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Uie Ruhrneshalle der Forschung hat viele Räume. Mit ge zogenem Hut schreiten wir die Galerie der Beiühmtheuen entlang. In Marmor und Erz stehen ihre Namen geschlagen Aber es iehien ihrer viele, weil kein Bild und kein Schriitzuc von ihnen aui uns gekommen ist. Von ihnen künden keine Chronisten, an ihrem Werkplatz stand niemand, der Beiich geben konnte, als sie iür sich und lür die nachiolgenden Ge schiechter die heilige Flamme des Feuers entdeckten, den Ackerpllug erfanden, das rollende Rad, das segelnde Boot, das Wasserund das Windrad, die Bronze und das schmiedbare Eisen, den Hebel, die Säge, die Kunst des Schreibens und vielerlei Werkkünste, die das Leben aui Erden schöner und leichler machten. Sie stehen namenlos im Dämmer des Menschheitsmorgens, und keine Erinnerung reicht bis zu ihnen zurück. Was aus der erfindungsreichen Antike und von den Leistungen des Mittelalters an Nachrichten überlieiert ist, verliert sich oit in dem bunten Gewebe von Sage und Legende... Es bedurfte erst eines Eriinders, um die Erlinder und Weltertorscher der neueren Zeit in ein helleres Licht zu rücken. Die Stunde, in der Johannes Gutenberg den ersten Typenbogen aus seiner Druckpresse hob, war auch der Beginn der Nachrichtenblätter, der berichtenden, weit verbreiteten Chroniken und der gedruckten Dokumente, in denen wir nachblättern können, wie alles gewesen. Die erfolgreichen Erfinder und Forscher der letzten Jahrhunderle stehen im Rampenlicht der Welt. Aus den Namenlosen sind die viel Genannten geworden. So ist es uns möglich, an Hand der Selbstzeugnisse und der Berichte der Zeitgenossen in die Werde- und Erlebnisstunden der großen Entdeckungen der Neuzeit hineinzuleuchten. — Von einigen dieser „Sternenstunden" des Fortschritts sei auf den folgenden Seiten in zwangloser Folge an Hand der Quellen geplaudert. 2006 digitalisiert by Manni Hesse
In der Nacht zum 8. J a n u a r 1610 Galileo Galilei, geb. am 15. Febr. 1564 in Pisa,, gest. am 8. Jan. 1642 in Arcetri. Bild: Palomar-Sternwarte.
Auf seiner Sternwarte in Padua richtete der Professor für Mathematik Galileo G a l i l e i um die Mitternacht des 8. Januar 1610 zum ersten Male ein Fernrohr in die Lichterwelt des Sternenhimmels. Auf die Kunde von der Erfindung eines Apparates, mit dem man entfernte Gegenstände vergrößern konnte, hatte Galilei sich nach eigenen Ideen ein vorzügliches Instrument gebaut. Niemals vorher hatte er ein Fernrohr gesehen und nichts wußte er von dessen Konstruktion. In jener Nacht entdeckte er als erster die Berge und Täler des Mondes und erkannte, daß das leuchtende Band der Milchstraße ein Heer einzelner Sterne war. Sein größter Erfolg aber war in dieser und in den folgenden Nächten die Entdeckung der Jupitermonde, die, so schreibt Galilei, „seit der Erschaffung der Welt von keines Menschen Auge erblickt worden sind". Vier Monde bewegten sich um einen Zentralkörper -, im Kleinen vollzog sich hier der gleiche Vorgang, der sich nach der umstürzenden und damals noch immer bezweifelten Lehre des Kopernikus auch im Planetensystem abspielte. „Als ich in der ersten Stunde der Nacht", berichtet Galilei über diese Sternenstunde seines Lebens, „die auf den 7. Januar 1610 folgte, die Gestirne mit dem Fernrohr betrachtete, bot sich mir der Jupiter dar. Da ich mir ein in hohem Maße vorzügliches Instrument bereitet hatte, sah ich drei Sternchen bei ihm stehen, die zwar sehr klein, aber gleichwohl sehr hell waren. Zwei Sterne standen östlich, einer westlich. Wie ich aber 8 Tage später wieder dorihin schaute, da standen alle 3 Sternchen westlich. Am 13. Tage erblickte ich erstmals 4 Sternchen... Da diese Sterne dem Jupiter bald vorauseilten, bald nachfolgten und kleine Ausweichungen vollzogen, kann es niemandem zweifelhaft sein, daß sie um ihn ihren Umlauf vollziehen . . . Wir haben hier ein höchst vortreffliches und ausJ
gezeichnetes Beweisstück, um all denen ihre Zweifel zu beseitigen, die beim kopernikanischen System die Planetenbewegung um die Sonne ruhig hinnehmen, aber von der Bewegung des Mondes um die Erde so verwirrt werden, daß sie meinen, man müßte deshalb dieses Weltsystem des Kopernikus als unmöglich über den Haufen werfen. Jetzt nämlich haben wir es nicht nur mit einem Planeten zu tun, der sich um einen anderen bewegt, sondern gleichzeitig mit vier Wandelsternen, die um den Jupiter herumlaufen." Und später, als man Galileis Entdeckung bezweifelt, heißt es; „Darf es mir schwer ankommen, daß die Menschen von meiner Entdeckung nichts wissen wollen? Wenn der allmächtige Gott 6000 Jahre auf einen Menschen gewartet hat, der sieht, was er geschaffen, so kann ich wohl 200 Jahre warten auf den, der versteht, was ich gesehen."
* 350 Jahre später ist nicht mehr die Bewegung eines begrenzten und nahe liegenden Systems, wie es Galilei zum ersten Male erschlossen hatte, das Anliegen der Astronomen; nun geht es um die Bewegung von Billionen Welteninseln in bisher unbekannten Entfernungen, um das Gefüge und die Bewegung des Weltalls selber. Denkwürdig wie jene Nacht auf der Sternwarte zu Padua bleibt der Augenblick, als der 500 TonnenKoloß, das Riesenteleskop im Kuppelbau des Palomarberges, im Spatsommer 1949 erstmals auf seinem Spiegel Licht aus den Grenzbereichen des Universums sammelte. Ein Augenzeuge hat dieses Ereignis in folgender schlichten Schilderung festgehalten. „Mit gedämpftem Donner hat sich der ,Kameraverschluß', das Gewölbe der Kuppel, zu einem schmalen Spalt geöffnet. Sanft gleitet das Rohr m seine Beobachtungsiage. Dann wird es wieder still, in das Blickfeld des Beobachters gleitet ein Sterngebnde, das von dem Spiegel herautgeworien wird. Flink und sicher bedient der Beobacnter die Vorrichtungen, mit denen das Fadenkreuz des Okulars auf die Mitte des Leitsterns eingestellt wird. Dann schiebt er die Kassette mit der photograpuischen Platte in die richtige Lage und zieht den Schieber heraus. Nun dringt Licht, zu schwach, als daß es mit dem Auge wahrgenommen werden könnte, in die lichtempündlicne Schicht ein." Es ist Licht aus Weltraumtiefen, aie nach Millionen und Milliarden Lichtjahren gemessen werden 4
Die Indienfahrt des Kolumbus Christoph Kolumbus, geb. 1446 od. 1447 in Genua, gest. am 21. Mai 1506. Bild: Westindische Inselgruppe mit Segler im Wappen von Costa Rica.
Unter den großen Indienfahrern des ausgehenden 15. Jahrhunderts war der Admiral C h r i s t o p h K o l u m b u s der kühnste. Ihn lockte nichts anderes in die Unendlichkeit des Meeres als alle Indienkapitäne, die sich vor ihm und mit ihm über die Grenzmarken des Bekannten und bisher Erreichten hinauswagten: Die Millionenstädte im Reiche des großen chinesischen Khan, die goldführenden Flüsse Asiens, die Spezereien und Gewürze Indiens und die Paläste und Wunderbauten des Goldlandes Zipangu (Japan). Der fromme Christ trug in seinem Herzen auch den Auftrag der Könige, in den fernindischen Ländern das Kreuz aufzupflanzen. Was aber Kolumbus über die Weltmeerfahrer vor ihm hinaushebt, war die Tatsache, daß er sein Unternehmen auf die kaum gesicherte Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde aufbaute und daß er das östlich gelegene Indien, der Krümmung des Erdballs folgend, über das Westmeer ansteuerte. Traf es zu, was er glaubte, so hatte er dem Abendland den kürzesten Seeweg in das „Gelobte Land" Indien geöffnet. 37 Tage fuhr die „Santa Maria" mit ihren beiden Begleitschiffen über die Abgründe des Ozeans, „da beklagten sich die Matrosen über die Länge der Fahrt, sie weigerten sich, sie fortzusetzen, jedoch der Admiral tröstete sie so gut er konnte". {Nach dem Logbuch des Kolumbus.) Zwei Tage später, in der zweiten Morgenstunde des 12. Oktober 1492, durfte Kolumbus über die Zagenden triumphieren. Mit einer weißen Landzunge tauchte das erste „indische" Eiland aus dem Meer. Der Ruf „Land, Land!", der aus dem Mastkorb durch die Nacht drang, war der Heroldsruf am Tore eines neuen Zeitalters, einer neuen Welt. „Anfänglich packte mich Furcht", schrieb Kolumbus in das Tagebuch, „denn vor meinen Augen ragte ein ungeheurer, gebirgiger Felsen, der die Insel allseitig umschloß. Jedoch bildete er an einer Stelle eine Vertiefung und somit einen Hafen, der 5
sämtliche Flotten Europas aufnehmen könnte, nur ist die Einfahrt sehr eng. Gewiß ist, daß dieses Riff zahlreiche Tiefen aufweist, aber die See ist dort so ruhig wie in einem tiefen Brunnen. Hier sind die schönsten Gärten, die ich in meinem Leben gesehen und süßes Wasser die Hülle und Fülle." Von Insel zu Insel suchte Kolumbus nach Landmarken Chinas und Indiens.' „Ich glaube, all diese Inseln sind nichts als Länder, die mit dem Großen Khan von China im Kriege liegen. Gewiß ist, daß der Ort, wo ich jetzt weile, von den Einwohnern Kuba genannt wird, und daß er Quinsay und Zayto (heute Hang-kau und Amoy in China) gegenüberliegt, etwa hundert Seemeilen von jeder dieser beiden Städte entfernt. Ich weiß dies, weil das Meer hier auf eine mir unbekannte Art heranströmt." An der Mündung des Orinoco hat Kolumbus das Festland, der „östlichen Länder" betreten, und zwei Jahrzehnte lang verharrte die Welt in der irrigen Vorstellung, daß der direkte Seeweg nach den Goldländern des Ostens gefunden sei. Erst als Vasco de B i l b a o im Jahre 1513 nach der Durchquerung des Festlandes den darunterliegenden „Stillen Ozean" entdeckte, erkannte man, daß nicht Indien und China erreicht war, sondern ein Kontinent ganz unbekannten Namens und daß der Erdball viel, viel größer sein mußte, als es Kolumbus geahnt hatte.
Zum e r s t e n Male rund um die Erde Fernando de Magallanes, geb. um 1480 in Sabrosa, gefallen am 27. April 1521 auf Matan. Bild: Karavelle des 16. Jahrhunderts.
Anno 1522, am 8. Tage des Monats September, lief der spanische Dreimaster „Victoria" mit gebrochenen Masten, geflickten Segeln, die Planken von Würmern zerfressen, in den Stadthafen von Sevilla ein. Drei Jahre vorher, am 10. August 1519, hatte im gleichen Hafen der Gouverneur der Stadt dem Generalkapitän der Karavelle, Fernando de Magallanes, die goldgestickte Standarte Kaiser Karls V. übergeben, in dessen Auftrag die «Victoria" mit vier Begleitschiffen auf Entdeckungs6
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fahrt ging. In den drei Jahren zwischen 1519 und 1522 hatte die „Victoria" die ganze Weltkugel umkreist. „Seitdem Gott die ersten Menschen erschuf, war die Heimkehr des Schiffes die größte Neuigkeit, die man auf Erden vernommen hatte" (Herrera). Diese ruhmvolle Erdumseglung erbrachte der Welt den Beweis, daß die Erdoberfläche in sich selbst zurückläuft. Die mittelalterliche Vorstellung von der Erde als Scheibe war endgültig zu Grabe getragen. Magallan selber war auf der Reise von den Eingeborenen der Philippineninsel Matan erschlagen worden. Juan Sebastian del Cano führte an seiner Stelle die „Victoria" in die Heimat. Am Tage der Rückkehr sandte der Kapitän den folgenden Bericht an Kaiser Karl, der in jenen Tagen in der spanischen Stadt Valladolid weilte. „An Seine Hochgeehrteste Majestät! Eure Hohe Majestät möge wissen, daß wir angekommen sind: nur noch 18 Mann mit einem der fünf Schiffe, die Eure Majestät aussandte, um die Spezereien zu entdecken, unter dem Kapitän Fernando de Magallanes, glorreichen Angedenkens. Wir gelangten bis 54° über die Linie der Tag- und Nachtgleiche hinaus, woselbst wir eine Straße (Magallan-Straße) fanden, die in das Meer zwischen dem Festlande Euerer Majestät (Amerika) und Indien führte. In dieses Meer (Stiller Ozean) hineinsteuernd, trafen wir, obgleich vom Winde begünstigt, während 3 Monaten und 20 Tagen kein Land an, ausgenommen zwei kleine bewohnte Inseln; dann kamen wir in einen Archipel vieler goldreicher Inseln (Philippinen). Hier starb unser Kapitän Fernando de Magallanes mit vielen andern. Da wir wegen Mangel an Leuten nicht weiter navigieren konnten, takelten wir ein Schiff ab, und mit den zwei übrinen fuhren wir von Insel zu Insel, bis wir mit Gottes Hilfe die Molukken entdeckten, was acht Monate nach dem Tode unseres Kapitäns geschah. Wir befrachteten daselbst die zwei Schiffe mit Gewürznelken. Euere Majestät möge wissen, daß wir, zu diesen Inseln Maluco segelnd, den Kampfer, Zimmet und Perlen entdeckten. Als wir diese Inseln verlassen wollten, um nach Spanien zurückzukehren, bemerkten wir ein großes Leck in einem der zwei Schiffe, das nicht anders zu reparieren war, als durch Entladung des Schiffes. Da dadurch viel Zeit verging, bis die Schiffe bereit waren, um über Zabba und Melaca (Java urrd 7
Malakka) zurückzusegeln, beschlossen wir, entweder zu sterbet! oder ehrenvoll Eurer Majestät zu dienen, damit wir Ihnen übei die genannte Entdeckung berichten können und mit einem Schiffe allein abzureisen, dasselbe Gottes Gnade überlassend Auf diesem Wege entdeckten wir viele, sehr reiche Inseln. Nachdem wir von der letzten Insel abgefahren waren, lieferj wir während fünf Monaten, uns nur von Korn, Reis und Wasser nährend, kein Land an. Auf diesem Wege starben 22 Mann aus Hunger. Es gelang uns, unter den größten Anstrengungen an der Pumpe (da wir Tag und Nacht beständig Wasser aus dem Schiffe pumpen mußten), so erschöpft wie nur je Menschen sein können, mit Gottes und der hl. Maria Hilfe nach einei dreijährigen Fahrt in den Hafen einzulaufen. Sie werden es zu schätzen wissen, daß wir die ganze Rund heit der Erde entdeckt und umfahren haben; nach Westen ausfahrend (um die Südspitze Südamerikas), sind wir durch den Osten (um das Kap der Guten Hoffnung) zurückgekehrt. Auch bitte kh Eure Majestät in Anerkennung der harten Arbeiten, Schweißtropfen, Hunger und Durst, Kälte und Hitze, die unsere Mannschaft im Dienste Eurer Majestät erduldet hat, ihr den Zoll auf ihre heimgebrachten Waren gnädigst zu erlassen." 9. September 1522: „Dienstags gingen wir alle, im bloßen Hemde und barfuß mit einer Wachskerze in der Hand, ans Land, um die Kirche unserer lieben Frau Santa Maria und die Kirche der heiligen Maria dell'Antigua zu besuchen."
An d e n »Endpunkten' der Welt
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F. A. Cook, geb. am 10. Juni 1865 in Callicoon, gest. 1940. Raold Amundsen, geb. am 16. Juli 1872 in Borge, tödlich abgestürzt 1928 bei der Bäreninsel. Bild: Die Fram, Expeditionsschiff Nansens und Amundsens
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Jahrhunderte lang haben die Kapitäne der großen SeefahrerNationen Sturm gelaufen gegen die Eisbarrieren, die sich vor den „Enden" der Erde, dem Nord- und Südpol, auftürmen. Schiffe und Männer verschwanden in den weißen Wüsten, aber A
immer wieder wurden In den Häfen Segel gesetzt zu dem großen Abenteuer der Polfahrt. Der Holländer Willem B a i e n t s war der erste, der am 6. Juni 1594 — vergeblich — mit vier Seglern den Angriff auf das Eis des Nordpols gewagt, James C o o k , Commander der Britischen Marine, der erste, der am 17. Januar 1773 das südliche Polareis erreicht hatte. Seitdem sind immer wieder Männer aufgebrochen, die Flagge ihres Landes am Nord- oder Südpol aufzupflanzen und zu beweisen — wie ein Pionier der Polarforschung schreibt — „daß der Mensch durch die Denkkraft und durch die Zähigkeit seiner Körperkräfte die schrecklichsten Naturgewalten zu überwinden vermag, wenn er trotz manchen Mißlingens Mut und unerschrockene Ausdauer genug besitzt." Anfang des 20. Jahrhunderts, innerhalb von vier Jahren, fielen endlich die beiden opferreich umkämpften Festungen. Unter dem Jauchzen der Eskimos und dem Geheul der Schlittenhunde erreichte am 21. April 1908 der nordamerikanische Arzt und Polarforscher Frederick Albert C o o k die Stelle des vermuteten Nordpols, den Schnittpunkt aller Meridiane des Erdballs. Das Eis der Polfläche sprühte in einem Farben- und Lichtrausch ohnegleichen. „Wir wanderten über farbenleuchtende Flächen", so schildert Cook in seinem Tagebuch diese Glücksstunde, „erklommen den gold- und purpurglänzenden Hügel und endlich: unter einem klaren blauen Himmel gelangten wir ans Ziel: Triumph erfüllte mein Herz! In uns war eitel Sonnenschein und die ganze Welt unsäglicher Leiden schwand dahin. Wir standen auf dem Gipfel der Welt und unser Banner wehte im eisigen Windhauch des Nordpols." Cooks Triumph ist nicht unbestritten geblieben. Aber die Polarforschung neigt heute dazu, ihm vor seinem Landsmann Peary, der ein Jahr später den genauer errechneten Polpunkt erreicht haben will, den Preis zuzuerkennen. Dreieinhalb Jahre später erlag auch der Südpol dem menschlichen Forscherdrang. In den ersten Nachmittagsstunden des 14. Dezember 1911 gebot Raold A m u n d s e n seinen Schlittenlenkern Halt. Die Meßräder und Instrumente zeigten übereinstimmend an, daß man den Pol erreicht hatte. „Nachdem wir Halt gemacht hatten", so berichtet Amundsen, „traten wir zusammen und beglückwünschten uns gegenseitig. Wir hatten allen Grund, uns für das, was geleistet worden war. gegen9
seitig zu achten, und ich glaube, gerade dieses Gefühl drückte sich in den kräftigen und festen Händedrücken aus, die gewechselt wurden. Nach dieser ersten Handlung schritten wir zur zweiten — der größten und feierlichsten der ganzen Fahrt — dem Aufpflanzen unserer Flagge. Liebe und S^otz leuchteten aus den fünf Augenpaaren, die die Fiagge betrachteten, als sie sich bei der frischen ßrise entfaltete und über den Pol flatterte. Ich hatte bestimmt, daß das Aufpflanzen selbst — das historische Ereignis — gleichmäßig von uns allen vorgenommen werden sollte. Nicht einem aliein, nein, allen denen kam es zu, die ihr Leben in dem Kampf mit eingesetzt und durch dick und dünn zusammengestanden hatten. Dies war die einzige Weise, auf die ich hier an dieser einsamen, verlassenen Stelle meinen Kameraden meine Dankbarkeit beweisen konnte.. Ich fühlte auch, sie faßten es in dem Geiste auf, in dem es ihnen geboten wurde. Fünf rauhe, vom Frost mitgenommene Fäuste griffen nach der Stange, hoben die wehende Fahne und pflanzten sie auf — als die einzige und erste auf dem geographischen Südpol."
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D i e -eiseir n t n Engel' Watts James Watt, geb. am 19. Jan. 1736 in Greenock, gest. am 19. Aug. 1819 in Heathfield. Bild: Teil der ersten Wattschen Dampimaschine.
„Um ein Bergwerk mit einer Feuer(Dampf-)maschine zu entwässern, braucht man ein Erzbergwerk zur Herstellung einer solchen Maschine, und man braucht ein Kohlenbergwerk, um die Maschine zu beheizen." Gewiß war dieses Wort, das um die Mitte des 18. Jahrhunderts in England umging, bewußt übertrieben, aber es gibt doch deutlich den Spott wieder, mit dem man die frühen Versuche zur Herstellung einer dampf betriebenen Pumpenmaschine zur Entwässerung der Kohlenbergwerke bedachte. Es gab um diese Zeit in England, in Preußen, Österreich und Ungarn selbsttätige „Feuermaschinen" zur Aus- I Schöpfung des Wassers aus den Gruben, aber sie waren zu I 10
schwerfällig und fraßen zuviel Brennstoff, als daß sie die mit Pferdegöpeln betriebenen Grubenpumpen hätten verdrängen können. Watt stand „auf den Schultern" vieler Erfinder und Techniker, als er sich daranmachte, dem Übel auf die Spur zu kommen. Bescheiden sagt er von sich: „Es gehörte keine so große geistige Mühe dazu, festzustellen, daß die Menge des erforderlichen Brennstoffes die Verwendung der Feuermaschine sehr behinderte. Mein nächster Schritt war also leicht: Ich mußte die Ursache für den großen Kohlenverbrauch ausfindig machen. Das war nicht schwer: Der Brennstoff wurde dadurch verschwendet, daß Zylinder, Kolben usw. fortdauernd von der Kälte des Wasser auf die Hitzegrade des Dampfes gebracht werden mußten, und das mindestens 15 bis 20 Mal in der Minute." „Eines Sonntagnachmittags hatte ich im Glasgower Park einen Spaziergang unternommen. Als ich halbwegs zwischen Hirts Haus und Arns Brunnen war und meine Gedanken sich natürlicherweise mit den Versuchen beschäftigten, die ich gerade anstellte, um Wärme im Zylinder zu sparen, so kam mir eben auf jener Wegstrecke der Gedanke in den Sinn, daß, weil Dampf ein elastischer Dunst ist, er sich ausdehnen und in einen vorher luftleer gemachten Raum stürzen muß; ich überlegte mir, daß ich nur einen luftverdünnten Raum in einem vom Dampfgefäß getrennten Gefäß herzustellen brauchte und von diesem Gefäß aus eine Verbindung zu dem Zylinder machen müßte. Dann wird der Dampf aus dem Zylinder in das luftleer gemachte Gefäß stürzen, und die Maschine kann arbeiten." Das war im Jahre 1765. Aus der Idee dieser Stunde erwuchs im ständigen Ausbau die Dampfmaschine mit Dampfkessel und Kondensator, in der nicht mehr der äußere Luftdruck den Kolben abwärts bewegte, sonüern der verdichtete Dampf die Maschine trieb. Am 29. April 1769 konnte James Watt Namenszug und Siegel unter das historisch gewordene Dokument setzen, das ihm seine Erfindung patentierte. Watts Uampfmabctimeii, die ebenso als „Eiserne Engel" verhimmelt wie als „Schwarze Teufel" verlästert wurden, waren bald in Bergwerken und Mühlen zu finden und wurden zu Schaustücken der Neugier für Hoch und Nieder. „Die beste Gesellschaft", so klagte einer seiner Mitarbeiter, „gab sich in der Maschinenstube häufig ein Stelldichein. Alle waren überrascht li
über den ruhigen Gang der machtigen Maschinen, von deneL jede etwa 50 Pferdekräfte besaß. Watt ärgerte sich über den Jahrmarktsrummei. Die Besucher hielten die Arbeiter von der Arbeit ab. Was haben denn all die Herzöge, Damen und Herren hier zu tun? Verzichten wir auf die Anerkennung des großen Haufens, Begnügen wir uns damit, die große Sache zu machen." James Watt konnte keine würdigere Ehrung erfahren, als daß man sein Bad in der Ruhmeshalle Englands, in der Westminster-Haile, aufstellte, das Bild des Mannes, „der die Hilfsquellen des Landes erweitert, die Krätte des Menschen vermehrt, sich zu einem hervorragenden Platze erhoben unter den berühmtesten Mannern der Wissenschaft und der wahren Wohltater der Menschen" (Aus der Grabinschrift).
Fultons „brennende Sagemühle" Robert Fulton, geb. am 14. NOT 1765 in Little Britain, gest. am 24. Febr. 1815 in New York
Robert F u l t o n ist nicht der eigentliche Erfinder des Dampfbootes, aber er hat dem dampfbetriebenen Schiff, das „von Rädern bewegt wird wie ein Wagen" mit immer besseren Konstruktionen und immer weiter ausgreifenden Fahrten zum Durchbruch durch alle Vorurteile verholten. Mit üer „Claremout", dem plumpen Fahrzeug, „das genau wie eine hinterwäldlerische Sägemühle aussah, die man in Brand gesteckt hat" führte er am 9. August 1802 jene denkwürdige Fahrt über den HudsonRiver aus, die alle Spötter verstummen ließ. Von einem Zeitgenossen stammt folgender Bericht: „Die große Volksmenge, die sich an der Werft in New York versammelt hatte, um zu sehen, was aus ,Fultuns folly' werden würde, schrie und höhnte: ,God help you, Bobby!' .Bring uns ein Stück vom Nordpol!' Fulton traf lächelnd die Vorbereitungen zur Abfahrt von der Landungsbrücke, da er voraussah, daß sich die lebhaften Bezeugungen des Mißfallens bald in ihr Gegenteil verwandeln würden. Fulton, mit der Hand am Steuerruder, wendet den Bug. Er ist bleich, aber voll Vertrauen und voll Selbstbeherrschung. Die IV
Claremont arbeitet sich in den Strom, die schwere Maschine schlägt und stöhnt, die nicht verkleideten Räder schlagen und spritzen, und der Schornstein speit wie ein Vulkan. Das Schiff bewegt sich dauernd vorwärts, alle Leute _an Bord schwingen ihre Hüte in die Luft und rufen ein Cheer, das unmittelbar darauf an Land ein lautes Echo findet. Das Volk wiederholt diese Szene an allen Landungsbrücken, bis die .Claremont', den Hudsonstrom aufwärts dampfend, außer Sicht ist." „Ich überholte viele Schaluppen und Schoner", schrieb Fulton damals an einen Freund, „und fuhr an ihnen vorüber, als lägen sie vor Anker. Die Dampfkraft zum Treiben von Schiffsbooten ist nun voll erprobt worden. Am Morgen, als ich New York verließ, gab es nicht dreißig Personen die glaubten, daß mein Boot auch nur eine Meile stündlich laufen würde, und während wir die, Landungsbrücke verließen, die mit Zuschauern bedeckt war, mußte ich viele sarkastische Bemerkungen anhören. Dies ist. die Art, in der Unwissende die Leute begrüßen, die sie .Philosophen' und Projektemacher nennen. Auch die Aussicht auf persönlichen Vorteil wurde mir als Beweggrund zugeschrieben, doch ich fühlte unendlich mehr Vergnügen in dem Gedanken an die ungeheuren Vorteile, die meinem Vaterland durch diese Erfindung zuteil werden würdfn '
Die Sieges*ahrt der „Rocket" George Stephenson, geb. am 8. Juni 1781 in Wylam-on-Tyne, gest. am 12. Aug. 1848 in Chesterfield. Bild: Stephensons siegreiche .Rocket".
Von George Stephenson stammt das Wort: „Die Eisenbahn hat nicht ein einzelner erfunden, sondern ein ganzes Volk von Ingenieuren." Und doch gilt der englische Ingenieur George Stephenson mit Recht als der Bahnbrecher, des Eisenbahnwesens. Ihm gelang es, den .Vollmetallrossen. welche Feue? 13
schnauben und nach Ruhm lechzen", das Abenteuerliche und Beängstigende zu nehmen, das die ersten Fahrzeuge umgab; er führte die Lokomotive mit Vielrohrkess3l und glasten (nicht gezähnten oder geriffelten) Rädern zum Siege. Der denkwürdige Wettbewerb, der nicht nur der Slephenson-Lokomotive, sondern auch der Idee der Eisenbahn überhaupt in aller Welt zum Durchbruch verhalf, wurde in den Tagen vom 7. bis 14. Oktober 1829 auf einer ebenen Versuchsstrecke, zehn Meilen von Liverpool entfernt, ausgetragen. 500 englische Pfund waren von der Liverpool-Manchester-Eisenbahngesellschaft für die bes'.e „Lokomotiv-Maschine" ausgesetzt. Zugleich mit Stephensons „The Rocket" gingen die Maschinen „The Novelty", „Sans Pareil", „Cyclopede" und „Perseverance" ins Rennen. „Die Zuschauer säumten auf beiden Seiten die Strecke in einer Entfernung von eineinhalb Meilen. Niemals voher waren bei ähnlichen Gelegenheiten so viele Minner der Wissenschaft und Ingenieure an einem Punkt versammelt wie auf der Schienenstrecke. Der interessante und wichtige Charakter des Versuchs hatte diese Männer aus allen Teilen des Königsreichs herbeigeführt, um bei diesem Wettbewerb der Dampfwagen anwesend und Zeuge eines Schauspiels zu sein, dessen Ergebnis imstande sein mochte, das ganze System unserer Verkehrsbedingungen zu ändern und an ihre Stelle etwas zu setzen, dessen Endergebnis kaum vorausgesehen werden kann". (Aus einer zeitgenössischen Zeitschrift). Der dramatische Kampf der Dampfwagen war am 14. Oktober 1829 entschieden. „Die großen Versuche mit den Lokomotiven sind zu Ende", heißt es in dem Briefe eines Zuschauers vom 16. Oktober 1829. „Stephenson ist als Triumphator daraus hervorgegangen und wird den Preis von 500 Pfund erhalten. Keiner der anderen reichte an ihn heran. ,The Rocket' (Die Rakete) ist bei weitem die beste Lokomotive, die ich je gesehen habe. Dabei war sie keineswegs bei den Zuschauern der Favorit. Einige fanden sie häßlich, plump und untechnisch. Sie gewann den Preis nicht dank ihrer Popularität, sondern allein deswegen, weil sie als einzige Maschine die Bedingungen erfüllte." Die Lokomotive Stephensons hatte eine Stundengeschwindigkeit von 56 km erreicht. Sie wurde in ihrer Weiterentwicklung zum Vorbild für den Lokomotivbau überhaupt. H
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„Selbst die B ä u m e schüttelten das H a u p t . ." Carl Benz, geb. am 25. Nov. 1844 in Karlsruhe, gest. am 4. April 1929 in Ladenburg.
Am 3. Juli 188S brachte die „Neue Badische Landeszeitung" unter ihren Mannheimer Lokalberichten folgende Mitteilung: „Ein mittels Ligroin (Benzin-) Gas zu treibendes Veloziped, welches in der Fabrik von Benz & Co. konstruiert wurde und worüber wir schon an dieser Stelle berichteten, wurde heute früh auf der Ringstraße probiert und soll die Probe zufriedenstellend ausgefallen sein." Das ist die erste Zeitungsnachricht über die erste Versuchsfahrt eines Motorwagens, der sich aus dem Mannheimer Werkstattschuppen von Carl B e n z auf die Straße wagte. Aus der Sicht des Erfinders sah diese Fahrt folgendermaßen aus: „Die alten Bäume am Wall schüttelten ihre breiten Äste über meine ungeschickten Fahrversuche und sahen dabei gleichzeitig mit mir, daß mein Wagen noch recht vieler Verbesserungen bedurfte. Kaum hundert Meter war ich das erste Mal gekommen, da blieb das Fahrzeug stecken und mußte in die Werkstätte zurückgeschoben werden." Carl Benz, der mit Siegfried M a r c u s , D a i m l e r und M a y b a c h das Automobil entwickelt hatte, mußte sein Fahrzeug über die Hindernisse vieler kurzsichtiger bürokratischer Einwände hinwegsteuern. Die Herren der badischen Regierung, die für Mannheim zuständig waren, gaben ihre Widerstände erst auf, als Benz sie kurzerhand zu.einer Probefahrt in seine Benzin-Karosse verfrachtete. „Ich lud die Herren zu mir nach Mannheim, um sie von der Betriebssicherheit und Ungefährlichkeit meines Wagens überzeugen zu können. Richtig, sie nahmen an und teilten mir den Zug mit, mit dem sie in Mannheim einzutreffen gedachten. Fahrmeister Tum gab ich den Auftrag, die Herren an der Bahn mit der „Benzin-Chaise" abzuholen. Selbstverständlich schärfte ich ihm ein, mit den gefährlichen Herren keinesfalls schneller als 6 km pro Stunde zu fahren. Die Herren kamen an, stiegen ein und freuten sich zunächst wie die Schneekönige über das behaglich langsame Dahinfahren des pferdelosen Wagens. Mit der Zeit kommt ihnen das Tum'sche Tempo doch etwas lang!5
weilig voi, und als gar ein Milchfuhrwerk mit seinem ab gerackerten Gaul Miene macht, den Kraftwagen zu überholen, ruft einer der Ministerialräte dem guten Tum zu: „He, Sie, können Sie nicht schneller fahren?" „Können tu ich's schon!' sagte der Mann am Steuer, „aber ich darf nicht, es ist polizeilich verboten." „Ei was, fahren Sie mal zu, sonst fährt uns ja jede Milchkutsche vor." Benz sorgte dafür, daß seine Benzin-Kutsche bald schon nicht nur die Milchkutschen hinter sich ließ, sondern auch in Wettbewerb treten konnte mit dem Rekordfahrer jener Zeit, dem .Eisernen Dampfroß".
F l i e g e n mit Motorkraft ••• ? '; ? »
Wilbur Wrigth, geb. am 16. April 1867 in Henry County, gest. am 30. Mai 1912 in Dayton. Orville Wrigth, geb. am 19. Aug. 1871 in Dayton, gest am 30. Jan. 1948 in Dayton. Bild: Erstes Motorflugzeug de' Welt.
Von drei Startplätzen aus erfolgte die Eroberung des Luftraumes für den Menschen. Der eine liegt im Waldpark von Boulogne, von wo am 21. November 1783 der Apotheker J. F. Pilatre de R o z i e r und der Marquis d ' A r l a n d e s als erste Menschen in einer Montgoltiere aufstiegen. Mit ihnen begann die Geschichte der Luftschiffahrt, die in den Riesenschiffen der Zeppeline ihren Höhepunkt und ihren vorläufigen Abschluß erreichte. Der zweite Startplatz liegt in den Rhinower Bergen, wo Otto L i l i e n t h a l im Jahre 1891 erstmals ein vogelhaft beflügeltes Luftfahrzeug über das Polster der Bodenlufi gleiten ließ. Der dritte ist die Dünenlandschaft von Dayton in Nord-Karolina, wo am 17. DezerfTber 1903 der Fahrradmechaniker Wilbur W r i g h t zum ersten Motorflug ansetzte, bei dem ein Zwei-Zentner-Motor den Doppeldecker der Brüder Wright 12 Sekunden lang durch die Luft trug. Dieser Probeflug eröffnete die zu immer gigantischeren Leistungen fortschreitend* Entwicklung des modernen Flugwesens 16
Nur fünf Personen waren nach dem Bericht der Brüder Wright bei diesem ersten motorbetriebenen Luftsprung zugegen. „Es waren dies John T. Daniels, W. S. Dough und A. D. Etheridge von der Rettungsstation Kill Devil, ferner W. C. Brinkley aus Manteo und John Ward aus Naghead. Obgleich eine Einladung an alle ergangen war, die innerhalb der nächsten fünf oder sechs Meilen wohnten, so hatten doch nicht viele Lust, sich dem rauhen Dezemberwind auszusetzen, um wieder einmal eine Flugmaschine, wie sie ohne Zweifel dachten, nicht fliegen zu sehen. Der erste Flug dauerte nur 12 Sekunden, eine sehr kurze Zeit im Vergleich mit der Dauer des Vogelfluges, aber er war der erste in der Geschichte der Erde, bei dem eine Maschine mit einem Menschen sich selbst durch ihre eigene Kraft in freiem Flug in die Luft erhoben hatte, in waagerechter Bahn ohne Verminderung der Geschwindigkeit vorwärts geflorren und schließlich gelandet war, ohne zum Wrack zu werden. Der zweite und dritte Flug waren etwas länger; der vierte dauerte 59 Sekunden, wobei eine Entfernung von 250 Metern auf dem Boden zurückgelegt wurde. Nach dem letzten Flug wurde die Maschine zum Lager zurückgebracht und niedergesetzt. Man hielt dies für einen sicheren Platz. Aber wenige Minuten später, als wir in die Unterhaltung über die Flüge vertieft waren, traf ein plötzlicher Windstoß die Maschine und begann sie zu drehen. Wir liefen alle hinzu, um sie festzuhalten, kamen aber zu spät. Herr Daniels, ein Riese an Gestalt und Kraft, wurde hochgehoben und verlor den Boden unter den Füßen. Er fiel in den Apparat zwischen die Tragflächen und wurde herumgeschüttelt wie die Steinchen in einer Klapper, als die Maschine sich um und um wälzte. Schließlich fiel er auf den Sand, ohne sich etwas Schlimmeres als einige schmerzhafte Quetschungen zugezogen zu haben."
Von der Pulver- zur Flüsslgkeftsrakete Robert H. Goddard, geb. 1882 in Worcester. Hermann Oberth, geb. 1894 in Hermannstadt.
Wenn die Menschheit an einem vielleicht nicht allzu ferner Tage die Kunde vom Start einer Rakete in den Weltraum ver l)
nimmt, wird man zwei Namen mit besonders berechtigter Hochachtung nennen: Es sind die Narmn des amerikanischen Physikprofessors Dr. Robert Hutchins G o d d a r d und des S.ebenbürger Ma .hematikprofessors Hermann O b e r t h. Prof. Goddard ließ am 1. Nov. 1923 die erste mit flüssigem Brennstoff angetriebene Rakete auf dem Prüfstand abbrennen. Prof. Oberth legte im gleichen Jahre, unabhängig von Goddard, die Theorie des Weltraumfluges mit Flüssigkeitsraketen der Öffentlichkeit vor. In der Raketentechnik, die bis dahin nur feste An'.riebsstoffe gekannt hatte, war dieses Jahr ein Wendepunkt. Ohne Oberths geniale Idee und Goddards ebenso genialen Versuch, statt der Pulvermassen in der Rakete flüssige Treibs'.offe mit flüssigem Sauerstoff zu verbrennen, hätte man die Raketen niemals zur Fern- und Höhenrakete von heute und zur erhofften Weltraumrakete von morgen weiterentwickeln können. Die Rakete Goddards, die sich auf dem Prüfs',and bewährt hatte, stieg auch als' erste Flüssigke'tsr^ke'e f.uf. S;e trtn °in Barometer und eine kleine Kamera mit sich. Der kurze, sachliche Bericht, den Prof. Goddard an die Clark University erstat'ete, ist bereits in die Geschichte der Rake^nforschung eingegangen: „Der erste Aufstieg einer Flüssig-Sauerstoff-Benzinrakete fand am 16. März 1926 in A.uhurn 'MiFsachusetJs) °t~tt. und d'es wurde der Smithsonian-Institution am 5. Mai 1926 mitgeteilt. Diese Rakete überflog eine Entfernung von 184 Fuß in 2,5 Sekunden, wie mit einer Stoppuhr festgestellt wurde, was bedeutet, daß die Geschwindigkeit etwa 60 Meilen pro Stunde war. Andere kurzdauernde Aufstieqe von Flü-siq-SsuprsfoffBenzinraketen fanden ebenfalls statt, der vom 17. Juli 1929 erregte großes Aufsehen, weil jemand den Aufstieg aus einiger Entfernung mit ansah und die Rakete für ein brennendes Flugzeug hielt." Das Versuchsfeld, das Professor Goddard für seine weiteren Raketenstarts aussuchte, die Sandwüste Neu-Mexikos, ist nach dem Kriege zur übungslandschaft für die Rekordaufstiege der aus der deutschen Forschung stammenden A 4 Raketen und ihrer Nachfolgerinnen geworden.
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It d e n Blitz l ä u t e n Benjamin Franklin, geb. am 17. Jan. 1706 in Boston, gest. am 17. April 1790 in Philadelphia. Bild: Franklins Haus in Boston mit dem Blitzableiter.
Der erste Mensch, der wie der Jupiter der Antike den Blitz aus den Wolken herunterholte, war der Seitensiedersohn B e n j a m i n F r a n k l i n , Buchdrucker und Zeitungsmann in Philadelphia, der spätere Generalpostmeister der britischen Kolonien in Nordamerika, Gesandter, Staatsmann und Philosoph. Franklins Versuche mit der gewaltigen Erscheinung des Blitzes sind um so erstaunlicher, als zu jener Zeit das Wissen um elektrische Vorgänge noch ganz unzulänglich war. Blitzstrahl und der elektrische Funke, wie er der Elektrisiermaschine entsprang, so überlegte Franklin, müssen ein und dasselbe sein. Und wie der elektrische Strom von Metallspitzen „angezogen" wird, so muß auch der Blitz durch metallene Spitzen zu beeinflussen sein. „Meine Beobachtungen bei Experimenten lassen mich vermuten, daß Häuser, Schifte und selbst Türme und Kirchen von den Einschlägen des Blitzes durch Spitzen wirkungsvoll gesichert werden können; an Stelle der runden Holz- und Metallkugeln, die gewöhnlich an die Enden von Wetterhähnen, Fahnen, Kirchenspindeln, Türmen und Mastbäumen gesetzt werden, sollte eine Eisenstange treten, die wie eine Nadel zu einer Spitze gefeilt und vergoldet ist, um das Verrosten zu verhindern; noch besser wäre eine Anzahl von Spitzen. Das elektrische Feuer würde dann, glaube ich, stillschweigend aus einer Wolke gezogen werden, bevor es einschlagen könnte." (Aus einem Briefe Franklins vom Jahre 1749.) Einige Zeit später beginnt Mister Franklin mit seinen gefährlichen Experimenten. „Ich errichtete eine eiserne Stange auf dem Dach, um den Blitz in mein Haus hinunter abzulenken." Die Stange „ragte ungefähr 9 Fuß (3 Meter) über den Rauchfang hinaus. Vom Fuße der Stange kam ein Draht in der Dicke einer Gänsefeder durch eine bedeckte Glastube im Dach und hinunter durch das Treppenhaus. Das untere Ende war mit einer eisernen Spitze einer Pumpe verbunden. Auf dem Treppenhaus, meiner 19
lür gegenüber war der Draht geteilt) die Enden waren ungefähi sechs Zoll von einander entfernt und jedes trug eine kleine Glocke; zwischen den Glocken hing eine kleine Messingkugel, um zwischen ihnen zu spielen und die Glocken anzuschlagen, sobald ein Gewitter vorüberzog . . . Während der Nacht wurde ich durch lautes Krachen auf der Treppe aufgeweckt. Ich sprang auf, öffnete die Tür und sah überspringendes Feuer, einen fortgesetzten, dicken, weißen Strom, anscheinend so dick wie mein Finger, wovon die ganze Stiege wie mit Sonnenschein erleuchtet war, so daß man genug sehen konnte, um eine Stecknadel aufzuheben." Einige Zeit später konnte Franklin niederschreiben: „Ich freue mich, daß die Leute beginnen, Spitzen auf ihren Häusern zu gebrauchen. Wir haben sie auf den Türmen unserer Akademien und des Staatsgebäudes angebracht."
Thomas A. Edison erleuchtet die Welt Thomas A. Edison, geb. am 11. Febr. 1847 in Milan, gest. am 18. Okt. 1831 In WestOrange. Bild: Erste Glühbirne mit Papierkohlenfaden.
„Ich stelle fest, was die Welt braucht, und dann mache ich mich daran und versuche, es zu erfinden". — Die Welt brauchte in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts mehr, besseres und bequemeres Licht; Petroleumlampe, Öllampe, Kerze und Gaslicht genügten der industriefrohen Gründerzeit nicht mehr. So stellte sich Thomas Alva Edison im Jahre 1879 die Aufgabe und schrieb sie sich auf einen Notizzettel nieder, eine langbrennende elektrische Lampe zu erfinden: „Die Lampe muß die Eigenschaft besitzen, daß sie einen nur geringen Aufwand an kupfernem Leitungsdraht erfordert. Die Lampen müssen Stück für Stück billig hergestellt werden können. Sie müssen dauerhaft, von der Kundschaft gefahrlos und leicht zu handhaben und so beschaffen sein, daß sie bei voller Leuchtkraft eine lange Lebensdauer besitzen." Im gleichen Jahr 1879 noch leuchtete in Edisons Werkstatt in Menlo Park die erste elektrische Dauerglühlampe, die ihr Licht von einem Papierkohlenfaden ausstrahlte. „DerTag", schreibt der Erfinder in seinen Erinnerungen, „war vermutlich der 21. Okto 20
Der. Wir saßen da und beobachteten; die Lampe brannte ohne ?_u erlöschen und je länger sie brannte, desto mehr waren wir entzückt. Niemand von uns wollte zur Ruhe gehen. Noch nach 20 Stunden dachte niemand an Schlafen." „Im ersten Jahr kostete uns die Lampe in der Herstellung etwa 1 Dollar und 10 Cents. Wir verkauften sie für 40 Cents. Schließlich senkte ich den Selbstkostenpreis auf 22 Cents und verkaufte die Lampe für 40; ich ließ sie jetzt millionenfach herstellen." Obwohl viele der Edison-Lampe keine Zukunft gaben, („das elektrische Licht kann niemals dem Gas, der Öllampe oder den Kerzen Abbruch tun") eroberte sich die Glühbirne des großen Erfinders in einem Siegeslauf ohnegleichen bald schon die Werkstätten, Wohnräume, die Industriehallen und die Straßen der großen Städte.
R ö n t g e n »durchschaut' s e i n e Hand W. Röntgen, geb. am 27. Man 1845 in Lennep, gest. atr 10. Febr. 1923 in München Bild: Röntgenröhre.
In der Nacht zum 8. November 1895 machte Wilhelm Conrad R ö n t g e n , Physikprofessor in Würzburg, eine so erregende Entdeckung, daß ihn ein Grausen und zugleich ein ungeheurer Glücksschauer überlief. Röntgen hatte unter eine dichtumhüllte Vakuumröhre, eine sog. Hittorf-Crook'sche Röhre, in der sich unter 60 000 Volt Spannung Kathodenstrahlen entluden, einen Papierschirm gelegt. Die Strahlen beleuchteten durch die Umhüllung, ja selbst durch ein Buch und ein Brett hindurch den Schirm. Da hielt er seine Hand vor die Röhre — die Strahlen drangen durch sie hindurch wie durch mattes Glas. Auf dem Schirm zeichnete sich das Knochengerippe der Hand so deutlich ab, daß man jedes Knochenglied auf dem Papier hätte nachzeichnen können. Die X-Strahlen, wie Röntgen, Röntgen-Strahlen, wie die Nachwelt sie nannte, öffneten den Blick in bis dahin unbekannte Reiche der Natur. „In dieser Nacht", sagt Friedrich Dessauer, „beginnt eine neue Ära der Physik, ja der Naturwissenschaft überhaupt". An diesen Strahlen entzündete sich die For.11
schung um die Geheimnisse von Energie und Materie. Das AtomZeitalter nahm im letzten von hier seinen Ausgang. Der schweigsame Röntgen hat nur einmal und zwar vor dem Reporter einer amerikan : schen Zeitung von den Ereignissen dieser denkwürdigen Nacht geplaudert. „Nun, Herr Professor", fragte ihn der Reporter, „wollen Sie so freundlich sein, mir die Geschichte Ihrer Entdeckung zu erzählen?" „Eigentlich", antwortete Röntgen, „gibt es da keine Geschichte. Seit langer Zeit interessierten mich die Kathodenstrahlen, besonders die Studien von Hertz und Lenard in evakuierten Röhren. Die Untersuchung dieser und anderer Physiker hatte ich mit großem. Interesse verfolgt und den Vorsatz gefaßt, einige selbständige Versuche darüber anzustellen, sobald ich die Zeit fände. Endlich fand ich die Zeit dazu. „Welches Datum war das?" „Der 8. November". „Und welcher Art war die Beobachtung?" „Ich arbeitete mit eine Hittdorf-Crook'schen Röhre, welche ganz in schwarzes Papier eingehüllt war. Ein Stück Bariumplatinzyamürpapier lag daneben auf dem Tisch. Ich schickte einen Strom durch die Röhre und bemerkte quer über dem Papier eine eigentümliche schwarze Linie." „Was dachten Sie sich dabei?" „Ich dachte nicht, ich untersuchte. Ich vermutete, daß die Wirkung von der Röhre her kommen müsse und prüfte nach dieser Richtung hin genauer. Bald war jeder Zweifel ausgeschlossen. Es kamen Strahlen von dem Rohr, welche eine lumineszierende Wirkung auf den Schirm ausübten. Ich witdernoite den Versuch mit Erfolg aus immer größeren Entfernungen . . . Es zeigte sich aus den Versuchen bald, daß die Strahlen ein ungewönnlichesUurchdringungsvermögen besitzen, und zwar nat einer Kraft, die bisher an Strahlen unbekannt ist. Sie durchdringen Papier, Holz und Tuch mit Leichtigkeit. Die Strahlen gehen durch alle untersuchten Metalle hindurch . . . Da die Strahlen diese große Durchdringungskraft hatten, schien es selbstverständlich, daß sie auch durch Fleisch hindurchgehen konnten, und den Beweis fand ich beim Durchleuchten der Hand." 22
Nebelspuren von Atom splittern Charles Wilson, geb. am 14. Febr. 1869 in Glencoe. Bild: Ausstrahlung von Atomteildien.
Bis zum Jahr 1897 kannte die Forschung nichts Kleineres als das Atom. Nicht einmal der Gedanke schien berechtigt, dem Atom noch Teile zuzusprechen. Man war der Überzeugung, an der untersten Grenze des überhaupt Denkbaren angelangt zu sein. Mit aher Wissenschaftlichen Exaktheit glaubte man erwiesen zu haben, daß man im Atom das äußerste Fundamentteilchen der Materie gefunden hatte. Als in jenem Jahre Professor Joseph John T h o m s o n vom Cavendoh-Laboratorium der Universität Cambridge auf Grund von Berechnungen die Ansicht vertrat, daß die durch Röntgens Erfolge berühmt gewordenen Kathodenstrahlen ausgestrahlte, abgesprengte Bruchstücke von Atomen seien, negativ geladene Teilchen, die er Elektronen nannte, fand er alles andere als Zustimmung. Das ganze mühsam aufgebaute Gebäude der Atomlehre stürzte zusammen, wenn Thomsons Theorie zutraf. Gewiß, an Thomsons Berechnungen war nicht zu deuteln, aber man brauchte handgreiflichere Beweise, um überzeugt zu sein. Unter Professor Thomsons Studenten befand sich der junge Charles Thomson Rees W i l s o n aus Gleicorse in Schottland, der sich bereits durch einfallreiche Experimente hervorgetan hatte. „Thomson", so berichtet Bernhard Jaffe, „rief Wilson zu sich und fragte ihn, ob er das nicht zu fassende Elektron photographieren könne." Wilson arbeitete jahrelang, um ein einziges Elektron einzufangen. Dann wußte er, wie er vorgehen mußte. „Man nehme eine gut abdichtbare Kammer", so umriß er damals seine Aufgabe, „angefüllt mit beinahe gesättigtem Wasserdampf und mit einem Radiumpräparat darinnen. Dann pumpe man mit Hilfe einer Luftpumpe plötzlich einen Teil der Luft aus dieser Kammer. Die zurückbleibende Luft kann nun nicht mehr den gesamten Wasserdampf fassen, der sich unter geeigneten Versuchsbedingungen auf den Jonen niederschlägt, die von den aus dem Radium strahlenden Teilchen auf ihrem Wege erzeugt werden. Zum Schluß braucht man die Nebelspuren der ausgestrahlten Teilchen nur noch photographieren". 23
Nur nochl Wilsons Versuche mit dei Nebelkanimei (.Wilson Kammer") zogen sich weitere Jahre hin. Im Jahre 1911 zeigte die Spezialkamera die ersten rohen Bilder von Elektronenspuren, In einem Büschel auseinanderstrebender Kondensstrahlen erschienen sie auf der Platte. Nicht die Elektronen selber waren zu sehen, kein Übermikroskop könnte diese 2 Zehnbillionstel cm großen Materieteilchen sichtbar machen. Aber ihre Spuren waren auf der Platte abgezeichnet. Wie man aus Skispuren mit Gewißheit auf den Skiläufer schließen kann, der sie gezogen hat, so bewies Wilson aus den Kondensspuren in der Kammer unwiderlegbar die Existenz der Elektronen. „Wilsons Erfindung der Nebelkammer mit ihren mannigfachen Verbesserungen war der wertvollste, ja der unentbehrlichste Verbündete in dem Angriff auf das Wesen der Materie. Der Apparat ist heute in der Atomphysik ein Ausrüstungsgegenstand wie das Fernrohr in der Astronomie und das Mikroskop in der Biologie" (Jaffe).
„Telegraphische Maschinellen" S. Th. von Soemmerring, geb am 28. Jan. 1755 in Thorn, gest. am 2. März 1830 in Frankfurt. Bild: Schema des Soemmerring •eben Telegraphen.
Den optischen Telegraphenlinien, deren Winksignale die Unternehmungen Napoleons auf den Kriegsschauplätzen in recht fühlbarer Weise gefördert hatten, suchte die bayerische Regierung im Jahre 1804 ein noch besseres Nachrichtensystem entgegenzusetzen. Am 5. Juli des genannten Jahres wurde der Professor für Anatomie und Chirurgie, Samuel Thomas v o n S o e m m e r r i n g zu München beauftragt, der Regierung Vorschläge zur Verbesserung der optischen Telegraphie einzureichen. Prof. Soemmerring fand zwar keine neuen Mechanismen für die Signalmasten der optischen Stationen, dafür aber kam er auf den Gedanken, die Elektrizität für die schnelle Nachrichtenübertragung auszunutzen. Jagte man elektrischen Strom durch einen Draht, dessen Ende ins Wasser ragte, so zersetzte er unter deutlich wahrnehmbarer Blasenbildung das Wasser. Ließ man nun so viele Drähte in ein Wassergefäß ausmünden, wie es Buchstaben gab, so konnte man aus den am jeweiligen Drahtende entstehenden Gasblasen den vom Absender ausgeschickten 24
Suchstaben erkennen und daraus Worte und Sätze formen. Drei Tage nach der Auftragserteilung durch die Regierung, am 8. Juli 1804, konnte Soemmering bereits ein erstes Ergebnis in sein Taschenbuch eintragen: „Nicht ruhen können, bis ich Einfall mit dem Telegraphen durch Gasentbindung realisiert, nämlich durch Gasentbindung Buchstaben an entfernten Orten zu bezeichnen." Und am 9. 7.: „Gasentbindung in der Entfernung von 38 Fuß.* Am 22. 7.: „Endlich den Telegraphen beendet. Das neue telegraphische Maschinchen geht gut." Soemmerrings „Maschinchen" war der erste elektrische Telegraph, den wir kennen. Obwohl seine Technik noch recht unbeholfen und schwerfällig war, hat die Bekanntgabe der Erfindung doch größtes Aufsehen erregt. Selbst Heinrich von Kleist, der Dichter, nahm die Nachricht zum Anlaß einer Glosse iD seinen „Berliner Abendblättern": „Man hat in diesen Tagen zur Beförderung des Verkehrs innerhalb der Grenzen der vier Welttheile einen elektrischen Telegraph erfunden: einen Telegraph, der mit der Schnelligkeit des Gedankens, ich will sagen, in kürzerer Zeit als irgendein chronometrisches Instrument, vermittels des Elektrophors und des Metalldrahtes Nachrichten mitteilt dergestalt, daß wenn jemand, falls nur die Vorrichtung dazu getroffen wäre, einen guten Freund, den er unter den Antipoden hat, fragen wollte, „wie geht es Dir?" derselbe, ehe man noch die Hand umkehrt, ohngefähr so als ob er in einem und demselben Zimmer stünde, antworten könnte: „Recht gut".
Die geisterhafte Stimme Philipp Reis, geb. am 7. Jan. 1834 in Gelnhausen, gest. am 14. Jan. 1874 in Friedrichsdorf. Alexander Bell, geb. am 3. März 1847 in Edinburg, gest. am 1. August 1922 in Baddek. Bild: Der erste Hörapparat von Reis.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts liegt die Erfindung des elektrischen Fernsprechers in der Luft. Em französischer Telegraphist, Charles B o i r s e u 1, hat ihn vorausgedacht. Aber seine Anregung blieb in der Schublade liegen und war ohne Ein?5
fluß auf die beiden Männer, die einige Jahre später die Sprache des Menschen in Stromschwingungen umsetzten und die elektrischen Schwingungen wieder zur Sprache werden ließen. Der Physiklehrer Philipp R e i s baute 1860 in Friedrichsdorf, wo er an einer Privatschule amtierte, den ersten Fernsprecher und gab ihm den Namen „Telephon", Alexander Graham B e l l , Taubstummenlehrer in Boston, der das Reis-Telephon kannte, gab dem Fernsprecher die Form, in der er seinen Siegeslauf beginnen konnte. In seiner Selbstbiographie erzählt Philipp Reis folgendes über seine Erfindung: „Durch meinen physikalischen Unterricht dazu veranlaßt, griff ich im Jahr 1860 eine schon früher begonnene Arbeit über die Gehörwerkzeuge wieder auf und hatte bald die Freude, meine Mühe durch Erfolg belohnt zu sehen, indem es mir gelang, einen Apparat zu erfinden, durch welchen es möglich war, die Funktion der Gehörwerkzeuge klar und anschaulich zu machen, mit welcher man auch Töne aller Art durch den galvanischen Strom in beliebiger Entfernung wiedergeben kann". Eines der frühesten Telephone erlebte der Dichter Ganghof er: „Eine lebhafte Erinnerung ist mir der Tag geblieben, an dem ich in einer Berliner Zeitungsredaktion das neu erfundene Telephon zu sehen bekam. Mir lief die schöne Gänsehaut eines wundersamen, prachtvollen Grauens über den Rücken und durch die Seele, als ich in diesen kleinen, sonderbaren Apparat hineinschaute und plötzlich klar und deutlich die Stimme eines Manschen reden hörte, von dem ich nicht wußte, wo er war. Man sagte mir, der Mensch, der mit dieser geisterhaften Stimme sprach, befände sich nicht nur in einem anderen Zimmer, sondern in einem anderen Haus. Unglaublich! An jenem Tag war ich sehr stolz auf das siegende Genie der menschlichen Wissenschaft."
Der Atlantik überbrückt Gugl ielmo Marconi, geb. ata 25. Anril 1874 jn Bologna, gfest. am 20. Juli 1937 in Rom. Bild: Strecke der ersten Funkverständigung über den Ozean.
Um die Mittagsstunde des 12. Dezember 1902 überbrüllte ein TriumphgeSchrei das Heulen des Sturmes, der über die Hcrch2fi
ebene von St. John in Neufundland brauste. Viele Tage hatten die wetterzerzausten Männer um den 28jährigen Guglielmo M a r c o n i auf diesen Augenblick gewartet. In dieser Stunde wurde zum erstenmale eine Funkbrücke über den Ozean geschlagen. Zwischen der englischen Westküste bei Poldhu und der Ostküste Neufundlands, wo Marconi den Antennendraht mit einem Drachen 185 m hoch aufsteigen ließ, sprang im Bruchteil einer Sekunde drahtlos das erste Sendezeichen von der Alten zur Neuen Welt. Auf 300 km höchstens hatten namhafte Physiker die Empfangsweite der Funkwellen berechnet. Marconi hat sie an jenem Tage im praktischen Versuch eines besseren belehrt. Der Funk begann jenes weltumspannende Netz zu spinnen, das heute die ganze Welt überzieht. Marconis Biograph B. L. Jacot hat uns diese erste drahtlose Ozeanüberquerung in einem spannenden Bericht geschildert. „Marconi war sehr besorgt. Daß der Sturm die Übertragung nicht beeinflussen würde, wußte er mit Bestimmtheit. Er hatte es ja oft genug ausprobiert. Was ihm zu denken gab, war die Krümmung der Erdoberfläche. Viele Wissenschaftler, darunter solche mit sehr großem Namen, behaupteten, daß drahtlose Signale auf so große Entfernungen unmöglich wären, da sich die elektrischen Wellen in gerader Linie fortsetzen und daher von der Erdoberfläche entfernten. Sollten sie recht haben? Marconi hatte mit niemandem darüber gesprochen. Jetzt bei den Versuchen konnte und wollte er es auch nicht mehr-, jetzt mußte es sich ja entscheiden — jeder Augenblick mußte ihm die Gewißheit bringen. Marconi hatte telegraphisch nach Poldhu die Weisung gegeben, daß einige Tage nach seiner Ankunft in Neufundland zwischen 12 und 15 Uhr Signale abzusenden seien. Als es Mittag wurde, herrschte schon fieberhafte Aufregung. Seit dem Morgengrauen hatte man gearbeitet. Kakao mit Wlv'sky gemischt war eine freudige Abwechslung und wurde mit zustimmendem Schnüffeln von allen Seiten begrüßt. Aber trotz des nagenden Hungers konnte niemand etwas essen, jeder sah nur nach der Uhr — sie war der Mittelpunkt des Zimmers. 12 Uhr 20 Minuten, — wie lange wird es noch dauern? Werken wir überhaupt ein Zeichen von „drüben" hören können? Schweigend aß Marconi einicie Brotschnitten, dann hängte er sich wieder die Hörer um. Warten! Plötzlich, 12 Uhr 30, hörte er eine Reihe knackender Geräusche im Telephon, Den Buchstaben „S": Poldhu — Europa! 27
Man hatte das einfach zu sendende „S" als Zeichen gewählt im den Sender nicht zu überlasten und die Apparate in Poldhu nicht zu gefährden. Lange horchte Marconi auf die Zeichen, die sich ständig wiederholten, bis er seinem Assistenten Paget den Kopfhörer anbot. Alle hatten erraten, was geschehen war, jeder das Gesicht Marconis beobachtet und die Erregung bemerkt „Hören Sie etwas?" fragte Marconi mit zitternder Stimme den Mann mit dem Kopfhörer. „Natürlich höre ich etwas, und zwar ganz genau", schrie der beinahe in die unheimliche Stille hinein. Ein Krug mit Wasser fiel zu Boden. Der Atlantische Ozean war bezwungen, die elektrischen Wellen hatten einen Weg von 1700 Meilen zurückgelegt. Poldhu rief — und St. John in Neufundland hörte diese Rufe; dennoch bemerkte man zu seinem großen Erstaunen keinen Jubel in Marconis Gesicht. Er hatte es ja gewußt, und sein Glaube hatte sich bestätigt,*
Kunst der b e w e g l i c h e n Lettern Johannes Gutenberg, geb. um 1400 in Mainz, gest. 1467 od. 68 in Mainz. Bild: Druckerzeichen von Peter Schöffer (1425—1502).
Kein Staatsmann, kein Philosoph oder Pädagoge hat mehr für die Bildung des Menschen und für den Fortschritt der Wissenschaft getan als jener Handwerker Johannes Henne aus der Mainzer Patrizierfamilie Gensfleisch, der sich auch zum G u t e n b e r g nannte: Indem er die hölzernen oder metallenen Platten, mit denen man schon vor seiner Zeit zu drucken verstand, in bewegliche Buchstaben (Lettern) zerteilte, die man immer wieder zu neuen Schriftbildern zusammensetzen konnte, schuf Gutenberg ein Setz- und Druckverfahren, das in der Folge die Herstellung billiger Schriften und Bücher und ihre weiteste Verbreitung möglich machte. Eine der ersten Mitteilungen von der neuen Kunst der Buchherstellung ist uns von Gutenbergs einstigem Mitarbeiter und erstem Korrektor Peter S c h ö f f e r überliefert: „Um jene Zeit wurde die bewundernswerte, bisher unerhörte Kunst, Bücher durch einzelne Buchstaben zu drucken, von dem Mainzer Bürger Johannes Gutenberg erfunden und ausgedacht. Nachdem dieser fast sein ganzes Vermögen darauf verwendet
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und dennoch bald an diesem bald an jenem Mangel litt, so daß er die Sache schon liegen lassen wollte, hat er durch den guten Rat und Vorschuß eines anderen Mainzer Bürgers Johann Fust sie endlich glücklich zustande gebracht. Dieselben haben eine Zeitlang die Kunst geheim gehalten, bis sie durch die ihnen nötigen Diener erst nach Straßburg gebracht und dann zu allen Völkern. — Es wohnten aber hier die ersten Erfinder zu Mainz in einem Hause, hernach das „Druckhaus" genannt."
Bilder aus Licht und S c h a t t e n Louis Daguerre, geb. am 18. Nov. 1789 in Cormeilles gest. am 12. Juli 1851 in Bry sür-Marne. Bild: Erst» Photokamera Daguerres
Am 19. August 1839 traten die erlauchten Väter der französischen Akademie der Wissenschaften und Künste zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen, um einen Vortrag des Physikers Francois Arago anzuhören. Arago sprach im Namen des Theatermalers Louis Jacques Mande D a g u e r r e , der gemeinsam mit Niceplore N i e p c e ein neues Abbildverfahren entwickelt hatte. In einem geschlossenen Kasten wurde eine versilberte Kupferplatte Joddamplen ausgesetzt. Es bildete sich eine lichtempfindliche Jodsuberschicht, die in der „Lichtfalle", der Camera ouscura (Laterna magica), belichtet und dann wieder in einem verdunkelten Kasten mit Queotsilberdampfen entwickelt wurde. Mit Natriumthiosulfat wurde dann die Kupferplatte lichtbestähdig gemacht. „Als man die Platte aus dem Kasten herausnahm", so berichtet einer, der die Erstehung der ersten Daguerreotypien miterlebte, „mußte man beim Anblick derselben mit Bewunderung erfüllt werden, wie schön, wie genau das Bild darauflag. Zwar bestanden die Bilder nur aus Licht und Schatten, ohne die Farben, welche die Gegenstände in der Natur selbst hatten; aber Licht und Schatten waren ganz mit derselben Genauigkeit wie in der Natur gegeben. Am gelungensten fand man Straßen, Gebäude, Felsengruppen und dergl. Wiesen, grüne Felder, Wälder und überhaupt alles grüne Licht äußerte eine geringere Wirkung. Sehr wünschte man freilich, daß sich auf den Bildern auch die Farben mit darstellten
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Vorzüglich viel wird das Daguerreotypieren zum Porträtieren angewendet: auf keine andere Weise kann das Gesicht des Menschen so ähnlich gemacht werden; es ist gleichsam der verkleinerte Abdruck des Gesichts selbst. Doch gehört dazu ein vollkommenes Stillsitzen der zu porträtierenden Person vor der Camera obscura, die Vermeidung aller Kopfbewegung, aller Zukkungen des Gesichts, der Augen, des Mundes usw." Das Daguerreotypieren von damals ist das Photographieren von heute. Aus ihm erwuchs in der Weiterentwicklung die Wunderwelt des Films und des Fernsehens. Nennt man Daguerre und Niepce als Väter der Photographie, so muß man sich auch Giambattista della P o r t a s erinnern, der um 1518 die Camera obscura durch eine vorgesetzte Linse verbesserte, und Robert H o k e s , der 1679 das verschiebbare,einstellbare Linsenrohr für die L-amera erfand, und vor allem des Arztes jonann Heinrich S c h u l z e , der die Lichtempfindlichkeit der Siibersalze entdeckte.
Revolutio»n im A c k e r b o d e n Justus v. Liebig, geb. am 12. Mai 1803 in Darmstadt, gest. am 18. April 1873 in München.
Der Boden des Ackers, den er mit dem Pflug bestellte, war für den Landwirt Jahrtausende lang nichts anderes als der Standort für die Pflanzen. Von der Einwirkung des Bodens auf das Wachstum wußte der Bauer nur wenig; er brachte zwar Sialldünger auf seinen Acker, aber der genügte auf die Dauer nicht für die Auffrischung des Bodens, und so verarmte die Ackererde, und die Erträgnisse lohnten oft nicht mehr die Arbeit. Im Jahre 1840, in einer Zeit großer Hungersnöte und Mißernten, erschien die „Agrikulturchemie" des Gießener Professors Justus Freinerr von L i e ö i g , ein Buch, das eine Revolution in der Landwirtschaft einleitete und die Sensation eines Jahrzehnts wurde. Liebig bewies dann, üaß der Ackerboden die Sujffvorräte für die große chemische Werkstatt in der Pflanze enthält. „Will man die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten, so müssen alle mit der Ernte weggenommenen Bestandteile voll ersetzt werden, JU
will man sie erhöhen, so muß der Gehalt an erdigen, mineralischen Nährstoffen erhöht werden." Der Theorie ließ Liebig die Tat folgen. Die englische Firma Muspratt in Liverpool stellte nach Liebigs Angaben den ersten Kunstdünger her. Am 28. März 1845 schreibt Liebig an seinen Freund Wöhlter: „Ich reise morgen nach England und hoffe in 14 Tagen oder 3 Wochen wieder zurück zu sein. Ich habe einige Verbindungen entdeckt, welche, als Dünger angewendet, treffliche Dienste leisten werden; ein ungeheures Experiment soll gemacht werden!" Der erste Versuch bringt manche Enttäuschung. Liebig hatte geglaubt, er müsse den Kunstdünger gegen die Einwirkung des Regens sichern, damit er nicht davongeschwemmt werde. Aber die Pflanze hatte den so zubereiteten Dünger nicht verwerten können. Nach jahrelangen Experimenten entdeckte er den Fehler, der ihm hier unterlaufen war. „Endlich, nachdem ich alle Tatsachen einer neuen und aufmerksamen Prüfung Schritt für Schritt unterzogen, entdeckte ich Ende der 50er Jahre den Grund. Durch den einfachsten Versuch kann sich jeder überzeugen, daß beim Durchfiltrieren von Regenwasser durch Ackererde oder Gartenerde dieses Wasser in der Mehrzahl der Fälle keine nennenswerten Spuren von Kali, von Kieselsaure, von Ammoniak, von Phosphor . . . auflöst, daß die Erde von den Pflanzennährstoffen, die sie enthält, wenig oder gar nichts an das Wasser abgibt." — Liebig schuf auf Grund dieser Entdeckung ein besseres Düngemittel. Die atemraubende Entwicklung der Kunstdüngerindustrie begann. Sie gab den Äckern der Erde genügend Nahrung, um den Hunger der ungeheuer anwachsenden Menschheit zu stillen.
Diesen Lesebogen schrieb Antonius Lux Umschlagzeichnung: Karlheinz Dobsky
L u x - L e s e b o g e n Nr. 68 / H e f t p r e i s 20 P f e n n i g Natur- und kulturkundliche Hefte. Verlag Sebastian Lux, Murnau-München Bestellungen (vierteljährlich 6 Hefte zu DM 1,20) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt. Drude; Buchdruckerei Hans Holzmann. Bad Wörisho^en . Ji