden die zu erledigenden Aufgaben zerlegt und in Module aufgeteilt, die von den Kooperationspartnern bearbeitet werden können. Die Kompetenzen zur Erfüllung der zugeteilten Module werden in der strategischen Aufgabenanalyse und der Kompetenzbewertung überprüft, gegebenenfalls kann nachgeregelt werden. Danach wird die Organisationsstruktur für die Kooperation in einem Kooperationsvertrag festgelegt. Dies erlaubt auch eine verbindliche Klärung der rechtlichen Form der Kooperation sowie der Rechte und Pflichten der Partner. Abschließend werden die Zielüberprüfung und Performance Evaluation für die Kooperation festgelegt, anhand derer sich der Erfolg des Projektes bzw. Schwierigkeiten bei der Bearbeitung feststellen lassen. In Abb.€7.4 (s. Abschn.€7.2.6) werden diese sechs Stufen als geschlossener Kreislauf dargestellt. Dies soll deutlich machen, dass ein einmaliges Durchlaufen des Prozesses nicht ausreicht, sondern dass im Laufe des Projektes Zieländerungen und Zielanpassungen vorgenommen werden können und sollten. Die Projektorganisation und das Projektmanagement der hier beschriebenen F&E-Kooperation werden im Folgenden anhand dieses Prozesses analysiert. Die Projektpartner in dieser Fallstudie haben den Ansatz von Gerybadze nicht explizit verfolgt. Die Abgleichung des Vorgehens in den Kooperationen mit den Empfehlungen von Gerybadze kann jedoch Hinweise darauf liefern, was in diesen Kooperationen gut funktioniert hat und an welcher Stelle der Kooperation noch Verbesserungspotential besteht. Die erste Phase der Projektplanung besteht in der Strategieformulierung und Zielfestlegung. Die Kooperation startete zunächst als lose vereinbarte Zusammen-
7â•… Fallstudien zum Management von Werkstoff-Innovationsprojekten
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arbeit zur Entwicklung des Mikrowellensystems. Die daran anschließende Erstellung des Projektantrages für die BMBF-Förderung hat die Projektpartner durch die formalen Anforderungen veranlasst, sich über die wichtigsten Aspekte, die auch Gerybadze (2005a) in seinem Ansatz empfiehlt, Gedanken zu machen. Gegenüber der vorherigen ersten Kooperation sind die Ziele und Strategien des Projektes zwar schon deutlicher formuliert, eine konkretere Festlegung auf eine bestimmte Anwendung oder einen spezifischen Einsatz der Anlage wäre zusätzlich für die Fokussierung des Vorhabens hilfreich gewesen. Andererseits sind die Möglichkeiten der Anlage noch nicht vollständig absehbar, entsprechend undeutlich sind die Anwendungen, die sich aus diesem Projekt ergeben könnten. Dementsprechend wurden im HEPHAISTOS-Projekt die Elemente der ersten Phase angemessen umgesetzt. In der zweiten Phase der Projektplanung sollen die Prozessanalyse durchgeführt und die Prozessgestaltung bearbeitet werden. Es wurde nicht deutlich, ob die Projektbeteiligten in diesem Fall zwischen verschiedenen Lösungswegen abgewogen haben, bevor sie sich entschieden, die Mikrowellenanlage für die Luftfahrtindustrie weiter zu entwickeln. Im Laufe der Kooperation entwickelten die verschiedenen Projektpartner unterschiedliche Vorstellungen von dem zu verfolgenden Lösungsweg. Ein expliziter Austausch über diese Entwicklung hat bisher nicht stattgefunden. Hier kann die Kooperation noch verbessert werden, indem explizit eine Prozessanalyse und Prozessgestaltung der Kooperation durchgeführt wird. Die Modularisierung und Aufgabenzerlegung als Vorbereitung für die Zuteilung der Aufgabenpakete soll in der dritten Phase erfolgen. Eine Modularisierung der Aufgaben bestand bei HEPHAISTOS zunächst durch die gegebenen Kompetenzen der Kooperationspartner in der ersten Kooperation nur implizit, d.€ h. die Partner haben sich entsprechend ihrer Kompetenzen in das Projekt eingebracht. Im BMBFProjekt wurde eine Aufteilung der Aufgaben nach den Kompetenzen, die sich aus der Position des jeweiligen Kooperationspartners in der Wertschöpfungskette ergeben, vorgenommen (s. hierzu Abb.€7.14). Die Organisationsstruktur der Kooperation ist zudem zum Teil durch Anforderungen des BMBF vorgegeben. Interessant ist dabei, dass durch die formalen Anforderungen des BMBF ein Teil der Empfehlungen von Gerybadze (2005a) umgesetzt wurde. Nach der dritten Phase folgt die Aufgabenanalyse und Kompetenzbewertung der beteiligten Partner, um die Aufgaben angemessen zuteilen zu können. Auch auf dieser Stufe zeigt die HEPHAISTOS-Kooperation eine Erfüllung der Empfehlungen von Gerybadze (2005a). Wie die Darstellung der Kooperationspartner in der relevanten Wertschöpfungskette zeigt, sind alle Wertschöpfungsstufen in der Kooperation vertreten, was besonders wichtig für die hier angestrebte architekturelle Prozessinnovation ist, die potentiell alle Wertschöpfungsstufen betreffen wird. Auch das Niveau der beteiligten Partner ist vergleichbar und angemessen hoch. Die Empfehlungen der vierten Phase wurden hier also gut umgesetzt. Über die Organisationsstruktur und die Organisationsgestaltung wird in der fünften Phase der Projektplanung entschieden. Als Initiator hat das FZK die administrative Leitung der Kooperation übernommen. Dies stellt eine Abweichung von BMBF-Vorgaben dar, die üblicherweise einen der Industriepartner als Projektkoor-
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dinator vorsehen. Zwar wurden die Zuständigkeiten nach Kompetenz der Partner klar verteilt, aber eine Organisationsstruktur, die den Austausch von Arbeitsergebnissen fördert, war nicht ausreichend vorhanden. Die stattgefundene Regelkommunikation hatte eher die Funktion, BMBF-Vorgaben zu erfüllen, als dass sie in aktiver Weise das Management des Projektes unterstützt hätte. Empfehlungen der fünften Phase könnten also noch deutlicher umgesetzt werden, hier lässt sich das Projekt möglicherweise noch verbessern. Abschließend sollen in der sechsten Phase dann die Leistungsevaluation der Kooperation vorbereitet und die Ziele festgelegt werden, anhand derer eine Überprüfung stattfinden soll. Aufgrund des noch nicht ausgereiften Prozesses war es einerseits für die Projektpartner schwierig, klare Leistungskriterien für die Kooperation festzulegen. Andererseits entstand auch hier der Eindruck, dass die Art des Projektes eine deutliche Festlegung von solchen Kriterien nicht gestattete. Es ging fast allen Beteiligten zunächst um eine Erprobung und weitere Erforschung des Prozesses, wofür sich keine quantitativen Erfolgsmaße definieren ließen. Mit fortschreitendem Projekt kann man aber hier, im Sinne eines sich wiederholenden Prozesses der Projektstrukturierung und einer Anpassung an sich verändernde Rahmen- und Projektbedingungen, klarere Ziele und Leistungsmaße für die weitere Kooperation finden. Dies wird auch die Argumentation für eine Anschlussförderung des aktuellen Projektes beim BMBF erleichtern, sollte sich herausstellen, dass der Prozess in diesem laufenden Projekt noch nicht zur Marktreife gebracht werden kann. Eine Evaluation ist bisher nicht erfolgt und auch noch nicht geplant, kann aber die Leistung der Kooperation verbessern, besonders, wenn sie in mehreren Iterationen durchgeführt wird. Mehrere Aspekte erschwerten die Kooperation und den Wissenstransfer in dieser Fallstudie. Beim Gegenstand der Kooperation handelte es sich um eine eher forschungsgetriebene Erfindung, für die eine Anwendung gesucht wurde. Die beteiligten Projektmitglieder waren stark regional im süddeutschen Raum verteilt. Es bestanden teilweise unterschiedliche Meinungen darüber, welche Ziele mit der ersten Kooperation verfolgt werden sollten. Dagegen bestand besonders im BMBFgeförderten zweiten Projekt eine Kooperation, die alle wichtigen Schritte der Wertschöpfungskette für die Innovation abdeckte. Außerdem sind die an der zweiten Kooperation beteiligten Personen alle fachlich den Natur- und Ingenieurwissenschaften zuzuordnen. Es gibt hier zwar fachkulturelle Unterschiede zwischen den Chemikern und Ingenieuren, aber alle sind durchweg mit den Materialeigenschaften und dem Prozesskonzept vertraut. Der Wissenstransfer ist durch die zweite Kooperation stärker formalisiert worden, was ihn aber auch etwas eingeschränkt zu haben scheint. Die Kooperation gleicht einer ausführlichen Phase der Prototypenentwicklung und des Testens. Die formalen Anforderungen des BMBF haben zu regelmäßigen und häufigeren Treffen der Partner geführt, was dem Wissenstransfer und der Weiterentwicklung zugute kommen sollte. Nachdem die erste Anlage in die industrielle Anwendung gegangen sein wird, werden die weiteren Entwicklungen zeigen, wie sich die Anlage am Markt bewährt.
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Kapitel 8
Institutionelle Dynamik und Persistenz im deutschen Forschungssystem Hans-Willy Hohn
Inhalt 8.1â•…Governance der Materialforschung und Probleme der Organisation von Wertschöpfungsketten ����������������������������������尓������������������������������������尓��������������������������������╇ 248 8.2â•…Schutz der Grundlagenforschung: Forschungs- und Transferstrategien der Max-Planck-Gesellschaft ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 251 8.3â•…Forschungsverbünde und interne Vernetzung der Fraunhofer-Gesellschaft ��������������������╇ 254 8.4â•…Im Spannungsfeld zwischen Forschung und Transfer – Orientierungsambivalenzen in der Großforschung ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������╇ 258 8.5â•…Typen materialwissenschaftlicher Forschung in der Leibniz-Gemeinschaft �������������������╇ 261 8.6â•…Intermediäre Akteure – Eine neue Strategie zur Vernetzung heterogener Partner? ���������╇ 263 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 265
Zusammenfassung╇ Dieses Kapitel geht auf die unterschiedlichen Forschungsund Transferstrategien der großen Wissenschaftsorganisationen in der außeruniversitären Forschung Deutschlands ein. Trotz des institutionellen Wandels, der diese Organisationen erfasst hat, lassen sich nach wie vor typische Differenzen zwischen ihnen identifizieren, die dem traditionellen Muster der Arbeitsteilung im außeruniversitären Sektor entsprechen. Zugleich hat sich in der jüngeren Vergangenheit und im Rahmen von regionalen Verbünden und Innovationsclustern aber auch ein neuer Typus von intermediären Akteuren herausgebildet, der sich um die Vernetzung der öffentlichen Forschungseinrichtungen und privaten Akteure bemüht. Möglicherweise lässt sich daraus ein neues Konzept der Kontextsteuerung des deutschen Forschungssystems ableiten.
H.-W. Hohn () Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, Freiherr-vom-Stein-Straße 2, 67346 Speyer, Deutschland E-Mail:
[email protected] K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9_8, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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H.-W. Hohn
8.1 G overnance der Materialforschung und Probleme der Organisation von Wertschöpfungsketten Die Anforderungen an die Governance der Materialforschung haben sich in den vergangenen rund zwei Jahrzehnten stark gewandelt. Der sich als Folge der Globalisierung zunehmend intensiver gestaltende Wettbewerb um neue Produkte und Verfahren geht mit einem raschen technologischen Wandel in der Materialforschung einher und hat sie zu einem von „Technology-push“ und durch „Demand-pull“ zugleich bestimmten Gebiet werden lassen. Als Folge dieses Wandels stellt das Feld hohe Anforderungen an die Koordination und Kooperation zwischen den Produzenten und Anwendern, an die Vernetzung der Forschung und Entwicklung (F&E) und an die Organisation von Forschungsketten. Die Kette „vom Material zum Produkt“ (Kopp 2008), hält die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) fest, „ist nicht nur durch zahlreiche Prozessschritte, sondern auch durch ein hohes und ansteigendes Maß an Wechselwirkungen geprägt“. Die Akademie beklagt in diesem Zusammenhang vor allem, dass die deutsche Forschung trotz des hohen Niveaus, das sie in den vergangenen Jahrzehnten auf zahlreichen Feldern errungen hat, immer wieder Vorsprünge im internationalen Wettbewerb verschenkt. Ihrer Analyse zufolge zählt es zu den anhaltenden Problemen des deutschen Forschungssystems, dass hier erzielte Forschungsergebnisse weitgehend ungenutzt bleiben und vielmehr im Ausland zur Entwicklung innovativer Produkte und Entstehung neuer Branchen führen. Sie identifiziert in diesem Zusammenhang eine Reihe von Problemen, die in Deutschland die Organisation der erforderlichen Wertschöpfungsstufen erschweren und bemängelt u.€ a. die starke disziplinäre Zergliederung zwischen der naturwissenschaftlichen Forschung und der Werkstofftechnik und fordert eine Bündelung der materialwissenschaftlichen Aktivitäten in Deutschland. Diese zergliederte Struktur führt häufig zu parallelen Entwicklungen, wo Kooperationen von Vorteil wären. Aber auch innerhalb der Materialforschung und Werkstofftechnik herrscht eine Fragmentierung entlang der Grenzen traditioneller Werkstoffklassen vor, die einer Nutzung systemischer Innovationspotentiale entgegenstehen. Während die Forschungseinrichtungen innerhalb der Werkstoffklassen in der Regel intensiv zusammenarbeiten, sind sie untereinander kaum vernetzt. Zudem moniert die Akademie generell eine mangelnde Koordination der deutschen Organisationslandschaft, die in ihren Augen einer Zersplitterung der Kräfte Vorschub leistet und zu „Brüchen“ und „Lücken“ in der Wertschöpfungskette führt. Sie kommt zu dem Ergebnis: „Es sind vor allem die Schnittstellen, die die Ursache für die mannigfaltigen Effizienzeinbußen in der Kette vom Material zum Produkt bilden“ (Acatech 2008, S.€28). Auch das außeruniversitäre Forschungssystem Deutschlands weist solche „Brüche“ und „Lücken“ in der Kette vom Material zum Produkt auf, obwohl die institutionelle Struktur dieses Systems in den vergangenen Jahren in bemerkenswertem Umfang in Bewegung geraten ist und sich seine segmentierte Struktur ein Stück weit aufgelöst hat. Als Folge der wachsenden Kritik an der Versäulung dieses Sektors, wie sie von den Systemevaluationen der großen deutschen For-
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schungsorganisationen am Ende der 1990er Jahre ausgelöst wurde, und der zugleich seit dem Ende dieses Jahrzehnts rasant gestiegenen gesellschaftlichen Leistungserwartungen an die Wissenschaft, sind die deutschen Forschungsorganisationen in steigendem Maße unter organisationalen Stress und Veränderungsdruck geraten. Sie sind einem zunehmend intensiveren Wettbewerb um Ressourcen und Reputation ausgesetzt und müssen mehr denn je die wirtschaftliche und technologische Relevanz ihrer Forschungsaktivitäten nachweisen. So haben sich etwa auf vormals monopolisierten Domänen in der öffentlichen Projektförderung oder industriellen Auftragsforschung heute teilweise Drittmittelmärkte entwickelt, auf denen sich Institute unterschiedlicher Forschungsorganisationen als Konkurrenten gegenüber stehen. Die großen deutschen Forschungsorganisationen haben auf diese Herausforderungen mit Strategien der Selbstorganisation und Selbstanpassung reagiert, indem sie inkrementelle An- und Umbauten an ihren Governancestrukturen mit dem Ziel vorgenommen haben, die „alten“ Domänengrenzen zu verschieben und neu zu justieren, ohne ihre jeweilige Identität aufs Spiel zu setzen. Im Zuge dieser Entwicklung sind neben neuen Formen des Wettbewerbs auch neue Formen von Kooperation entstanden. Die großen Wissenschaftsorganisationen haben zumindest Versuche unternommen, mehr „Kooperation unter heterogenen Partnern“ (Kuhlmann et€ al. 2003) zu wagen. Vor allem aber ist die Vernetzung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen stark angestiegen. Gleichwohl verfolgen die großen deutschen Forschungsorganisationen nach wie vor domänentypische und domänenspezifische Forschungs- und Transferstrategien. Die Kehrseite ihrer spezifischen Stärken und Spezialisierungsvorteile, die sie auf der Basis der arbeitsteiligen Struktur des außeruniversitären Forschungssystems Deutschlands zu realisieren vermögen, besteht gewissermaßen in institutionell präformierten „Sollbruchstellen“ in den Ketten der F&E. Ähnlich wie dies nicht selten im Falle individueller Forscher zu beobachten ist, sehen sie häufig ihre Exzellenz in der Grundlagenforschung durch Transferaktivitäten gefährdet und suchen sich einer Vereinnahmung durch praxisbezogene Aufgaben im Interesse der Integrität ihrer organisatorischen Identität zu entziehen. Zugleich sind in jüngerer Zeit aber auch aussichtsreiche neue Formen der forschungspolitischen Governance entstanden, die zu einer engeren Vernetzung von Forschungsorganisationen und industriellen Akteuren beitragen. Beginnend mit dem biotechnologischen Programm BioRegio hat sich die deutsche Forschungspolitik in den vergangenen rund zehn Jahren zunehmend der Förderung von regionalen Innovationsnetzwerken zugewandt. Auch in der Materialforschung sind sowohl auf Initiative des Bundes und einzelner Länder als auch auf Betreiben der Industrie solche regionalen Netzwerke entstanden.1 Bei der Förderung dieser Initiativen ging und geht es in erster Linie darum, Agglomerationseffekte im Sinne des Konzepts der geographischen Cluster von Michael E. Porter (Porter 1990) zu induzieren. Mit solchen Innovationsclustern sind aber vielfach auch neue, intermediäre Akteure 1╇ Vgl. hierzu auch Kap.€9 in diesem Band, das sich näher mit regionalen Netzwerken im Bereich neuer Werkstoffe befasst.
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entstanden, die eine ihrer Hauptaufgaben darin sehen, weitgehend unabhängig von der Standortfrage möglichst umfassende und dauerhafte Kooperationsverbünde von öffentlichen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu schaffen und „heterogene Partner“ miteinander zu vernetzen. Wie am Beispiel eines Innovationsclusters im Bereich des Flugzeugbaus deutlich wird, könnten solche intermediären Akteure durchaus als Vorbild einer forschungspolitischen Strategie zur künftigen Gestaltung des deutschen Forschungssystems dienen. Die domänenspezifischen Unterschiede in den Forschungs- und Transferstrategien der großen deutschen Wissenschaftsorganisationen lassen sich zunächst einmal am Beispiel der direkten Projektförderung des Bundes auf dem Feld der Materialforschung und Werkstofftechnik ablesen. Praktisch seit der Beilegung seines forschungspolitischen Konflikts mit den Ländern in den späten 1960er Jahren hat der Bund mit Hilfe dieses Instruments die Materialforschung mit wechselnden Schwerpunkten in wechselnden, aber stets aneinander anschließenden Programmen, kontinuierlich gesondert gefördert (für einen Überblick vgl. Dörfler 2003). Allerdings traf und trifft das Instrument der Projektförderung in Deutschland auf restriktivere Bedingungen als in vielen anderen Ländern. Als Folge des Prinzips der gemeinsamen Finanzierung der außeruniversitären Forschung durch Bund und Länder besaß und besitzt die institutionelle Förderung im deutschen Innovationssystem einen klaren Vorrang vor der Förderung von Projekten. Dies hatte zur Folge, dass der Anteil der institutionellen Förderung in den 1980er Jahren beständig und nach der Wiedervereinigung sprunghaft auf Kosten der Projektförderung anstieg. Auch nach der Jahrtausendwende hatte vor allem durch den Pakt für Forschung der Zuwachs der institutionellen Finanzierung deutlichen Vorrang, wenngleich der Bund den Anteil der Projektförderung durch Sondermittel2 vorübergehend steigerte. Die Möglichkeiten, mit der Projektförderung einen unmittelbar steuernden Einfluss auf die außeruniversitären Forschungsorganisationen zu nehmen, waren und sind für den Bund daher mit Ausnahme der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) stets sehr beschränkt. Stattdessen verfolgt er mit diesem Instrument das bescheidenere Ziel, die Forschungsaktivitäten der Einrichtungen an seinen Programmen zu orientieren und dazu zu motivieren, mit einem Teil ihrer institutionellen Grundförderung an ihnen zu partizipieren. Zudem sollen sie der Vernetzung von wissenschaftlichen Einrichtungen mit der Industrie dienen. Der Bund bewilligt deshalb vorzugsweise Verbundprojekte, an denen sich die private Wirtschaft und vor allem kleine und mittlere Unternehmen beteiligen. Die Bereitschaft der großen deutschen Forschungsorganisationen, solche Mittel zu akquirieren, ist allerdings nicht gleich verteilt und variiert domänenspezifisch. So entfielen von den rund 350€Mio.€€, die der Bund in den Jahren 1998 bis 2007 in die materialwissenschaftliche Projektforschung außerhalb der Hochschulen investiert
2╇ Diese Sondermittel stammten aus der Versteigerung der UMTS Lizenzen und flossen in den Jahren 2001 bis 2003 in die Projektfinanzierung.
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hat,3 auf die MPG ca. 14€%, auf die FhG rund 36€%, auf die Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) knapp 23€% und auf die Leibniz-Gemeinschaft (WGL) etwa 27€% der Fördermittel.4 Diese Verteilung korrespondiert eng mit der traditionellen Aufteilung des außeruniversitären Forschungssystems in domänenspezifische Bereiche. Wie die hier zugrunde liegenden Fallstudien deutlich machen, geht der niedrigere Anteil der MPG, HGF und WGL nicht zuletzt auf das Bestreben zurück, ihre wissenschaftliche Autonomie zu bewahren. Während der Bund mit der Projektförderung das Ziel verbindet, die Forschungsorganisationen ein Stück weit an seinen Prioritäten zu orientieren, sind diese Organisationen meist daran interessiert, die entsprechenden Gelder zur „Ergänzung“ ihrer eigenen Forschungsagenda zu nutzen und aufgrund ihrer institutionellen Grundfinanzierung auch häufig dazu in der Lage, auf Projektmittel des Bundes zu verzichten, wenn sie Eingriffe in ihre Autonomie befürchten. Dieses Muster spiegelt sich auch bei der Beteiligung der Industrie an den geförderten Verbundprojekten wider. So kommt eine explorative Studie zu den Formen der direkten Projektförderung des Bundes zu dem Ergebnis, dass in rund 90€% der Fälle, in denen sich Institute der FhG an Verbundprojekten beteiligten, auch Unternehmen einbezogen sind, während dieser Anteil bei der MPG, HGF und WGL mit etwa 40€% geringer ausfällt (ZWM und ZEW 2007, Abb.€6). Auch dieser Befund lässt den Schluss zu, dass das außeruniversitäre Forschungssystem trotz der institutionellen Veränderungen und Funktionsverschiebungen, die es in den vergangenen rund zehn Jahren erfahren hat, eine hohe Kontinuität und nach wie vor typische und domänenspezifische Differenzen in den Forschungs- und Transferstrategien der großen Wissenschaftsorganisationen aufweist. Dieser Eindruck verdichtet sich, wenn man die Forschungs- und Transferstrategien der Organisationen im Einzelnen betrachtet.5
8.2 S chutz der Grundlagenforschung: Forschungs- und Transferstrategien der Max-Planck-Gesellschaft Folgende Institute und Einrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) lassen sich dem Bereich der Materialforschung und Werkstoffwissenschaft zuordnen: • Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin • Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen • Max-Planck-Institut für Eisenforschung, Düsseldorf 3╇ Weitaus mehr Mittel flossen mit rund 827€Mio.€€ aus der Projektförderung des Bundes an die Universitäten und Hochschulen. 4╇ Eigene Berechnungen auf Basis der sogenannten Profi-Datenbank des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. 5╇ Die im Folgenden präsentierten Befunde basieren auf 24 Experteninterviews, die vom Autor im Rahmen des Projekts InnoMat mit Repräsentanten der großen deutschen Forschungsorganisationen, Instituts- und Abteilungsleitern dieser Organisationen sowie mit Vertretern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in den Jahren 2007 und 2008 durchgeführt wurden.
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• • • • • • •
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Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Potsdam Max-Planck-Institut für Metallforschung, Stuttgart Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik, Halle (Saale) Max-Plack-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, Dresden Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Bereich Oberflächenphysik, Garching Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz
Einige Institute, die den Namen MPI tragen, zählen gleichwohl nicht zu den regulären Einrichtungen der MPG. Die regulären Institute der MPG sind rechtlich unselbständige Einrichtungen. Das MPI für Plasmaphysik ist dagegen eine eigenständige GmbH, die nicht aus dem Globaletat der MPG, sondern nach den Statuten der Großforschungseinrichtungen durch Bund und Sitzländer finanziert wird und deren Fördermittel den Haushalt der Gesellschaft in zweckgebundener Form nur „durchlaufen“. Diese Rechtsform wurde am Ende der 1950er Jahre gewählt, da der Forschungsauftrag des Instituts als schlecht kompatibel mit dem Status der MPG als Organisation der Grundlagenforschung galt. Auch das MPI für Eisenforschung besitzt die Rechtsform einer GmbH, als deren Gesellschafter die MPG und der Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) fungieren. Dieses Institut verfügte in seiner Entwicklung stets über hohe industrielle Drittmittel, die zumeist die Hälfte seines Etats ausmachten und ihm einen Sonderstatus innerhalb der Gesellschaft verliehen. Dies führte als Folge des Rückzugs der MPG aus der angewandten Forschung, den die Gesellschaft nach der Beilegung des forschungspolitischen Konflikts antrat, im Jahr 1973 zu seiner Ausgliederung und Konstitution als rechtlich selbständige Einrichtung. Nach einer rund dreißigjährigen Phase, in der die Drittmittel der MPG selten fünf Prozent überstiegen, setzte in den späten 1990er Jahren dann erneut ein Wachstum dieses Anteils ein, der dann im Jahr 2007 rund 20€% ausmachte (EFI 2009, Abb.€2.24). Die Gesellschaft weist damit zwar auch heute noch einen geringeren Anteil an Drittmitteln auf als die Hochschulen und ihre Nachbarorganisationen in der außeruniversitären Forschung. Das Wachstum der Drittmittel an ihrem Gesamthaushalt aber geht neben ihren Beteiligungen an Sonderforschungsprogrammen der DFG vor allem darauf zurück, dass eine kleine Zahl von Instituten in den vergangenen Jahren zunehmend Forschungsgelder aus den Förderprogrammen der Europäischen Union eingeworben hat und sich derzeit neun Institute zum Teil mehr als zur Hälfte durch Drittmittel finanzieren. Einrichtungen wie etwa das MPI für Polymerforschung in Mainz haben sich für Drittmittel und vor allem für die europäische Forschungsförderung geöffnet und damit den Anteil der Drittmittel in ihren Etats bis zu rund vierzig Prozent gesteigert (Heinze und Arnold 2008). Diese Entwicklung hat sich im Wesentlichen „Bottom-up“ vollzogen und durchaus Ambivalenzen in die Gesellschaft hineingetragen. Es liegt im Interesse der Institute, sich dem Wettbewerb auf der europäischen Ebene zu stellen, wenn sie ihre wissenschaftliche Reputation und Position erhalten wollen. Der MPG eröffnen sich damit neue finanzielle Spielräume, die das „Geleitzugprinzip“, das auf ihrer gemeinschaftlichen Förderung durch Bund und Länder basiert, ein Stück weit außer
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Kraft setzen.6 Zugleich aber wird innerhalb der Gesellschaft zwischen den Instituten und Institutsabteilungen durchaus kontrovers diskutiert. Die Leitung der Gesellschaft übt im Unterschied zu anderen Organisationen in der außeruniversitären Forschung keinen Druck auf die Institute aus, Drittmittel einzuwerben bzw. sich an industriellen Transferprojekten zu beteiligen. Sie sieht ihre Hauptfunktion darin, die wissenschaftliche Autonomie der Direktoren zu schützen und zu sichern. Die Leitung der Gesellschaft folgt, wie dies einer ihrer Repräsentanten im Interview formulierte, der Maxime: „Max-Planck-Direktoren haben das Recht, keine Drittmittel einzuwerben“. Dieser Leitidee liegt die Befürchtung zugrunde, durch die Ausweitung von technologisch orientierten Drittmittelprojekten in den Sog des wissenschaftlichen Mainstreams zu geraten und damit die Befähigung zu verlieren, innovative Wege abseits der normalwissenschaftlichen Entwicklung einzuschlagen. Auf einer ähnlichen Befürchtung basiert das organisationspolitische Prinzip, die Kooperation der Gesellschaft und ihrer Institute mit der Industrie zu begrenzen. Sowohl auf der Leitungsebene der Gesellschaft als auch auf der Ebene der Institute gilt der Grundsatz, dass die Aufgabe der MPG an der Schnittstelle zur Produktentwicklung und kommerziellen Verwertung von Forschungsergebnissen endet. Dementsprechend beteiligen sich die Institute in der Regel nicht am „Up-Stream“ in der Wertschöpfungskette und an der Entwicklung von konkreten Produkten. Sie beschränken sich auch in technologieorientierten Projekten darauf, bestimmte grundsätzliche Eigenschaften von Materialien nachzuweisen und begrenzen ihr Engagement auf diesen Nachweis. Das Hauptmotiv der Institute für Kooperationen mit der Industrie in nationalen oder europäischen Verbundprojekten besteht darin, der Gefahr zu entgehen, „blinde Flecken“ für künftig relevant werdende Forschungsgegenstände zu entwickeln, wie dies einer der Direktoren ausdrückte, und ihre thematische Anschlussfähigkeit an die technologische Forschungsfront zu wahren. Zugleich befürchten sie durch ein weitergehendes Engagement im Up-Stream der Wertschöpfungskette in praktische Problemstellungen verwickelt zu werden, die sie von der Forschungsfront wegführen. Die von der MPG favorisierte Form des Forschungstransfers besteht in der Ausgründung von kleinen Unternehmen und der Lizenzierung von Patenten. Diese Form von Transferstrategie scheint, wie auch Renate Mayntz (Mayntz 2001) vermutet, noch am ehesten kompatibel mit dem Identitätsentwurf der MPG als Organisation der Grundlagenforschung, da sie mit der Ausgründung von Firmen zugleich die Institute von Anwendungsproblemen entlastet.7 Unterstützung bei der Gründung neuer Firmen leistet Max-Planck-Innovation, eine GmbH, die bereits 1970 als „Garching Instrumente“ ins Leben gerufen wurde und einige Jahre unter 6╇ So wie in einem Geleitzug das langsamste Schiff die Geschwindigkeit des gesamten Verbands bestimmt, bremst im Prinzip das finanzschwächste Land das Wachstum der institutionellen Förderung der MPG aus. 7╇ „Dadurch, dass mit ihnen die anwendungsnahe Forschung und Entwicklung gewissermaßen aus den MPI ‚ausgelagert‘ wird, schützen sie möglicherweise die Themenfindung in den Instituten vor Versuchen der Indienstnahme durch die Praxis“ (Mayntz 2001, S.€52).
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dem Namen „Garching Innovation“ firmierte. Der Bereich der Zuständigkeit von Max-Planck-Innovation ist eng auf die Aufgaben Patent- und Lizenzgeschäft und Ausgründungsunterstützung begrenzt und schließt Forschungskooperationen mit der Industrie explizit aus. So wie das Gründungsgeschehen sowohl an den Universitäten als auch im Bereich der außeruniversitären Forschung in Deutschland insgesamt weisen die Ausgründungsaktivitäten auch im Fall der MPG nur eine geringe Dynamik auf. An den zwischen 6.000 bis 7.000 Ausgründungen, die in den Jahren 1996 bis 2006 aus den Hochschulen und außeruniversitären Forschungsorganisationen in Deutschland zu verzeichnen waren, besaß die MPG einen Anteil von ca. 0,5€% (EFI 2009, Abb.€3.20). Von den insgesamt 87 Spin-offs, die die MPG seit 1990 ausgegründet hat, gingen 11 Firmen aus Instituten hervor, die sich der Materialwissenschaft zuordnen lassen (Max-Planck-Innovation 2009).
8.3 F orschungsverbünde und interne Vernetzung der Fraunhofer-Gesellschaft Die FhG betreibt innerhalb des Verbundes „Werkstoffe, Bauteile – Materials“ die folgenden materialwissenschaftlichen und werkstofftechnischen Institute: • • • • • • • • • • • • • • • • •
Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung, Potsdam Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Stuttgart Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit, Darmstadt Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, Teilinstitut für Chemische Energieträger, Pfinztal Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, Teilinstitut für Polymertechnik, Pfinztal Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung, Bremen Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut, Braunschweig Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme, Dresden Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, Freiburg Fraunhofer-Institut für Silicatforschung, Wertheim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik, Freiburg Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik, Institutsteil Halle Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik, Center für Silizium-Photovoltaik, Halle (Saale) Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren, Saarbrücken Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren, Institutsteil Dresden.
Während die MPG in der jüngeren Vergangenheit dem Druck einzelner Institute, sich in höherem Maße technologieorientierten Projekten zuzuwenden, nachgegeben
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hat, unternahm die FhG dagegen den Versuch, den Status der Grundlagenforschung innerhalb der Gesellschaft aufzuwerten, ihre wissenschaftliche Exzellenz zu steigern, die Institute im Bereich der Materialforschung organisationsintern stärker zu vernetzen und sie dazu in die Lage zu versetzen, Forschungsketten in der industriellen Auftragsforschung zu bilden. Kernstücke dieser Bemühungen waren die Modifikation der Anreizfinanzierung und die Schaffung von Verbünden, in denen sich Institute organisieren, die auf benachbarten Forschungsfeldern arbeiten. Im Bereich der Materialforschung und Werkstofftechnik entstand durch diese Reform der Verbund „Werkstoffe, Bauteile – Materials“, der mit seinen dreizehn Instituten das Gros der materialwissenschaftlichen Einrichtungen der FhG umfasst, während sich ein kleiner Teil, der diesem Feld zuzuordnen ist, im Verbund Produktion organisiert.8 Mit diesen Reformen reagierte die FhG auf die Kritik der Systemevaluation der großen deutschen Wissenschaftsorganisation am Ende der 1990er Jahre, dass eine Reihe ihre Institute einen zu hohen Anteil an industrieller Auftragsforschung aufweise, nicht genügend Grundlagenforschung betreibe und sich zu sehr an der industriellen Nachfrage und zu wenig an der angebotsseitigen Entwicklung neuer Produkte und Verfahren orientiere (FhG 1998). Darüber hinaus bemängelte der Evaluationsbericht neben einer zu geringen Vernetzung der FhG mit anderen außeruniversitären Forschungsorganisationen auch eine zu geringe interne Kooperation zwischen den Fraunhofer-Instituten. Er monierte, dass die Beziehungen zwischen den einzelnen Einrichtungen primär dem Muster einer negativen Koordination folgten und mögliche FhG-interne Synergieeffekte ungenutzt blieben. Mit der Modifikation der Anreizfinanzierung hat die Gesellschaft die lineare Koppelung der Grundförderung an die Erträge aus der Auftragsforschung durch eine Regelung ersetzt, die sowohl zu niedrige als auch zu hohe Anteile der Vertragsforschung am Haushalt eines Instituts negativ sanktioniert.9 Das Ziel dieser Modifikation besteht darin, ein stabiles Gleichgewicht von industrieller Auftragsund institutseigener Vorlaufforschung zu schaffen und ihre Akquisitionsstrategien zu vereinheitlichen. Die Maßnahme sollte verhindern, dass sich einzelne Einrichtungen zu verlängerten Werkbänken der Industrie entwickeln, indem sie wissenschaftlich gewissermaßen ausbluten und zugleich organisationsinternen Konflikten vorbeugen, die sich in der Vergangenheit zwischen Fraunhofer-Instituten mit einem
8╇ Dass die Zuordnung von Instituten zu Verbünden in der FhG nicht immer einer zwingenden Logik folgt, zeigt sich auch daran, dass als Dreizehntes ein sozialwissenschaftliches Institut, nämlich das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) dem Verbund „Werkstoffe, Bauteile – Materials“ angehört. 9╇ Der Prozentsatz der öffentlichen Zuschüsse zu seinen industriellen Erträgen ist dabei so gestaffelt, dass er sowohl einen zu geringen als auch zu hohen Wirtschaftsanteil bestraft. Bleibt ein Institut unterhalb eines Satzes von 35€% an industriellen Aufträgen, erhält es lediglich einen Zuschuss von 10€% zu diesen Erträgen. Zwischen 35 und 55€% macht dieser Zuschuss dagegen 40€% aus, während er wiederum auf 10€% sinkt, wenn die industriellen Erträge über 55€% hinausgehen. Soweit es öffentliche Forschungsaufträge angeht, gilt ein Sockelbetrag, zu dem keine zusätzlichen Mittel fließen. Oberhalb dieses Betrags erhält das Institut 15€% an zusätzlicher Grundfinanzierung.
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hohen Anteil an industriellen Mitteln bzw. einem hohen Anteil an öffentlicher Projektförderung aufgetan hatten (vgl. zu diesen Konflikten Hohn 2006). Komplementär dazu zielte die Einführung der Verbundstruktur darauf ab, ihnen die Abstimmung und Koordination ihrer Forschungs- und Akquisitionsstrategien untereinander zu erleichtern, ihre Forschungsaktivitäten stärker zu vernetzen und sie im besten Fall zu einer gemeinsamen Vorlaufforschung zu befähigen. Das Präsidium der FhG hat die Verbünde zwar zum Teil gegen den Widerstand von Instituten eingerichtet, die um ihre Autonomie fürchteten, faktisch stellen sie aber keine hierarchische Zwischenebene innerhalb der FhG dar. Die Vorsitzenden der Verbünde werden durch Wahl bestimmt und verfügen über keine hierarchischen Machtmittel. Die Verbundstruktur ändert nichts am Kern des Modells Fraunhofer, den das Prinzip der weitgehend autonomen „Profit Centers“ ausmacht, und sie hebt auch den Wettbewerb zwischen den Instituten nicht auf. Soweit dies die Materialforschung und den Verbund „Werkstoffe, Bauteile – Materials“ angeht, lassen Fallstudien auf der Ebene des Vorsitzes und einzelner Institute den Schluss zu, dass den Reformzielen der FhG tatsächlich weitgehend Erfolg beschieden ist. Das modifizierte Finanzierungssystem wird von den Instituten als ein Modell begrüßt, das eine klare Handlungsorientierung und instruktive Anreize liefert und trifft dementsprechend dort auch auf breite Akzeptanz. Auch der Vorsitzende des Verbundes ist davon überzeugt, dass die Orientierungs- und Handlungssicherheit, die sich mit diesem Modell verbindet, es den Instituten erlaubt, sich eng am Bedarf der Industrie auszurichten und zugleich ein Maß an Vorlaufund Eigenforschung zu betreiben, das ihre Innovationsfähigkeit erhält. So verfügen denn auch alle Institute des Verbundes über ein im Sinne der Reform ausgewogenes und gleichgewichtiges Verhältnis von industrieller bzw. öffentlicher Auftrags- und institutseigener Vorlaufforschung; und angesichts der Varianz, die in dieser Hinsicht noch in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende unter ihnen bestand, dürfte die Reform der Anreizfinanzierung tatsächlich zu einer Vereinheitlichung ihrer Akquisitionsstrategien geführt haben. Auch das mit der Bildung des Verbunds verfolgte Ziel, die Münchener Zentrale der Gesellschaft von Koordinationsaufgaben zu entlasten und die Institute dazu in die Lage zu versetzen, sich auf einer horizontalen Ebene effektiver selbst zu organisieren, ist weitgehend erreicht worden.10 Die Institute betreiben keine gemeinsame Vorlaufforschung bzw. schließen sich nur gelegentlich bi- oder mulilateral zu entsprechenden Projekten zusammen. Gleichwohl hat es ihnen die Verbundstruktur ermöglicht, ihre Eigenforschung und mittelfristige Programmplanung in wechselseitig ergänzenden Forschungsstrategien aufeinander abzustimmen. Dies befähigt sie dazu, zu ihrem gegenseitigen Vorteil, Win-Win-Spiele zu realisieren und sich In der Kommunikations- und Informationstechnik scheint sich dagegen die Verbundstruktur weniger zu bewähren. Dort ist der Wettbewerb unter den Einrichtungen stärker ausgeprägt und verfolgen die Institute in höherem Maße voneinander unabhängige Forschungs- und Akquisitionsstrategien. Die Gründe hierfür sind unklar, könnten aber mit dem im Vergleich zur Materialforschung geringeren Grad der Interdependenz der Forschungsaufgaben auf diesem Feld zusammenhängen (vgl. dazu Hohn 1998).
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entlang von Wertschöpfungsketten und auf jeweils entsprechenden Marktsegmenten zu organisieren, für die sie komplementäre Technologien bereitstellen.11 Die Organisation solcher Ketten gelingt vor allem in der Automobilindustrie, für die alle materialwissenschaftlichen Institute des Verbunds kontinuierlich Auftragsforschung betreiben. So sehr die Bildung von Verbünden im Fall der materialwissenschaftlichen Forschung die interne Vernetzung der Institute vorangetrieben hat, so deutlich zeigen sich aber auch in jüngster Zeit und als Folge des auf diesem Feld rasant steigenden interdisziplinären Kooperations- und Koordinationsbedarfs die Grenzen dieser Strategie. So ist etwa in der biotechnologischen Forschung seit einigen Jahren ein wachsender Bedarf an materialwissenschaftlichem Wissen entstanden, während die Materialwissenschaft umgekehrt in manchen Bereichen heute zunehmend auch auf biotechnologisches Wissen angewiesen ist. Führenden Repräsentanten zufolge mangelte und mangelt es aber an einer entsprechenden Zusammenführung des in der FhG vorhandenen Wissens und Know-hows und an Kooperation zwischen den Verbünden und Instituten auf beiden Feldern. Der Vorstand versucht diesem Problem durch FhG-interne Allianzen zu begegnen, mit denen er unabhängig von und „quer“ zu den Verbünden Institute aus unterschiedlichen Wissensfeldern wie der Materialforschung und den Life Sciences in einer Art Matrixstruktur organisiert. Es ist eine empirisch offene Frage, ob und in welchem Maße sich dieser Ansatz zur internen Vernetzung als funktionstüchtig erweist. Er verdeutlicht aber, dass sich in einem derart dynamischen Umfeld wie der Materialwissenschaft die Strategie der Verbünde disziplinär verwandter Institute schon rasch als volatile organisatorische Lösung erweisen könnte. Soweit die FhG die intraorganisatorische Vernetzung ihrer Institute in den vergangenen Jahren vorangetrieben hat, nimmt sich ihre interorganisatorische Vernetzung mit entsprechenden Einrichtungen in der außeruniversitären Forschung allerdings nach wie vor gering aus. Sieht man einmal vom MPI für Eisenforschung ab, mit dem vor allem die in der Fertigungstechnik engagierten Einrichtungen des Verbundes in einer langen Tradition zusammenarbeiten, gibt es dem Vorsitzenden des Verbundes zufolge mit der MPG nur „punktuelle Kooperationen“. Diese punktuellen Kooperationen sind FhG und MPG auf Betreiben des BMBF tentativ eingegangen, und sie gestalten sich, wie Heinze und Kuhlmann zeigen, schwierig und nicht immer erfolgreich (Heinze und Kuhlmann 2007). Ähnliches gilt für die Forschungszentren der HGF. Auch mit diesen Einrichtungen unterhalten die materialwissenschaftlichen Institute der FhG nur wenige Kontakte von zudem geringer Bedeutung für ihre strategische Ausrichtung. Eine weitere, in der Funktionsweise des Modells FhG institutionell verankerte Schwäche besteht in den Problemen der Gesellschaft, Ausgründungen zu organisieren. Zwar bieten ihre marktnahe Forschung und hohe Vernetzung mit der Industrie prinzipiell günstige Bedingungen für Spin Offs, solche Ausgründungen konfligieren aber mit der erfolgsabhängigen Finanzierung der FhG. Durch die Ausgründung 11╇ Für solche Win-win-Spiele hat sich innerhalb der FhG der selbstironische Begriff der „Beutegemeinschaften“ herausgebildet.
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von Firmen schaffen sich die Institute nicht nur potentielle Konkurrenten am Markt für die Auftragsforschung, sondern senken mit dem Verlust an industriellen Aufträgen auch ihre eigene Grundförderung ab. Dieser Logik entsprechend haben sie allen Anlass, Ausgründungen solange zu vermeiden, wie sie negative Auswirkungen auf das Volumen ihrer industriellen und öffentlichen Aufträge befürchten müssen. So wie die großen deutschen Forschungsorganisationen generell nur relativ wenig zum Gründungsgeschehen in Deutschland beitragen, steuert auch die FhG ebenfalls nur in geringem Maße zu diesem Geschehen bei, wenngleich sie mit einem Anteil von 0,8€ % an den gesamten Ausgründungen unter den außeruniversitären Einrichtungen die Führungsposition einnimmt (EFI 2009, Abb.€3.20). Fraunhofer Venture, das Pendant zu Max-Planck-Innovation unter dem Dach der FhG, weist 22 Ausgründungen aus den Instituten des Verbundes „Werkstoffe, Bauteile – Materials“ für den Zeitraum von 1999 bis 2008 aus (Fraunhofer Venture 2009).
8.4 I m Spannungsfeld zwischen Forschung und Transfer – Orientierungsambivalenzen in der Großforschung Unter dem Dach der Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) befassen sich folgende Zentren mit materialwissenschaftlichen und werkstofftechnischen Forschungsfragen: • • • •
Deutsches Elektronen Synchrotron DESY Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.€V. (DLR) Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ) Karlsruher Institut für Technologie (KIT), ehemals Forschungszentrum Karlsruhe GmbH (FZK) • GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH • GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH Darmstadt • Helmholtzzentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH (HZB) Während die FhG über eine Governancestruktur verfügt, die das Forschungshandeln der Institute in instruktiver Weise durch Anreize orientiert und anleitet, besteht im Fall der Helmholtz-Zentren eine Kluft zwischen der Form ihrer Institutionalisierung und den Erwartungen, die sich in der Politik und Öffentlichkeit insbesondere im Hinblick auf Transferleistungen an sie richten. Das Modell der Großforschung war in einem nur sehr spezifischen Sinne am Transfer von Technologien und Knowhow ausgerichtet. Mit ihm ging es darum, ein komplettes großtechnisches System wie etwa den Schnellen Brüter bis zum Stadium eines Prototyps zu entwickeln, dessen Betrieb und inkrementelle Weiterentwicklung dann auf die Industrie übergehen sollte. Diese Aufgabe ließ sich in seriellen Schritten, weitgehend „in-house“ und im Rahmen einer hierarchischen und matrixförmigen Organisationsstruktur bewältigen. Sie entsprach auch weitgehend dem Konzept von der Großforschung als einem Forschungstypus, der sich in der arbeitsteiligen Struktur der außeruniversitären Forschungslandschaft genau zwischen der MPG und der FhG als Einrichtung der staatlichen Vorsorgeforschung positionierte (Hohn 1998).
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Nach dem Verlust ihrer Aufgaben in der Kernphysik und Reaktortechnik ging dann allerdings auch die Möglichkeit verloren, die Forschungsaktivitäten im Rahmen einer vertikal integrierten Struktur auf bestimmte Transferziele zu bündeln. Vielmehr setzte sowohl in der Forschungspolitik des Bundes als auch in den Großforschungseinrichtungen in Karlsruhe und Jülich selbst Unsicherheit und Ungewissheit über ihre Aufgaben ein. Mit deren zunehmender Diffusität wandten sich die Zentren einer Vielzahl von vergleichsweise „kleinteiligen“ Technologien zu, durch die sie sich sowohl thematisch als auch organisationsstrukturell in wachsendem Maße diversifizierten. Obwohl die Governancestruktur der „Big Science“ den neuen Aufgaben der Zentren kaum mehr angemessen war, hielt der Bund an diesem bürokratischen Modell von Forschungsorganisation fest. Es blieb damit bei der generellen Erwartung, dass die Zentren prinzipiell für den Transfer von Forschungsergebnissen zuständig waren, zugleich blieb aber auch unklar, ob und wie weit sich ihr Engagement in der Wertschöpfungskette auch auf die Produktentwicklung erstrecken sollte. Insbesondere verzichtete der Bund darauf, Belohnungsmechanismen für Transferaktivitäten zu schaffen, die den Großforschungszentren entsprechende Anreize geboten hätten. Ein wichtiger Grund für diesen Verzicht bestand darin, dass eine solche Anreizstruktur leicht mit der arbeitsteiligen Ordnung des außeruniversitären Forschungssystems in Konflikt geraten wäre und die Domäne der FhG hätte bedrohen können. Als Folge dieser Entwicklung haben die Helmholtz-Zentren und ihre Institute die Grenzen ihrer Zuständigkeit für den Technologietransfer stets eng interpretiert. Viele Institute lehnen es durchweg ab, sich über den Nachweis hinaus, dass bestimmte Techniken grundsätzlich funktionieren, an ihrer Weiterentwicklung zu marktfähigen Produkten zu beteiligen. In anderen Fällen beklagen Kooperationspartner aus der Wissenschaft und Wirtschaft ihr oft nur geringes Commitment und ihre Neigung, sich aus gemeinsamen Transferprojekten zurückzuziehen. Ihr oft nur begrenztes Engagement führt häufig auch dazu, dass sie kaum in die Suche nach den fast immer existierenden alternativen und zusätzlichen Verwendungs- und Verwertungsmöglichkeiten neuer Materialen als den ursprünglich avisierten investieren. Umgekehrt zieht die Antizipation ihres begrenzten Engagements nicht selten nach sich, dass andere Forschungsorganisationen und Unternehmen darauf verzichten, Helmholtz-Institute bei Transferprojekten gewissermaßen ins Boot zu holen. Als Folge dieses Reputationseffekts können sich Situationen einstellen, in denen sich Einrichtungen der Zentren und Kooperationsprojekte zwischen der Industrie und anderen Forschungsorganisationen parallel und unabhängig voneinander mit der Entwicklung ein und derselben Technologie befassen. Das institutionelle Setting der Helmholtz-Zentren hat viele Institute dazu motiviert, den Weg in die Grundlagenforschung einzuschlagen. Mit welchem Nachdruck sie dies verfolgen und mit welchem Erfolg dies gelingt, hängt zumeist von den Motiven und Interessenlagen einzelner Akteure, insbesondere der Institutsdirektoren und deren Verhandlungsmacht, Verhandlungsgeschick und wissenschaftlicher Reputation ab. Generell besitzen die Institutsleitungen in den Helmholtz-Zentren eine hohe Autonomie und Definitionsmacht hinsichtlich ihrer Forschungsstrategien sowohl gegenüber dem Bund als auch den Vorständen; und viele Institute der Forschungszentren lassen sich weder im Hinblick auf ihre Autonomie, noch, was
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ihre wissenschaftliche Exzellenz und Reputation anbelangt, von Einrichtungen der MPG unterscheiden.12 Auch in ihrer Drittmittelpolitik gleichen diese Institute ihren Nachbareinrichtungen in der MPG, indem sie solche Mittel nur in eng begrenztem Maße bzw. nur dann akzeptieren, wenn sie ihre aus der Grundförderung finanzierten eigenen Programme ergänzen. So wie für den Technologietransfer gibt es innerhalb der HGF und ihrer Zentren keine generelle und konsistente Anreizstruktur oder formelle Vorgaben für die Einwerbung von Drittmitteln. Es gilt im Prinzip lediglich die Maxime, dass die Akquisition externer Forschungsgelder erwünscht ist und erwartet wird. Allerdings werden Drittmittel mittlerweile in der Evaluation der Institute mit berücksichtigt. Gleichwohl ist die Zahl von Instituten mit einem relativ hohen Anteil an Drittmitteln in den vergangenen Jahren angestiegen. Dieser Anteil macht häufig ein Drittel und mehr ihres Haushalts aus und stammt meist aus der direkten Projektförderung des Bundes und dient häufig zur Kompensation einer rückläufigen oder stagnierenden Grundförderung. Aber auch in den drittmittelstarken Instituten ist die orientierende Wirkung, die der Bund mit der direkten Projektförderung anstrebt, oft fraglich. Geht es nach den Instituten, so sollten solche Mittel prinzipiell hauptsächlich dazu dienen, die grundfinanzierten Programme zu ergänzen. Sie greifen auf Projektmittel bevorzugt zurück, wenn sie es ihnen erlauben, diese Programme zu vertiefen und zu verbreitern; und sie können ihre Reputation steigern, wenn die Gelder im wissenschaftlichen Wettbewerb eingeworben werden. Die Ausschreibungen des Bundes und die Finanzierungsquellen werden sorgsam unter diesem Aspekt ausgewählt, und auch Kooperationen mit der Industrie, die etwa in der Projektförderung des Bundes in der Regel eine Voraussetzung für die Bewilligung von Anträgen sind, werden vorzugsweise unter diesem Gesichtspunkt selektiert. In den Augen beteiligter Akteure hat die Einführung der Programmorientierten Förderung (↜PoF) das Potential der Projektförderung, orientierend auf die Forschungsaktivitäten der Helmholtz-Institute einzuwirken, zudem nochmals abgesenkt. So beklagen Vertreter von Projektträgern und Referaten des Bundesforschungsministeriums, dass die Grundfinanzierung der Institute seit der Einführung der PoF in hohem Maße an deren Programme gebunden ist und sich deshalb um so weniger für die Ziele der Projektförderung mobilisieren lässt. Ähnliches gilt für die Evaluationen, denen die Helmholtz-Zentren und ihre Institute seit der Einführung dieses neuen forschungspolitischen Instruments unterliegen. Die Evaluationen, die die HGF im Rahmen der PoF und ihrer fünfjährigen Programme durchführt, steuern die Institute nochmals deutlich weg von anwendungsund transferorientierten Aktivitäten. Sie basieren primär auf innerwissenschaftlichen Standards und Kriterien, bei denen solche Aktivitäten außen vor bleiben und mit denen sie vor allem das Publikationsverhalten einzelner Wissenschaftler, Abteilungen und Institute bewerten. Dies kommt faktisch einer negativen Sanktion und Entmutigung transferbezogener Forschungs- und Entwicklungsstrategien gleich. Beispielhaft sei hier nur der Nobelpreis in Physik genannt, der im Jahr 2007 für die Entdeckung des Riesenmagneto-Widerstandseffektes an das Forschungszentrum Jülich ging.
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Auch die HGF hat mit 0,4€% in den zehn Jahren von 1996 bis 2006 nur in geringem Maße zum Ausgründungsgeschehen in Deutschland beigetragen (EFI (Hrsg) 2009, Abb.€ 3.20). Die Gründe hierfür sind, wenn auch weniger eindeutig als im Fall der FhG, dass sich die Institute durch Ausgründungen potentielle Konkurrenten am Markt für die Auftragsforschung schaffen und mögen weiterhin mit der starken innerwissenschaftlichen Orientierung der Institute und Forscher innerhalb der Zentren zusammenhängen.
8.5 T ypen materialwissenschaftlicher Forschung in der Leibniz-Gemeinschaft Die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) vereint innerhalb ihres organisatorischen Rahmens die folgenden materialwissenschaftlichen und werkstofftechnischen Einrichtungen: • • • • • • • • •
Forschungszentrum Rossendorf e.€V., Dresden Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung e.€V., Dresden Institut für Innovative Mikroelektronik, GmbH, Frankfurt (Oder) Institut für Kristallzüchtung im Forschungsverbund Berlin e.€V., Berlin Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.€V., Greifswald Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung e.€V., Leipzig Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e.€V., Dresden Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik e.€V., Berlin Leibniz-Institut für Neue Materialien, GmbH, Saarbrücken.
Die WGL ist die jüngste und heterogenste Forschungsorganisation unter den „Säulen“ des außeruniversitären Forschungssystems in Deutschland und umfasst als Einrichtung, die aus der sogenannten „blauen Liste“ hervorging (vgl. Kap.€3, Abschn.€3.2.1), Institute mit sehr unterschiedlichen Aufgabedefinitionen, deren Spektrum von der Grundlagenforschung über Dienstleistungen in der Aus- und Weiterbildung, dem Betrieb von Museen und unmittelbar industrieorientierten Aktivitäten reicht. Die WGL entspricht bislang einem eher losen Dachverband von jeweils selbständigen Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen und weist bislang einen relativ geringen Grad an organisatorischer Autonomie und strategischer Handlungsfähigkeit nach innen und außen auf. Mit ihr ist kein neues Modell von Forschungsoder Transferorganisation entstanden. Ihre Hauptfunktion besteht vielmehr in einer Evaluation der Institute, die im Turnus von sieben Jahren stattfindet und auf deren Basis Empfehlungen für ihre künftige Entwicklung und über ihren Verbleib in der WGL ausgesprochen werden. Die Kriterien, an denen sich die Evaluation der Institute ausrichtet, orientieren sich im Fall der Materialforschung stark an innerwissenschaftlicher Exzellenz. Die Möglichkeit, mit der WGL als einem neuen Akteur innerhalb der außeruniversitären Forschungslandschaft zugleich auch einen neuen Typus von Forschungsorganisation zu schaffen, der mit neuen Strategien der Governance von Forschungs- und Transferprozessen experimentiert, ist bislang nicht er-
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griffen worden. Die WGL verfügt über keine besonderen Belohnungsmechanismen für Transferaktivitäten, noch kann sie, wie dies die FhG vermag, ihren industrienahen Einrichtungen besondere Anreize dafür setzen, ein ausgewogenes Verhältnis von Grundlagen- und Anwendungsforschung einzuhalten. Die Forschungsstrategien, die die einzelnen Einrichtungen der WGL verfolgen, hängen stark von den Präferenzen der Institute selbst und ihren Financiers auf der Ebene des Bundes und der jeweiligen Sitzländer ab. Dies gilt auch für den Wissens- und Technologietransfer, der ebenfalls in der Eigenverantwortung der Institute liegt und für den die WGL bislang keine zentralisierte Funktion ausdifferenziert hat. Wie die Einrichtungen der WGL insgesamt weisen auch ihre materialwissenschaftlichen Institute sehr unterschiedliche Orientierungen auf und verfolgen ebenso unterschiedliche Forschungs- und Transferstrategien. Während sich einige dieser Institute in sehr erfolgreicher Weise in der Grundlagenforschung etabliert haben, laufen andere den Evaluationen der WGL zufolge eher Gefahr, den Anschluss an die wissenschaftliche Entwicklung zu verlieren. Im Wesentlichen lassen sich drei Typen von materialwissenschaftlichen Einrichtungen innerhalb der WGL identifizieren: Institute mit einer grundlagenorientierten Forschung, mit einer primär technologischen Ausrichtung und mit stark industrienahen Aktivitäten. Alle drei Institutstypen verfügen über einen hohen Drittmittelanteil, der rund fünfzig Prozent ihres Haushalts ausmacht, sich jedoch aus unterschiedlichen Quellen zusammensetzt. Während die Drittmittel des ersten Typus nahezu ausschließlich aus Fördermitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) stammen, setzten sie sich im Fall des zweiten Typus je zur Hälfte aus Geldern der Forschungsgemeinschaft und der Projektförderung des Bundes zusammen. Die Kooperation mit der Industrie beschränkt sich in beiden Fällen darauf, Unternehmen ihre wissenschaftliche Expertise zur Verfügung zu stellen. An der Entwicklung konkreter Produkte beteiligen sie sich nicht. Soweit die Projektförderung des Bundes wie beim zweiten Institutstypus einen beachtlichen Anteil am Institutshaushalt ausmacht, nehmen sich auch in diesem Fall deren orientierende Effekte auf die Forschungsagenda der Einrichtungen meist gering aus. Die Beteiligung von Unternehmen an Projekten, die aus diesen Fördermitteln finanziert werden, dient vor allem dazu, die Chancen zur Bewilligung von Anträgen zu erhöhen. Generell aber gelten die Projektmittel des Bundes als ergänzende Ressourcen für die interne Programm- und Projektplanung der Institute. Der dritte materialwissenschaftliche Institutstypus, der sich unter dem Dach der WGL findet, kombiniert seine starke Orientierung an der Industrie mit einem vertikal integrierten Modell von Forschungsorganisation. Er weist eine hohe Fertigungstiefe auf, die bis hin zur „in-house“-Produktion von Kleinserien im semi-industriellen Maßstab reicht. Ähnlich wie dies die Systemevaluationen am Ende der 1990er Jahre für einzelne Einrichtungen der FhG formuliert haben, ist er damit in die Kritik geraten, die Grundlagenforschung zu vernachlässigen, wissenschaftlich den Anschluss an innovative Forschungsfragen zu verlieren und sich zur „verlängerten Werkbank“ der Industrie zu entwickeln. Dementsprechend steht dieser Typus unter hohem Druck, die Bilanz seiner wissenschaftlichen Aktivitäten zu verbessern. Wenngleich die WGL relativ zu ihrer Größe die höchste Zahl von Ausgründungen unter den außeruniversitären Forschungseinrichtungen aufweist, fällt auch ihr
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Beitrag zum Ausgründungsgeschehen in Deutschland mit einem Anteil von 0,5€% in den Jahren von 1996 bis 2006 nur gering aus.
8.6 I ntermediäre Akteure – Eine neue Strategie zur Vernetzung heterogener Partner? Trotz des institutionellen Wandels, der das deutsche Forschungssystem seit etwa zehn Jahren erfasst hat, weist dieses System nach wie vor domänen- und organisationsspezifische Bruchstellen in der Kette vom Material zum Produkt auf. Versuche, diese Bruchstellen durch intermediäre Einrichtungen wie Transferstellen zu minimieren, haben mittlerweile zu einer nur schwer zu überschauenden Vielzahl und Vielfalt von intermediären Einrichtungen geführt, deren Aufgabe darin besteht, zwischen der Wissenschaft und Wirtschaft zu vermitteln, Kontakte zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen herzustellen und Transferprozessen gewissermaßen den Weg zu ebnen. Die Effektivität dieser Einrichtungen wird allerdings aus verschiedenen Gründen oft bezweifelt (Czarnitzki et€al. 2001; EFI 2009). Einer der Hauptkritikpunkte in diesem Zusammenhang lautet, dass diese Intermediäre weder über die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen noch über das notwendige technologische und institutionelle Wissen verfügen und als „Außenstehende“ kaum eine ausreichende Akzeptanz erfahren, um eine nachhaltige Vernetzung ihrer Adressaten bewirken zu können. Umso bemerkenswerter erscheint es, dass in der jüngeren Vergangenheit im Rahmen von regionalen Netzwerkinitiativen und Innovationsclustern ein völlig neuer Typus von intermediärem Akteur entstanden ist, der die Aufgabe der Vernetzung und Koordination „heterogener Partner“ (Kuhlmann et€al. 2003) mit effektiveren Mitteln vorantreibt. Wie bereits auf dem Feld der Biotechnologie sind in den vergangenen Jahren auch auf dem Gebiet der Materialforschung sowohl auf Initiative des Bundes und einzelner Länder als auch auf Betreiben der Industrie neue Organisationsformen entstanden, deren hauptsächliches Ziel darin besteht, Akteure aus der Wissenschaft und Wirtschaft in Innovationsverbünden zu organisieren. Ein Beispiel für ein solches Innovationsnetzwerk bildet das „Composite Technology Center Stade“ (CTC), das auf der Basis einer „Public Private Partnership“ des Landes Niedersachsens und der Airbus Deutschland GmbH entstanden ist.13 Das CTC ist eine Tochter von Airbus, die in bewusster Abkehr vom Prinzip der vertikalen Integration mit dem Ziel gegründet wurde, die eigene Fertigungstiefe angesichts der Vielzahl und Vielfalt aussichtsreicher Einzeltechnologien auf dem Gebiet der Verbundwerkstoffe im Flugzeugbau durch die Auslagerung von F&EAktivitäten in kleine und mittelständische Betriebe zu reduzieren. Das CTC gründete seinerseits den Verein CFK-Valley aus, in dem interessierte Forschungseinrichtungen und Unternehmen Mitglied werden können. CFK-Valley ist in den ver13╇ Andere Beispiele sind die Programme „Integrative Produktionstechniken für energieeffiziente Turbomaschinen“ und „Cluster Neue Werkstoffe“.
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gangenen Jahren stetig expandiert und umfasst derzeit rund achtzig Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Die Hauptaufgabe des CTC besteht nicht darin, eigene Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zu betreiben. Ihm obliegt es vielmehr vor allem, Prozesse der Selbstorganisation und Selbstkoordination unter den Mitgliedern von CFK-Valley sowie auch mit Partnern außerhalb dieses engeren Netzwerks zu initiieren, zu forcieren und aufrecht zu erhalten. Dazu nutzt es Foren und Arbeitsgruppen, Workshops und Tagungen, um den Bedarf an Problemlösungen zu kommunizieren und setzt durch die Ausschreibung von Aufträgen entsprechende Anreize für die Suche nach solchen Lösungen innerhalb des engeren und erweiterten Netzwerks seiner Mitglieder. Das Ziel dieser Vorgehensweise besteht darin, komplementäre Wissensbestände zu mobilisieren, über die angesichts des hohen Grades an technologischer Ungewissheit kein individuelles Mitglied des Netzwerks verfügt. Als Folge solcher Netzwerkeffekte hat sich aber auch das Spektrum der Produkte, die innerhalb des Clusters erforscht und entwickelt werden, bereits in wenigen Jahren ausgedehnt. Ging es mit seiner Gründung zunächst darum, Entwicklungspartner und mittelständische Unternehmen in der Nähe des Produktionsstandorts von Airbus anzusiedeln, um ein regionales Innovationsnetzwerk ausschließlich für die Zwecke des Flugzeugbaus zu errichten, so geht es mittlerweile auch um den Bau von Schiffen, Schienenfahrzeugen, Nutzfahrzeugen und Personenkraftwagen. Diese alternativen Entwicklungsziele wurden ursprünglich weder angestrebt noch vorausgesehen, sondern stellten sich unerwartet durch Synergie- und Lerneffekte ein, die im Rahmen einer „in-house“ organisierten F&E beim Mutterunternehmen schwerlich hätten stattfinden können. Oder wie dies ein Vorstandsmitglied des CTC formuliert: „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, einen Truck aus CFK zu bauen. Aber siehe da, da existiert ein hervorragendes Geschäftsmodell.“ Zugleich fungiert das CTC als ein intermediärer Akteur, der sich als Vermittler und Makler zwischen „heterogenen Partnern“ darum bemüht, öffentliche Forschungseinrichtungen untereinander und mit der Industrie zur Kooperation zu bewegen und sieht darin sogar eine seiner Hauptaufgaben. Das bereits zitierte Vorstandsmitglied des CTCs drückt dies mit den Worten aus: „Das ist aber gerade der Punkt, der Übergang von der Grundlagenforschung zur industriellen Anwendung, wie kann man da gute Schnittstellen schaffen?“ Das CTC verfügt über umfassende Kenntnisse der deutschen und internationalen Forschungslandschaft im Bereich der Faserverbundwerkstoffe, ist stets aktuell darüber informiert, wer sich wo mit welchen Problemen befasst und setzt dieses Wissen dazu ein, Organisationen aus der Wissenschaft und Wirtschaft zusammenzuführen, bei denen es aussichtsreich erscheint, dass deren kombiniertes Know-how bestimmte technologische Problemlösungen ermöglicht. Dazu lädt es die potentiellen Partner nicht nur selbst zur Partizipation an Kooperationsprojekten ein, sondern versucht auch seine Adressaten dazu zu motivieren, in eigener Regie entsprechende Beziehungen zu knüpfen. So etwa stattet das CTC Unternehmen mit Informationen darüber aus, dass sich bestimmte Einrichtungen mit verwandten Problemen bei der Entwicklung eines Produkts oder Verfahrens befassen und stellt ihnen Aufträge in Aussicht, wenn sie ihrerseits Kooperationen mit diesen Einrichtungen eingehen und
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das dort vorhandene Wissen für die Entwicklung eines Produkts oder Verfahrens nutzen. Diese Bemühungen um die Vernetzung von öffentlichen Forschungseinrichtungen und Unternehmen sind nicht immer von Erfolg gekrönt, haben aber in vielen Fällen dauerhafte und nachhaltige Kooperationsbeziehungen zwischen den Partnern entstehen lassen, die ohne den intermediären Akteur CTC vermutlich nicht zustande gekommen wären. Dies gilt auch für Kooperationen der Forschungseinrichtungen untereinander So hat sich etwa erst durch die Vermittlungsaktivitäten des CTC herausgestellt, dass Institute der HGF und der FhG potentiell über komplementäres Wissen auf dem Gebiet der Klebetechnik im Flugzeugbau verfügen, das sie im beiderseitigen Nutzen einsetzen können. Beide Organisationen sind eine entsprechende Kooperation mit dem CTC eingegangen. Es ist unwahrscheinlich, dass sich innerhalb des deutschen Forschungssystems grundlegende und sprunghafte institutionelle Veränderungen vollziehen. Der institutionelle Wandel dieses Systems präsentiert sich vielmehr als ein begrenzter evolutionärer Veränderungsprozess, in dem Neuerungen in inkrementellen Schritten an bestehende Strukturen anschließen. Das CTC ist ein Beispiel für eine solche inkrementelle Neuerung, dessen potentielle Problemlösungskapazitäten bei der Bewältigung seiner institutionellen Rigiditäten gleichwohl nicht unterschätzt werden sollten. Mit dem CTC ist im Rahmen einer Public Private Partnership ein privater Akteur entstanden, durch den die Industrie „Bottom-up“ die Koordination und Vernetzung der deutschen Forschungslandschaft ein Stück weit selbst in die Hand genommen hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Beispiel Schule macht, wenn sich die staatliche Forschungspolitik künftig dazu entschließt, solche Prozesse der Selbstorganisation und Selbstkoordination ihrer Adressaten konzeptionell zu unterstützen und die Bedingungen der Möglichkeit zu prüfen, auch in anderen Bereichen intermediäre Akteure zu schaffen, die diese Prozesse in Gang setzen und aufrecht erhalten. Möglicherweise lassen sich aus diesem Fallbeispiel präskriptive Lehren für eine effektivere Vernetzung der „heterogenen Partner“ innerhalb des deutschen Forschungssystems durch eine Verlagerung von Koordinationsfunktionen auf intermediäre Akteure ableiten.
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Kapitel 9
Regionale Cluster im Bereich neuer Werkstoffe und ihre Bedeutung für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen Alexander Gerybadze und Sylvie van Cour
Inhalt 9.1â•…Innovationsnetzwerke und Cluster – zwei facettenreiche Konzepte im Vergleich ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓�����������╇ 267 9.2â•…Innovative Werkstoff-Cluster und ihr Einfluss auf die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������������╇ 269 9.3â•…Cluster und Innovationsnetzwerke im Werkstoffbereich ����������������������������������尓���������������╇ 272 9.4â•…Regionale Erfolgsfaktoren ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������������������╇ 277 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 279
Zusammenfassung╇ In diesem Kapitel wird mit Hilfe wichtiger theoretischer Grundlagen und der Darstellung sowie Visualisierung empirischer Ergebnisse ein prägnanter Überblick zu Innovationsnetzwerken und Clustern im Bereich neuer Werkstoffe gegeben. Hierzu werden zunächst die Konzepte Innovationsnetzwerk und Cluster voneinander abgegrenzt. Darauf aufbauend wird erläutert, inwiefern Cluster- und Netzwerkinitiativen zu Wettbewerbsvorteilen der beteiligten Unternehmen führen. In Abschn.€ 9.3 werden des Weiteren Cluster und Netzwerke im Werkstoffbereich identifiziert und mit Hilfe einer „Cluster-Map“ visualisiert. Abschließend werden die Erfolgsfaktoren einer Region bzw. eines regionalen Innovationsnetzwerks dargestellt.
9.1 I nnovationsnetzwerke und Cluster – zwei facettenreiche Konzepte im Vergleich Innovationen entstehen immer seltener durch gezielte Entwicklungen in einem Labor und sind auch häufig nicht das Produkt einer einzelnen Firma, sondern das Ergebnis der Interaktion unterschiedlicher Akteure und der Konzentration von ResA. Gerybadze () Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung (FZID), Forschungsstelle Internationales Management und Innovation, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
[email protected] K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9_9, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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sourcen, Know-how sowie spezifischer Inputs an einem Ort (Malerba 2004, S.€14; Doloreux 2004, S.€482). Hotz-Hart (2003) merkt hierzu Folgendes an: Inter-firm collaboration is by far the most important channel of knowledge sharing and exchange. Networking has become an effective innovation technique in its own right. (Hotz-Hart 2003, S.€433)
Cluster und Netzwerke fördern und erleichtern die Interaktion zwischen Unternehmen. Aus diesem Grund entstehen für Unternehmen immer mehr Anreize, einer Clusterinitiative oder einem Innovationsnetzwerk beizutreten. Insbesondere für Unternehmen aus dem sektorübergreifenden Forschungs- und Innovationsfeld der neuen Werkstoffe ist eine Vernetzung mit dem Ziel des reziproken Wissenstransfers vorteilhaft – zumal Forschungserkenntnisse nicht immer publiziert werden. In Netzwerken diffundiert Wissen schneller und kann daher von den Unternehmen besser wahrgenommen und angewendet werden. Für das Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe ist dies insbesondere für den Bereich der kostensenkenden Prozesse von hoher Bedeutung. Folglich werden, wie in Kap.€2 und 8 bereits angesprochen, Cluster- und Netzwerkinitiativen für die Entstehung und Durchsetzung einer Werkstoff-Innovation immer bedeutender. Sowohl die Definition der zwei schillernden Konstrukte Cluster und Innovationsnetzwerke als auch deren Abgrenzung ist in der wissenschaftlichen Literatur nicht immer eindeutig. Oftmals steht im Mittelpunkt einer Clusterdefinition einzig die geografische Determinante, während bewusst initiierte Innovationsnetzwerke nicht notwendigerweise regional begrenzt sein und geografische Lokalisierungsvorteile aufweisen müssen. Weit verbreitet ist bspw. die Clusterdefinition nach Porter (2003): A cluster is a geographically proximate group of interconnected companies and associated institutions in a particular field, linked by commonalities and complementarities, ranging from a single city or state to a country or even a group of neighbouring countries. (Porter 2003, S.€254)
Porter versucht in seiner Definition, ein Cluster geografisch und thematisch von seiner Umwelt abzugrenzen. Im Gegensatz zu Porter (2003) betont die OECD interessanterweise jedoch nicht das Merkmal der geografischen Konzentration, sondern vielmehr den Netzwerkgedanken: [Clusters are] Networks of […] firms, knowledge-producing institutions (universities, research institutes, technology-providing firms, knowledge-intensive business services) […] and customers, linked in a production chain that creates added value. (OECD 1999, S.€13 zit. nach Hotz-Hart 2003, S.€436)
Demnach ist ein Cluster somit in erster Linie ein Netzwerk von Unternehmen und Institutionen, die sich verschiedener Kommunikations- und Kooperationsformen bedienen. Sie bestehen aus direkten Wettbewerbern, wichtigen Kunden, Zulieferern sowie einer unterstützenden Infrastruktur mit Beratungsfirmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen (Schiele 2003, S.€27). Oft wird die gesamte Wertschöpfungskette von der Herstellung und Lieferung der Vorprodukte bis hin zur Vermarktung der Endprodukte abgedeckt. Daran erkennt man, dass die Unternehmen eines Clusters oft horizontal und vertikal miteinander vernetzt sind. Die Definition
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eines Clusters gemäß der OECD gleicht der eines Innovationsnetzwerkes nach HauÂ� schildt (1997). Er beschreibt ein Innovationsnetzwerk als das …komplexe Flechtwerk einer Vielzahl von Kooperationspartnern, die eine bewusste und nachhaltige, arbeitsteilige und interaktive Zusammenarbeit bei der Innovation verarbeiten und praktizieren… (Hauschildt 1997, S.€76 zit. nach Blöcker et€al. 2009, S.€50)
Beide Definitionen betonen den Netzwerk- und Kooperationsgedanken, der sowohl bei Clustern als auch bei Innovationsnetzwerken eine tragende Rolle spielt. Auch neuere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Netzwerke ein charakteristisches Merkmal von Clustern sind (Prognos 2009, S.€6). Jedes Cluster verfügt über inhärente Netzwerkbeziehungen, wodurch sein hohes Entwicklungspotential begründet werden kann. Dementsprechend ist ein Cluster gleichzeitig auch ein regionales Innovationsnetzwerk (Koschatzky 2002, S.€2€ff.).1 Beide Begriffe werden im Folgenden synonym verwendet. Bei den untersuchten Initiativen im Werkstoffbereich handelt es sich in erster Linie um (Innovations-)Netzwerke im Sinne von Hauschildt und der OECD. Der Großteil der teilnehmenden Mitglieder ist häufig in der gleichen Region angesiedelt. Die Mitglieder des Carbon Composites e.€V. (CCeV) sind z.€B. hauptsächlich in Süddeutschland, genauer gesagt in der Region Schwaben, aber teilweise auch in Österreich und in der Schweiz ansässig. Des Weiteren kann eine gewisse Konzentration der Mitglieder in der Region Augsburg beobachtet werden. Beispielsweise sind acht der zehn Gründungsmitglieder im Raum Augsburg angesiedelt. Diese Konzentration von Unternehmen im Augsburger Raum kann als Kern des Clusters bezeichnet werden. Auch wenn die geografische Nähe immer von der individuellen und teilweise auch subjektiven Definition abhängt, entsprechen viele der beobachteten Netzwerkinitiativen insofern auch Porters Clusterdefinition.
9.2 I nnovative Werkstoff-Cluster und ihr Einfluss auf die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen Gemäß Porter (2003) kann heutzutage ein Unternehmen in einer globalen Wirtschaft nur durch lokale Faktoren, zu denen entfernter gelegene Wettbewerber keinen Zugriff haben, langfristige Wettbewerbsvorteile aufbauen. Dies mag in Zeiten der modernen Informationstechnologie und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Arbeitskräfte und damit einhergehend auch der Produktionsfaktor Wissen zunehmend mobiler werden, nicht für alle Industrien gelten. Nichtsdestotrotz profitieren Unternehmen von einer Vernetzung und einem reziproken Wissenstransfer. Nach Porter (2003, S.€ 259€ ff.) beeinflussen Cluster die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen auf drei Arten: 1) Die Produktivität der Firmen wächst, 2) ihre Inno1╇ Das Beispiel der überregionalen Innovationsnetzwerke zeigt jedoch auch, dass nicht jedes Netzwerk gleichzeitig ein Cluster ist, welches das Merkmal der geografischen Nähe erfüllt.
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vationskraft wird erhöht und 3) die Gründung von neuen Unternehmen im Cluster wird unterstützt. 1) Die Steigerung der Produktivität und Effektivität der Unternehmen kann auf mehreren Gründen beruhen. Einerseits eröffnet ihnen die Ansiedlung in einem Cluster den Zugang zu spezialisierten Arbeitern (z.€B. im Bereich der Automatisierung von CFK-verarbeitenden Prozessen), komplementären Gütern und Inputs, welche mit geringeren Transport- und Logistikkosten von den ebenfalls im Cluster angesiedelten Unternehmen bezogen werden können (Hotz-Hart 2003, S.€434). Das heißt, dass sowohl die Nachfrage nach spezialisierten Gütern als auch die Möglichkeit der Versorgung mit spezialisierten Gütern zu geringeren Kosten möglich ist und dadurch auch die Produktivität der Firmen wächst. Andererseits ziehen die Unternehmen Vorteile aus einer speziellen Infrastruktur und den kostengünstigen Beratungsleistungen lokaler Experten. Diese spezielle Infrastruktur besteht bspw. in dem Vorhandensein von Forschungseinrichtungen (Fraunhofer-Institute und Universitäten mit Lehrstühlen im Werkstoffbereich), mit denen auf Grund der Netzwerkbeziehungen besser kommuniziert werden kann. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von gemeinsamen Projekten zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen und damit einhergehend ebenso ihre Innovationsfähigkeit. Des Weiteren verfügen die Unternehmen in einem Cluster oder Netzwerk über einen verbesserten Zugang zu Informationen und Wissen (Hotz-Hart 2003, S.€434). Implizites und explizites Wissen sammelt sich innerhalb eines Clusters in Firmen und Institutionen an. Gerade für Unternehmen der noch jungen Branche der Faserverbundwerkstoffe ist der reziproke Wissens- und Erfahrungsaustausch vorteilhaft und kann bspw. zu einer Kostensenkung durch verbesserte Prozess- und Verarbeitungstechniken führen. Wissen wird daher zu einem quasi-öffentlichen Gut, welches durch private Investitionen in Trainingsprogramme, Qualitäts-Zentren, Infrastruktur und evtl. auch durch die Stiftung von Lehrstühlen weiterentwickelt und transferiert wird. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die SGL Group an der technischen Universität München einen Lehrstuhl zum Thema „Carbonfaser und Carbonfaser-Verbundwerkstoffe“ und die EADS einen Lehrstuhl für Hubschraubertechnologie gestiftet haben. Die Unternehmen haben durch ihre Stiftungslehrstühle und Schulungsprogramme die Möglichkeit, Mitarbeiter zu rekrutieren, interne Trainingskosten zu sparen und damit ihre Produktivität zu erhöhen. Weiterhin entsteht durch die enge Verbindung zwischen den Unternehmen und den Stiftungslehrstühlen ein besonders intensiver Wissensaustausch, der sich positiv auf die Produktivität in der Forschung und Produktentwicklung niederschlägt. Ein weiterer Grund für die erhöhte Produktivität ist der allgegenwärtige Wettbewerbsdruck (Porter 2003, S.€259€ff.). Die Ansiedlung in einem Cluster erleichtert den direkten Vergleich mit den ebenfalls im Cluster angesiedelten Wettbewerbern. Die eigene, interne Kostenstruktur kann mit dem Wissen, dass alle Unternehmen in einem Cluster die gleichen externen Bedingungen und dadurch auch die gleichen extern verursachten Kosten haben, besser gemessen und mit der Kostenstruktur der Wettbewerber verglichen werden. Dieses direkte Benchmarking motiviert zu Innovationen und ermöglicht die Aufdeckung sowie Verbesserung der eigenen Ineffizienzen und der internen Ursachen für zu hohe Kosten. Andererseits sollten die Unternehmen
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nicht nur konkurrieren, sondern in der vorwettbewerblichen Phase auch kooperieren – also in Bereichen, die nicht ihre Kernkompetenz betreffen und bei denen ein Wissensabfluss keine signifikante Auswirkung auf die aktuelle Wettbewerbssituation hat. Dieser kooperative Wettbewerb kann bei einigen Innovationsnetzwerken im Werkstoffbereich z.€ B. beim CCeV, beim CFK-Valley in Stade, beim Cluster Neue Werkstoffe mit Sitz des Clustermanagements in Nürnberg sowie beim Cluster Mechatronik und Automation mit Sitz des Clustermanagements in Augsburg, Regensburg und Nürnberg beobachtet werden. 2) Ein weiterer Wettbewerbsvorteil entsteht für die in einem Cluster ansässigen Unternehmen durch die Erhöhung ihrer Innovationskapazität, wodurch wiederum das Produktivitätswachstum angeregt wird. Durch Netzwerkbeziehungen sowie räumliche Nähe von Unternehmen, Kunden, Zulieferern und durch die unterstützende Infrastruktur in Form von Beratungsfirmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen können die Wünsche der Verkäufer schneller wahrgenommen und in marktfähige Produkte überführt werden. Die Beziehungen zu Kunden im Cluster wirken sich dabei positiv auf die Fähigkeit der Unternehmen aus, die Gesetzmäßigkeiten in den verschiedenen Anwendungsfeldern zu verstehen, die Bedürfnisse sowie Restriktionen der Kunden zu identifizieren und die Unternehmensprozesse auf diese auszurichten.2 Die Clustermitglieder lernen schnell und früh neue Technologien, Maschinen und Marketingkonzepte kennen, was durch persönliche Beziehungen nochmals erleichtert wird. Zentrales Ziel einiger Innovationsnetzwerke im Werkstoffbereich ist die Abdeckung der Wertschöpfungskette sowie die Initiierung einer Kooperation zwischen Unternehmen, ihren Kunden und ihren Zulieferern. Beispielsweise können beim CCeV, beim CFK-Valley in Stade, beim Cluster Neue Werkstoffe sowie beim Cluster Mechatronik und Automation horizontale und vertikale Kooperationsbeziehungen beobachtet werden. Des Weiteren wird die Innovationsfähigkeit der Netzwerk-Akteure durch Netzwerktreffen, unternehmens- und clusterübergreifende Workshops und durch die Unterstützung der Aus- und Fortbildung gefördert. Durch die Initiierung von Projekten und durch die daraus resultierenden Kooperationsstrukturen zwischen der Wissenschaft und der Industrie sowie zwischen den kleinen, mittleren und großen Unternehmen schafft das Clustermanagement Rahmenbedingungen für einen Wissens- und Technologietransfer und wirkt somit als Katalysator für die Entstehung und Durchsetzung von Innovationen. 3) Aufgrund ihrer geringen Markteintrittsbarrieren fördern Cluster nicht nur den Zuzug von Unternehmen entfernter Standorte in das betreffende Cluster, sondern auch das Entrepreneurship. Es bilden sich neue Unternehmen im Cluster und viele multinationale Unternehmen gründen Tochtergesellschaften an für sie besonders interessanten Standorten. Die Konzentration von Unternehmen auf engem Raum erleichtert die Entdeckung von Marktlücken und führt zum Wachstum des Clusters, einer verstärkten Kommunikations- und Wettbewerbsdynamik und zu Wis-
Die Integration von Impulsen aus dem Anwendungssystem wurde in Abschn.€2.1.1 unter dem Begriff der „User Innovation“ ausgeführt.
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sens-Spillover.3 All diese Faktoren fördern Innovationen und beeinflussen folglich den wirtschaftlichen Erfolg und das Entstehen langfristiger Wettbewerbsvorteile. Im Raum Augsburg kann die Gravitationskraft eines Clusters bereits beobachtet werden. So werden bspw. zwei neue Forschungsinstitute in Augsburg angesiedelt: ein Ableger der Fraunhofer-Gesellschaft im Bereich Automobil und Maschinenbau und ein Ableger des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) (IHK Schwaben 2009, S.€12).
9.3 C luster und Innovationsnetzwerke im Werkstoffbereich Viele Unternehmen im Bereich neuer Werkstoffe haben die Wichtigkeit von Netzwerkaktivitäten zur Steigerung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit bereits erkannt und sich einer Clusterinitiative angeschlossen. Abbildung€9.1 wurde auf Basis der Daten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF 2009), des Centers for Strategy and Competitiveness mit Sitz in Stockholm (CSC 2009), des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi 2009) und auf Basis von zusätzlicher, eigener Recherche erstellt.4 Sie veranschaulicht, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, die Standorte wichtiger Cluster und Innovationsnetzwerke im Bereich neuer Werkstoffe. Zu erkennen ist v.€ a. zweierlei: Einerseits sieht man, dass acht der 34 identifizierten Innovationsnetzwerke und Cluster in Bayern angesiedelt sind. Eine Ursache hierfür ist die Clusterinitiative des Bayerischen Wirtschaftsministeriums im August 2006, bei welcher 19 Cluster ausgerufen wurden, die die Hochtechnologiebranche in Bayern stärken sollen. Weitere stark aufgestellte Bundesländer im Werkstoffbereich sind Nordrhein-Westfalen mit sechs, Niedersachsen mit fünf und Baden-Württemberg mit vier Clusterinitiativen. Andererseits wird die starke Fragmentierung der Organisationslandschaft im Werkstoffbereich deutlich, welche durch die große Anzahl an Clustern sowie Innovationsnetzwerken veranschaulicht wird. Lust (2008) meint hierzu: Die starke Fragmentierung in Werkstoffwelten und Einzelthemen spiegelt sich auch in der aktuellen Organisationslandschaft mit einer fast unüberschaubaren Anzahl von Plattformen, Netzwerken, Clustern, Kompetenzcentern, Kompetenznetzen etc. von teils regionalem, teils überregionalem Charakter wider, was ebenfalls zu einer Zersplitterung der Kräfte und zu einer Individualisierung von Interessen, vor allem aber zu einer Intransparenz für den Anwender und gegenüber den Forschungsförderern führt. Dies erschwert zusätzlich die Profilierung im europäischen und internationalen Umfeld, d.€h. im Wettbewerb. (Lust 2008, S.€10)
3╇ Fallah und Ibrahim (2004) definieren Wissens-Spillover als „the unintentional transmission of knowledge to others beyond the intended boundary“ (Fallah und Ibrahim 2004, S.€ 8 zit. nach Huber 2007, S.€50). 4╇ Stand der Daten zum 15.10.2009.
9â•… Regionale Cluster im Bereich neuer Werkstoffe und ihre Bedeutung
273
Kunststoffzentrum Westmecklenburg CFK Valley Stade e.V.
MultiMaT Werkstoff Innovation Niedersachsen RIKO, INPLAS WIP Kunststoffe e.V.
DVM, BV MatWerk
Nano- und Materialinnovationen IVAM Niedersachsen Kompetenzzentrum für Cluster Polymertechnologie Oberflächentechnik Kunststoffe FORMETA Cluster NanoMikro+Werkstoffe INTRA, InnoRegio e.V. Kunststoffinnovationszentrum Aachen Materials Valley e.V. Deutsche Gesellschaft für Materialkunde Rhein-Main Adaptronik e.V.
Ceramic Composites, Kunststoffnetzwerk Franken, EPP-Forum
Cluster Neue Werkstoffe Kompetenzzentrum cc-NanoChem e.V. NanoMat Technologien für den hybriden Leichtbau LOOP Leichtbaucluster der Hochschule Landshut
Kompetenznetz Biomimetik
CCeV, Cluster Mechatronik und Automation Cluster Luft- und Raumfahrt
Abkürzungsverzeichnis BV MatWerk Bundesvereinigung Materialwissenschaft und Werkstofftechnik e.V. CCeV Carbon Composites e.V. cc-NanoChem e.V. chemische Nanotechnologie für Neue Werkstoffe DVM Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung FORMETA Forum für Metallverarbeitung INPLAS Kompetenznetz Industrielle Plasma-Oberflächentechnik e.V. INTRA Interessengemeinschaft innovativer Aachener Unternehmen der Kunststoffbranche e.V. IVAM Fachverband für Mikrotechnik LOOP Netzwerk für Ressourcen- und Energieeffizienz / Kreislauffähigkeit neuer Werkstoffe MultiMat Multifunktionelle Materialien und Technologien NanoMat Kompetenznetz für Materialien der Nanotechnologie RIKO Realisierung innovativer Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen WIP Wissens- und Innovationsnetzwerk Polymertechnik
Abb. 9.1↜渀 Cluster und Innovationsnetzwerke im Bereich neuer Werkstoffe. (Quelle: auf Basis der Daten von BMBF (2009), CSC (2009), BMWi (2009))
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Wichtig für den Erfolg einer Clusterinitiative ist nicht nur der Wissenstransfer zwischen den einzelnen Unternehmen, sondern auch immer die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Abbildung€9.2 veranschaulicht auf Basis von BMBF-Daten die Anzahl der Forschungsinstitutionen im Werkstoffbereich (Forschungsinstitute, Universitäten und Fachhochschulen) in jedem Bundesland (BMBF 2009).5 Insgesamt scheint eine Korrelation zwischen der Anzahl der Forschungsinstitutionen und der Anzahl der Clusterinitiativen zu bestehen. Abbildung€9.1 und 9.2 gleichen sich in zwei zentralen Punkten. Einerseits sind nicht nur die meisten Clusterinitiativen, sondern auch die meisten der 130 Forschungsinstitutionen im Werkstoffbereich in Nordrhein-Westfalen (25), Baden-Württemberg (17), Bayern (17) und Niedersachsen (10) zu finden. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass acht Institutionen in Bremen, einem verhältnismäßig kleinen Bundesland, angesiedelt sind. Andererseits spiegelt sich die starke Fragmentierung und Zersplitterung der Clusterinitiativen auch in der Forschungslandschaft im Bereich der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik wider (Acatech 2008, S.€15). Oft werden die Forschungsarbeiten nach Werkstoffklassen aufgegliedert, sprich nach Aktivitäten im Bereich Metall, Kunststoffe, Glas, Halbleiter, Smart Materials, Nanomaterialien, Verbundwerkstoffe oder Keramik. Innerhalb der einzelnen Werkstoffklassen kann häufig ein gut funktionierender Wissenstransfer beobachtet werden. Verbesserungsfähig ist jedoch die werkstoffklassen-übergreifende Zusammenarbeit: Während die Fachkompetenz Deutschlands in einzelnen Werkstoffklassen und Themenschwerpunkten führend ist, verhindert die Zergliederung die Bündelung der Kräfte und die Nutzung der kontinuierlich an Bedeutung gewinnenden systemischen Innovationspotenziale. (Acatech 2008, S.€15)
Dieser Aspekt hängt mit der Heterogenität der disziplinären Hintergründe von Werkstoff-Forschern zusammen. Der Wissenstransfer über verschiedene Disziplinen hinweg ist für Werkstoff-Innovationsprojekte eine wichtige und entscheidende Fragestellung. Dieses Problemfeld ist nicht komplett, aber zumindest in Teilen mit dem problematischen Wissenstransfer über Werkstoffklassen hinweg in Verbindung zu bringen. Im Rahmen einer empirischen Studie wurden vier der in Abb.€ 2.7 (vgl. Abschn.€ 2.2.2) verzeichneten Cluster näher untersucht: Carbon Composites e.€V. in Augsburg, das CFK-Valley in Stade (vgl. hierzu auch Abschn.€8.6), der Cluster Neue Werkstoffe mit Sitz des Clustermanagements in Nürnberg und der Cluster Mechatronik und Automation mit Sitz des Clustermanagements in Augsburg, Regensburg und Nürnberg. Im Folgenden sollen nun zentrale Charakteristika dieser Werkstoff-Cluster vorgestellt werden. Ziel und Erfolgskriterium aller untersuchten Clusterinitiativen ist die Vernetzung von Forschung und Industrie sowie die Mobilisierung komplementärer Wissensbestände, wie bereits in Abschn.€ 8.6 angesprochen wurde. Alle 5╇
Stand der Daten zum 8.12.2009.
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Legende Anzahl der Universitäten und Fachhochschulen (mit einem Werkstoffbezug) Anzahl der außeruniversitären und privaten Forschungsinstitute
Abb. 9.2↜渀 Cluster und Innovationsnetzwerke im Bereich neuer Werkstoffe. (Quelle: auf Basis der Daten von BMBF (2009))
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Cluster bestehen somit sowohl aus KMU und Großunternehmen als auch aus Forschungsinstituten und regionalen Vertretern. Sie integrieren Zulieferer und Endanwender und decken, wie z.€B. beim CCeV zu beobachten, die Wertschöpfungskette von der Herstellung des Werkstoffes bis zu dessen Zulieferung und Verarbeitung ab. Außerdem können sie durch horizontale und vertikale Beziehungen zwischen den Unternehmen charakterisiert werden. Beispielsweise betonten alle Clustermanager die Wichtigkeit der wertschöpfungsübergreifenden bzw. vertikalen Kooperationsnetzwerke und des kooperativen Wettbewerbs. Einerseits sei es notwendig, dass die Kunden und ihre Zulieferer zusammenarbeiten, um die Marktbedürfnisse schneller und den Kundenwünschen entsprechend in marktfähige Produkte umzusetzen. Andererseits sei es sinnvoll, dass Unternehmen auf derselben Wertschöpfungsstufe und auch Konkurrenten untereinander kooperieren, da hierbei Synergien erzielt werden und die Wettbewerber ihre Stärken und Kernkompetenzen besser identifizieren und sich dadurch von ihren Konkurrenten abgrenzen können. Die zentralen Unterschiede bei den untersuchten Clustern bestehen bei der Integration unterschiedlicher Branchen. Bei jedem Cluster kann ein Schwerpunkt auf einer bestimmten Branche beobachtet werden. Beim Cluster Neue Werkstoffe liegt der Fokus auf der Verkehrsbranche, beim Cluster Mechatronik und Automation auf dem Maschinenbau, beim CFK-Valley und beim CCeV auf der Luft- und Raumfahrtindustrie. Beim CCeV kann man jedoch starke Tendenzen hin zu einer Integration mehrerer unterschiedlicher Branchen erkennen. Die Mitglieder stammen nicht nur aus der Luft- und Raumfahrtbranche, sondern auch aus dem Automotive-Bereich, dem Maschinenbau, der Medizintechnik, der Verteidigungstechnik sowie aus der Energietechnik. Abschnitt€9.4 wird zeigen, dass diese Integration unterschiedlicher Branchen ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Wie in Abschn.€2.2.2 veranschaulicht, bestehen zwischen den untersuchten Cluster- und Netzwerkinitiativen intensive Kooperationsbeziehungen in Form von gemeinsamen Workshops, Clustertreffen und einer Zusammenarbeit im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Insgesamt kann beobachtet werden, dass die Zusammenarbeit zwischen Clustern geringer räumlicher Entfernung weitaus intensiver ist als zwischen Clustern großer räumlicher Entfernung. Die meisten Kooperationspartner des CCeV, des Clusters Mechatronik und Automation und des Clusters Neue Werkstoffe stammen bspw. ebenfalls aus der Region Bayern. An dieser Stelle soll jedoch auch nicht verschwiegen werden, dass Cluster desselben Bereichs nicht nur kooperieren sondern auch konkurrieren. Dies ist jedoch an sich kein negativ zu bewertender Faktor. Die Maxime des kooperativen Wettbewerbs sollte nicht nur für Unternehmen bzw. Wettbewerber im Cluster gelten, sondern auch für die Cluster an sich, denn auch hier führt das Konkurrenzdenken zu einem intensiveren Ideen- und Innovationswettbewerb. Durch das Benchmarking werden darüberhinaus Verbesserungspotentiale im Clustermanagement sichtbar. Außerdem werden die Stärken und Alleinstellungsmerkmale des eigenen Clusters deutlich, wodurch eine Profilierung im internationalen Wettbewerbsumfeld unterstützt wird.
9â•… Regionale Cluster im Bereich neuer Werkstoffe und ihre Bedeutung
277
9.4 Regionale Erfolgsfaktoren Die Wettbewerbsvorteile einer globalen Wirtschaft scheinen zunehmend auch in der Region bzw. in dem Zugang zu lokal gebundenem Wissen zu liegen sowie in der Fähigkeit, neue Ideen zu generieren, zu verbreiten und auf die eigenen Aktivitäten anzuwenden (Montobbio 2004, S.€42). Daher wird es für eine Region immer wichtiger, Erfolgsfaktoren zu identifizieren und den regionalen Technologietransfer sowie regionale Innovationsnetzwerke zu unterstützen. Dadurch kann sich eine Region leichter im internationalen Umfeld positionieren und eine Gravitationswirkung entfalten, welche dazu führt, dass sich internationale Unternehmen auf der Suche nach innovativen, weltweit führenden Standorten in besagter Region ansiedeln. Tabelle€9.1 gibt einen Überblick zu den Erfolgsfaktoren eines Clusters im Speziellen und einer Region im Allgemeinen. Im Folgenden sollen jedoch nur ausgewählte Aspekte näher erläutert werden. Hotz-Hart identifiziert als Voraussetzungen für den Erfolg der regionalen Innovationsnetzwerke mehrere immobile Faktoren (Hotz-Hart 2003, S.€ 437€ f.). Zu diesen gehören auf Grund einer geringen regionalen Mobilität der technischen Fachkräfte und des mittleren Managements auch der regionale Arbeitsmarkt, das Bildungssystem vor Ort, das Vorhandensein von F&E-Institutionen sowie das implizite Wissen einer Region, welches auch Erfahrungen der Unternehmen und soziale Aspekte wie Vertrauen, Kultur sowie Tradition einbezieht. Diese immobilen Faktoren sind gleichzeitig auch die Basis für den Erfolg eines Clusters. Elementar wichtig für eine gelungene Positionierung der Region und auch für den Erfolg einer Clusterinitiative sind des Weiteren die Zusammenarbeit von Forschungsinstituten und Industrieunternehmen sowie das Vorhandensein vertikaler und horizontaler Netzwerkstrukturen. Unternehmen sollten sowohl mit ihren Lieferanten und Kunden mit dem Ziel der schnelleren Entwicklung marktfähiger Produkte kooperieren als auch – im vorwettbewerblichen Bereich – mit ihren Konkurrenten. Wichtig für die Innovationsfähigkeit der Unternehmen ist auch ein interdisziplinärer Wissenstransfer, sprich die Zusammenarbeit von Unternehmen unterschiedlicher Branchen, die sich auf die gleiche wissenschaftliche Basis stützen, dieselbe Technologie verwenden oder aber vergleichbare Aufgabenstellungen haben. Arbeiten nur homogene Unternehmen, also nur Unternehmen aus einer Branche zusammen, führt dies zwar zu einer effizienteren Verwirklichung von technologischen Synergieeffekten und zu einer leichteren Kommunikation, aber leider auch dazu, dass neues Wissen oft nicht erkannt oder gebildet wird. Gerade um neues Wissen zu generieren und um die eigene Innovationsfähigkeit zu erhöhen, sollten Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammenarbeiten. Im Bereich der Faserverbundwerkstoffe kann bspw. die Automobilindustrie, die gerade erst anfängt, vermehrt CFK-Materialien zu verwenden, von der Luft- und Raumfahrt und ihren langjährigen Erfahrungen in Bezug auf den Einsatz von Faserverbundwerkstoffen lernen. Im Gegenzug kann die Luft- und Raumfahrt von der Automobilbranche lernen, wie Prozesse automatisiert und auf große Stückzahlen ausgerichtet werden können, wodurch in Konsequenz auch die Stückkosten gesenkt werden könnten. Dies ist eine wichtige Voraussetzung
Tab. 9.1↜渀 Erfolgsfaktoren einer Region und eines Clusters Regionale Erfolgsfaktoren als Basis für den Erfolg eines Clusters • Kritische Masse von (multinationalen, F&E-intensiven) Unternehmen und Instituten in einer Region • Innovationsdienstleistungen (Technologietransfereinrichtungen, technikorientierte Ausbildung, wirtschaftliche Beratungs- und Serviceleistungen) • Bildung eines Arbeitskräftepools, Förderung eines hohen Ausbildungsniveaus der Arbeitskräfte durch neue Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen • Innovationsorientierung der Region und der ansässigen Unternehmen (u.€a. in Form von Investitionen in die Infrastruktur, in die Entstehung neuer Werke, in Forschungsinstitute und Lehrstühle) • Förderung der Entstehung von Cluster- und Netzwerkinitiativen zur Unterstützung des regionalen Wissens- und Technologietransfers • Herstellung einer Transparenz gegenüber Unternehmen und Forschungsförderern (in Bezug auf bestehende Netzwerkinitiativen) • Entwicklung einer Gravitationskraft (Gründung neuer Start-ups und Spinoffs in der Region)
Erfolgsfaktoren eines Clusters • Förderung von Kooperationen und Initiierung von Projekten durch das Clustermanagement • Zusammenarbeit von Forschung und Industrie • Wissenstransfer zwischen den verschiedenen Werkstoffklassen • Wertschöpfungsübergreifende Kommunikations- und Kooperationsnetzwerke (z.€B. Kooperationen zwischen Kunden, Zulieferern und Wettbewerbern) • Integration unterschiedlicher Branchen bzw. verwandter Industrien mit demselben Themenbezug • Vorhandensein einer geografischen Nähe (fördert die Zusammenarbeit, die informelle Kommunikation sowie die Entstehung von Lerneffekten, Vertrauen und gleichen Werten) • Kooperativer Wettbewerb im Cluster und zwischen Clustern • Automatisierung und Standardisierung der Prozesse bei der Verarbeitung neuer Werkstoffe • Senkung der Produktions- und Verarbeitungskosten, Ausrichtung auf die Produktion großer Stückzahlen • Anmeldung von Patenten im Rahmen von Projekten, welche durch das Clustermanagement initiiert wurden • Umsatzwachstum der Clustermitglieder im Vergleich zu den Unternehmen, die nicht im Cluster sind • Zahl der aktiven Lizenzverträge
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für die erfolgreiche Etablierung der Verbundwerkstoffe in kostensensiblen und auf große Stückzahlen ausgerichteten Branchen. Im Bereich der Faserverbundwerkstoffe ist eine branchenübergreifende Zusammenarbeit des Weiteren v.€a. deshalb möglich und sinnvoll, weil gewisse Aufgabenstellungen auch bei unterschiedlichen Endprodukten vergleichbar sind. Dies soll im Folgenden an einem Beispiel näher erläutert werden. Die Herstellung einer Werkzeugmaschine ist typisch für den Maschinenbau. Die Produktion von Flugzeugbauteilen dahingegen ist typisch für die Luftfahrtbranche. Trotz dieser unterschiedlichen Endprodukte geht es in beiden Branchen vermehrt um hybride Aufbauten bzw. um Faserverbundwerkstoffe. Diese unterschiedlichen Werkstoffe (u.€a. Carbon und Keramik) müssen z.€B. mit Klebe- oder Schweißtechniken verbunden werden. Dementsprechend beschäftigen sich beide Branchen mit den gleichen Frage- und Aufgabenstellungen, die diese Verbindungstechnik betreffen: Wie lange hält die Verbindungstechnik? Wie wirken sich Schwingungen auf die Verbindung aus? Spielen chemische Einflüsse eine Rolle? Welche Lasten wirken auf die Verbindungsstelle? Grundsätzlich sind v.€a. die anfänglichen Frage- und Aufgabenstellungen in allen Branchen, die mit den Faserverbundwerkstoffen arbeiten, gleich. Hier berühren sich die sonst unterschiedlichen Arbeitsfelder und hier können Unternehmen unterschiedlicher Branchen in gemeinsamen Projekten im Rahmen der Clusterinitiativen voneinander lernen. Abschließend soll betont werden, dass nicht nur die Unternehmen in einer Clusterinitiative vernetzt sein sollten, sondern auch die Cluster (in Form eines kooperativen Wettbewerbs) selbst. Die zur Zeit zu beobachtende starke Fragmentierung der Clusterinitiativen und Forschungsaktivitäten im Werkstoffbereich führt einerseits zu einer enormen Intransparenz, sowohl gegenüber potentiellen Netzwerkteilnehmern als auch gegenüber den Forschungsförderern, und andererseits zu einer erschwerten Profilierung der einzelnen Clusterinitiativen. Dementsprechend wichtig ist eine Bündelung der Interessen und Informationen auf regionaler oder bundesweiter Ebene, eine Kommunikation zwischen den einzelnen Clustern sowie eine werkstoffklassen-übergreifende Zusammenarbeit. Dadurch können Innovationspotentiale erschlossen und einzelne Regionen sowie Netzwerkinitiativen im internationalen Wettbewerbsfeld noch besser positioniert werden.
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A. Gerybadze und S. van Cour
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Kapitel 10
Schlussfolgerungen und Empfehlungen Klaus-Rainer Bräutigam, Torsten Fleischer, Alexander Gerybadze, Daniel Gredel, Christopher Gresse, Joachim Hemer, Peter Hocke, Hans-Willy Hohn und Anna Schleisiek
Inhalt 10.1â•…Schlussfolgerungen ����������������������������������尓������������������������������������尓����������������������������������╇ 282 10.2â•…Empfehlungen für Forscherteams ����������������������������������尓������������������������������������尓������������╇ 285 10.3â•…Empfehlungen für Forschungseinrichtungen ����������������������������������尓�������������������������������╇ 287 10.4â•…Empfehlungen für die Forschungspolitik ����������������������������������尓������������������������������������尓�╇ 289 10.4.1â•…Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit ����������������������������������尓��������╇ 289 10.4.2â•…Stärkere Einbindung betriebswirtschaftlicher Inhalte in die Ausbildung von Werkstoffwissenschaftlern ����������������������������������尓���������╇ 289 10.4.3â•…Gezielte Stärkung der Management-Kompetenz und des betriebswirtschaftlichen Know-hows in Transferstellen und Patentverwertungsagenturen ����������������������������������尓������������������������������������尓������╇ 290 10.4.4â•…Ausbau der Anzahl von Dissertationsprojekten mit direkter Anbindung an ein Industrieunternehmen ����������������������������������尓�����������������������╇ 291 10.4.5â•…Förderung von Projekten an der Schnittstelle zwischen F&E und Produktion ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 292 10.4.6â•…Management von Forschungs- und Transferprozessen ����������������������������������尓��╇ 292 10.5â•…Empfehlungen für das Innovationsmanagement ����������������������������������尓��������������������������╇ 293 10.5.1â•…Transformation von „High-Value“- zu „Low-Cost“-WerkstoffInnovationen durch gezieltes Kostenmanagement ����������������������������������尓���������╇ 293 10.5.2â•…Konsequente Übertragung von Werkstoff-Innovationen in sekundäre Anwendungsfelder ����������������������������������尓������������������������������������尓╇ 294 10.5.3â•…Stärkere Kompetenzbündelung zwischen Forschungssystem, Werkstoffherstellern und Anwendern ����������������������������������尓�����������������������������╇ 296 10.5.4â•…Durchführung eines systematischen Projektmanagements in Werkstoff-Innovationsprojekten ����������������������������������尓������������������������������������尓�╇ 297 10.5.5â•…Förderung des Transfers von marktbezogenem Wissen in Werkstoff-Innovationsprojekten ����������������������������������尓���������������������������������╇ 299 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 301
K.-R. Bräutigam () Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), 76021 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected]
K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9_10, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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282
K.-R. Bräutigam et al.
Zusammenfassung╇ In diesem Kapitel werden Beobachtungen und Schlussfolgerungen aus dem Forschungsprozess zusammenfassend dargestellt und Empfehlungen für eine „gute Praxis“ von Materialforschungsprojekten gegeben. Dabei wird unterschieden zwischen Empfehlungen für Forscherteams, für Forschungseinrichtungen, für die Forschungspolitik sowie für das Innovationsmanagement. Das Berücksichtigen dieser Hinweise ist nicht gleichzusetzen mit einer Erfolgsgarantie. Es kann aber dazu dienen, Aufmerksamkeit für klassische Herausforderungen im Materialinnovationsprozess zu wecken, geeignete Formen des Umgangs mit ihnen zu benennen und zu nutzen sowie erkannte Fehler zu vermeiden.
10.1 Schlussfolgerungen Materialwissenschaften, Materialentwicklung und Werkstofftechniken sind eine zentrale Grundlage für die allgemeine Technikentwicklung, da sie – als sogenannte „General Purpose Technologies“ – Basisinnovationen und die Anwendung von neuen Technologien in nahezu allen Bereichen moderner Volkswirtschaften oft überhaupt erst ermöglichen. In vielen Fällen hängen Innovationen in produktbezogenen Technikfeldern entscheidend davon ab, dass Materialien mit den erforderlichen Eigenschaften entwickelt werden und für Endprodukthersteller verfügbar sind. In diesem Sinne sind neue Materialen und Werkstofftechniken „ermöglichende“ Techniken („enabling technologies“) für andere Technikfelder. Sie lösen oft weitere Innovationen auf vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen aus und sind damit eine von mehreren wichtigen Voraussetzungen für die Innovationsfähigkeit und Wirtschaftskraft von Volkswirtschaften. Dennoch spielen sie in der innovationspolitischen Diskussion oft nur eine untergeordnete Rolle und treten in der medialen Darstellung und der öffentlichen Wahrnehmung in der Regel hinter andere Spitzentechnologiefelder (wie Informationsund Kommunikationstechnologie oder Biotechnologie) zurück. Das hat auch damit zu tun, dass die Verbindung von einem neuen Werkstoff zu den durch ihn ermöglichten Zwischen- und Endprodukten vielfach nicht klar erkennbar ist. Oft wird die Rolle des Materials, das für die Funktionsfähigkeit oder andere Eigenschaften eines Produktes entscheidend sein kann, durch dessen Anwendungsattraktivität gleichsam „verdeckt“ oder marginalisiert. Welchen Dynamiken und Eigengesetzlichkeiten die Entwicklung und Markteinführung dieser neuen Materialien häufig unterworfen sind, verschwindet so aus dem Gesichtsfeld. Schwierigkeiten im Werkstoff-Innovationsprozess resultieren vielfach auch daraus, dass Werkstoff-Innovationen als eindimensionales Konzept verstanden und lediglich auf die Entwicklung eines neuen Werkstoffs reduziert werden, womit allein der unmittelbare Produktbezug in den Mittelpunkt gestellt wird. Eine Werkstoff-Innovation ist jedoch meist keine isolierte Produktinnovation, sondern tangiert unterschiedliche Innovationstypen und Innovationsfelder, zu denen funktionierende Schnittstellen existieren müssen. Zu nennen ist hier neben der Produktinnovation, die primär auf den Werkstoff oder das Erzeugnis abzielt, auch der Bereich der Pro-
10â•… Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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zessinnovation und der Produktions- und Verfahrenstechnik. Gerade ein Vernachlässigen der Herstellungsverfahren oder der Automatisierungstechnik kann für die Durchsetzung eines neuen Werkstoffes fatale Folgen haben. Weiterhin ist die Erfassung von Impulsen aus dem Anwendungssystem, im Sinne von User-Innovation bzw. „Application Engineering“, zu beachten. Die Schnittstellen zwischen diesen Innovationstypen und -feldern müssen verstanden und beherrscht werden, was eine durchaus langwierige und riskante Aufgabe darstellt. Dennoch liegt gerade in der Vernachlässigung dieses Aspektes eine der größten Gefahren für die Generierung und Durchsetzung von erfolgreichen Werkstoff-Innovationen. Das Innovationsfeld „Neue Werkstoffe“ sollte weiterhin als sektorübergreifendes System verstanden werden, da in Werkstoff-Innovationen technologisches Wissen unterschiedlichster Disziplinen einfließt und meist mehrere sektorale Innovationssysteme für die Anwendung der Werkstoff-Innovation in Frage kommen. Dieses Forschungs- und Innovationsfeld „überlagert“ damit meist verschiedene sektorale Innovationssysteme, zu denen jeweils spezifische Schnittstellen existieren. Die Entwicklung eines neuen Materials erfordert in der Regel einen langfristigen Forschungs- und Entwicklungs (F&E)-Prozess. Dieser ist durch vielfältige Unsicherheiten und Ungewissheiten sowohl auf der „technischen“, aber auch auf der institutionellen und ökonomischen Ebene gekennzeichnet. Auf der technischen Ebene hängt z.€B. viel davon ab, ob die Entwicklung selbst gelingt, aber auch davon, ob sich die gewünschten Eigenschaften reproduzierbar und stabil herstellen lassen. Institutionell ist für einen erfolgreichen Transferprozess von der Forschung in die Anwendung z.€B. mit ausschlaggebend, ob die Forschungsgruppe über die gesamte Zeit ihrer Forschungs- und Transferaktivitäten finanziell unterstützt wird, Personal über die Zeit beschäftigen und erfolgreiche Kooperationen mit den Entwicklungspartnern und den Anwendern aufbauen, aber auch halten kann. Ein damit zusammenhängendes Problem besteht darin, ob es gelingt, die verschiedenen Motive und Interessen in das gemeinsame Vorhaben zu integrieren oder ob es zu Spannungen zwischen den Kooperationspartnern kommt. In diesem Kontext ist auf institutioneller Ebene ebenso zu fragen, ob die Leistungserwartungen der Unternehmen realistisch sind. Auf ökonomischer Ebene bestehen Unsicherheiten und Ungewissheiten z.€ B. darin, ob es im F&E-Prozess gelingt, ein Material zu entwickeln, das auch in Fertigungsprozesse übernommen werden kann. Ebenso kann nicht automatisch vorausgesetzt werden, dass das Produkt, in das das neue Material eingebracht wird, auf dem Markt erfolgreich ist. Eine Durchsetzung eines neuen Werkstoffes im Markt scheitert oftmals an unvorteilhaften Kostenstrukturen. Diese verringern die Akzeptanz der Anwender für einen neuen Werkstoff. Die OECD hat bereits in den 1990er Jahren festgestellt, dass durch unvorteilhafte Kostenstrukturen bei neuen Werkstoffen ein „Teufelskreis“ entsteht, der zu einer niedrigen Nachfrage nach Werkstoff-Innovationen und letztendlich einem vorzeitigen Abbruch von Investitionen in diesem Bereich führen kann (OECD 1990, S.€15). Auch die so genannten Umstellungskosten („switching costs“), die durch die Substitution eines konventionellen durch ein neues Material anfallen, sind hierbei zu beachten. Sie beeinflussen das Adaptionsverhalten von Marktakteuren und damit die Diffusion einer Werkstoff-Innovation maßgeblich.
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K.-R. Bräutigam et al.
Umstellungskosten entstehen z.€B. beim Umbau bzw. Neukauf von Produktionsanlagen oder beim Aufbau von Know-how für veränderte Herstellprozesse. Aufgrund ihrer hohen Relevanz für die Durchsetzung neuer Werkstoffe sollten Umstellungskosten noch stärker in den Planungsprozessen der relevanten Forschungs- und Industrieakteure berücksichtigt werden. Unter diesen komplexen und mehrschichtigen Bedingungen erfolgreich Interaktionsprozesse zwischen Wissenschaft und Wirtschaft mit dem Ziel zu ermöglichen, wissenschaftliche Erkenntnisse in die wirtschaftliche Nutzung zu überführen, bleibt darum eine wichtige, aber auch herausfordernde Aufgabe, an deren Gelingen i.€d.€R. zahlreiche unterschiedliche Akteure beteiligt sind. Neben diesen prozessimmanenten Unsicherheiten und Ungewissheiten bleibt weiterhin festzuhalten, dass es „einfache Rezepte“ für den Erfolg von Materialinnovationen nicht gibt. Zwar liegt speziell für den Bereich Neue Materialien keine einschlägige Datengrundlage vor, aber es existiert für andere Anwendungsbereiche eine ganze Zahl von Erhebungen und Schätzungen zur Frage, welcher Prozentsatz der auf dem Markt eingeführten Produkte dort scheitert. Je nach Branche und Untersuchungsansatz weisen die Antworten eine große Variabilität auf, deuten aber darauf hin, dass die Mehrheit der neu eingeführten Produkte am Markt nicht erfolgreich ist. Welche Dramatik hinter diesen „Misserfolgen“ steckt, ist nachzulesen. So betont der Technikhistoriker Reinhold Bauer, dass Erfolg die Ausnahme, Scheitern die Regel bei technologischen Entwicklungen wäre (Schnabel 2004). Bereits in der Produktentwicklung, so Christensen und Raynor (2003), werden 60€% aller Entwicklungen eingestellt, obwohl davon ausgegangen werden kann, dass ein nennenswerter Anteil dieser Entwicklungen in der Startphase gut begründet war. Von den verbleibenden erreichen nur drei von fünf die Rentabilitätsschwelle. Diese Beobachtungen verweisen auf die Notwendigkeit, anhaltend nach möglichen Optimierungen des Transferhandelns zu suchen. Für die deutsche Forschungspolitik (als Policy-Akteur) ist das Management von Forschungs- und Transferprozessen insbesondere im Fall der außeruniversitären Forschung kein triviales Problem. Sieht man einmal von dem Sonderfall der kerntechnischen Forschung in den 1960er und 1970er Jahren ab, in der sehr spezielle Bedingungen eine hierarchische Koordination solcher Prozesse ermöglichten, besteht Forschungspolitik aus wesentlich mehr als der staatlichen Bestimmung von Programmen und Zielen und dem Vollzug dieser Vorgaben durch öffentliche Forschungseinrichtungen. Die staatliche Forschungspolitik ist nur einer unter vielen heterogenen Akteuren mit unterschiedlichen und konfligierenden Interessen, die sich im Spannungsfeld zwischen Autonomiebestreben und Selbststeuerung der Wissenschaft einerseits und gesellschaftlichen Leistungsanforderungen an die Forschung andererseits bewegen und an der Formulierung, Implementation und Umsetzung politischer Ziele und Maßnahmen beteiligt sind. Die deutsche Forschungspolitik ist als Folge ihrer föderalen Verflechtung sogar in einem besonderen Maße Restriktionen unterworfen und besitzt eine arbeitsteilige Struktur von korporativen Akteuren, die über hohe Autonomie verfügen und sich politischen Interventionen weitgehend entziehen können. Ihre arbeitsteilige Struktur und ihr hoher Grad an organisatorischer Autonomie verleihen ihnen im inter-
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nationalen Vergleich spezifische Stärken, führen aber auch zu einer Segmentierung und „Versäulung“ des deutschen Forschungssystems, die Brüche und Lücken in der „Kette vom Material zum Produkt“ nach sich ziehen. Angesichts der föderalen Blockaden im forschungspolitischen Entscheidungssystem Deutschlands sind fundamentale und rasche institutionelle Veränderungen der außeruniversitären Forschungslandschaft unwahrscheinlich. Möglich erscheinen nur evolutionäre Veränderungsprozesse und ein begrenzter Wandel, in denen institutionelle Neuerungen in inkrementellen Schritten an bestehende Strukturen anschließen. Dies mag in den Augen derer, die angesichts der globalen Herausforderungen, vor denen das deutsche Innovationssystem steht, auf rasche Veränderungen drängen, zu wenig und zu langsam sein. Zugleich kann man darin jedoch auch einen Vorteil sehen. Institutionelle Stabilität, Kontinuität der Forschungspolitik und Erwartungssicherheit auf Seiten ihrer Adressaten machten einen Gutteil des Geheimnisses der westdeutschen Erfolgsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Das hat es den beteiligten Akteuren immer wieder erlaubt, auf dem Wege von Verhandlungen, Aushandlungen und Konsensbildung „intelligente“ Arrangements und funktionstüchtige Lösungen zu finden. Schon deshalb sind diese Akteure auch mehrheitlich nicht gewillt, die föderale Struktur gegen einen forschungspolitischen Zentralismus einzutauschen. Aber auch die jüngere Entwicklung zeigt, dass es nicht zu unterschätzen gilt, was inkrementelle An- und Umbauten zur Kompensation der Schwächen des deutschen Forschungssystems beitragen können. Nach einer Reihe von entmutigenden Interventionsversuchen hat die Forschungspolitik des Bundes (wie etwa mit dem „Pakt für Forschung und Innovation“) neue, indirekte und „weiche“ Reformmaßnahmen entwickelt, die sich durchaus als effektiv erweisen. Die staatliche Politik besitzt keinen unmittelbar steuernden Zugriff auf die Forschungsorganisationen, gleichwohl kann sie durch „weiche“ Mittel modifizierend auf deren interne Governance einwirken und sie zu Veränderungen bewegen. Der in den letzten rund zehn Jahren zu beobachtende inkrementelle Wandel in den Governancestrukturen der deutschen Forschungsorganisationen ist ein Beleg hierfür. Die folgenden Empfehlungen fassen Beobachtungen aus dem InnoMat-Forschungsprozess und Erfahrungen der Forschungspartner im Projekt zusammen und versuchen auf dieser Basis, Hinweise für eine „gute Praxis“ von Materialforschungsprojekten zu geben. Das Berücksichtigen dieser Hinweise ist nicht gleichzusetzen mit einer Erfolgsgarantie. Es kann aber dazu dienen, Aufmerksamkeit für klassische Herausforderungen im Materialinnovationsprozess zu wecken, geeignete Formen des Umgangs mit ihnen zu benennen und zu nutzen sowie erkannte Fehler zu vermeiden.
10.2 Empfehlungen für Forscherteams Durch auf Wissens- und Technologietransfer (WTT) bezogene Aktivitäten werden Handlungsspielräume der Materialforschungsteams (hinsichtlich Autonomie und wissenschaftlichen Kernaktivitäten) sowohl eröffnet als auch eingegrenzt. WTT ist
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eine Mischung aus strategischem Handeln vor dem Hintergrund von Restriktionen und der Ausnutzung von Gelegenheitsstrukturen. Gelegenheitsstrukturen mögen zwar wie Zufälle wirken, die nicht gezielt herbeigeführt werden können. Gleichzeitig sollten sie aber auch, wenn sie sich bieten, erkannt und genutzt werden. Insofern sind vor allem die Kontaktanbahnung als auch das Zustandekommen von WTTVorhaben nur in begrenztem Umfang durch die Forscher gestalt- oder gar planbar. Häufig dürfte das Zustandekommen von Projekten und Projektpartnerschaften von der Kreativität der Beteiligten und ihrer Fähigkeit abhängen, zufällige Chancen, Konstellationen oder Gelegenheiten aufzugreifen und zu konkretisieren. Die Anreizstrukturen in der öffentlichen Forschung setzen WTT nicht in den Mittelpunkt der eingeforderten Leistung (Polt et€al. 2010). Zentrale Kriterien sind – je nach Forschungsorganisation mit unterschiedlichen Gewichten versehen – die Einwerbung von Projektmitteln, Ausbildungsleistungen oder wissenschaftliche Profilbildung (etwa durch Publikationen und Promotionen). Auch das aktuelle Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI 2010) kommt zu einem ähnlichen Schluss. Dort wird betont, dass die Anreizstrukturen in der öffentlichen Forschung die Forscher eher für eine Steigerung ihrer Reputation in der Scientific Community und die Erzielung von wissenschaftlichen Durchbrüchen motivieren. WTT-Projekte sind in ihrem Design und ihren Zielen, vor allem bei moderater finanzieller Ausstattung, diesen Kriterien oft nachgeordnet. Daraus und aus weiteren Anforderungen (WTT als Evaluationskriterium) resultiert die Anforderung an die Materialforschungsteams, WTT-Aktivitäten professionell zu managen und langfristig zu planen, aber auch, sich frühzeitig über die individuellen Ziele jedes Akteurs auszutauschen und auf gemeinsame Ziele zu verständigen. Oben genannte Rahmenbedingungen stehen dem aber häufig im Weg. Daraus resultiert ein spezifisches Spannungsfeld, in dem Entscheider auf Seiten der Materialforschungsteams strategisch vorgehen müssen. Eine besondere Herausforderung besteht darin, Transferaktivitäten so in die wissenschaftliche Praxis zu integrieren, dass ein Gleichgewicht zwischen neuem und zu transferierendem Wissen erreicht wird. Schließlich ist es für die Materialforschungsgruppen zentral, in beiden Welten, der wissenschaftlichen und der wirtschaftlichen, eine gute Position zu erreichen. Dabei sind die gesellschaftlichen Erwartungen, die an die Forscher herangetragen werden, durchaus heterogen und widersprüchlich. So geht die Forderung nach wissenschaftlicher Exzellenz – die ihre Referenz innerhalb des Wissenschaftssystems hat und von diesem in besonderer Weise honoriert wird – oft einher mit Erwartungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Verwertbarkeit und des offensiven Transfers dieser Ergebnisse in die Praxis. Forscherhandeln wird somit Abbild und Teil eines gesellschaftlichen Verhandlungsprozesses, in dem individuelle und kollektive Ziele ausbalanciert werden. Diese immanenten Spannungen sind kaum aufzulösen, sondern müssen vielmehr als Auslöser von Innovationsprozessen nutzbar gemacht werden. Sehr zu recht hält der Wissenschaftsrat hierzu fest: Weder wird es der Wissenschaft gerecht, vorwiegend unter dem Aspekt ihrer Leistung für die Volkswirtschaft betrachtet zu werden, noch wird es der Wirtschaft gerecht, wenn ihre Leistung allein auf wissenschaftliche Erfindungen zurückgeführt wird. Der Nutzen von Interak-
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tionen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fußt auf der Unterschiedlichkeit dieser beiden gesellschaftlichen Bereiche. Gerade durch die Verschiedenheit werden an den Schnittstellen von Wissenschaft und Wirtschaft kreative Potentiale freigesetzt und Innovationskräfte geschaffen bzw. verstärkt. Auf der anderen Seite sind es diese Unterschiede, die mitunter zu Missverständnissen und falschen Erwartungen führen und produktive Interaktionen verhindern können. Das Ziel nachhaltiger Innovationspolitik muss es daher sein, die Austauschprozesse zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern, ohne dabei die Prinzipien und Handlungslogiken der beiden Bereiche zu vereinheitlichen. (Wissenschaftsrat 2007)
10.3 Empfehlungen für Forschungseinrichtungen Forscherteams verfolgen oft längerfristige (materialwissenschaftliche) Entwicklungslinien, die sie mit aktuellen Projektkonstellationen und -gelegenheiten abgleichen. Diese wechselseitige Anpassung wird durch individuelle Präferenzen wie auch institutionelle Erwartungen und Restriktionen mitgestaltet. In vielen Einrichtungen laufen mehrere thematisch nahestehende F&E-Vorhaben und WTT-Projekte parallel, zudem sind auch projektintern F&E-Module und WTT-Elemente oft nur schwer abgrenzbar. Diese z.€T. nur wenig aufeinander bezogenen, aber durch die Schlüsselpersonen der Materialforschungsteams und deren Kompetenzen verknüpften Projekte versprechen einerseits thematische Synergien, hinreichende Flexibilität bei dem Aufgreifen neuer Herausforderungen und den Erhalt eines erfahrenen Projektkernteams, auf das gerade in der Materialforschung nicht verzichtet werden kann. Andererseits erscheinen sie immer wieder auch als zu wenig aufeinander abgestimmt und erfordern so mindestens deren regelmäßige Überprüfung durch die Schlüsselpersonen und Leitungsebene der jeweiligen Materialforschungsgruppe. Die inhärente Dynamik von WTT, die grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung zwangsläufig miteinander verknüpft, hat Konsequenzen für die Wissensbestände, die in derartigen Vorhaben zum Einsatz kommen: Der Transfer von Wissen führt zur partiellen wissenschaftlichen „Entwertung“ dieses Wissens des jeweiligen Forschungsteams, da anwendungsrelevantes Wissen zum jeweiligen Transferprodukt an Dritte weitergereicht werden muss und damit zu (halb-) öffentlichem Wissen wird. Um den Verlust dieser vormals exklusiven Wissensbestände bei den Materialforschern zu kompensieren, benötigt die daraus resultierende Akquise neuer Transfervorhaben wiederum „neues“ Wissen, für dessen Aufbau Ressourcen (insbes. Zeit und Personalmittel) freigemacht werden müssen. Die Forscher müssen daher in Transfervorhaben auch immer versuchen, neues Wissen zu generieren (s. Abb.€ 10.1). Dass dies ein wichtiges Ziel ihres strategischen Handelns ist, zeigte auch die Rekonstruktion des Transferhandelns der in InnoMat untersuchten Materialforschungsgruppen. Allerdings werden diese Möglichkeiten durch eine zu restriktive Projekt- und Transferorientierung der Forschungspraxis stark eingeschränkt. Gerade angesichts der aktuell betonten „Vielfalt von Wissensformen“, die von Wissenschaftlern berücksichtigt werden sollen und der fortschreitenden Differenzierungsformen disziplinärer Selbstorganisation (Weingart 2003, S.€136€ff.),
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Abb. 10.1↜渀 Ideale Integration von WTT in den Forschungsprozess entlang einer Entwicklungslinie
reagieren Forscherteams darauf mit unterschiedlichen institutionellen und individuellen Kompensationsstrategien. Von Forschern wird eine hohe antizipatorische Leistung im Hinblick auf prinzipielle Anwendungsmöglichkeiten ihrer Materialien als auch auf konkrete wirtschaftliche und unternehmerische Umsetzungsbedingungen – und damit für das Finden von F&E-Zielen – erwartet. Auffällig ist, dass sich – jedenfalls bei den hier verfolgten Fällen – Forscher bei der Suche nach Anwendungsmöglichkeiten oft auf wenige Branchen konzentrieren (hier vor allem: Luft- und Raumfahrt, Medizin, Automobil, …). Ob dies im Rahmen der Kompensationsstrategien bei Verlusten exklusiven Wissens, die oben als notwendig beschrieben wurden, auch eine ausreichende Zahl an Handlungsoptionen eröffnet, kann hier nicht näher diskutiert werden. Allerdings sollte dieser Befund festgehalten werden und sowohl von interessierten Materialforschern bedacht werden als auch Eingang in weitere empirische Untersuchungen zu WTT-Prozessen finden. Obwohl universitäre Strukturen nachvollziehbar in dem Ruf besonderer Ressourcenarmut stehen (und dies – wie die Beobachtungen auch zeigten – bis zu einem gewissen Maß auch zutrifft), kompensierten die Leitungspersonen dies durch ein hohes Maß an Vitalität und Geschick. Gerade Industrieerfahrung war bei diesen Schlüsselpersonen ein beobachtetes Kennzeichen, das als erklärende Variable dienen könnte. Unabhängig davon aber setzten gerade diese Personen ihre „institutionelle Phantasie“ dafür ein, Transfervorhaben zu finden und erfolgreich zu organisieren und ihre Mitarbeiter darin einzubinden, damit diese wichtige Praxiserfahrungen jenseits akademischer Gepflogenheiten sammeln konnten. In einem Fall gelang es dem Lehrstuhlinhaber, der die Schlüsselperson war, unter dem Dach seines Arbeitsschwerpunktes ein relativ großes und vitales Team (mit bis zu 40 Personen) aufzubauen und über Jahre zu halten. Dieses Team organisierte sich immer wieder neu entlang einer kleineren Zahl thematischer Linien und wechselnder Drittmittel-
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quoten. Die dabei eingeworbenen Drittmittel stammten z.€T. auch aus sehr kleinen Aufträgen unterschiedlichster Anwender, dienten aber dazu, qualitativ hochwertige Forschung zu betreiben und gleichzeitig „Orte der Qualifikation“ zu schaffen, um so nicht nur „produktbezogene“, sondern auch personenbezogene „Wertschöpfung“ organisieren zu können.
10.4 Empfehlungen für die Forschungspolitik 10.4.1 Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit Der Innovationsprozess neuer Werkstoffe baut auf technologischem Wissen aus vielen unterschiedlichen Disziplinen auf (wie z.€B. der Physik, der Chemie, der Metallurgie sowie der Verfahrens- und Fertigungstechnik). Daraus resultieren die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit und des Managements von interdisziplinär zusammengesetzten Teams. Die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit wird in dem Design von Förderprogrammen bereits berücksichtigt. Wir plädieren dafür, die Anreize für die interdisziplinäre Zusammensetzung von Materialforschungsteams auch in Zukunft beizubehalten und punktuell, insbesondere in stark grundlagenorientierten Forschungsprojekten, zu verstärken.
10.4.2 S tärkere Einbindung betriebswirtschaftlicher Inhalte in die Ausbildung von Werkstoffwissenschaftlern Deutsche Werkstoffwissenschaftler genießen auf internationaler Ebene ein hohes Ansehen. Dies unterstreicht die hohe Qualität der Ausbildung in werkstoffwissenschaftlich orientierten Studiengängen an den Hochschulen in Deutschland. Dennoch sehen wir betreffend der Verbindung von werkstoffwissenschaftlichen Fragestellungen und der Perspektive der späteren Anwendungsmärkte noch Verbesserungspotentiale in den einschlägigen deutschen Studiengängen. Wir empfehlen hier den Blick auf Universitäten im Ausland, wo eine Vernetzung dieser beiden Aspekte bereits stärker vorgenommen wird. So ist bspw. der Studiengang „Materials Economics and Management“ der englischen Universität Oxford eine Referenz für die Verbindung von Know-how aus Werkstoffwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften, an der sich deutsche Hochschulen orientieren könnten. Doch auch in Deutschland finden sich interessante Ansätze zur Integration ökonomischer Inhalte in werkstoffwissenschaftliche Studiengänge. So werden an der Universität Stuttgart projektorientierte Seminare angeboten, in denen Studierende die Bedeutung von Werkstoff-Kosten für die CFK-Bauteilfertigung anhand eigener Projekte erfahren können.
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Wir erachten die Integration ökonomischer Fragestellungen insgesamt als einen wichtigen Mehrwert für die Ausbildung junger Werkstoffwissenschaftler und als einen wichtigen Baustein für die langfristige Verbesserung des WTT bei neuen Werkstoffen. Das Verdeutlichen der erfolgskritischen Bedeutung von Kostenstrukturen für neue Werkstoffe anhand von Praxisprojekten, wie es an der Universität Stuttgart für den Bereich Leichtbau schon praktiziert wird, scheint hierfür ein lohnenswerter Ansatz zu sein und sollte intensiviert werden.
10.4.3 G ezielte Stärkung der Management-Kompetenz und des betriebswirtschaftlichen Know-hows in Transferstellen und Patentverwertungsagenturen Als einen Schlüsselfaktor für einen erfolgreichen WTT betrachten wir auch die Stärkung der Management-Kompetenz von Transferstellen und Patentverwertungsagenturen. Auch Blind et€ al. (2008) weisen der Förderung der Qualifikation des Personals in Technologietransferstellen und Patentverwertungsagenturen eine hohe Bedeutung für deren kommerziellen Erfolg zu. Diese Organisationseinheiten werden in der Literatur zum WTT und auch von Vertretern der Industrie oft stark kritisiert und in Frage gestellt. Doch eine reine Schuldzuweisung an die Transferstellen selbst führt die Diskussion weder an die Ursachen für die Probleme im WTT-Prozess noch an die Verbesserungspotentiale heran. So ist zu beobachten, dass Transferstellen oft stark unterbesetzt sind und alleine aufgrund dieses Umstandes nicht das leisten können, was für eine proaktive und strategisch sinnvolle Unterstützung des WTT notwendig wäre. Dennoch stellen wir auch fest, dass die Fallstricke, die der Kommerzialisierungsprozess für neue Werkstoffe sicherlich aufweist, Transferstellen tendenziell überfordert. Zu diesen Fallstricken, die oft nicht ausreichend beachtet werden, zählen insbesondere die Identifikation potentieller Anwendungen, die Fokussierung auf einen ersten Anwendungsbereich (Primäranwendung) und die damit zusammenhängende konsequente Planung und Verfolgung von Folgeanwendungen. Die dafür notwendigen Aktivitäten erfordern ein hohes Maß an Verständnis für die relevanten Anwendungsmärkte und deren Gesetzmäßigkeiten sowie betriebswirtschaftliches Know-how. Dieses ist bei Mitarbeitern in Transferstellen und Patentverwertungsagenturen nicht immer in ausreichender Form entwickelt. Ein strukturierter Prozess der Kommerzialisierungsplanung, in dem die Wahl der Primär- als auch Sekundäranwendungen anhand von betriebswirtschaftlichen Kriterien vonstatten geht, wird demzufolge oft unzureichend realisiert. Wir empfehlen daher, die Mitarbeiter von Transferstellen und Patentverwertungsagenturen gezielt hinsichtlich der Implikationen von generischen Innovationen für den Kommerzialisierungsprozess zu schulen sowie verstärkt Mitarbeiter mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund für diese Einrichtungen zu rekrutieren. Auch Blind et€al. (2008) kommen zu einer ähnlichen Empfehlung. Sie plädieren für eine interdisziplinäre Rekrutierungspolitik in diesen Organisationen, worin sie explizit die Rekrutierung von Wirtschaftswissenschaftlern einschließen.
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10.4.4 A usbau der Anzahl von Dissertationsprojekten mit direkter Anbindung an ein Industrieunternehmen Viele Hochschullehrer im Bereich der Materialforschung, die Wert auf Kooperationsprojekte mit Industriepartnern legen, haben in ihrer Karriere bereits selbst Erfahrung in einem Industrieunternehmen gesammelt. Von den dort vorhandenen Netzwerken innerhalb des jeweiligen Unternehmens und in der gesamten Branche können Hochschullehrer enorm profitieren, insbesondere wenn es ihnen um die Organisation langfristiger Kooperationen mit Industriepartnern und Anwendern geht. Einerseits können gerade Hochschullehrer mit Industrieerfahrung „strategische Kooperationen“ aufgrund ihres Hintergrundwissens über Strukturen und Abläufe in Unternehmen intensivieren und so in Formen der längerfristigen und kontinuierlichen Zusammenarbeit überführen, in denen sowohl die wissenschaftlichen Einrichtungen als auch die Partner aus der Wirtschaft gewinnen. Da die Kontextbedingungen an Hochschulen in besonderer Weise Veränderungen ausgesetzt sind, hängt die erfolgreiche Initiierung dieser Zusammenarbeit von den Personen ab, die sowohl Berufserfahrung in der Forschung als auch in der Industrie besitzen. Abschluss- und Doktorarbeiten können dabei hervorragende Instrumente sein, über die intensivierte Formen der Zusammenarbeit anzustoßen sind. Gerade junge Werkstoffwissenschaftler können dabei früh mit wichtigen Unternehmen in Kontakt kommen und Netzwerke aufbauen sowie gleichzeitig an ihren Instituten Vorbedingungen für Kooperationen über gemeinsame Transferprojekte schaffen. Dieses Modell sollte in Zukunft noch stärker gefördert werden, da es die Verbindung und den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sehr gut stärken würde. Andererseits ist in der explorativen Phase in InnoMat auch deutlich geworden, dass Hochschullehrer ebenso wie erfahrene Wissenschaftler der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft trotz intensiver Bemühungen um die Fortsetzung vorhandener Kooperationen diese nur fallweise realisieren können. Jenseits der jeweils individuellen Randbedingungen, wie spezifische Primäranwendung und Potentiale der Folgeanwendungen, Intensität des gegenseitigen Kooperationsinteresses etc., wurde dabei die unterschiedliche Belastbarkeit der Kontakte und Interaktionen zwischen Materialforschungsteams und Industriepartnern offensichtlich. Das Vorwissen über Unternehmen, deren Netzwerke und Marktsegmente einzelner neuer Materialien bei den Hochschullehrern und Wissenschaftlern mag dabei eine zentrale Variable sein. Welchen Stellenwert sie in Relation zu wechselnden Erwartungen der Industriepartner hat, muss an dieser Stelle als empirisch offene Frage behandelt werden. Forschungen im Hinblick auf unternehmerische Entscheidungen, mittelfristige Kooperationsangebote auszuschlagen, und welche Gründe dafür entscheidend sind, konnten in den hier durchgeführten Erhebungen und Analysen nicht weit genug vorangetrieben werden. Ursachen für den Abbruch oder das Nicht-Eingehen auf Kooperationsangebote konnten daher nicht identifiziert werden. Handlungspraktisch vermindert dieser Umstand gleichzeitig nicht die Notwendigkeiten, in öffentlich finanzierten Transfervorhaben Kontakte und Wissensbestände dieser Art zu nutzen, um ihre Chancen für die Fortsetzung strategisch plausibler Koopera-
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tionen zu eröffnen. Dissertationsprojekte, die in Zusammenarbeit mit der Industrie durchgeführt werden, stellen eine gute Basis für die Schaffung dieser Kontakte und anwendungsbezogener Wissensbestände dar. InnoMat zeigte aber auch, dass Dissertationsprojekte hochwertige, aber gleichzeitig auch labile Kontakte darstellen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Promovenden nach Abschluss ihrer Qualifikationsarbeit das Materialforschungsteam verlassen und auch nicht zum jeweiligen Industriepartner wechseln.
10.4.5 F örderung von Projekten an der Schnittstelle zwischen F&E und Produktion Wenn Deutschland seine Führungsposition im Forschungs- und Innovationsfeld neuer Werkstoffe nachhaltig behaupten will, muss ein strukturelles Defizit angegangen werden: das Scheitern der Überführung eines neuen Werkstoffes von dem Stadium der F&E in die Produktion. Wir empfehlen daher, gezielt Vorhaben zu fördern, die an der Schnittstelle zwischen F&E und Produktion die Bedingungen für eine kosteneffiziente, möglichst automatisierte Fertigung von neuen Werkstoffen sowie auf diesen basierenden Zwischen- und Endprodukten sicherstellen. Diese Projekte können auch als ‚Scale-up‘-Projekte bezeichnet werden, da sie die Grundlagen für die Anwendung eines neuen Werkstoffes aus der Konstellation des Forschungslabors in die Serienanwendung untersuchen und schaffen sollen. Wissen aus Vorhaben dieses Typs kann dann dazu führen, dass Deutschland seine Fähigkeiten in der F&E neuer Werkstoffe besser in eine Stärkung als Produktionsstandort umsetzen kann, um so Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern.
10.4.6 Management von Forschungs- und Transferprozessen Die deutsche Forschungspolitik mit ihrer föderalen Struktur und den weichen Instrumenten, die in spezifischer Weise Planungssicherheit garantieren, scheint gut beraten, diesen weichen Weg fortzusetzen und konzeptionell im Sinne einer Kontextsteuerung auszubauen. Diese Kontextsteuerung kann Hilfen bei Prozessen der Selbstorganisation und Selbstanpassung auf Seiten ihrer Adressaten leisten, wenn diese Prozesse in eine Erfolg versprechende Richtung deuten. Sie kann durch Anreize und als Vermittler und Makler zwischen heterogenen Motiven und Interessen vermitteln. Und sie könnte sich dazu, wie am Beispiel eines Innovationsclusters wie des „CFK-Valleys“ deutlich wird (vgl. Abschn.€8.6), ihrerseits künftig auch zunehmend auf private Akteure stützen, die selbst einen Bedarf an einer stärkeren Koordination des deutschen Forschungssystems besitzen und mit einem Gutteil ihrer Ressourcen entsprechende Strategien verfolgen.
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10.5 Empfehlungen für das Innovationsmanagement Unsere empirischen Ergebnisse zeigen, dass für die nachhaltige Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen ein integrierter, sich selbst verstärkender Zyklus der Innovation initiiert und vorangetrieben werden muss. Erst durch dauerhafte Reinvestitionen von erzielten Erträgen in die Weiterentwicklung des Werkstoffes wird dieser Zyklus der Werkstoff-Innovation in Gang gesetzt und eine Entwicklungslinie nachhaltig vorangetrieben. Bereits in frühen Phasen des Innovationsprozesses empfehlen wir, dass die erfolgreiche Durchsetzung der Werkstoff-Innovation in breiten Marktsegmenten als mittel- bis langfristiges Ziel verfolgt wird. Damit soll die Entscheidung von Materialforschungsteams, sich in einem ersten Schritt auf eine Nischenanwendung zu konzentrieren, nicht pauschal verurteilt werden. Dennoch birgt dieses Vorgehen die Gefahr, dass durch eine Fokussierung auf die erste erfolgreiche Nischenanwendung wichtige Merkmale und Problemlösungsansätze für spätere Massenanwendungen vernachlässigt werden. Die zu späte Ausrichtung von Werkstoff-Innovationsprojekten auf stückzahlenintensive Anwendungen ist im Innovationswettlauf oft nicht mehr aufholbar und ein wichtiger Grund für Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von neuen Werkstoffen in umsatzstarken Segmenten. Wir plädieren daher ausdrücklich dafür, zumindest mittel- und langfristig eine dezidierte Ausrichtung auf besonders attraktive und stückzahlenintensive Marktsegmente vorzunehmen und bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Forschungsprozesses die Weichen für die breite Durchsetzung eines Werkstoffes zu stellen. Unsere Empfehlungen in diesem Abschnitt zielen daher darauf ab, Werkstoff-Innovationen nicht nur erfolgreich in einer Nische zur Anwendung zu bringen, sondern explizit und frühzeitig auf eine Massenanwendung auszurichten.
10.5.1 T ransformation von „High-Value“- zu „Low-Cost“-Werkstoff-Innovationen durch gezieltes Kostenmanagement Bei der Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Parameter wird deutlich, dass eine Konzentration auf die breite Durchsetzung einer Werkstoff-Innovation entscheidende Vorteile mit sich bringt. Durch hohe Stückzahlen, kontinuierliche Verbesserung der Verfahrens- und Prozesstechnik und Lernkurveneffekte kann die Kostenstruktur von Werkstoff-Innovationen optimiert werden. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit der Anwendung des Werkstoffes bei den Marktteilnehmern. Die Transformation von Kostenstrukturen, welche für einen F&E-Prozess adäquat sind, zu Kostenstrukturen, die eine effiziente Serienproduktion ermöglichen, spiegelt sich zumeist nicht in den Zielen von Verbundprojekten wider. Wir fassen diesen Zusammenhang als die ungenügende Transformation von „High-Value-Innovation“ hin zu „Low-CostInnovation“ zusammen.
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Eine herausgehobene Rolle für die Umsetzung dieser Transformation spielen die Kosten für Vorprodukte sowie die prozess- und verfahrensabhängigen Produktionskosten, da diese beiden Faktoren maßgeblich die Rahmenbedingungen einer späteren Serienproduktion bestimmen. Wir empfehlen an dieser Stelle, das Instrument des Target Costing (vgl. Kap.€2), das eine marktgerechte Gestaltung von Kostenstrukturen ermöglicht, konsequent in Verbundprojekten im Bereich der WerkstoffInnovation anzuwenden; dies muss insbesondere auch im Hinblick auf eine spätere Massenanwendung gelten. Sicherlich bleibt abzuwägen, in welcher Form die Integration dieser Methodik bei grundlagennahen Projekten erfolgen könnte. Wir empfehlen jedoch nachdrücklich, die Orientierung auf marktgerechte Kostenstrukturen nicht kategorisch auf anwendungsnahe Projekte zu beschränken. Da eine spezielle Anpassung des Target Costing auf den Anwendungsbereich neuer Werkstoffe bislang nur ansatzweise erfolgt ist, stehen zwei Aufgaben an dieser Stelle im Vordergrund: (a) Die Ausarbeitung eines anwenderfreundlichen Methodenbaukastens für das Target Costing bei Werkstoff-Innovationsprojekten; (b) die Prüfung von Möglichkeiten, mit denen sicherzustellen ist, dass einzelne Materialwissenschaftler in Transfervorhaben professionell betreut werden, da nur fallweise davon auszugehen ist, dass der Einsatz entsprechender Tools ohne Unterstützung in den Materialwissenschaften selbst bei erfahrenen Forscherteams realisiert werden kann. Sowohl für Vorhaben im Verbund mit Unternehmen als auch für Eigenprojekte in den Forschungseinrichtungen ist damit eine interessante Fragestellung für zukünftige Forschungsarbeiten aufgezeigt.
10.5.2 K onsequente Übertragung von Werkstoff-Innovationen in sekundäre Anwendungsfelder Wir plädieren dafür, dass in Werkstoff-Innovationsprojekten die in Abschn.€10.5.1 beschriebene Wandlung von „High-Value“ zu „Low-Cost“ auch explizit über die Primäranwendung hinaus forciert werden sollte. Die Schwäche des deutschen Innovationssystems in Bezug auf die Übertragung und Weiterentwicklung von neuen Werkstoffen in Low-Cost-Bereiche wurde bereits von Braun et€ al. (1993) festgestellt. Gemäß unserer Analysen ist dieser Schwachpunkt noch immer nicht beseitigt. Wie ein idealtypischer Ablauf der Diffusion einer Werkstoff-Innovation beschaffen ist, wollen wir in Abb.€10.2 deutlich machen. Diese stellt die Diffusionspfade eines keramischen Faserverbundwerkstoffes (C/C-SiC) im Anwendungsfeld „Bremsscheiben & Bremsbeläge“ dar. Die kritischen Phasenübergänge wurden durch Blitze hervorgehoben. Insbesondere die Übergänge von der Markteinführung einer Werkstoff-Innovation in einen Anwendungskontext bis zu der Durchsetzung auf diesem Markt (hier in Phasen I und III markiert) sowie der Übergang von der Nischenanwendung zu einer breiten Anwendung erweisen sich häufig als sehr schwierig. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht in der Übertragung einer Werkstoff-Innovation von der Erstanwendung in einen neuen Markt (beides hier zwischen den Phasen markiert).
Anwendung in anderen Branchen (Durchsetzung in hohen Stückzahlen; Low-Cost Innovation)
z.B. Nutzung von C/CSiC in anderen Bremsanwendungen
Anwendung in anderen Branchen (High-Value Nische)
z.B. Übertragung der Bremsscheibe in Volumen-KFZ
Erstanwendung (Durchsetzung in hohen Stückzahlen; Low-Cost Innovation)
z.B. Anwendung von C/CSiC als Bremsscheibe in Sportfahrzeugen
Erstanwendung (High-Value Nische)
Investitionen in Forschung & Entwicklung
Investitionen in Forschung & Entwicklung
Investitionen in Forschung & Entwicklung
Investitionen in Forschung & Entwicklung
Generierung technologischer Kompetenzen
Generierung technologischer Kompetenzen
Generierung technologischer Kompetenzen
Generierung technologischer Kompetenzen
Abb. 10.2↜渀 Abfolge der Diffusion einer Werkstoff-Innovation in verschiedene Märkte
IV
III
II
I
Einführung kostenoptimierter Produkte und Dienstleistungen
Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen
Einführung kostenoptimierter Produkte und Dienstleistungen
Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen
Markterfolg und hohe FinanzPerformance
Markterfolg und hohe FinanzPerformance
Markterfolg und hohe FinanzPerformance
Markterfolg und hohe FinanzPerformance
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Diese kritischen Phasen können durch die Reinvestition von Erträgen in F&E sowie eine Konzentration auf die im jeweiligen Marktumfeld erfolgskritischen Kostenparameter gemeistert werden.
10.5.3 S tärkere Kompetenzbündelung zwischen Forschungssystem, Werkstoffherstellern und Anwendern Die im vorherigen Abschnitt dargestellte Systematik der Diffusionspfade und kritischen Phasenübergänge führt zu der Frage, wie Verbundprojekte ein gemeinschaftliches Vorgehen entwickeln können, um diese kritischen Übergänge zu meistern. Die Ausgangssituation stellt sich so dar, dass die Aktivitäten von öffentlicher Forschung und Industrieunternehmen im Bereich der Werkstoff-Innovation nicht ausreichend synchronisiert sind. Unsere Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass öffentliche Forschungseinrichtungen primär auf einen repetitiven Zyklus der Innovation konzentriert sind, der weitestgehend auf die Forschung und Entwicklung, die Generierung technologischer Kompetenzen und die Realisierung von Drittmitteln beschränkt ist. Wir haben an einigen Beispielen jedoch eine Entwicklung beobachtet, die das Forschungsinstitut aus dem tradierten Selbstverständnis des Technologielieferanten herausmanövriert. Vielmehr treten diese Institute als Technologieanbieter auf, die selbstbewusst ihre auf Industriefragestellungen ausgerichteten Forschungsarbeiten vermarkten und sich insbesondere auch als Problemlöser und Dienstleister für Industrieunternehmen verstehen. Diese Institute, unter denen nicht nur die klassisch anwendungsorientierten Fraunhofer-Institute zu finden sind, fallen auch durch ihre intensive Interaktion mit Endanwendern von Werkstoffen auf. Sie haben ihre Aktivitäten entsprechend zu ihrer neuen Rolle im Werkstoff-Innovationsprozess rekonfiguriert und dabei erfolgskritische Kompetenzen aufgebaut, die wir im Folgenden darlegen: 1. Kompetenz der Erprobung und Erstanwendung in Forschungsinstituten: Die ausgezeichnete Kompetenz von Forschungsinstituten im Bereich der Materialprüfung und der Kennwertermittlung neuer Werkstoffe wird von einigen Instituten sehr effektiv in die Werkstoffentwicklung von Industrieunternehmen „eingepasst“. Durch die Einbringung dieser Kompetenz generiert das Forschungsinstitut bei seinen „Kunden“ eine Effizienzsteigerung im Entwicklungsprozess und steht in kontinuierlicher Interaktion mit den Industrieunternehmen. 2. Kompetenz der Integration von Anwender-Impulsen in den Innovationsprozess neuer Werkstoffe: Forschungsinstitute profilieren sich immer mehr durch eine enge Zusammenarbeit mit Werkstoffanwendern und Werkstoffherstellern. Durch die Integration beider Ebenen kann das Institut sehr viel stärker als zuvor ein Gesamtverständnis für die Problemstellung und die Bedürfnisse des Marktes entwickeln und diese auch in die strategische Ausrichtung des Instituts einfließen lassen. 3. Neues Verständnis für die Bedeutung einer hohen Reputation als Lösungsanbieter und Dienstleister: In Forschungsinstituten wird zunehmend ein Bewusstsein
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für die Rolle von „Success Stories“ in Form von erfolgreichen Industrieprojekten entwickelt. Dies ist nicht zuletzt auf den tendenziell steigenden Druck zur Drittmittelgewinnung zurückzuführen. Da eine hohe Zufriedenheit der Industriepartner zu Folgeaufträgen führen kann und viele Unternehmen ihre Erfahrungen mit den Instituten in die Bewertung potentieller Kooperationspartner aus der Forschung einfließen lassen, wird auf diesen Aspekt ein spezifisches Augenmerk gelegt. Zusammenfassend soll nochmals hervorgehoben werden, inwiefern die Innovationsprozesse von Werkstoffherstellern und Werkstoffanwendern innerhalb eines erfolgreichen Verbundprojektes von den Aktivitäten der Forschungsinstitute ergänzt und „eingefasst“ werden können (siehe Abb.€ 10.3). Es ist zu beachten, dass der F&E-Prozess in den Instituten sowie der Innovationsprozess bei einem Werkstoffhersteller aus Gründen der Einfachheit als linear-sequentieller Prozess dargestellt ist. In der Realität sind diese Prozesse von verschiedenen Überlappungen zwischen den einzelnen Prozessphasen sowie diversen Feedback- und Feedforward-Schleifen geprägt. Einerseits entwickelt das Forschungsinstitut in Kooperation mit Werkstoffherstellern neue Technologien. Dies geschieht durch das klassische Vorgehen von Forschungseinrichtungen, nämlich der Investition in Forschung und Entwicklung, der Generierung von technologischen Kompetenzen und der Anwerbung von Drittmitteln. Diese Schritte sind bereits eng verzahnt mit den Prozessen bei dem Werkstoffhersteller, der dann letztendlich die Werkstoffentwicklung zum Markterfolg führen soll. Auf der anderen Seite betätigt sich das Forschungsinstitut zunehmend als Problemlöser und Dienstleister. Gemeinsam mit einem Werkstoffanwender werden hier, basierend auf den technologischen Kompetenzen des Forschungsinstitutes, Lösungen entwickelt, zu einer Anwenderinnovation geführt und bei der Erprobung und Erstanwendung begleitet (vgl. die oben beschriebenen erfolgskritischen Kompetenzen dieser Forschungsinstitute). Diese Aktivitäten erweitern den Datenpool der Werkstoffe und Anwendungsmöglichkeiten, der bei den Industriepartnern, dem Forschungsinstitut oder gemeinschaftlich verwaltet wird. Das hier dargestellte System der Verzahnung von Forschungsinstitut, Werkstoffhersteller und Werkstoffanwender müsste in einem weiteren Schritt noch um die Rohstofflieferanten am Beginn der Wertschöpfungskette und die Lead-Kunden am Ende der Wertschöpfungskette erweitert werden, welche auch einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg einer Werkstoff-Innovation ausüben können.
10.5.4 D urchführung eines systematischen Projektmanagements in Werkstoff-Innovationsprojekten In öffentlich geförderten Verbundprojekten sind klar reglementierte Projektmeilensteine und Erfolgsmaße noch immer keine Selbstverständlichkeit. Dies gilt auch für Projekte im Feld der Werkstoff-Innovation. Jedoch ist die Vereinbarung von klar de-
Enge Zusammenarbeit mit Lead-Kunde
Generierung neuartiger WerkstoffAnwendungen
Erprobung & Erstanwendung
WissensManagement beim Anwender
Datenpool zu Werkstoffen und Anwendungsmöglichkeiten
Hohe Reputation als Lösungsanbieter und Dienstleister
Hohe Reputation als Lösungsanbieter für Endanwender
Markterfolg und hohe FinanzPerformance
Abb. 10.3↜渀 Die duale Rolle von Forschungsinstituten bei der Werkstoffentwicklung
Forschungsinstitut als Problemlöser und Dienstleister
AnwenderInnovation
Einführung neuer Produkte und neuer Dienstleistungen
Generierung technologischer Kompetenzen
Investition in Forschung & Entwicklung
Realisierung von Drittmitteln
Generierung technologischer Kompetenzen
Investition in Forschung & Entwicklung
Forschungsinstitut als Anbieter neuer Technologien
Werkstoffanwender
Werkstoffhersteller
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finierten Zielen und eine an die Erfüllung bzw. Nichterfüllung dieser Ziele geknüpfte Einteilung von Projektphasen ein elementar wichtiger Bestandteil des Projektmanagements. Wir empfehlen daher eine Annäherung an die in Industrieunternehmen verfolgte Vorgehensweise des „Stage-Gate-Modells“ der Produktentwicklung. Dieses Modell wurde von Robert Cooper (u.€a. Cooper 2001) geprägt und stellt ein Phasenmodell des Entwicklungsprozesses dar, der durch klar definierte „Gates“ unterteilt wird, an denen nach bestimmten Kriterien das Projekt weitergeführt, abgeändert, gestoppt oder sogar komplett aufgegeben wird. Zwar wird nun in einigen Verbundprojekten ein möglicher Abbruch des Projektes vereinbart, falls ein erfolgreiches Bearbeiten des Projektes nach einer Screening-Phase nicht mehr absehbar ist, jedoch ist auch dies nicht in allen Projekten der Fall. Wir plädieren für die breite Anwendung des „Stage-Gate“-Ansatzes in Verbundprojekten1 und vertreten die Position, dass bei einer zunehmenden Zusammenarbeit mit Industriepartnern die Forschungsinstitute von einer Angleichung ihrer Entwicklungsprozesse an die der Industrie profitieren. In jedem Fall stärkt ein klar strukturiertes Projektmanagement die erfolgreiche Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Forschern und Industriepartnern. Um WTT vorzubereiten und erfolgreich zu gestalten, muss das Management der Transfervorhaben in den einzelnen Materialforscherteams auf einer soliden Basis stehen. Dazu gehören nicht nur das professionelle Management der Schnittstelle zwischen Materialforschern und Anwendern (d.€ h. Industrievertretern), sondern auch der Aufbau innovationsfördernder Strukturen sowie institutioneller und personeller Netzwerke inkl. deren Rückbau, wenn sie nicht in der gewünschten Weise arbeiten. Parallel müssen in den organisatorischen Kernen der Transfervorhaben, in die die konkreten Transferprozesse eingebunden sind, Plattformen zum Lernen und Experimentieren (sowie die zugehörigen Qualifikationsarbeiten und -prozesse) sowie Foren für strategische Diskussionen bereitgestellt werden (Smits und Kuhlmann 2004). Diese Foren müssen auch offen sein für die Entwicklung von Visionen, ebenso aber auch für Prozesse des Stimulierens von Nachfrage und die Reaktion auf erste Anzeichen sich andeutender Nachfrage.
10.5.5 F örderung des Transfers von marktbezogenem Wissen in Werkstoff-Innovationsprojekten Bei Werkstoff-Innovationsprojekten zwischen Forschungseinrichtungen und Industriefirmen muss Wert auf einen wechselseitigen Wissensaustausch mit hoher TransAllgemein sind Verbundprojekte – im Unterschied zur Einzelförderung – zunächst dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen mehrere Akteure arbeitsteilig an der Bearbeitung übergreifender, thematisch-funktionell zusammenhängender Problemstellungen zusammenwirken. Im Bereich der öffentlichen Forschungsförderung wird von Verbundprojekten typischerweise dann gesprochen, wenn Einrichtungen aus der Wirtschaft und der Wissenschaft in Forschungsvorhaben unter dem Aspekt des WTT zusammenarbeiten. In den letzten Jahrzehnten hat der Anteil der Verbundförderung in der direkten Projektförderung gegenüber der Einzelförderung kontinuierlich zugenommen, zudem wurde das Konzept auf fast alle Förderbereiche ausgeweitet.
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parenz gelegt werden. Nur dann, so der Tenor der einschlägigen Literatur und der im Projekt geführten Expertengespräche, ist die Interaktion zwischen öffentlicher Forschung und der Industrie auf mittel- und langfristige Sicht tragfähig. In der Zusammenarbeit mit Industriepartnern wird durch die Forscher oft die Intransparenz unternehmerischer Entscheidungsabläufe – sowohl im Hinblick auf die Übernahme ihrer Forschungsergebnisse als auch auf die mit der Materialentwicklung verbundenen Produktstrategien – beklagt. Dies führt nicht selten zu einer gewissen Resignation bei den Forschern: Einerseits wird erwartet, dass man „umsetzbare“ Materialentwicklungen verfolgt – eine Aufgabe, der sich viele Materialforscher explizit auch gerne stellen, da Werte wie „gesellschaftlicher Nutzen“ und „Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Standortes“ für sie einen hohen Stellenwert besitzen. Andererseits fühlen sie sich in einer ungleichen Partnerschaft eher auf eine Dienstleistungsfunktion reduziert, da sie weder an Umsetzungsentscheidungen beteiligt sind noch diese ihnen gegenüber adäquat kommuniziert werden. Ein Schritt zu einer Lösung dieser Frage könnte eine größere Transparenz sowie ein offenerer Austausch über die jeweiligen Ziele und Erwartungen jeder Seite sein. Das würde zudem die (u.€U. unterschiedlichen) Handlungsweisen jeder Seite verständlicher machen. Industriefirmen, die in einem Werkstoff-Innovationsprojekt gemeinsam mit einer öffentlichen Forschungseinrichtung oder einer Universität arbeiten, sollten daher den Transfer von marktbezogenem Wissen in die Forschungseinrichtung auch als eigene Verpflichtung wahrnehmen, da das Forschungssystem auf dieses Wissen langfristig angewiesen ist. Zudem sollten Unternehmen bedenken, dass der Transfer von marktbezogenem Wissen in die Forschung auf lange Sicht auch für sie lohnenswert ist, sind sie doch gerade im Bereich der Werkstoff-Innovation auf die Impulse aus der Forschung maßgeblich angewiesen. Natürlich bewegen sich Unternehmen an diesem Punkt in einem Spannungsfeld. Marktbezogenes Wissen ist nicht selten die Basis für Wettbewerbsvorteile, und die Weitergabe dieses Wissens an einen Forschungspartner birgt die Gefahr des unkontrollierten Wissensabflusses, sei es aufgrund einer hohen Mitarbeiterfluktuation oder weiterer Industriekontakte des Forschungspartners. Dennoch plädieren wir dafür, dass Unternehmen in Zukunft stärker marktbezogenes Wissen an ihre Forschungspartner weitergeben, da diese hierdurch ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse und Gesetzmäßigkeiten der Märkte entwickeln können und in die Lage versetzt werden, ihr Forschungsprogramm besser auf die Märkte auszurichten. Ein Unternehmen, das marktbezogenes Wissen an die Einrichtung weitergibt, kann durch eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit diesem Forschungspartner von dessen verbessertem Verständnis für die wirtschaftlichen Anforderungen an Werkstoff-Innovationen profitieren, oft auch in einer exklusiven Konstellation. Andererseits müssen Forscher lernen, ihr Wissensportfolio nach solchem Wissen zu unterscheiden, das im öffentlichen Raum entstand und publizierbar ist und nach solchem, das vertraulich und exklusiv zu behandeln ist. Die Industrieseite glaubt häufig, dass dieses Bewusstsein und Handeln heute in deutschen Forschungslaboren noch nicht selbstverständlich ist; sie befürchtet einen leichtfertigen Umgang mit vertraulichen Informationen aus den Unternehmen. Dies stellt ein starkes Hemmnis für die Ausweitung der so drin-
10â•… Schlussfolgerungen und Empfehlungen
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gend benötigten engeren Industrie-Wissenschafts-Kooperation dar. Durch einen offenen Austausch über die Erfordernisse zum Schutz des geistigen Eigentums und das Treffen dementsprechender Regelungen kann dieses Hemmnis jedoch weitgehend beseitigt werden.
Literatur Blind K, Cuntz A, Schmoch U (2008) Patentverwertungsstrukturen für Hoch-schulerfindungen im internationalen Vergleich mit den Schwerpunkten USA, Israel und Japan, Endbericht Projekt Nr.€24/07. Fraunhofer ISI, Karlsruhe Braun M, Gerybadze A, Rätz A, Witzel M (1993) Evaluierung des Materialforschungsprogramms der Bundesregierung. Studie im Auftrag des Bundesministers für Forschung und Technologie, Wiesbaden Christensen CM, Raynor M E (2003) The innovator’s solution: creating and sustaining successful growth. Harvard Business School Press, Boston Cooper RG (2001) Winning at new products: accelerating the process from idea to launch, 3rd edn. Perseus Publishing, Cambridge EFI (Hrsg) (2010) Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2010. EFI, Berlin OECD (1990) Advanced materials: policies and technological challenges. OECD, Paris Polt W, Berger M, Boekholt P, Cremers K, Egeln J, Gassler H, Hofer R, Rammer C (2010) Das deutsche Forschungs- und Innovationssystem – ein internationaler Systemvergleich zur Rolle von Wissenschaft, Interaktionen und Governance für die technologische Leistungsfähigkeit, Studien zum deutschen Innovationssystem, Nr.€11–2010. EFI, Berlin Schnabel U (2004) Gut gemeint ist schlecht erfunden, DIE ZEIT, Nr.€23. http://www.zeit.de/2004/ 23/I-Floppologie Smits R, Kuhlmann S (2004) The rise of systemic instruments in innovation policy. Int J Foresight Innov Policy 1(1/2):2–31 Weingart P (2003) Wissenschaftssoziologie. Transcript, Bielefeld Wissenschaftsrat (2007) Empfehlungen zur Interaktion von Wissenschaft und Wirtschaft, Drucksache 7865–07. Wissenschaftsrat, Oldenburg
Anhang Empirisches Design und Vorgehen im Rahmen der qualitativen Sozialforschung in Kapitel 5 Anna Schleisiek
Inhalt A.1â•… Arbeitspakt ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓������������╇ 303 A.2â•… Grounded Theory als Forschungsprogramm ����������������������������������尓���������������������������������╇ 305 A.2.1â•…Dialog im Forschungsprozess ����������������������������������尓������������������������������������尓������╇ 305 A.2.2â•… Erläuterungen zu den Leitfadeninterviews ����������������������������������尓�����������������������╇ 306 A.3â•… Dokumentation ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓������╇ 310 A.3.1â•… Interviewleitfäden der 1.-3. Interviewwelle ����������������������������������尓���������������������╇ 310 Literatur ����������������������������������尓������������������������������������尓������������������������������������尓���������������������������╇ 314
A.1 Arbeitspakt Da soziale Wirklichkeit einen stark kommunikativen Charakter besitzt, stehen Kommunikation und Abstimmungsprozesse zwischen verschiedenen Akteuren im Mittelpunkt der Analysen. Für die Auswahl der methodischen Verfahren zur Datenerhebung und -analyse ist in der qualitativen Forschungstradition entscheidend, dass einerseits die Verfahren angewandt werden, die hinreichend aufmerksam für die Eigenheiten der jeweiligen Forschungstradition (hier Innovationsforschung, Wissens- und Techniksoziologie sowie Technikfolgenabschätzung) sind. Gleichzeitig müssen sie „gegenstandsangemessen“ sein. Darunter wird verstanden, dass sowohl das Alltagsgeschehen als auch das Alltagswissen der untersuchten Akteure besondere Aufmerksamkeit erhält und nicht zugunsten der analytischen Leitfragen ausgeblendet wird. Im Rahmen der qualitativen Sozialforschung werden ebenfalls Daten erhoben, deren Merkmale hier kurz skizziert und auf den Forschungsgengenstand angewandt werden. Diese Daten sind A. Schleisiek () Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), 76021 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected]
K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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• eng an ihren jeweiligen Kontext gebunden (hier Materialforschung), • integrieren die Perspektive der Befragten (hier die Mitglieder der ausgewählten Forschungsteams), • integrieren die Person der Forschenden und deren Reflexivität (hier die des InnoMat-Forschungsteams) und • folgen dem Prinzip der Offenheit. Aus der Verbindung von subjektiver Konstruktion der Untersuchten und Rekonstruktion der von ihnen verfolgten Handlungsmuster sowie dem Vorgehen der Forschung folgt ein Verständnis von Forschung als „entdeckende Wissenschaft“, an die häufig das Ziel der Theorieentwicklung für neue Gegenstandsbereiche angeschlossen wird (Flick et€al. 2005, S.€24). Diese Eigenschaften machen Verfahren der qualitativen Sozialforschung besonders geeignet für explorative Forschungsvorhaben. Die Kritik an qualitativen Forschungsmethoden richtet sich auf die aus den quantitativen Verfahren nur schwer übertragbaren Gütekriterien. Die Diskussion um Geltungsbegründungen und Gütekriterien für qualitative Forschungsarbeiten hat in den letzten Jahren jedoch an Bedeutung gewonnen und wurde intensiv in der Scientific Community geführt. Ein Vorschlag für eine Strategie der Geltungsbegründung qualitativer Forschungsarbeiten besteht in der „Triangulation“ verschiedener Forschungsperspektiven auf ein Phänomen (Flick 2005, S.€309€ff.). Die Diskussion um Gütekriterien bezog sich sowohl auf die Phase der Datenerhebung (Helfferich 2005, S.€7) als auch auf die Güte des Forschungsprozesses selbst: hier wurde vor allem für die Offenlegung des Forschungsprozesses plädiert, um die Entscheidungen im Forschungsprozess für andere nachvollziehbar zu machen (Crawford et€al. 2000, Abs.€27). Ein weiterer wichtiger Beitrag zur besseren Überprüfbarkeit der qualitativen Sozialforschung wird im Einsatz der computergestützten Analyse qualitativer Daten gesehen: As far as methodology goes, with the use of software, as precision and reliability of classification increases, it improves its rigorous reasoning and it guarantees data inspection, which was considered one of the historic pitfalls of qualitative research (Gobo 2005, Abs.€18).
Sie zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie bei der Organisation des Materials, der Vercodung und Kategorienbildung unterstütz und die Übersichtlichkeit des Materials verbessert (Kelle 2005, S.€488€f; Flick 2002, ab S.€361€ff.). Softwareprogramme wie Max QDA (das in InnoMat ab der zweiten Interviewwelle eingesetzt wurde) oder ATLAS/ti sind geeignet, um qualitative Forschungsvorhaben verschiedener Ansätze zu unterstützen, wurden aber hauptsächlich für Forschungsarbeiten im Rahmen der „Grounded Theory“ entwickelt (Kuckartz 2007, S.€81). Im Rahmen der qualitativen Sozialforschung gibt es verschiedene Ansätze, die Entscheidung für einen bestimmten Ansatz richtet sich auch hier nach der Fragestellung und dem konkreten Untersuchungsgegenstand. Im Folgenden wird kurz der Ansatz der „Grounded Theory“ vorgestellt, an der sich das empirische Design der Arbeiten zu Kap.€5 orientiert hat.
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A.2 Grounded Theory als Forschungsprogramm Obwohl Sozialforscher schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit Hilfe von qualitativen Zugängen forschten, wurde erst 1967 mit „The Discovery of Grounded Theory: Strategies for Qualitative Research“ von Glaser und Strauss das erste Werk zur qualitativen Methodologie vorgelegt (Gobo 2005, Abs.€ 1). Ursprünglich wurde die Grounded Theory (GT) als Gegenprogramm zum damals vorherrschenden Paradigma der quantitativen Sozialforschung entwickelt. Für Glaser und Strauss ist die Art der Entstehung von Theorien von grundsätzlicher Bedeutung für ihre Geltung. Die Unangemessenheit der meisten Theorien für ihren Forschungsgegenstand führen sie auf das deduktive Verfahren bei der Theoriebildung zurück. Glaser und Strauss fordern deshalb ein induktives Vorgehen und legen mit „The discovery of Grounded Theory“ eine grundlegende Kritik am Paradigma des kritischen Rationalismus vor, in der sie sich kritisch mit Theorien des logisch-deduktiven Typs auseinander setzen. Die GT steht so in einer Tradition des Pragmatismus und des symbolischen Interaktionismus (Hildenbrand 2005, S.€ 32). Mit der GT wird nun ein induktives Verfahren vorgeschlagen. Die Theoriebildung erfolgt aus dem Gegenstand heraus. Der Begriff „grounded“ bezieht sich hierbei darauf, dass die Theorie aus der Empirie entsteht, also „grounded“ im Sinne von „dem Boden verhaftet“ ist. Die so gewonnene Theorie wird der empirischen Situation eher gerecht, sie ist für Soziologen wie für Laien verständlich, liefert nützliche und zutreffende Erklärungen und Interpretationen über die soziale Wirklichkeit und ermöglicht auf dieser Grundlage Vorhersagen und Anwendungsmöglichkeiten (Lamnek 2005, S.€102). Der Forscher soll „offen“ auf das Forschungsfeld zugehen und sich so in der Datensammlung von den vorgefundenen Eigenschaften des Feldes leiten lassen. Offenheit bedeutet dabei allerdings nicht, dass der Forscher völlig theorieund annahmenlos in das Feld geht. Er führt sie als „sensibilisierende Konzepte“ (Strübing 2004, S.€57) mit und ist so in der Lage, primär aus dem Feld heraus induktive Theorien zu entwickeln, die anschlussfähig an bestehende Konzepte und Theorien sind.
A.2.1 Dialog im Forschungsprozess Da mit dem Forschungsvorhaben InnoMat ein dialogischer Forschungsprozess gewählt wurde, nimmt auch die Partizipation der Forschungspartner aus der Materialforschung eine besondere Rolle ein. Sie sollen nicht nur „Beforschte“ sein, die Daten liefern, sondern aktiv am Forschungsprozess beteiligt werden. Das Ziel von InnoMat ist es nicht, eine Evaluation der einzelnen Materialforschungsvorhaben vorzunehmen, wohl aber die Materialforscher in einen Reflexionsprozess über ihr eigenes Tun mittels des Forschungsprozesses zu integrieren. Dieser Idee folgt auch das Forschungsdesign. Dabei gibt es zwei wesentliche Elemente: Zum einen die Datenerhebung und zum anderen die partizipativen Elemente. Das For-
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schungsdesign besteht aus der Durchführung von drei Interviewwellen sowie drei korrespondierenden Workshops mit Vertretern der neun Materialforschungsprojekte. Durch drei Interviewwellen soll das Ziel erreicht werden, die Forschungsgruppen über den Zeitraum von zwei Jahren zu beobachten. Mit den Workshops soll es gelingen, einen Reflexionsraum für die Materialforscher zu eröffnen. Dieses Design ermöglicht noch eine Flexibilität der Datenerhebung. Festgelegt wurden die neun Projekte als zu untersuchende Fälle. Welche Personen befragt werden, welche Fragen gestellt und wie weit der Personenkreis der Befragten geöffnet wird (zum Beispiel hin zu Industrievertretern), kann im Forschungsprozess entschieden werden. Auch die Planung der Workshops selbst wurde in enger Auseinandersetzung mit ersten Erfahrungen im Feld vorgenommen. Im Rahmen des dialogischen Forschungsprozesses wurden die Materialforschungspartner aktiv am InnoMat-Forschungsprozess beteiligt. Das Ziel war dabei, ihnen einen Reflexionsraum für ihre eigene Praxis zu eröffnen. Hauptinstrument des dialogischen Forschungsprozesses waren drei gemeinsame Workshops unter Teilnahme des gesamten InnoMat-Forschungsteams und jeweils mindestens einem Materialforscher aus den Materialforschungsteams (dies war meistens der Interviewpartner). In den Workshops berichtete das InnoMat-Forschungsteam zum einen über seine Arbeit und anstehende Aufgaben. Darüber hinaus wurden Ergebnisse des Forschungsprozesses vorgestellt und mit den Materialforschungspartnern diskutiert. Dies führte wiederholt zu vertiefenden Einblicken und Überprüfungen von Begriffen und Hypothesen, die im Forschungsprozess entwickelt wurden. Ein weiteres Element, das einen Reflexionsraum für die Forscher eröffnen sollte, waren moderierte Diskussionsrunden, die ebenfalls während der Workshops durchgeführt wurden. Diese Diskussionsrunden wurden sowohl als Kleingruppengespräche mit Bericht im Plenum als auch als moderierte Gruppendiskussion im Plenum durchgeführt.
A.2.2 Erläuterungen zu den Leitfadeninterviews Im Rahmen qualitativer Forschung kommt Interviews eine große Bedeutung zu. Generell gibt es verschiedene Interviewformen, sie werden nach ihrem unterschiedlichen Grad der Offenheit der Gesprächsführung differenziert. Im Arbeitspaket zum Transferhandeln kommen problemzentrierte Interviews als eine Form des Leitfadeninterviews zum Einsatz (Flick 2002, S.€134–139; Lamnek 2005, S.€363–368). Leitfadeninterviews zeichnen sich einerseits dadurch aus, dass sie Offenheit in der Gesprächsführung zulassen. Auf diese Weise wird ermöglicht, dass der Interviewpartner seine Relevanzkriterien in das Gespräch einbringt. Es wird vermieden, dass der Forscher den Interviewten in seinen Antwortmöglichkeiten einschränkt und so die Antworten inhaltlich vorstrukturiert. So wird dem Umstand Rechnung getragen, dass durch die Interviews erst wesentliche Erkenntnisse über das Feld und seine Eigenschaften „aufgedeckt“ werden müssen. Durch die Festlegung auf bestimmte
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Themen im Interviewleitfaden wird andererseits eine Steuerung hin zu bestimmten Themen ermöglicht, die für das Thema als relevant erscheinen.1 A.2.2.1 Die Datenerhebung durch Leitfadeninterviews Als Interviewpartner sollten ursprünglich Projektmitarbeiter der Materialforschungsprojekte ausgewählt werden, die für die Transferaktivitäten verantwortlich sind und diese über einen längeren Zeitraum begleitet hatten. Aufgrund hoher Personalfluktuation in einzelnen Materialforschungsteams konnten diese beiden Kriterien nur teilweise erfüllt werden. Es wurden also entweder die Verantwortlichen für die Transferaktivitäten in diesem Transfervorhaben (Projektleiter) oder langjährige Mitarbeiter interviewt. Die Leitfäden der drei Interviewwellen wurden jeweils in verschiedenen thematischen Blöcken konzipiert. Generell wurde an den Anfang des Leitfadens ein möglichst offener Erzählanreiz gesetzt, der es dem Gesprächspartner ermöglichte, zunächst seine eigenen Relevanzkriterien einzubringen. Die jeweiligen Blöcke setzten sich in unterschiedlicher Gewichtung aus allgemeinen und spezifischen Sondierungen zusammen. Aus dem jeweiligen Gesprächsverlauf heraus wurden Ad hoc Fragen formuliert, wobei in der ersten Interviewwelle einer möglichst freien Erzählung des Interviewten großer Platz eingeräumt wurde. Während der Berichterstattung über das Transferhandeln des Materialforschungsteams wurden hauptsächlich Verständnisfragen gestellt. In der zweiten und dritten Welle nahmen dann auch spezifische Sondierungen einen größeren Platz ein, und es wurden vermehrt auch Ad-hoc-Fragen in den Interviews gestellt. In der ersten Interviewwelle standen in einem ersten Fragenblock die Projektgeschichte des Transfervorhabens und die mit ihm verfolgten Entwicklungslinien im Vordergrund. Im zweiten Block, der den WTT in den Mittelpunkt stellte, wurde für das zu transferierende Produkt oder Verfahren die gemeinsame Geschichte von Materialforschungsteam und Unternehmen beim konkreten Transfer herausgearbeitet. In der zweiten Interviewwelle wurde zunächst die weitere Entwicklung des Transfervorhabens thematisiert. Die Auswertung der ersten Interviewwelle hatte auf die Bedeutung von Vertrauen und Offenheit für den Transferverlauf hingewiesen. Daher standen in der zweiten Interviewwelle die Interaktion mit dem Industriepartner und insbesondere die Bedeutung von Vertrauen und Offenheit für die Qualität der Kooperation im Mittelpunkt. Darüber hinaus wurde die Handlungsfähigkeit des Materialforschungsteams in der jeweiligen Organisation in den Blick 1╇ Generell werden unterschiedliche Formen von leitfadengestützten Interviews unterschieden. Für den Einsatz in InnoMat wurde das problemzentrierte Interview nach Witzel gewählt (Flick 2002, S.€134€ff.). Es ist durch drei zentrale Kriterien gekennzeichnet: (a) Problemorientierung des Forschers an einer relevanten gesellschaftlichen Problemstellung, (b) Gegenstandsorientierung, d.€h. der Orientierung und Modifizierung der Methoden am Gegenstand und (c) der Prozessorientierung im Forschungsprozess und in der Gegenstandsorientierung.
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genommen, und es wurden die Einbindung des Forschungsteams in Netzwerke und deren Bedeutung für das Transfervorhaben thematisiert. In der dritten Interviewwelle rückte die Perspektive auf den in InnoMat betrachteten Zeitraum in den Mittelpunkt. Sowohl das Handeln der Materialforschungsteams in dieser Zeit als auch die Teilnahme am Projekt InnoMat waren Gegenstand des Gesprächs. Die einzelnen Interviews dauerten jeweils zwischen 1½ und 2½ Stunden. Sie wurden an den Forschungseinrichtungen der Materialforschungsteams in den Büros oder Besprechungsräumen der Materialforscher durchgeführt. Die Interviews wurden mitgeschnitten und anschließend transkribiert und anonymisiert. A.2.2.2 Auswertung der Interviews Die einzelnen Interviews wurden in Anlehnung an die Methode der Grounded Theory (GT) ausgewertet. Im Vordergrund stand hierbei die Codierung der Interviews. Dem Codieren2 des Materials kommt in der GT eine besondere Bedeutung zu. Hier werden drei Schritte unterschieden, die allerdings nicht zeitlich getrennt voneinander ablaufen: das offene, das axiale und das selektive Codieren. Der Vercodungsprozess „beginnt“ mit einem offenen Codieren, hier werden die Daten zunächst segmentiert und Aussagen werden in Sinneinheiten unterteilt. Diese Sinneinheiten können in einzelnen Wörtern eines Satzes bestehen. Aber auch in Sätzen oder Abschnitten eines zugrunde liegenden Textes (Flick 2002, S.€263). Diese Einheiten werden mit Anmerkungen und Begriffen versehen. So gibt es zum Beispiel folgende Passage in einem Interview: Das ist/ muss man ganz klar sehen, ja, wenn man weiß, ich würd bei vielen Wissenschaftlern da anecken/ Aber- mich interessiert, jetzt übertrieben gesagt, die Wissenschaft auch nicht. Mich interessiert, dass die Gruppe am weiter/ weiterlebt, mich interessiert, dass wir Geld für unsere Entwicklung kriegen. Also ist die erste Zielsetzung ähm- ja, Werbevorträge zu halten.
Der Interviewte spricht hier über die Ziele, die er mit seiner Arbeit verfolgt, genauer, die Rolle, die WTT-Vorhaben für die Erreichung seiner Ziele spielen. Die Aussage ist vor dem Hintergrund zu lesen, dass der Interviewte in einer leitenden Funktion tätig ist. Im Rahmen des Kodierens können Textpassagen mehreren Codes zugeordnet werden, zur Verdeutlichung wird im folgenden auf den Code „Motivation für den WTT“ Bezug genommen. Der zweite Schritt des Codierens wird nun als axiales Codieren bezeichnet. Hierbei handelt es sich zunächst um eine Auswahl von für die Fragestellung viel versprechenden Kategorien. Die ausgewählten Kategorien werden mit möglichst vielen Textbeispielen versehen, darüber hinaus werden 2╇ „Unter einem Code oder einer Kategorie ist dabei ein Bezeichner zu verstehen, der Textstellen zugeordnet wird.“ (Kuckartz 2007, S.€57) „Codieren“ bezeichnet diesen Zuordnungsprozess. „Kategorie bedeutet (…) nichts anderes als einen Begriff, ein Label, das vom Bearbeiter der Texte definiert wird, d.€h. ein Wort, mehrere Wörter oder ein Kurzsatz, die nicht notwendigerweise auch im Text vorkommen müssen.“ (Kuckartz 2007, S.€58)
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Beziehungen zwischen diesen und anderen Kategorien hergestellt. Dabei soll ein Phänomen durch Vergleich, vor allem von Beziehungen zwischen Kategorien und ihren Unterkategorien, in seinen Ursachen und Konsequenzen und seinem Kontext untersucht werden. Die so entwickelten Beziehungen werden dann weiterentwickelt und wiederholt an Hand der zugrunde liegenden Texte verifiziert. Für die Textpassagen im Code „Motivation für WTT“ bedeutet das, dass er im Verhältnis zum Code „Selbstbild des Forschers“ steht, und zwar als Unterkategorie. Hierbei kommt es zu einer Wechselbeziehung zwischen Induktion, also der Entwicklung der Begriffe und Beziehungen, und deduktivem Vorgehen, nämlich der Überprüfung der induktiv erlangten Begriffe und Beziehungen am Text. Dieser Prozess wird durch erneutes und permanentes Stellen von Fragen an den Text praktiziert (Flick 2002, S.€266). Die als besonders relevant ausgewählten Kategorien werden dann als „Achsenkategorien“ bezeichnet, sie werden unter Zuhilfenahme von passenden Textstellen ausgearbeitet. Des Weiteren werden die Relationen der verschiedenen Achsenkategorien zueinander untersucht. Der dritte Schritt des Codierens im Rahmen des theoretischen Codierens ist schließlich das selektive Codieren: Das selektive Codieren ist als Fortsetzung des axialen Codierens auf einer höheren Ebene zu verstehen. Auf dieser Ebene soll eine Kernkategorie identifiziert werden, um die herum sich die anderen Kategorien gruppieren lassen und durch welche sich die anderen Kategorien integrieren lassen. In diesem Kontext geht es um die Darstellung des zentralen Phänomens der Studie. Hierbei sollte eine für das Phänomen zentrale Kategorie bestimmbar sein, und der Forscher muss, sollte es konkurrierende Kategorien geben, eine Gewichtung vornehmen. Diese Kernkategorie wird dann zu ihren eigenen Eigenschaften und Dimensionen und zu allen weiteren Kategorien in Beziehung gesetzt. Das Ziel ist, so die Spezifität der Theorie zu erreichen, um schließlich „Wenn – Dann“ Schemata identifizieren zu können und so Hypothesen zu formulieren3 (Flick 2002, S.€ 267). Eine zentrale Hypothese für InnoMat ist die der „ambivalenten Motivation für WTT“, die genannte Textpassage und Kodierungen sind Bestandteil dieser Hypothese. Die Theoriebildung selbst erfolgt auf Basis vieler und vielfältiger Kategorien, die auf möglichst vielen Niveaus konzeptioneller und hypothetischer Generalisierung zusammengefasst sein sollen. Die Zusammenfassung erster Ergebnisse und erste (zusammenhängende) Hypothesen werden integriert und bilden die Grundlage für den entstehenden analytischen Bezugsrahmen. Dieser analytische Bezugsrahmen wird weiterentwickelt, und so entsteht eine gegenstandsbezogene Theorie. In Abgrenzung zu einem quantitativ orientierten Vorgehen ist gerade nicht die Überprüfung von wenigen, logisch-deduktiv abgeleiteten Hypothesen das Ziel (Lamnek 2005, S.€111). Dabei erhalten die Hypothesen zunächst den Status von Vermutungen, auch wenn sie im Forschungsprozess bestätigt werden können. Diesen Status verlieren sie erst durch die Integration in den theoretischen Bezugsrahmen. Die Integration erfolgt dabei permanent und nimmt die zentrale Rolle ein. Zunächst werden dann durch diesen Prozess gegenstandsbezogene Theorien entwickelt, die 3╇ Hypothesen stellen Beziehungen zwischen Kategorien und ihren Dimensionen dar, die ihrerseits vom Forscher auf der Grundlage der beobachteten Fakten und Daten gebildet und überprüft werden sollen.
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dann zu formalen Theorien führen sollen (Lamnek 2005, S.€112). Kriterien für diese Theorien sind vor allem ihre Allgemeinheit, ihre Bereichsspezifität und ihre mittlere Reichweite (Lamnek 2005, S.€112). In der ersten Welle wurde die Codierung mittels „Papier und Bleistift“, in der zweiten und dritten Welle mit Hilfe des Programms MaxQDA durchgeführt. Die Codierung wurde jeweils durch zwei Forscher durchgeführt. Ein Codierer erarbeitete jeweils die Codierung, die durch den zweiten Codierer überprüft wurde. Dabei wurde darauf geachtet, dass immer mindestens ein Forscher das gesamte Material bearbeitete, um den Überblick zu erhalten, während das Material für die zweiten Codierer nach Fällen aufgeteilt wurde, so dass die drei übrigen Forscher jeweils drei Interviews codierten. Diese Form des Vorgehens wurde gewählt, um den knappen Zeitressourcen in einem Drittmittelprojekt gerecht werden zu können. Eine systematische Vercodung des gesamten Materials durch zwei oder mehr Coder wäre nicht realisierbar gewesen. Darüber hinaus wurde die Codierung im Forschungsteam diskutiert. Die Entscheidungen im Rahmen des selektiven und axialen Codierens wurden dann auch vom Forschungsteam gemeinsam getroffen. Die Ergebnisse und Hypothesen in InnoMat sind vor allem auf der Ebene einer gegenstandsbezogenen Theorie mittlerer Reichweite zu verorten. Sie sind somit als Hypothesen über die „Praktik“ des Technologietransfers von Materialforschungsteams zu sehen.
A.3 Dokumentation A.3.1 Interviewleitfäden der 1.-3. Interviewwelle A.3.1.1 Interviewwelle 1 Einstieg 1. Wir haben beim Workshop schon erfahren, wie Ihr Forschungsprojekt angelegt ist. Heute möchten wir Sie zum einen zur Geschichte dieses Projekts befragen. Ein zweiter Teil des Interviews wird sich speziell mit Ihrem Transferhandeln und allgemein mit Ihrer Arbeit hier am (…) befassen. 2. Die „Geschichte“ des Projekts (a)╇ Was ist das „Gut“, das in Ihrem F+E-Projekt entwickelt wird? (b) ↜渀屮↜渀屮Welcher Teil bzw. welches Gut Ihres Projektes eignet sich für eine wirtschaftliche Verwendung bzw. kann transferiert werden? (c)╇Zunächst würde uns interessieren, wie dieses aktuelle Forschungsprojekt entstanden ist und welche Rolle Sie dabei hatten? (d)╇ Was sind Ihre Aufgaben (im Projekt)? Was genau tun Sie? (e)╇ Welchen Stellenwert hat dieses Projekt in Ihrer (normalen) Arbeitswoche?
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(f)↜渀屮╇↜Welche Ziele verfolgen Ihre Forschungsaktivitäten in diesem Projekt? (g)╇Wie waren die äußeren Umstände während der Arbeit an (Transfergut Name)? 3. Technologietransfer Noch einmal zurück zu der Technologie/dem Verfahren, das transferiert werden soll: (a) ↜Welche Vorteile sind durch die neue Entwicklung erwartbar? (b)╇ Welche Anwendung schwebt Ihnen vor? (c)╇↜渕Welche Aktivitäten gab es bisher in Bezug auf den Transfer dieser Technologie? (d)╇Haben Sie einen Anwender gefunden, der an dem Transfergut interessiert ist? (e)╇↜Was wird während der Laufzeit von InnoMat passieren? (f)╇↜渀屮↜渀屮Was sind Ihrer Erfahrung nach unverzichtbare Bedingungen für einen erfolgreichen Wissens- und Technologietransfer? 4. Zur Person (a)╇↜Wo sehen Sie Ihre spezifische Aufgabe als WissenschaftlerIn? (b)╇ Wie viele Personen gibt es im Team? Wie viele sind davon Frauen? (c)╇↜渕Gibt es noch etwas, was wir bisher noch nicht thematisiert haben, dass Ihnen wichtig ist? (d)╇ Haben Sie noch Fragen? (e)╇↜Wie war dieses Interview für Sie?
A.3.1.2 Interviewelle 2 1. Einstieg Nachdem wir uns nun eine Weile nicht gesehen und schon beim letzten Workshop kurz erfahren haben, was sich in der Zwischenzeit in Ihrem Projekt getan hat, möchten wir nun noch einmal ausführlicher darüber sprechen. Insbesondere sind wir an Ihren konkreten Erfahrungen in diesem Projekt interessiert. 2. Aktueller Stand (a)╇↜渕Wie ist der aktuelle Stand im Projekt? Überleitung Wie Sie schon beim letzten Workshop sehen konnten, sind die Kontakte zu Anwendern und ihr Verlauf ein wichtiges Thema in der Auswertung der Interviews geworden. Dieses Thema möchten wir noch besser verstehen. Ein Aspekt ist dabei die Qualität der Zusammenarbeit mit dem Anwender. 3. Interaktion (a)╇↜渕Was bedeutet eine „offene“ Zusammenarbeit mit den Anwendern/ Industriepartnern (projektspezifisch formulieren) für Sie?
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(b)╇Welchen Stellenwert hat wechselseitiges Vertrauen für Ihre Transferbeziehung (zum Industriepartner)? (c)╇↜Wie wird/wurde dieses Vertrauen hergestellt? (d)╇Welche Rolle spielt die Qualität der Zeitpläne bei der Kooperation mit den Anwendern? (e)╇Was können Sie tun, um eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu ermöglichen? (f)╇↜渀屮↜Was kann die Industrie/der Anwender tun? (g)╇An welchen Stellen möchten Sie in der Kooperation mit dem Anwender mitbestimmen? (h)╇Wir möchten Sie hier einmal mit verschiedenen Klassifizierungen von Zusammenarbeit konfrontieren. Wie lassen sich Ihre Erfahrungen mit (konkreter Anwender) am ehesten klassifizieren? − vertrauensvoll und offen − sachorientiert mit hohem Zeitdruck − sachorientiert mit produktiver Interaktion und machbarem Zeitrahmen 4. Netzwerk (a)╇↜渕Nun zu einem weiteren Aspekt der Zusammenarbeit mit Anwendern: (Projektspezifisch formulieren (Transkript Welle 1): Sie sprechen von Ihrem/ einem Netzwerk,… oder: Sie haben sicherlich schon einmal den Ausdruck „Netzwerk“ gehört…) (b)╇ Was ist ein Netzwerk für Sie? (c)╇ Sind Sie in ein Netzwerk eingebunden? (d)╇ Wie wurde/hat sich das Netzwerk aufgebaut? (e)╇ Was für Personen sind in diesem Netzwerk aktiv? (f)╇↜渀屮↜渕Wann und wie hat sich ein Netzwerk hilfreich für Ihre Transferbeziehungen erwiesen? 5. Handlungsfähigkeit (a)╇Wenn Sie an Ihr Institut/Lehrstuhl/Ihre Einheit denken, wie denken Sie, wird er sich in den nächsten Jahren entwickeln? (b)╇ Wie frei sind Sie in der Auswahl der Anwender? (c)╇ Wie war das bei dem aktuellen Transfervorhaben? (d)╇Was wäre notwendig/gut, um Ihre transferorientierten Arbeiten weiter durch den Anwender zu stärken? (e)╇ Wie wird sich Ihr wissenschaftliches Feld oder Ihre Branche verändern? (f)╇↜渀屮↜Wie kommt es zu bestimmten Forschungsthemen in Ihrer Institution? (g)╇ Wie erfahren Sie Ihren beruflichen Handlungsspielraum? (h)╇ Wo sehen Sie Ihre zentrale Aufgabe? (i)╇↜渀屮↜渀屮Wie sehen Sie Ihre Rolle in Ihrer Einheit? (j)╇↜渀屮↜渀屮Es gibt bekanntlich auch in der Wissenschaft gewisse Moden, d.€h. wechselnde populäre Themen. Beobachten Sie gerade so eine Mode? (k)╇ Wie sehen Sie das/gehen Sie damit um? Betrifft Sie das? (l)╇↜渀屮↜渀屮Kann man diese Moden voraussehen?
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6. Perspektiven der Entwicklung (a)╇↜渕Nun möchten wir uns wieder etwas enger am Thema Wissens- und Technologietransfer orientieren. Wovon hängt der (Markt-) Erfolg von (konkretes Transfergut) ab? (b)╇Was denken Sie, sind Entscheidungskriterien der Industrie/Anwender, um sich für (konkretes Transfergut) zu entscheiden? (c)╇ Wie versuchen Sie sich auf Entscheidungen der Industrie einzustellen? (d)╇ Wird durch (konkretes Transfergut) ein anderes Produkt/Verfahren ersetzt? (e)╇Wo sind für Sie „Knackpunkte“ bei der langen Laufzeit, die die Entwicklung benötigt? (f)╇↜渀屮Was sind mögliche „Killerkriterien“ für Ihre Entwicklung in der Zukunft? (Insbesondere vor dem Hintergrund der langen Entwicklungszeit) (g)╇Haben wir alles angesprochen, was Ihnen wichtig erscheint? Möchten Sie noch etwas hinzufügen?
A.3.1.3 Interviewwelle 3 1. Einstieg Nachdem wir uns nun eine Weile nicht gesehen haben, möchten wir noch ein letztes Interview mit Ihnen über das/die Transfervorhaben führen, bei dem/denen wir Sie über zwei Jahre begleitet haben. 2. Aktueller Stand (a)╇↜渕Was ist inzwischen geschehen, seit wir uns im Frühjahr auf dem Materialforscher Workshop in Karlsruhe gesehen haben? (b)╇ Wie haben sich Ihre Kontakte weiter entwickelt? 3. Erfolg (a)╇ Bewerten Sie die Geschichte des Transfervorhabens als „Erfolg“? (b)╇ War das „Projekt“ erfolgreich? (c)╇↜Wie bewerten Sie die Kooperation mit den Anwendern? (d)╇Was würden Sie verändern, wenn Sie das Vorhaben noch einmal neu starten würden? (e)╇↜Fallspezifisch: Was stand einem Transfer im Weg bzw. was hat ihn verhindert? (f)╇↜渀屮Was sind wichtige Hürden, die eine Entwicklung auf dem Weg in die industrielle Fertigung nehmen muss? 4. Transferaktivitäten und ihre Bedeutung für den Befragten (a)╇↜渕Worin sehen Sie Ihre Aufgabe (als Wissenschaftler) im „nationalen InnoÂ�vationssystem“? (b)╇Wenn Sie an den Weg denken, den Ihre Innovation/Entwicklung auf dem Weg in den Markt nimmt, was können Sie tun, um diesen Weg zu unterstützen? (c)╇Ich gehe davon aus, dass Ihre Entwicklung von anderen Entwicklungen abhängig ist. Von welchen Entwicklungen ist sie abhängig?
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A. Schleisiek
(d)╇Gibt es bestimmte Regeln, denen Innovationen folgen? (e)╇↜渕Wie schwer fällt es Ihnen, sich von einer Entwicklung zu trennen, die Sie so lange begleitet haben? 5. Entwicklungslinie am Institut/Stabilität des Forschungsteams (a)╇ Wie schaffen Sie Kontinuität in Ihren Entwicklungsarbeiten? (b)╇ Wie wird über die Ausrichtung der Arbeiten entschieden? (c)╇↜Nach welchen Kriterien werden Ressourcen verteilt? (d)╇ Welche Ungewissheiten gibt es in der (Ihrer) Arbeit an einer Entwicklung? (e)╇In Ihrem Feld gibt es sehr lange Entwicklungszeiten. Welche Bedeutung hat das für den WTT? (f)╇↜渀屮↜渕Wenn Sie einmal an Ihre berufliche Laufbahn/Ihr eigenes Forschen über mehrere Jahre hinweg denken, hat sich die Transferorientierung in Ihrer Einrichtung/Ihrer alltäglichen Arbeit verändert? (g)╇Welche Bedeutung haben Drittmittel heute für Ihr wissenschaftliches Alltagsgeschäft? War das schon immer so? Was hat sich verändert? (h)╇ Wer sind Ihre wichtigsten Drittmittelgeber? Übergang: Mit den nächsten Fragen möchten wir den Blick auf die Zeit nach InnoMat richten: 6.╇ Perspektive (a)╇↜Wie soll es mit Ihren Entwicklungsarbeiten weiter gehen? (b)╇Wird es eine Kontinuität mit den Vorhaben geben, über die wir im Rahmen von InnoMat gesprochen haben? (c)╇ Wo werden Ihre Aktivitäten in der nächsten Zukunft liegen? (d)╇ Wie waren Ihre Erfahrungen mit InnoMat? (e)╇↜渕Führen Kontakte wie die, die Sie im Rahmen von InnoMat hatten, zu Änderungen im Forscherhandeln?
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Sachverzeichnis
A Agglomerationseffekte, 249 akademische Spin-Offs, 6, 9, 187, 189, 196, 199, 202, 254 Akademisierung, 110 Aktuatoren aus Kohlenstoff-Nanoröhren (CNT), 14, 116 Anreizfinanzierung, 91, 96, 255, 256 Anspruchsgruppen, 45, 46 Anwendungsfelder, 19, 24, 35, 63, 84, 137, 140, 173, 192, 209, 229, 271, 294 anwendungsorientierte Forschung, 52, 81, 94, 136, 287 Appropriierung, 58 arbeitsteilige Organisation, 158 architekturelle Innovation, 226, 243 Asset Specificity, 84 Ausreifungszeit, 205 außeruniversitäres Forschungssystem, 82, 88, 91, 248, 259 Autoklav, 37, 109, 228, 232 Automatisierungsgrad, 26, 213 B Background IP, 66, 67, 162 Benchmarking, 55, 270, 276 Big Science, 84, 97, 259 biokompatibler Werkstoff, 117, 120 Biotechnologie, 28, 79, 257, 263, 282 blaue Liste, 90, 261 Brain Drain, 91 Brennstoffzellen, 14, 111, 114 C Carbon Composites e.V., 30, 269, 273 CFK-Valley, 30, 263, 271, 292 Cluster, 6, 30, 83, 249, 263, 267, 292 Cluster Mechatronik und Automation, 31, 271 Cluster Neue Werkstoffe, 31, 263, 271
Clustermanagement, 271, 278 Composite Technology Center Stade (CTC), 263 D Demand-pull, 25, 81, 248 Demonstrationszentrum AdvanCer, 118 Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Acatech), 2, 20, 86, 248 deutsches Forschungssystem, 7, 77, 86, 131, 247, 285, 292, 296 direkte Projektförderung, 250, 260 Domänengrenzen, 83, 89, 96, 249 Dynamik von Zielsystemen, 203 E EADS, 223, 270 Economies of Scale, 26, 36, 213 Eigenprojekt, 119, 121, 294 Eigentums- und Nutzungsrechte, 44, 68, 69, 171, 177, 215, 222 enabling technologies, 2, 19, 282 Endbearbeitungskosten, 39, 40 Endsystemhersteller, 32, 33, 209, 213, 215, 223 Energieintensität, 213 Engineering-Innovation, 226 Entwertung des wissenschaftlichen Wissens, 176, 287 Entwicklung Entwicklungslinie, 52, 110, 128, 151, 161, 168, 173, 178, 287, 293 Entwicklungspotential, 117, 269 Entwicklungsrisiko, 26, 152 Entwicklungszeiten, 8, 132, 160, 178 Erfahrungskurve, 36, 37 Erfindung, 44, 58, 60, 61, 66, 182, 187, 244, 286
K.-R. Bräutigam, A. Gerybadze (Hrsg.), Wissens- und Technologietransfer als Innovationstreiber, DOI 10.1007/978-3-642-16513-9, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
329
330 Erfolg, 9, 20, 27, 53, 85, 163, 174, 182, 219, 242, 284, 297 Erfolgsbeispiel, 119 Erfolgserwartungen, 182 Erfolgsfaktoren, 7, 13, 32, 53–57, 69, 183, 188–191, 193, 277, 278 Erfolgsgröße, 182 Erfolgsmaße, 13, 182, 183, 186–188, 193, 194, 197–203, 244, 297 Erfolgsmessung, 53, 187, 194 Erkenntnisgewinn, 45, 46, 174, 184, 185, 196 erkenntnisorientiert, 190 Ertragsaussichten, 168, 173 Erwartungsunsicherheit, 164 Europäischer Fond für Regionalentwicklung (EFRE), 125 Evaluationskriterium, 155, 286 Exklusivität, 45, 67, 151, 161, 173 Experteninterviews, 208, 224, 251 exploratives Forschungsdesign, vi, 14, 208, 304 Exzellenzinitiative, 88, 100, 101 F Fachmessen, 143, 144 Fachtagungen, 143, 144 Faktorspezifizität, 84 Faserverbundwerkstoffe, 14, 27, 33, 37, 43, 110, 120, 124, 223, 229, 238, 264, 279, 294 Fertigungstiefe, 90, 95, 262, 263 Finanzierbarkeit, 168 First-Mover-Effekt, 62 Fordismus, 79 Foreground IP, 66, 67 Foresight, 193 Formalisierung, 145, 151 Forschungsförderung, 81, 92, 93, 97, 122, 172, 252 Forschungsstrategie, 10, 14, 49, 98, 130, 183, 194, 256, 259, 262 Fraunhofer Venture, 258 Freisetzungskinetik, 122, 123 Fügetechniken, 240 funktionale Gliederung des außeruniversitären Forschungssystems Deutschlands, 93 G Geheimhaltung, 60, 62, 64, 65, 67, 171, 173 Geheimhaltungsvereinbarungen, 48, 65, 118, 119, 124, 148, 149, 151, 160, 215, 222 geistiges Eigentum, 57, 58, 66, 148, 215, 217, 301 Gelegenheitsstruktur, 99, 136, 173, 286
Sachverzeichnis Geleitzugprinzip, 252 Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK), 99 Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, 82, 93, 97 General Purpose Technologies, 24, 282 gesellschaftliche Verwertbarkeit, 187 Gestaltungsspielräume, 132, 170, 175 Gewichtsersparnis, 233 Globalhaushalt, 90, 91, 92 Governance, 78, 81–84, 87, 90, 96, 99, 172, 173, 248, 249, 258, 259, 261, 285 Gravitationskraft, 272, 277, 278 Grounded Theory, 130, 304, 305, 308 Grundlagenforschung, 4, 21, 45, 52, 81, 89, 94, 101, 136, 139, 173, 249, 251, 261 Gründungsgeschehen, 254, 258 H Halbzeuge, 227, 228, 232, 233 Handlungsspielraum, 128, 168, 169, 285 Hemmnisfaktoren, 189, 192 Herstellungskosten, 233 I Imitatoren, 57, 59 Impulsgeber, 143 Industriekooperation, 113, 114, 168, 173 industrielle Anwendung, 3, 35, 115, 121, 228, 244 Industriepartner, 22, 30, 42, 110, 117, 121, 142, 154, 159, 177, 204, 219, 236, 291, 297, 300, 307 Informationstechnik, 3, 79, 81, 84, 95, 96 inkrementelle Innovation, 26, 50, 83, 89, 210 inkrementelle Neuerungen, 46, 80, 81, 258, 265 Innovation Innovationsaudit, 55 Innovationsberater, 143, 144 Innovationscluster, 249, 250, 263, 292 Innovationsfähigkeit, 2, 22, 184, 256, 270–272, 277, 282 Innovationsnetzwerk, 249, 263, 264, 267–269, 271, 272, 275, 277 Innovationsprozess, 3, 10, 15, 20, 30, 34, 52, 79, 134, 156, 184, 187, 223, 282, 293 Innovationssystem, 10, 21, 24, 45, 78, 250, 283, 294 institutionelle Förderung, 250 institutionelle Innovation, 118 institutionelle Rahmenbedingungen, 13, 44, 129, 131
Sachverzeichnis Institutshierarchie, 197 Intellectual Property, 57, 68, 148, 187 interdisziplinäre Teams, 34 Interkulturelle Teams, 51 intermediäre Akteure, 249, 250, 263–265 Investoren, 25, 47, 184 IP-Management, 57, 58, 148 J japanisches Innovationssystem, 80 Joint Decision Making, 89 K keramische Faserverbundwerkstoffe, 110 KMU, 3, 7, 27, 118, 137, 140, 152, 155, 177, 263 Know-how-Transfervertrag, 113 Know-how-Absicherung, 57 Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK), 108, 124, 131, 172, 195, 227, 233, 264, 277 Kommerzialisierung, 5, 19, 25, 48, 58, 79, 170, 290 Kommerzialisierungsstrategie, 63, 69, 290 Kompetenzbewertung, 218, 242 Kompetenzen, 32, 37, 51, 53, 55, 59, 157, 163, 192, 220, 290 kompetenzsteigernd, 85 kompetenzzerstörend, 85 komplementäre Ressourcen, 40, 50, 51, 84 Komplexe Produkte und Systeme (CoPS), 32 Konflikte, 44, 55, 68, 91, 160, 256 Kongruenz der Zielsysteme, 205 Königsteiner Staatsvertrag, 92 Konjunkturen, 172 Kontaktaufnahme, 141 Kontextstruktur, 7, 12, 129, 132, 166 Kooperation, 27, 34, 55, 82, 100, 152 Kooperation unter heterogenen Partnern, 82, 249, 264 Kooperation, intern, 122, 152, 255 Kooperationsdesign, 55, 216 Kooperationspartner, 56, 66, 138, 141, 143, 156, 297 Kooperationsstrategien, 152 kooperativer Föderalismus, 97 kooperativer Wettbewerb, 278 koordinierte Marktwirtschaft, 80 Ko-Patente, 66 korporative Akteure, 80, 89 Kosten Kosteneinflussfaktoren, 39 Kostenersparnis, 185, 199, 204, 233
331 Kostenmanagement, 27, 36, 293 Kostenrestriktionen, 39, 42 Kostensenkung, 40, 46, 213, 268, 270 Kostenstruktur, 26, 36, 213, 233, 270, 283, 293 Kostentreiber, 213 Kostenvorteil, 63, 157, 233 L Langzeituntersuchungen, 125 Laser, 120 Lead-Market, 211, 226 Lean Production, 79 Lebenszykluskosten, 43 Legitimation, 191 Leistungskriterien, 47, 244 leistungsorientierte Governancestrukturen, 88 Leitanwendungen, 83, 137, 140 Leitbild, 166, 167 Lerneffekte, 188, 203, 264, 278 liberaler Kapitalismus, 80 lineares Modell, 4, 11, 20, 78, 134, 138 Lizenzen, 6, 64, 66, 149, 184, 217, 236, 253, 278 Lizenzeinnahmen, 147, 184, 199, 202 Lizenzverträge, 187, 278 M Machbarkeit, 19, 135, 146, 156, 191, 196 Machbarkeitsstudie, 146, 147, 160, 239 Markt, 21, 38, 132, 163, 165, 192, 212, 228, 257, 283 Markteinsatz, 163 Markterfolg, 163, 193, 295, 297 Marktforschung, 193, 212 marktlichen Risiken, 26, 192 Marktorientierung, 40, 79, 98 Marktpotenzial, 69, 163, 192 Marktziele, 199 Matching, 81, 85 Materialien mit Formgedächtnis (NiTiNol), 120, 195 Materialtests, 210, 214, 238 Max-Planck-Innovation, 253, 258 Medizintechnik, 3, 120, 158, 276 Meilensteine, 185, 186, 297 metallische Interkonnektorwerkstoffe, 111, 195 Metrik, 188, 193 Mikroaktuatoren, 116 Mikrowellen, 14, 33, 108, 195, 223 Mikrowellenenteisung, 235 Mikrowellenstrahlung, 114, 225 Modell Fraunhofer, 95, 96, 168, 256
332 Modifikation der Anreizfinanzierung, 255, 256 Modularisierung, 218, 241 Motivation, 45, 155, 192 N nationales Innovationssystem, vi, 22, 45, 78, 80 Nettogröße, 182 Netzwerk organisiert, 30, 80, 84, 143, 144 persönlich, 123, 143, 144, 291 regional, 13, 144, 249, 263, 267, 269, 277 wissenschaftlich, 144 Netzwerkbeziehungen, 84, 269, 271 New Public Management, 88 O Offenheit, 159, 304 öffentliche Projektförderung, 94, 249, 262 ökonomische Ziele, 172, 182, 183, 186, 194, 199, 202 Ökonomisierung, 82, 172 institutionell, 173 personell, 172 planerisch, 173 Open Innovation, 64 organisationales Lernen, 52 Organisationskultur, 45 orthopädische Produkte, 122 P Pakt für Forschung und Innovation, 83, 99, 250, 285 parlamentarischer Rat, 92 Patent, 58, 60, 66, 114, 149, 162, 196, 199, 211, 236 Patentanmeldungen, 187 Patentumgehung, 61 Patentvereinbarungen, 65, 150 Patentverwertungsagenturen, 69, 290 Personalfluktuation, 48, 122, 169, 176, 300, 307 Personalstabilität, 166, 169 personenbezogene Einflussfaktoren, 189 perzipierte Ziele, 203 Polytechnische Schulen, 86 Portfolio-Modell von Forschungsorganisation, 98 Postground IP, 66 praktische Anwendung, 187 Prepreg, 224, 227, 231 Produkt- und Prozessportfolios, 201 Produktion, serielle, 165, 175 Produktions- und Verfahrenstechnik, 19, 283 Produktlebenszyklus, 12, 34, 190
Sachverzeichnis Profilbildung, 200, 201, 203 Programmorientierte Förderung, 9, 97, 101, 169, 260 Projektstrukturierung, 35, 56, 218, 244 Prototyp, 90, 115, 118, 125, 135, 161, 196, 218, 237, 258 Prozessanalyse und Prozessgestaltung, 218, 242 Prozesse der Selbstorganisation und Selbstkoordination, 82, 249, 264, 265, 292 Prozesseigner, 219 Public Private Partnership, 263, 265 Publikation, 21, 40, 46, 67, 139, 141, 148, 152, 168, 172, 173, 184, 196, 204, 215, 286 Publikationsfreiheit, 67 Publikationsrechte, 148 Q Qualifikation, 138, 169, 171, 289, 290 Qualifizierungsarbeiten, 138, 171, 176, 178, 292, 299 qualitative Sozialforschung, 129, 130, 303 quantitative Indikatorik, 188 R radikale Innovationen, 51, 80, 85 Rechtsabteilungen, 138, 148, 162 Referenzmaß, 193 regionale Cluster, 13, 30, 267, 269, 292 Resin Transfer Molding, 225 Ressortforschung, 92 Risikoforschung, 168 S Schutzmechanismen, 60, 62, 65 sektorale Innovationssysteme, 22, 25, 283 Selbstbild, 86, 191, 309 Selbstvermarktung, 142, 144 Serienfertigung, 125, 211, 218 SGL Group, 62, 228, 234, 240, 270 Sideground IP, 66 Silberionen, 122, 195 Skaleneffekte, 36 Skiroller, 124 SOFC, solid oxide fuel cells, 111, 112, 114 Spannungsfeld, 173, 178, 258, 284, 300 Spritzgießverfahren, 114 Stacks, 112 Stakeholder, 47, 184, 188, 205 Stand-by Modus, 135, 137, 165, 176 Start-up, 85, 187, 278
Sachverzeichnis Stents, 120 Strategie, 33, 48, 54, 63, 82, 136, 163, 174, 218, 219, 242, 249, 251, 263 Strategie-Audits, 54 strategische Bedeutung, 186 subjektive Bedeutung, 130, 183, 194, 202 Systembeauftragter, 50 Systemevaluation der großen deutschen Wissenschaftsorganisation, 82, 96, 248, 252, 255 T Taktzeit, 114, 195 Target Costing, 40, 294 Teamorganisation, 50 Technische Hochschulen, 86 Technologiebewertung, 193 technologiepolitisch, 78, 186, 194, 197 Technologietransfer, 3, 44, 47, 80, 136, 155, 174, 277 Technologietransferstellen, 69, 138, 217, 263, 290 Technology-Market Coupling, 85 Technology-Push, 25, 81, 174, 248 Textilmaschinen, 120 thermoplastische Polymere, 107, 114 Time-to-Market, 25, 199, 200, 202 Transfer Transferagenturen, 137, 165, 183, 187 Transfergegenstand, 188 Transferidee, 117, 142, 192 Transferobjekt, 189 Transferpartner, 118, 123, 138, 144, 161, 189 Transferproblem, 119 Transfervorhaben, 7, 108, 128, 132, 137, 141, 166, 174, 287, 307 Treffpunkt Keramik, 118, 119 U Umluftofen, 109, 231 Umstellungskosten, 36, 283 Unsicherheit, 84, 128, 132, 157, 164, 174, 283 finanziell, 132 personell, 133 planerisch, 133 unternehmerisch, 191 Unterstützungsangebot, 192 Upstream, 85 V Verantwortung, 54, 124, 155, 191, 262 Verbünde, 83, 250, 254, 263
333 Verbundprojekte, 48, 57, 66, 186, 219, 293, 296, 299 Verbundvorteile, 36 Verein Deutscher Ingenieure, 86 verlängerte Werkbank, 96, 255, 262 Vermarktung, 4, 165 Versäulung, 82, 96, 102, 131, 248, 285 verteilte Teams, 49, 51 Vertrauen, 8, 14, 49, 55, 145, 149, 159, 162, 174, 277, 307 Vertrauensverhältnis, 154, 160, 162, 163 Vertrauensverlust, 162, 175, Vorlaufforschung, 53, 147, 168, 186, 195, 255 Vorlaufstudie, 115 Vorphase, 141, 145, 149, 160 Vorprojekt, 145, 160 Vorsorgeforschung, 89 W Weiterverarbeitungskosten, 39 Werkstoffeigenschaften, 40, 183 Werkstoff-Innovationen, 18, 19 Werkstoff-Klassen, 21, 22 Wertschöpfungskette, 20, 37, 85, 211, 227, 248, 271, 297 Wettbewerbsposition, 201 Wettbewerbsvorteile, 58, 80, 184, 269, 300 Wirtschaftlichkeitsrechnungen, 115 Wissen, 5, 24, 53, 138, 176, 264, 270, 288, 300 explizit, 50, 59, 65 implizit, 35, 45, 50, 59, 65, 154, 176, 215 praktisches, 153 Wissensabfluss, 48, 222, 271, 300 Wissensaustausch, 47, 154, 270, 299 Wissensbasis, 25, 53, 176, 190 wissenschaftlichen Community, 40, 45, 199, 202, 204, 286, 304 Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL), 90, 91, 261 Wissenschaftssoziologie, 78 Wissensmerkmale, 50, 59 Wissens-Spillover, 62, 272 Wissens- und Technologietransfer (WTT), 6, 11, 153, 154, 182 Wissensvermittlung, 188 Z Zentrum für Molekulare Biologie der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg (ZMBH), 100 Zentrum Smart Materials (CeSMa), 117
334 Zertifizierung, 209 Zertifizierungsverfahren, 37, 109, 165, 209 Zieldefinition, 56, 241 Ziele, 182 Zielgrößen, 182, 203, 204 Zielhierarchie, 183
Sachverzeichnis Zielsystem, 46, 183, 201 Zulassung, 121 Zulassungsverfahren, 165 Zuständigkeit der Länder, 92 Zwischenziel, 134 Zykluszeiten, 115, 225, 229, 238