Forschung zur Bibel Band 28
herausgegeben von Rudolf Schnackenburg Josef Schreiner in den Verlagen Echter und Katholisches Bibelwerk
Rudolf Hoppe
Der theologische Hintergrund des Jakobusbriefes
Echter Verlag
@
1977
Echter Verlag
Gesamtherstellung: Echter Verlag Fränkische Gesellschaftsdruckerei Würzburg Umschlag: Christoph Albrecht ISBN
3 429 00517 5
Meinen
Eltern
VORWORT
Die vorliegende Arbeit wurde im WS 1975/76 von der theologischen Fakultät der Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie leicht überarbeitet und durch einige mir wichtig scheinende Gesichtspunkte ergänzt. Vor allem wurde die 3. ergänzte Auflage des Kommentars zum Jakobusbrief von F. Mußner (HthK XIII, 1) Freiburg 1975 eingearbeitet. An dieser Stelle danke ich in besonderer Weise meinem hochgeschätzten Lehrer, Herrn Prof. Dr. A . Vögtle, der die Untersuchung nach Kräften gefördert und mit seinem Rat begleitet hat. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. A . Deissler, für die Anfertigung des Korreferates und einige alttestamentliche Hinweise, die ich in die vorliegende Fassung noch einarbeiten konnte. Auch dem Gespräch mit Herrn Dr. F. J. Helfmeyer, Köln, verdanke ich wertvolle alttestamentliche Ge sichtspunkte. Besonders möchte ich an dieser Stelle auch Herrn Prof. Dr. W. Grundmann, Eisenach, danken; mit ihm konnte ich einen der Sache äußerst dienlichen brief lichen Gedankenaustausch führen. Dem Erzbistum Köln danke ich für die Ge währung eines Zuschusses für die Druckkosten; erwähnen möchte ich hier beson ders Herrn Weihbischof Dr. Hubert Luthe, der sich sehr um die Veröffentlichung der Arbeit bemüht hat. Herr Prof. Dr. Rudolf Schnackenburg und Herr Prof. Dr. Josef Schreiner haben die Untersuchung freundlicherweise in die Reihe der fzb aufgenommen. Ihnen bin ich zu besonderem Dank verpflichtet. Schließlich sei meinen Eltern herzlich gedankt für die unermüdliche Hilfe, mit der sie die Zeit meines Studiums begleitet haben.
Köln, im September 1976
Rudolf Hoppe
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort Inhalt Einleitung:
S
A
t
1
Die Weisheit im Jakobusbrief
18
Vollkommenheit und Weisheit als ethisches Ziel
18
I.
Analyse
18
II.
Der theologische Leitgedanke der Spruchreihe 1. Jak l,2f. - Ein traditionelles Motiv 2. Literarischer Vergleich von Jak l,2f mit Rom 5,3-5 und IPetr l,6f. a) Die Anfechtungen (Jak 1,2 / IPetr 1,6: iieipaonoi irouciXot; Rom 5,3: 0Xii/>ets ) b) Die Erprobung des Glaubens (Jak 1,3; IPetr 1,7; Rom 5,4)
18 18
c)
3.
b) 4.
Die
VITOHOPTI
(Jak
1,3;
Rom
20 20 23
5,3)
24
Die Vollkommenheitsforderung (Jak 1,4) a)
26
reXeioc in der biblischen und außerbiblischen jüdischen Tradition reXeitK in der stoischen Ethik
27 29
Die Bindung der Vollkommenheit an die Weisheit (Jak 1,5) a)
b)
B
i
Der literarische Charakter des Jakobusbriefes und seine Form
1. Teil:
e
32
Die Entfaltung der frühjüdischen Weisheit in ihren Hauptvertretern
33
a) ß)
33 37
Jesus Sirach Sapientia Salomonis
Die Aufnahme der Weisheitstradition in Jak
l,5ff
39
5.
Eine eschatologische Verheißung (Jak 1,12)
40
6.
Ergebnis
43
Das Wesen der Weisheit (Jak 3,13-18)
44
I.
44
IL
Analyse 1.
Der Aufbau von Jak 3,13-18
44
2.
Jak 3,13-18 und der Kontext
44
Der theologische Leitgedanke von Jak 3,13-18 1.
45
Die mit der Fragestellung 3,13 gegebenen Voraussetzungen
45
a)
45
ao0(k Kai eiuoTrmwv
b)
iriOTH;
c)
npavTris
und
oo
d)
KCLXT) avaoTpo$r\
oo<j)ia<;
46 47 49
e
2.
Das Wesen der „Weisheit von oben" und die Glaubenspraxis der „Gegner" a) b)
2. Teil: A
50 50 59
3.
Der aus der Weisheit „von oben" Lebende ist gerecht
67
4.
Ergebnis
70
Der Glaube im Jakobusbrief
72
Der Glaube an Jesus Christus und das Gesetz (Jak 2,1 — 13)
72
I. IL
Analyse Aussage und Hintergrund von Jak 2,1-13
72 72
1. 2.
Glaube an den „Herrn der Herrlichkeit" (Jak 2,1) Das Erwählungshandeln Gottes und die Verheißung
72
der ßaoiXeia
78
3.
4.
B
Wesen und Inhalt der geforderten Weisheit (V.17) Die Weisheit „von oben" und die Lebenspraxis der Gemeinde
(2,5-7)
a)
„ A r m " in den Augen der Welt — „Reich" im Glauben
b)
Die Verheißung der ßaoiXeia
82
c)
Die Unterdrückung der Christen
84
Gesetz und Gericht ( V v . 8 - 1 3 ) a)
vonoq
ßaoiXucöq
b) c) d)
Der Vollzug des Glaubens im Gesetz Das Gesetz als Gesetz der Freiheit Das Gesetz als Weg zu Vollkommenheit und Weisheit
78
86 87
90 93 97
Ergebnis
98
a) b) c)
98 99 99
Jesus Christus als Weisheit Gottes Das als Liebesgebot neu ausgelegte Gesetz Die Auslegung des Gesetzes durch die Weisheit
Rechtfertigung durch vollkommenen Glauben (Jak 2,14—26)
100
I.
Analyse
100
II.
Die Diskussion um den rettenden Glauben
100
1. 2.
100 101 101 105 106
Die Der a) b) c)
Nutzlosigkeit des Glaubens ohne Werke Glaube des fiktiven Gegners ( 2 , 1 8 - 2 0 ) Glaube ohne Werke — Werke ohne Glauben Glaube als monotheistisches Bekenntnis Endgültige Widerlegung
Seite 3.
Das Miteinander von Glaube und Werk
107
a) b) c)
108 112
Rechtfertigung im Frühjudentum Die Rechtfertigung des Abraham im Jak Der durch Werke zur Vollkommenheit gelangte Glaube Abraham, der „Freund Gottes"
d) 4.
3. Teil: A
B
Ergebnis
114 116 118
Jakobusbrief und Jesusüberlieferung
Gemeinsamkeiten zwischen Jakobusbrief und synoptischer Jesusüberlieferung
119
119
Zur Theologie
123
I.
123
IL
III.
IV.
Vollkommenheit durch Erfüllung des Gesetzes 1.
Mt 5,18 / Lk 16,17
124
2.
Das Logion V.19
125
3.
Der a) b) c)
126 128 129 129
Erfüllungsspruch V.17 Mt 5,19 und Jak 2,10 Die Neuauslegung des Gesetzes als Liebesgebot Das Gesetz als Weg zur Vollkommenheit
Vollkommenheit durch Leiden und Bedrängnis
130
1. 2. 3.
131 135 13 8
Die Seligpreisungen Das Gebot der Feindesliebe Konsequenzen
Weisheit „von oben" (Mt 11,25-27 / Lk 10,21f.) 1.
Das
äiroKaXvnTeiv
2.
Die vr\itioi
als Offenbarungsempfänger
3.
Das
Mt
4.
Ergebnis
ravra
Ergebnisse
139 140
11,25
/
Lk
10,21
141 143
144 146
Abkürzungen
149
Literatur
150
EINLEITUNG:
DIE LITERARISCHE G A T T U N G DES JAKOBUSBRIEFES UND SEINE FORM
In der vorliegenden Untersuchung soll nach einer möglichen leitenden theologischen Konzeption des Jakobusbriefes (Jak) gefragt werden. Damit greifen wir erneut ein Problem auf, das von Martin Dibelius aufgrund seiner prinzipiell kaum anfechtbaren Analyse des literarischen Charakters unseres Briefes negativ beantwortet wurde, indem er die Schrift der Gattung der Paränese zuordnete. Seine vor allem auf jene literari sche Gattung gegründete Hypothese, dem Jak fehle überhaupt jede Theologie , ist bis heute mehr oder weniger aufgenommen worden. Daran ändert auch F. Mußners im Hinblick auf die kontroverstheologische Diskussion geltend gemachter Hinweis auf die Tatsache, daß auch der Jak „Christum lehre" , nur wenig. Denn zumin dest müßte näher aufgezeigt werden, was der Autor unter „Christus" versteht. Der Rückgriff auf die Ethik Jesu — zumal des historischen Jesus — kann das Problem dann nicht entscheidend vorantreiben, wenn nicht der religionsgeschichtlich-theologi sche Hintergrund deutlich wird, der als sachlicher Ausgangspunkt für die einzelnen Mahnungen zu beanspruchen ist und von dem aus der Indikativ für die Imperative erkennbar und verständlich wird. Schließlich besteht auch die Predigt Jesu zu einem großen Teil aus Paränese . 1
2
3
4
5
Wir wollen uns in diesem einleitenden Kapitel daher zunächst einen Überblick über die einzelnen paränetischen Einheiten, die sich durch stilistische, formale und sachli che Beobachtungen näher eingrenzen lassen , verschaffen und sie literarisch und formgeschichtlich analysieren. Wichtige Kriterien für eine solche Ermittlung sind nach Kürzdörfer die Anrede aöeXQoi fiov, Stichworteinheiten sowie in einzelnen Mahnreden zusammengehörige Themen und Sachgebiete , etwa die Thematik ireipaoßoi 1,2-12. 13—18. Sicher ist auch am Übergang von Spruchparänese zu einer diatribenartigen Abhandlung oder von Spruchparänese zu einer dem Verf. zuzuschreibenden eigen ständig durchdachten und durchgeführten Mahnung eine jeweils neue paränetische Einheit festzustellen. Von hier aus können wir dann die Frage nach den von unse rem Autor aufgenommenen Traditionen stellen und möglicherweise einen theologi schen Gesichtspunkt entdecken, unter dem die einzelnen Überlieferungen zusammen gestellt oder sachlich modifiziert und weitergebildet sind; wir können aber auch zei gen, in welchem Maße die einzelnen Abschnitte überhaupt traditionell geprägt sind und inwieweit der Autor selbst zu uns spricht. 6
7
8
9
1
2
3
4
5
6
7
8
9
M . Dibelius, D e r Brief des Jakobus ( K E K X V ) ; Göttingen, 11. A u f l . 1964 (ergänzt u n d heraus gegeben v o n H . G r e e v e n ) . Jak 36. F. M u ß n e r , D e r Jakobusbrief ( H T h K X I I I . l ) ; Freiburg - Basel - Wien 3. A u f l . 1975. V g l . Jak, 52 f. V g l . M . Dibelius, D i e Formgeschichte des Evangeliums; Tübingen, 6. A u f l . 1971, 247. Einige wesentliche Prinzipien zur Analyse der Paränesen, die sich auch an frühjüdischen paräneti schen Schriften b e o b a c h t e n lassen, hat Klaus Kürzdörfer, D e r Charakter des Jakobusbriefes, Tü bingen 1966, vorgetragen. Freilich k o m m t er mitunter zu merkwürdigen Folgerungen. V g l . Kürzdörfer, Charakter 88. Diese Kriterien k a n n man im Prinzip durchaus teilen; vgl. auch Dibelius, Jak 1 3 - 2 3 . V g l . etwa l , 2 6 f . / 2 , l f f . V g l . e t w a 3,1 lf./3,13ff. W i r w e r d e n in der Auslegung der Briefabschnitte immer wieder auf die se Prinzipien zurückkommen.
1
1. Jak
1,2—18:
ireipao^oi
Jak 1,2-18 wird grundsätzlich durch das Motiv der Versuchung geleitet. Allerdings ist 1,13—18 unter neipaonoi etwas anderes verstanden als l,2ff, so daß man nicht unbedingt von einer sachlichen Einheit sprechen kann: l , 2 f . l 2 sind die ireipaoptoi Anfechtungen und Leiden, denen die Christen im Alltag ausgesetzt sind, die auf sie unerwartet in ihren Lebenssituationen zukommen, während 1,13ff unter dem gleichen Begriff jene aus dem bösen Herzen des Menschen kommenden Begierden verstanden werden, die zur Sünde führen und in unserer Schrift noch einmal 4,1 ff aufgegriffen werden. Die Mahnrede des Briefes beginnt mit der für den Verf. typischen Anrede äöeXcpoi ßov und dem die Paränese inhaltlich bestimmenden Imperativ xap&v riyqaaode, der V.3 (yivuoKovTec; o r t ) begründet wird, sowie dem theologischen Ziel, der Vollkom menheit durch Bewährung im Glauben. Vv.2f. geben im wesentlichen eine fest formu lierte paränetische Tradition wieder, wie ein literarischer Vergleich zu Rom 5,3—5; IPetr l,6f., vgl. IPetr 4,12f.; Mt 5,10-12 par zeigt , zu der aber auch noch der Makarismus V.12 gehören dürfte . Mit der Auslegung der Überlieferung auf die Voll kommenheit hin stellt der Verf. den Übergang zu der mit ei 8e riq eingeführten paräne tischen Erweiterung V v . 5 - 8 her, die ihrerseits traditionelle Züge aufweist . Sol che präzisierende und aktualisierende Erweiterungen sind nicht selten in der paränetischen Literatur und können mitunter fast zum eigentlichen Gegenstand der Paränese werden, vgl. nur Text X I I Sim 3,5; Lev 8,6; Dan 4,3; Napht 8,4; Gad 4,3; 6,3; 7,4; Jos 18,2; Benj 4,4 und für unseren Brief geradezu charakteristisch 1,5; 1,23; 1,26; 2,8; 3,2; 4,11b; vgl. auch IPetr 4,11; Gal 6,3. Thema unserer paränetischen Erweite rung ist die ohne Zaudern zu erbittende Weisheit, die der Verf. mit der Vollkom menheit eng zusammensieht. Insofern verdient die Einheit höchste Beachtung. 1
2
3
Mit V.9—11 folgt eine Spruchgruppe, die den Zusammenhang sprengt und durchaus aus sich heraus zu verstehen ist. Man kann die Mahnung nicht als Erweiterung oder Ergänzung des vorherigen Abschnittes ansehen, sondern muß sie nach Form und In halt als isolierte Spruchgruppe betrachten . Mit der Folgerung ovrcjq Kai... findet sie auch ihren abgerundeten Abschluß. 4
1
2
3
4
2
V g l . dazu die Auslegung l,2ff. Dibelius, Jak 104f. hat zutreffend nachgewiesen, daß zwischen Jak l,2f. einerseits u n d Rom 5,3—5 b z w . IPetr 1,6f. andererseits kein literarisches Abhängigkeitsver hältnis besteht, sondern hier eine gemeinsame paränetische Tradition vorliegt. Das legen die in der paränetischen Tradition vorfindlichen G r u n d m o t i v e nahe, die sich für M t 5,1 lf./ L k 6,22f.; IPetr 4,13f.; I P e t r l,6f.; Rom 5 , 3 - 5 nachweisen lassen; vgl. W . N a u c k , Freude im Leiden; in: Z N W 4 6 ( 1 9 5 5 ) 6 8 - 8 0 . Das U r t e ü von Dibelius, Jak 97 zu 1,5: „ D i e W o r t e haben überhaupt zu dem Inhalt von 1 , 2 - 4 keine Beziehung, sondern behandeln einen völlig anders gearteten F a l l " ist nicht n u r aufgrund sachlich in haltlicher u n d religionsgeschichtlicher Anhaltspunkte unvertretbar (vgl. dazu die Exegese), sondern wird auch nicht der Struktur der Paränesen des Jak u n d der paränetischen Tradition gerecht. Das schließt die Möglichkeit einer ursprünglich selbständigen Einheit nicht aus, die dann v o m Verf. mit A b s i c h t mit 1,2—4 verbunden w o r d e n wäre u n d einen theologischen Z u s a m m e n h a n g bildet. Die Versuche, V e r b i n d u n g e n zu d e m voraufgegangenen K o n t e x t herzustellen, können nicht überzeugen. F . Spitta, D e r Brief des Jakobus ( Z u r Geschichte u n d Literatur des Urchristentums I I ) , Göttingen 1896, 25 etwa versucht eine Gedankenverbindung zwischen 1,8 u n d 1,9 aus Jes 54,11 plausibel zu machen, w e ü dort in L X X singulär Tamewös und ÖKaTdoTaroq zusam menstehe; Mußner, Jak 72f. will in dem Kauxdodcj V . 9 eine A u f n a h m e der A u f f o r d e r u n g zur Freude V . 2 entdecken, die jetzt an den armen Bruder ergehe. Solche V e r m u t u n g e n sind aber k a u m als v o m Verf. des Briefes hergestellte V e r b i n d u n g e n wahrscheinlich zu machen; vgl. Dibelius, Jak 98.
V.12 ist in seiner Funktion umstritten: Der Makarismus wird sowohl mit der Tradi tion 1,2 zusammengesehen und als inhaltliche Aufnahme der Mahnung l,2ff. verstan den wie auch als selbständiger Spruch oder gar als Beginn der neuen Spruchreihe Vv. 13 ff . Mag man in dem Makarismus auch „einen passenden Gegensatz zum un mittelbar vorhergehenden napavdrjoeTa"* sehen können, beabsichtigt ist eine solche Verbindung zwischen V . l l und V.12 von unserem Autor wohl kaum. Starke Gründe sprechen jedoch dafür, daß der Makarismus den eschatologischen Abschluß der ersten größeren Mahnung im Brief bildet. Zunächst ist der sachliche und terminologische Bezug zu V.2 durch vnoßevei ireipaopöv hergestellt: der wird seliggepriesen, der die Anfechtungen des Alltags besteht, jene Anfechtungen, die V.3 als Erprobung des Glau bens verstanden werden, wie SÖKißoq unverkennbar zum Ausdruck bringt . Die mit der Verheißung verbundene Formel rote äyair&ow CLVTÖV, die schon im A T ( L X X ) und dann besonders in den frühjüdischen Schriften begegnet , stellt die Funktion von V.12 als Abschluß der Spruchreihe deutlich heraus, vgl. diesen Sinn der Formel auch Sir 1,10 (als Abschluß des Weisheitsliedes); Test X I I Sim 3,6; Ps Sal 4,25; 6,6; 10,3; vgl. auch IKor 2,9. Ursprünglich könnte der Heilsruf zu der in l,2f. erkennbaren Tradition gehört haben ; und sinnvoll läßt sich der zweifellos eschatologische Maka rismus nur verstehen, wenn er sich auf die Paränese l,2ff. bezieht, da die Versu chungen, von denen 1,13ff gesprochen wird, nicht die täglichen Anfechtungen sind, denen der Christ immer wieder begegnet, sondern jene Leidenschaften, die aus dem Innern des bösen Herzens kommen, vgl. 4,1 ff. 1
2
3
5
6
7
8
Nach dieser Analyse umfaßt die erste Mahnung unserer Schrift die Verse 1,2—12, wobei 1,9—11 eine für sich zu betrachtende Einheit darstellen, die den Zusammen hang unterbrechen: die aufgenommene Tradition l,2f. ist vom Verf. durch eine aus traditionellen Motiven bestehende paränetische Erweiterung ergänzt und ausgelegt (1,4.5—8) und schließt mit einem Makarismus, der die Spruchreihe eschatologisch ausrichtet. Mit Hilfe eines Stichwortanschlusses (neipaonöq — Treipat;6ßevoq V.13) fügt der Autor der mit dem Makarismus abgeschlossenen Mahnung eine Spruchkombination an, die die Herkunft von Versuchungen zum Bösen erklären soll. V.13 nimmt einen Gedanken aus der frühjüdisch-weisheitlichen Paränese auf, vgl. Sir 15,11 — 13; lHen 98,4, die Versuchungen zur Sünde. Gott ist nicht der Urheber der Sünde, und indi-
1
2
3
4
5
6
7
8
V g l . W . G r u n d m a n n , D a s Evangelium nach Matthäus ( T h H K 1), Berlin 2. A u f l . 1971, 134; vgl. auch W . Schräge, Die Katholischen Briefe ( N T D 10) Göttingen 1973, 14, der die inhaltliche N ä h e sieht, w e n n er auch V . 1 2 zu 1,13ff. zieht. Dibelius, Jak 118; Windisch, D i e Katholischen Briefe ( H N T 1 5 ) , 3. A u f l . ( b e a r b . von H . Preisker) Tübingen 1951, von denen die sachliche N ä h e zu l,2f. ebenfalls nicht übersehen w i r d . F. H a u c k , D e r Brief des Jakobus ( K N T X V I ) ; Leipzig 1926, 56 meint in 1,12 das Kopfstück einer zweiten Spruchreihe, die als Gegenstrophe zu der ersten Strophe 1 , 2 - 1 1 aufgebaut sei, be obachten zu k ö n n e n : „ S o l c h e Responsionen würden vorliegen in vnoßevei — viroßoprj V . 3 . 4 , TT€ipaoßöv-TT€tpaoiioiq V . 2 , 5 Ö K I / X O C - hotiißiov V . 3 , /za/cd/noc av - itäoav xapdi> rjy. V . 2 " . Diese Entsprechungen lassen sich aber d o c h w o h l eher darauf zurückführen, daß 1,12 ursprünglich zu der in l,2f. zugrundeliegenden Tradition gehört. Kürzdörfer, Charakter 93 führt an, daß Makarismen „öfters neue Abschnitte einleiten"; vgl. dagegen aber in unserem Brief den Makarismus 1,25. M u ß n e r , Jak 85. Z u m Sing. vgl. die Exegese z.St. V g l . dazu die Exegese zu Jak 2,5. Z u den einzelnen Bestandteilen der ursprünglichen Tradition vgl. die Exegese zu l,2ff. V g l . Schräge Kath. B r . 1 8 .
3
rekt scheint der an dieser Stelle ausgesprochene Gedanke die Versuchung auch vom Teufel abzusetzen . Die in der Tradition vorfindliche Vorstellung, daß Sünde und Tod nicht Gott zum Urheber haben , scheint der Autor hier schon auf die Versu chungen zur Sünde hin ausgedehnt zu haben, um den theo-logischen Satz über das Wesen Gottes scharf hervortreten zu lassen, V.17f. Der Abweisung der These, daß Gott Ursprung der Versuchung zur Sünde sei, folgt V.15 eine traditionelle Ketten reihe , die die Ursache jener Versuchungen beschreiben soll. Diese von unserem Autor hergestellte Spruchkombination verknüpft er nun redaktionell (V.16) mit V.17f. Damit stellt der Verf. der Ursache der Versuchungen zum Bösen nach der Überlei tungsformel V.16 das Wesen Gottes gegenüber. Mit M nXaväode, d5eX0oi ßov aya-nr\Toi o.a. wird öfter „etwas den Lesern Bekanntes eingeleitet" . V.17a (näoa 1
2
3
4
8öoiq
äyaOrj
Kai iräv
öüpruia
reXeiov)
dürfte, wie vor allem die Rhythmik des 5
Satzes wahrscheinlich macht, ein traditionelles Verszitat sein , und es kann „mit Si cherheit unterstellt werden, daß der Autor ein Zitat bringen wollte und das selbst angezeigt hat" . Das ursprünglich selbständige Sprichwort interpretiert der Verf. V.17bcf. unter Verwendung von technischen Ausdrücken und traditionellen Motiven (V.17bc). V.18 stellt eine Antithese zu V.15b dar, die vom Verf. aus seiner christ lichen Glaubenstradition heraus bewußt gestaltet ist und den Rahmen der traditionell jüdischen Spruchweisheit verläßt, insofern der Vers eindeutig soteriologisch von der Wiedergeburt her verstanden ist . 6
7
2.
Jak 1,19-25(27):
Hören und Tun des Wortes
Nach der durch das Stichwort -neip — zusammengehaltenen Paränese, die ihrerseits aus zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten besteht, folgt nun mit 1,19a eine durch die Anrede a5eX0ot ßov deutlich markierte, aber an V.18 inhaltlich anschließende neue Mahnung (köyos dXi?öetac — e'ßQvToq \6yos V. 18/21), die nach indirekter Anrede und Imperativ V.19a in V.19b in die indirekte Mahnung übergeht, um V.21f. wie8
1
2
3
4
5
6
7
8
4
V g l . dagegen I T h e s s 3,5; I K o r 7,5. V g l . die angeführte Stelle Sir 15,11; auch P h ü o w e n d e t sich gegen die These, daß G o t t Ursache des Bösen sei; vgl. Q u o d det. p o t . insid. soleat 122. V g l . z u r F o r m d e r Kettenreihe Dibelius, Jak 1 2 5 - 1 2 9 ; die Motive sind in der Tradition geläufig und bis in die Terminologie hinein vorgegeben, vgl. etwa die Terminologie b e i P h ü o (Dibelius, Jak 125 A . l ; M u ß n e r , Jak 89 A . 2 ) ; vgl. auch A p k M o s 19: „Begierde ist j a auch der A n f a n g aller Sünde". Schräge, K a t h . B r . 19; vgl. I K o r 6,9b; 15,33 ( m i t nachfolgendem Z i t a t ) ; G a l 6,7. V g l . H . Greeven, Jede G a b e ist gut, Jak 1,17; in: T h Z 1 4 ( 1 9 5 8 ) , 1 - 1 3 . S o mit Recht Greeven, Jede G a b e 7. Gegenüber Greeven ist allerdings wahrscheinlicher, d a ß der Verf. d i e ursprüngliche Sentenz mit der Aussage 'ävudev eonv ... verknüpft hat, so d a ß d e r Hexa meter das Subjekt für avioQev eoTiv ist. Damit k o m m t G o t t allein die v o l l k o m m e n e G a b e zu. D a s betont selbst Dibelius, Jak 138f., der freüich die Einschränkung macht, d a ß dies „kein B e weis für eine 'Theologie' oder die gedankliche Originalität der ganzen Schrift" ( 1 3 9 ) sei. M u ß n e r sieht zu Recht hinter V . 1 8 einen festen Motivzusammenhang, „der sehr wahrscheinlich seinen Sitz im L e b e n in d e r urchristlichen Taufpraxis hat" ( 9 5 ) . Eine Herleitung des Verses aufgrund seiner Terminologie (aireKurjaev) v o n d e r gnostischen Vorstellung einer mann-weiblichen Urgottheit (vgl. C . H . Edsmann, Schöpferwille u n d G e b u r t Jak 1,18; in: Z N W 3 8 ( 1 9 3 9 ) 1 1 - 4 4 ; H . Schammberger, D i e Einheitlichkeit des Jacobusbriefes im antignostischen K a m p f , G o t h a 1936, 5 8 - 6 3 ) ist nicht n o t w e n d i g . Y o r e dürfte Imperativ sein ( i m N T nur n o c h E p h 5,5 I m p . ; H e b r 12,17 I m p . ) , w e ü es a m A n fang der M a h n u n g steht; für d e n I n d . setzt der A u t o r öihare, vgl. Jak 4,4.
der auf den Imperativ zurückzukommen, lore scheint sich sowohl mit eoroj als auch mit dem adversativen 5e V.19b zu stoßen und hat auch schon die Überlieferung zu Textkorrekturen veranlaßt , doch ist eorco 5e gut bezeugt. Diese Spannung führt zu der Frage, ob V.19b möglicherweise vom Autor vorgefunden wurde und demnach aus einem älteren Zusammenhang stammt. Der dreigliedrige Spruch V.19b macht auch einen geschlossenen Eindruck und ist formgeschichtlich als Weisheitsspruch oder Lebensregel zu bezeichnen; solche dreigliedrigen Sprüche finden sich häufig in der jüdischen Literatur ; allerdings erscheint es fraglich, ob V.20 schon zu dem vorgegebenen Zusammenhang gehörte; eher dürfte vom Autor selbst die Formel SiKaioovvn deov in den Zusammenhang mit dem Spruch gebracht worden sein , vgl. auch Jak 3,17f. Durch 5i6 wird der Abschnitt V . 2 1 - 2 5 mit V.19L verbunden. V.21 entstammt der urchristlichen Taufparänese, vgl. Rom 13,12; Eph 4,22; Kol 3,8; IPetr 2,1. Das in der Taufe erfahrene Heil wird für den Menschen freilich nur wirksam, wenn er es in der Tat verwirklicht, d.h. der Verf. legt die aus der Taufparänese aufgenommene Mahnung auf die Verpflichtung zum Tun hin aus. V.23f. wird solches Verständnis des Verf. auf das Tun hin durch eine aus einem Bildvergleich bestehende paränetische Erweiterung (ei T i c ) vertieft. V.25 stellt eine unter Verwendung der wohl traditionellen Formel pönoq reXeioq b TTJS eXevdrip'iaq gestaltete Antithese zu V.23 dar, die V . 25 durch einen eschatologisch zu verstehenden Makarismus abgeschlossen wird. Der sachlich an V.19 anknüpfende Spruch l,26f. ist als eine exemplifizierende Erweiterung des Gedankens 1,19ff anzusehen (et ri<:). 1
2
3
Damit läßt sich aus den vorgenommenen Analysen festhalten: Das erste Kapitel unseres Briefes ist in der Form der traditionellen Spruchweisheit gehalten; solche traditionellen Sprüche und Ermahnungen sind einerseits durch gemeinsame Stichworte zusammengestellt und andererseits durch paränetische Erweiterungen, welche ihrerseits teils aus der gezielten Zusammenordnung der überlieferten Motive bestehen, teils aber auch ganz auf den Autor zurückgehen, vgl. 1,18, interpretiert. Dies führt zu der Frage, ob es nicht möglich ist, auch hinter diesem literarischen einen theologischen Leitgedanken zu entdecken und damit unseren Autor nicht nur als Sammler und Tradenten, sondern vielmehr auch als Theologen zu sehen. 3.
Jak 2,1—13: Der Glaube an Jesus Christus und das Gesetz
Mit der bekannten Anrede a6eX0ot pov beginnt eine neue Mahnung, die unter Aufnahme der Christusprädikation nvpioq TT£ 5Ö£T?C auf den Verf. der Schrift selbst zurückgeht . In Diatribenstil erweitert der Autor durch ein von ihm selbst gestaltetes Beispiel die Mahnung (eäv yäp), um mit V.4 in einer rhetorischen Frage die Folgerung zu ziehen . Auch die rhetorische Frage und das Wortspiel 2,4 stehen dem Stil der Diatribe 4
5
1
2
3
4
5
A . 3 3 . 8 1 lesen Kai 'ecTOi.Windisch, Kath. Br. behebt die Schwierigkeit mit der V e r m u t u n g , daß zwischen V . 1 9 a u n d V . 1 9 b ein Zusatz ausgefallen sei, w a s sich aber k a u m verifizieren läßt. V g l . das umfangreiche Material b e i Dibelius, Jak 142f. Die in den Weisheitsschriften beliebte Mahnung z u m Hören b z w . W a r n u n g vor vorschnellem Reden und Z o r n finden sich - auch sachlich - nicht in der V e r b i n d u n g mit der ducaioawq. D a ß mit öpyq nicht das Zürnen allgemein, sondern der Z o r n „ b e i m Lehren und H ö r e n des Wortes G o t t e s " gemeint sei ( H a u c k , Jak 7 4 ) , ist durch T e x t und Zusammenhang nicht nahegelegt. V g l . dazu ausführlich die Exegese zu 2,1. D e r Vers hat für die Theologie des Briefes besondere Bedeutung. V g l . die für die V e r b i n d u n g von Parallelismus und Antithese angeführten Beispiele bei R.Bultmann, D e r Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe ( F R L A N T 13), G ö t tingen 1910, 22f. Charakteristisch für den Stü der Diatribe ist ferner - und das liegt auch in unserem Beispiel Jak 2,2f. vor - , daß „unverträgliche, entgegengesetzte Handlungen oder Gesinnungen, die e i n e m Subjekt anhaften, einander angereiht w e r d e n " ( B u l t m a n n , Stü 25 mit Hinweis auf Epikt I V . 1. 147 f . ) .
5
1
nahe . Nach der erneuten, einen weiteren Gesichtspunkt für die Argumentation des Verf. andeutenden Anrede d5eX0oi pov folgen in weiteren Fragen V.5 der Hinweis auf Gottes Erbarmen und seine eschatologische Verheißung sowie Vv.6f. der Hinweis auf die Situation der Christen in der Welt, näherhin auf das Verhalten der Reichen gegenüber den Christen . Ein zweiter Gesichtspunkt ( V v 8 f f ) verlagert den Gedanken auf die Mahnung zum Tun des Gesetzes, das aber ausdrücklich von dem nvpioq rifc 56£i?e. ( V . l ) her verstanden wird. Dieser neue, die Mahnung erweiternde Gesichtspunkt wird durch die Aufnahme einer jüdischen Regel untermauert ( V v . l O f . ) . V.12 folgt eine unter Hinweis auf das von Gott gegebene und verpflichtende Gesetz abschließende Aufforderung zum Tun, die durch einen an sich isolierten, aber vom Autor mit der Abhandlung in inhaltlichen Zusammenhang gebrachten Spruch eschatologisch abgeschlossen w i r d . 2
3
Wir sehen: Jak 2,1-13 ist eine diatribenartige paränetische Abhandlung, die einen durchaus systematischen Eindruck macht und in Komposition und Aufbau auf den Verf. selbst zurückgeht . 4
4.
Jak 2,14—26: Rechtfertigung
durch vollkommenen
Glauben 5
Mit der bekannten Anrede d5eX0oi pov setzt unser neuer Abschnitt ein . Schon die Einleitung der das Thema der ganzen Abhandlung bestimmenden Frage (rt rö 60eXoc) deutet an, daß der Verf. hier in einer im Diatribenstil gehaltenen Auseinandersetzung spricht . V v . l 5 f f folgt ähnlich wie 2,2f. eine mit einem Beispiel vorgenommene Erweiterung; V . l 7 zieht dann die Folgerung aus der bisherigen Darlegung und schließt den Gedanken zunächst ab. 6
Vv.18—20 folgt ein Zwischenstück, in dem der Verf. — Form und Stil der Diatribe folgend — Redner und fingierten Gegner über das Verhältnis von Glaube und Werk diskutieren läßt mit dem Ergebnis, daß Glaube ohne Werk nutzlos ist. Die Notwendigkeit des im Zusammenwirken von Glaube und Werk vollkommenen Glaubens wird Vv.21ff unterstrichen mit einem Hinweis auf die Gestalt Abrahams, des Vorbildes des Christen. Ein entsprechender auch von Paulus verwendeter Schriftbeweis, der aus dem LXX-Zitat Gen 15,6 besteht, soll die These des Verf. stützen. Diese Art der Argumentation im Blick auf exemplarische Vorbilder in der Geschichte ist der frühjüdischen Weisheitsliteratur geläufig . Auch dieser Schlußteil ist vom Stilmittel der Diatribe geprägt, die als Redemittel oft das Zitat verwendet . 7
8
9
1
2
3
4
5
6
7
8
9
6
V g l . B u l t m a n n , Stil 30ff., bes. 3 1 . Vv.5—7 liegen vielleicht Traditionen zugrunde, die auch L k 6,20ff. par a u f g e n o m m e n sind. V g l . Dibelius, Jak 183f. Diesen Abschnitt, der selbst in A r b e i t e n z u m Jak k a u m Beachtung findet, w e r d e n wir daher auf den religionsgeschichtlich-theologischen Hintergrund untersuchen. Die Behauptung eines Zusammenhanges mit 2 , 1 - 1 3 m u ß keine Konstruktion sein (gegen D i b e lius, Jak 184). Immerhin schließt sich 2,14 sinnvoll an die eschatologische Mahnung 2,12f. an; z u d e m formuliert der Verf. mit TTLOTIV exeiv ähnlich wie in 2,1. Eine V e r b i n d u n g sehen auch Schräge, K a t h . Br. 29; M u ß n e r , Jak 128. n TÖ o0eXoc ist eine in der Diatribe geläufige W e n d u n g , vgl. dazu die Exegese. dXX'epef u c ist in der Diatribe als E i n w a n d des Zwischenredners geläufig, vgl. die Exegese. V g l . die Exegese. V g l . Bultmann, Stil 42.
Nach dieser Analyse kann man 2,14-26 als eine einheitliche Abhandlung ansehen, die vom Verf. gestaltet, in Form und Stil durch das Mittel der Diatribe charakteri siert ist und sich polemisch mit bestimmten Strömungen auseinandersetzt. Diese von den Auslegern anerkannte Analyse hebt den Abschnitt von der Form der traditionel len Spruchweisheit, wie sie sich Jak 1 fand, ab und stellt von der Form her eine Einheit mit 2,1-13 dar . 1
5.
Jak 3,1-12: Die gefährliche Macht der Zunge
Mit der gewohnten Anrede d5eX0oi ßov beginnt ein neuer Abschnitt, dessen Thema tik schon in 1,19 und 1,26 angeklungen ist: Gefahr und Macht der Zunge. Im Ge gensatz zu der diatribenartigen Eingangsfrage 2,14 setzt diese Paränese mit dem für alle Mahnungen typischen Imperativ ein, der V.lb/2a durch ein schon in der jüdischen und christlichen paränetischen Tradition bekanntes Motiv näher begründet w i r d . Das mit 7 r o X X d ydp nTaioßev äirdpreq ausgesprochene Eingeständnis der eigenen Feh lerhaftigkeit ist eine in der zeitgenössischen Philosophie wie im Judentum verbreitete Einsicht, vgl. Sen de dem 1,16,3; Epikt 1,11,7; 11,11,1, vgl. 111,25,1-4; I V , 1 2 , 1 9 ; 1 QH l,20bf.; 4Esr 8,35; Sir 19,16; 28,26. V.2b ist eine an •maloßev äiravTec an knüpfende paränetische Erweiterung, die den Übergang zu den Bildern und Verglei chen Vv.3ff. herstellt und vom Verf. wohl selbst geschaffen ist. Abgesehen von der Übergangsfunktion des Satzes wird das bestätigt durch den hier nach der negativen Aussage V.2a etwas überraschenden, den Gedanken ins Positive wendenden Gesichts punkt der Vollkommenheit , der auch schon in 1,4 die Tradition l,2f. auslegte. 2
3
4
Vv.3ff. folgen Bilder, die aus der Tradition aufgenommen sind und in der Paränese vielfache Verwendung finden . Vv.3f. bilden dabei eine erste Gruppe, die ihre Nähe besonders zur Spruchweisheit und zur philonischen Literatur hat . V.5a zieht die Folgerung (oörcoc Kai) aus dem mit den Bildern Gesagten. Damit kommt dem Satz ähnliche Funktion zu wie 2,17. 26b. Vv.5b.6 folgt eine zweite Gruppierung von Bildern, die eben falls Vorbilder in der Tradition und der zeitgenössischen Philosophie, vor allem Philo und Plutarch haben, aber auch in der frühjüdischen Spruchweisheit lassen sich Analogien zei5
6
7
1
2
3
4
5
6
7
Schräge, K a t h . B r . 29 betont, der ganze Abschnitt sei „wahrscheinlich nicht nur 'usuell', sondern aktuell, situationsbezogen und polemisch". eiSöreq ort hat hier dieselbe Bedeutung und F u n k t i o n w i e yivCooKOVTeq ön 1,2; das göttliche Kßißa ist in der Paränese ein geläufiges Motiv, R o m 13,2, vgl. R o m 3,8; G a l 5,10; l T i m 5,12; vgl. aber besonders M k 12,40/Mt 23,13; L k 20,47. Kürzdörfer, Charakter, will 3 , 1 - 1 2 an 2 , 1 13 anschließen, „ d a Kpißa in 3,1 d e n W o r t s t a m m Kpw- in 2,12 aufgreift" ( 1 0 0 ) . Diese Begrün dung kann nicht überzeugen u n d beruht auf Konstruktion. W e n n in einem Abschnitt der G e richtsgedanke betont ist, dann d o c h w o h l in 2,14ff, w o es u m den im Gericht rettenden G l a u ben geht; vgl. auch näher die Exegese zu 2,14ff. Für Epikt 11,11,1 ist diese Einsicht geradezu der Ausgangspunkt der Phüosophie: äpxn 0tXoao0t'ac . . . ovvaiodr}oiq rffq avwv äadeveiaq Kai äbvvaßiaq irepi rd ävayKava, u n d auf d e m W e g zur V o l l k o m m e n h e i t ist der Mensch dann, w e n n er sich „grundsätzlich dem G u t e n zu w e n d e t und mit entschlossener Preisgabe des früheren verkehrten Strebens nur noch der A u s b ü dung seiner Seele obliegt" ( A . B o n h ö f f e r , D i e Ethik des Stoikers Epiktet; Stuttgart 1894, 149). V g l . auch Dibelius, Jak 2 2 5 . Dibelius, Jak 225 k o m m t zu der erwägenswerten Ansicht, daß der Verf. „ i m Folgenden nicht nur traditionelle Einzelheiten, sondern eine Reihe v o n Beispielen im Zusammenhang, w e n n auch nicht im Wortlaut übernehme". V g l . die zahlreichen Belege b e i Dibelius, Jak 2 2 6 - 2 3 2 . V g l . Plut D e cohib ira 4; Philo D e spec leg I V 8 3 ; D e decal. 173; migr. A b r . 123; vgl. auch P h o k . 144: „ E i n kleiner F u n k e n kann einen großen W a l d anzünden".
7
gen, vgl. Sir 28,22; Prov 16,27; apokalyptische, vgl. lHen 48,7, und in das Judentum eingeflossene, aber schon abgeblaßte orphische Motive (rpöxoq TTK yevTJoeajq) sind hier von unserem Autor aufgenommen. Vv.7f. bringen ein neues Bild, das ebenfalls der vom Autor aufgenommenen Bilderreihe entstammt , vielleicht bis auf V . 8 b . Mit V.9 geht der Verf. wieder zur 1. Pers. über und spricht allgemeine Erfahrungen der Christen an. Damit verläßt er jenen vorgegebenen Zusammenhang, der für die Bilder reihe Vv.3f. 5b—8a wahrscheinlich zu machen war. Freilich handelt es sich auch hier nicht um Ausführungen, die der Hand des Autors zuzuweisen wären, sondern durch aus auch um überlieferte Gedanken und Motive. War in den traditionellen Bildern Vv.3f.5b-8a die Einwirkung der hellenistisch-popularphilosophischen Diatribentradition vorherrschend, so tritt Vv.9f. die weisheitlich-paränetische Spruchtradition des Juden tums wieder in den Vordergrund ; das deutet darauf hin, daß Vv9f. nicht dem glei chen überlieferten Zusammenhang entstammen wie Vv.3—8. V.9 entspricht ganz, teil weise sogar in der Terminologie, der jüdischen Tradition, Test X I I Benj 6,5, vgl. Lev 4 , 6 ; Ps 6 1 , 5 ( L X X ) , vgl. Rom 12,14 ; Lk 6,28; dieser Sentenz folgen V v . l l f . als A b schluß zwei weisheitliche, an die synoptische Tradition, vgl. Mt 7,16, wie auch an jü dische Vorstellungen, vgl. 4Esr 5,9, erinnernde Fragen, die Vv.9f. vertiefen sollen . 1
2
3
4
5
6
Kaum ein Abschnitt in unserer Schrift ist von der überlieferten Tradition so geprägt wie 3,1—12. Die Hand des Autors wird eigentUch nur in Vv.lf., vor allem in V.2b erkennbar , sowie in der Anordnung des Stoffes. Die Ansicht, daß hier die diatribenartige Auseinandersetzung von 2,14-26 fortgesetzt werde , ist nicht begründet. Wohl finden wir in 3,3f.5b—8a und auch 3,9f. Motive, die aus der zeitgenössischen philo sophischen Literatur stammen und von daher in die jüdisch-christliche Paränese einge flossen sind; doch sind sie als solche von unserem Autor aufgenommen und in ihrem traditionellen Charakter bewahrt; so gesehen ist der Abschnitt 3,1 — 12 nicht mit 2,14—26 oder auch 2,1-13 zu vergleichen. Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch in diesem Abschnitt, daß hinter dem traditionellen Charakter einer Spruchreihe durch aus auch der Theologe und nicht nur der Sammler der Tradition stehen kann, wenn man die Anordnung des Stoffes beobachtet und die redaktionelle Auslegung, wie sie sich hier etwa im Vollkommenheitsmotiv in V.2 niedergeschlagen hat, bewertet. 7
8
1
2
3
4
s
6
7
8
8
V g l . Epikt I V , l , 2 5 f f . ; P h ü o , D e decal. 113; leg. all. 11,104; vgl. zum Motiv der Z u n g e als tod bringendem G i f t auch 1 Q H 5,26f.; Sib I I I , 32; Ps 139,4 ( L X X ) . V g l . Dibelius, Jak 242 im A n s c h l u ß an Spitta, Jak 102. Die beiden Traditionsstränge sind natürlich nicht scharf voneinander zu trennen, weil sie vielfäl tige gegenseitige Beziehungen aufweisen. eöXoyeip hat in Test X I I meist die B e d e u t u n g v o n „segnen". „ D a s W o r t ist o f f e n b a r zur festen katechetischen Überlieferung g e w o r d e n , die als solche Autori tät besitzt" ( M i c h e l , D e r Brief an die R ö m e r ( K E K I V ) , Göttingen 13. A u f l . 1966, 3 0 5 A . 4 ) . A b e r auch hier lassen sich w i e d e r A n a l o g i e n aus der popularphüosophischen Tradition anführen, vgl. Epikt I I , 20,18f.; Marc A u r e l X , 8 , 6 ; Plut de tranq. animi 472f. U m so beachtlicher ist, d a ß hier w i e d e r von der V o l l k o m m e n h e i t gesprochen w i r d , oder besser gesagt: die V o l l k o m m e n h e i t als ethisches Ziel vorgestellt w i r d , das den ganzen Abschnitt be stimmt; der V o l l k o m m e n e ist j a nach V . 2 der, der die Z u n g e zu zügeln w e i ß , ein Motiv, das dann mit verschiedenartigen Bildern illustriert w i r d . V g l . Dibelius, Jak 14.56f.157.
6.
Jak 3,13-18:
Das Wesen der Weisheit
Gegenüber der Annahme, daß zwischen 3,1—12 und 3,13—18 kein Zusammenhang bestehe , kann man geltend machen, daß das Stichwort itiKpöq 3,11.14 einen formalen Anschluß nahelegt, der wohl sachlich auch darin zum Ausdruck kommt, „daß gerade vom Lehrer Weisheit verlangt und der 'Weise' im jüdischen Bereich in sachlicher Nähe zum Lehrer und 'Schriftgelehrten' gesehen wurde (vgl. IKor 1,20; Mt 2 3 , 3 4 ) " . Der Zusammenhang kann aber noch tiefer liegen: wenn es richtig ist, daß 3,1 — 12 das paränetische Ziel in dem reXeioc avr\p liegt, welches Vv. 3ff. von verschiedenen Seiten mit Bildern und Vergleichen illustriert wird, dann liegt es deshalb nahe, die Frage nach der Weisheit zu stellen, weil der Autor offenbar Vollkommenheit und Weisheit eng zusammensieht, vgl. l,4f. 1
2
3
Unsere neue Mahnung Jak 3,13ff wird mit einer Frage und einer in Form eines indirekten Imperativs (5ei£dTGj) gegebenen Antwort eingeleitet. Diese Einführung in die Mahnung hat gewisse Gemeinsamkeiten mit 2,14 . Die aufgeworfene Frage nach der Weisheit ( V . l 3 a ) führt den Autor zu der Aufforderung, den Aufweis der Werke zu erbringen . Hier zeigt sich zweifellos der theologische Leitgedanke des Verf.; der ganze Abschnitt macht überhaupt einen sehr geschlossenen Eindruck : nach der negativen Seite hin wird die Weisheit als OVK oo<j>ia ävcjOev Karepxonev^ ( V v . 14—16) beschrieben, wobei die zitierte Definition V . l 5 die zentrale Stellung einnimmt. Die V . l 5 vom Verf. gebrauchte Terminologie läßt darauf schließen, daß er nicht nur Spruchtradition weitergibt und überliefert, „was ihm für alle Fälle nützlich und notwendig scheint" , sondern gezielt und polemisch spricht. Dies entspricht dem auch in diesem Abschnitt anzutreffenden Diatribenstil, der 3,13—18 sachlich und formal in die Nähe der Auseinandersetzung 2,14—26 bringt. V . l 7 folgt als sachlicher Zielpunkt der paränetischen Abhandlung die Definition der ävcjßev ooQia in der Form eines aus der frühjüdischen Weisheitstheologie aufgenommenen Weisheitshymnus, der seinen religionsgeschichtlichen Hintergrund in Sap 7,22f. hat . Der ursprünglich isolierte, vom Verf. mit dem A b schnitt verknüpfte Spruch V.18 schließt den Abschnitt eschatologisch ab. Die Analyse läßt erkennen, daß Form, Aufbau und Durchführung von Jak 3,13—18 sich von der Spruchreihe Jak 3,1—12 abheben. Ließ 3,1—12 nur in Vv.lf. die Hand des Autors erkennen, so ist 3,13—18 wohl dazu geeignet, die theologische Konzeption des Verf. erkennbar zu machen. Die formgeschichtliche, sachliche und teilweise auch terminologische Nähe von 2,14—26 und 3,13—18 legen die Vermutung nahe, daß in diesen beiden Abschnitten die beiden für den ganzen Brief maßgeblichen Grundfragen aufgeworfen werden, die Frage nach der rechten Weisheit und die Frage nach dem rettenden Glauben. 4
5
6
7
8
1
2
3
4
5
6
7
8
So Dibelius, Jak 249, der jede gedankliche V e r b i n d u n g bestreitet. Schräge, K a t h . Br. 40; vgl. auch überzeugend M u ß n e r , Jak 168f.; H a u c k , Jak 175. Sicher decken sich die Weisheitsvorstellungen v o n 1,5 und 3,13ff. V g l . die Exegese. Die Frage nach den Werken steht auch in der Auseinandersetzung 2 , 1 4 - 2 6 im V o r d e r g r u n d . Das räumt auch Dibelius, Jak 249 ein, ohne allerdings daraus theologische Konsequenzen zu ziehen. Dibelius, Jak 251. V g l . die Exegese.
9
7.
Jak 4,1-12:
Das
1
Entweder-Oder
Mit 4,1 verschiebt sich der Gedanke von der mehr theoretisch-lehrhaften Darlegung zur Anklage gegenüber dem Verhalten der Christen. Eine stringente Fortführung des Gedankens 3,13ff. ist nicht zu beobachten. 4,1—5 besteht aus rhetorischen, drohend-anklagenden Fragen, während in 4,7ff der paränetische Imperativ vorherrscht. Dieser stilistisch-formalen Verschiebung entspricht die inhaltliche: hatte der Verf. V.l—5 den aus der weltlichen Gesinnung der Hörer resultierenden Unfrieden angeklagt, so tritt der paränetische Charakter der Mahnungen 4,7ff wieder in den Vordergrund, wenn auch die apokalyptische Drohung nicht völlig fehlt, vgl. 4,9. Vv. 1—3 sind eine erste Gruppe von anklagenden Fragen, denn juoixaXiÖec V.4 deu tet einen neuen Einsatz an . Das Grundproblem wird in der aus traditionellen Termi ni bestehenden Frage V . l gestellt. Die Formulierung dürfte kaum auf den Autor selbst zurückgehen, wie die Hinweise aus der frühjüdischen und popularphilosophischen Lite ratur zeigen . Vv.2f. sind aufgrund der Geschlossenheit ihres syntaktischen und forma len Aufbaus als eine Einheit zu betrachten. Diese besteht aus vier gleichmäßig aufge bauten Sätzen, wobei sich jeweils V.2a und V.3a sowie V.2b und V.2c entsprechen . Mit der Anrede /zoixaXiSec V.4 ist ein neuer Einsatzpunkt in der Anklage gegeben; abgesehen von der Anrede juoixaXiS ec. geht das auch daraus hervor, daß der Verf. nicht mehr auf konkretes Verhalten Bezug nimmt, sondern nun dieses erwähnte Ver halten grundsätzlich definiert: Begierden und Eifersucht, Neid, Kampf und Streit, dies alles läßt sich als 0iXia TOV KÖopov bezeichnen. Für die Meinung, daß V.4a ein Zitat sei , das der Verf. in V.4b anwende, lassen sich keine Gründe anführen; wohl ist es auffällig, daß V.4b keinen weiterführenden Gesichtspunkt oder Gedankenfortschritt bringt; das könnte dafür sprechen, daß V.4b als eine Wiederholung oder Erläuterung eines gebräuchlichen Motivs der paränetischen Tradition, welches dann in V.4a deut lich würde, aufzufassen ist. Tatsächlich begegnet die Vorstellung vom unauflöslichen Gegensatz zwischen Gottesliebe und Weltliebe wiederholt in der Tradition und kann nicht als Schöpfung des Autors angesehen werden, vgl. U o h 2,15 (im Zusammenhang 2
3
4
5
6
7
mit
der
eK
TOV
emdvßia TTCLTpds,
2,16:
ort
äXXä
€K
iräv
T Ö ev
TOV Kooßov
TCO KOOIXCO, eariv);
TJ e-niOvßia Rom
8,7,
vgl.
TTK Mt
oapKÖq 6,24;
OVK COTLV Ign
Rom
7,1
f.;
Polyk 5,3, sondern in diesem ethischen „Entweder-Oder" folgt das frühe Christentum der frühjüdischen Tradition. 1
2
3
4
5
So formuliert Schräge, K a t h . B r . 4 2 . Ä h n l i c h w i e CLKOVOCLTC, ä5eX0ot pov 2 , 5 . V g l . z . B . Philo D e ebrietate 75; Test XII Sim 4 , 7 - 9 ; G a d 5 , 1 - 4 . enidvpeiTe - Kai OVK exere/aheiTe - Kai ov XanßdveTe. (j>6oveLT€ Kai frjXoüre - Kai ov bvvaode eitiTVxew I ßdxeode Kai noXeßeiTe Kai OVK e'xere 5td TÖ firj aiTeiodai u/zäc. G u t e textkritische G r ü n d e sprechen dafür, daß in 4,2 (föoveije statt QoveveTe als ursprünglich anzusehen ist; darüber hinaus legt das auch die V e r b i n dung von 0ödwc und ff)Xoc I M a k k 8,16, vgl. G a l 5,20f.; Test XII Sim 4,5; Benj 4,4 nahe, vgl. auch Rom 1,29, w o 0öd^oc und (pövos nebeneinanderstehen; vgl. auch H . Vogels, Hand b u c h der Textkritik des N T ; B o n n 2 . A u f l . 1955, 220; anders M u ß n e r , Jak 178, der an der Les art (f>0V€V€T€ festhält. M u ß n e r bestreitet auch den hier vorgeschlagenen und im wesentlichen Dibelius, Jak 261 folgenden formalen A u f b a u wegen des s.E. im 3. Glied fehlenden Kai; ist die Lesart o h n e Kai auch gut bezeugt, so kann man d o c h nicht voraussetzen, daß die von Dibelius genannten u n d sicher auch beachtenswerten Z e u g e n Kai nur mit d e m Bestreben setzen, „ d a d u r c h ein klares Viererschema zu erreichen" ( M u ß n e r , Jak 179).
6
7
10
Vgl. A . 2 . Diese M e i n u n g vertritt Spitta, Jak
179.
V.5 unterstützt mit einem Zitat die vorgetragenen Anklagen. Dieses stammt aus einer uns unbekannten Schrift, jedenfalls ist es in den kanonischen und außerkanonischen Büchern nicht bezeugt; ähnlich finden sich Zitate aus unbekannten Schriften auch I K o r 2,9; Eph 5,14, vgl. auch Joh 7,38. Das Wort soll die Hörer darauf hinweisen, daß Gott nach dem guten Geist (d.h. hier dem Herz), den er den Menschen gegeben hat, Verlangen trägt und daher keine Freundschaft mit der Welt duldet . 1
Mit V.6 soll der Übergang geschaffen werden von den anklagenden Drohungen des Autors zu dem mehr paränetischen Charakter der Mahnungen Vv.7ff. V.6a geht als Übergang zu dem Zitat V.6b wohl auf den Autor selbst zurück. Dieses Zitat, vgl. Prov 3,34 ( L X X ) ; IPetr 5,9, stellt die theologische Grundlage für die folgenden Mah nungen V v . 7 - 1 0 dar. Hier folgt der Autor wohl einer paränetischen Tradition, die auch IPetr 5,5-9 vorliegt , vgl. auch lKlem 30,2; Ign Eph 5,3. Freilich scheint V.9 inhaltlich und formgeschichtlich aus dieser Schema tischen Tradi tion herauszufallen ; denn ursprünglich gehört dieser Spruch wohl nicht zu der vermu teten Überlieferung. Im Gegensatz nämlich zu den verheißenden Mahnungen Vv.7.8a.l0 herrscht hier der Ton der Anklage und Strafe wieder vor; es geht auch nicht mehr so sehr um das „ W i e " eines rechten Verhältnisses zu Gott, sondern Inhalt dieses Droh wortes ist die Gerichtsankündigung, die der Verf. nun mit Hilfe des überlieferten Kon textes in den Dienst seiner Bußpredigt stellt. Demnach werden wir mit einer paräneti schen Tradition rechnen dürfen, die ursprünglich aus Vv.7.8a.l0 bestand und in die Vv.8b.9 vom Verf. eingefügt wurden, wobei V.9 ein ursprünglich selbständiges Droh wort darstellt, das mit der prophetischen Anklage 5,1 zu vergleichen ist, wie auch die enge terminologische Berührung nahelegt. 2
3
4
1
2
3
4
A n d e r s analysiert J.Michl, D e r Spruch Jakobusbrief 4,5; in: Neutestamentliche Aufsätze ( F S für J. Schmid z u m 70. G e b . ) Regensburg 1963, 1 6 7 - 1 7 4 den Spruch. Er übersetzt: „Neidisch ver langt der Geist, den er in uns w o h n e n ließ" ( 1 6 8 . 1 7 0 ; vgl. auch Michl, D i e Katholischen Briefe, Regensburg 2 . A u f l . 1968, 5 1 . 5 3 ) . Die bei dieser Übersetzung entstehende Schwierigkeit, für eTUTTodei ein anderes Subjekt, nämlich TÖ nvevßa, annehmen zu müssen als für KCLTtOKioev, nämlich G o t t , hält er nicht für ernsthaft seiner Auslegung entgegenstehend. Unsere v o r g e n o m m e ne u n d von zahlreichen A u t o r e n vertretene Auffassung (vgl. die von Michl, D e r Spruch 169 ange führten A u t o r e n ) bezweifelt er w e g e n der s.E. dann k a u m lösbaren Schwierigkeit, die W e n d u n g irpös (frdövov zu erklären, da man G o t t nicht zutrauen k ö n n e , „ d a ß er neidisch nach dem Geiste des Menschen verlange" ( 1 7 0 ) . Dies ist aber weitgehend ein psychologischer E i n w a n d . I m merhin wird m a n doch nicht übersehen k ö n n e n , daß das Subjekt v o n KCLTÜKioev auch das S u b jekt von eiriirodei sein m u ß , jedenfalls müßte ein Subjekt Wechsel in dem kurzen Spruch einiger maßen plausibel gemacht w e r d e n können. U n d w e n n man beachtet, daß das A T z w a r nie v o m N e i d Gottes spricht, w o h l aber oft von seiner Eifersucht, so wird man für unseren Spruch d o c h das vorgeschlagene Verständnis beanspruchen dürfen; es wird vielleicht an unserer Stelle im Z u sammenhang mit der A n r e d e ßOixaXiS ec besonders verständlich. Literarische Abhängigkeit kann w i e bei anderen gemeinsamen Traditionen (vgl. diese A r b e i t S. 2 A . 1) auch hier nicht a n g e n o m m e n w e r d e n . H a u c k , Jak 201 A . 8 2 sieht nur „ein paar dürftige A n z e i c h e n " für eine gemeinsame paränetische Spruchsammlung, doch sind die Gemeinsamkeiten kaum zu übersehen: beide Schriften kennen unser Zitat aus Prov. 3,34 ( L X X ) und mahnen, sich vor G o t t zu demütigen u n d dem S i d ß o X o c zu widerstehen, u m so erhöht zu w e r d e n . Deutlich ist der stereotype zweigliedrige A u f b a u der Mahnungen: es wird jeweils eine M a h n u n g z u m Verhalten des Menschen ausgesprochen u n d dann das entsprechende Handeln Gottes am Menschen verheißen ( V v . 7 . 8 . 1 0 ) ; eine A u s n a h m e macht hier V . 8 b ; vielleicht ist dieser Vers, der seinerseits seine N ä h e zur Tradition hat, v o m Verf. in den vorgegebenen Z u s a m m e n h a n g einge fügt w o r d e n ; ein unterstützender Hinweis auf diese V e r m u t u n g ist auch, daß die V . 8 b und V . 9 sich findenden Motive z w a r weitgehend der Tradition entstammen, aber in dem erwähnten Z u sammenhang IPetr 5 , 5 - 9 fehlen. V g l . noch L k 6 , 2 1 - 2 5 . yeXacj / 7 e X c o e k o m m t vielleicht nicht zufällig nur L k 6,21.25 u n d Jak 4,9 vor.
11
V v . l l f . sind durch die erneute Anrede ä8e\<j>oi vom Kontext zwar abgehoben, aber den paränetischen Imperativen zuzurechnen; auch sachlich sind die beiden Mahnungen sinnvoll mit dem vorhergehenden Kontext verbunden. Ursprünglich dürfte dieser Ab schluß nicht zu der erwähnten paränetischen Tradition gehört haben. Die Motive die ser kleinen Einheit sind zahlreich in der jüdischen und christlichen Paränese . Mit den beiden auf das Gericht blickenden eschatologischen Versen werden die in dem Ab schnitt zusammengestellten Mahnungen abgeschlossen. 1
Nach dieser Charakterisierung läßt sich sagen: Jak 4,1 — 12 und Jak 3,13-18 können aufgrund ihrer unterschiedlichen Struktur nicht als eine Spruchgruppe zusammenge faßt werden, wie das etwa M. Dibelius durchfuhrt ; denn eindeutig herrscht in 4,1—12 wieder die Form der Spruchparänese vor: traditionelle Anklagen, wobei das Eingangsthema, Streit und Kämpfe unter den Christen, nicht der Gegenstand der gan zen Abhandlung sind, und überlieferte Mahnungen sind jeweils zusammengeordnet und durch den redaktionellen V.6a miteinander verbunden. War 3,13-18 ähnlich wie 2,14—26 durch und durch von der Hand des Autors in polemischer Auseinanderset zung mit gegnerischen Parolen geprägt, so unterscheidet sich 4,1 — 12 doch grundsätz lich von jenen lehrhaften Ausführungen, wenn der Gedanke auch sachlich weiterge führt wird. Doch haben die in 4,1 — 12 gesammelten Mahnungen allgemeinen Charak ter, d.h. sie sind „für alle Fälle" gedacht und durchweg aus sich heraus verständlich. 2
8.
Jak 4,13—17: Wider das selbstsichere Plänemachen
In der Form prophetischer Anklage setzt der Autor mit einer neuen Thematik ein. Ein Zusammenhang mit dem vorigen Abschnitt ist nicht zu erkennen , auch in Form und Durchführung sind die beiden Einheiten unterschiedlich. Der auch in der synop tischen Tradition bekannte thematische Gegenstand, vgl. Lk 12,26-30, wird in Form einer Frage eingeführt (V.13) und im folgenden V . l 4 mit einer These des Verf. be antwortet. In V . l 5 folgt eine Mahnung, menschliche Pläne nur auf Gott zu bauen; jedes menschliche Rühmen aber sei schlecht (V.16). V . l 7 schließt sich ein ursprüng lich selbständiger Spruch an, den der Autor mit den Vv.13—16 verbindet, um so den Abschnitt eschatologisch abzuschließen. 3
Gegenüber 4,1-12 zeigt sich 4,13-17 als eine geschlossene Einheit; gleichwohl ist unsere Mahnung unverkennbar von der Tradition des Frühjudentums gefärbt, und auch in der hellenistischen Popularphilosophie findet sich ähnliches Gedankengut . Bei aller gedanklichen Geschlossenheit und Einheitlichkeit kommt dem Abschnitt je doch nicht die theologische Bedeutung von Jak 2,14-26 oder 3,13-18 zu. 4
1
2
3
4
V g l . die vielfältigen Belege bei Dibelius, Jak 272 f. Jak 249. M a n k a n n hier allenfalls eine Gedankenassoziation geltend machen, insofern die 0tXta TOV KÖOßOV sicher auch das selbstsichere Plänemachen hervorbringt; auch knüpft die Aussage unseres A u t o r s über das L e b e n möglicherweise an die abschließende Frage V . 1 2 an, w a s denn eigentlich der Mensch sei. l H e n 97,9f. wird den Reichen in den M u n d gelegt: „Jetzt wollen w i r ausführen, was wir vorhaben, denn S ü b e r h a b e n w i r gesammelt u n d unsere Kornhäuser gefüllt..."; darauf entgegnet der A p o k a l y p tiker: „ W i e Wasser soll eure Lüge zerrinnen; denn euer Reichtum wird euch nicht bleiben, sondern plötzhch von euch hinwegfahren" ( Ü b e r s e t z u n g nach Kautzsch). Sap 2 , 1 - 5 machen die „ G o t t l o s e n solch vergängliches Daseinsverständnis zur Grundlage ihres Handelns; vgl. auch Ps 36,20 ( L X X ) ; 67,3 ( L X X ) ; Prov 10,26; Sap 5,14; 4Esr 4,24; l Q M y s t 1,6; 1 Q M 15,10; vgl. für die Popularphiloso phie auch Sen E p 101,4.
12
9.
Jak 5,1—6: Wehe über die unsozialen Reichen 1
2
Zwischen Jak 4,13—17 und 5,1—6 besteht ein formaler und sachlicher Zusammenhang, der auch in der paränetischen Tradition vorgegeben ist; das geht aus dem S.12 A.4 erwähnten Zusammenhang hervor, w o ausdrücklich Reiche angesprochen sind, die ihre Schätze aufgehäuft haben, vgl. lHen 97,8ff. In der Form der prophetischen Anklage wird das Unheil angesagt und zum Weinen und Klagen aufgefordert angesichts des bevorstehenden Untergangs ( V . l ) . Diese Anklage hat zahlreiche Vorbilder in der Tradition, vgl. nur lHen 94,8ff . Vv. 2.3abc führen im prophetisch-futurischen Perfekt nach traditionellen apokalyptischen Motiven die Anklage erläuternd fort, vgl. auch Sir 29,10 . V.3d ist von Vv.3abc dadurch abgehoben, daß der Verf. sich nach seinen Ausführungen über die Vergänglichkeit des Reichtums wieder an die Prasser wendet ( 2 . Pers. PL). Manche Gründe sprechen dafür, daß V.3d ursprünglich mit Vv.5f. als eine Anklagerede verbunden war und dieser Zusammenhang durch V.4 erweitert worden sei. Abgesehen von den Gründen, die Dibelius anführt und abgesehen von dem gedanklichen Zusammenhang ist der bei V.3d einsetzende Aorist (Vv.3d.5.6) gegenüber dem K p d £ e i V.4 bemerkenswert . V.4 ist seinerseits ganz traditionell gefärbt, lHen 99,3; 103,14; 104,3*; Vv.5f. kehrt der Verf. zu der direkten Anklage zurück; auch die beiden Schlußverse sind ganz von der Überlieferung geprägt . 3
4
5
6
7
9
Wir sehen: Jak 5,1—6 ist eine Spruchreihe in der Form prophetischer Anklage. Der Autor hat apokalyptische und weisheitliche Motive aufgenommen und zusammengestellt. Der Verf. tritt dabei selbst lediglich als Sammler und Tradent in Erscheinung.
10. Jak 5,7-20:
Allgemeine Mahnungen
Mit 5,7 geht der Autor von der apokalyptischen Drohung wieder zur Mahnung und zum tröstenden Zuspruch über; auch die Anrede äoeXQoi markiert wieder den Beginn einer neuen Einheit. Die Paränese schließt wohl an 5,1—6 an, aber von einem Zusammenhang kann man nicht eigentlich sprechen. Dafür sind die beiden Spruchreihen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
V g l . das aye vvv 4,13 und 5,1. In beiden Abschnitten w e n d e t sich die Kritik gegen die Reichen. D e r Unterschied besteht aber darin, daß 4,13—17 eine positive M a h n u n g zu einem christlichen Lebensentwurf ist, eine M a h n u n g also, die sich an die Christen w e n d e t , u n d 5,1—6 eine radikale Unheilsansage darstellt, die den nichtchristlichen Reichen u n d Prassern zugerufen w i r d . Bezeichnend für die N ä h e zur Tradition ist der ausschließlich in der atl. Prophetie v o r k o m m e n d e u n d im N T nur Jak 5,1 auftretende Begriff bXoXv^eiv, der sich weitgehend auf die prophetische M a h n u n g zum Wehklagen oder im Z u s a m m e n h a n g mit dem eschatologischen „ T a g des H e r r n " steht, vgl. Jes 13,6; 14,31; 15,3; 23,1.6.14; Jer 31,20; Ez 21,17; Sach 11,2; A m 8,3; vgl. auch W . Heidland, A r t . bXoXv$eip; in: T h W N T V , 174. Z u m futuristischen Perfekt vgl. B l . - D e b r . §344. V g l . auch Mt 6,19f.; L k 12,33; L k 3,11; 12,18; zu den einzelnen Motiven sind heranzuziehen Jes 30,27; 10,16f.; A m 5,6; Ez 15,7; 2 4 , 6 - 1 1 ; 1 Q H 3,29ff.; 6,18; vgl. schließlich die Weherufe l H e n 94ff. Jak 283. A u c h das 18 ov will auf einen neuen Gesichtspunkt aufmerksam machen. D a ß solche u n d ähnliche Motive im Urchristentum geläufig sind, zeigt auch Herrn ( v i s ) I I I , 9,6. Eine beträchtliche Anzahl von Belegen zeigt die V o r b ü d e r für die Vorstellung von 5,5f., vgl, Sap 2 , 1 0 - 1 2 ; l H e n 98,11; 102,9f.; vgl. auch Dibelius, Jak 285f.
13
1
schon im Ton zu unterschiedlich . Innerhalb des Abschnittes 5,7-20 kann man 5 , 7 11 und 5,13-20 voneinander abheben und 5,12 als einen Einzelspruch ansehen, der unmittelbar zu den vorhergehenden und folgenden Mahnungen keinen Bezug hat. V.7a beginnt mit der für unseren Brief typischen Anrede äöeXQoi und dem damit ver bundenen Imperativ. Der Vergleich mit dem Landmann, der auf die Ernte wartet, ist als eine paränetische Erweiterung anzusehen. Inhaltlich will V.8 die Hörer zu geduldi gem Ausharren in der eschatologischen Erwartung des Herrn ermahnen. Ursprünglich dürften die Vv. 7f. zusammengehört haben und vom Verf. aufgenommen worden sein, denn V.9 führt die Mahnung zur Geduld nicht weiter, sondern führt unvermittelt das Thema des Gerichtes in die Paränese ein. Auch will die negativ gehaltene Mahnung JUT? orepäSeTe nicht recht zu dem tröstenden Zuspruch Vv.7f. passen. Sachlich nimmt der Spruch die Mahnung von 4,11 f. wieder auf. Zutreffend erklärt W. Schräge die se Zusammenstellung: „Daher scheint es so zu stehen, daß allein die eschatologische Begründung der Mahnung die Aufnahme von V.9 an dieser Stelle veranlaßt hat". Die sem paränetischen Zusammenhang hat der Autor nun im Anschluß an V.8 die Bei spielreihe Vv.lOf. angefügt. Der Verweis auf die Großen der Geschichte ist im Früh judentum verbreitet, um ihre vorbildhafte Bedeutung darzustellen, Sir 44-50; und auch für unseren Brief ist dieser Rückgriff auf die atl. Gerechten charakteristisch, vgl. 2,2lff. V.12 ist ein Einzelspruch, der keine Beziehung zu Vv.lOf. bzw. V v . l 3 f f hat. Der Hinweis auf das Gericht führt zu der Vermutung, daß V.12 möglicherweise einmal früher an V.9 angeschlossen war , beweisen läßt sich das allerdings nicht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit geht der Spruch selbst auf ein überliefertes Herrenwort zurück, wenngleich sich auch im Judentum Warnungen vor dem unbedachten Schwö ren finden, Sir 2 3 , 9 - 1 1 ; auch die Ethik der Popularphilosophie kennt ein Eidverbot. Epikt Ench 3 3 , 5 , und schließlich nimmt auch die spätere christliche Tradition das Schwurverbot auf, Ps.-Clem. Horn I I I , 55,1. 2
3
4
Eine neue paränetische Spruchgruppe mit Mahnungen zum Verhalten in verschiedenen Lebenslagen schließt sich Vv. 13—15 an, wobei auf dem Krankheitsfall das Hauptge wicht liegt, da er ausführlich behandelt wird. Das Lob Gottes in guter Lebenslage fin det sich häufig in der Tradition, besonders in den Psalmen , vgl. nur Ps Sal 15,4-8, und auch die vom Autor gegebene Mahnung für den Krankheitsfall entspricht jüdischer Tradition . V.l6a schließt die zusammengehörigen Vv.16—18 an V. 15 inhaltlich an. Stellt V.l6a noch den Bezug zum Krankheitsfall her (Ö7TCJC laör/re), so geht es Vv. 16b-18 nur um das Gebet. Vv.l7f. folgt mit dem Elias-Beispiel wieder ein Hinweis auf eine große Gestalt der Geschichte, das wiederum ganz der frühjüdischen Tradition entstammt, vgl. Sir 48,3; 4Esr 7,109, und auch die Zahl der dreieinhalb Jahre scheint der frühjüdischen Überlieferung entnommen zu sein. Schließlich dürfte die Schlußmah5
6
1
2
3
4
5
6
14
M u ß n e r , Jak 199f. sieht einen sehr engen Z u s a m m e n h a n g zwischen den beiden Stücken, ja eine Einheit zwischen 5 , 1 - 6 und 5,7—11, die „vor allem durch den d r o h e n d e n Hinweis auf den ,Schlachttag\ d.h. den Gerichtstag, u n d in d e m neuen Abschnitt durch den Hinweis auf die Parusie des Herrn, die j a nach christlicher Auffassung den großen Gerichtstag bringen wird, gegeben ist". K a t h . Br. 53. V g l . auch den parallelen A u f b a u der Sprüche V . 9 und V . 1 2 : / / r ) OTevä^ere ../iva JUT/ KpiBrjre ( V . 9 ) / ßrj bnvvere . . . i'va jui? vnö Kp'vaiv neoriTe; v g l . auch Dibelius, Jak 287; Schräge, K a t h . B r . 54. A . B o n h ö f f e r , Die Ethik 72: „ A u s dem Z u s a m m e n h a n g der Stelle m u ß man ... schließen, daß er das S c h w ö r e n unter dem Gesichtspunkt des unnötigen, mit der persönlichen Würde unverträglichen Redens betrachtete". Demgegenüber ist das Eidverbot bei Jesus b z w . an unserer Stelle völlig anders motiviert. V g l . die angeführten Belege bei Mußner, Jak 218. V g l . H a u c k , Jak 233, bes. 233 A . 9 0 .
nung zur Bekehrung des Bruders kaum auf die Hand des Autors zurückgehen, wie die in der traditionellen Paränese geläufige Begrifflichkeit deutlich macht. Auch ste hen 5,19f. mit dem Kontext nicht in einem ursprünglichen Zusammenhang, sondern stellen eine eigene aus sich heraus verständliche Paränese dar. Durch die Anrede ä5eX0oi JJLOV ist die Mahnung wiederum deutlich vom Kontext abgehoben, und auch die Tatsache, daß hier offenbar im Gegensatz zu Vv. 13-18, wo Gott die Sünden vergibt, der Mensch durch sein auf den Bruder einwirkendes Handeln Sünden „zu deckt", weist auf eine selbständige Mahnung hin. Mit der Anfügung dieser Spruchein heit steht der Verf. in Einklang mit anderen ntl. Schriften, die mit Mahnungen über Irrlehrer abschließen, IKor 16,22; Gal 6,1 lff; 2Petr 3,2ff; Jud 17ff und folgt damit einem vorgeprägten formgeschichtlichen Gesetz. Zahlreiche Belege aus der frühjüdi schen Überlieferung erweisen schließlich die Traditionsgebundenheit der Schlußmah nung in ihren Einzelheiten . 1
2
Diese Analyse macht deutlich, daß der Abschnitt Jak 5,7-20 formgeschichtlich der traditionellen Spruchparänese zuzuweisen ist; der Verf. hat überlieferte Spruchgruppen zusammengeordnet und allenfalls in Überleitungen selbst eingegriffen. Der hier vorgenommene Überblick über die einzelnen Abhandlungen und Spruchrei hen des Jak läßt uns im Hinblick auf seine literarische Gattung und seine Form fol gendes Bild gewinnen: Unser Brief ist ein Zeugnis urchristlicher Paränese; alle A b schnitte der Schrift dienen mit oftmals traditionellen Motiven und Mahnungen für den Alltag der paränetischen Unterweisung der Christen. Darin ist unser Brief durch aus den paränetischen Abschnitten anderer Briefe im N T , etwa der paulinischen Schriften, vgl. Rom 12.13; Gal 5,13ff; 6; IThess 5,lff; Kol 3.4, oder Teüen der jü dischen Paränese, etwa Teilen des Tobitbuches, der Sapientia Salominis, des Buches Jesus Sirach oder der Test XII vergleichbar. Kann aber diese in der Literatur seit dem Kommentar zum Jakobusbrief von M. Dibelius immer wieder zu Recht betonte literarische Eigenart des Briefes zu dem Schluß führen, daß dem Jak eine „Theologie" oder ein prinzipieller theologischer Leitgedanke fehle? Ist der Jak tatsächlich nur eine Sammlung von Mahnungen „für alle Fälle", aus denen ein theologischer Grund gedanke nicht erkennbar werden kann? Oder ist der Jak schon deshalb keine „theo logische" Schrift, weil ihm offensichtlich eine explizite Christologie, wie sie etwa den Briefen des Paulus eigen ist, fehlt? Wir wollen versuchen, auf dem Hintergrund der vorgenommenen literarischen und formgeschichtlichen Analyse das aufgeworfene Problem anzugehen. Unser Überblick über den Brief zeigt nun ein sehr differenziertes Bild, was Form, Aufbau, Einheitlichkeit und Originalität der einzelnen Abschnitte angeht. Wir konnten einmal die Form der Spruchparänese feststellen, die zutiefst der Tradition verbunden ist und nur schwer einen Rückschluß auf den Verf. als Theologen zuläßt. Daneben findet sich in unse rer Schrift aber auch die Form der diatribenartigen Abhandlung, die einen theologi-
1
2
V g l . Dibelius, Jak 3 0 6 - 3 0 9 ; M u ß n e r , Jak 2 3 0 - 2 3 3 . Die M a h n u n g zur Rückführung des Irrenden steht dabei im V o r d e r g r u n d ; Kürzdörfer, Charakter 105 will aus dem Schluß folgern, daß der Jak verfaßt w u r d e , weil Gemeindemitglieder „ v o n der 'Wahrheit' abirrten". U n t e r 'Wahrheit' b z w . Abirren von der 'Wahrheit' verstehe der A u t o r den Inhalt der einzelnen Paränesen. Schließlich glaubt Kürzdörfer, daß der A u t o r seinen Brief „auch aus Sorge u m sein eigenes Seelenheil verfaßt hat. Mit der A b f a s s u n g und V e r s e n d u n g seines Schreibens beginnt sein Bekehrungsvorhaben, von dem er sich erhofft, daß dadurch seine und seiner Adressaten Sünden bedeckt w e r d e n " ( 1 0 6 ) . Dieser G e d a n k e ist durch sachliche Beobachtungen nicht zu belegen.
15
sehen Sachverhalt lehrhaft in Auseinandersetzung mit gegnerischen Thesen oder Strö mungen vorträgt und darin einen theologischen Leitgedanken des Autors erkennen läßt. Beide letztlich im Dienst der Paränese stehenden literarischen Formen aber dür fen nicht scharf voneinander getrennt werden: denn so sehr die Spruchform, die sich vor allem in Kap 1 ;3,1 — 12; 4 , 1 - 1 2 ; 5 nachweisen ließ, der Tradition verbunden ist und von daher auch schon inhaltlich geprägt ist, so sehr ist doch in Auswahl und An ordnung der überlieferten Sprüche sowie besonders in der Auslegung des aufgenomme nen Gedankengutes, vgl. 1,4; 3,2; l,17bcf., die Herkunft des Autors erkennbar und wird sein theologisches Anliegen deutlich. Ist diese Beobachtung richtig, dann müssen die beiden den Brief charakterisierenden Formen, die Spruchparänese und die theolo gisch lehrhafte Auseinandersetzung auf einen einheitlichen theologischen Gesichts punkt hinweisen, von dem aus sie gesprochen sind. Es konnte nun näherhin gezeigt werden, daß der Form der lehrhaften Abhandlung Jak 2,14—26 sowie 3,13-18, aber auch 2,1—13 zugerechnet werden müssen. Bei die sen vom Autor selbständig durchdachten und durchgeführten Abschnitten ist in erster Linie mit der Frage nach dem theologischen Hintergrund einzusetzen. Daß Jak 2,14—26 innerhalb unserer Schrift besondere Bedeutung zukommt, wird be sonders von der protestantischen Exegese im Anschluß an die reformatorische Recht fertigungstheologie betont . Man wird die besondere Stellung, die diesem Abschnitt zukommt, durch die formgeschichtliche Analyse bestätigen müssen. Darüber hinaus hat sich aber gezeigt, daß Jak 3,13—18 eine nicht zu übersehende sachliche und for male Nähe zu 2,14—26 hat. Dies wird deutlich in der Eingangsfrage V.13 und setzt sich stilistisch und terminologisch durch den ganzen Abschnitt hindurch fort. Man kann daher die Auseinandersetzung um den Glauben in 2,14 ff mit der lehrhaften Abhandlung über die rechte Weisheit zusammensehen und darf 2,14—26 nicht als das „Herzstück des Briefes" ansehen und ihm theologisch alle anderen Aussagen unterord nen . Stellt 2,14—26 die Frage nach einem Glauben, der rettet, so 3,13-18 nach der Weisheit „von oben", die dem Menschen Gerechtigkeit erwirkt; dabei spielen die Werke eine wesentliche Rolle. Diese in den beiden als zentral erkannten Briefabschnit ten aufgegriffenen Fragen müssen daher Gegenstand der Untersuchung werden. Ent sprechend sind andere Aussagen des Briefes heranzuziehen. 2,1 — 13 ist zwar nicht eine lehrhafte Auseinandersetzung mit konkreten Gegnern oder Strömungen, aber doch aufgrund des systematischen Charakters in Komposition und Aufbau, vor allem aber auch wegen der christologisch-bekenntnishaften Einleitung ( V . l ) , dazu geeignet, einen Rückschluß auf den theologischen Leitgedanken des Autors erkennen zu lassen. Über die Weisheit wird neben 3,13ff noch einmal in dem größeren Zusammenhang 1,2-12, näherhin 1,5, gesprochen. l,2ff ist eine Spruchparänese, die formgeschicht lich von den geschlossenen Abschnitten 2,1-13; 2,14-26; 3,13-18 abweicht. Hier wird aufgrund der Anordnung der Tradition und der Auslegung der Überlieferung durch den Autor die Frage nach dem Theologen zu stellen sein. 1
2
1
2
Zuletzt Schräge, K a t h . B r . 29: „das Herzstück des Briefes". So Schräge (s. A . l ) ; ähnlich auch E. L o h s e , G l a u b e und W e r k e - zur Theologie des Jakobus briefes, in: ders., D i e Einheit des N e u e n Testaments - Exegetische Studien zur T h e o l o g i e des N e u e n Testaments, G ö t t i n g e n 1973, 2 8 5 - 3 0 6 . 2 9 1 .
16
Entsprechend der formgeschichtlichen und literarischen Analyse kristallisieren sich al so zwei Leitgedanken aus unserem Brief heraus, denen unsere Aufmerksamkeit bei der Frage nach dem theologischen Hintergrund zu gelten hat: die Vorstellung von der Weisheit und der Glaube im Jakobusbrief. Im Anschluß an die Erarbeitung der entsprechenden Briefabschnitte werden wir ande re ntl. Aussagen heranzuziehen haben, die uns möglicherweise den Jak theologisch und überlieferungsgeschichtlich näher bestimmen lassen. Hier führen uns eine Reihe von Aussagen in die synoptische Tradition, zur matthäischen Bergpredigt und lukanischen Feldrede sowie anderen den Evangelisten Mt und Lk gemeinsamen Überliefe rungsstoffen, die ihre gemeinsame Grundlage in jener Überlieferung haben, die wir allgemein mit Q bezeichnen. Daß zwischen unserem Brief und der Logienquelle Ge meinsamkeiten bestehen, die der Erklärung bedürfen, dürfte sich kaum noch bestrei ten lassen; man bedenke nur die gemeinsame Spruchform , die sachliche und teilwei se terminologische Nähe sowie Gemeinsamkeiten, die sich etwa vom Einfluß der frühjüdischen Weisheit her aufdrängen. Aufgabe wird es demnach sein, Art und Um fang jener Gemeinsamkeiten zu ermitteln, die ja nicht unbedingt literarischer Art sein müssen. Zu der religionsgeschichtlich-exegetischen Auslegung wird dieser Ge sichtspunkt möglicherweise einen ergänzenden Anhaltspunkt für die theologische Ein ordnung des Jak bieten können. 1
1
V g l . den K o m m e n t a r zum Jak von A . Schlatter, Stuttgart, 2. Aufl.
1956.
17
ERSTER T E I L :
DIE WEISHEIT IM JAKOBUSBRIEF
A
V O L L K O M M E N H E I T U N D WEISHEIT A L S ETHISCHES ZIEL (Jak 1,2-12)
I.
Analyse
1
Die mit Jak 1,2 einsetzende erste Mahnung des Jak reicht zunächst bis V . 8 ; der klei ne Abschnitt 1,9-11 behandelt ein anderes Thema, das aus sich heraus verständlich ist. Ein durchgehender Zusammenhang der ersten Spruchreihe ist also von V.2 bis V.8 zu beobachten, der freilich aus zwei gedanklichen Schwerpunkten besteht: Voll kommenheit und Weisheit. Die Mahnung zur Vollkommenheit durch Geduld in der Anfechtung V v . 2 - 4 ist eng verbunden mit der Mahnung zur Bitte um Weisheit Vv. 5 - 8 . insofern das ev iir\hev\ \euioixevoi V.4 auf die Weisheit hin ausgelegt wird: zur Vollkommenheit gehört notwendig die Weisheit, die Gott gibt, wenn der Mensch in unerschütterlichem Glauben um sie bittet. Mit dem Makarismus V.12 kommt der Verf. auf V.2 zurück und schließt die Mahnung eschatologisch ab.
11.
Der theologische Leitgedanke der Spruchreihe
/.
Jak 1,2f.
-
Ein traditionelles
Motiv
Wie andere Mahnschriften, so beginnt auch unser Autor seinen Brief mit einem Hauptgedanken ; die Mahnung zur Geduld in der Anfechtung ist ein für den Jak theologisch bedeutsames Motiv und wird sachlich noch einmal in der Darstellung der atl. Vorbilder Abraham und Hiob aufgenommen, 2,21 ff; 5,1 lf. 2
Die hier am Beginn der Schrift vorgetragene Mahnung, in der Anfechtung Freude zu haben, knüpft an einen auch sonst im N T wiederkehrenden Gedanken des Frühjuden tums an. Wir wollen nun zunächst diese im N T sich verschiedenartig niederschlagen de Entfaltung der traditionellen Vorstellung auf ihre gemeinsame Grundlage hin un tersuchen, um auf diesem Hintergrund der theologischen Zielsetzung unseres Autors nachzugehen. Das Motiv von der Freude im Leiden findet sich im N T : Mt 5,12 (xäprjre K a i ayaWiäode) / Lk 6,23 (xäpr/Te er etieivy TT} fjjuepa); IPetr 4,13 (xäprjre ayaKkiCoßevoi)\
IPetr
1,6 (ev OJ ä 7 a X A t ä o Ö e ) ;
Hebr
10,34 (nerä
xapfc
npooeSe^aode)
Rom 5,3 gibt in enger terminologischer Berührung mit Jak l,2f. und IPetr l,6f. das Motiv wieder: K a i Kavxtoneda ev rafc dXityeoiv}
1
2
3
Hier wird die im R a h m e n der Ausführungen über die literarische Gattung des Jak und seine F o r m vorgetragene ausführliche Analyse (vgl. S . 2 - 4 ) nur kurz zusammengefaßt. V g l . Sir 1,1; S a p 1,1. J. T h o m a s , A n f e c h t u n g und V o r f r e u d e , in: K u D 1 4 ( 1 9 6 8 ) 1 8 3 - 2 0 6 , will zu der Motivgruppe „ F r e u d e im L e i d e n " noch 2 K o r 4 , 1 6 - 1 8 hinzufügen. D o r t , w i e Mt 5,12, fehle aber nicht nur die R o m 5 , 3 - 5 ; IPetr 1 , 5 - 7 ; Jak 1 , 2 - 4 vorhandene „klimaktische Struktur", sondern „das Element der B e w ä h r u n g in der G e d u l d ist zugunsten streng antithetischer A u s f o r m u n g ausgelassen" ( 1 8 5 A . 5 c ) . 2 K o r 4 , 1 6 - 1 8 hat aber traditions- wie motivgeschichtlich nichts mit unseren Leidensaussagen zu tun; hier geht es, u m mit R, Bultmann, D e r Zweite Brief an die Korinther, Göttingen 1976, 126 zu formulieren, u m den „Zukunftscharakter d e r fcor/."
18
Sicher ist anzunehmen, daß zwischen Jak l,2f. einerseits und Rom 5,3f. bzw. IPetr 1,6f. andererseits keine literarische Beziehung vorliegt, sondern den jeweiligen Aussa gen eine gemeinsame paränetische Tradition zugrundeliegt ; unsere Frage wird daher nach den gemeinsamen Grundelementen und dem Umfang jener Überlieferung gestellt werden müssen. Folgende Motive sind in der genannten und im N T aufgenommenen Tradition schematisch ausgeprägt: a) Zuruf zum Heil, der konstitutiv mit der Verfolgungs- und Anfechtungsaussage verbunden ist; b) Aufruf zur Freude mit der Begründung und Verheißung des künftigen Lohnes . Diese an den angeführten Stellen im N T ausgeprägten Motive sind in die frühjüdischweisheitliche und apokalyptische Tradition fest eingegangen, vgl. nur Apk Bar (syr) 48,48-50; 52,6; 54,16-18; 1QS 10,17; Judith 8,25; sachliche Parallelen sind auch Sap 3,4-6; 4Makk 9,29. An eine literarische Abhängigkeit ist wohl hier schon des halb nicht zu denken, weil die Überlieferung des Grundmotivs zu unterschiedlich ist . 1
2
3
Über die Verbindung von Freude und Leiden hinaus nehmen die in unserem Brief gemeinten Anfechtungen in der Tradition einen breiten Raum ein: IMakk 2,52; 4Makk 7,21-23; Sir 2,1-6; 4,11-18; 31,8-11; 44,19; Sap 2,17-19; Test X I I Jos 2,7, vgl. 10,1; Jub 19,8, vgl. A p . Vät. Herrn (mand) 9,5-7. Insgesamt kann man
1
2
3
Dibelius, Jak 104f. hat in der Untersuchung des literarischen Charakters und Verhältnisses von Jak l,2f. zu R o m 5 , 3 - 5 ; IPetr 1,6f. eine direkte literarische Beziehung zwischen den besproche nen Texten mit überzeugenden Gründen abgelehnt, vgl. E. L o h s e , G l a u b e und Werke 298; vgl. auch E. K ä s e m a n n , A n die R ö m e r ( H N T 8 a ) ; Tübingen 1973, 125; W . N a u c k , Freude im Leiden, in: Z N W 4 6 ( 1 9 5 5 ) 6 8 - 8 0 . 7 0 . Vgl. W . N a u c k , Freude im Leiden; in: Z N W 4 6 ( 1 9 5 5 ) 6 8 - 8 0 . V g l . N a u c k , F r e u d e im Leiden 76. L . R u p p e r t , D e r leidende Gerechte - Eine motivgeschichtliche Untersuchung zum Alten Testament und zwischentestamentlichen Judentum ( f z b 5 ) , Würzburg 1972, 1 7 6 - 1 7 9 will gegenüber der Hypothese von N a u c k , die Tradition von A p k Bar 4 8 , 4 8 - 5 0 ; 5 2 , 5 - 7 ; 54, 1 6 - 1 8 einerseits und eine hinter Mt 5,11 f. par; IPetr 4,13f. sowie Jak 1,2.12; IPetr l,6f. andererseits stehende Überlieferung ließen sich auf eine gemeinsame, v o m 7reipaa/!Öc Motiv geleitete Tradition zurückführen, die zur Freude angesichts des Leidens aufrufe ( F r e u d e im Leiden 7 6 ) , geltend machen, daß der netpaofiöq - G e d a n k e ursprünglich nichts mit der von A p k Bar bezeugten Tradition zu tun habe. In A p k Bar handle es sich u m ein „Erwählungsbestätigungsleiden"; das Leiden bestätige also nur die A u s e r w ä h l u n g für den k o m m e n d e n Ä o n , während IPetr. l,6f.; 4 , 1 2 - 1 4 ; Jak 1,2.12 der 7 r e i p a a p ö c die Möglichkeit zur B e w ä h r u n g sei und darin die V e r h e i ß u n g des Siegeskranzes liege, darin dann aber auch der A n l a ß zur Freude gegeben sei. Demgegenüber ist festzu halten, daß der G e d a n k e des Durchhaltens in der Bedrängnis in den von N a u c k angeführten T e x t e n durchaus gegeben ist, auch w e n n terminologisch die Entsprechung für 7 r e t p a a j u ö c fehlt (vgl. nur das Motiv der „ E r d u l d u n g " , das in A p k Bar 48,50 vorliegt). M . a . W . : A u c h w e n n man in Rechnung stellt, daß in A p k Bar das Leiden primär als Bestätigung der E r w ä h l u n g angesehen w i r d , kann man hier nicht grundsätzlich vom sog. „ B e w ä h r u n g s l e i d e n " unterscheiden. Besteht zwischen beiden Gesichtspunkten in der A p o k a l y p t i k keine T r e n n u n g , sondern gehen sie zumindest ineinander über, so besteht hier in der christlichen Literatur sicher keine Alternative, wie Mt 5,11 f. zeigen mag. Hier ist dann das E r w ä h lungsmotiv korrigiert durch die Person Jesu, wie auch R u p p e r t gut beobachtet: „ E s ist nicht mehr eine Verfolgung um der Zugehörigkeit zum k o m m e n d e n Ä o n willen, sondern um der Zugehörigkeit zu Je sus willen, durch den die Gottesherrschaft schon zum D u r c h b r u c h g e k o m m e n ist" ( D e r leidende G e rechte 177). D u r c h diese Korrektur wird der G e d a n k e der A u s e r w ä h l u n g zum künftigen L o h n aufge hoben u n d , w o h l k a u m ohne Einfluß des 7 r e t p a a p ö c -Motivs, dazu aufgefordert, die gegenwärtigen Bedrängnisse um Jesu willen zu bestehen. D a d u r c h tritt die einseitige H i n o r d n u n g auf den k o m m e n den Ä o n zurück und die B e w ä h r u n g in den gegenwärtigen Verfolgungen unter Hinweis auf das schon geschehene Heilshandeln Gottes in den V o r d e r g r u n d . Das G r u n d m o t i v besteht jedenfalls in dem verbreiteten G e d a n k e n , daß das gegenwärtige L e i d e n das Paradox der Freude in sich birgt.
19
1
mit W. Grundmann den Sachverhalt so beschreiben, „daß sich im Spätjudentum und Urchristentum angesichts mannigfacher Bedrängnisse eine Situation herausgebildet hat, in der Leiden um des Bekenntnisses willen als Zeichen der Erwählung verstanden wurde und Freude inmitten des Leidens auslöste".
2.
Literarischer
Jak
l,2f.
Vergleich von Jak l,2f
mit IPetr 1,6f. und Rom
Rom
IPetr
5,3-5
5,3-5
1,6f.
Ein Blick auf die Synopse von Jak 1,2; IPetr l,6f.; Rom 5,3—5 zeigt, daß zwischen den drei Texten auffallende terminologische Berührungen bestehen. Wenn wir auch keine literarische Abhängigkeit voraussetzen dürfen , so macht das doch die Vermu tung wahrscheinlich, daß hinter den (wohl in den Einzelaussagen verschiedenen) Über lieferungen eine fest formulierte Tradition steht, die die Verfasser aufgenommen und je anders interpretiert haben. 2
a)
Die Anfechtungen dXi\l/eiq)
(Jak 1,2 / IPetr
1,6: ireipaoßoi
TIOIK'IXOI;
Rom 5,3:
Zur Erklärung der neipaofioi Jak 1,2 muß der ganze Vers herangezogen werden: xapdv riyrioaode ist eine bewußt hervorgehobene Formulierung, die den ver meintlichen Widerspruch der Mahnung besonders deutlich hervortreten lassen w i l l ; diesem Zweck dient auch die sicher nicht zufällige Alliteration naoav ... neipaonoiq irepnreorjTe 7rouci'Xoie. Dem entspricht, daß mit näq die Uneingeschränktheit, die voll ständige Freude eigens hervorgehoben wird; in diesem Sinne kann das Wort im N T ohne
Träoav
3
1
Mt 134.
2
Vgl. oben S.19 A . l .
3
H a u c k , Jak 37, formuliert gut: „ D a s ist der stärkste Ausdruck völliger innerer Überlegenheit".
20
Artikel vor Substantiven stehen: Apg 4,29; 23,1; 2Kor 12,12; Phil 2,29 (/ierä TRDARJC xapdc ) , vgl. Epikt I I I , 22,10s , wo mit iräoa eipr\vr\ das Ziel des Kynikers gemeint ist, der innere und äußere Friede. 1
Wie sind nun des Näheren die neipaonoi TTOLK'IXOL Z U verstehen und welche Funktion haben sie? Der Konj. Aor. in der Wendung brav ireipaonofc itepnteoriTe TTOLKLXOK: bringt zum Ausdruck, daß „die Handlung des Nebensatzes der des Hauptsatzes vorangeht" , d.h. die -neipaoiioi sind als Anlaß der Freude zu verstehen, vgl. Mt 5,11 f. u.a. Solchen Anlaß zur Freude bilden aber in Jak 1,2, wie aus der vorliegen den Konstruktion hervorgeht und auch der sachliche Gedanke nahelegt, nicht jene •neipaoiioi, die in den apokalyptischen Schriften im Zusammenhang mit der eschatologischen Drangsal stehen, vgl. etwa lHen 94,5; 96,2f., die als Zeichen für das be vorstehende nahe Ende verstanden werden und den auserwählten Gerechten zur Ge wißheit für den bevorstehenden himmlischen Lohn werden. Mit der besprochenen Wendung ist vielmehr der Gedanke zum Ausdruck gebracht, daß die Hörer immer wieder in solche neipaonoi geraten, es sind Versuchungen, Anfechtungen und Be drängnisse, die die Christen hier und jetzt im Alltag bedrängen. Das zeigt neben nouciXoq , das die Verschiedenartigkeit der Art und Weise hervorhebt , besonders der Begriff 7repi7ri7rreii>: Das Wort wird überall vorwiegend als ein „in etwas Hineinge raten" verstanden. Diese Bedeutung findet sich im Griechentum wie auch in L X X , 2Makk 9,21, vgl. auch Test X I I Jos 10,3, in ähnlicher Bedeutung aber auch bei Philo und Josephus, hier oft im Sinne von „in Krankheit geraten" . Entsprechend sind auch die beiden übrigen ntl. Belege Lk 10,30; Apg 27,41 zu verstehen. 2
3
4
Eine Erklärungsmöglichkeit, solche Situation sinnvoll zu verstehen, ist in folgendem verbreiteten Gedanken gegeben: „ I n solchen Leiden treibt Gott verborgen, aber im Endeffekt deutlich das Werk einer Erziehung des Menschen. Die Vorstellung, daß Gott im Leben des Einzelnen eine heilsame Erziehung des Menschen veranstaltet - die von einer Erprobung ist damit nahe verwandt — nimmt im Alten Testament nur einen beschränkten Raum ein. Den Auseinandersetzungen der Beter mit ihrem Leiden in den Klagepsalmen ist sie fast völlig fremd. Dagegen nehmen die Weisheits lehrer das Thema gerne auf. Da sie selber mit der Erziehung von Menschen beschäf tigt waren und so viel von ihrem Nutzen hielten, ist es begreiflich, daß die Vorstel lung einer göttlichen Erziehung oder Züchtigung durch Leiden vor allem bei ihnen ihre Pflege fand" . Die weitere Aufnahme und Interpretation des -neipaoixös -Motivs scheint zu zeigen, daß der Verf. von dieser in der frühjüdisch-weisheitlichen Tradi tion verbreiteten Vorstellung her seine Konzeption gewinnt. Dies wird deutlich, wenn man die erwähnten Paralleltexte Rom 5,3—5; IPetr l,6f. in die Betrachtung einbezieht. 5
6
Auch Paulus kennt die Situation des Christen in der Anfechtung, in Bedrängnissen, die den Menschen unvorbereitet und ohne erkennbare Ursache treffen und über ihn hereinbrechen. Der Apostel nennt dies in der Kettenreihe Rom 5,3—5 die 0Xn/ue
1
2
3
4
5
6
jUT? TTOV raneivcooiq f? (pdövoq; tobe be noXXrj npoooxv eveKa virrioq peyKei. eiprjprj iräoa. W . B a u e r , W b , s.v. brav ( 1 1 6 5 ) . V g l . Seesemann, A r t . noLKiXoq ; in: T h W N T V I , 483f. V g l . Michaelis, A r t . nepmiTTTCO; in: T h W N T V I , 173f. G . v. R a d , Weisheit in Israel, Neukirchen 1970, 258f. V g l . nur Sir 2 , 1 - 6 ; 4 , 1 1 - 1 8 ; 4 4 , 1 9 ; Sap 2 , 1 7 - 1 9 u.a.
Kai
ovvTaotq
; TZÖV
y
b
OXXLOV
21
der Christen, die sachlich dasselbe aussagen dürfte wie die neipaopoi an unserer Stelle im Jak. Man darf annehmen, daß Paulus mit diesem Begriff terminologisch selbst ein gegriffen hat: denn während Jak 1,2 in der Wendung neipaoiioi TTOIKIXOI mit IPetr 1,6 übereinstimmt, verwendet Rom 5,3 den Begriff 0 X i > i c , der gut paulinische Züge trägt . Auch der Apostel kennt also die Situation des Glaubens in der Anfechtung, aber er fügt diese verbreitete Erfahrung konsequent in seine Theologie ein: entschei dend kommt es ihm darauf an, „daß die Gnade Gottes den Glauben unter dem Druck der Anfechtungen über sich selbst hinauswachsen läßt und er Segen gerade in die Anfechtung hineinlegt" . Das ist ja auch mit der eXrric gemeint: Gott wird die Hoffnung und das Vertrauen nicht enttäuschen. Leiden und Bedrängnis sind also nicht so sehr im Sinne göttlicher Erziehung verstanden, sondern, um mit E. Käsemann zu sprechen, „es spiegelt vielmehr den Schatten des Kreuzes, in welchem Gottes escha tologische Macht wirksam werden w i l l " . 1
2
3
Wir sehen: während der Verf. des Jak sein -neipaoiiöq -Motiv noch ganz im Rahmen der frühjüdisch-weisheitlichen Tradition bewahrt, hat Paulus den Gedanken in seine Kreuzestheologie eingefügt. Doch scheint auch der Jak bei aller Nähe zur weisheit lichen Überlieferung den theologischen Akzent verschoben zu haben: für unseren Autor sind die neipaoiioi nicht der eigentliche Gegenstand der Freude , sondern sie sind vielmehr der Anlaß, insofern in dem ireipaopoq die Verheißung der ßaoiXeia liegt. Es ist nicht so sehr der bereitete und hinterlegte Lohn, die Auserwählung für den kommenden Ä o n , der den Leiden den Charakter der Freude verleiht, sondern darin liegt der Grund zur Freude, daß sich das von Gott zugesagte Heü für den schon in der Gegenwart ereignet, der den rretpaa/xric als Bewährung des geschenkten Glaubens versteht. Gegenüber der Verlagerung der Freude in den kommenden Äon in den frühjüdischen Schriften nimmt unser Brief eine Neuakzentuierung des tradi tionellen Motivs vor, insofern die Gegenwart mit ihren Anfechtungen ernst genom men und positiv als Bewährung des Glaubens verstanden wird. Solchem Glauben verheißt Gott den „Kranz des Lebens"; dieser ist nicht so sehr als Lohn, der im Himmel bereitliegt, verstanden, sondern als Annahme und Bestätigung der Bewährung durch Gott anzusehen, wie das auf Soniniov V.2 zurückkommende SÖKipoq yepöpevoq V.12 nahelegt. Diese Verlagerung der Freude in die Gegenwart ist dem Jak mit den genannten ntl. Stellen gemeinsam, ohne freilich deren vielfältige christologische Be gründung. 4
5
6
1
iieipaoiiöq
2
O . Michel, Rom 132f. Rom 125. So etwa A p k Bar ( s y r ) 52,6f.: „ H a b t eure Lust an dem Leiden, das ihr jetzt leidet! D e n n w a rum schaut ihr darnach aus, d a ß eure Hasser zu Falle k o m m e n ? Bereitet euch vor auf das, was euch zugedacht ist, und macht euch geschickt für den L o h n , der für euch hinterlegt ist!". V g l . etwa l H e n 58,2; vgl. auch die o b e n S. 19 A . 3 genannten Stellen aus A p k Bar.r. Diese will freilich J. T h o m a s , A n f e c h t u n g und V o r f r e u d e , 186 hervorheben: In d e m „program matischen 'Haltet es für lauter F r e u d e ' drückt sich diejenige Klarheit eschatologischer G e w i ß h e i t aus, die in der Auferstehung Jesu ihren G r u n d hat (vgl. L k 2 4 , 2 5 - 2 7 . 3 2 ) . D e n Nachweis, daß r r i o r t e in Jak 1,2 die christologische Fülle paulinischer Aussagen beinhaltet, m u ß T h o m a s schuldig b l e i b e n , weil er nicht zu erbringen ist. Hier liegt w o h l ein nicht am T e x t begründbares christologisches Vorverständnis vor.
3
4
5
6
22
steht d r e i m a l ,
BXityiq
19mal in den echten Paulinen.
b)
Die Erprobung des Glaubens (Jak 1,3; IPetr 1,7; Rom
5,4)
Gemeinsam ist unseren drei Stellen auch das Motiv des boKipiov. SOKIIIIOP findet sich Jak 1,3; IPetr 1,7, den einzigen Stellen im N T überhaupt, und zwar jeweils in der Wendung TÖ boKiixiop rr\q iriarecoq . Paulus setzt Rom 5,4 SOKI/UT?. Das Wort dürfte auf paulinische Bildung zurückgehen, da es nur bei Paulus und boKiynov im N T ja nur an unseren beiden Stellen Jak 1,3; IPetr 1,7 vorkommt; sachlich haben aber 5 OK t/n? und SoKißiov dieselbe Bedeutung . Auf dem Hintergrund des erfahrenen Hei les gewinnt die Begriffsgruppe ihre Bedeutung in der Situation des Christen als von Gott mit dem Heil Beschenkten, der sich darin bewähren muß . 1
2
Bei aller sachlichen und terminologischen Nähe hat der Begriff in unseren Texten aber eine jeweils andere Funktion. Berücksichtigt man nämlich den ganzen Zusam menhang, so wird man feststellen können, daß der Gedanke von IPetr ein anderes Ziel verfolgt als Jak l,2ff. Eine erste Akzentverschiebung, die für den ganzen Kon text Konsequenzen hat, besteht darin, daß der Begriff SOKLULOP IPetr 1,7 wohl von einem anderen Grundbegriff herzuleiten ist als in Jak 1,3. boKißiop ist an der erstge nannten Stelle vom Adjektiv 5o/d/iioc herzuleiten und bedeutet die Echtheit des Glaubens, die sich in der Anfechtung erweist. Diesen Sinn bekommt der Spruch durch den Zusammenhang mit dem traditionellen Bild von der Bewährung des Gol des, vgl. Prov. 17,3; Sir 2,5. Der Autor des IPetr greift die ihm überlieferte Wendung auf, um die Notwendigkeit des Leidens als Ausweis der Echtheit des Glaubens in den Vordergrund zu stellen; diese Anfechtungen geschehen sozusagen ,,nach Gottes Plan" , und nur so kann der Glaube bei der Offenbarung Jesu Christi zu ,,Lob, Herr lichkeit und Ehre" führen. boKiynop irioretoq im Sinne der Echtheit des Glaubens ist hier also ganz auf das eschatologische Ereignis der Offenbarung Christi hin verstan den, insofern solcher Glaube nach Leiden und Anfechtungen seine Echtheit erwiesen hat. Den Gedanken der immer wieder notwendigen Bewährung in den gegenwärtigen Bedrängnissen hat der Verf. weiter ausgeführt und eschatologisch von der kommen den Herrlichkeit für den als echt erwiesenen Glauben her verstanden. 3
Demgegenüber bewahrt unser Brief das vorgegebene Motiv weitgehend in der überlie ferten Form. Für den Jak ist der Gedanke von Leiden und Bedrängnis zwar nicht belanglos, hat aber doch sicher nicht das gleiche Gewicht wie für IPetr. Denn „daß Christen unschuldig leiden müssen, ist ein Leitgedanke des ganzen IPetr; im Jak sind die entsprechenden Worte nicht von so allgemeiner Bedeutung" . Für Jak 1,3 kann nur die Vorstellung der vom weisheitlichen Erziehungsgedanken her zu verstehenden Erprobung des Glaubens ohne die theologisch ausführende Erläuterung, die in IPetr in dem Hinweis auf die eschatologische Offenbarung Christi liegt, geltend gemacht werden. Der Verf. des Jak betont an unserer Stelle vor allem die gegenwärtige Be währung in den immer wieder auftretenden Anfechtungen, die den Menschen zu Voll kommenheit und Weisheit führen soll, um hier schon den späteren Gedanken vorweg zunehmen. 4
1
2
3
4
V g l . W . G r u n d m a n n , A r t . bÖKifxoq KT\.; in: T h W N T I I , 2 5 8 - 2 6 4 . 2 6 l ; M i c h e l , R o m 132 A . 5 . Freilich hat der Begriff 5OKifiiov in der Auslegung des Jak u n d von IPetr einen j e w e ü s anderen Stellenwert, vgl. dazu weiter unten. W . G r u n d m a n n , A r t . SÖKißoq 259f. formuliert gut: „ D a s Verhalten, das sich daraus ergibt, ist das Ringen u m die B e w ä h r u n g , nämlich u m die B e w ä h r u n g des empfangenen Heues, u m in der Prüfung des Gerichtes als b e w ä h r t zu erscheinen". Schräge, K a t h . Br. 70. Dibelius, Jak 105.
23
Diese Auslegung, die botciiiiov rffq niorecoq als Erprobung des Glaubens versteht, wird denn auch von den meisten neueren Autoren vertreten . Demgegenüber will W. Grundmann aufgrund der mit IPetr l,6f. gemeinsamen Tradition ÖOK'LULOP TXK iriorecoq eher auch als „Echtheit des Glaubens" auslegen: „Das, was echt ist am Glauben, wirkt Geduld" . Nach diesem Vorschlag würde dann folgender Gedanke zum Ausdruck kommen: „Zur Freude in den Versuchungen wird deshalb aufgefor dert, weil echter Glaube die sie überwindende Geduld wirkt und darin sich bewährt" . Diese Auslegung findet ihre Begründung ausschließlich in der gemeinsamen Tradition mit IPetr 1,6 und berücksichtigt nicht die Möglichkeit, daß der Verf. des IPetr die Überlieferung aufgrund seines christologisch-soteriologischen Zusammenhangs anders akzentuiert haben kann als der Autor des Jak. 1
2
3
4
5
Paulus gibt mit SOKI/XT? Rom 5,4 denselben Sachverhalt wieder wie unser Brief mit SoKißiop, nämlich die Erprobung des Glaubens durch Ertragen in der Bedrängnis, wenngleich hinter der SOKLIITJ nicht wie Jak 1,3 der Gedanke der göttlichen Erzie hung steht, sondern der Einfluß der paulinischen Kreuzestheologie spürbar wird. 6
c)
Die
v-noßopr)
(Jak
1,3:
Rom
5,3)
Begriff und sachliche Aussage dessen, was Jak 1,3; Rom 5,3 mit der v-no/iop-f} aus drücken, fehlen an der Parallelstelle IPetr l,6f. völlig. „Geduld" oder „Beharrlichkeit" ist aber für die Kettenreihe Rom 5,3—5 ein theologisch wesentlicher Gesichtspunkt, und auch für unseren Brief bedeutsam, vgl. Jak 5,11. Die grundsätzliche terminologische Übereinstimmung zwischen Rom 5,3f. und Jak 1,3 zeigt, daß der Gedanke in der vorliegenden Tradition enthalten war. Allerdings findet sich der Begriff in der Kettenreihe des paulinischen Zusammenhangs an anderer Stel le und mit einer anderen theologischen Zielsetzung als im Paralleltext des Jak. Wir fragen daher wieder nach dem Motiv in der vorliegenden Überlieferung. Paulus geht Rom 5,3, wie schon erwähnt wurde, von der öXfi//t? aus, die sachlich gleichbedeutend mit den neipaonoi ist; während dann aber bei Paulus die Reihe viroßovri — 8oni[ir) — e\niq folgt, folgt Jak l,2f. aus der Erprobung des Glaubens die v-noßopfi; die Glieder viroßopri und boKLp.r\lboKLixiop sind also in beiden Schriften ver tauscht. Die Reihenfolge, wie sie aus dem Rom hervorgeht, macht von der Logik des Gedankens her einen nicht gerade überzeugenden Eindruck; denn sinnvoller erscheint es doch, wenn die Geduld eine Folge der Erprobung wäre, wie der Jak ausführt. Die Tatsache, daß IPetr l,6f. den neipaoßoi der Gedanke des SOK'LIILOP rffc nioTecos in nahezu wörtlicher Übereinstimmung mit Jak l,2f. folgt, verstärkt den Eindruck, daß der Jak auch hier die ursprüngliche Reihenfolge der Überlieferung beibehalten hat . 7
1
2
3
4
5
6
7
24
Dibelius, H a u c k , M u ß n e r , Windisch, Schräge, auch Meyer, Das Rätsel des Jacobusbriefes ( B Z N W 1 0 ) , G i e ß e n 1930, 76 A . 3 . „ . . . w e n n man hinter den beiden Formulierungen eine gemeinsame G r u n d l a g e in fest formulierter christlicher Paränese a n n i m m t " ( A r t . SÖKtßoq , in: T h W N T I I , 2 6 2 ) . ebd. ebd. V g l . o b e n S. 23 und A . 1. V g l . o b e n S. 22. D a s auch in der Tradition den Tteipaoßoi und dem SonißLOV folgende Motiv der imofiopri hat der Verf. von IPetr dann nicht weiterüberliefert, weil es für seine theologische Zielsetzung nicht wesentlich w a r .
Die Tatsache, daß unser Jak und Paulus wohl dieselben Begriffe und Motive, aber nicht die Reihenfolge und Ausführung gemeinsam überliefern, veranlaßt Dibelius zu der Feststellung: „Paulus liegt offenbar weniger an der Ausarbeitung des Gedankens als an der Aufzählung der Reihe Leiden - Beharrlichkeit - Bewährung — Hoffnung". Bei näherer Prüfung des paulinischen Zusammenhangs läßt sich freilich zeigen, daß die b-noßovri ihre theologische Bedeutung gerade in dieser Zusammenordnung des Kettenschlusses bekommt; das legt die e\niq am Schluß der Kettenreihe nahe, die auf den Apostel selbst zurückgeht und entscheidend für die paulinische Interpretation der überlieferten paränetischen Tradition ist: Die aus der Bewährung in den Bedrängnissen gründende Hoffnung beruht auf dem Glauben an das Ereignis der Liebe Gottes, welche die Existenz der Glaubenden prägt und bestimmt, und wird auch im Endgericht — daran dürfte der Apostel wohl hier denken — nicht zuschanden, Rom 5,5. Hier hat die bnonovri ihren theologischen Ort, insofern sie die Weise christlicher Existenz darstellt, die von „Hoffnung zu Hoffnung" führt. Wer aus der Hoffnung auf die 5ö£a Tovdeov lebt, Rom 5,2, dem werden die Bedrängnisse nicht zum Unheil, sondern zur Bewährung für die letzte Heilsbestimmung. Von diesem Gedanken her könnte Paulus jenes theologisch bedeutsame Motiv bewußt in den Mittelpunkt der von ihm aufgenommenen Kettenreihe gestellt haben, um den ihm eigenen Gedanken „von Hoff) nung auf Hoffnung" mit der b-noßovri zu verbinden. Die vnofiovn stellt Paulus nämlich nicht selten in unmittelbaren Zusammenhang mit der Hoffnung, vgl. Rom 12,12; 15,13, vgl. 8,25; IThess 1,3 , vgl. auch 2Thess 1,4. 1
2
Wir sehen: auch hier folgt unser Autor wohl der vorgegebenen Überlieferung und greift nicht weiter in sie ein, während Paulus die Begriffe und Motive aus der Tradition im Sinne seiner theologischen Konzeption neu zusammenordnet und entfaltet. Daß unsere Schrift die paränetische Tradition „als solche übernommen und vorgetragen" hat, wird auch durch andere, unserer Überlieferung sachlich und begrifflich nahestehende Aussagen der frühjüdischen Theologie belegt, wie ein kurzer Blick in die Begriffsgeschichte von b-noßeveivlbiioßov'q verdeutlichen kann. 3
Im A T ( L X X ) wird bnoneveLv/v-nopovri weitgehend mit einem Objekt verbunden, auf das man wartet und hofft. Das zeigen die drei häufigsten hebräischen Grundbegriffe kwh („das Harren und Hoffen als die gespannte Haltung des Menschen" ), jhl („das aushaltende und ausharrende Warten" , hkh (auf etwas warten: auf Jahwe harren, Ps 131,3). Das vno߀V€LP oder die bitoßovri richtet sich ganz auf Gott, beschreibt weniger den Zustand des den widrigen Einflüssen Ausgesetztseins als Erprobung des Menschen, sondern hat vielmehr das fromme Harren auf Gott, dessen Treue man erwarten kann, im Auge. Der Schwerpunkt des atl. Gedankens liegt also vornehmlich auf der Hoffnung auf Gott und dem Vertrauen auf sein Handeln. Diese Hoffnung verleiht dem Frommen aber „mit dem Vertrauen auf den das Recht schützenden und schließlich durchsetzenden Gott eine starke innere Fähigkeit des Aushaltens, die 4
5
1
2
3
4
5
Jak 104. V g l . H . Schlier, D e r Apostel u n d seine G e m e i n d e , Freiburg 1972, 19: „ D i e H o f f n u n g ist wirksam in ihrer G e d u l d , u n d diese ist ein A u s w e i s jener. Die G e d u l d wird durch die H o f f n u n g erzeugt und befestigt ihrerseits die H o f f n u n g immer w i e d e r von neuem. Die G e d u l d ist das A u s harren u n d gelassene Aushalten in der Bedrängnis, auf die Paulus in l,6f.; 2,14 u n d 3,3f. zu sprechen k o m m t . Für d e n ganzen Ausdruck ist R o m 5,2 ein späterer K o m m e n t a r " . W . N a u c k , Freude im Leiden, 79. H a u c k , A r t . y T T O j L i e ^ a ; KT\., in: T h W N T I V , 5 8 5 - 5 9 3 . 5 8 7 . ebd.
25
dann auch den stark quietistischen Charakter der harrenden und tragenden Geduld gewinnen kann" . Freilich kommt dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt nur verein zelt im A T zum Ausdruck, und zwar in den späteren Schriften . 1
2
Erst die frühjüdischen Schriften stellen den Gedanken des frommen Duldens gegen über den Widrigkeiten und Versuchungen, das Standhalten und geduldige Ausharren in den Vordergrund. Leitbilder der so erprobten Frommen sind Abraham und Hiob: Abraham wurde nach Jub 17.18 in zehn Versuchungen erprobt und gläubig erfunden, und ähnlich beschreibt das Test Hiob Hiob als den exemplarischen frommen Dulder, der nicht verzagte. Ähnliche Motive, die auf die Notwendigkeit der Geduld hinwei sen, finden sich auch Test X I I Jos 2,7; 10,1, vgl. 17,1; Sir 2,1-6. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß unsere Schrift gerade diesen Gedanken, der für die frühjüdische Theologie konstitutiv ist , aufgenommen und bewahrt hat. Be zeichnenderweise werden denn auch im Jak Abraham wenigstens der Sache nach, vgl. 2,21 ff, und Hiob ausdrücklich, vgl. 5,11, als die exemplarischen Frommen dar gestellt, die nicht verzagten, sondern in der Erprobung standhielten. 3
Hat unser Autor in die hinter Jak l,2f.; IPetr l,6f.; Rom 5,3—5 stehende und wohl fest formulierte Tradition keine größeren Eingriffe vorgenommen und sie weitgehend bewahrt, dann hat der überlieferte Gedanke etwa folgende Motive enthalten: Auffor derung zur Freude in den Bedrängnissen (die in der christlichen Tradition, auch in unserem Brief, in die Gegenwart eingeholt wird), da diese, als Erprobung durch Gott verstanden , die Geduld und Beharrlichkeit bewirken, die ihrerseits den Lohn erwarten lassen. 4
In bezug auf das Lohnmotiv ist freilich die nicht unwesentliche und schon angedeu tete Modifikation der Überlieferung durch unseren Autor zu beobachten: Es ist kaum zu übersehen, daß der frühjüdisch-apokalyptische auf den Gewinn angelegte Lohngedanke, der die Erwählung offenbar macht, in unserer Schrift so nicht aufge nommen wird, sondern durch den Gesichtspunkt der Bestätigung der Bewährung des Glaubens ersetzt ist, vgl. 1,12. Diese Neuakzentuierung hängt mit der Betonung der angesichts des erfahrenen Heils gegenwärtigen Freude zusammen, insofern solcher zugesagte Lohn bereits Gegenwart geworden ist, wenn der Mensch das von Gott ge schenkte Heil im Glauben bewährt . Wir werden darauf zurückkommen . 5
3.
Die Vollkommenheitsforderung
6
(Jak 1,4)
Damit kommen wir zur Auslegung der vom Verf. des Briefes im wesentlichen ur sprünglich beibehaltenen Überlieferung. Die Erprobung des in vielerlei Anfechtung ge ratenen Glaubens führt unseren Autor zu der Frage nach der Vollkommenheit des Christen . In der Vollkommenheit besteht das theologische Ziel der ersten Mahnung 7
1
2
3
4
5
6
7
26
H a u c k , ATLvTiopevGJ, 588. Vgl. ebd. V g l . U . L u c k , Weisheit u n d L e i d e n ; in: T h L Z 92 ( 1 9 6 7 ) , 2 6 4 - 2 6 7 . Dieser Gesichtspunkt tritt vor allem in der Weisheit in den V o r d e r g r u n d , vgl. Judith 8 , 2 5 - 2 7 ; Sap 3 , 4 - 6 . V g l . o b e n S. 22. V g l . unten S. W i r w e r d e n später noch sehen, d a ß auch der Evangelist Mt zwischen dem Leidensmotiv Mt 5,11 u n d der F o r d e r u n g nach V o l l k o m m e n h e i t Mt 5,48 einen Z u s a m m e n h a n g sieht.
des Jak. Diese Entfaltung und Auslegung der überlieferten Tradition ist sicher der theologischen Absicht unseres Verf. zuzuschreiben; denn einerseits fehlt der Gesichts punkt in den besprochenen Paralleltexten IPetr 1,6f.; Rom 5,3—5, und andererseits ist die Vollkommenheit ein Grundmotiv für unseren Brief, wie sich in der Untersu chung immer wieder zeigen wird. Hervorgehoben werden soll hier nur das Verständ nis der exemplarischen Gestalt des Abraham: auch in diesem sachlich sicher vergleich baren Zusammenhang muß der zur Vollkommenheit gelangte Glaube als theologisches Ziel verstanden werden . Wie sehr der Verf. des Jak aber dennoch in der Vorstel lung von der Vollkommenheit selbst von der Tradition beeinflußt ist, zeigt ein kur zer Blick in die Begriffsgeschichte von reXeicK. 1
a)
reXeioq
in der biblischen und außerbiblischen jüdischen Tradition
Dem griechischen reXeioq Hegen im hebräischen A T weitgehend die beiden Wortgrup pen tamim und salöm zugrunde, die vorwiegend die Bedeutung von „ganz, unver sehrt, vollständig, ungeteilt" haben . Diese mit den hebräischen Begriffen gemeinte ethische Qualifizierung wird im A T nie von Gott selbst ausgesagt , wohl aber wird Gottes Werk, d.h. sein Tun mit tamim bezeichnet, wofür L X X akr\0ivöq setzt, auch kann das Gesetz tamim sein. Grundsätzlich fehlt im A T der Gedanke, daß der Mensch so werden soll wie G o t t . 2
3
4
Die ethische Forderung nach Vollkommenheit oder besser: Ungeteiltheit kommt Dt 18,13 zum Ausdruck: tamim t hijäh 'im Jhwh l o h k übersetzt L X X mit r e X e i o q eorj evävTiov Kvpiov TOV 8eov oov. Hier ist an die Ungeteiltheit des Herzens gedacht, die sich ganz Gott hingibt und nicht „gleichzeitig noch Götzendienst, Zau berei und andere Greueltreiben" kennt. Die vollständige Herzenshingabe meint schließlich auch die wiederkehrende Wendung hajah l baboh salem 'im Jhwh l K ö 11,4; 15,3; 15,14, die L X X mit r\v r\ Kapbia CLVTOV r e X e t a / z e r d nvpiov übersetzt, vgl. auch l K ö 9,4. Hinter dieser Aussage steht die einflußreiche Vorstellung von dem vollkommenen Gerechten, der die Gebote von ganzem Herzen erfüllt. Dementspre chend ist dann das Kriterium für den vollkommenen König die Erscheinung Davids, der Jahwe vollständig folgte, l K ö 11,6, dessen Herz salem 'im Jhwh war, l K ö 11,4, vgl. 11,38. Diese Vorstellung ist von weitreichender Bedeutung, denn mit der hier angedeuteten Davidsüberlieferung sind „wesentliche Züge des deuteronomistischen Menschenbildes verbunden, nämlich von dem Menschen, dessen Herz ganz mit Jahwe e
ä
ä
a
5
e
1
2
3
4
5
Das T h e m a G l a u b e und W e r k , das Jak 2,14—26 diskutiert wird, k o m m t schon in 1,2—4 sach lich zur Sprache; vgl. G . Eichholz, G l a u b e u n d W e r k bei Paulus u n d Jakobus ( T E H 88); Mün chen 1961, 38f. Literatur: W . Trüling, Das w a h r e Israel ( S t A N T 10); München 3. A u f l . 1964, 194; H . Frankemölle, J a h w e b u n d u n d Kirche Christi ( N T A 1 0 NS);Münster 1974, 2 8 6 - 2 9 3 ; Schnackenburg, Die V o l l k o m m e n h e i t des Christen nach den Evangelien; in: G u L 6 ( 1 9 5 9 ) , 4 2 0 - 4 3 3 ; A . Deissler, Art. V o l l k o m m e n h e i t ( A T ) ; in: B T h W , 1 1 5 8 - 1 1 6 4 ; Mußner, A r t . V o l l k o m m e n h e i t ( N T ) ; in: B T h W 1164f.; Delling, A r t . r e X e i o e ; in: T h W N T V I I I , 5 0 - 8 8 . Z u den verschiedenen L X X - Ü b e r setzungen vgl. Trüling, Israel 194. V g l . dagegen im N T Mt 5,48. V g l . F.J. H e l f m e y e r , Die N a c h f o l g e Gottes im A T ( B B B 2 9 ) , B o n n 1968, 2 1 6 - 2 2 1 . Schnackenburg, V o l l k o m m e n h e i t 420.
27
1
ist und der von ganzem Herzen die Satzungen und Gebote Jahwes hält" . Auch sonst begegnet der Zusammenhang zwischen der Begriffsgruppe tamim in bezug auf die menschüche Vollkommenheit und der Beobachtung der Satzungen bzw. des Gesetzes sachlich und terminologisch: 2Sam 22,24.26; Prov 2,21; 10,5f.; Ps 119,1 u.ö. Nicht selten spricht das A T mit tam/tamim und seinen griechischen Äquivalenten im sitt lich-ethischen Bereich vom „Weg", vom „Wandern" oder „Wandeln": Gen 6,9, vgl. Sir 44,17; Gen 17,1; 2Sam 15,11; Ps 15,2; 18,33; 26,1.11; 101,2.6; Prov 2,7; 10,9; 11,20; 19,1; 20,7; 28,6.18. Ein direkter oder wenigstens sachlicher Zusammenhang zwischen dem tam/tamim-Motiv und der Weisheit ist im A T Prov 2,7; 29,10 vorhan den; das Adjektiv tarn ist im übrigen keineswegs ungewöhnlich für die Weisheitsspra che . 2
Aus dieser Zusammenstellung ist zu entnehmen, daß im hebräischen Kanon des A T im Vordergrund des Motivs die unbedingte Herzenshingabe an Gott steht, die lautere Gesinnung, die nur auf Jahwe vertraut und keine fremden Götter kennt. Der für die Vollkommenheitsvorstellung im Jak so wichtige Aspekt des Durchhaltens in der Be drängnis fehlt hier noch völlig. Dieses Bild erfährt in den spätjüdischen Schriften eine einflußreiche Umdeutung. Die schon im A T geläufigen Bilder des „Weges" oder des „Wandels" werden für den Be griff der Vollkommenheit in den Qumranschriften beherrschend und dienen oft als Selbstbezeichnung der Mitglieder des Bundes, vgl. nur 1 QS 1,8; 2,2; 3,9; 4,22; 5,24; 8,18.21; 9,6; 1 QH 1,36; 1 QM 14,7; CD 1,21; 2,15. Natürlich bedeuten „vollkom mener Wandel" und „vollkommener W e g " die Beobachtung des Gesetzes, den Wandel im Gesetz, vgl. 1 QS 1,8; 3,9; 9,9; 1 QH 1,35; 1 QSb 1,2; CD 1,21; 7,5; 20,5, der die Frommen des Bundes vom sonstigen Judentum trennt. Diesen Sachverhalt for muliert G. Barth gut: „Die Sekte unterscheidet sich vom offiziellen Judentum in ih rer Toraauslegung, die als Offenbarung gilt und in verschiedenen Punkten strenger ist als die des offiziellen Judentums. Daher die Betonung, daß das ganze Gesetz gehalten werden müsse, und der Kampf gegen die Lügenpropheten, die das bestreiten und A b fall von der Tora lehren. Wer dieses 'Mehr' hält, das die Toraauslegung vom offiziel len Judentum unterscheidet, ist tamim." 3
Auf den Wandel nach dem Gesetz bezieht sich auch die äirXörriq in den Test X I I , vgl. Test Sim 4,5; Lev 13,1; Iss 3; 4,1.6; 5,1; 6,1; Benj 6,7. Gemeint ist hier vor allem die Einfalt des Herzens, die keine Zwiespältigkeit duldet . Von besonderem In teresse für das Verständnis des Vollkommenheitsmotivs im Jak ist die LXX-Stelle Sap 9,6: die Vollkommenheit des Menschen wird für nichts erachtet, wenn die Weis heit fehlt ; Sap 9,5 macht deutlich, daß auch an dieser Stelle der Zusammenhang von Gesetzeserfüllung und Vollkommenheit betont wird. 4
5
1
2
3
4
5
G . v o n R a d , Theologie des A T I ; München 6 . A u f l . 1969, 357; vgl. dazu noch l K ö 11,33; 15,5. V g l . Deissler, A r t . V o l l k o m m e n h e i t , 1158 ( m i t Belegen). D a s Gesetzesverständnis des Evangelisten Matthäus; in: B o r n k a m m - B a r t h - H e l d , Überlieferung u n d Auslegung im Matthäusevangelium ( W M A N T 1), Neukirchen 6 . A u f l . 1970, 5 4 - 1 5 4 . 9 1 f. D e r in L X X verwendeten W o r t g r u p p e äir\— liegt im A T verschiedentlich der schon erwähnte S t a m m tarn— zugrunde; vgl. für die Bedeutung Sap l , l . V g l . dazu J. Fichtner, Weisheit Salomons ( H A T 2. Reihe, B d . 6 ) Tübingen 1938, 37; P. Hei nisch, D a s B u c h der Weisheit ( E H A T B d . 2 4 ) Münster 1912, 183. U . L u c k , Die V o l l k o m m e n heitsforderung der Bergpredigt ( T E H 150); München 1968, 31 sieht in der V o l l k o m m e n h e i t Sap 9,6 „die höchste Stufe, die der Mensch erreichen kann. Er kann sie aber tatsächlich erst erklim men, w e n n die Weisheit Gottes selbst z u m Wirken k o m m t " .
28
Überblicken wir die Vollkommenheitsaussagen in der biblischen und außerbiblischen jüdischen Tradition, so können wir eine gewisse Akzentverlagerung feststellen: wäh rend im hebräischen A T weitgehend die lautere Gesinnung Gott gegenüber und die ethische Rechtschaffenheit im Vordergrund stehen, konzentriert sich der Gedanke in den frühjüdischen Schriften, aber ansatzweise auch schon in Sap, immer mehr auf die Erfüllung des Gesetzes. So verstehen sich vor allem die Qumran-Frommen als Täter der Tora und damit als die Gemeinde der Vollkommenen und legitimen Träger und Vertreter des Judentums.
b)
TeAeuK
in der stoischen Ethik
Die Frage nach der sittlichen Vollkommenheit des Menschen ist ein Grundproblem im Denken des Stoikers, ja, die Vollkommenheit ist das Hochziel jeder stoischen Ethik, dem wichtigsten Gebiet der Philosophie . Grundlage für die ethische Predigt ist die prinzipielle und schlechthin entscheidende Erkenntnis, „daß der Mensch ein Glied des von Gott durchwalteten Kosmos ist" , ist seine Verwandtschaft mit Gott, Epikt 1,9, bzw. sein Gehorsam gegenüber Gott, Epikt I, 30, 1.4; I V , 7,20, vgl. auch III, 26,30, ja, der Mensch muß überhaupt in seinem Reden und Tun Nachahmer Got tes sein, Epikt II 14,13, vgl. Plut comm. not. 3 2 . Freilich muß man wissen, was „Unterordnung unter Gottes Willen" oder „Nachahmer Gottes" bedeutet: Die „Er kenntnis Gottes, seines Wesens und Willens, kommt ... nicht anders zustande, als die Erkenntnis der Wahrheit überhaupt, nämlich durch die denkende Entwicklung der an geborenen Begriffe" . Dementsprechend wird man zwischen autonomer und theonomer Begründung der Ethik keinen prinzipiellen Unterschied sehen dürfen, insofern der Mensch die Tugend aus der erwerbbaren und zu erwerbenden Erkenntnis der Wahr heit sich aneignet und damit der aus seiner Verwandtschaft mit Gott folgenden sitt lichen Verpflichtung nachkommt; als solches Vernunftwesen ist der Mensch unabhän gig und frei verfügend, vgl. SVF II 528, denn das Wesen des Menschen selbst ist ja im Grund göttlich, und dies sind Verstand, Wissen, rechte Vernunft, weshalb er allein einer Gemeinschaft mit Gott fähig ist, Epikt I, 9,5. 1
2
3
4
Dieser Grundgedanke der Selbstfindung des Menschen als Vernunftwesen, „das in sich selbst Animalisches und Göttliches vereint" , sieht die ethische Maxime in einem der Natur gemäßen Leben, vgl. Epikt I, 6,19.22; in der Natur der Dinge ist ja die Wahrheit, die der Mensch zu erkennen sucht, vorfindlich, Epikt I I , 2,14. Von daher ist es Aufgabe des guten und zur Vollkommenheit strebenden Menschen, seine Vorstellungen der Natur gemäß zu gebrauchen, liegt doch in der Seele die von der 5
1
U n t e r den drei Lehrstücken der stoischen Philosophie, L o g i k , Physik u n d Ethik nimmt die Ethik einen besonderen Rang ein. Das zeigt die Bemerkung bei Sextus, w o das stoische „ S y s t e m " mit d e m menschlichen Organismus verglichen w i r d : Blut und Fleisch seien die Physik, K n o c h e n und Nerven die L o g i k , die Seele aber die Ethik ( S V F I I , 3 8 ) . Z w a r teüt Diog. Laert. V I I , 4 0 ( S V F I I , 3 8 ) diese D e u t u n g nicht, w e n n er die Physik als die wichtigste Disziplin in den Mittelpunkt rückt, d o c h wird man entsprechend d e m N a c h w e i s von A . B o n h ö f f e r , Epiktet u n d die Stoa, Stuttgart 1896, 16f. d e m Sextus den V o r z u g geben. Schließlich räumt Epiktet mehr als die anderen Stoiker der Ethik den zentralen Rang ein, vgl. M . Pohlenz, Die Stoa I, Göttingen 3. A u f l . 1964, 328.
2
Pohlenz, Stoa I, 328. ob jap ädävoLTOV Kai nanäptov ßövov npoXaußäveodai Kai voeiodai. B o n h ö f f e r , Ethik 3. Pohlenz, Stoa I , 328.
3
4
5
dAXd
K a i (ptXdvdpwnov
Kai
d>0eXijuoy
29
Natur gegebene Anlage, das Wahre zu suchen und das Falsche zu verwerfen, Epikt I I I , 3,2; vgl. die ganze Abhandlung 111,3. Hier hat nun die Philosophie ihre zentrale Funktion, denn sie ist es, die die Anwei sung gibt, daß sich das oberste Seelenvermögen der Natur gemäß verhalte, Epikt I I I , 9,11; vgl. I I I , l O J O . A u f solches Leben können keine äußeren Widrigkeiten negativ einwirken, denn alles hängt vom Menschen selber ab; das bedeutet, daß er alles, was in seiner Macht steht, in den besten Zustand bringt und alles andere so gebraucht, „wie es seine Natur erlaubt", Epikt I, 1,17. Er muß eben sein Inneres mit dem, was geschieht, so in Einklang bringen, daß er unter keinem Zwang leidet, unter keiner Ge walt steht. Damit wird die Ethik völlig in den Willen des Menschen hinein verlagert, denn nur seine Anschauungen sind verantwortlich für sein Handeln, Epikt I, 1,34—37, und alles, was nicht von seinem eigenen Willen abhängt, hat nichts zu bedeuten, Epikt 1,30, nur im Willen liegt das Gute und das Böse, ja, die Bemühung um äußere Dinge wirkt sich negativ aus, Epikt 11,16. Kann aber den freien Willen nichts beein trächtigen, Epikt I I I , 18.19, so liegt darin die gedankliche Konsequenz, daß man von äußeren Einflüssen nicht nur nicht berührt wird, sondern man sie in jedem Fall zum Vorteil für sich wenden kann. 1
Freilich ist der Stoiker sich seines Unvermögens und seiner Fehlerhaftigkeit bewußt, der Anfang der Philosophie ist denn auch überhaupt „die Erkenntnis der Schwäche und des eigenen Unvermögens in den notwendigen Dingen", Epikt I I , 11,1. Den A b stand zu den Weisen betont gerade auch Epiktet, vgl. I , 2,36 , doch darf man sich bei aller Fehlerhaftigkeit und allem Versagen nicht entmutigen lassen, Epikt I I I , 25,1—4. Denn Epiktet hält ja ein vollständig mit der Natur übereinstimmendes Leben keineswegs für unmöglich, im Gegenteil: das ist das Hochziel seiner Lehre, die unbe dingt zu erreichende und erreichbare Vollkommenheit des Menschen, vgl. nur Epikt III, 1,25 . Natürlich ist es nicht möglich, vor allen Fehlern sicher zu sein, aber man kann doch immer darauf eingestellt sein, keinen Fehler zu begehen, und es bedeutet immer schon einen Fortschritt, wenn man einige Fehler verhütet, vgl. Epikt I V , 12,19. Dementsprechend wird die Vorstellung von der Vollkommenheit als ein Fortschreiten in der Tugend verstanden. Diesen Prozeß beschreibt der Stoiker mit dem Begriff des -npoKÖiiTcop, dem Fortschreiten von der Abkehr vom bisherigen sündhaften Leben bis zur Erreichung der Vollkommenheit . Diese ist insofern immer aus eigener Kraft er2
3
4
1
2
3
4
30
Entsprechend ist das S t u d i u m primär praktisch orientiert. S t u d i u m u n d A n w e n d u n g , Theorie und Praxis stehen in einer untrennbaren Einheit, vgl. Epikt I , 2 6 , 1 - 5 ; I I , 16; 11,18; I I , 9,13.17 ff; 11,24; 17,3f.; 17,39; 21,10; I I I , 7,18; 2 4 , 1 1 0 . 1 1 8 ; I V , 4,14; denn am Handeln gegenüber der Theorie, der Tat gegenüber W o r t u n d R e d e n , erweist sich der stoische Weise. V g l . auch Sen vit. b . 17,3: „ F ü r jetzt sage ich nur das eine: ich bin kein Weiser - u m dich vollends ge gen mich einzunehmen — aus mir w i r d auch niemals einer w e r d e n . Verlange d o c h nicht von mir, daß ich es mit den Besten aufnehmen k a n n , sondern höchstens, daß ich besser sei als die Schlechten. M i r genügt es, w e n n ich täglich meine Fehler etwas zu verringern u n d mein Irren zu beklagen vermag". D i e wichtigsten Elemente des Ideals der persönlichen V o l l k o m m e n h e i t sind nach Epiktet „die unbe dingte E r g e b u n g in den Weltenlauf, die Zufriedenheit mit allem Geschehenden, die innere E r h e b u n g über alle Ü b e l des L e b e n s , die Freiheit v o n Furcht, Trauer u n d Angst, überhaupt von allen die freie Selbstbestimmung störenden A f f e k t e n u n d Leidenschaften" ( A . B o n h ö f f e r , Ethik 6 0 ) . Z u m Verständnis der V o l l k o m m e n h e i t als der Verwirklichung aller T u g e n d e n vgl. S V F I I I , 299; I I I , 557. D e m Fortschreiten hat Epiktet ein eigenes Lehrstück g e w i d m e t , Epikt 1,4: -nepi TTpOKOTTriq ; v g l . Epikt E n c h 5 1 , l f .
reichbar, als sie in der Selbsterkenntnis des Menschen grundsätzlich angelegt ist und in dem naturgemäßen Gebrauch der Vorstellungen zu ihrem Ziel kommt, vgl. Epikt III,
1
1,2s .
Überblicken wir nun den hier kurz angedeuteten Vollkommenheitsgedanken in der religiösen und profanen Tradition, so sehen wir: Das Streben nach ethischer Voll kommenheit ist ein verbreitetes Motiv der biblischen und außerbiblischen jüdischen Überlieferung wie auch der zeitgenössischen Popularphilosophie. Daß unser Jak mit seiner Vollkommenheitsforderung von der traditionellen Umwelt beeinflußt ist, ist kaum grundsätzlich in Frage zu stellen. Ist es die Ganzheit und Ungeteiltheit des A T , die mit dem Wortstamm t - m - m gemeint ist, die Vollkommenheit durch Gesetzes treue und Beobachtung aller Gebote (Frühjudentum) oder ist hier eher an die Ver bindung des Zusammenwirkens aller Tugenden zu denken, die in Weiterführung der Vorstellung von der aristotelischen r e X e i a a p e r i ? das hellenistische Vollkommenheits ideal bestimmt? Daß sich die Linien nicht völlig voneinander trennen lassen, zeigt die das alttestamentliche Erbe in der Konfrontation mit der hellenistischen Welt ver tretende Sapientia Salomonis, vgl. die genannte Stelle Sap 9,6 . 2
3
Nun wird allgemein das reXeioe-Verständnis des Jak von der atl. Ganzheit und Ungeteiltheit her verstanden ; berücksichtigt man aber das parallele öXö/cXrjpoe , so wird der Einfluß des hellenistischen reXeioc-Gedankens nicht zu übersehen sein. öXö/cXi?poc bezeichnet oft die Vollständigkeit und ist in der Verbindung mit re'Xeioe nicht sel ten belegt: Dio Chrys Or. 12,34; Plut De comm. notiis 1069f.; Quaest conv II, 636f.; Philo De migr Abr 33; De sacrif. A b et Caini 43; vgl. Deus Imm 4; De Abr 47. A u f die Vollständigkeit zielt auch Sap 15,3; 4Makk 15,17. Freilich ergibt sich aus unse rer Darstellung des Vollkommenheitsgedankens in der Popularphilosophie der bezeich nende inhaltliche Unterschied, daß gegenüber dem Leidensmotiv im Jak und der christlichen Tradition in der Stoa nicht das Durchhalten und Durchstehen der Leiden und Bedrängnisse, d.h. deren positive Bewältigung die Vollkommenheit erwirken, son dern gerade die Unberührbarkeit und Unbeeinflußbarkeit durch alle äußeren Widrig keiten angesichts der Selbstverfügbarkeit des Menschen den Vollkommenen ausmachen, 4
5
Halten wir den Gedanken unseres Autors bis hierher fest: Jak l,2f. nimmt eine im Weisheitsstil geprägte, wohl fest formulierte Tradition auf und greift in diese Über lieferung nicht weiter ein; gegenüber dem christologisch-soteriologischen Verständnis von IPetr l,6f. oder der von der Kreuzestheologie beeinflußten paulinischen Entfal tung der Überlieferung Rom 5,3—5 legt unser Autor in 1,4 das Motiv von der Freu de im Leiden auf die Vollkommenheit des Christen hin aus. Auch unsere Schrift geht wie IPetr 1,6f. und Rom 5,3—5 vom Glauben aus; dieser aber bedeutet noch nicht selbst das ganze Heil, sondern muß sich bewähren und zur Vollkommenheit kommen, vgl. auch Jak 2,21 ff. Das geschieht dadurch, daß er den Menschen in An6
1
2
3
4
5
6
„ D a s reXeioq des Menschen als X Ö 7 0 c - W e s e n ist ... dann erfüllt, w e n n der X Ö 7 0 C im Menschen in seinem konkreten Verhalten mit dem A I I - X Ö 7 0 C vollständig übereinstimmt" ( U . Wilckens, Weisheit u n d Torheit; Tübingen 1959, 243 f . ) . D a ß Gesetzestreue u n d der G e d a n k e des Durchhaltens in den Zeiten der N o t in einem Z u s a m menhang stehen, w e r d e n wir n o c h sehen, vgl. unten S. 63f. Sap 8,7 w e r d e n die Früchte der Gerechtigkeit in den vier Kardinaltugenden gesehen. So zuletzt Schräge, K a t h . B r . 15; M u ß n e r , Jak 66; vgl. Delling, A r t . reXetoq , 75 f.; Dibelius, Jak 103 versteht r e X e t o t Kai öXÖkXtjpol im Sinne der „sittliche(n) Integrität". V g l . den Ü b e r b l i c k bei W . Foerster, Art. bXÖKXripoq; in: T h W N T I I I 765f. V g l . O . Michel, Rom 132f.
31
fechtung und Bedrängnis hält und zum Durchhalten und Ertragen befähigt. Solcher Glaube, der sich als unbedingtes und nichtzweifelndes Vertrauen auf Gott und sein Erprobungshandeln einläßt, führt den Christen zur Vollkommenheit.
4.
Die Bindung der Vollkommenheit
an die Weisheit (Jak 1,5)
Die von unserem Autor vorgenommene Auslegung der besprochenen Tradition auf das theologische Ziel der Vollkommenheit muß in einem weiteren Zusammenhang ge sehen werden, denn V.4 ist sachlich eng an die von Gott kommende Weisheit gebun den, V.5. Dieser oft bestrittene Zusammenhang legt sich einmal vom Text unseres Briefes selbst her nahe: Mit ev ßrjöevi XetnönevoL wird der erste Gedanke scheinbar abgeschlossen. Die nun folgende die erste Mahnung erweiternde und begründende Einheit knüpft mit dem Stichwortanschluß ei ... Xe'meTai an V.4 an und bringt zum Ausdruck, daß Vollkommenheit nur da möglich ist, wo die erbetene Weisheit zum Wirken kommt. Dieser Anschluß ist keineswegs so zu verstehen, daß hier zwei unab hängige und beziehungslose Spruchreihen, die allein aus sich heraus zu erklären wä ren, durch den Stichwortanschluß formal miteinander verbunden werden , sondern der gegebene sachliche Zusammenhang wird durch den Anschluß ei ... Xe'nxeTai auch formal hergestellt. 1
2
3
4
Über diese Beobachtung hinaus ist dann aber vor allem zu bedenken, daß der inhalt liche wie auch der terminologische Zusammenhang von Vollkommenheit und Weisheit in allen religionsgeschichtlichen Strömungen nachgewiesen werden kann, sowohl im A T , Frühjudentum wie auch in der zeitgenössischen Philosophie . Wird die Verbin dung im hebräischen A T nur in der Spruchweisheit erkennbar, Prov 2,7; 29,10, so daß man nicht eigentlich von einem atl. Gedanken sprechen kann, so verdichtet er sich doch in der frühjüdischen Weisheit und der apokalyptischen Literatur, vgl. 1 QS 4,22; 1 QH 1,36; 1 QSa 1,28, vgl. 1 QS 9,18; Sap 9,6; 6 . 1 2 - 2 5 . 5
6
1
2
3
4
5
6
V g l . A. 3. V g l . o b e n S. 2. S o J. Schneider, die Kirchenbriefe ( N T D 10), Göttingen 1967, 6; Windisch, K a t h . B r . 6; D i b e lius, Jak 106. Dibelius, e b d . , vertritt die Meinung, durch den Stichwortanschluß w o l l e der A u t o r v o n ev nrjSevi Xemöixevoi auf das G e b e t k o m m e n . Die zentrale Bedeutung der Weisheit im vorliegenden Z u s a m m e n h a n g kann er aber nur deshalb übersehen, weil nach seiner Ansicht der A u t o r ihren „uneingeschränkten Besitz" nicht als notwendig für den Christen erachtet. Damit aber wird ein wesentlicher theologischer Gesichtspunkt des Briefes übersehen. V o m G e b e t , das Dibelius für das eigentliche T h e m a von V v . 5 - 8 hält, ist aber w o h l primär deshalb die R e d e , weil G o t t die Weisheit nur auf die Bitte des Menschen hin schenkt. Das G e b e t u m Weisheit hat in der Tradition schon eine wichtige R o l l e gespielt, vgl. nur Sap 8,21; 9,1 ff. A u c h in 3,13 steht die Weisheit mit der V o l l k o m m e n h e i t in einem inhaltlichen Zusammenhang, vgl. o b e n S. 9 u n d weiter unten S. 44ff. V g l . den gründlichen Überblick bei M u ß n e r , Jak 68 und Schräge, Kath. Br. 15f., der besonders auf die frühjüdische Weisheitsliteratur hinweist. Schon Spitta, Jak 20 hatte auf Sap 9,6 aufmerk sam gemacht. V g l . auch den sachlichen Z u s a m m e n h a n g in 11 Q P s X V I I I , 3 - 5 : V e r b i n d e t mit den G u t e n eure Seelen und ( d e n ) V o l l k o m m e n e n , ( d e n ) Höchsten zu preisen! K o m m t zusammen, k u n d z u t u n seine Hilfe, und zögert nicht, k u n d z u t u n seine Stärke und seinen R u h m allen Einfältigen! D e n n k u n d z u t u n Jahwes Herrlichkeit, ist ( d i e ) Weisheit gegeben. ( Ü b e r s e t z u n g nach D . Lührmann, Ein Weisheitspsalm aus Q u m r a n (11 Q P s X V I I I ; in: Z A W 80 (1968), 87-98.89). a
a
32
Zweifellos konstitutiv ist er auch in der zeitgenössischen Popularphilosophie gege ben . 1
Diese Gründe dürften es nahelegen, die Weisheit in unserem Kontext als den Ver ständnishorizont der Vollkommenheitsforderung zu betrachten; erst in der von Gott kommenden Weisheit wird das in V.4 geforderte ethische Ziel möglich. Grundlegend für das Verständnis von Weisheit im Jak ist der Gedanke, daß sie keine Eigenleistung des Menschen als selbstmächtiger Verwirklichung ist und so allein in menschlichem Bemühen begründet wäre, sondern nur als Gabe von Gott erbeten werden kann . Daß von Gott als alleinigem Geber die Weisheit ausgehen muß, um für den Menschen greifbar zu werden , unterstreicht vor allem die frühjüdische Weisheitstheologie, vgl. Sir 1,1; 1,26; vgl. 39,6; 24,2f.; 17,11; Sap 7,7.15; 8,21; 9,4, vgl. 9,2; ihr eigentli cher Gegenstand ist solche Weisheit und dem wendet sich jene Lehre z u . 2
3
4
a)
Die Entfaltung der frühjüdischen Weisheit in ihren Hauptvertretern
Aus der Verbundenheit unseres Briefes mit der Weisheit des frühen Judentums ergibt sich notwendig die Frage nach ihrem Verständnis in den Weisheitsschriften. Dabei kann es nur darum gehen, die Entfaltung der Weisheit in einigen für unsere Frage stellung wesentlichen Gesichtspunkten zu beobachten , um von hier aus dem Pro blem des Hintergrundes unseres Textes und anderer Weisheitsaussagen im Jak nach zugehen. 5
a)
Jesus Sirach
Die Entfaltung der Weisheit in Israel hat verschiedene Ausformungen und Vorstellun gen hervorgebracht, von der Erfahrungsweisheit des Anfangs über jene Krise, die Hiot) und Qohelet radikal anzeigen, bis hin zur nachexilischen Gestalt der Offenbarungs weisheit in den verschiedenen Ausgestaltungen. In dieser Entwicklung gewinnt die Weisheit des Jesus Sirach große Bedeutung und weitreichenden Einfluß . Sie unter scheidet sich vielfältig in Fragestellung und Ausdrucksform von der älteren Weisheit, so sehr Sir auf die Lehrüberlieferung der Alten hinweist und so sehr er vor deren Verachtung warnt, vgl. Sir 8,9. Aber die neue Situation und geschichtliche Stellung wird doch deutlich. Sie besteht in der aufkommenden Auseinandersetzung mit dem 6
1
2
3
4
5
6
S V F I I I 557, vgl. S V F I I I 589; vgl. auch B o n h ö f f e r , D i e Ethik 1 4 7 - 1 4 9 ; Epictet u n d die Stoa 2f. Ist die These zutreffend, d a ß die V o l l k o m m e n h e i t s f o r d e r u n g in ihrem weisheitlichen H o r i z o n t ihre eigentliche B e d e u t u n g gewinnt, dann leidet die v o n W . Schräge, K a t h . B r . 15 v o r g e n o m m e n e Ausle gung, daß das T u n das „Sein des Menschen" konstituiere, unter einer verzerrenden Verkürzung; d u r c h die v o n G o t t k o m m e n d e Weisheit w i r d ja erst das T u n ermöglicht. S c h o n H i o b spricht d a v o n , daß die Weisheit bei G o t t ist; sie ist aber auch für den Menschen unerreich bar, w i e 28,20ff sehr radikal z u m A u s d r u c k bringt. V g l . G . von R a d , Weisheit in Israel, 3 1 1 . Eine Studie zu Prov 1 —9 hoffe ich demnächst vorlegen zu können. Umfassende A r b e i t e n zu d e n Weis heitsschriften sind bei J. M a r b ö c k , Weisheit im W a n d e l ( B B B 3 7 ) ; B o n n 1971, 3.6 A . 2 verzeichnet, vgl. nun noch: B . L a n g , F r a u Weisheit, Düsseldorf 1975. Bei Sir geht es programmatisch u m das T h e m a der Weisheit, wie J. M a r b ö c k , Weisheit herausar beitet.
33
1
hellenistischen Geist . Formal zeigen das die überschriftartigen Übergänge der A b schnitte an , auch in der Tatsache, daß Sirach „seine Gedanken nur ganz selten in selbständigen Einzelsprüchen ausdrückt, sondern in der Regel bestimmte feste Thema ta in größeren Einheiten behandelt, liegt eine Neuerung gegenüber der älteren Weis heit" . Zeugen diese Neuheiten von einer Berührung mit hellenistischen Literaturfor men, so wird die auch inhaltliche Auseinandersetzung mit dem hellenistischen Ein fluß in jenem Weisheitslied greifbar, das uns im Prolog des Buches vorliegt und eine gute Einsicht in die Gedankenwelt des Jesus Sirach vermittelt, Sir 1,1 — 10. Gleich zu Beginn seines Buches betont Sir, daß alle Weisheit vom Herrn kommt (iräaa oo<j>ia 2
3
Tiapä
Kvpiov)
und
bei ihm
auf ewig ist. Diese über Prov 1,7
(äpxri
oo<j>iaq
Qößoq
9eov) hinausgehende Aussage muß in ihrem geistesgeschichtlichen Zusammenhang ge sehen werden . Solche theo - logische Weisheit ist dabei immer sowohl das dem Menschen gegenüberstehende Objekt wie auch die vom Menschen zu praktizierende Weisheit, die man von Gott empfangen kann und aufnehmen muß , vgl. Sir 24,19— 22. Hier aber vollzieht sich ein entscheidender Wandel gegenüber der Funktion der Weisheit in der Tradition: war die israelitische Weisheit, wie sie uns in Hiob, Qohelet und weithin auch Prov begegnet, eher universal ausgerichtet und von „allgemein menschlichem Gepräge" , wendete sie sich im wesentlichen an den Einzelmenschen und sein Geschick, ohne ihn in die Geschichte und den Weg des Volkes oder Bundes hineinzunehmen, so tritt nun das Neue hervor: Weisheit wird als exklusive Gabe Got tes an sein Volk verstanden und hat in Israel eine Bleibe gefunden. Die neue Einbe ziehung in die Geschichte Israels zeigt sich unübersehbar in dem gegenüber der weit hin geschichtslosen älteren Weisheit überraschenden Lob der Väter, Sir 44ff. 4
5
6
1
2
3
4
5
6
34
V g l . M . Hengel, Judentum u n d Hellenismus ( W U N T 10); Tübingen 2. A u f l . 1973, 241 ff. N a c h M . Hengel, Judentum 242, zeugen diese Eigenheiten v o m Einfluß „ v o n hellenistischen G e b r ä u chen" u n d stellen „ein N o v u m in der hebräischen Dichtung" dar. Hengel, Judentum 242; vgl. auch 242 A . 1 8 3 . „ A u c h diese Einheiten lassen keinen inneren A u f b a u erkennen; sie sind eher als Traditionskörper zu beurteüen, in denen sich allerlei Einschlägiges, Altes, Bekanntes, aber auch N e u e s , Überraschendes zusammengefunden hat" (v. R a d , Weisheit, 310 A . 2 ) . Hier ergeben sich gewisse formale Parallelen z u m Jak. Vergleichbar ist vielleicht die mangelnde Dis position; auch die Behandlung v o n einzelnen T h e m e n in mehr o d e r weniger umfangreichen Sprcheinheiten ist j a charakteristisch für den Jak. Wichtig ist aber, daß die Spruchreihen des Sir sich im G r u n d e mit einem T h e m a , nämlich der Weisheit, beschäftigen. R . S m e n d , D i e Weisheit des Jesus Sirach, Berlin 1906, X X I I I : „ I n diesen W o r t e n , die er an die Spitze seines Buches stellt, formuliert er die Kriegserklärung des Judentums gegen den Hellenismus"; vgl. auch Hengel, Judentum, 252. A u c h J. M a r b ö c k , Weisheit im W a n d e l , der die antihellenistische T e n denz des Buches nicht annehmen will (vgl. 172), macht darauf aufmerksam, daß Sirach die N o t w e n digkeit sah, „ z u b e t o n e n , daß alle Weisheit v o n G o t t k o m m t , da die Juden Palästinas vor allem in den griechischen Städten, aber auch in Jerusalem mit der hellenistischen Welt in Berührung kamen"(31). D e m n a c h ist ein Gegensatz zwischen „theoretischer" und „praktischer" Weisheit bei Sirach nicht möglich. J. Fichtner, Z u m P r o b l e m G l a u b e und Geschichte in der israelitisch-jüdischen Weisheitsliteratur; in: T h L Z 76 ( 1 9 5 1 ) , 1 4 5 - 1 5 0 . 1 4 5 . E . Zenger, D i e späte Weisheit u n d das Gesetz, in: Religion u n d Lite ratur des Frühjudentums (hrsg. v. J. Schreiner u. J. Maier) Gütersloh/Würzburg 1973, 4 3 - 5 6 . 4 5 be obachtet diese B e w e g u n g gut, w e n n er darauf hinweist, daß gegenüber d e m mehr anthropologischen Verständnis von Weisheit ( „ d a s richtige Verhältnis zu J a h w e " ) in der älteren Weisheit die jüngere Weis heit theologischer vorgeht: „ E c h t e Weisheit, die das L e b e n meistern läßt, k o m m t von Jahwe als seine G a b e . Zugleich deutet sich mit dieser Akzentverlagerung v o m menschlichen z u m göttlichen Aspekt echter Weisheit die Möglichkeit an, das P h ä n o m e n Weisheit expliziter in den Jahweglauben u n d in die Geschichte Jahwes mit Israel zu integrieren, als dies in der älteren Weisheit deutlich w a r " . Zenger stützt seine B e o b a c h t u n g vor allem auf entscheidende Phasen des Buches H i o b ; man kann diese Be w e g u n g aber durchaus weiter b e o b a c h t e n .
Diese Geschichtskonzeption der Weisheit hat Konsequenzen; denn von hier aus wird die konstitutive Bindung von Weisheit und Gesetz möglich . Im Gesetz ist Israel die Weisheit gegeben, und das Gesetz ist Ausdruck der Weisheit, vgl. Sir 24,23; wohl ist auch in Prov etwa die Weisung mit der Weisheit verbunden , vgl. Prov. 3,1; 7,1 f., doch ist bei Sir unter dem Gesetz ganz die Tora Mose verstanden. Dieser Gedanke des Sir fügt die Sinai-Offenbarung und die Offenbarungsweisheit zu einer großen Ein heit zusammen: Weisheit und Gesetz werden miteinander identifiziert, vgl. Sir 1,26; 6,37, vgl. 38,34; 15,1; 17,11; 19,20; 21,11; 24; u.a. 1
2
3
G. von Rad hat gegen die auch hier angenommene Identifikation von Weisheit und Gesetz als wesentlichen Gesichtspunkt des Sirach-Buches Bedenken angemeldet: „Nicht die Weisheit gerät in den Schatten der Großmacht der Tora, sondern umgekehrt se hen wir Sirach damit beschäftigt, die Tora von dem Verstehenshorizont der Weisheit her zu legitimieren" . Richtig ist sicher, daß der Gegenstand der Lehre des Sirach nicht die Tora, sondern die Weisheit ist. Ganz zu Recht stellt von Rad der Auffas sung von einer „nomistischen Weisheit" in dem Buch die Gegenfrage: „Wo sind denn nun in der Unzahl der Mahnworte und Ratschläge, die in die Weisheit eingedrungenen Materialien der Tora, wo läßt sich denn die Tora als eine in die Weisheit eingedrunge ne neue Norm erkennen? " ; natürlich geht es nicht darum, in Sir einen fest geschlos senen Bund zwischen Nomismus und Weisheit zu sehen , aber die Tora erfüllt hier die Funktion des Auslegungsprinzips der Weisheit, insofern die Weisheit im Gesetz 4
5
6
1
2
3
4
5
6
Natürlich kann auch Sir wie Prov die Weisheit als Gottesfurcht definieren, vgl. 1,14; d o c h besteht in der gleichen Aussage zwischen dem Proverbienbuch u n d Sir ein wesentlicher Unterschied: w a r Gottes furcht in der älteren Weisheit eine allseits bekannte G r ö ß e , nämlich die mehr „existentielle H a l t u n g " des Wissens des Menschen „ u m seine Gebundenheit an G o t t , insonderheit seine Verpflichtung zum G e h o r s a m gegenüber dem göttlichen W i l l e n " ( G . von R a d , Weisheit 3 1 3 ) , so ist bei Sirach unter G o t tesfurcht in erster Linie die Beobachtung der T o r a verstanden, vgl. etwa 38,34; 19,20.24. V g l . auch D t 4,6—8: D i e Befolgung der G e b o t e wird Israel von den anderen V ö l k e r n als Weisheit aus gelegt. Z u dem P r o b l e m des Verhältnisses von Weisheit und Gesetz bei Ben Sira hat sich jüngst J. M a r b ö c k ge äußert: Gesetz u n d Weisheit - Z u m Verständnis des Gesetzes bei Jesus Ben Sira, in: B Z 2 0 ( 1 9 7 6 ) , 1—21. E r sieht im Gesetz weniger die Mosetora im engeren Sinn als das Weltgesetz, „das S c h ö p f u n g und Geschichte durchwaltet" ( 8 ) . „ D i e T o r a wird zu « i n e m Teil der universalen Weisheit Gottes, die in der Schöpfung grundgelegt ist" ( S . 6 ) . N u n läßt sich aber nicht übersehen, daß Sir nicht nur v o m Gesetz als der schöpfungsmäßigen O r d n u n g spricht, sondern mitunter ausdrücklich das Tun des Ge setzes in den V o r d e r g r u n d stellt, vgl. Sir 19,20.24. D i e A n a l y s e Hengeis, Judentum, 253f., der in der T o r a Gottes exklusive G a b e an Israel sieht, die G a b e , in der die Weisheit dem erwählten V o l k zu k o m m t , ist entgegen der Ansicht M a r b ö c k s ( 8 f . ) nicht überzogen, sondern durchaus begründet, vor allem auch vor dem Hintergrund der geistesgeschichtlichen Analyse des Buches Sir, zumal, w e n n man das Verhältnis von Gesetz, Weisheit und Erwählung berücksichtigt, das, w i e M a r b ö c k , Gesetz und Weis heit 11, darlegt, in der Weisheitsliteratur bei Sir erstmalig bedacht wird. Weisheit ist auf diesem Hin tergrund bei Sir dann nicht das „Gesetz des L e b e n s " ( M a r b ö c k , Gesetz und Weisheit 5 ) , sondern Weis heit manifestiert sich primär im Halten der dem V o l k gegebenen G e b o t e . D a ß mit dem Gesetz aber prinzipiell die Mosetora in A b w e h r autonomer, gesetz-loser Weisheitsvorstellung gemeint ist, macht j a die Erwählungsvorstellung u n d -theologie erst sinnvoll, die weisheitstheologisch damit begründet und formuliert w i r d , „ d a ß die Weisheit ihren gültigen Ausdruck, ihren Wohnsitz und ihre Fülle im Gesetz gefunden hat, das Israel zu wahren und zu lehren anvertraut ist"(Marböck, Gesetz u n d Weisheit 13). Diese Formulierung scheint im übrigen d o c h in die von M . Hengel vorgeschlagene Richtung zu gehen, die u.E. zutreffend und begründet ist. G . v o n R a d , Weisheit 316. Weisheit 314. Vgl. ebd.
35
Israel greifbar wird und das Gesetz Ausdruck der Weisheit ist. Diesen Gedanken be stätigt die wichtige Aussage Sir 19,20: „Alle Weisheit ist Furcht des Herrn, und in al ler Weisheit liegt Tun des Gesetzes" in ihrem Kontext, und in Sir 24 wird die Weis heit dann „zur exklusiven Gabe Gottes an Israel" . Diese offenkundige Verknüpfung von Weisheit und Gesetz kann man wohl kaum zu einer sekundären Erscheinung rela tivieren, Lidern man zugesteht, Sirach lasse sich „in seinem didaktischen Eifer ... gele gentlich auch zu pauschalen Identifikationen hinreißen" . Sir läßt sich keineswegs nur gelegentlich zu solcher Identifikation „hinreißen", wie der mit Bedacht in die Mitte des Buches hineingestellte schon erwähnte Weisheitshymnus Kap. 24 vermuten läßt, vgl. 24,23. 1
2
Halten wir fest: es wäre sicher zumindest mißverständlich, die Weisheit des Sirachr. Buches als „nomistische Weisheit" zu bezeichnen, aber Weisheit und Gesetz werden doch miteinander identifiziert. So muß man sich die Frage stellen - und damit kom men wir auf den schon angedeuteten geistesgeschichtlichen Gesichtspunkt zurück —, welche Gründe Sirach veranlaßt haben, die Weisheit mit Hilfe der Tora auszulegen. 3
G. von Rad will eine antihellenistische Tendenz des Sirach-Buches nicht sehen: „Daß Sir 24 als eine tendenziöse, d.h. antihellenistische Modifikation von Prov 8,22ff zu verstehen sei um den Vorzug der Wahrheitserkenntnis Israels darzutun, ist un wahrscheinlich. Die Aufgabe, die sich die Lehrdichtung Sir 24 gestellt hatte, war ... eine Verbindung herzustellen zwischen der Urordnung und der Tora. Etwas Bestimm teres über Sirachs Verhältnis zum Hellenismus läßt sich aus dem Buch nicht entneh men" . Man kann diese geistesgeschichtüche Bewertung bezweifeln . Schon die er wähnten Neuerungen gegenüber der älteren Weisheit, die zunächst formaler Natur sind, weisen auf den hellenistischen Einfluß hin . Aber auch die Thematik legt die Berührung mit der hellenistischen Welt nahe: Die Verbindung von Weisheit und Tora gab Ben-Sira „die Möglichkeit, ein fremdes, autonomes Weisheitsideal abzulehnen, das die Bindung an das Gesetz verweigerte und das für Ben-Sira Gottlosigkeit bedeutete" . Nicht ohne Grund ist auch die Frage nach der Freiheit ein ganz wesentliches Problem für Sirach, worauf M . Hengel mit Recht hinweist . 4
5
6
7
8
Wir sehen: Die Entfaltung der Weisheit bei Sirach wird konsequent mit dem Gesetz verbunden. Alle Weisheit kommt von Gott, er hat sie seinem erwählten Volk in der Tora mitgeteilt und offenbart. Die Weisheit Gottes hat auf Erden eine Wohnung ge sucht, in Israel hat sie diese gesuchte Wohnung gefunden . Aufgabe der Juden ist es, durch Gesetzestreue nach dieser Gabe Gottes zu streben, vgl. Sir 1,26. Dieser Gedan9
1
H e n g e l , J u d e n t u m 253f. „Weisheit u n d Gesetz sind praktisch eins g e w o r d e n , u n d Ben-Sira bringt dies d a d u r c h z u m A u s d r u c k , d a ß er den g r o ß e n Weisheitshymnus ( c . 2 4 ) , in d e m diese V e r schmelzung vollzogen w i r d , in die Mitte seines Werkes stellt" ( 2 5 3 ) .
2
v o n R a d , Weisheit 315. S o zu einseitig J. Fichtner, D i e altorientalische Weisheit in ihrer israelitisch-jüdischen A u s p r ä g u n g ( B Z A W 6 2 ) G i e ß e n 1933, 97. G . v o n R a d , Weisheit 330 A . 2 4 . V g l . die umfassende u n d sorgfältige Darstellung bei Hengel, Judentum, 241 ff; J. M a r b ö c k , G e setz u n d Weisheit, sieht z w a r das Verhältnis von Gesetz und Weisheit anders, betont aber aus drücklich die Berührung Sirachs mit dem Hellenismus seiner Zeit; vgl. bes. S. 20f. Vgl. o b e n S. 34. H e n g e l , J u d e n t u m 254. V g l . J u d e n t u m , 255. V g l . auch F . Christ, Jesus S o p h i a ( A T h A N T 5 7 ) , Zürich 1970, 36f.
3
4
5
6
7
8
9
36
ke ist nicht ohne die Berührung mit dem hellenistischen Weisheitsideal zu verstehen, das dem Juden für sein Welt- und Gottesverständnis als Gefahr erscheinen mußte. Zweifellos erscheint hier Sir gegenüber der älteren Weisheit verengt; doch verfolgte sei ne Konzeption das Ziel, das Erbe Israels in den schweren Zeiten der äußeren und gei stigen Bedrohung aus der Krise herauszuführen und zu wahren. Ist der Gedanke der Weisheit durch das Gesetz bestimmend für das Buch, so fällt doch ein zweiter theolo gischer Gesichtspunkt ins Gewicht, der den Menschen zur Weisheit führt bzw. ihn für die Weisheit empfänglich macht: Weisheit durch Leiden und Anfechtung , vgl. Sir 4,11 — 19: Die Weisheit erlangt, wer auf sie vertraut, sie erprobt den Menschen durch ihre Versuchungen, sie deckt ihm ihre Geheimnisse auf oder verwirft ihn und gibt ihn den Verwüstern frei. Nur durch das nichtzweifelnde Vertrauen wird die Versuchung bestanden und die Weisheit erlangt. Freilich darf dieser Gedankenkreis der Weisheit durch Leiden und Erprobung nicht isoliert von der Gesetzestheologie des Sirach ge sehen werden. Beide Gesichtspunkte, von denen der Weg des Gesetzes jedoch im Vor dergrund steht, „sind vielmehr eng aufeinander bezogen! Leid und Versuchung sind ja nicht einfach gleichzusetzen mit dem Durchmachen von Krankheit, Verfolgung und Sterben. Dieses Leiden als Versuchung und Anfechtung entsteht gerade am Gebot, am Gesetz G o t t e s " . 1
2
ß)
Sapientia
Salomonis
Als ein wichtiges Stadium der Entfaltung der Weisheit in Israel muß die Sapientia ge sehen werden. Zudem hat die Schrift ihre besondere Bedeutung für den Jak, wie sich vor allem im nächsten Kapitel zeigen wird. Terminologische wie sachliche Analogien lassen vermuten, daß dem Autor des Jak die Gedankenwelt der Sap nicht unbekannt geblieben ist: Die Weisheit wird dem Menschen- aufgrund seiner Bitte von Gott gege ben, Sap 7,7; 9,4; 9,10; 9,17; 8,29, vgl. lHen 101,8, und Weisheit und Vollkommen heit stehen in engem gegenseitigem Zusammenhang, Sap 9,6. Wie Sirach, so hat auch Sap die Universalität der älteren Weisheit stärker an die Ge schichte Israels gebunden und damit aus der ursprünglichen Weite herausgehoben und dem nationalen Volksglauben zugeordnet: Weisheit ist auch hier konstitutiv mit dem Gesetz verbunden . Das Problem der Vergeltung hingegen, das Sirach noch mit der diesseitigen Vergeltung lösen konnte, wird nun mehr und mehr ins Jenseits verlegt. 3
Grundlegend für die Weisheitsvorstellung in der Sap ist jene hypostasierende Divinisierung der Weisheit Kap. 6—9, die zweifellos eine Entwicklung gegenüber der Tradition darstellt: sie ist Urheberin, 7,12, ein Hauch der Kraft Gottes, 7,25, sie wohnt mit Gott zusammen, 8,3 und ist seine Throngenossin, 9,4. Solche verborgene Weisheit wird dem Menschen durch Einweihung in sie zugänglich.
1
2
3
V g l . U . L u c k , Weisheit und L e i d e n ; in: T h L Z 92 ( 1 9 6 7 ) , 2 5 3 - 2 5 8 ; vgl. auch Hengel, Juden tum 253f. U . L u c k , D e r Jakobusbrief und die Theologie des Paulus; in: T h G 1 6 1 ( 1 9 7 1 ) , 1 6 1 - 1 7 9 . 1 7 2 . V g l . nur 6 , 1 6 - 2 0 . Bezeichnend ist 9,1 ff das G e b e t des S a l o m o u m Weisheit aus der Erkenntnis heraus, „allzu gering an Verständnis des Urteils und der Gesetze" ( 9 , 5 ) zu sein; die Weisheit w e i ß , w a s recht ist nach G o t t e s G e b o t e n , 9,9.
37
Charakteristisch für diese Entwicklung ist der apokalyptisierend-dualistische Ansatz je ner Weisheitslehre. Ist dieser Prozeß deutlich durchgeführt in der Beschreibung der Ge rechten und Gottlosen , so wird er auch deutlich im Mittelteil des Buches Kap. 6—9, der das Wesen der Weisheit beschreibt und die Möglichkeit zur Erlangung der Weisheit belehrend vorträgt. 1
Die Gegenüberstellung der Gerechten, die die Weisheit annehmen, und der Gottlosen sowie der Ausblick auf ihr ewiges Geschick sind Grundelemente apokalyptischen Den kens, vgl. lHen 99,10: „Aber in jenen Tagen werden selig alle die sein, die die Wor te der Weisheit annehmen und kennen, die Wege des Höchsten beobachten, auf dem Wege seiner Gerechtigkeit wandeln und mit den Gottlosen nicht sündigen, denn sie werden gerettet werden" . Die Gerechten werden gerettet, mögen sie auch noch so große Leiden erdulden müssen, vgl. lHen 92,3-5; 96,3; 99,10; 103,3f.; 104,1.13; 105,2, die Gottlosen werden umkommen, lHen 94,6f.; 96,1; 97; 99,11; 100,9, ob wohl es ihnen viel besser zu gehen scheint als den Frommen, ihr Leben doch offen bar den gleichen Anfang und Ausgang nimmt, vgl. Sap 2,1 f., doch die Gerechten wer den letztlich über die Gottlosen herrschen, vgl. lHen 96,1. Solcher Gedanke ist die Antwort auf die Situation der inneren und äußeren Bedrängnis, in der Trost und Hoff nung gespendet werden soll . 2
3
4
Ausführlich werden Sap 6 - 9 die beiden angedeuteten Größen gegenübergestellt, vgl. 7,l-6.7ff; 9,5f.; 9,14-16.17 . Mensch und Welt werden hier völlig negativ gesehen: das Leben aller hat den gleichen Eintritt und den gleichen Ausgang, ist es doch vom sterblichen Fleisch bestimmt , das Menschenbild ist ganz vom Pessimismus des in sei ner Geschöpflichkeit begrenzten und vergänglichen Wesens beeinflußt. Dieser Grund ton liegt in der Rede vom durirdq ävdpwnoq , 7,1, oder von der Entstehung en 5
6
anepiiaToq
ävbpöq
Kai rjSovriq
v-nvcp ovveXdovorjq,
die völlig negativ gesehen wird.
Ein ähnliches Daseinsverständiiis geht aus 9,5 hervor: Die Einsicht, äuOpcoiroq äodevqq Kai öXiyoxpwLoq zu sein, weist auf die angedeutete Negativität menschlichen Daseins in seiner Beschaffenheit an sich. Diese bezieht sich besonders auch auf das Erkennt nisvermögen des Menschen. Jene vier mit Tic. eingeleiteten rhetorischen Fragen 9,13— 16 begründen gewissermaßen die Nichtigkeit des menschlichen Daseins: keiner kann den Willen Gottes erkennen, denn die Gedanken der Menschen sind hinfällig, wie 9,13 sehr eindrucksvoll sagt.
1
2
3
4
5
6
38
V g l . nur Sap. 2. Ü b e r s e t z u n g nach Kautzsch; vgl. auch l H e n 104,12; der rechte W a n d e l aufgrund der A n n a h m e der Weisheit äußert sich natürlich im Beobachten des Gesetzes. D. Georgi, D e r vorpaulinische H y m n u s Phil 2 , 6 - 1 1 ; in: Zeit und Geschichte ( D a n k e s g a b e an R . B u l t m a n n z u m 70. G e b . ) , T ü bingen 1964, 2 6 3 - 2 9 3 , kennzeichnet diesen Dualismus: „ D i e Sapientia läßt die Weisheit, die als der ewige A u s d r u c k des Wesens Gottes und als Prinzip der Welt gesehen w i r d , ganz bei G o t t und in einer von der Erscheinungswelt völlig geschiedenen Welt sein. Diese Dualität tritt einem schon gleich in d e m 1. Kapitel entgegen, und es wird bald klar, daß damit ein Dualismus von Gottes Welt als d e r eigentlichen unvergänglichen Schöpfung und der teuflischen Welt als einer uneigent lichen und todverfallenen Welt gemeint ist" ( 2 7 0 ) . A u f die N ä h e von Sap 1 - 5 und l H e n hat J. Fichtner, D i e Stellung der Sapientia Salomonis in der Literatur- und Geistesgeschichte ihrer Zeit; in: Z N W 36 ( 1 9 3 7 ) 1 1 3 - 1 3 2 . 124f. hingewiesen. V g l . o b e n A . 2. V g l . zu d e m im Hintergrund stehenden Fleisch-Geist-Dualismus E. Brandenburger, Fleisch und Geist ( W M A N T 3 3 ) N e u k i r c h e n 1968, 1 0 6 - 1 1 3 . V g l . schon Sir 1 8 , 8 - 1 0 .
Von diesem Welt- und Menschenbild her ist die Weisheitsvorstellung der Sapientia kon zipiert . Die Hinfälligkeit des irdischen Daseins kann daher nur durch die von Gott gegebene Weisheit, die vom Menschen erbeten werden muß, aufgehoben werden ; durch Einweihung ist sie dem Menschen zugänglich. Eine Fülle von — meist aus dem hellenistischen Einfluß zu verstehenden - höchsten Prädikaten beschreiben das Wesen der Weisheit, wobei die Motive das Gegenteil dessen ausdrücken, was der Verf. über die Nichtigkeit der erdenstofflichen Begrenztheit äußert: ihr Glanz ist unauslöschlich, 7,10, sie ist ein unerschöpflicher Schatz, 7,14, ist strahlend und unverwelklich, 6,12, ihr Anfang ist Verlangen nach Bildung, 6,17; aus der Fülle der Prädikate des Weis heitshymnus 7,22ff seien hervorgehoben: sie durchdringt alles, 7,24, ist ein Hauch der Kraft Gottes, Throngenossin Gottes, 9,4, ein lichter Ausfluß der Herrlichkeit Gottes, des Allherrschers, 7,25, ein Abglanz des ewigen Lichtes und Abbild seiner Vollkommenheit, 7,26. Gegenüber der Nichtigkeit irdischen Daseins vermag sie alles, 7,22, vgl. 7,27 und durchdringt sie alles, 7,24. Diese Weisheit wird dem Menschen auf seine Bitte hin gegeben, vgl. 9,4; dann vermag er, das sonst nichtige Wesen, den Aufbau der Welt zu erkennen, 7,17, ja, überhaupt alles, was verborgen und offenbar war, wird nun für den Menschen zugänglich, 7,21, durch die Weisheit wird der Mensch gerettet, 9,18, erlangt er Unsterblichkeit, 6,19; 8,13.17. Nun werden die sich einan der ausschließenden Sphären, himmlisches und irdisches Dasein, bruchlos miteinander verbunden; indem der Mensch mit der Weisheit Gottes zusammenwohnt, vgl. Sap 6,16; 7,28, wird jeder Bruch zwischen Gott und Mensch aufgehoben. 1
2
b)
Die Aufnahme
der Weisheitstradition in Jak 1,5ff
Was ergibt sich aus den gewonnenen Anhaltspunkten für die Weisheitsaussage in Jak 1,5 und seinem Kontext? Wir sahen, in welchem Maße die weisheitliche Tradition in ihrer geschichtstheologischen Konzeption die Verbindung von Weisheit und Gesetz hergestellt hat: im Gesetz wird dem erwählten Volk die Weisheit zuteil und greifba rer Besitz, wie es Sir darstellt, bzw. in der Suche nach ihr, d.h. im Halten der Gebo te, Sap 6,17—20, begegnen sich die Bemühung des Menschen um die Weisheit und ihr Wirken. Den in der Tradition im Vordergrund stehenden Gedanken des inneren Zusammenhangs zwischen Vollkommenheit, Weisheit und Gesetz hat unser Autor hier offensichtlich nicht aufgenommen. Vollkommenheit und Weisheit durch Durchhalten in der Anfechtung ist aber, wie wir auch sahen, ein zweiter mit der Gesetzestheolo gie zusammenhängender wichtiger Gedankenkreis der Weisheitstheologie*, ein Gesichts punkt, der sich auch in der philonischen Theologie niedergeschlagen hat. So ist nach Philo, De Abr 52 der Patriarch „das Sinnbild der durch Belehrung erworbenen Tu gend", vgl. auch Sap 2,6-20. Diesen Gedanken hat unser Brief hier aufgenommen und darauf vor allem den Akzent gelegt. Das wird dadurch deutlich, daß der Verf. mahnt, die Weisheit ev morei zu erbitten, in jenem Glauben, der in der Anfechtung erprobt ist, V.2f. Es ist also jener Glaube, der im Anschluß an die Tradition das Durchhalten in Versuchung und Verfolgung meint, das Vertrauen, das unerschütter lich ist und nicht zweifelt, wie das hiaKpiveoBai V.6 sagt. 4
1
2
3
4
V g l . Brandenburger, Fleisch und Geist 108 f. Dieser Gesichtspunkt gewinnt besondere Bedeutung für den Abschnitt Jak 3,13 — 18. V g l . U . L u c k , D e r Jakobusbrief 171 f. D i e Frage von J. T h o m a s , A n f e c h t u n g und V o r f r e u d e 192, o b in 1,5 der paulinische Begriff v o n Weisheit mitschwingt ( „ d a ß G o t t durch das K r e u z , durch das Unter liegen die Mächte dieses Ä o n s entmachtet I K o r 2 , 6 - 8 " ) ist abwegig. W i e in V . 2 steht auch hier 7riartc ohne Qhjp.kt.
39
Mit seiner Mahnung zur Bitte um Weisheit greift unser Autor mit hoher Wahrschein lichkeit auf eine alte Überlieferung zurück, die auch Mt 7,7 / Lk 11,9 wiedergegeben ist: atretre, Kai 5o0T?aerai u / u V . Dafür, daß der Verf. hier eine feste Formulierung aufgenommen hat, spricht die Tatsache, daß das passivische 8o6r\oerai aus der Über lieferung offensichtlich in Spannung zu dem aktivischen 8i8övToq steht . Wollte un ser Autor die Einheit zwischen der Mahnung zur Bitte um Weisheit und der Vollkom menheitsforderung mit dem Stichwortanschluß ei 8e Tic Xebrercu hervorheben, so mußte er in die ihm vorliegende Tradition eingreifen: statt des Imperativs aireire setzt er a t r e t r c o , und um Gott (im Anschluß an die Weisheitstradition) als den Geber aller 2
Weisheit herauszustellen, hat er napä
TOV Sidövroq
deov
naaiv
ä-nXcjq
Kai /zr)
öi>ei5 tfovroq eingefügt. Auch der Kontext der Mt 7,7 / Lk 11,9 zugrundeliegenden Q-Überlieferung spricht bezeichnenderweise von Gott als dem Vater, der allen gute Gaben schenkt, die ihn darum bitten. Dieser sachlich ähnliche Gesichtspunkt spricht sicher auch für einen Zusammenhang der genannten Q-Überlieferung mit unserem auf die Weisheit hin ausgelegten Spruch. Möglicherweise hat auch der Evangelist Matthäus in seinem Zusammenhang an die Weisheit gedacht . 3
Die Wahrscheinlichkeit, daß unser Vers auf eine auch von Mt und Lk aufgenommene Q-Überlieferung zurückgeht und unser Autor diese Tradition unter den Gesichtspunkt der Weisheit gestellt hat, läßt vermuten, daß der ganze Zusammenhang nicht nur „die Art des rechten Gebetes hervorheben w i l l " , sondern sich auf die Bitte um die ver borgene Weisheit richtet und damit die weitere Feststellung von F. Hauck: „Ein Ge genstand des Gebetes wird nicht genannt. Noch an die ao
ia zu denken, liegt nicht nahe" , unzutreffend ist. 4
5
5 . Eine eschatologische Verheißung (Jak 1,12) Mit einer eschatologischen Verheißung schließt unser Autor seine erste Spruchreihe ab, V.12. Deutlich nimmt der Vers Bezug auf die besprochene Tradition l,2f. , die hier nun in den wesentlichen Aussagen wiederkehrt: naKäpioq — o c vnonevei ireipaanöp, ort, S Ö K t / z o c . .. . Daher darf es nicht als wahrscheinlich gelten, daß mit V.12 eine neue Aussagereihe beginnt, wie F. Hauck versucht, plausibel zu machen . Unerklärlich bleibt aber erst recht die Eingrenzung der ersten Spruchreihe, wie sie W. Schräge vorschlägt, wenn er offensichtlich mit 1,12 eine neue Spruchreihe begin nen lassen w i l l , vorher aber erklärt, der Makarismus in V.12 habe mit den folgenden Versen „kaum etwas zu tun, denn es ist hier in ganz anderer Weise von Anfechtung die Rede"; inhaltlich sei V.12 eher auf V v . 2 - 4 bezogen, weil „die Anfechtung auch dort als positiv zu bewahrende Bewährungsprobe aufgefaßt ist, während V . 1 3 - 1 5 sie 6
7
8
1
2
3
4
5
6
Formgeschichtlich handelt es sich u m einen Weisheitsspruch; vgl. S. Schulz, Q - Die Spruch quelle der Evangelisten; Zürich 1972, 162. V g l . auch M u ß n e r , Jak 6 9 . V g l . E . Schweizer, M t 110. H a u c k , Jak 4 5 . H a u c k , e b d . ; vgl. auch Dibelius, Jak 106. D a ß Jak 1,12 an Sach 6,14 ( L X X ) anknüpfe, ist nicht wahrscheinlich (gg. Spitta, Jak 3 0 ) , vor allem w e g e n der fehlenden Erprobungsaussage (ireipaonä;— 5 ö / a / z o c ) , aber auch sonst legt der K o n t e x t eine Anspielung auf die Prophetenstelle nicht nahe.
7
Vgl. dazu oben S. 3 A. 3.
8
K a t h . B r . 18.
40
1
als Ausfluß der Begierde in die Nähe von Sünde und Tod bringen" . Wegen des feh lenden Artikels vor neipaoßöq denke, so vermutet F. Mußner, unser Autor „nicht an einen bestimmten Peirasmos (etwa Glaubensprüfungen), sondern an jeglichen" . Dem entspricht 1,2: auch hier ist an die vielfältigen Anfechtungen des Alltags gedacht, die zwar nicht als „Glaubensprüfungen" im strengen Sinne zu verstehen sind, aber doch den Glauben immer wieder in Frage stellen. Daß zwischen 1,2 und 1,12 insofern ein wesentlicher Unterschied bestehe, als 1,2 mit ireipaaßol der Plural und 1,12 mit neipaofiöq der Singular stehe, kann kaum angenommen werden, denn auch zwischen dem Sing, epyov, vgl. 1,4.25, und dem Plural epya, vgl. 2,14; 3,13, besteht kein we sentlicher Unterschied. 2
Ein Gesichtspunkt, der hier nicht weiter verfolgt werden kann, könnte unsere Analyse von einer anderen Seite her bestätigen: am Beginn unserer Schrift stehen nach den vorgetragenen Beobachtungen Weisheit, ganzheitliche Vollkommenheit, Versuchung und Bewährung zusammen. Möglicherweise entspricht dem, was unser Autor in 1,12 sagt, das, was Q in der Versuchungsgeschichte zum Ausdruck bringt. Auffälligerweise fol gen in Q der Versuchungserzählung die Makarismen . Sicher ist aber, daß in der QÜberlieferung Makarismus und Verfolgungsmotiv eine Einheit bilden, vgl. Mt 5,11 f. par. 3
Wir können also davon ausgehen, daß in unserem V.12 der Gedanke von Vv.2f. auf genommen wird. Dem, der in den beschriebenen Anfechtungen standhält und in der geschenkten Weisheit zur Vollkommenheit gelangt, spricht unser Autor mit einem eschatologischen Makarismus die Verheißung des unvergänglichen Lebens zu. Ursprünglich geht der Makarismus auf die Weisheit zurück. Das wird daraus deutlich, daß die große Mehrheit der Heilsrufe im A T in den Psalmen und in den Weisheits schriften vorkommen, vgl. etwa Ps 1,1; 31,2; 33,9; 39,5; 83,6; 93,12; 111,1 (alle L X X ) ; Sir 14,1; 14,20 . Nicht ohne Grund werden die beiden Belege aus den histori schen Büchern l K ö 10,8; 2Chr 9,7 im Zusammenhang mit der Preisung der Weisheit Salomos und dem Besuch der Königin aus Saba vorkommen, wie Bauckmann und später E. Neuhäusler beobachten. In der Regel sind solche Makarismen in der drit ten Person gehalten: patiäpioq , ö c o . A . . Dieser weisheitliche Makarismus zielt in er ster Linie auf das, wie K . Koch gut formuliert, „diesseitige Wohlergehen des Menschen. Der weisheitliche Segenswunsch des Menschen gilt dem, der verständig lebt gemäß den von Gott geschaffenen und von den Weisen aufgewiesenen Ordnungen des Lebens" . Ist unser Makarismus 1,12 der traditionellen LXX-Form der Spruch Weisheit nachgebil4
5
6
7
8
1
2
3
4
5
6
7
8
Schräge, K a t h . B r . 14. M u ß n e r , Jak 85. A u f diesen Gesichtspunkt hat mich W . G r u n d m a n n hingewiesen. E . G . B a u c k m a n n , D i e Proverbien u n d die Sprüche des Jesus Sirach; in: Z A W 72 ( 1 9 6 0 ) , 3 3 - 6 3 . 4 4 zählt 43 ' sre -Stellen im A T , von denen 36 zu d e n Psalmen und zur Weisheitsliteratur zählen. Die Proverbien, 44. A n s p r u c h und A n t w o r t G o t t e s ; Düsseldorf 1962, 143 A . 9 . H a u c k , A r t . paKdpioq ; in: Hauck-Bertram, A r t . jucucdpioc ; in: T h W N T IV, 365-373.366; G r u n d m a n n , L k 141. W a s ist Formgeschichte? ; N e u k i r c h e n 3. A u f l . 1974, 8.
41
1
det (paicäpioq ävrip ), so tritt hier doch das eschatologische Verständnis der Seligprei sung in den Vordergrund. Diese eschatologische Form des Makarismus, die in ihrem zweiten Glied die eschatologische Heilsverheißung hinzufügt, hat ihre Vorgeschichte in der frühjüdischen Apokalyptik , vgl. lHen 58,2: „Selig seid ihr Gerechten und Auser wählten, denn herrlich wird euer Los sein!", vgl. auch Apk Bar (syr) 48,48—50; 52,5—7; 54,16—18. Dieser auch hier vorliegende eschatologische Makarismus spricht Menschen an, „die im letzten Weltgericht gerettet werden und an der neuen Welt An teil erhalten, weil sie hier dem Glauben treu geblieben sind" . 2
3
Die eschatologische Funktion von V.12 wird nun besonders hervorgehoben durch die Formel ore^apoq rfje fcorjc : dem, der in der von Gott verliehenen Weisheit durch den -neipaoptoq gegangen ist, gibt Gott den verheißenen „Kranz des Lebens". Diese Formulierung dürfte kaum von unserem Autor selbst gebildet sein, sondern geht wohl auf eine fest geprägte Formel zurück, die in dieser oder ähnlicher Form vor allem in der weisheitlich-apokalyptischen Tradition oft bezeugt ist: Test X I I Lev 8,2; 8,9 (arecpavoq
rffq
SiKaioovwqq);
Benj 4,1 (ore^avoq
Sö^rjq ) , vgl. 4Makk
17,15, w o der
Kranz das Siegeszeichen des Martyriums bedeutet; Asc Jes 11,40 wird von der „Kro ne der Herrlichkeit" gesprochen, die im Himmel für die Glaubenden aufbewahrt ist; 1QS 4,7f. werden die „Söhne der Wahrheit" zur Krone der Herrlichkeit geführt, vgl. auch den lückenhaften Text lQSb 4,2; 4,28. Philo verwendet das Motiv des Kranzes im Anschluß an das Bild des Wettkämpfers der griechischen Vorfahren und „vergleicht den Wettkämpfer im Stadion mit dem nach Erkenntnis strebenden Mann, der seine Lebensbahn ohne Fall durchläuft u(nd), am Ziel angelangt, die verdienten Kränze und Siegespreise erlangt . . . " . 4
Im N T ist die Formel im Anschluß an die Tradition durchweg als eschatologische Gabe verstanden, vgl. 2Tim 4,8 (ö rf/o.
Tfjq
Scofjq);
IPetr 5,4 (oreavoq
rrjq
bucaioovvriq
areavoq)\
Apk 2,10
(oreQavoq
5ö^i?c), vgl. auch I K o r 9,25. W. Grundmann
will aufgrund der sachlichen Nähe von 2Tim 4,8; Jak 1,12; Apk 2,10, dreier Worte, „die den Leidenden und unter Umständen das Martyrium Erduldenden den Sieges kranz aus der Hand des Herrn zusprechen", eine „gemeinsame paränetische Grundla g e " vermuten ; möglicherweise sei die mit bv eirriyyeiXaTO gegebene Verheißung in einem Herrenwort gegeben . Man kann diese Möglichkeit weder ausschließen noch be weisen. Jedenfalls wird aus der Verwendung des Motivs deutlich, daß unser Autor mit der Verheißung vom „Kranz des Lebens" den Makarismus eschatologisch akzentuiert : Dem, der den ireipaoßöq besteht, wird der eschatologische Besitz des ore^apoq rrjc $torjq verliehen, indem Gott seine Bewährung anerkennt und bestätigt. 5
6
7
1
2
3
4
5
6
7
D i e o b e n genannten L X X - B e l e g e für d i e atl. Heilsrufe beginnen alle mit ßanäpioq ävrip oder pcLKaioq ävdpcüiroq. A p o k a l y p t i s c h e n T o n trägt auch die F o r m e l 1,12b. K o c h , Formgeschichte, 8 ( m i t zahlreichen Belegen). W . G r u n d m a n n , A r t . arepavot; ;in: T h W N T V I I , 6 1 5 - 6 3 5 . 6 2 7 ( m i t Hinweis auf P h ü o , Migr A b r 133L A r t . OT&t>avcq , 6 2 9 . Ebd. Die F o r m e l TOV; äyairtooiv avröv bestätigt diese Akzentuierung, vgl. dazu unten S. 83.
42
6.
Ergebnis
Die erste Mahnung in unserem Brief, Jak 1,2—12, ist eine Spruchreihe, die zwar weit gehend von der Tradition geprägt ist, aber in der Anordnung und Auslegung der über lieferten Motive den theologischen Gesichtspunkt, unter den unser Autor seine Paränese stellt, erkennen läßt. Der Verf. nimmt in Vv.2f. eine wohl fest formulierte Tradition auf, die zur Freude angesichts der von Leiden und Bedrängnis bestimmten Situation des Christen mahnt, und greift im Gegensatz zu den Paralleltexten Rom 5,3—5; IPetr l,6f. nicht weiter in sie ein. Diese paränetische Tradition legt er in V.4 auf die Forderung zur Voll kommenheit hin aus. Vollkommenheit wird aber erst da möglich, w o der Mensch die Gabe der Weisheit Gottes erfährt, V . 5 . Damit wird die Frage nach der Weisheit zum eigentlichen theologischen Hauptgedanken der Spruchreihe : sie stellt sich als uneinge schränkte Notwendigkeit für den Christen dar und ist durch die Erprobung seines Glaubens, die zur Vollkommenheit fuhren soll, erreichbar. A u f der anderen Seite ist Weisheit aber jene Gabe, die den Menschen überhaupt dazu befähigt, in der Erpro bung zu bestehen, und sie erst ermöglicht seine in jener Bewährung liegende Vollkom menheit, insofern der Christ in ihr zu erkennen in der Lage ist, daß die Anfechtung, in welcher der Glaube immer wieder steht, ein notwendiges Stadium zur Vollkommen heit ist. Solche Weisheit wird dem Menschen von Gott gegeben, wenn er in festem Vertrauen auf seine Zusage bittet. 1
Aus dem die erste Spruchreihe abschließenden V.12 wird schließlich deutlich, daß die ao0ta eschatologisch zu verstehen ist: derjenige, der die Weisheit Gottes empfan gen und so die Anfechtungen bestanden hat, wird seliggepriesen mit der eschatologischen Verheißung des unvergänglichen Lebens, die Weisheit erhält also rettende Funk tion . Der Glaube wird in diesem Gedanken noch ganz von der weisheitlichen Tradi tion bestimmt: im Glauben, d.h. nichtzweifelnden Vertrauen muß der Mensch um die das Heil ermöglichende Weisheit bitten; der Glaube hat hier nicht die Höhe paulinischer Prägung erreicht, besitzt allein nicht heilstiftende Kraft, sondern ist der not wendige Weg des Christen, um für die rettende Weisheit Gottes empfänglich zu sein. 2
1
2
Dieser G e d a n k e w i r d d a d u r c h belegt, d a ß das L e i d e n selbst offensichtlich nicht schon n o t w e n d i g zur V o l l k o m m e n h e i t führt, sondern ausdrücklich betont der A u t o r , d a ß der Tteipaofiöq zur ganzheitlichen V o l l k o m m e n h e i t führen soll (epyov rekeiov e x e r c o , 'iva fjre TeXeioi...). D i e A n f e c h t u n g ist tatsäch lich aber nur dann ein W e g zur V o l l k o m m e n h e i t , w e n n sie aus der Weisheit heraus bewältigt w i r d . Dieser Gesichtspunkt tritt n o c h deutlicher im nächsten Kapitel hervor; vgl. dazu S. 70. ( z u 3 , 1 8 ) .
43
B
DAS WESEN DER WEISHEIT (Jak 3,13-18)
I.
Analyse
/.
Der Aufbau von Jak
1
3,13-18
Der Abschnitt Jak 3,13-18 kann als eine systematisch aufgebaute Abhandlung be zeichnet werden: ein Thema wird zu Beginn aufgeworfen, nämlich die Frage nach der Weisheit; der Frage nach dem der Weisheit entsprechenden Verhalten folgt eine positive und negative Definition der ooia mit einem abschließenden eschatologischen Hinweis auf das Gericht: V.13 stellt der Verf. die Frage nach der Weisheit, verbun den mit der aus dem Charakter der Weisheit hervorgehenden Aufforderung, sie in den Werken en naXfiq ävaoTpocpfiq aufzuweisen. Der in den Gemeinden herrschende Streit ist kein Ausweis der „Weisheit von oben"; dieser ist höchstens Ausweis der „Weisheit" der Welt, wie V.16 hervorhebt. Dem hält der Verf. in V.17 eine Defini tion der ävudev ooia entgegen, die dem, der aus dieser Weisheit heraus lebt, die „Frucht der Gerechtigkeit" verleiht. Dieser Aufbau zeigt, daß der Abschnitt nicht lediglich eine Sammlung von überliefertem Spruchgut darstellt, die keine weiteren Rückschlüsse auf den Autor zuläßt, sondern als eine eigenständige theologisch-lehrhaf te Erstellung zu würdigen ist. In ihr setzt sich der Verf. der Schrift mit historisch allerdings nur schwer konkretisierbaren gegnerischen Strömungen auseinander . 2
2.
Jak 3,13-18
und der
Kontext
Unser Abschnitt findet sich zwischen den beiden größeren Spruchreihen 3,1-12 und 4 , 1 - 1 2 . Zwischen 3,13 — 18 und 4,1 — 12 besteht wohl wenigstens ein sachlicher Zu sammenhang; denn das in Kap. 4 vom Autor kritisierte und gerügte Verhalten ist in der Sache nichts anderes als das, was er mit der „irdischen Weisheit" meinte, vgl. 4,4; andererseits entsprechen die Mahnungen 4,7f.l0 den 3,17 aufgezählten Wesens eigenschaften der ävudev ooQia. Man wird allerdings den Zusammenhang nicht allzu eng sehen dürfen, denn in 4,1 ff kommen auch andere Themen, die sonst im Brief schon einmal angeklungen waren, wieder v o r ; insofern wird der Gedanke von 3,13—18 in 4,1 ff nicht direkt fortgesetzt, und auch die Form von 4,1 ff unterschei det sich von 3,13 - 1 8 . 3
4
Das Verhältnis zur vorhergehenden Spruchreihe 3,1-12 ist schwieriger zu bestim men. Es darf aber als wahrscheinlich gelten, daß der für die erste Spruchreihe l,2ff wichtige Zusammenhang von Vollkommenheit und Weisheit auch hier vorausgesetzt ist. Diesen vermuteten Sachverhalt kann folgende Beobachtung nahelegen: Jak 3,8 wird gesagt, daß die Zunge keiner von den Menschen zu bändigen vermag; diese Aussage nimmt Bezug auf V . 2 , der sich auf den Verf. selbst zurückführen ließ und 5
1
2
3
4
5
44
Wir fassen hier die Ausführungen v o n S. 9 kurz zusammen. V g l . Schräge, K a t h . B r . 41 f. Die Bitte k a m schon in 1,5f. zur Sprache, dort ausdrücklich als Bitte u m Weisheit; die Mahnung zur D e m u t 4,10 (raneLP-) k o m m t schon 1,9 —11 vor; 4,11 wird ebenso v o m T u n des Gesetzes gespro chen w i e 1,22, u n d v o n der Begierde ist 1,13ff die R e d e . V g l . die A n a l y s e S. 10. Vgl.S.7f.
1
das Ziel der Mahnungen der ganzen Spruchreihe 3,1 — 12 darstellt . Vollkommenheit ist also, wie das grundsätzliche Eingeständnis der eigenen Fehlerhaftigkeit deutlich macht, das, was kein Mensch vermag. Nach 3,11 aber ist dieses Unvermögen keine Zwangsläufigkeit, sondern an diesem Punkt setzt unser Abschnitt mit der grundsätz lichen Frage nach der Weisheit ein. 3,13-18 führt damit den Gedanken von 3,1-12 nicht einfach weiter, sondern behandelt den Gesichtspunkt der Vollkommenheit nun grundsätzlich von der Frage nach der Weisheit aus. Dieser Gedanke entspricht ganz den Einsichten, die wir im vorigen Kapitel über das Verhältnis von Vollkommenheit und Weisheit gewinnen konnten.
II.
Der theologische Leitgedanke von Jak 3,13—18
1.
Die mit der Fragestellung 3,13 gegebenen
a)
ooQöq
Kai
Voraussetzungen
emorruiojv
Gleich zu Beginn setzt unser Autor mit dem Thema ein, das Gegenstand der ganzen Abhandlung werden soll, der Weisheit. Die Verbindung ao0öc. Kai emoTrinuv kommt im N T sonst nicht vor, ist aber in L X X nicht selten belegt, Dt 1,13.15; 4,6; Da 5,12 bzw. oo<j)ia Kai e7rtarr?jui? Ex 31,3; 35,31; 36,1; Sir 1,24; 19,22; Jes 33,6 . Verbreitet ist unsere Formel vor allem auch in der zeitgenössischen Popularphilosophie , ja, der Grundsatz der stoischen Philosophie, deren eigentliches Subjekt der ooQöq ist, geht dahin, daß die Weisheit Wissen, e n - i a r r ^ r ? , ist: tt\v QCkoooQiav fyaolv e-nirribevoiv 3
4
eivai
ooQiaq
, rrjv
5e
ooQiav
einoTriiiriv
deicjv
r e K a i ävd pu-nivcov
5
irpayndruv
.
Dabei geht es darum, „daß das Viele in eine einheitliche Ordnung gebracht wird, die als solche unumstößlich ist" . Dies darf nicht nur als theoretisches Wissen verstanden werden, sondern in der oo<j)ia oder besser: dem ao0dc kommen Theorie und Praxis zu einer Einheit , insofern in ihr jene Gesinnungshaltung bestimmend wird, die „den X 0 7 0 C , der die Einheit des Kosmos konstituiert, entspricht" . Allein dem Weisen kann e ^ i a r r ^ r ? zukommen, da sie die Dinge definiert und verstehend einordnet . So sind e7rtari?jui? und ooQla eng aufeinander bezogen, denn sie gewährleisten das dem Xöyoq gemäße Verhalten des XoytKÖv $cbov, das Zusammenwirken aller Tugenden zu einem tugendhaften, mit dem Xöyoq übereinstimmenden Leben; somit sind oofyia und e7rtaTi?jui? die Elemente eines Systems, in dem die emoTriH'n die Dinge in ein festge fügtes und gesichertes Gebilde hineindefiniert und die Weisheit so „verwirklichtes Wissen" ist. Entsprechend wird in den auf diesem Grundgedanken basierenden zeit6
7
8
9
10
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1 0
V g l . S. 8 + A . 7 . V g l . auch Sir 10,25; 21,15, w o die Begriffe ao0oc u n d emOTrißcov in einem Z u s a m m e n h a n g stehen. V g l . auch Philo, D e praemiis et poenis 83:rtc. yäp ovk äv einoi Kai tCov (pvoei ßaoKävuv, ort oofyöv dpa yevoq Kai eitioTrmoviKÜTaTOV növov r o ö r ' eor'iv, cb rdq delaq -napaiveoeiq k^eyevero jur) Keväq Kai eprjßovq ä-noXmeiv tcjv oiKeicov irpä^euv, aXXd itXriptboai rovq Xöyovq epyoiq e-naiveroic; D i e stoische Philosophie spricht weniger v o n d e r oo
45
2
genössischen Tugendkatalogen die e-nioTnuri als eine in der Reihe von verschiedenen Verstandestugenden begriffen, „deren oberste die Kardinaltugend der (ppövqotq (Er kenntnis des sittlich Guten) ist" , Philo Vit Mos I, 154; Omn Prob Lib 83; Fug 52; Ceb Tab 203; vgl. Epikt II 13,3; Philo Virt 174. 1
Ist die Verbindung ao0öc K A I eitioTruxtov sowohl in der biblischen Tradition wie auch in der zeitgenössischen Philosophie verbreitet, so wird sie unserem Autor wohl vor gelegen haben, zumal der Gedanke der eirLorrinri im folgenden Text keine Rolle mehr spielt und die weitere Auseinandersetzung nur um die wahre Weisheit, die ävcodev <jo0ta, geführt wird. Wie ist die Aussage unserer Schrift zu verstehen, was bedeutet inhaltlich ooipöq Kai e-niorripcov, bzw. wer ist im Lichte des Jak als ooyöq K A I emoTrißcjv zu bezeichnen? Das beschriebene Weisheitsideal der stoischen Philosophie, das die beiden Begriffe geradezu als konstitutive Größen kennt, hat zum einzig be stimmenden Inhalt „die Autokratie, die unbezwingbare Herrschaft und Macht des Wil lens zur Freiheit, so daß nicht einmal Gott eine Gewalt darüber verbleibt" . Entspre chend zeigt sich das Verständnis von eiriorrinTi und ooia von seinem Ansatz her als die Grundauffassung von Tugend als einer rein menschlichen Leistung", welche „das Bewußtsein menschücher Leistungskraft, das Bewußtsein des freien, auf sich ge stellten Menschen (verrät)" und den Menschen geradezu als unabhängigen, ja, gött lichen Herrscher versteht, dem jede Art von vertrauender Bitte um Geborgenheit in Gott als ein unerträglicher und das eigene Selbstbewußtsein entmachtender Zwang erscheinen muß. 2
3
b)
nioTiq und
oocf>ia
Nach 3,13 ist ooQdq neu e-nioTriytcov der, so wird zunächst allgemein festgestellt, der ev npavrriTi ooQiaq seine Werke aufzuweisen hat. Dieser Gesichtspunkt führt uns in die r^he der sicher auf den Autor selbst zurückgehenden Auseinandersetzung 2,14ff; das soll durch einige wesentliche Gemeinsamkeiten gezeigt werden, die beide Texte formal und inhaltlich bestimmen. 4
Auffällig ist zunächst in der paränetischen Antwort 3,13b, daß nach Meinung des Autors für die oo<j)ia, welche nach 3,18 Gerechtigkeit vor Gott erwirkt, das erfor derlich ist, was nach 2,14.18 den im Gericht rettenden Glauben ausmacht: der Auf weis der Werke. Damit ist der Hinweis gegeben, daß die Vorstellung von der oofyia möglicherweise den für 2,14 charakteristischen Glaubensbegriff impliziert, also auch in diesem Abschnitt Glaube und Weisheit in einer besonderen Beziehung zueinander
1
2
3
4
46
A . V ö g t l e , Die T u g e n d - und Lasterkataloge im N e u e n Testament ( N T A 16,4-5), Münster 1936, 135. V ö g t l e , K a t a l o g e 131; vgl. nur Epikt I V 1,46a: r t jap eoriv, ö f r j r e f iräq ävdpcortoq; evoTaOrjoai, evSaipovrjoai, irävTa cöe deXei itoieiv, pr\ KtoXveoBai, pri ävayKä$eodai. V ö g t l e , K a t a l o g e 135. D e n inhaltlichen und z . T . terminologischen Z u s a m m e n h a n g mit seinen Konsequenzen für den theolo gischen Hintergrund des Jak übersieht leider F. M u ß n e r , w e n n er im A n h a n g zur 3. A u f l . seines K o m mentars den Versuch von U . L u c k , Der Jakobusbrief, die Weisheitstheologie in den Mittelpunkt des Jak zu stellen, mit der Begründung ablehnt, in Jak 2,14-26 fehle der G e d a n k e der Weisheit (Jak 249). N i c h t zuletzt auf dem Hintergrund des inhaltlichen Zusammenhangs von nioTiq und oo^pia kann der weisheitstheologische Ansatz von L u c k begründet a u f g e n o m m e n w e r d e n ; allerdings ergeben sich gerade aus diesem Z u s a m m e n h a n g heraus erhebliche Fragen an L u c k hinsichtlich des inhaltlichen V e r standnisses der Weisheit im Jak.
1
stehen . Wenn man es nicht als Zufall ansehen muß, daß der Verf. in 2,18 in jenem Aufweis des Glaubens aus den Werken heraus mit der 3,13b ähnlichen Formulierung 8ei%co eK TCÜV epytov spricht , ist die vermutete Gemeinsamkeit auch terminologisch gesichert . Den gedanklichen Zusammenhang von irioriq und ooQia kennt unser Autor, wie wir sahen , ja auch schon in der ersten Mahnung Jak l,2ff: durch die Erprobung des Glaubens in der Anfechtung gelangt der Mensch zur Vollkommenheit; diese wird aber erst möglich, wenn Gott dem Menschen seine Weisheit gibt; um diese Weisheit aber muß er bitten im vertrauenden Glauben, 1,6. Eine stilistische Beobach tung kann den vermuteten Zusammenhang wahrscheinlich machen: Der Satz 3,13 scheint gerade stilistisch der Frage 2,14 nahezustehen, denn auch er läßt den Einfluß der zeitgenössischen Diatribe erkennen , was auch die „hellenistische Vorliebe für Um schreibungen mit € K " anzeigt, vgl. 2,18. 2
3
4
5
6
Diese Hinweise legen nahe, daß in unserem Abschnitt 3,13ff jener Glaube vorausge setzt ist, der in l,2ff und, wie wir noch sehen werden, 2,21 ff zur Vollkommenheit durch Weisheit gelangt . 7
c)
irpavT'qq
oofyiaq
Wir sahen, daß eine Weisheit, die nicht ganz auf der Leistung des Menschen beruht und eine logische Verwirklichung seiner Selbsterkenntnis darstellt, für die zeitgenös sische Philosophie eine provozierende Herausforderung menschlicher Selbstverwirkli chung sein muß. Zu einer solchen ooia, die in der Erkenntnis der eigenen Schwach heit begründet ist und sich infolgedessen in Demut und Niedrigkeit äußert, scheint unser Autor aber in dem vorliegenden Abschnitt zu mahnen. Solcher Weisheit, wie der Jak sie predigt, ist im Gegensatz zu jeder Leistungsethik der Gedanke der SelbstBehauptung fremd; Weisheit kann ja nur als Gabe von Gott erwartet werden, vgl. 1,5, wenn der Mensch sich erniedrigt und so bereit ist für Gottes Gabe, 1,9—11; 4,10. Eine aufgrund menschlicher Leistung behauptete „Weisheit", die nach Meinung unserer Schrift ein Kennzeichen des <j>av\oq ist, 3,16, charakterisiert er mit den noch zu besprechenden Begriffen e 7 r i 7 e i o c , \Jjvxmos , haipovitobr^q , 3,15. Worin die in unserem Brief gemeinte Weisheit ihr Wesen hat, wird in V.17 mit einer Reihe von Aussagen deutlich gemacht.
1
2
3
4
5
6
7
U . L u c k , Der Jakobusbrief 164f. sieht zu Recht einen gemeinsamen religionsgeschichtlichen Hinter grund. V g l . l K l e m 3 8 , 2 : 6 a o 0 ö c ev8einvvo0co TT\V oo
47
Nach V.13 ist es zunächst die irpavTrjq , in der der Christ die Werke als Ausweis der Weisheit erbringen muts. Fragen wir nach Herkunft und Bedeutung des Begriffes in unserem Zusammenhang, so ist zunächst auf die wichtige formale Beobachtung von A . Vögtle hinzuweisen: Die Wortform -npavrriq bzw. irpavq scheint im N T ganz an die biblische Tradition anzuschließen, die jüdisch-hellenistische und hellenistische Lite ratur kennt weithin nur die Wortform irpäoq , TrpaÖTrjq ; L X X liest fast durchweg -npavq bzw. npavrrjq und dieser Tradition entstammend dann auch das N T . Dieser Gesichtspunkt darf natürlich nicht überbewertet werden, aber auch das inhaltliche Verständnis der npavTrjq wird man ganz von der Tradition der L X X zu erklären ha ben: zwar kennt auch die zeitgenössische Ethik Begriff und Motiv der „Sanftmut" als geschätzte Tugend, vgl. Epikt I I , 22,36; I I I , 20,9, aber mit jener „Sanftmut" sind offensichtlich völlig andere Voraussetzungen gegeben und andere Ziele gemeint ; be zeichnenderweise soll sie nicht zur Selbsterniedrigung führen, Dio Cass 74,5,7 , ein Gedanke, der gerade in L X X und im N T aus der Nähe von Taneuvöq und npavq hervorgeht . 1
2
3
4
In unserem Brief begegnet das Motiv sachlich noch einmal in der inhaltlichen Charak terisierung der ävcjdev
ooia Jak 3,17 mit dem Wort eiaeiKrtq
, und der Begriff
npavq bzw. irpavTrjq selbst kommt noch einmal in der Taufparänese 1,21 vor, in der der Verf. zum Ablegen jeder Schlechtigkeit und zur Annahme des epQvToq Xöyoq mahnt. In diesen Aussagen, die uns noch weiter unten beschäftigen werden, ist die -npa'vTriq jene Grundhaltung, in der der e'p
6
1
2
3
4
5
6
48
V g l . V ö g t l e , Kataloge 152. Epikt III 20,9: K A I ovToq epov npoyvpvr^OTriq yiveraf TÖ avetiTinöv pov yvpvä$ei, TÖ äöpyqTOV, TÖ npäov. irpäoq bedeutet hier jene innere Gelassenheit, mit der der Stoiker selbst äußere Widrigkeiten für sich z u m Vorteil w e n d e n kann. Vgl. auch V ö g t l e , Kataloge 152. Vgl. A r t . npavq/irpavTriq ; in: T h W N T V I , 645-651 ( H a u c k / S . S c h u l z ) , für die profangriechische Bedeutung 645-647. V g l . W . G r u n d m a n n , A r t . Taneivöq ; in: T h W N T V I I I , l - 2 7 . 2 0 f . N a c h l T i m 6,11 ist die Sanftmut die „ n o t w e n d i g e konkrete Ä u ß e r u n g der L i e b e mit der auf die Streitigkeiten der Irrlehrer und ihre bösen Folgen ( ' N e i d , Streit, Lästerung u s w . ' ) zu antworten ist": V ö g t l e , Kataloge 172. V g l . Schräge, Kath. B r . 23; vgl. auch Mt 5,5: paKapiOL ot irpaetq .
lieh ist die npavT'qq in 3,13 inhaltlich mit dem Tun des Werkes verbunden, ja, gera dezu die Weise, in der das Werk getan werden soll . Nun ist, wie wir schon feststell ten, Jak 1,18 und im Anschluß daran auch Jak 1,19 ff, vor allem 1,21 f. der christ liche Charakter nicht abzusprechen . Von daher sind Begriff und Motiv der npavT^q theologisch vergleichbar mit der inhaltlichen Füllung in anderen neutestamentlichen Schriften. In erster Linie stoßen wir hier auf die wichtige Stelle Mt 11,29, in der Jesus als die Weisheit sich selbst als „sanftmütig und demütig von Herzen" (npavq etjut K A I raiteivöq rrj KapSia) bezeichnet. Vor allem von der Nähe der beiden Stellen Jak l,17f.l9ff und Jak 3,13ff legt sich nun die Frage nahe, ob das Verständnis von Weisheit im Jak sich auf die „praktisch orientierte Weisheit", die sich im wesentlichen „in sittlich anständiger Lebensweise" äußere, reduzieren läßt, oder nicht vielmehr ooQia die Funktion der die Christen neuprägenden Kraft gewinnt, also primär eine theo-logische Größe darstellt. Wir werden darauf noch eingehender zurückkommen. 1
2
3
4
5
d)
KGLXT)
ävaoTpoQr}
Die als Ausweis der Weisheit vom Christen zu erbringenden Werke sollen en KCLXTJC ävaoTpoQfiq hervorgehen. Der Begriff wird in den Briefen des N T öfter im Sinne von „Wandel" oder „sittlichem Wandel" ausgesagt, Gal 1,13; Eph 4,22; lTim 4,12; Hebr 13,7; Jak 3,13; IPetr 1,15.18; 2,12; 3,1; 3,2; 3,16; 2Petr 2,7; 3,11. Das Wort erhält seine besondere Bedeutung in den Tauf-Kontexten Eph 4,22; IPetr 1,18: in der Taufe wurde der alte Lebenswandel, in dem das alte Sein herrschte, abgelegt, und es wurde darin die Möglichkeit eines neuen Lebenswandels verpflichtend eröff net. Darin wird das neue Sein ergriffen, in der Taufe wird neue avaoTpofyri ge schenkhaft mitgeteilt. Dieser ai>aarpo0T?-Gedanke ist für IPetr zentral und bezeichnet dort ebenso wie Jak 3,13 die rechte christliche Lebensführung. In ihr kommt es nun entscheidend auf die Werke an, und durch die geforderten Werke, die sich als Auf gabe verstehen, wird guter Lebenswandel möglich. Halten wir fest: die -npavTr\q als die Grundhaltung, in der der Xöyoq empfangen wird, ist die Voraussetzung für die KaXrj ävaoTpo(t>r\, da sie die rechte Haltung der Weisheit gegenüber darstellt, welche das von Gott geschenkte und immer wieder aufzuweisende Lebensfundament ist. In der Verwirklichung jenes geschenkten Xöyoq erweist sich der Christ als ao0oc , als nunmehr von der ooeßia Gottes geprägt. 6
Will man von den in dieser Auslegung gewonnenen Einsichten die Frage nach dem mit V.13 gegebenen theologischen Ausgangspunkt unseres Autors beantworten, so läßt sich zunächst aufgrund des Textes ein prinzipieller und für den ganzen Gedan kengang schlechthin entscheidender Gesichtspunkt geltend machen, der sich in der
1
2
3
4
5
6
V g l . Sir 3,17: T€K VOV, ev TrpavrrjTL TCL epya oov 5 ie%aye. Im Jak tritt aber der bei Sir folgen de G e d a n k e des dem T u n entsprechenden unmittelbaren Ergehens zugunsten der eschatologischen Verheißung zurück. V g l . oben S. 4 + A . 7. V g l . Mußner, Jak 101 —103; G . B r a u m a n n , D e r theologische Hintergrund des Jakobusbriefes; in: ThZ 18(1962), 401-410.405f. V g l . Schweizer, Das Evangelium des Matthäus ( N T D 1), Göttingen 1973, 177.291 f.; vgl. auch 2 K o r 10,1. Schräge, Kath. Br. 15f. V g l . o b e n S. 4 8 .
49
weiteren „Auseinandersetzung" konkretisieren lassen muß: Der Autor bringt mit der Frage riq ooQöq Kai e-niorruiuv und der darauf folgenden antwortenden Ermahnung die uneingeschränkte Notwendigkeit der Weisheit für den Christen zum Ausdruck. Weisheit ist, so wird zunächst festgestellt, nicht menschliche Eigenleistung, sondern erweist sich gerade in Werken der Demut und Niedrigkeit und ist, so verstanden, tä tige Verwirklichung des geschenkten Xöyoq.
2.
Das Wesen der „Weisheit von oben" und die Glaubenspraxis der „Gegner"
a)
Wesen und Inhalt der geforderten
Weisheit
(V.17)
In der Analyse w^rde gezeigt, daß V.17 den Zielpunkt des ganzen Abschnittes 3 , 1 3 18 bildet. Wir wollen nun versuchen, die einzelnen aufgezählten Wesenseigenschaften der ävcjOev
ooia zu erklären, um diese dann der OVK ooia ävcodev
KaTepxop.er]
( V . 1 5 ) gegenüberzustellen. Bevor wir diese Erklärung vornehmen, müssen wir uns noch einmal dem schon er wähnten Zusammenhang l,17f.l9ff zuwenden , der für das theologische Verständnis von ooQia von weitreichender Bedeutung ist. Es wurde schon im Anschluß an die Erklärung des Motivs der irpavrriq 1,21; 3,13 die Frage gestellt, ob sich die Meinung tatsächlich halten lasse, Weisheit im Jak sei auf das praktische Verhalten oder den sittlichen Lebenswandel beschränkt , oder ob nicht doch mit starken Gründen ange nommen werden könne, daß die oo(j>ia als von Gott kommende Größe die den Christen neuprägende Kraft darstellt. 1
2
In 1,21 verfolgt die Mahnung unseres Autors das Ziel, das, um mit W. Grundmann zu formulieren, „eingepflanzte Wort anzunehmen, kv npavT^Ti, d.h. mit sanftmütiger Geduld, mit der Bereitschaft, sich unter das Wort zu stellen und sich von ihm zur Tat leiten zu lassen, die ebenfalls als lautere Liebe beschrieben wird (Jak l , 2 2 - 7 ) " . Diese Mahnung schließt an 1,17f. an. Hier konnte gezeigt werden, daß der Verf. mit der Überleitungsformel w -nXaväode, äSeXQoi ßov eine kleine Aussage einleitet, in der er der Beschreibung der Ursachen für die Versuchungen zum Bösen Vv.13-15 das Wesen Gottes gegenüberstellt, Vv. 17f., um darauf hinzuweisen, daß von Gott nichts Böses kommen kann , denn das Wesen Gottes besteht in seinem „vollkommenen Ge schenk" (V.17a), in seiner Unveränderlichkeit (V.17bc), in der Gabe des X 0 7 0 C äXrjOeiaq , durch den die Christen wiedergeboren wurden. Demnach muß der Xöyoq äXrideiaq in dem „vollkommenen Geschenk" gesehen werden, von dem V. 17a die Rede ist. Diese Beziehung wird wahrscheinlich gemacht durch die offenkundige Anti these von 1,15 und 1,18: V.15 wird ausgeführt, daß die zur Vollendung gelangte Sünde (d/japria a-noTeXeoOeioa) den Tod gebiert; dem steht in V.18 der Gedanke gegenüber, daß jedes „vollkommene Geschenk" von Gott stammt (ävudev eonv), der die Christen zu „Erstlingen seiner Schöpfung" wiedergeboren hat durch den Xöyoq äXrjOelaq. Der Motivreihe „Begierde - Sünde - T o d " setzt unser Autor die Verbindung „vollkommenes Geschenk - Wiedergeburt - Wort der Wahrheit" entge gen . 3
4
5
1
V g l . o b e n S. 4 8 f .
2
V g l . o b e n S. 4 9 . W . G r u n d m a n n , Die NEU I O I in der urchristlichen Paränese;in: N T S 5 ( 1 9 5 8 / 5 9 ) , 188-205.190. V g l . oben S. 3f. V g l . auch M u ß n e r , Jak 9 4 - 9 7 ; vgl. noch Hph 1,13, w o X c 7 0 c ä X ? ? 0 e i a c und ooJTrjpia zusammen stehen.
3
4
5
50
An jenes Wort knüpft unser Autor in 1,19ff mit seiner wichtigen und theologisch be gründeten Mahnung an. Als darch den Xöyoq äXrideiaq Neugeborene sollen die Christen nun alles Übel ablegen und in Sanftmut das eingepflanzte und rettende Wort auch annehmen und zum Inhalt ihres Lebens machen. Dieser von Gott kommende epQvToq
Xöyoq
, der nach unserem Verständnis identisch ist mit dem Xöyoq
äXrideiaq 1
ist aber ebenso auf das Werk angelegt wie die Weisheit „von oben" in Kap. 3 : wie die Christen ev -npdihr\Ti das von Gott kommende Geschenk, den epQvToq Xöyoq , den X070C äXrideiaq aufnehmen und in der Tat zur Verwirklichung bringen sollen , so sollen sie, wie wir schon sahen, ev -npavrrjTL jene Werke aufweisen, die sie als oo4>oiKa\ enioTmoi erbringen müssen und die die Weisheit selbst immer schon mit bringt. Damit werden der als Geschenk von Gott kommende X070C äXrideiaq , der als das eingepflanzte Wort rettende Kraft besitzt, 1,21, und die Weisheit „von oben" (3,15.17) zusammengesehen . Entsprechend sollen die Christen, die durch das Wort der Wahrheit wiedergeboren wurden, dieses Geschenk nicht wieder dadurch zunichte machen, daß sie in Zank und Streit verfallen und damit gegen die Wahrheit lügen, 3,14; vgl. 1,20 . 2
3
4
Wir sehen: Jak 1,17f. 19 und 3,13ff stehen theologisch und terminologisch in enger Verbindung. Wie tnser Autor in 1,18 den X070C äXrideiaq als die den Christen neu gestaltende Kraft auslegt, welche dieser aufzunehmen hat und im Werk verwirklichen muß, um so gerettet zu werden, 1,21, bzw. in den Besitz der eschatologischen Ver heißung zu gelangen, 1,25, so ist die Weisheit die von Gott kommende Heilsgabe, aus der heraus der Mensch die Werke tun muß, die sie wesensmäßig schon immer mitbringt, 3,13.17; die Frucht der Weisheit bedeutet für den Menschen Gerechtigkeit vor Gott, 3,18. Wenn unser Autor seine Hörer also auf die Weisheit verpflichtet, dann ist damit nicht nur die Mahnung zum guten Lebenswandel im Sinne eines moralischen Verhal tens gemeint, sondern theo-logisch — lehrhaft an jenen X070C erinnert, der als
1
2
3
4
D i e V e r b i n d u n g zwischen X 0 7 0 C äXrideiaq und epfyVToq Xöyoq nehmen auch an: Mußner, Jak 102; Schräge, Kath. Br. 2 1 ; Schlatter, Jak 144; Spitta Jak 50; B r a u m a n n , D e r theologische Hinter grund 4 0 6 . Spitta denkt des Näheren beim epQvToq Xöyoq an Gottes S c h ö p f e r w o r t , das er den Menschen bei der S c h ö p f u n g einpflanzte, dessen er aber durch den Sündenfall verlustig ging. Es sei aber auch — w o h l im Sinne einer Identifikation (vgl. S. 5 0 ) - als das W o r t des göttlichen Gesetzes zu verstehen: „ W i e d e r g e w i n n des ewigen L e b e n s und der anderen Güter des Urzustandes ist nur dann möglich, w e n n der Mensch aus d e m widernatürlichen Zustand der ävopia heraustritt und den verloren gegangenen X Ö 7 0 C ep
51
,
ävudev
ooQia
die Christen zu neuem Leben wiedergeboren und grundsätzlich geret
1
tet hat. In einem Katalog werden in unserem V.17 die Wesenseigenschaften der Weisheit auf gezählt, die der Christ aufnehmen und seinerseits zur Tat bringen soll. Die ooQia, die „von oben" kommt, ist -npCoTov äyvr\. Diese Bezeichnung macht zunächst einen sehr allgemeinen Eindruck; vielleicht soll damit die die folgenden Inhalte bestimmende prinzipielle Grundhaltung angedeutet werden , in der die Weisheit von Gott gegeben wird. Jedenfalls zählt der Begriff nicht zu den sonst verbreiteten Termini der Mahn rede. 2
In L X X hat äyvöq: sowohl die engere Bedeutung von „rein" (von kultischen Dingen) wie auch die lautere innere Gesinnung zum Inhalt. So wird etwa Prov 15 hervorge hoben, „um wieviel wertvoller ein sanftes, wohlbedachtes und zur richtigen Zeit ge sprochenes Wort ist, als ein unbedachtes, gedankenloses und kränkendes Daherreden" , oder es wird auffallend grundsätzlich gesagt, daß niemand „rein" und ohne Sünden sei, Prov 20,9, „das Menschenherz (sei) im Grunde verdorben" . Nach diesen Aussa gen, vgl. auch noch Ps 11,7 ( L X X ) ; 18,10 ( L X X ) , ist äyvöq Bezeichnung für das In nere des Menschen. Diese Bedeutung ist vor allem für das ntl. Denken einflußreich geblieben, wenn etwa zur Lauterkeit im Handeln gemahnt wird, vgl. 2Kor 7,11; so kann äyvöq als sittliches Ideal neben S I K C U O C stehen; Phil 4,8, oder es kann die For derung an die Gemeindeleiter sein, lTim 5,22; ovx äyvöq nennt Paulus schließlich die Christuspredigt aus Neid und Hader, Phil 1,17, vgl. Jak 3,14.16. Bedeutsam ist d7i>öc auch U o h 3,3 als christologisches Prädikat der Sündlosigkeit, mit dem der Verf. seine ethische Forderung begründet. 3
4
Der Begriff ist in unserem Kontext im Sinne der übertragenen Bedeutung von „Lau terkeit" verwendet und vom LXX-Sprachgebrauch beeinflußt . „Lauterkeit" ist das 5
1
Dieser enge theo-logische Z u s a m m e n h a n g zwischen Jak 1,17f. 19— 25 wird nicht hinreichend gesehen v o n U . L u c k , D e r Jakobusbrief. Weisheit wird in dieser im Ansatz gut begründeten Studie im A n s c h l u ß an 3,13ff n u r als Eigenschaft gesehen, die „als Frucht der Gerechtigkeit den Frieden ( h a t ) " ( 1 6 5 ) ; jedenfalls bleibt die Interpretation der Weisheit im Jak zu allgemein, nachdem der weisheitstheologische Hintergrund v o n L u c k stichhaltig aufgewiesen wird. Die christologischen K o n s e q u e n z e n , die eine durch den Z u s a m m e n h a n g v o n l , 1 7 f . l 9 - 2 5 mit 3 , 1 3 - 1 8 ermöglichte theo-logische Interpretation der Weis heit anzudeuten in der L a g e ist, fallen daher aus dem Blickfeld. A u c h B . R . Halson stellt die Frage nach der F u n k t i o n der Weisheit im Jak: T h e Epistle of James: 'Christian W i s d o m ' ? , in: St Ev I V ( T U 102), 308—314. Z w a r steuert Halson nützliche A n a l y s e n zur Frage nach F o r m e n , Stilistik u n d T h e m e n zur allgemeinen Diskussion über den Jak bei ( w o b e i man allerdings nicht seine alternativartigen Unterschei dungen zwischen hellenistischer Diatribe u n d Weisheitsüberlieferung unterstützen kann, die er S.309f. vorschlägt), d o c h führt der Hinweis auf die Weisheitsliteratur der L X X als „ W u r z e l " für den Jak ( 3 1 1 ) k a u m weiter, w e n n sie nicht theo-logisch ausgewertet wird. D a ß die Weisheitstradition der L X X auf unseren Brief eingewirkt hat, ist kein Geheimnis und löst in keiner Weise das „ R ä t s e l " des Jak. Die V e r m u t u n g e n H . u m d e n H e r r e n b r u d e r Jakobus u n d eine durch ihn ins L e b e n gerufene Weisheitsform in V e r b i n d u n g mit einer tradierenden Schule ( 3 1 3 ) sind allerdings rein spekulativ; M u ß n e r , Jak 240 A . 1 6 hält die H y p o t h e s e H . z w a r für „ e r w ä g e n s w e r t " , gibt aber zu Recht zu bedenken, daß aus dem Jak ein autoritätsbewußter Prediger spricht, w o m i t er das Urteil „ e r w ä g e n s w e r t " im G r u n d e w i e d e r zurücknimmt.
2
M a n kann aber nicht sagen, daß die Voranstellung von äyvöq „nicht d e m G e d a n k e n g a n g " entspreche, weil es sehr allgemein klinge, w i e Dibelius, Jak 256 annimmt. H . Ringgren, Sprüche; in: H . Ringgren — W . Z i m m e r l i , Sprüche/Prediger ( A T D 16,1) Göttingen 1962, 65. Ringgren, Sprüche 82; vgl. auch noch F. H a u c k , A r t . äyvöq ; in: T h W N T I , 123. Für die B e d e u t u n g der kultischen Reinheit verwendet L X X lieber nadapdq (vgl. H a u c k , A r t . äyvöq, 123). A u c h in der Stoa kann der Weise äyvöq genannt w e r d e n , S V F I I I 608 ( D i o g Laert V I I , 119: ä \ \ ä nr)v dveiv avTOvq OeoCq äyvovq re vnäoyeiv.
3
4
5
52
Wesen der Weisheit, so wie Gott lauter (d7rXcoc. ) die Weisheit gibt, 1,5. Funktion und Stellenwert der Bezeichnung interpretiert Spitta zutreffend: „Wenn ausdrücklich als erste Eigenschaft die äyvörriqhingestellt und durch ein eitena von den folgenden ge schieden wird, so erkennt man, daß mit äyvöq ihr Wesen bezeichnet ist, abgesehen von ihrer Bethätigung unter den Menschen" . 1
In einer ersten Gruppierung von Charakterisierungen wird die ävcodev eireiTa
eipriviKr),
emeucr)<;
, eu7rei077<;
beschrieben. Durch eneira
ooQia
nun als
ist ausgedrückt,
daß
diese drei „Tugenden" erst möglich sind aufgrund der Lauterkeit, die die ävtodev ooQia bestimmt, sie sind demnach als konkreter Aufweis der oofyia. äyvr) zu betrach ten. 2
Das Motiv des Friedens ist in seiner Bedeutung sehr vielfältig . W. Foerster ist der Ansicht, daß eirr)vr\ in L X X noch nicht den Gegensatz zu persönlichem Streit und Haß zum Ausdruck bringe ; in einigen Belegen ist freilich dieser Gedanke schon vor bereitet, wenn vom friedlichen Reden gesprochen wird, vgl. Ps 34,20 ( L X X ) ; IMakk 1,10; Sir 50,23; vgl. noch Jer 20,10; Ps 41,10. Dieser Gedanke tritt dann vor allem bei den Rabbinen ausdrücklich hervor, wenn oft vom Friedenstiften unter den Men schen gesprochen w i r d , so daß man durchaus annehmen darf, „daß die Rolle, die das Friedenstiften bei den Rabbinen einnimmt, dem nt.lichen Liebesgedanken am nächsten kommt und den Platz im Spätjudentum einnimmt, den im N T die Liebes forderung hat. Freilich zeigt sich hier sofort eine Beschränkung auf das Negative, denn es handelt sich nicht um sim , d.h. das Heil des Nächsten, sondern um sim im Sinne von Beendigung der Zwietracht" . 3
4
5
Bedeutungsvoll für unseren Zusammenhang gerade im Kontext mit 3,18 ist die Ver lagerung des Verständnisses von eipr)vri in den frühjüdischen Schriften. Hier wird der Begriff als Gegensatz zum vernichtenden Gericht verstanden. Dort „stehen die Wen dungen, daß den Gottlosen OVK e'Xeoc ... Kai eipf)vr\ äth Hen 5,5, den gefallenen Himmelswächtern OVK ... eipr)vr\ oure a0eatc äth Hen 12,5 zuteil wird, der Verhei ßung an die Frommen gegenüber, daß ihnen Friede gegeben w i r d " . 6
7
Diese verschiedenen Ansätze scheint das N T zu einer zentralen theologischen Frage vereinigt zu haben. Dabei ist der tragende Gedanke der, daß der heile Zustand von Mensch und Welt durch den Menschen entgegen seiner ursprünglichen Bestimmung zerstört worden ist. In Jesus Christus aber ist der Friede - Friede zu Gott und Frie de zu den Menschen — neu und unwiderruflich zum Ereig üs geworden. Von daher kann Paulus sagen, daß die Christen durch Jesus Christus Frieden haben zu Gott, Rom 5,1, oder daß Jesus Christus selbst unser Friede ist, der alle Unterschiede zu-
1
2
3
4
5
6
7
Jak 107. V g l . Foerster, A r t . eipr)vr) KT\.; in: T h W N T I I , 398-418. A r t . eipr)vq, 405. V g l . Foerster, A r t . eipf)PT} , 408. Ebd. E b d . Dieser Gesichtspunkt geht auch aus der G e d a n k e n w e l t der l H e n oft nahestehenden Sapientia hervor, vgl. Sap 3,3; 4,7; vgl. dazu J. Fichtner, D i e Stellung der Sapientia Salomonis, 124f. V o n der hellenistischen Bedeutung der eiprjpr}, die die Unempfindlichkeit des nicht zu erschüttern den Stoikers allen widrigen Einflüssen gegenüber hervorheben will, hebt sich der ntl. Friedensgedan ke, gerade auch in unserem „ K a t a l o g " , entscheidend a b , vgl. Epikt III 22,105.
53
nichte macht; dieses Ereignis führt den Autor des Kol dann zu der Mahnung an die Christen, den Frieden Christi in den Herzen zu festigen, Kol 3, 15, oder der Verf. des 2Thess bittet den Gott des Friedens, er möge den Christen den Frieden verleihen, 2Thess 3,16; nach Gal 5,22 ist die „Frucht des Geistes" der Friede . 1
Freilich wird man unserem Zusammenhang nicht die für die paulinischen Briefe vor auszusetzende christologische Fülle des Begriffes eipr\vr\ zugrundelegen dürfen. Das Motiv ist wohl in die allgemeine Situation der Gemeinden hineingesprochen, die von Zank und Streit gekennzeichnet ist, einer Lebenspraxis, der die ävioBev ooQia als eine Weisheit des Friedens entgegensteht. Gott, von dem diese ooQia ausgeht, hat sein Wesen gerade nicht in der Streitsucht, sondern er ist der Gott des Friedens, der durch seine Weisheit diesen Frieden weiterschenkt, daher widersprechen Streiterei und Parteiung jener Heilsgabe Gottes, vgl. auch Jak 2,4 . Die eipr\vr\ ist also wohl nicht nur eine mitmenschliche Tugend, sondern im Grunde jene geschenkhafte Gabe, in deren Verwirklichung auch eschatologische Verheißung liegt, wie der folgende Vers 3,18 uns noch näher zeigen wird, vgl. auch Mt 5,9. 2
Zusammen mit eiprjvinr) wird die oofyia e-nieiK^q genannt. Die Wortgruppe enthält einen für A T und N T wesentlichen Gedanken und wird auch in anderen Begriffen ausgedrückt. In L X X findet sich das Wort vorwiegend in den späteren Schriften und drückt meist das „Verhalten Gottes als Herrscher aus: seine Milde, die er als König offenbaren kann" , wird dann aber auch auf den Menschen übertragen, „die Gott nahegerückt sind und heilig wie Gott sein sollen" . Auch die zeitgenössische Ethik kennt die k-nietKeia als ein wichtiges Tugendideal, freilich mit anderen Zielen, vgl. Epikt III 2 0 , 1 1 . 3
4
5
Im N T wird e-nieiiceia bzw. €7ueiK7?c weitgehend in den Briefen verwendet. Die Wort gruppe kommt hier Apg 24,4; 2Kor 10,1 ( e T r i e i K e i a ) ; Phil 4 , 5 ; 1 Tim 3,2; Jak 3,17; IPetr 2,18 ( e 7 r i e i K T ? c ) vor. Sicher darf man die Bedeutung im N T nicht un zulässig überstrapazieren, aber daß der Begriff auch in einem übernommenen helle nistischen Pflichtenkatalog eine gewisse theologische Tragweite haben kann, zeigt lTim 3,3; dort wird von dem Bischof gesprochen, „der mit Autorität ausgerüstet ist und als Vertreter der Gemeinde in eschatologischer Gewißheit und aus eschato6
1
2
3
4
5
6
54
J . A . K i r k , T h e Meaning o f w i s d o m in James: examination o f a hypothesis; in: N T S 16( 1 9 6 9 / 7 0 ) , 24—38, will wahrscheinlich machen, daß die „Weisheit" Jak 3,17 gleichbedeutend mit „ G e i s t " Gal 5,22 sei, da der K o n t e x t ähnlich sei, die „ T u g e n d k a t a l o g e " in einer ähnlichen Weise, nämlich als Hinweis a u f das als G o t t e s G a b e verstandene untadelige L e b e n im Gegensatz zu dem schlechten L e b e n s w a n d e l aus d e m Fleisch, angewendet würden und der G e b r a u c h des Wortes napiiöq aus einem parallelen A n l i e g e n heraus gebildet sei ( S . 2 7 ) . Sollten beide Stellen tatsächlich in einem sachlichen Z u s a m m e n h a n g stehen, so würde das sicher theologische K o n s e q u e n z e n haben. Wir werden darauf zurückkommen. Dieser G e d a n k e findet sich auch 1 K o r 14,33: ov jap eoriv anaTaoTaoiaq ö deöq äWä eipfivrjq ; v g l . äKaTOoraola Jak 3,16. H . P r e i s k e r , A r t . e7rtetKeta/e7rietK7?c ; in: T h W N T 1 1 , 5 8 5 - 5 8 7 . 5 8 5 . E b d . Hier ist v o r allem auf Sap 2,19 zu verweisen, w o die Gottlosen prüfen w o l l e n , wieweit die eme'uieia des Gerechten, d.h. aber des Weisen geht. KdKÖq ye'iTiop; CLVTCÖ ° dXX' e / i o t äyadöq - yvidvä^ei ßov rö ebyvoopov, TÖ €7ueiKec . Hier ist die eirie'iKeia „das kennzeichnende Signum der G e m e i n d e " (J. Gnilka, D e r Philipper brief ( H T h K X , 3 ) Freiburg 1968, 169).
1
logischem Besitz heraus handelt" . Bei Paulus kann das Wort auf Christus selbst übertragen werden: hier ist vor allem an 2Kor 10,1 zu denken. Paulus mahnt die Korinther öiä -npavT^Toq Kai emeiKeiaq TOV XPIOTOV. Christus ist in seiner e-nieiüeia das Vorbild des Apostels und der Gemeinde, und nach H. Windisch ist mit dieser Charakterisierung „ die bewußte Erinnerung an ein Herrenwort: Mt 11,29, oder auch Erinnerung an den persönlichen Charakter des geschichtlichen Jesus, sein 'sanftmütiges Erdenleben', insbesondere sein Verhalten bei der Passion sehr nahege legt" . Wenn diese literarische Beziehung auch kaum nachzuweisen ist und daher nur eine ungesicherte Vermutung bleiben kann, so fällt doch die sachliche Nähe und Parallelität mit TIPAVQ auf, die Jak 3,17, vgl. 3,13 auch besteht. Die Begriffe kiueineia und -NPAVTQQ können in ihrer christologischen Aussage auch sonst densel ben Sachverhalt wiedergeben, vgl. Tit 3,2; lKle 21,7;30,8; Diog 7,4. Insofern stehen sich die beiden Aussagen Mt 11,29; 2Kor 10,1, auch wenn man die traditionsge schichtliche Frage vorsichtiger beurteilt, inhaltlich nahe. Ist also in unserem Text die Weisheit Gottes €7rieiK7?c , so soll der Mensch ihr Abbild sein, indem er selbst milde ist. Dies entspricht dem angedeuteten Gedanken der L X X , daß der Beauftragte Got tes emeiKeia haben soll . 2
3
4
Schließlich wird in dieser Gruppe die ävcodev ooQia als evneiBriq bezeichnet. Der Be griff kommt sonst in den biblischen Schriften ( L X X ) nur noch 4Makk 12,6 vor; die se Stelle hat aber wohl keinen Einfluß auf unseren Zusammenhang. Wahrscheinlich schwingt hier die Epikt II 10,8 belegte Bedeutung des brüderlichen Verhaltens mit, wie Dibelius mit Recht betont, vgl. auch Epikt III 12,13: die Triebe und Abnei gungen sollen der Vernunft folgsam sein, vgl. noch Philo, De Virt 15. 5
In einer zweiten Aussagereihe wird die apudep
oo<j)ia als neoTrj
eXeovq
Kai
Kap-niöp
äyadiov bezeichnet. Im Erbarmen hat die Weisheit ihr Wesen und es ist ihr auch eigen, Kap-nol äyadoi zu besitzen. Diese Aussage ist vor allem im Hinblick auf das Verständnis von V.18 zu beachten und deutet den eschatologischen Gesichtspunkt, unter dem der ganze Abschnitt steht, an. Für die inhaltliche Prägung des erstgenannten Motivs läßt sich ganz und gar die biblische Tradition beanspruchen. Ist für unseren Brief das „Erbarmen" ein wesent liches Charakteristikum von Weisheit und eine Grundforderung an die christliche Ge meinde, so wäre dieser Gedanke als Tugend für die zeitgenössische Ethik undenkbar, bezeichnet doch in der Popularphilosophie e'Xeoq nicht etwa ein sittliches Verhalten zu anderen Mitmenschen, sondern wird unter die Krankheiten der Seele gezählt und als eines Weisen für unwürdig erachtet, vgl. Epikt II 21,3.5; III 22,13 . 6
1
2
3
4
5
6
Preisker, A r t . e7rtetK€ta, 587. Der zweite Korintherbrief; Göttingen 1924, 292. vgl. Sap 7,23: QiXävOpomoq {eineiKeia und QiXavdpwnia können s y n o n y m gebraucht w e r d e n ) , vgl. 3Makk 3,15. V g l . Preisker, A r t . eirieiKeia , 585. Nach l K l e 29,1 ist der Vater enteucqq und Jesus der Lehrer der e 7 r i e t / c e i a , l K l e 1 3 , 1 , daher soll sich der Weise nicht seiner Weisheit rühmen, sondern in Christus. V g l . Jak 257 A . 4 . Öpe^tv äpai oe 5 e f navTeXCjq , 6KKXIOLV eni pöpa peTadeivai r d -npoaipeTiKä • ool pr\p öpyqp eivai, pi] pf\viv, pi] cpdövop, pr\ eXeov.
55
Aus der jüdischen Tradition kennen wir das Motiv des Erbarmens als einen wesentli chen Grundzug alttestamentlicher Theologie. Dem Begriff e'Xeoc in L X X liegt über wiegend das hebräische Wort haesaed zugrunde, in den Psalmen immer. Kann damit das auf Gegenseitigkeit beruhende Verhalten zweier in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehender Partner gemeint sein , so wird vor allem im späteren Judentum dem Begriff als Bezeichnung des Verhaltens Gottes der Charakter von Gnade und Erbarmen zukommen, Sap 9,1, das Gott trotz der Untreue und bei aller Nichtigkeit der Geschöpflichkeit des Menschen walten läßt, oder das Motiv wird im Gegensatz zu Gottes Zorn und Gericht gebraucht, Sir 5,6; 16,1 lf.; Sap 6,6; 11,9; 12,22; 2Makk 6,16; 8,5; Ps Sal 18,3. e'Xeoc ist hier gnadenhaftes Verhalten Gottes in Korrespon denz zum Verhalten des Menschen. So werden x a p i c und e'Xeoc nach Sap 3,3; 4,15 die €K\€KTO'L erfahren, die nicht unter den Gewaltigen zu suchen sind, sondern den Geringen kommt jenes Erbarmen Gottes zu, vgl. Sap 6,6; vgl. auch Test X I I Napht 4,5. 1
Im N T ist das liebende Erbarmen Gottes in der Heilstat in Jesus Christus Ermöglichungsgrund und Fundament für jedes geforderte menschliche Erbarmen. So kann e'Xeoc in direktem Zusammenhang mit der Taufe stehen, Eph 2,4; Tit 3,5; IPetr 1,3. Durch Gottes e X e o c sind die Christen grundsätzlich gerettet; diese Heilstat Got tes hat sich in Jesus Christus konkret geäußert und von daher wird das Motiv auch eschatologisch verstanden. Doch ist im N T nicht nur vom Erbarmen als dem Wesen Gottes die Rede, sondern von jenem Erbarmen ausgehend wird nun die uneingeschränkte Forderung an die Christen gerichtet, e'Xeoc zu üben, vgl. auch Mt 5,7. W. Grundmann formuliert gut: „Die Seligpreisung der Barmherzigkeit schenkt sie dem Barmherzigen, fordert sie von ihm und verheißt sie in der letzten Entscheidung über sein Leben (25,31—46), so daß einer, der barmherzig ist, in seinem Tun Gottes Handeln abbildet. Wer aber Gottes Barmherzigkeit angenommen hat und sie dem Nächsten verweigert, setzt sie aufs Spiel; zwar kann sich, wie die Seligpreisung zeigt, der Mensch Barmherzigkeit nicht erwerben, aber er kann sie sich erhalten, und er kann sie verlieren, wie im Gleichnis vom Schalksknecht deutlich wird (18,23—35)" . 2
In diesem Gesamtrahmen ist die Aussage auch in unserem Zusammenhang zu verste hen, wenn vom Erbarmen der ooQia die Rede ist; zweifellos steht hinter unserer Aussage auch der schon erwähnte frühjüdische Gedanke an Gottes Erbarmen und Barmherzigkeit im Gegensatz zu seinem Zorn und Gericht. Die eschatologische Trag weite des Begriffes legt sich jedenfalls nahe, wenn man die 2,1.12 abschließende und zusammenfassende Aussage 2,13 berücksichtigt: Gott ist in seinem Gericht schonungs los dem gegenüber, der kein Erbarmen kennt und unbarmherzig handelt, Erbarmen aber siegt über das Gericht, wie 2,13b ausführt. Wie der Mensch Mt 5,7 Gottes Er barmen annehmen und weitergeben soll, so soll er hier das Erbarmen der Weisheit Gottes aufnehmen und in seinen Werken, vgl. 3,13, verwirklichen. Über den erwähnten selbständigen und die Abhandlung über Glauben und Liebesge bot abschließenden Vers 2,13 hinaus legt diesen eschatologischen Gesichtspunkt die 3
1
V g l . die Belege bei R . B u l t m a n n , A r t . e'Xeoc; in: T h W N T I I , 4 7 4 - 4 8 3 . 4 7 6 .
2
Mt
3
Möglicherweise gehen Jak 2,13 u n d Mt 5,7 auf einen G e d a n k e n zurück, vgl. Schweizer, Mt 53.
56
125f.
in unserem Vers folgende und parallel zu fieorr} ooQia
sei
juean?
Kap-nCov
äyadCov,
eXeovq
nahe. Mit den aap-nol
zu verstehende Aussage, die dyaOo't
sind jene Früchte
gemeint, die auch nach der evangelischen Tradition vom Menschen erbracht werden, vgl. Mt 7,16ff; nach den erbrachten Früchten hat der Mensch sein Gericht zu erwar ten. Gute Früchte sind die aus den guten Werken hervorgehenden Früchte des Ge rechten, wie auch das Frühjudentum w e i ß . In der Aufnahme des Motivs ist der eschatologische Hinweis auf das Gericht angedeutet, wie er in 3,18 dann näher ent faltet wird. Die ävudev ooQia, die die guten Werke schon immer mitbringt, ist reich an den guten Früchten, welche dementsprechend der Christ, will er die Weisheit auf nehmen und verwirklichen, erst erbringen muß, welche er aber auch erst durch die Weisheit erbringen kann . 1
2
In der letzten Aussage über das Wesen der Weisheit wird gesagt, sie sei ä S u k p i r o c und avwnÖKpiToq. Unklar ist vor allem die Bedeutung von abiäupiToq in diesem Zusammenhang. Der Begriff kommt im biblischen Schrifttum sonst nur noch Prov 25,21 v o r . 3
Die Bedeutung des Wortes in unserem Zusammenhang wird von den Autoren meist entweder von Jak 1,6 oder 2,4 her verstanden. F. Hauck gar meint, es werde wohl ,,an die Geteiltheit von V.9f. gedacht sein daß Verschiedenartiges oder gar Entgegengesetztes aus dem Mund des Weisen hervorkommt" . Aber diese Verbindung ist wohl kaum vom Verf. selbst beabsichtigt, sondern läßt sich allenfalls der Sache nach herstellen. 4
5
6
Zunächst empfiehlt es sich daher, den beiden Aussagen im Jak nachzugehen, in de nen vom bicLKpiveiv ausdrücklich gesprochen wird, 1,6 und 2,4. Diese beiden Aus sagen spiegeln in etwa auch die Bedeutung von SiaKpiveiv im N T überhaupt wider: „zweifeln" und „Unterschiede machen". Jak 1,6 steht der Begriff in einem inneren Zusammenhang mit der Bitte um Weisheit. Gott gibt, wie Jak l,5ff deutlich macht, die Weisheit, wenn der Mensch ev morei bittet, ßi] Statepivößevoq . Demnach schlie ßen 7rtGTic , in der nur der Mensch empfangsbereit für die Gnadengabe Gottes ist, und jenes SiaKpiveiv einander aus, denn wo die -nioTiq ist, ist kein Raum mehr für jedwedes SiaKpiveiv, das man aufgrund des Zusammenhangs mit „zwiespältig sein, zweifeln" wiedergeben kann. Um den konkreten Glauben geht es auch in 2,4. Hier ist das Bekenntnis zu Jesus Christus, dem Herrn der Herrlichkeit, gemeint. Nach 2,1 ff widerspricht diesem Glau ben an Jesus Christus jede Art von Personenkult und Parteilichkeit, wie an 2,2f. bei spielhaft dargestellt wird. Das Gemeindeleben der Christen hat sich von dieser -nioriq
1
2
3
4
5
6
G n 30 zu 6,9: W a s sind die Früchte des Gerechten? Gebotserfüllungen u n d gute W e r k e . T a n c h 'mr 173a zu Ps 36,7: „ D e i n e Gerechtigkeit ist wie die Berge Gottes, deine Gerichte aber eine große T e h o m " gibt der Midrasch die Erklärung: W i e die Berge ( d . h . das Festland) besät w e r d e n kön nen und Früchte bringen, so bringen auch die Gerechten Früchte ( d . h . gute W e r k e ) ; u n d wie die T e hom ( d . h . der O k e a n o s ) nicht besät w e r d e n kann u n d keine Früchte bringt, so haben die Gottlosen keine guten W e r k e u n d bringen keine Früchte (vgl. z u m Ganzen F. H a u c k , A r t . K a p n ö c ; in: T h W N T III, 6 1 7 - 6 1 9 . 6 1 7 A . 4 . Z u m Motiv der „ F r u c h t der Weisheit" vgl. unten S. 68-70. V g l . noch P h ü o , D e spec L e g I I I , 57. So etwa W . Beyschlag, D e r Brief des Jacobus ( K E K X V ) ; Göttingen 5. A u f l . 1888, 180. V g l . M u ß n e r , Jak 174. Jak 185.
57
her zu verstehen und erlaubt es nicht, untereinander Unterscheidungen zu machen; biaKpiveodai ist aber ein Zeichen des nicht gelebten Glaubens, und dies äußert sich konkret in der kritisierten Trpoacjiro'X'nßipia. Des öfteren kommt das Wort schließlich in den Ignatiusbriefen vor. Ign Eph 3,2 wird Jesus Christus TÖ äbiäupiTov r\pCov f r ? i > genannt, Ign Mg 15,1 wird im Schlußgruß der Segenswunsch an die Gemeinde gerichtet, in Gottes Eintracht zu leben, im Be sitz des
äSiäapiTOv
-nvevjia,
oq
Gesinnung der Gemeinde abiaKpnov
eoTiv
- \r\oovq
XpioTÖq
bezeichnet: apcopov
y
und
Ign
biävoiav
Tr
1,1
wird
die
Kai äbiaKpiTov
ev
viroßovfi ... . Man wird den Begriff hier am besten mit „unerschütterlich" wiederge ben. Sicher ist auch der Glaube an Jesus Christus gemeint, wenn in der Zuschrift an die Römer Ignatius die Gemeinde als abiaKp'nuq erfüllt von der Gnade Gottes her vorhebt und von den Philadelphiern sagt, die Gemeinde frohlocke äbiaKpircoq im Leiden unseres Herrn und sei von seiner Auferstehung überzeugt. 1
Schließlich wird die cvcjdev ooia ävvnÖKpiToq genannt. Der Begriff kommt im NT noch Rom 12,9; 2Kor 6,6; lTim 1,5; 2Tim 1,5; IPetr 1,22 vor, vgl. Sap 5,18; 18,16 (Gottes Handeln im Gericht). Vorwiegend wird er von der äyänr} ausgesagt. Rom 12,9 charakterisiert Paulus die ayä-nri als ävvnÖKpiToq . Die Liebe ist von ihrem Wesen her ungeheuchelt und so ein unbedingter Anspruch an den Christen. Sie muß grundsätzlich als „die Verwirklichung der göttlichen Gerechtigkeit angesehen werden'? denn in Jesus Christus ist die Liebe endgültig erschienen, „und Pls will sie vor Ver fall schützen" . Sachlich analoge Aussagen über die Liebe macht der Apostel auch in dem Abschnitt IKor 13,4-7, einem der hellenistisch-jüdischen Tradition des Weis heitshymnus zuzurechnenden Stück in I K o r 13. 3
4
Die Wendung äyäirrj äwnÖKpiToq begegnet 2Kor 6,6 (neben ev ayvÖTr\Ti), einem Abschnitt, der eine Reihe von Tugenden aufzählt, die das Leben des apostolischen Amtsträgers vorbildhaft bestimmen sollen. Das Wort ist hier Parallelaussage zu solch theologisch gefüllten Wendungen wie ev -nvevßaTi
äyicj
, ev Xöyco
äXr)deiaq
und
ev bvväpei 9eov. Aufschlußreich ist auch lTim 1,5, wo der nioTiq diese Bestim mung beigegeben ist. Dem Autor liegt der Gedanke am Herzen, daß das Ziel der Verkündigung die Liebe „aus ungeheucheltem Glauben" sei, und dieser Glaube fin det in der Liebe seine Erfüllung, „weil den Gegnern Heuchelei und Unredlichkeit unterstellt wird. Die so umschriebene und abgeleitete Liebe ist, wie aus dem eigens erwähnten Glauben zu schließen ist, als tätige, greifbare Liebe verstanden" . Von der ungeheuchelten Liebe, abiaKpiToq 0iAaöeA0ta, ist auch IPetr 1,22 die Rede, wenn der Verf. dazu mahnt, die Liebe auch einander zu üben, nachdem die Christen ihre Seelen „im Gehorsam gegen die Wahrheit zu ungeheuchelter Bruderliebe gehei ligt haben". Mit der Bruderliebe ist also die ungeheuchelte, dem Glauben gemäße Lebensweise gemeint; das wird auch deutlich aus der Mahnung IPetr 2,1, wenn der 5
1
2
3
4
5
58
H . K o s m a l a , Hebräer - Essener - Christen; Leiden 1959, 313. Michel, Rom 302. Michel, Rom 302. Vgl. H . C o n z e l m a n n , Paulus und die Weisheit; in: N T S 12 ( 1 9 6 5 / 6 6 ) 231 - 2 4 4 . 2 4 2 ; ders., I K o r 264f. Bei dem erwähnten Weisheitshymnus denkt Conzelmann an Sir 24; Sap 7,22ff. N . B r o x , D i e Pastoralbriefe ( R N T 7 , 2 ) ; Regensburg 1969, 104.
1
Verf. die Christen dazu anhält, nun (nach Annahme des Glaubens ) alle Heuchelei, List, Neid u.a. abzulegen. Auch diese letzte Charakterisierung der Weisheit in Jak 3,17 erhält also, wie der begriffliche Überblick zeigt, ihre Bedeutung in der Entfaltung des Glaubens, der im Leben des. Christen zur Geltung gebracht werden muß. Ergänzend zu der hier deutlich gewordenen Bedeutung und im Hinblick auf unsere Aussage ooQia ävwnönpiToq ist es aufschlußreich, daß Jesus nach der synoptischen Überlieferung gerade den „Weisen" seiner Zeit, den Schriftgelehrten und Pharisäern , vorwirft, vitbupiTai zu sein, vgl. nur Mt 6,2; 6,5; 15,7; 22,18; 23,12—15 . 2
3
Überblicken wir die Prädikate, mit denen die Weisheit „von oben" beschrieben wird, so läßt sich folgendes festhalten, ohne hier schon abschließend auf den religionsge schichtlichen Hintergrund der ganzen Abhandlungen eingehen zu können: Die Jak 3,17 zusammengestellten Charakterisierungen sind als theologische Grundaussagen über das Wesen der Weisheit paränetisch an die geforderte Lebensweise der Hörer gerichtet. Die „Werke", die die Weisheit „von oben" immer schon mitbringt, sollen auch die Christen in ihrem Leben zur Geltung bringen, von jener Weisheit sollen auch sie sich leiten lassen. So kommt der Mensch mit der Weisheit zur Einheit, wird er von der Weisheit Gottes ergriffen, vgl. Sap 7,22ff.
b)
Die Weisheit „von oben'
und die Lebenspraxis der Gemeinde
Der Aufzählung der Inhalte der ävtodev ooia ( V . l 7 ) gehen in V . l 5 jene Kennzei chen der OVK ooQia ävtodev KaTepxoper} voraus, die offenbar die Art und Weise an zeigen sollen, durch die sich die Christen in ihrer Lebenspraxis leiten lassen. Die drei Begriffe stellen den fundamentalen und ausschließenden Gegensatz zu V . l 7 dar und sind wohl vorangestellt, um in der Gegenüberstellung zu dem Hymnus V . l 7 die Paränese besonders eindringlich vorzutragen. Die OVK oo(j>ia
ävtodev
Karepxoßeri
nennt der Verf. zunächst e7rt7etoc . Der Begriff
selbst kommt in L X X nicht vor, aber die damit gemeinte Sache ist zweifellos vor handen, ja, das scharfe Gegenüber von „himmlischer" und „irdischer" Weisheit, das seinen Niederschlag hier an unserer Stelle findet, ist geradezu charakteristisch für die Entwicklung allerdings erst im frühen Judentum. Deutlich erkennbar ist die dualisierende Tendenz in der Sapientia, w o der Begriff yr) völlig negativ gesehen werden kann: nach Sap 7,1 f. ist Salomo sterblich wie alle und ein „Abkömmling des Erdgeborenen"; auch Salomo atmete nach der Geburt die gemeinsame Luft und fiel „auf die das Gleiche erfahrende Erde" herab; Sap 9,16 stellt der Autor fest, daß der Mensch nur schwer erfaßt, was auf Erden ist, erst recht vermag er aus sich heraus das Himmlische nicht zu ergründen. Diese Aussagen machen deutlich, daß das Erdgebundene und Irdische völlig negativ gesehen wird. Den Hin tergrund bildet die Skepsis, die ansatzhaft in der atl. Weisheit vorgegeben ist und sich im frühen Judentum dualisierend weiterentwickelt . Gegenüber dieser völlig ne4
1
2
3
4
Z u beachten ist hier die sogar sprachliche N ä h e zu Jak 1,21. V g l . U . Wilckens, A r t . ooQia; in: T h W N T V I I , 4 6 5 - 4 7 5 . 4 9 7 - 5 2 8 , hier vor allem 5 0 3 - 5 0 8 . D a ß einige der Jak 3,17 aufgezählten Begriffe ihre sachliche und terminologische Entsprechung in M t . 5 , 5 . 7 - 9 haben, verdient Beachtung; vgl. dazu näher unten S. 121. V g l . E. Brandenburger, Fleisch und Geist ( W M A N T 2 9 ) ; Neukirchen 1968, 1 0 6 - 1 13.
59
gativen Bewertung wird die Weisheit hymnisch beschrieben: sie ist einzigartig, unbe fleckt, klar, alles vermögend, alles durchdringend, ein Ausfluß der Herrlichkeit des Allherrschers, 7,22ff, erst die Weisheit Gottes läßt Salomo aus der irdischen Be grenztheit heraustreten und den Willen Gottes erkennen, 7,7; erst durch den Anteil an dem irvevpa oopövr)oiq und der im Menschen vor handenen nicht guten pövqoiq, die mit dem Tode vergeht, ist gleichfalls aus dem weisheitlichen Dualismus zu verstehen. 1
2
3
Entsprechend dieser Tradition findet das Wort auch im N T Verwendung. Hier kann eiriyeioq als Charakterisierung des Irdischen rein negativ akzentuiert sein und wird dann dualistisch als negativer Gegensatz zum „Himmlischen" gesehen. In dieser aus schließlichen Antithese kommt der Begriff etwa Phil 3,19 v o r . Ähnlich wie an den beiden genannten Stellen des Phil ist auch 2Kor 5,1 die dualistisch-weisheitliche Konzeption maßgebend , und auch in Joh 3,12 scheint dieser Dualismus den Verf. geleitet zu haben . Eine auffallende Parallele zu unserem Spruch findet sich auch Herrn (mand) 11,6.11.14.17.19, wenn dort vom ettiyeiov -nvevpa gesprochen wird; freilich dürfen wir keine literarische Abhängigkeit vermuten, denn die irdische Weis heit, die Jak 3,15 kritisiert wird, ist nicht gleichzusetzen mit dem irdischen Geist der falschen Propheten bei Herrn. 4
5
6
7
1
2
3
4
5
6
7
60
V g l . J. W e i ß , I K o r 54 A . 3 : „ D i e irdische Weisheit w i r d platonisierend als das abgeblaßte A b b ü d des himmlischen Urbildes b e t r a c h t e t . . . " ; vgl. auch E. Brandenburger, A d a m und Christus ( W M A N T 7 ) ; N e u k i r c h e n 1962, 127 A . 3 . ' E 7 r e t 5 ' €K TCOV ovpavLtov r d eitiyeia r}pTr)Tai aarä TIVCL (pvoiKrjv ovp-nädeiav, b rr)q eßbopäboq Xöyoq dvudev dp^dpevoq Kareßr) Kai itpöq r\päq Toiq 6vr)Toiq yeveoiv emQoiTrioaq . Fleisch und Geist, 194. Phil 2,10 steht eTiiyeioq innerhalb des Liedes Phil 2 , 6 - 1 1 . e n o v p a v ' i L o v Kai e-niyeiLov Kai KaTaxQovicov ist im Sinne v o n gottfeindlichen Mächten gemeint (vgl. G n i l k a , Phil 128). V g l . z u m religionsgeschichtlichen Hintergrund von Phil 3,19 Brandenburger, Fleisch und Geist 173f. V g l . dazu Brandenburger, Fleisch und Geist 1 7 5 - 1 7 7 . Es erscheint zweifelhaft, o b man mit R . Schnackenburg den Gegensatz „ I r d i s c h " - „ H i m m l i s c h " im Sinne einer Steigerung verstehen kann: „ D a s 'Himmlische' überragt und übertrifft das 'Irdische' " (Joh I, 3 9 1 ) , vgl. dagegen R . B u l t m a n n , Joh 107f. und im Anschluß daran Brandenburger, A d a m und Christus 76 A . l .
Der Hintergrund unserer Aussage wird auch in Jak 4,4 deutlich, wenn der Verf. den Christen entgegenhält, daß Freundschaft mit der „Welt" gleichbedeutend mit Feind schaft mit Gott sei. Es ist dies in der Sache die gleiche scharfe Polarisierung zwi schen „Himmlisch" und „Irdisch", die sich aus unserem besprochenen Zusammenhang ergibt. F. Hauck sieht in e^i-veioc die pessimistische Anschauung gegeben, „daß die Erde das Gebiet des Nichtwissens, Nichtkönnens, Nichtverstehens ist, daß sie deshalb des Einströmens himmlischer Kräfte bedürftig ist" ; damit ist der dualistische Grund 1
zug unserer Stelle gut formuliert:
die eiriyeioq
oo(f>ia
ist von der ävcjdev
ooia
grundsätzlich verschieden und kann mit ihr in keinerlei Beziehung stehen; hier muß der Christ sich entscheiden — und dies ist grundsätzlich auch schon geschehen —, auch die „Gegner" unseres Autors haben dies getan, sie drohen nur in jene eiriyeioq ooia zurückzufallen, wenn sie Streit und Verwirrung in die Gemeinden hineintra gen . 2
Weiter wird die ooia OVK avcodev
Karepxotievq
mit der Bezeichnung \jjvxw6q
be
legt. Dieser Begriff wirft hinsichtlich seiner religionsgeschichtlichen Bedeutung und Einordnung erhebliche Fragen auf. Sicher ist \}jvx^öq in ähnlicher Negativität zu verstehen wie eiriyeioq. Dieser Sinn liegt freilich nicht unbedingt in dem Begriff, denn ipvx^oq kann auch „den Gegensatz zu ouixarutöq bilden und dann das Höhe re, dem bloß Körperlichen Überlegene andeuten" . Ein solcher Gebrauch scheint in L X X 4Makk 1,32 vorzuliegen, dort sind die eindvpiiat oojßaTiKoi und \JJVXMOI . 3
4
Für das N T ist
tyvxwöq
Gegensatz zu irveviiaTucöq,
vgl. 1 Kor
2,14; 15,44.46; Jud 19 5
Von diesen Bezügen her gewinnt auch Jak 3,15 der Begriff seine Bedeutung . Grö ßere Aufmerksamkeit werden wir dabei IKor 2,14 schenken müssen, da Jud 19 mög licherweise von IKor 2,14 abhängt. I K o r 2,14 steht der il/vxwöq ävdpuiroq in radikalem Gegensatz zum nveviiaTUcöq, die Predigt des Apostels wird nicht ev 8i8aKToCq avd pojitivqq ooQiaq Xöyoiq vorge tragen, sondern ev 8i8atiToiq nvevuaroq. Dieser Gegensatz wird besonders deutlich, wenn der Apostel V. 14 fortfährt: \}/vxu
Vergegenwärtigen wir uns das Wortfeld zunächst in der gnostischen Lehre, in der xjjvxMÖq einen entscheidenden Sachverhalt wiedergibt: „In der Verwendung des Wor tes tyvxn übernehmen die Gnostiker die seit Plat gestufte Gliederung des nichtkörper lichen Bereiches. Während aber in der Philosophie die rationale Kraft als beherr schender Faktor der Menschenseele die Möglichkeit eröffnet, die gleichfalls rationale und darum gute Ordnung der gesamten Welt zu erkennen und in sittlichem Handeln
1
2
3
4
5
6
Jak 180. Schammberger, D i e Einheitlichkeit 35 denkt an gnostische Irrlehrer, „ d i e die christlichen Gemein den beunruhigen". H a u c k , Jak 180. „ V o n den Begierden aber sind die einen seelisch, die anderen leiblich, u n d d a ß diese beiden die V e r nunft beherrscht, ist klar". Vgl. H a u c k , Jak 181 A . 2 0 . Vgl. die verschiedenen Hypothesen bei R . B a u m a n n , Mitte u n d N o r m des Christlichen ( N T A 5 N S ) Münster 1968, 2 5 0 - 2 5 4 . D e r Begriff selbst ist zweifellos aus gnostischen V e r b i n d u n g e n bekannt und erhält möglicherweise auch von daher für Paulus seine prägende Bedeutung.
61
nachzuvollziehen, ist die ^vxrj, das Innere des empirischen Menschen, nach gnostischer Auffassung einem Kosmos zugeordnet, dessen Materie zwar durch die Anwesen heit pneumatischer Partikel gestaltet und belebt, der aber von jeder guten Lichtwelt scharf geschieden ist und von einem anderen Gott minderen Ranges geschaffen wur de ... Zur Lichtwelt gehört nur sein irvevua" . Damit ist der Grundzug des gnostischen Dualismus angedeutet. Das Psychische ist nach der Lehre der Valentinianer identisch mit der sündhaften Lebensweise, vgl. Ir I, 5,1 ff und verkörpert den irdi schen Wesensteil des Menschen, vgl. Hipp Ref V , 268. So ließ nach Justin Jesus bei seiner Kreuzigung den psychischen Menschen auf der Erde den Seinen zurück und kehrte mit seinem Pneuma zum Vater zurück, Hipp Ref V , 26,32 . Solche negative Bedeutung gewinnt \j/vxv I üvxwös vor allem als Gegensatz zu npevnal-npeviJiaTiKÖq : nvevßa und \JJVXV werden nach dem Gnostiker Justin mit Himmel und Erde gleichge setzt, Hipp V 26,36, vgl. 27,3ff; das Psychische und Pneumatische verkörpern zwei völlig verschiedene Bereiche, das Psychische kann das Pneumatische nicht erreichen, Hypost Arch 135, 1 7 - 2 0 ; daher bedarf die \fjvxv des Einströmens des Pneuma, um gut zu werden, Apokr Joh Cod I V p. 40,21 ff; Cod II p. 26,8ff, das irvevßa muß in die \JJVXV eingehen, damit der Mensch zu einer lebendigen Seele wird, Hyp Arch 136,12-15 . Zwar kann die i//vxv zwischen -nvevpa und oöößa stehen, vgl. bei Cl AI Exc Theod 56,3; Ir 1,11, oder der Psychiker kann sogar eine Stufe der Ent wicklung zum Pneumatiker darstellen, vgl. Ir I, 6,1 f., doch ist das „bereits eine Abschwächung des ursprünglich radikal negativen Sinnes des xl/vxwös —Begriffes. Doch ist gerade auch bei dieser positiven Bewertung der Psychiker der grundsätzliche Un terschied zwischen ihnen und den Pneumatikern festgehalten" , der Pneumatiker muß das Psychische ablegen, um in das Pleroma einzuziehen. 1
2
3
4
5
6
Hat unser Autor hier die Terminologie gnostischer Gegner aufgenommen oder kämpft er möglicherweise gegen eine ähnliche Front wie Paulus in lKor2? Für eine derartige Vermutung würde sicher sprechen, daß auch bei den von unserem Verf. kritisierten Hörern ähnlich wie in Korinth Zank und Streit das Gemeindebild beherr schen, und auch für den Autor des Jak scheint der Sache nach ÜVXMOS den Gegen satz zu nvevHannos darzustellen. Auf diese schon erwähnte Tatsache deutet auch begrifflich das vom Verf. eingeführte Zitat 4,5 hin, in dem das nvevida als eine heilitiftende Kraft verstanden wird und insofern mit der ooia in unserem Abschnitt in sachliche Entsprechung gesetzt werden kann, als auch das itveviia nach dem Zu sammenhang Jak 4,4f. als Gegensatz zur Zwietracht zu verstehen ist. Sind also die bekämpften „Fronten" von IKor 2 und Jak 3,13ff vergleichbar, wenn dem Jak 7
1
2
3
4
5
6
7
62
Vgl. A . Dihle, Art. \J/vxn KT\.; in: T h W N T I X 6 0 4 - 6 1 4 . 6 5 7 - 6 5 9 , hier 657f. E r sprach zu E d e m : „ W e i b , nimm dir deinen Sohn", d.i. den psychischen und stofflichen Menschen, er aber gab das P n e u m a in die H ä n d e des Vaters und stieg zu dem G u t e n auf". T h e Hypostasis o f the A r c h o n s (Patristische Texte und Studien 10); ed. R. A . Bullard, 1970. „ E s ( d a s P n e u m a ) kam nieder. Es nahm W o h n u n g in ihm. Dieser Mensch w u r d e eine lebendige Seele". U . Wilckens, Weisheit und Torheit, 9 0 A . 1. V g l . Schammberger, D i e Einheitlichkeit 3 3 - 3 7 . V g l . o b e n S.54 A . l . Möglicherweise erhält nun die erwähnte Hypothese von J . A . K i r k , T h e meaning of w i s d o m in James, a o 0 i a in Jak 3,13ff sei gleichbedeutend mit nueviia Gal 5,22, eine unterstüt zende Absicherung. Die N ä h e von oo$ia und -nvevfia ist auch in Sap 7,22 gegeben.
1
in ihrer Terminologie vielleicht auch schon fremd geworden ? Hier ist zunächst von der Eigenart des Textes und unseres ganzen Briefes her Vorsicht geboten. Zwar mag hinter unserer Abhandlung, wie die Nähe zu 1 Kor 2 zeigt, eine ähnliche Auseinan dersetzung mit Gegnern stehen, aber um die eventuellen „Fronten" des Jak genau abzugrenzen und einzuordnen, bedürfte es wohl einer breiteren Basis als sie mit die sen Schlagworten gegeben zu sein scheint. Aber man kann das bestehende Problem auch nicht mit der Beobachtung beseitigen, daß „in dem ganzen Schriftstück nirgends eine unzweifelhafte Beziehung auf gnostische Lehre oder Praxis" zu finden sei und der Verf. ja ohnehin nicht gegen konkrete Gemeindeverhältnisse angehe . Damit über geht man den doch wohl gnostisch klingenden Begriff. Auch die Auskunft von E. Schweizer, wonach der Begriff \jjvxw6q Jak 3,15 „eindeutig in die jüd(ische) Weis heit als Ort ihres Sprachgebrauchs ( w e i s e ) " , kann nicht gerade zufriedenstellen, je denfalls muß man sich für den gnostischen Sprachgebrauch offenhalten, da hier gera de der Begriff selbst oft vorkommt. Ist möglicherweise die Terminologie dem Verf. schon fremd geworden? Diese Annahme kann man sicher nicht ausschließen und gibt Anlaß zu der Frage, ob der Verf. etwa eine Tradition aufgenommen haben kann, die er in ihrer ganzen Bedeutungsbreite nicht mehr empfunden hat. Auch die Formel Tpöxoq rr)q yeve oecoq Jak 3,6 ist nach Dibelius für den Verf. schon „zu einer ge läufigen Wendung für des Lebens Auf und A b geworden" . 2
3
4
5
Paulus, der \pvxu<-öq in der gleichen Bedeutung und im gleichen Sinne wie Jakobus verwendet, versteht den Begriff oapniKÖq „synonym mit dem gnostischen Begriff \}JVXLKÖC: " . Der Apostel spricht auch einmal von der ooepia oapniKt), 2Kor 1,12, und IKor 3,3, w o der Gedanke von IKor 1,14-26 weitergeführt wird, stellt er die Fra ge, ob die Christen nicht da oapniKoi sind, wo sie in Zank und Streit leben; IKor 1,26 geht der Apostel auf die Tatsache ein, daß nicht viele ooQoi aarä oäpua das Evangelium angenommen haben. Diese oofyia ist als eine verstanden, „welche auf na türlich menschlicher Veranlagung beruht und durch menschliche Bemühungen erwor ben ist" : es ist dies eine ooQia, die der Verkündigung des Kreuzes als der Weisheit Gottes grundsätzlich entgegenwirkt, IKor 1,24. 2Kor 1,12 ist diese Vorstellung - Gottes Weisheit auf der einen Seite und die davon grundsätzlich unterschiedene ooia oapuLur) auf der anderen Seite — ins Sittliche gewendet: hier ist die ooQia oapKLKf) die „Weisheit", die den „fleischlichen, widergöttlichen, unsittlichen Motiven dient . 6
7
8
Mit dem Begriff \}jvxu<-öq ist also derselbe Sachverhalt wiedergegeben, wie auch das Nebeneinander von oapnucöq und \jjvxiK-6q IKor 2,14 und 3,3 wahrscheinlich macht.
1
2
3
4
5
6
7
8
V g l . Wilckens, Weisheit und Torheit 9 1 . Dibelius, Jak 254. Die Begründung, daß sonst im Brief nichts von gnostischer Lehre zu finden sei, zieht gerade bei Dibelius nicht,wenn er prinzipiell davon ausgeht, daß die einzelnen A b h a n d l u n g e n des Jak w e g e n ihres paränetischen Charakters gegenseitig nicht zur Erklärung herangezogen w e r d e n können, vgl. die Analyse Jak, 20f. Art.i//üXtKÖc ; in: T h W N T I X , 6 6 2 - 6 6 5 . 6 6 2 . Dibelius, Jak 254. Jak 240. Wilckens, Weisheit und Torheit 12 A . 1. J. W e i ß , I K o r 35. H. Windisch, 2 K o r 55.
63
E. Schweizer weist darauf hin, \}jvxw6q habe möglicherweise nicht die gleiche negative Radikalisierung erfahren wie der Parallelbegriff oapKtnöq . 1
Damit treten wir in den weiteren Horizont der dualistischen Weisheit ein, wie er sich im Frühjudentum entwickelt und niedergeschlagen hat . Konstitutiv für diesen Dua lismus ist das Gegenüber von Fleisch und Geist, irdischer und himmlischer Sphäre, sündhaftem Diesseits und himmlischer Herrlichkeit, das sich freilich in der frühjüdi schen Literatur keineswegs einheitlich ausprägt, sondern eine sehr differenzierte Ak zentsetzung aufweist. Steht die weisheitliche Literatur noch kaum im Prozeß der Dualisierung von Fleisch und Geist , so tritt in der Apokalyptik zunehmend unter Beibe haltung traditioneller Redeweise die Abgrenzung von Fleisch und Geist, himmlischer und irdischer Welt in den Vordergrund: „Beide Bereiche haben eine verschiedene ontologische Wertigkeit, und zwar aufgrund gegensätzlicher substantieller Beschaffen h e i t " . Die auch in der Apokalyptik selbst differenziert und keineswegs einheitliche Sicht des Gegenübers von Fleisch und Geist entwirft nun verschiedene Stadien der Dualisierung , die den eschatologischen Dualismus vorbereiten, dem eine Dualisierung der anthropologischen Differenzierung von Fleisch/Leib und Geist entspricht: „Nur der Geist erfährt Heil und zwar postmortal in der himmlischen Sphäre. Negative Züge bekommen Welt und Leiblichkeit - und zwar nicht von einer verfehlten Relation, sondern auch schon von der Substanz h e r " , wobei freilich die negative Sicht noch nicht ontologisch begründet ist. Daneben tritt aber deutlich die anthropologische Ent gegenstellung von Fleisch und Geist, für die der Zusammenhang von Fleisch und Sün de grundlegend konstitutiv ist. Diese Entwicklung geht sicher über die traditionelle Apokalyptik hinaus: „Zugrunde liegt einmal das Gegenüber von Schwäche, Nichtig keit und alles vermögender Gotteskraft, an welcher der Mensch schöpfungsmäßigen Anteil erhält" . Ob „schwerlich von einem Gegensatz eines anthropologisch verstande nen Geistes zu Fleisch und Staub zu reden ( i s t ) , darf auf dem Hintergrund der Be obachtungen von Brandenburger auf 1 QH 4,29-33; 15,21 f. bezweifelt werden. Aber auch hier ist noch nicht der soteriologische Dualismus bestimmend: „Noch aber ist die im Geist wirksame Gotteskraft nur Hilfe für das unvermögende Fleisch" . 2
3
4
5
6
7
8
9
10
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1 0
64
Art.oapKUCÖq 662A.2 im A n s c h l u ß an J. W e i ß , I K o r 372. Für das paulinische Verständnis mag das zutreffen, für den Jak zeigt ipvx^öq den radikalen Gegensatz zu avto&ev ooyia an. V g l . E. Schweizer, A r t . x o i / c ö e ; in: T h W N T I X , 4 6 0 - 4 6 8 , bes. 4 6 1 - 4 6 6 ; E.Brandenburger, Fleisch u n d Geist. Hier w i r d das überlieferte Verständnis v o n Fleisch u n d Geist weithin noch un-differenziert weitergege ben, vgl. etwa Sir 9,9; 31(34), 13.15; vgl. weitere Hinweise bei Brandenburger, Fleisch u n d Geist 59: „ D e r Geist ist die das Fleisch belebende Lebenskraft. N i m m t G o t t diesen seinen Geist in sich zurück, hört das individuelle Dasein auf. M a g auch gelegentlich von einem Schattenda sein in der Scheol die R e d e sein, so ist jedenfalls mit d e m von der erdenstofflichen Fleischlich keit differenzierten Geist in keiner Weise der G e d a n k e eines individuellen postmortalen Weiter lebens verbunden". Brandenburger, Fleisch u n d Geist 67. V g l . Brandenburger, Fleisch u n d Geist 68—82. Brandenburger, Fleisch u n d Geist 75. Brandenburger, Fleisch u n d Geist 75 unter Berufung auf l H e n 108. Brandenburger, Fleisch u n d Geist 94 nach gründlicher Analyse v o n 1 Q H 15,21 f.; 4,29-33. Schweizer, A r t . x°^6q 462. Brandenburger, Fleisch u n d Geist 96.
Ist hier der Gedanke zweier gegensätzlicher Bereiche bzw. Kategorien ansatzweise vorbereitet, so führt das hellenistische Judentum mit der Entwicklung des kosmisch-soteriologischen Dualismus darüber hinaus und bildet den engeren und einflußreichen Hintergrund für das sich zuspitzende Gegenüber von Fleisch und Geist. Hier ist vor allem an die Sapientia Salomonis, die für unseren Text in Jak 3,13ff offenbar sehr einflußreich ist, und das philonische Schrifttum zu erinnern: E. Brandenburger hat mit Recht darauf hingewiesen, daß hinter der Sap, vor allem Sap 7f., das Gegenüber von Fleisch und Geist stehe . Vom Hintergrund des hellenistischen Pessimismus her wird der Mensch in seiner irdischen Verfallenheit als auf den Tod zulaufendes Wesen betrachtet, Sap 7,1 ff; solcher negativen Einschätzung der Begrenztheit des Irdischen steht Gottes Weisheit gegenüber, um die der Mensch Gott bitten muß, 9,1 ff. In die von Gott kommende Weisheit, die dem hinfälligen Fleisch gegenübersteht, kann der Mensch eintreten, insofern die oocpla als „Throngefährtin Gottes" (9,4) sich Freunde Gottes erwählt, 7,27, und als nveviia durch alles hindurchgeht und alles durchdringt, 7,24. Indem die göttliche oocpia in die irdische Geschöpflichkeit eingeht, empfängt diese Unsterblichkeit, 8,13. 1
Hier ist der dualistisch-weisheitliche Gedanke des hellenistischen Judentums vorbereitet und entfaltet, den die philonischen Schriften weiterführen. Basis für diese Spekulation ist der Gegensatz von Fleisch und Geist oder auch von \pvxv und -nvevfia . adp£ ist bei Philo wie in den erwähnten apokalyptisch-weisheitlichen Überlieferungen (1 Q H ; Sap) in seiner irdischen und sündhaften Begrenztheit negativ verstanden; hinzu tritt nun der Gedanke der sich des Menschen bemächtigenden Macht, der in unserem behandelten Wort so noch nicht zur Geltung kommt. So stehen sich oäp% und nvevfia, oäp% und oo4>ia als Mächte gegenüber, die dem Menschen Verderben bringen oder ihm das Heil eröffnen, wobei beide Mächte, wie dann später bei Paulus reflektiert wird, im Kampf miteinander liegen . Das Heil widerfährt dem Menschen nur, wenn es durch das Weisheitspneuma aus dem Bereich der adp£ wesensmäßig in den Bereich des irpevßa versetzt wird. 2
3
Natürlich läßt sich fragen, ob unsere Aussagereihe in Jak 3,15 mit dieser religionsgeschichtlich-theologischen Erklärung nicht überfordert wird. Kann man sich aber mit F. Mußner mit der Alternative zwischen „metaphysischer" oder „ethischer" Terminologie begnügen, d.h. kann man auf die religionsgeschichtliche Analyse unserer Begriffe verzichten, weil sie rein ethisch zu erklären seien und scheinbar hinreichend
1
2
3
V g l . Brandenburger, Fleisch u n d Geist 106ff. Entsprechend ist auch der Gegensatz von \pvx^öq und -nvevßciTiKde bei Philo grundsätzlich gegeben, „obgleich die Terminologie selbst fehlt: N o u s u n d Pneuma sind heres 264f. klare Gegensätze, eins schließt das andere aus. ... S o m n I 118f., w o Philo Tradition aufnimmt, weist in die gleiche R i c h t u n g : v o v q und aioQrioiq w e r d e n hier zusammengefaßt, auch mit 'sterbliches und menschliches Licht' ( 1 1 9 ) und vor allem mit \pvxn insgesamt identifiziert ( e b d . ) . Dahinter steht der v o n der Weisheit verarbeitete skeptische G e d a n k e von U n v e r m ö g e n u n d Nichtigkeit des Gesamtmenschlichen. Mit der dualistischen U m f o r m u n g w e r d e n dann 'Nous', 'Seele', 'das Menschliche' oder 'sterbliches u n d menschliches Licht' ausschließende Gegensätze zum Pneuma oder zu Sophia und göttlichem L o g o s " : E. Brandenburger, Fleisch u n d Geist, 135. Ethisch liegt dieser gesteigerte Dualismus auch Jak 4,1 ff zugrunde, bezeichnend ist ja, daß religionsgeschichtlich gerade der philonische Dualismus auf diesen Z u s a m m e n h a n g eingewirkt hat, w i e die Belege bei Dibelius, Jak 258 A . 4 . 5 ; 259 A . l zeigen. Vgl. auch Schweizer, Art.xotköc 4 6 2 - 4 6 5 .
65
1
aus dem Zusammenhang erklärt werden können ? Die bei Mußner und von fast al len Auslegern gemachte (und kaum hinterfragte) Voraussetzung einer rein ethischen Gegenübersetzung von irdischer und himmlischer Weisheit muß aber mit aller Ent schiedenheit von dem aufgewiesenen Zusammenhang zwischen 1,17f. 19-25 und 3,13-18 bezweifelt werden : dem von oben kommenden und in der Taufe geschenk ten „Wort der Wahrheit", der von oben kommenden Weisheit steht das sündhaft be grenzte Diesseits, die „irdische Weisheit" gegenüber. 2
Schließlich wird die OVK ooQia
ävcodev
Karepxopevr}
mit dem
Begriff
baipoviüöriq
charakterisiert. In dem Wort baipovioibriq ist der dualistische Gegensatz am schärf sten formuliert. Die so verstandene Weisheit bringt nicht nur zum Ausdruck, daß ihr der göttliche Geist fehlt, daß sie des nvevpa bedarf, dieses Motiv drückt auch nicht nur aus, daß solche ao'ia ihren Ursprung bei einem ganz anderen Geist hat, sondern hier ist der Gedanke bestimmend, daß diese oocpia darauf aus ist, sich des Menschen zu bemächtigen, indem sie mit den Dämonen identifiziert wird. F. Muß ner meint, das Motiv habe seinen Bezug „zu tyevbeodai aarä rfjc. äX^deiaq, denn das Lügen entspricht Dämonenart (vgl. Joh 8 , 4 6 ) " . Vom Gesamtzusammenhang ist dieser Hinweis sachlich sicher berechtigt, aber daß 8aipoviö>8riq gerade in V.16 „noch eingehender" erläutert wird, ist kaum zu beweisen. Aus dem Text ist wohl nur soviel zu entnehmen, daß die Weisheit, die die Christen zu ihrem Lebensinhalt ge macht haben, entgegen ihrer ursprünglichen Bestimmung in der Praxis die Züge des baipöviov an sich hat; sie zeigt sich als eine Weisheit, die vom Wirken dämonischer Mächte durchsetzt ist. Diese oofyia hat das ganze Leben der Christen ergriffen, wie nach dem N T überhaupt die Dämonen und Gewalten darauf aus sind, das ganze Le ben des Menschen zu durchsetzen: „Nichts gibt es in der Welt, das dem Wesen ihrer Macht für alle entnommen wäre. Der menschliche Leib, der menschliche Geist, das, was wir 'Natur' nennen, aber auch die Formen und Träger und die Situationen des geschichtlichen Lebens, selbst die Religionen und die christliche Lehre können sie zum Ort und Werkzeug ihres Wesens und zum Medium ihres Willens machen. Ihr Geist durchdringt alles und drängt sich dann in allem übermächtig auf" . Eine Aus wirkung dieser Macht sind $"T?A
4
5
6
1
2
3
4
5
6
D e n dualistischen Begriffen will Mußner ihre Schärfe nehmen, indem er ausführt: „ A b e r die dualisti sche' Terminologie ist bei Jak nicht 'metaphysisch' verstanden wie in der Gnosis, sondern dient zur Charakterisierung von Haltung, Gesinnung und Qualität. Die Begriffe 'irdisch', 'psychisch' erhalten ihren Sinn deutlich genügend aus dem Z u s a m m e n h a n g " (171 f . ) . V g l . o b e n S. 8 5 - 8 8 . D a ß das beschriebene Gegenüber in unserem Abschnitt mehr als ein nur ethi scher Dualismus ist, mag durch die Tatsache wahrscheinlicher werden, daß 3 , 1 3 - 1 8 eine lehrhafte A b h a n d l u n g mit konkreten Positionen darstellt (vgl. o b e n S. 1 5 - 1 7 ) . M u ß n e r , Jak 172. Ebd. H . Schlier, Mächte und G e w a l t e n im N T ( Q D 3 ) ; Freiburg 1958, 27. W . Foerster, A r t . ba'ipojv;in: T h W N T I I , 1 - 2 1 . 1 5 ; vgl. auch Herrn ( m a n d ) 2,3.
66
3.
Der aus der Weisheit „von oben" Lebende ist gerecht
Hat
der Abschnitt Jak 3,13-18 in der ävuOev
setzung, der in V.15 die OVK oo
ooQia
Karepxoßepr]
V.17 seine theologische Ziel dualistisch gegenübersteht,
so wird er mit einem eschatologischen Ausblick auf die Gerechtigkeit abgeschlossen. Dieser Vers verheißt den eschatologischen Zuspruch dem, der die von Gott kommen de Weisheit aufgenommen hat und aus ihr heraus sein neu gewordenes Leben gestal tet. Freilich ist diese Auslegung von den Autoren bisher kaum vertreten worden und bedarf daher einer näheren Begründung. Rein grammatikalisch ergeben sich zwei verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten von V.18: a) „Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden gesät v o n denen, die Frieden schaffen" ; b) „Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden d e n e n gesät, die Frie den schaffen". 1
Welche Anhaltspunkte lassen sich geltend machen, die entscheiden können, wie der Vers zu verstehen ist? Entscheidend dürfte sein, die Bedeutung von Kapiröq rf?c binaioovvr\q sicherzustellen. Zieht man den Dat. auct. vor, dann muß der Begriff biKaioovvr} rein ethisch als gerechtes mitmenschliches Verhalten verstanden werden, jede weitergehende (eschatologische) Komponente müßte ausgeschaltet sein. Diese Hypothese würde zudem dann an Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn V.18 von seiner Funktion her wie V.16 verstanden werden müßte, also die ävojdep oofyia durch V.18 erläutert würde wie V.16 die OVK ooQia avojdev Karepxoßevri und ihre Inhalte V. 15 konkretisiert . 2
3
F. Mußner u.a. betonen demgegenüber aber wohl mit Recht, daß V.18 einen „iso lierten Eindruck" macht. Das legt nahe, daß V.18 zu V.17 nicht in demselben Ver hältnis steht wie V.16 zu V.15. Gegen diese Parallelisierung spricht allein schon das erläuternde jap V.16 gegenüber dem adversativ wirkenden 5e V.18. Entfällt aber diese Stütze, dann ist die Auslegung im Sinne eines Dat auct. zumindest nicht sicher. Solche eigenständig wirkenden und zusammenfassenden Sätze finden sich auch in 2,13 und 4,17. Sie haben die Funktion, in eschatologischer Ausrichtung den Gedan kengang aufzunehmen und so mit der Mahnung den Hörer um so dringlicher anzu fordern. Gegen die angenommene Hypothese (a) lassen sich aber noch weitere Einwände erheben, die vor allem inhaltlicher und nicht nur formaler Art sind. Die Zweifel an einem rein ethischen Verständnis von biKaioovvr\ scheinen begründet vor allem, wenn man die Wortgruppe S U G U O C K T A . im Jak überblickt. S U a t o c kommt 5,6.16 vor, biKaiöoj
1
2
W e n n man sich für den Dat. auct. entscheidet, sollte man nicht übersetzen „ b e i denen, die wie M u ß n e r , Jak 169, sondern „v o n denen, die so F. Kamiah, Die Form der katalogischen Paränese im N T ( W U N T 7 ) ; Tübingen 1964, 181. Das spricht nicht gegen die Z w e i f e l , die o b e n S. 110 gegen die A n n a h m e einer hntfaltung von baißOVi6jbr q durch V . 1 6 geäußert w u r d e n . D a ß V . 1 6 den g a n z e n V . 1 5 konkretisiert, ist ja durchaus zu bejahen. Jak 174 im A n s c h l u ß an Dibelius, Jak 258. Freilich wird man Dibelius darin kaum folgen können, daß V . 1 8 aufgrund eigener „ R u n d u n g und Geschlossenheit", die diesem eigen sei. „ w e d e r vorwärts noch rückwärts des Zusammenhangs" bedürfe. t
3
6
7
2,21.24.25 und buiaioovvq 1,20; 2,23; 3,18. Fragen wir nach dem Verständnis der Wortgruppe und insbesondere dem von biKaioovvri im Jak, so wird erkennbar, daß mit dem Begriff vor allem die Gerechtigkeit vor Gott im eschatologischen Gericht gemeint ist, die sich freilich an dem ethischen Verhalten des Menschen orientiert. So wird man jedenfalls 1,20 verstehen müssen: Durch den Zorn kann der Mensch nicht darauf hinwirken, daß er vor Gott gerecht dastehe und als Gerechter anerkannt werde. Dieselbe Bedeutung ergibt sich auch, wie sich zeigen läßt , für das Zitat 2,23: durch das Zusammenwirken von Glaube und Werk wurde Abraham von Gott Gerech tigkeit zugesprochen, wurde er von Gott als Gerechter anerkannt. Diese beiden Bele ge sprechen für ein ähnliches Verständnis an unserer Stelle, aber auch die Verwen dung von bmaiovodai 2,2lff weist darauf hin. Für die eschatologische Ausrichtung auch dieses Abschnittes spricht schließlich der eschatologische Charakter der Paränesen im Jak insgesamt, wie die die einzelnen Mahnungen abschließenden Sätze 1,12; 1,25; 2,13; 4,12f.; 4,17 und der ganze von dieser Intention getragene Abschnitt 5,7—20 zeigen. In diese Analyse fügt sich noch folgende Beobachtung ein, die die vorgetragene Hypothese nur bestätigen kann: In 1,20 hält der Verf. seinen Hörern entgegen, daß der Zorn eines Menschen nicht die Gerechtigkeit vor Gott zu bewir ken vermag. Im Hintergrund dieser Aussage steht das weisheitliche Grundmotiv, daß Zorn und Weisheit sich gegenseitig ausschließen, ein Gedanke, der auch in unserem Abschnitt 3,13ff zur Sprache kommt; biKaioovvq ist also die aufgrund des weisheit lichen Verhaltens bewirkte Gerechtigkeit vor Gott. Damit ist die ethische Komponen te, die sich vor allem in der frühjüdischen Rechtfertigungstheologie findet, vgl. Test XII Dan 6,10, vorausgesetzt. 1
Nach der vorgeschlagenen Hypothese muß btKaioovvri also eschatologisch verstanden werden. Dann aber muß das Passiv o-neiperai ein pass. div. sein. Diese Möglichkeit legt sich durch die häufige Verwendung des pass. div. im Jak nahe, vgl. nur Jak 1,5; 2,21.23.24.25; 5,15.16 , ist auf jeden Fall viel eher anzunehmen als ein für das abgelehnte Verständnis des Satzes notwendiger Dat. au ct., der im ganzen Brief dann nur an dieser Stelle vorkäme. 2
3
Ist unser Gedanke richtig, dann dürfte es sich um einen Dat. comm. handeln : dem, der Frieden schafft, wird Gerechtigkeit „gesät". Die Formel nap-ndq b uiaioovvqq ist schon in L X X bekannt, vgl. Prov 3,9; 11,30; 13,2; A m 6,12; vgl. auch Sir 1,16 (napiröq ooQiaq). Im N T kommt unsere Formel noch Hebr 12,11; Phil 1,11 vor. napiröq buiaioovvr}q wird wohl nicht nur die Bedeutung von „Kennzeichen" haben , dagegen spricht die Verbindung mit oireipeTai. Doch wenden wir uns zunächst den beiden ntl. Stellen zu. Phil 1,11 liegt zunächst sicher die Bedeutung des Rechttuns vor, wie die Parallelität zu elXiKpivetq Kai äiröoKoiroi beweist. Darüber hinaus ist aber auch die eschatologische Fülle des Begriffes erkennbar: denn gemeint ist die 4
5
1
2
V g l . z u r Auslegungstradition des Abraham-Beispiels unten S. 1 1 0 - 1 1 2 . V g l . dazu auch die Makarismen 1,12 (\f)p\jj num
e r a t ) ; 1,25. „Breiteren R a u m nimmt das Passivum divi
in der Literatur der D i a s p o r a ein, wie m a n beispielsweise an den Paulusbriefen ablesen k a n n " :
J. Jeremias, Neutestamentliche T h e o l o g i e I ; Gütersloh 1971, 23. 3
B l . — D e b r . § 188: „ D e r D a t . c o m m o d i et i n c o m m o d i dient bei mannigfaltigen V b . z u r Bezeichnung
4
H e b r . 12,11: napiröq
5
G e g e n K a m i a h , D i e F o r m der katalogischen Paränese, 181.
der P e r s o n , deren Interesse berührt w i r d " ; vgl. auch §191,4.
68
eiprjvLKÖq
biKaioovvr\q.
Frucht der Gerechtigkeit, die der Mensch „durch Jesus Christus zum Ruhme und Lobe Gottes" empfängt. Es ist nicht der Mensch, der aus eigener Leistung den Kapiröq bLKaioovvrjq erwirbt oder wirkt, sondern öid'Irjaou Xpiorov. Diese Frucht der Gerechtigkeit, mit der der Christ erfüllt sein soll, steht aber in engem inhaltli chem Zusammenhang und unter dem entscheidenden Gesichtspunkt des rjpepa Xpiorov. Die Christen müssen erfüllt sein von dem aap-nös ÖiKaioovvqq , wenn sie am Tag Christi „rein und lauter" sein wollen. Näher als diese Stelle kommt dem Jak aber Hebr 12,11, denn dort ist ausdrücklich auch das Friedensmotiv gegeben, wenn von cipr\viKÖ\ Kapiröq Sucaioovvrjq die Rede ist . Es ist hier die Züchtigung gemeint, die „der Herstellung von Friede und Recht schaffenheit" dient. Unsere Formel ist also hier mit einem anderen Motiv paränetisch verbunden, und man kann mit gutem Grund annehmen, daß indem Gedanken die eschatologische Zielsetzung vorherrschend ist. Ist die Komponente schon in dem Motiv der Züchtigung mitenthalten, so wird sie durch die Gegenüberstellung von irpoq TÖ -napöv — vorepov hervorgehoben, die wohl nicht logisch, sondern eschatologisch zu verstehen ist und vielleicht sogar die beiden Äonen meint: „ I m Gegensatz zu dem, was die Züchtigung als Eindruck und Empfindung im Menschen unmittelbar hervorruft (ovbonei), steht die spätere Frucht (napTröq), die aus der Züchtigung er wächst (pev - 5 e ) " . 1
2
3
Welche Bedeutung haben die angeführten Belege für unsere Formel napirdq rf/c. biKaioovvqq und damit für die Erklärung unseres Spruches? Hierbei muß die Auf nahme des Friedensmotivs ev eipr\vxi besonders bedacht werden, ist doch Jak 3,18 die eipi\vr\ noch enger mit Kapiröq buiaioovvqq verbunden als es Hebr 12,11 der Fall zu sein scheint. Friede und Gerechtigkeit sind, wie O. Michel beobachtet, „die beiden eschatologischen Heilsgaben", die „den neuen Ä o n und die zukünftige Voll endung kennzeichnen. Augenblicklich ist die Zeit der Saat oder des Reifens, ein Bild, das auch in der jüdischen Apokalyptik behebt ist, ihr folgt die Zeit der Ernte, der Frucht, der Vollendung" . 4
Gerechtigkeit, Weisheit und Friede stehen auch in lHen in engem sachlichem Zu sammenhang, näherhin in den Mahnreden Kap. 91—105; daß der Jak und lHen durchaus ihre sachliche Nähe zueinander haben können, zeigen die auffallenden An klänge in der Polemik unseres Autors gegen die Reichen . Der tragende Gedanke ist nun der, daß Gerechtigkeit bzw. Rechtschaffenheit und Friede vom Menschen zu verfolgen sind , darüber hinaus aber sind Friede und Gerechtigkeit die eschato logischen Heilsgüter, die den Gerechten für den kommenden Äon zugesagt werden. Ausdrücklich spricht lHen 92,1 von der „Lehre der Weisheit", die für die bestimmt ist, „die Rechtschaffenheit und Frieden beobachten werden". Demgegenüber wird Unfriede den Ungerechten verheißen, vgl. etwa lHen 94,6; 98,11.16; 99,13; 101,3; 102,3; 105,2, vgl. auch 5,4.0; 1,7—9. Über Friede und Unfriede mit Gerechten und 5
6
1
F r e ü i c h b e t o n t M . Dibelius, Jak 2 5 8 A . 3 z u R e c h t , d a ß die V e r w a n d t s c h a f t der b e i d e n Stellen nicht überschätzt w e r d e n darf, denn ^apiröq gesäte F r u c h t , u n d eiprjvin
h e i ß t dort w i e Herrn Sim I X 19,2 die geerntete, nicht die
öv ist längst nicht die Hauptsache w i e an unserer Stelle".
2
O . Michel, D e r Brief an die H e b r ä e r ( K e K X I I I ) ; G ö t t i n g e n 12. A u f l .
3
Michel, H e b r 4 4 5 .
4
Michel, Hebr 446.
5
V g l . l H e n 9 4 , 8 - 1 1 ; 9 6 , 4 - 8 mit Jak 5 , l f f ; vgl. weiter l H e n 9 7 , 8 - 1 0 mit Jak 4,13ff.
6
V g l . l H e n 9 2 , 1 ; 94,4.
1966,446.
69
1
Ungerechten entscheidet dabei der Tag des Gerichts , der den neuen Äon herauf führt. Auch in Sap 3,3 wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die Gerechten „in Frieden" leben werden. Damit ist das Geschick der Gerechten, d.h. aber der Weisen, im Gegensatz zu den Gottlosen gemeint. Solcher eschatologische Charakter der Ver heißung der Gerechtigkeit geht auch aus dem oireiperai hervor: das Tun des Frie dens wird - weil es Ausweis derävcodev oo<j>ia ist - von Gott fruchtbar gemacht (Kap-nöq ... o-neiperai) z u m eschatologischen Besitz der „Gerechtigkeit in Frieden". Der abschließende Satz Jak 3,18 hat also eschatologischen Verheißungscharakter.
4.
Ergebnis
Der Abschnitt Jak 3,13-18 wurde schon in der Analyse als eine theologisch-lehr hafte Abhandlung bezeichnet . Diese Charakterisierung kann unsere religionsgeschicht lich-exegetische Untersuchung nur bestätigen. In drei Punkten wollen wir das Ergeb nis zusammenfassen: 2
a) Es konnte wahrscheinlich gemacht werden, daß die oo^ia in 3,13.17 keineswegs nur eine allgemeine paränetische Mahnung zu einem sittlich guten Lebenswandel ohne aktuellen Bezug, sondern eine theo-logische Größe von neuprägender Kraft dar stellt, durch die der Christ zu neuem Leben wiedergeboren wurde, wie vor allem die sachliche und terminologische Gemeinsamkeit von Jak 1,17f. 19ff nahelegte. Auch bei Philo kann der Xöyoq die Funktion der nahen Weisheit übernehmen . 3
Die uneingeschränkte Bedeutung der Weisheit wird durch einen anderen Gesichts punkt ergänzend hervorgehoben, der nicht unbeachtet bleiben darf: die Eingangsfrage nach der Weisheit in 3,13a und die Antwort in 3,13b rückte unseren Abschnitt in die Nähe von 2,14ff. Wird dort um den im Gericht rettenden Glauben diskutiert mit dem Ergebnis, daß nur das Zusammenwirken von Glaube und Werk den voll kommenen und rettenden Glauben ausmachen, so wird dies in 3,13 vorausgesetzt: die Weisheit bringt ihre Werke ihrem Wesen nach schon immer mit, vgl. 3,17, und erwirkt Gerechtigkeit, im Tun des Willens Gottes wirkt die Weisheit, befähigt den Menschen zu den geforderten Werken und macht ihn gerecht vor Gott. b) In V.17 und V.15 stehen sich die Weisheit „von oben", die in einem Katalog beschrieben wird, und die Weisheit, die nicht „von oben" kommt, charakterisiert durch drei bezeichnende Begriffe, gegenüber. Jak 3,17 kann als das theologische und paränetische Ziel des Abschnittes betrachtet werden. Die oo^ia ist genuin weisheit lich verstanden, vgl. Prov. 2,3-6; 4 , 5 - 9 ; Sap 6,12ff; 7,7; 7,22ff; 8,2-21; 9,1-8; Sir 1,1 u.a. Die Weisheit,, von oben" bringt als Gabe Gottes jene in V.17 aufgezähl ten Eigenschaften schon immer mit und muß von den Christen je neu ergriffen und in die Tat umgesetzt werden. Diese Gabe bringt aber auch jene Vollkommenheit
1
V g l . die e r w ä h n t e Stelle l H e n 102,3, die offensichtlich Bestandteil von Aussagen ist, „die in V . 5 ,
ausdrücklich zu ihrem Sinn überführt w e r d e n , w e n n das Stichwort 'Tag des Gerichts genannt w i r d " : R. Pesch, N a h e r w a r t u n g e n ; Düsseldorf 1968,
163.
2
V g l . o b e n S. 9.
3
V g l . o b e n S. 51 A . 3. Möglicherweise steht auch hinter der Bezeichnung Gottes als
naTrjp
TIOV
0GJTCJI> 1,17 der G e d a n k e an G o t t als dem Ursprung der Weisheit, denn die N ä h e von 0üx; und oo^'va ist in der Weisheitstradition belegt, vgl. Sap 7,10; 7,22.26.29. Besonders bei Philo wird dieser Z u s a m m e n h a n g konstitutiv, wie A . W l o s o k belegen kann: L a k t a n z u n d die philosophische Gnosis; Heidelberg 1 9 6 0 , 9 4 - 9 6 bes. 95 A . 2 und A 3 .
70
1
hervor, die nach 3,11 nicht zwangsläufig unerreichbar für den Menschen ist , geht die oocpia doch von Gott aus und ist jede Gabe ein „vollkommenes Geschenk", 1,17. Dem
steht in
3,15
die
oocfria OVK dvcodev
KaTepxoßevr]
gegenüber; sie
ist
als
eiriyeioq,
charakterisiert. Mit den beiden Aussagereihen V . l 5 und V . l 7 ist der religionsgeschichtliche Hintergrund des Abschnittes deutlich erkennbar: Die Begriffe entsprechen der Terminologie der dualistischen Weisheit, wie sie im frühen Judentum konzipiert worden ist. Hier werden Mensch und Welt, überhaupt alles Irdi sche völlig negativ gesehen, demgegenüber die Weisheit Gottes hymnisch beschrieben und gefeiert . Von dem Weisheitshymnus Sap 7,22ff ist die katalogartige Reihe Jak 3,17 wohl auch am besten zu erklären. In Sap 7,22ff wählt der Verf.„aus der Fülle der seiner Zeit geläufigen popularphilosophischen Ausdrücke einzelne aus und stellt sie nebeneinander zur Verherrlichung seiner Weisheit" ; solche und ähnliche Vorstel lungen dürften auch unseren Autor beeinflußt haben. Dabei ist darauf zu achten, daß man hier keine literarische Abhängigkeit vermuten muß, wenn man dem Hinweis von D. Georgi folgen kann, „daß der literarische Charakter der Sapientia dafür spricht, sie weniger als schriftstellerisches Einzelwerk auszuwerten und sie mehr als Symptom für einen lebendigen Traditionsprozeß und dessen Tendenz zu nehmen" . »//UXIKÖC , baipoviLobriq
2
3
4
Damit wird in unserem Abschnitt 3,13-18 ein Thema zentral in den Vordergrund ge stellt: die rettende und den Menschen neuprägende Weisheit Gottes. Auf dem Hinter grund dualistischer Weisheitskonzeption mahnt der Autor dazu, die von Gott kom mende Weisheit als Gabe Gottes aufzunehmen; in ihr und der Verwirklichung der ihr eigenen Werke kommt der Christ, der so erst seinen Glauben zur Tat bringen kann, zur Gerechtigkeit vor Gott. Jene Heilsgabe hat der Christ in der Taufe grundsätzlich ergriffen, er muß sie aber in seinem Leben in den geforderten e'pya immer neu ver wirklichen. Darin wird ihm die Gerechtigkeit verheißen, die im Gericht offenbar werden wird. 7
1
V g l . oben S. 45f.
2
V g l , oben S. 59f.
3
Fichtner, S a p 3 1 .
4
D e r vorpaulinische H y m n u s , 269 A 30.
71
ZWEITER T E I L : DER GLAUBE IM JAKOBUSBRIEF A
DER G L A U B E A N JESUS CHRISTUS UND DAS GESETZ (Jak 2 , 1 - 1 3 )
I.
Analyse
1
Das zweite Kapitel des Jak besteht aus zwei großen, in sich konsequent und zusam menhängend durchgeführten Abschnitten, die ihre Thematik je verschieden akzentuie ren, durch das große Thema „Glaube" aber zusammengehalten werden und auch in stilistischer und sprachlicher Hinsicht manche Beziehung zueinander aufweisen . In 2,1—13 wird zu einem Glauben ohne Personenkult in der Erfüllung des Gebotes der Nächstenliebe gemahnt, 2,14—26 stellt der Verf. die Frage nach der Rechtfertigung des Menschen und diskutiert unter diesem Gesichtspunkt in einer diatribenartigen Auseinandersetzung das Verhältnis von Glaube und Werken. 2
Unser Abschnitt 2,1—13 beginnt mit einer negativ formulierten Paränese, den Glau ben an Jesus Christus nicht ev irpoownoX'oiiiJjia«; zu halten. Dieser Mahnung folgt ein vom Autor selbst gestaltetes Beispiel solchen Verhaltens im Gottesdienst, Vv.2f. Die V.4 gezogene Folgerung, daß jenes im Beispiel aufgedeckte Verhalten unchrist lich ist, wird V.5 mit dem Erwählungshandeln Gottes, der sich gerade der TTTUXO'I angenommen hat, und Vv.6f. mit dem Verhalten der Reichen, die die TTTCJXO'L unter drücken, begründet. Mit V.8 folgt ein neuer Gesichtspunkt, der schon einmal im Brief angeklungen war, 1,25, und die Mahnung weiter begründet: zunächst mahnt der Autor in Vv.8f. zur Erfüllung des ganzen Gesetzes, mit der das V . l angeprangerte irpooojiro\riniTT€iv nicht vereinbar ist. Vv.lOf. begründen die Mahnung mit der Tatsache, daß Gott das ganze Gesetz gegeben habe. Dementsprechend müssen sich die Christen in Reden und Tun von dem von Gott gegebenen Gesetz leiten lassen. V . l 3 schließt den Abschnitt mit einem Ausblick auf das zu erwartende Gericht ab.
II.
Aussage und Hintergrund von Jak 2,1—13
1.
Glaube an den „Herrn der Herrlichkeit"
(Jak 2,1)
Jak 2,1 setzt mit einem neuen Gedanken ein, der wohl kaum in inhaltlichem Zu sammenhang mit 1,27 steht, jedenfalls nicht als Entfaltung der letzten Mahnung des 1. Kapitels zu verstehen ist. Zwar liegt auch Sir 35,15b—17 ein Zusammenhang zwi schen Dienst an Witwen und Waisen und der Unparteilichkeit gegenüber den Armen vor, der unseren Brief beeinflußt haben könnte, doch wird man von daher noch kei nen Zusammenhang herstellen dürfen . 3
1
V g l . auch o b e n S. 5f.
2
V g l . 2,2f. mit 2,15f., ferner die F o r m e l -nioriv
e'xeu> 2,1.14.18 u.a. D a ß zwischen 2,1—13 u n d
2,14—26 kein Z u s a m m e n h a n g bestehe ( D i b e l i u s , Jak 1 8 4 ) , läßt sich schwerlich begründet behaupten. W e n n m a n berücksichtigt, d a ß schon hinter 2,12 die Frage nach d e m rettenden G l a u b e n steht, w i r d man
in 2 , 1 4 f f die Entfaltung eines P r o b l e m s sehen dürfen, das in 2 , 1 - 1 3 , näherhin 2,12f., zumin
dest schon ansatzweise artikuliert w i r d . 3
W i e sich gezeigt hat, ist auch die F o r m unseres Abschnittes eine andere: w ä h r e n d in K a p .
1 die F o r m
der Spruchreihe vorherrschte, handelt es sich hier u m eine A b h a n d l u n g im Stil der Diatribe.
72
V . l geht davon aus, daß es das Bestreben der Christen ist, TT)V TTIOTIV e\eiv TOV rißtov Irioov XPIOTOV TT?C 5Ö^T?C . Dieser Glaube ist für den Verf. Anlaß, seine Hörer zu entsprechendem Verhalten, wie es im Brief dargelegt wird, zu mahnen. Die Wendung ITIOTIV e'xeiv findet sich nicht selten im N T , Mt 17,20; 21,21; Mk 4,40; 11,22; Lk 17,6; Apg 14,9; Rom 14,22; I K o r 13,2; lTim 1,19, vgl. 3,9; Jak 2,1. 14.18, vgl. IEph 14; Herrn 34,3 (mand V . 2 ) . Auch die Konstruktion e'xeiv TI ev TIVI ist keineswegs ungewöhnlich, vgl. Rom 1,28; 2Kor 10,6; Joh 14,30. Die Wendung trägt gut griechische Züge, denn das Wort e'xeiv, das im Semitischen kein Äquivalent besitzt, kommt in L X X etwa 500mal vor und ist Jeweils selbständig aus griechischem Sprachgut heraus eingesetzt" . Kvpiov
1
Unsere Wendung kommt im N T oft im Gegensatz zum Zweifel vor, vgl. Mt 17,20; 21,21; Mk 4,40; 11,22; Lk 17,6 . Dieser Glaube ist auch an der schon behandelten Stelle l,2ff gefordert und steht dort im Zusammenhang mit der Bitte um Weisheit: durch die Bitte im Glauben, der vom Zweifel frei ist, empfängt der Christ Weisheit, und erst in dieser von Gott verliehenen Weisheit wird die geforderte Vollkommenheit möglich . Ob dieser Gedanke auch hier zu beanspruchen ist , erscheint fragwürdig. 2
3
4
Die irioTiq kann aber nicht ev -npooLo-noXriß^iaiq verwirklicht werden. Die Substantivierung TTpooto-noXrinil/ia ist weder im vorchristlichen Schrifttum noch in der Profangräzität belegt . Das im Anschluß an die LXX-Wendung irpöocoirov Xanßäveiv gebildete Wort, vgl. Dt 10,17; Sir 35,13, dem das hebräische nasa' panim zugrunde liegt , wird schon in vorpaulinischer paränetischer Überlieferung verwendet, so daß man weder Paulus noch unserem Autor die Schöpfung des Begriffes zuschreiben kann und sich von daher etwaige Uterarische Probleme zwischen Jakobus und Paulus nicht stellen lassen ; sicher kann die Aufnahme des im Urchristentum gebildeten Begriffes durch unseren Autor aber die Kenntnis des christlichen Sprachgebrauches belegen . Ist sonst immer davon die Rede, daß Gott selbst die Person nicht ansieht, Rom 2,11; Eph 6,9; Kol 3,25, vgl. noch IPetr 1,17, so wird dieses Verhalten Gottes hier zur Verpflichtung für die Christen erhoben. 5
6
7
8
Die Wendung irioTiq TOV Kvpiov riptov \r\oov XPIOTOV TT?C 5Ö£TK ist singulär und hat zu den verschiedensten Erklärungsversuchen Anlaß gegeben. Zwar kommt starte c.Gen. im NT häufig vor, Mk 11,22; Apg 3,16; Rom 3,22.26; Gal 2,16.20; 3,22; Phil 1,27; 3,9; Kol 2,12; 2Thess 2,13; 2Tim 3,15; Jak 2,1; Apk 2,13; 14,12, und bedeutet weithin das Bekenntnis zu Jesus Christus, aber Schwierigkeiten bereiten hier vor allem die aneinandergereihten Genetive. Wir werden darauf zurückkommen.
1
V g l . H . H a n s e , A r t . e'xw
2
V g l . auch besonders Rom
KTX.;in:
T h W N T II, 816-832.817.
14,22.
3
V g l . oben^S. 32f.
4
Diese A n s i c h t vertritt aber U . L u c k , D e r J a k o b u s b r i e f 175. E r postuliert hinter Jak 2,1 eine Christologie, „in der Jesus Christus diesen W e g des G l a u b e n s als nichtzweifelnden Vertrauens eröffnet h a t " ( e b d . ) . K a n n m a n eine solche H y p o t h e s e aber a u f die B e o b a c h t u n g gründen, d a ß auch in M k 4,40; l l , 2 2 f f ; M t 2 1 , 2 1 ; L k 17,6
TTIOTIV
e\eiv
den G l a u b e n im Gegensatz z u m Z w e i f e l bezeichnet? A u c h
der U m w e g über die Christologie des Hebräerbriefes k a n n hier d o c h w o h l nicht entscheiden. 5
D a s W o r t k o m m t im N T u n d bei d e n A p . V ä t . v o r : R o m 2 , 1 1 ; E p h 6,9; K o l 3,25; J a k 2 , l ;Pol 6 , 1 .
6
V g l . auch E . L o h s e , A r t . irpoowiroXr}^to;in:
7
V g l . zutreffend D i b e l i u s , Jak 158; M u ß n e r , Jak
8
T h W N T V I , 182. 115f.
Bezeichnenderweise verzichtet F. Spitta, Jak 59 a u f eine Erklärung des Substantivs irpoocoiroXr]ii\}j u n d verweist lediglich auf die L X X - W e n d u n g TTPÖOCCITOV
Xanßäveiv
ia
L e v 19,15: Ps 81.2 ( L X X V .
Sir 4,22 ( 5 9 A . 2 ) .
73
Das hier vorliegende Verständnis von Werne steht, wie die genannten Belege vermuten lassen, ganz in der ntl. Glaubenstradition, die sich grundsätzlich aus zwei voneinander unabhängigen Entwicklungslinien entfalten läßt : a) Glaube als Bekenntnis zu Jesus Christus, Glaube an das in Tod und Auferwekkung offenbar gewordene rettende Heilshandeln Gottes in Jesus Christus (Paulus); b) Glaube als vertrauendes Durchhalten in der Anfechtung (Hebräerbrief), als unbedingtes und nichtzweifelndes Vertrauen (synoptische Evangelien ). Beide Traditionen haben ihren theologischen Ausgangspunkt im Judentum; auch unser Brief knüpft also mit seiner Aussage an das an, was im Judentum mit W a r t e ( L X X ) bezeichnet wird und setzt sich damit fundamental von der W a r t e des zeitgenössischen Hellenismus ab: dort ist nianq „primär ein Verhalten des Menschen zu sich selbst, nicht zu anderen ... W a r t e , hat in der Stoa also keine religiöse Bedeutung in dem Sinne, daß sie das Verhältnis des Menschen zur Gottheit bezeichnete, daß die Gottheit und ihr Walten Gegenstand der W a r t e wären" . Damit wenden wir uns nun der Wendung selbst zu. 1
2
3
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die Formel -nioTiv e'xeiv möglicherweise das in den synoptischen Evangelien gemeinte unbedingte, zweifelsfreie Vertrauen aufnimmt ; andererseits steht hinter der W a r t e nvpiov rr?c Sdi-rje das Bekenntnis zu Jesus Christus, dem zudem gerade mit der Formel nvpioq rr?c 8ö^rjq eine christologische Prädikation zugeschrieben wird, wie sie nur selten im N T vorkommt . Solches Bekenntnis aber impliziert den Gedanken an die Erhöhung und zu erwartende Parusie, 5,7ff, setzt also das eschatologische Handeln Gottes in Jesus Christus voraus, wie auch aus V.5 hervorzugehen scheint . 4
5
6
Die „überladene W e n d u n g " W a r t e TOV nvpiov r\iiCov 'Irjaov Xpiorov rfjc OÖ£T?C verdient größere Aufmerksamkeit als dies bisher geschieht ; denn nur hier wird im Jak eine Mahnung christologisch eingeführt und nur an dieser Stelle in unserer Schrift kommt der im N T zweifellos zentrale Begriff 6d£a vor. Schließlich weist der nach7
8
1
V g l . D. L ü h r m a n n , FT i'arte im J u d e n t u m ; in: Z N W 64 ( 1 9 7 3 ) 1 9 - 3 8 . 3 6 f .
2
V g l . die schon erwähnten Stellen M k 4 , 4 0 ; 11,22ff; M t 2 1 , 2 1 ; L k 17,6.
3
R . B u l t m a n n , A r t . iriorevoj; in: T h W N T V I , 1 7 4 - 2 3 0 . 1 8 2 .
4
Bei Paulus findet sich die W e n d u n g n u r z w e i m a l , R o m 14,22; I K o r 13,2, w ä h r e n d sie bei S y n oft vorkommt.
5
V g l . dazu weiter unten.
6
P . Stuhlmacher, Gerechtigkeit G o t t e s bei Paulus ( F R L A N T 8 7 ) Göttingen 1965, 193 A . 3 meint, für d e n G l a u b e n s b e g r i f f des Jak seien „Stellen w i e 1,6; 2,1 u n d 5,15 u n d damit ein unreflektiertes N e b e n e i n a n d e r von verschiedenen Motiven charakteristisch". D a ß dieses Verständnis zu undifferenziert ist, w i r d schon daraus ersichtlich, daß der G l a u b e 1,6 im Z u s a m m e n h a n g mit 1 , 2 - 4 gesehen w e r d e n m u ß , w o d e r G e d a n k e des a u f das W e r k hin angelegten G l a u b e n s vorbereitet w i r d , der dann in 2 , 1 4 f f seine Entfaltung findet. 2,14 ist aber w i e d e r u m nicht ohne den Z u s a m m e n h a n g mit 2,1 zu verstehen. Dieser Z u s a m m e n h a n g macht die A n n a h m e wahrscheinlich, d a ß s t a r t e eine einheitliche V e r w e n d u n g findet. W i r w e r d e n freilich sehen, daß seine religionsgeschichtlichen Voraussetzungen berücksichtigt w e r d e n müssen.
7
Schräge, K a t h . B r . 25.
8
V g l . n u r die dürftigen Ausführungen in den K o m m e n t a r e n . A u f dieses Desiderat weist sogar F. M u ß ner h i n : „ D i r e k t e " u n d „indirekte "Christologie im Jakobusbrief; in: C a t h 2 4 ( 1 9 7 0 ) 1 1 1 - 1 1 7 . 1 1 2 . A u c h in der 3. A u f l a g e seines K o m m e n t a r s z u m Jak bedauert M u ß n e r , daß das theologische P r o b l e m der F o r m u l i e r u n g noch zu wenig berücksichtigt w o r d e n ist ( 2 5 0 f . ) .
74
gestellte Genitiv auf eine besonders hervorgehobene Wesensbezeichnung hin, ähnlich wie in 1,17 Gottes Wesen in dem narrip rCjv 4>üruv besteht, bei dem es keine äiroaKiaopa gibt. Unsere Wendung wird also nicht nur formelhaften Charakter tra gen, sondern auch theologisch nicht ohne Konsequenzen für den ganzen Abschnitt bleiben. Diese Annahme wird wahrscheinlich gemacht durch die bedeutsamen Aussa gen in 2,5, die, wie sich zeigen wird, im Zusammenhang mit 2,1 ausgelegt werden müssen. Was will nun unser Satz sagen? Der theologischen Auslegung müssen wir zunächst die Frage vorausschicken, ob V . l in der uns vorliegenden Form überhaupt ursprüng lich sein kann, denn die Häufung der Genitive stellt sicher eine „griechisch harte Näherbestimmung" dar. So sieht denn auch F. Spitta aus dem Problem, das mit der „seltsamen Wortstellung" gegeben ist, nur den Ausweg einer späteren christli chen Interpolation des Gen. rjpäv 'Ii?oov Xpiorov in eine vorliegende jüdische Grund schrift. Diese Eintragung soll zeigen, „daß unter dem nvpioq rrjc 5d^i?c dieselbe Person zu verstehen sei, wie lCor 2 , 8 " . Diese Hypothese ist erheblich durch die Annahme des erwähnten jüdischen Ursprungs unseres Briefes belastet. Eine Interpola tion ist aber nur dann anzunehmen, wenn sie in der Textüberlieferung begründet ist und sich von daher nahelegt. Dies allerdings ist nicht der Fall, denn der Text ist gut bezeugt. Zwar wird man Spitta einräumen können, daß im N T häufig „bei einem Kvpioq derartige Ergänzungen durch Einfügung des Namens Jesu vorgekommen sind" , aber ganz unwahrscheinlich ist doch, daß der Interpolator eine solch schwie rige Wendung selbst geschaffen haben sollte . Diese textlichen und sprachlichen Be denken werden durch Spittas Bemerkung: „Wer sein Auge ein wenig geübt hat in der Erkennung redaktioneller Zusätze zu einem Schriftsteller, kann darüber nicht im Zweifel sein" , sicher nicht beseitigt. Der Verdacht, Spittas kaum hinreichend be gründete Hypothese diene in erster Linie seinem Interesse, in 2,1 ein starkes Argu ment für die Annahme zu entdecken, der Jak sei ursprünglich eine jüdische Schrift, und in 1,1; 2,1 gehe der Christusname auf nachträgliche christliche Eintragung zu rück, ja, dem Jak fehle jeder christliche Charakter , ist nicht von der Hand zu wei sen. 1
2
3
4
5
6
7
Ähnlich erklärt auch A . Meyer den G e n . r \ p ü v Irjoov Xpiorov durch einen späteren Einschub: „Dem sonstigen Stil gegenüber ist das ungefüge Agglomerat im JB bei spiellos" . Freilich kann auch Meyer keinen überzeugenden Gesichtspunkt aus dem Text selbst gewinnen. Der Rückgriff auf die Annahme, daß mit nvpioq im Jak im8
1
2
3
4
5
Dibelius, Jak 160. Spitta, Jak 4. Jak 5. Ebd. Spitta verweist darauf, daß z u ev bvöpari bzw.
'I17oov Xpiorov
rov nvpiov
5,14 in einigen Minuskeln der Zusatz 'Ii?oov
hinzugefügt sei. D a s aber kann kein A r g u m e n t für seine H y p o t h e s e sein, denn
gerade hier stellt sich d o c h die Frage, w a r u m der Christusname dann nicht ähnlich w i e 2,1 in den T e x t selbst eingegangen ist. 6
Ebd.
7
Vgl. Jak 8.
8
D a s Rätsel des Jacobusbriefes, 120.
75
1
mer Gott gemeint sei , läßt sich schwerlich begründen. Man kann auch den Namen Jesu Christi nicht deshalb ausscheiden, weil „hernach derjenige, um deswillen man keine Person ansehen soll, Gott ist, der Spender der ßaoikeia . . . " . Der Gedanke ist doch der, daß Gott die Christen zum Glauben - jenem Glauben, von dem in V. 1 die Rede ist - erwählt hat und die Christen im Personenkult dieser ihrer Erwählung zuwiderhandeln. Daß schließlich der Einschub deutlich machen solle, „daß dieser Hen der Herrlichkeit niemand anders als eben unser Herr Jesus Christus sei, und zwar an der ersten Stelle, w o nvpioq im Text vorkommt, avis au lecteur für die folgenden Stellen" , scheitert schon daran, daß in 1,7 der nvpioq-Titel schon einmal vorkommt; zudem machen 1,7; 4,15 wohl hinreichend deutlich, daß mit K U P K K auch im vorliegenden Brief Gott selbst gemeint sein kann, beide Bedeutungen, Gott und Christus, also ungezwungen nebeneinander stehen können. 2
3
Die Hypothese eines Einschubs des Christusnamens, wie sie von Spitta und Meyer vorgetragen wird, löst zwar weitgehend die Schwierigkeiten, die sich durch die genannten Genetivhäufungen ergeben, kann aber nur als schwach begründete Vermutung bezeichnet werden. Wir müssen also davon ausgehen, daß wir es mit dem ursprünglichen Text zu tun haben, der gut bezeugt ist. Wie ist nun die Reihe der Genitive zu verstehen? A m meisten hat sich unter den Auslegern die Auffassung durchgesetzt, daß in Tr)q 86%r)q ein Gen. qual. zu Irjoov Xpiorov zu sehen sei ; sie wird auch am ungezwungensten sein . Der nachgestellte Gen. rf?c 5d£7?e kommt im N T 4
5
nur selten vor: 6eöq
Hebr 9,5;
5d£T?e Ps
rr)q Sö^rjq
nvpioq
28,3 ( L X X ) ; ßaoikevq
A p g 7,2; -narr)p
rr)q 86%r)q rfjq
5Ö£TK
Tr)q
5d£r?c
Eph
1,17; Xepovßip
I K o r 2,8; Jak 2,1, vgl. auch 0edc P S 23,7.8.9.10 ( L X X ) ; nvpioq
TT?C
rf?c
rr)q
Sö^rjq
5Ö£T?C
Num
24,11 ( L X X ) . Im frühjüdischen Schrifttum, näherhin in lHen, kommt die Formel „Herr der Herrlichkeit" oft vor: lHen 22,14; 25,3.7; 27,3.5; 36,4; 40,3; 73,3; 83,8, besonders aber im Blick auf das N T , vgl. IKor 2,8, lHen 63,2: Der Herr der Herrlichkeit und der Herr der Weisheit, vor dem jedes Geheimnis offenbar ist"; vgl. auch noch 1QS 4,16f.; 4,22; 9,13; 10,24. Sachlich bedeutsam von den ntl. Belegen sind für unsere Stelle Jak 2,1 vor allem I K o r 2,8; Eph 1,17. Eph 1,17 spricht der in der Tradition der paulinischen Theologie stehende Verf. von Gott als dem itarr)p rr)q öd£i?e . Die 5d£a ist das Wesen des Vaters, das Wesen des 0eöc
TOV Kvpiov
rtpcov
'lrjoov
Xpiorov,
und von ihm geht sie aus, sie ist „das Gott 6
eigene Leben und Wesen, durch die das Erbe der Christen ( V . 1 8 ) bestimmt ist" . Von dieser theologischen Grundeinsicht geht die Bitte des Autors nun dahin, der •narrip rr)q 86%r}q möge den Christen den Geist der Weisheit schenken, damit sie den Reichtum seines Erbes erkennen. Es ist also nach Eph 1,17f. dem naTr)p rrjq dö^rjq eigen, Weisheit zu schenken, ja, dies macht geradezu sein 5ö£a-Wesen aus. Wäre dies
1
2
D a s Rätsel 121. Ebd.
3
4
D a s Rätsel 120. V g l . M u ß n e r , Jak 116; Dibelius, Jak 160. Schräge, K a t h . B r . 24f. übersetzt: „ M e i n e Brüder, h a b t euren G l a u b e n an unseren Herrn Jesus Christus in seiner Herrlichkeit nicht ( z u s a m m e n ) mit B e v o r z u g u n g v o n Personen".
5
D a h e r w i r d m a n a m besten übersetzen: Meine Brüder, habt d e n G l a u b e n an unseren Herrn der Herrlichkeit, Jesus Christus, nicht i m Personenkult!
6
76
J. G n i l k a , D e r Epheserbrief ( H T h K X , 2 ) ; Freiburg 1971, 8 9 .
nicht zumindest mitgemeint, dann wäre die Apposition TTCLTTIP rf?c 5Ö£T?C zu 0eöc Kvpiov r\p&v Irjoov XPIOTOV nicht notwendig, aber sie geht sinnvoll aus der paulinischen 5 öi-a-Theologie hervor. Die Weisheit, „die als Gabe des Geistes und in deren Form der Geist den Gliedern der Gemeinde gegeben werden möchte, ist jene pneumatische a o 0 i a , mit der Gott nach 1,8 die Kirche überschüttet hat, damit sie das Geheimnis des Willens Gottes begreife und die er nun weiterhin und voller geben möge, da sie ja eine Gabe ist, die nie ein für allemal abgegeben wird. Einmal gegeben, wird sie in immer neuer Gabe ergriffen" . So entspricht die oofyla als Gabe dem Wesen der 5ö£a Gottes, sie ist „als unsere ewige Bestimmung gesetzt, die seine Weisheit einlösen w i r d " . Das Wesen der bö%a und die ihm eignende Gabe der Weisheit sind also konstitutiv einander zugeordnet, der narrip Tr)q bö^rjq ist der Geber der Weisheit. Auch in dem großen Lobpreis des Segens Gottes Eph 1,3 — 10 scheint diese Verbindung gegeben zu sein, wenngleich hier der Ton mehr auf der x ^ P ^ liegt, die freilich wieder durch die 5d£a charakterisiert ist. An dieser Stelle sowie Eph 3,10—12 wird Jesus Christus selbst als Weisheit verstanden .
TOV
1
2
3
Höchst bedeutsam für die Erklärung unserer Stelle Jak 2,1 sind aber I K o r 2,8 und sein Kontext, denn nur dort findet sich außer Jak 2,1 im N T noch der Titel nvpioq TT) q 5Ö£T?C , und zwar als Christusbezeichnung. Die Prädikation muß aus dem ganzen Zusammenhang erklärt werden, 2,6—9, denn der Titel 2,8b nimmt Bezug auf eic bö^av rjpojv 2,7b. Sicher handelt es sich bei Paulus nicht nur um eine formelhafte Wendung, „vielmehr liegt hier eine rednerisch gehobene Ausdrucksweise v o r " . Dieser Christustitel ist vielleicht die „höchstgreifende Aussage über ihn, die wir bei P. finden" . Paulus spricht 2,7 von der Weisheit Gottes, welche Gott vor den Äonen elq bö^av rjpojp vorherbestimmt hat, und nach 2,9 hält Gott die Heilsgüter für die bereit, „die ihn lieben", vgl. Jak 1,12; 2,5. In diesem Rahmen spricht der Apostel nun mit einem christologischen Titel von Christus als dem „Herrn der Herrlichkeit". Wie verhält sich also die „Weisheit Gottes" zum „Herrn der Herrlichkeit"? Offenbar ist die Gedankenführung des Apostels doch dann am ungezwungensten zu verstehen, wenn „0eoü oocfria und nvpioq rijq bö^rjq dasselbe meinen, d.h. aber, wenn 4
5
6
deov
oocfria von 2,6 an als Bezeichnung Christi zu verstehen ist. deov ooQia
christologisches Prädikat und bezeichnet nichts anderes als die Person des Tr)q
bö^riq
7
selbst" . Beov
oofyla
und der nvpioq
Tfiq bö^rjq
einander identifiziert, wird in der Weisheit das Wesen des sehen.
ist hier
nvpioq
werden also hier mitnvpioq
TTJC
bö^q
ge-
In beiden zur Erklärung unserer Stellen herangezogenen ntl. Texten, Eph l,17f.; IKor 2,6-9 ist der 5d£a-Titel Gottes bzw. Christi mit der Gabe der Weisheit eng verbunden. Nach Eph 1,17 ist es dem Wesen des naTrip Tfiq 5Ö£T?C eigen, den Christen Weisheit zur Erkenntnis des Reichtums ihres Erbes zu verleihen. Ist oofyla an
1
H . Schlier, D e r Brief an die Epheser; Düsseldorf 6. A u f l . 1968, 78.
2
H . Schlier, D o x a bei Paulus als heilsgeschichtlicher Begriff; in: Besinnung a u f das N T , 307—318.309.
3
V g l . Schlier, E p h 1 5 6 - 1 5 9 .
4
J. W e i ß , D e r erste Korintherbrief; Göttingen 1910, 56.
5
E b d . ; vgl. auch H . C o n z e l m a n n , D e r erste Brief an die Korinther ( K E K V ) ; Göttingen 1969,80f.
6
„ E r steht d o r t in eindeutigem Z u s a m m e n h a n g mit einer Weisheitschristologie" ( U . L u c k , D e r Jakobusbrief 174).
7
U . Wilckens, Weisheit u n d Torheit 7 1 .
77
dieser Stelle auch nicht Jesus Christus selbst, sondern die Gabe zur Erkenntnis, so ist sie doch nach Eph 1,3-10; 3,10-12 als solche Gabe zurückgebunden in die Weisheit Gottes, die in Jesus Christus offenbar geworden ist. Nach IKor 2,6ff ist nun das 5ö£a-Prädikat, das Eph 1,17 dem Vater gilt, auf Jesus Christus als der Weisheit Gotte übertragen. Lassen sich von dem weisheitlichen Hintergrund dieser Aussagen her Anhaltspunkte für das Verständnis von Jak 2,1 gewinnen? Auch wenn es sich bei unserer Aussage um eine „formelhafte, 'doxologische' Wendung aus dem urkirchlichen Gottesdienst" handelt, so macht doch die Tatsache, daß der Titel im N T nur noch IKor 2,8 vorkommt, ja, daß der Christustitel im Jak außer 1,1 sonst überhaupt fehlt, seine hohe theologische Bedeutung wahrscheinlich, und fordert zu der Frage heraus, ob sich nicht die begründete Vermutung wagen läßt, daß unser Abschnitt ähnlich wie die beiden genannten Parallelstellen von weisheitlichen Voraussetzungen konzipiert ist. Wenn dieses Verständnis auch nicht explizit zum Ausdruck kommt, so kann es doch gedanklich möglicherweise vorausgesetzt werden. Wir werden im nächsten Abschnitt diese Frage noch einmal aufgreifen müssen. 1
Über die genannte Parallelaussage avpioq rr?c 5d|7?c hinaus erhält der vorgetragene Hinweis sicher seine Berechtigung, wenn wir bedenken, daß auch sonst in unserem Brief starke Gemeinsamkeiten mit I K o r lf. bestehen, wie die Untersuchung von Jak 3,13—18 hinreichend deutlich gemacht hat . 2
2.
Das Erwählungshandeln Gottes und die Verheißung der
ßaoiXeia
(2,5—7)
An eine exemplarische Darstellung dessen, wie der in V . l angeprangerte Personenkult sich äußert, Vv. 2f., und eine daraus folgernde rhetorische Frage, die das Verhalten der Hörer vollends ad absurdum fuhren will, V.4, schließt unser Autor einige zentrale theologische Gedanken wieder in Form einer breit angelegten Frage an, die das Erwählungshandeln Gottes in den Vordergrund stellen.
a)
„Arm"
in den Augen der Welt — „Reich"
im Glauben
3
Unser Autor begründet seine Mahnung , Reiche gegenüber Armen nicht zu bevorzugen, mit dem Handeln Gottes, der die in den Augen der Welt Armen zu Reichen im Glauben gemacht habe. V . 5 kann man also wohl als eine ergänzende theologische Begründung für die christologisch bestimmte Mahnung V . l ansehen. Dementsprechend ist hinter der Wendung nXovoiovq ev W ä r e t dann wohl gedanklich die christologische Aussage von V . l zu ergänzen, TOV nvpiov rjßüv Irioov XpioTov rrjc ö d £ 7 ? e , jener 1
M u ß n e r , „ D i r e k t e " u n d „indirekte" Christologie, 112. N a c h M u ß n e r geht es „ i m K o n t e x t eindeutig u m d e n nachösterlichen G l a u b e n der Adressatengemeinden an Jesus Christus. D a s Genetivattribut rfjc
5 O £ T J C scheint also den ' Z u s t a n d ' auszudrücken, in d e m sich Jesus Christus jetzt für den G l a u -
ben d e r G e m e i n d e befindet; er ist für sie in d e r himmlischen Herrlichkeit, w i e es auch sonst das neutestamentliche
K e r y g m a verkündet. M i t anderen W o r t e n : Jesus Christus ist für Jak der in die
hirnmlische Herrlichkeit Gottes E r h ö h t e " ( J a k 2 5 1 ) . 2
3
V g l . o b e n S. 6 1 . 62-64. Vielleicht ist die W e n d u n g äKovoare,
abeXoi
pov
in Z u s a m m e n h a n g zu bringen mit der A n -
rede d e r rabbinischen Lehrer an ihre Schüler, vgl. Str.-B. I, 198.
78
Glaube ist auch in V.5 gemeint. Jak 2,1 und 2,5 stehen also in einem engen Zusammenhang und müssen daher in ihrer gegenseitigen Beziehung gesehen werden. Daß der Glaube die Christen reich gemacht hat und sie als die von Gott Erwählten so zu Reichen im Glauben geworden sind, ist ein dem N T bekanntes Motiv; dieser Sachverhalt wird etwa aus der schon im Zusammenhang mit V . l erwähnten Stelle Eph 1,17f. deutlich: Gott, der -narr\p Trjq 5Ö|T7C, möge den Christen, so sagt der Autor der Schrift, den Geist der Weisheit schenken, damit sie sehen, welches die Hoffnung seines Rufes, welches der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes ist, vgl. auch noch Eph 1,7; Kol 1,27; 2Kor 8,9*. Der Begriff irXovoioq geht also wohl, wird er von jenem Erwählungshandeln Gottes her verstanden, über seine soziale Dimension hinaus, die Jak 2,5 im Blick auf 2,2f.7 zweifellos vorliegt, und erhält insofern theologische Bedeutung, als er an das Handeln Gottes in Jesus Christus gebunden ist und von daher seinen Stellenwert gewinnt. Diesen Sinn gewinnt der Begriff gerade auch deshalb, weil die Christen irXovoioi ev irioTei genannt werden. Dementsprechend kommt auch der Wendung ITTOJXOVS reo n6oßu> über die rein soziale Dimension hinaus theologische Bedeutung zu, wie auch der Dat. comm. TCO KÖopco nahelegt. Läge dem Text daran, letzlich eine soziale Botschaft vorzutragen, so würde in dem Vers lediglich eine Umkehrung der sozialen Verhältnisse liegen, gerade das aber ist nicht der Fall. Denn „trotz dieses schon gegenwärtigen Reichseins der Armen ist ihr eigentlicher Reichtum aber der Zukunft vorbehalten" . 2
3
Die theologische Bedeutung der TTTCJXOI hat eine weite und komplizierte Traditionsgeschichte, die in der Auszeichnung der Armen als der Frommen mündet . Damit sind nicht nur die sozial Unterdrückten gemeint, sondern allgemein die Niedrigen und Einfältigen; solche Kreise sind es denn vornehmlich auch, die schon den historischen Jesus erkannten. 4
Welches Verständnis nun des Näheren unserem Spruch zugrundeliegt, welcher gedankliche Hintergrund unseren Autor zu seiner Aussage veranlaßt, macht zunächst die sachliche und terminologische Parallele IKor l,26f. deutlich. Paulus ruft den Korinthern in Erinnerung, daß Gott nicht viele oool aarä oäpna, nicht die Mächtigen, nicht die Wohlgeborenen berufen habe, sondern das, was töricht und schwach ist in den Augen der Welt, habe er durch seine Weisheit, Jesus Christus erwählt. Nun weicht die für unsere Aussage Jak 2,5 wichtige Parallelwendung rd pupä TOV KÖopov e£eXe£aro b 6eöq vor allem durch den Gen. TOV KÖopov von unserem TTTCOXOÜC TCÖ KÖopco ab. Von daher drängt sich die Frage auf, ob der Gen. TOV KÖopov V.27 partitiv gemeint ist oder qualifizierend auszulegen ist . J. Weiß urteilt, letzteres Verständnis „dürfte kaum richtig sein, da zwar pupä etwas Relatives be5
6
7
1
V g l . die sachliche N ä h e zu Phil 2,5.
2
V g l . Dibelius, Jak 54.
3
Schräge, K a t h . B r . 26.
4
V g l . E . B a m m e l , A r t . TTTCJXÖC ; in: T h W N T V I , 8 8 8 - 9 1 5 . 8 9 4 f f .
5
D a n n wäre zu übersetzen: D a s Törichte der W e l t u s w .
6
D a n n wäre zu übersetzen: D a s in den A u g e n der W e l t Törichte, nach d e m Urteil der Welt Törichte usw.
7
Vgl. A . 6
79
zeichnet, was abgesehen vom Urteil der Welt nicht vorhanden zi- sein braucht; aber aoBevr) und ayevfi bezeichnet eine Lage und einen Zustand, der ganz abgesehen vom Urteil der Welt vorhanden ist. Hätte P. den Gen. so verstanden, so hätte er zu r d ayevfi nicht mehr r d e%ov6 evmieva hinzuzufügen brauchen, denn 'unedel im Sinne der Welt' wäre damit identisch" . Zu dieser zuletzt genannten Begründung kommt Weiß aber nur, weil er in V.28 TOV KÖO/JLOV Z U r d d y e v r \ nicht mitliest . Vor allem aber spricht gegen diese Auslegung der Kontext: den oo<j>oi, Siwaroi, eü7e*>efe 1
2
in V.26 entsprechen in V.27 die Objekte Täßcopa,
TCL äodevfi,
TOL äyevff.
Die Aus
sagereihe V.27 ist aber durch das qualifizierende K a r d oäpua geprägt, das die menschlichen Maßstäbe hervorhebt: Gottes Erwählungshandeln steht im Gegensatz zu menschlichen Vorstellungen und Kriterien. Ist der Gedanke richtig, daß die genannte Aussagereihe V.27 die Begriffe V.26 wieder aufnimmt, dann ist auch das Argument hinfällig, daß äoOevfi und ayevfi einen Zustand bezeichnen, der mit dem Urteü der Welt nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehe .Wir sehen also, daß der Gen TOV KÖOHOV IKor 1,27 und der Dat. reo KÖopco Jak 2,5 die gleiche Funktion haben, nämlich die Qualität der von der Welt angelegten Maßstäbe im Gegensatz zu Gottes Handeln in Erinnerung zu rufen. Auch die „Erwählten" tragen bei Paulus und unserem Verf. den gleichen Charakter: So wenig, wie Jak 2,5 den ITTCJXOL TCO KÖOUCO lediglich eine Umkehrung ihrer Verhältnisse in sozialer Hinsicht ansagt oder ihren Zustand idealisiert, als seien sie im Gegensatz zu den Reichen die ausschließlichen Heüsempfänger, so vertritt auch Paulus kein „Pauperitätsideal" . 3
4
5
Der Abschnitt ist weisheitlich geprägt: A n solchem Erwählungshandeln Gottes wird seine Weisheit offenbar, I K o r 1,30; indem Gott durch Jesus Christus die von der Welt Geringgeschätzten erwählt und damit die Weisheit der Welt geringschätzt, ist Christus von Gott her zur Weisheit geworden. Jesus Christus ist der, der als Weis heit Gottes die Weisheit der Welt zunichtemacht und wird hier, wie an der erwähn ten Stelle IKor 2 , 6 - 9 , als Weisheit selbst gesehen . 6
Mit I K o r l,26f. zusammen ist für die Erklärung des Hintergrundes unserer Stelle der synoptische Jubelruf Mt l l , 2 5 f . / L k 10,21 f. zu nennen, der uns noch in anderem Zusammenhang beschäftigen w i r d . Jesu Wort Mt 11,25/Lk 10,21 steht „in schnei dendem Gegensatz" zum Handeln und der Erwartung seiner Umwelt; ohne Zweifel 7
8
1
D e r erste Korintherbrief; G ö t t i n g e n 1 9 1 0 , 3 6 ; auch H . C o n z e l m a n n , I K o r 65 scheint, wie aus der Ü b e r s e t z u n g hervorgeht, partitiv auszulegen.
2
I K o r 36.
3
Vgl. IKor. 36.
4
Paulus u n d unser A u t o r v e r w e n d e n an d e n genannten Stellen jeweils den Begriff
5
Conzelmann, I K o r 66.
6
enXeyeodai.
A n d e r s C o n z e l m a n n , Paulus u n d die Weisheit; in: N T S 12 ( 1 9 6 5 / 6 6 ) 231 - 2 4 4 . 2 3 7 , der der Ansicht ist, „ d a ß Paulus trotz des Motivzusammeiihangs mit der Weisheitsspekulation die oo(f>ia nicht z u m christologischen Hypostasenbegriff macht".
7
V g l . o b e n S. 2 3 5 . J. W e i ß , I K o r 37 macht im Z u s a m m e n h a n g mit der Erklärung v o n I K o r 1,26ff a u f die synoptische Stelle aufmerksam („lehrreich ist jedenfalls eine V e r g l e i c h u n g " ) . Beide T e x t e h e b e n nach W e i ß „die auffällige V o r l i e b e G o t t e s für die Ungebildeten, Niedrigen u n d Verachteten" hervor; der (theologische) Unterschied liege darin, d a ß i m synoptischen L o g i o n solches H a n d e l n G o t t e s „als der n u n einmal gefaßte Willensentschluß einfach dankbar h i n g e n o m m e n w i r d " , w ä h r e n d Paulus den G e d a n k e n a u f n e h m e , damit sich kein Fleisch rühme v o r G o t t , I K o r 1,29.
8
80
S o formuliert treffend W . G r u n d m a n n , L k 2 1 6 .
hat hier der weisheitstheologische Hintergrund einen prägenden Einfluß auf die Überlieferung, und dies wohl schon bei Q . Die dort genannten und angesprochenen vr)-nioi „verstehen sich als die 'wahren' Weisen, durch welche die Weisheit Recht bekam, während die sogenannten 'Weisen' und 'Verständigen' ... ihre Weisheit verlieren . Dieses Handeln, das die vr)moi beruft, geschieht durch Jesus, der als die Weisheit auftritt, wie F. Christ nicht ohne Grund auslegt: Mt 11,25 „spricht von Jesus Sophia als dem Mysterium, das den Weisen und Verständigen verborgen und den Unmündigen offenbar ist und das gerade in seiner Verborgenheit vor dem offiziellen Judentum und in seiner Offenbarung an die Anawim besteht. Mit dem Gedanken dei Verborgenheit des Mysteriums vor der Masse und seiner Offenbarung an einzelne ist auf Jesus übertragen worden, was in der Weisheitsliteratur von der Weisheit g i l t " . 1
2
3
Ist für I K o r l,26f.; Mt l l , 2 5 f . / L k 10,21f. das leitende Motiv in der Weisheitstradition zu suchen, so scheint jene Überlieferung auch Jak 2,5 geprägt zu haben. Die sprachlichen Berührungen , die sachlich nahestehenden Motive und das übereinstimmend gezeichnete Bild von Gottes Erwählungshandeln machen die gemeinsame religionsgeschichtliche Herkunft der drei Abschnitte wahrscheinlich. Damit könnte man den theologischen Gedanken, der hinter Jak 2,1.5 steht, folgendermaßen wiedergeben: Gott hat in seiner Weisheit Jesus Christus die im Urteil der Welt Armen zu Reichen im Glauben (an den Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit) erwählt; Handeln nach jenen weltlichen Maßstäben, wie es sich offenbar bei den Gemeinden durchgesetzt hat, widerspricht der geschehenen Erwählungstat Gottes, vgl. auch Jak 4,4, 0tXt'a TOV KÖO/IOV widerspricht der Berufung gerade der Armen, Niedrigen und Geringgeschätzten. Ist der theologische Gedanke des Autors so zutreffend charakterisiert und kann man unseren Abschnitt wie die angeführten Paralleltexte religionsgeschichtlich der frühjüdischen Weisheit zuordnen, dann drängt sich die Frage auf, inwieweit die Christusprädikation Jak 2,1 mit jenen weisheitlichen Vorstellungen verbunden worden ist, ja, ob Jesus Christus möglicherweise ähnlich wie in I K o r l,26f. und vielleicht auch Mt l l , 2 5 f . / L k 10,21f. als Träger der Weisheit oder als Weisheit selbst ausgelegt wird. Diese Analyse würde einerseits den für die Auslegung von Jak 2 kaum ausgewerteten Stellen IKor l,26f.; Mt ll,25f. par. und andererseits jener Doxa-Theologie, die hinter IKor 2,8; Eph l,17f. steht, entsprechen. Auch wenn die Formel nvpioq rf?c 5ö|i?c Jak 2,1 eine formelhafte liturgische Wendung ist, verliert sie nicht ihre theologische und religionsgeschichtliche Bedeutung. 4
s
6
1
V g l . die A u s l e g u n g b e i Schweizer, M t 175
2
P. H o f f m a n n , Studien zur T h e o l o g i e der Logienquelle ( N T A
3
Jesus S o p h i a , 84.
4
V g l . I K o r 1,26: e£eXe£aro
5
-nTco\ovq
TOV nöopov reo
e£eXe£aro ö 0eöc
ßaoikeia
u n d Jak 2 , 5 :
ö
0eöc
KÖopcp.
D i e i>777rioiMt 1 1 , 2 5 / L k 10,21 sind identisch mit den preisungen die
6
r d ßtopä
TOV\
8 N S ) Münster 1972, 118.
TTTLOXOI,
denen Jesus in d e n Selig-
verkündet: vgl. W. G r u n d m a n n , M t 216.
„ R e i c h e a u f d e m G e b i e t , das mit nioTiq
umschrieben w i r d " ( D i b e l i u s , Jak 171).
81
Die Verheißung der
b)
ßaoiXeia
Eine zweite Aussage stützt unsere Hypothese: Gott hat die Armen zu „Erben des Reiches" (nXripovöpovq rfjc ßaoiXeiaq) erwählt. Von der Verheißung der ßaoiXeia ist im N T oft die Rede, in den Evangelien wie in den Briefen . Die ntl. Autoren 1
sprechen von
der
ßaoiXeia
TCJV
ovpavübv
(Mt),
der
ßaoiXeia
TOV deov
oder
ßaoiXeia
Christi; auch wird ßaaiXeta absolut gebraucht. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß an unserer Stelle die ßaoiXeia Gottes als künftige Größe gemeint ist, zu deren Erbe die Christen durch das Erwählungshandeln Gottes grundsätzlich bestimmt und in die sie hineingerufen sind. Mit KXr\povopeiv TTIV ßaoiXeiav greift der Verf. eine im N T fest gewordene Formel auf , die erst die christliche Literatur gebildet hat. Das dem griechischen nXripovzugrundeliegende hebräische nahala legt den entscheidenden Akzent nicht auf den Gesichtspunkt des Erbens, sondern des Rechtes auf den durch die Landnahme zugesagten dauernden Besitz; in den frühjüdischen Schriften wird das Motiv, das in L X X durch KXrjpovopeiv u.a. wiedergegeben wird, eschatologisch weitergebildet, in sofern der Begriff „über die einmalige Landnahme hinausweist" und den Gedanken an das E r b e , das Erbe der „Erde", Ps 36,11 ( L X X ) und des „ewigen Lebens" oder der „verheißenden Zeit" ausbildet. Vom Erbe des „Reiches" spricht das Judentum noch nicht. Diese Verbindung wird aber im N T zentral, vgl. IKor 6,9f.; 15,50; Gal 5,21; IThess 2,12; Mt 25,34. Daß Mt 5,5 den npaeiq „das Land" zugesagt wird, deckt sich mit unserer Verheißung der ßaoiXeia an die 7rrcoxoi'; denn Mt 5,5 sind mit den -npaeiq dieselben Kreise gemeint wie mit den TITLOXOI TU? nvevpaTi, näm lich die Christen , jene Christen, die auch in der lukanischen Feldrede Lk 6,20ff und der zugrundeliegenden Q-Überlieferung mit den Armen Hungernden und Trauern den gemeint sind, „die zu den Bedrängten dieser Erde zählen, wie sie auch (V.22f.) zu den Verfolgten gehören" . Möglicherweise geht dieser Gesichtspunkt in Jak 2,5 und Lk 6,20/Mt 5,3 auf eine gemeinsame Überlieferung zurück. Diese Annahme er scheint durchaus begründet, wenn man bedenkt, daß der weitere Zusammenhang Jak 2,6f. starke Gemeinsamkeiten mit der Lk 6,22/Mt 5,11 zugrundeliegenden Tra dition aufweist, wie wir noch sehen werden . 2
3
4
5
6
7
i
8
9
1
Interessanterweise k ö n n e n im N T die Begriffe ßaoiXeia
u n d 5 ö ^ a g e r a d e z u vertauscht w e r d e n ;
vgl. K . L . S c h m i d t , A r t . ßaoiXeia;
in: T h W N T I , 5 7 9 - 5 9 5 . 5 8 4 .
2
W. Foerster, A r t . nXripovöpoq;
in: T h W N T I I I , 7 6 6 - 7 8 6 . 7 8 2 .
3
Foerster, A r t . nXrtpovöpos,
4
779.
V g l . P s Sal 17,23: „Weise ( u n d ) gerecht treibe er die Sünder w e g v o m E r b e , zerschlage des Sünders Ü b e r m u t wie T ö p f e r g e f ä ß e " .
5
V g l . l H e n 40,9.
6
VgJ. d a z u die interessante Stelle A p k B a r ( s y r ) 4 4 , 1 3 : „ D e n n diese sind es, die diese Zeit, von der die R e d e ist, erben sollen, u n d ihrer wartet das E r b e der verheißenen Zeit: diejenigen ( n ä m l i c h ) , die sich V o r r ä t e der Weisheit zu eigen gemacht h a b e n , u n d bei denen sich Schätze der Einsicht vorfinden, u n d die sich v o n der G n a d e nicht losgesagt u n d die die Wahrheit des Gesetzes beobachtet haben.
7
D a ß das E r b e der ßaoiXeia
im N T den Christen als Christen verheißen w i r d , macht ergänzend die 0
A n n a h m e wahrscheinlich, daß mit den T I T C O X ^ nicht in erster Linie sozial A r m e gemeint sind, sondern die Christen. Z u m Verhältnis v o n npaeis
und 7rro;x
ot
m
den m t Seligpreisungen vgl.
unten S. 133 8
H . Schürmann, D a s Lukasevangelium I ( H T h K 111,1); Freiburg 1969, 327. A u c h die Jak 2,5 gehören zu den Verfolgten u n d Geschmähten.
9
82
V g l . unten S. 120.
nrcoxoi
Die ßaoikeia hat Gott denen bereitet, „die ihn lieben", wird in 2,5 schließlich hin zugefügt. Diese Formel ist schwierig einzuordnen. Nun kommt die Wendung auch in dem für unseren Abschnitt wichtigen Zusammenhang IKor 2,6—9, näherhin 2,9, vor. Paulus greift hier ein Zitat uns unbekannter Herkunft auf, das mit der genannten Formel rote äya-nüoiv avröv schließt . J. Weiß vermutet, Paulus zitiere IKor 2,9 aus einer unbekannten apokryphen Schrift ; gerade in apokalyptischen Aussagen greife der Apostel auf Termini uns unbekannter apokalyptischer Literatur zurück . Auch unsere Wendung weist J. Weiß offenbar der Apokalyptik z u . Nun braucht man bei der Rückfrage nach der Herkunft der Formel gewiß nicht nur auf IKor 2,9 zurückzugreifen, da es für diese und ähnliche Wendungen eine Fülle von Belegen gibt, die auch die christlichen Schriften aufweisen, vgl. nur Ex 20,6; Dt 5,10; 7,9; Ri 5,31» Ps 5,11 ( L X X ) ; Sir 1,10; 2,16; Rom 8,28; IKor 2,9; 8,3; Eph 6,24; 2Tim 4,8; Jak 1,12; U o h 4,10.20; 5,1; lKlem 29,1; 59,3 u.a. . Diese Bezeichnung „für die frommen Israeliten" ist im N T wohl als feste „religiöse Formelsprache des Ur christentums" zu bezeichnen. Ob es Zufall ist, daß die Wendung im Jak jeweils im Anschluß an Aussagen über Reiche und Arme vorkommt, vgl. 1,9-11.12, wie Dibe lius behauptet , ist zumindest als Frage offen zu lassen. Es wurde gezeigt, daß ähn lich wie in dem Makarismus Lk 6,20, der mit Jak 2,5 manche Gemeinsamkeiten aufweist, auch an unserer Siehe mit den HTUXOL mehr gemeint ist als nur die sozial Armen, nämlich die, die an Jesus Christus glauben und von der Welt geringeachtet werden . Trifft dies zu, dann ist die weisheitlich-apokalyptische Formel, die ursprüng lich als Bezeichnung der jüdischen Frommen galt, zur Selbstbezeichnung der Christen geworden. Dieses Verständnis läßt sich auch aus Rom 8,28 entnehmen: die, die Gott lieben, sind die nach dem Vorsatz Gottes Gerufenen, „ihnen hat Gott bereits sein ganzes Heil widerfahren lassen" , die, die Gott lieben, hat Gott „dahin allem zuvor definiert, daß sie die Seinsweise Christi teilen" . 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
1
V g l . dazu J.B. Bauer, „ . . . T O I S A T A Tl S 2 2 I N T O N 0 E O N " Rom 8,28 ( l C o r 2,9; l C o r 8 , 3 ) ; in: Z N W 50(1959), 106-112.
2
I K o r 59: „ ... aber gegen die Benutzung eines A p o k r y p h o n durch P. ist nicht das Geringste einzu wenden".
3
4
Ebd. I K o r 58: „ E s scheint dies eine in messianisch-apokalyptischen Zusammenhängen häufige F o r m e l ge wesen zu sein". C o n z e l m a n n , I K o r 82 betont unter Heranziehung zahlreicher Belege die „ A f f i n i t ä t " von A p o k a l y p t i k u n d Weisheit.
5
V g l . Schlier, E p h 31 Of.; Dibelius, Jak 120 A . 2 ; für die frühjüdischen Belege vgl. auch Spitta, Jak 30 A . 2 .
6
Spitta, Jak 30.
7
Dibelius, Jak 120.
8
Jakl20A.3.
9
A u c h in Jak 1 , 9 - 1 1 w i r d m a n in nXovoLo;
u n d Taneivöq
nicht hauptsächlich die soziale B e
deutung sehen dürfen. 1 0
H . Schlier, D a s , w o r a u f alles wartet - Eine Auslegung v o n Rom 8 , 1 8 - 3 0 ; in: D a s E n d e der Zeit, Freiburg 1971, 2 5 0 - 2 7 0 . 2 6 6 .
1 1
Ebd.
83
c)
Die Unterdrückung der Christen
(Vv.öf.)
Vv.6f. richtet der Autor weitere Fragen an seine Hörer, die das Verhalten der Christen kritisieren wollen. Diese Fragen sind, wie häufig im Jak, rhetorische Fragen, vgl. nur 2,4.14.19.20. Wir haben die beiden Verse, die unser Verf. hier anschließt, parallel zu V.5 zu betrachten. Wurde V.5 die Kritik des Verf. am Verhalten der Adressaten theologisch mit dem Erwählungshandeln Gottes begründet, so wird in Vv.öf. die Argumentation auf die täglichen Erfahrungen und Widerfahrnisse der Christen ausgedehnt: diejenigen, durch die sie unterdrückt werden, können sie nicht den Armen vorziehen. In diesen beiden Sätzen werden wir vor allem die Tatsache beobachten müssen, daß sich in dem im Zusammenhang mit V.5 erwähnten Abschnitt Lk 6,20-26 mehrere Anklänge an unseren Brief feststellen lassen: Lk 6,20, vgl. Jak 2,5; Lk 6,24, vgl. Jak 5,1; Lk 6,25, vgl. Jak 4,9; Lk 6,26, vgl. Jak 4,4; wichtig für den vorliegenden Zusammenhang ist noch die Nähe von Lk 6,22 zu Jak 2,6f. Über die gegenseitigen Beziehungen können wir hier noch keine abschließenden Analysen vornehmen ; wichtige Anhaltspunkte scheinen aber darauf hinzudeuten, daß unsere Aussage in einem engen theologischen und religionsgeschichtlichen Verhältnis zur lukanischen Überlieferung steht. 1
Wir können beginnen mit einer Beobachtung, die an das über den Begriff TTTLOXW schon Gesagte anknüpft und ausführlicher begründet. V.6 führt aus: ovx oi nXovoioi KaTa8vvaoT€vovoiv vpcov; die Christen werden also um ihres Glaubens willen von den Reichen unterdrückt , denn mit vpcdv können nur die in der Anrede d6eX0oi ßov angesprochenen Christen gemeint sein: die Christen sind es als die TITLOXOI TCO KÖoßtp, die von den Reichen verfolgt und unterdrückt werden, deren Name Schmä hungen ausgesetzt ist, V . 7 . Auch Lk 6,20.22 werden nach der Seligpreisung der Armen die Verfolgten und Geschmähten seliggepriesen. Offenbar sind gerade dort immer die Christen schlechthin gemeint , die Christen als die an Jesus Christus Glaubenden. Bei Lk sind es dann die avdpLo-noi, die die Christen verfolgen, in un serer Schrift die -nXovoioi. Dem entspricht, daß den irXovoioi die Charakterisierung der prassenden Besitzenden, die die Armen ausbeuten, fehlt. Dies wird deutlich, wenn man unserem Vers die scharfe Abrechnung mit den Reichen 5,1 ff gegenüber stellt. Ähnlich fehlt auch in dem Weheruf Lk 6,24 diese besondere Kennzeichnung der Reichen.
2
3
4
1
V g l . d a z u ausführlicher unten S. 120f.
2
D e r Begriff nXovoioq
w i r d z u m ersten M a l in unserem A b s c h n i t t genannt. In d e m Beispiel 2,2f.,
mit d e m die M a h n u n g illustriert w i r d , ist n u r v o m
avr)p
xpvoodaKTvXioq
die R e d e . R . B .
W a r d , Partiality in the A s s e m b l y : James 2 , 2 - 4 ; in: H T h R 6 2 ( 1 9 6 9 ) 8 7 - 9 7 . 9 7 meint, Jakobus h a b e den Begriff für NichtChristen gebraucht: „ a term, w h i c h he reserves for the outsider". D a s entspricht dem, 3
w a s unsere A n a l y s e nahelegt.
V g l . 1,2. Möglicherweise ergibt sich hier eine V e r b i n d u n g zwischen der bekenntnishaften und
irioTiq
d e m G l a u b e n als nichtzweifelndem, durchhaltendem V e r t r a u e n : die u m ihres Bekenntnisses zu
Jesus Christus w ü l e n L e i d e n d e n w e r d e n in ihrem Vertrauen a u f G o t t nicht erschüttert. 4
V g l . Schürmann, L k I , 3 2 8 . 3 3 2 ; W a r d , Partiality 9 5 , hält eine Beziehung zu d e m lk Z u s a m m e n h a n g für möglich.
84
Der hier gebrauchte Terminus für das Handeln der -nXovoioi^aTahvvaoTeveiv, kommt im christlichen Sprachgebrauch nur Apg 10,38; Jak 2,6; Herrn 48,1 (mand X I I , 5 ) ; 48,2; Diogn 10,5 vor. Apg 10,38 und Herrn 48,1.2 steht das Wort in Zusammenhang mit der Bemächtigung des Menschen durch den Teufel, und nur Jak 2,6; Diogn 10,5 ist damit die Unterdrückung von Menschen durch andere gemeint. Von solcher Unterdrückung ist aber im A T häufig die Rede, vgl. Sap 2,10; 17,2; A m 4,1; 8,4; Hab 1,4; Zach 7,10; Mal 3,5; Jer 7,6; Ez 18,12; 22,7; 22,29. Dabei wird in erster Linie davon gesprochen, daß Arme, Gerechte, Witwen und Waisen unterdrückt werden von Gottlosen, Frevlern und den Besitzenden. Diese Verbindung macht einen ziemlich stereotypen Eindruck. Weiter sind es die TIXOVOLOL, die die Christen vor die Gerichte schleppen. Auch hier können mit den u/zde nur die ö5eX0ot von V.5 gemeint sein. KpiTf)piov kommt sonst nur noch I K o r 6,2.4 vor, wird aber dort im Sinne von „Gerichtsverhandlung" gebraucht. Es wird wohl hier an unserer Stelle an jüdische Gerichte zu denken sein ; daß gegen die Christen Prozesse angestrengt worden sind, muß nicht als unmöglich erscheinen . 1
2
V.7 argumentiert ebenfalls in Form einer rhetorischen Frage an die Gemeinden mit dem Hinweis auf die Erfahrungen der Christen mit ihren Widersachern: die irXovoioi lästern den „guten Namen". Auch in dieser Aussage wird wieder erkennbar, daß die Christen vor allem wegen ihres Glaubens zu leiden haben. Der mit der Formel TÖ KCLXÖV opofxa TÖ emuXridev e 0 ' bnaz gemeinte Sachverhalt ist genuin alttestamentlich , der Name Jahwes macht Israel geradezu zu seinem Eigentum, und im „Namen" wird Jahwe gepriesen wegen seiner Heilstaten, Ps 102,1; 110,9 ( L X X ) . Von der alttestamentlichen Tradition kommt der Verbindung im N T entscheidende Bedeutung zu, ob nun der Name Gottes oder der Name Jesu gemeint ist. Einmal wird mit dem Namen Gott gepriesen, vgl. z.B. Lk 1,49, dann werden die Christen als unter dem „Namen" Stehende bezeichnet, vgl. unsere Stelle Jak 2,7; Lk 6,22. Mit dem Namen ist aber auch das Bekenntnis zu Gott oder Jesus Christus verbunden, vgl. nur Apg 2,21; Rom 10,13, um des Namens willen kann der Christ in seiner Welt verhaßt sein. Mt 10,22; Lk 6,22; 21,12. Im Namen werden die Christen also Gottes Eigentum wie auch das Volk Israel Jahwes Eigentum war, im Namen wird Gott nicht nur angerufen, sondern erscheint Gott selbst, wird sich offenbarend gegenwärtig, Joh 17,6 . 3
4
1
2
3
4
V g l . H a u c k , Jak 103. „ D e r Plural deutet an, daß es keineswegs b e i einem vereinzelten Fall bleibt, sondern daß solches Erleben immer w i e d e r über die wehrlosen A r m e n k o m m t " ( H a u c k , Jak 102). V g l . H . W . W o l f f , Arnos/Joel ( B K X I V , 2 ) Neukirchen 1 9 6 9 , 4 0 7 : „Damals hat Jahwe in der Sicht unseres T h e o l o g e n seinen N a m e n über den V ö l k e r n ausgerufen, u m sein Heils- u n d Besitzrecht zu erklären"; vgl. auch die Belege bei Schlatter, Jak 172 A . l u . 2. Spitta, Jak 65 ist der A n s i c h t , „ d a ß hier nur an den N a m e n Jahwes, nicht an einen anderen Ehrentitel gedacht w e r d e n kann". V g l . R . B u l t m a n n , D a s Evangelium des Johannes ( K e K I I ) ; Göttingen 18. A u f l . 1964, 3 8 0 f.: „ F ü r den Evglisten — aber auch schon für seine Quelle — bedeutet die Mitteilung des Gottesnamens nicht m e h r die Ü b e r m i t t l u n g eines geheimnisvollen, machthaltigen N a m e n s , der im Mysterium, in der Himmelsreise der Seele oder im Z a u b e r durch das Aussprechen wirksam w i r d , sondern die Erschließung Gottes selbst, die Erschließung der aXr)deia. In seinem Wirken wirkt j a G o t t , in ihm begegnet G o t t selbst. U n d es ist das Gleiche, o b es heißt, daß er G o t t e s N a m e n offenbart oder daß er seine eigene 5 ö £ a offenbart". F . M u ß n e r weist d a r a u f h i n , daß der „ N a m e " konkret in der Taufe angerufen w u r de. „ S o sind auch die Christen durch die A u s r u f u n g des N a m e n s Jesu in der T a u f e sein E i g e n t u m g e w o r d e n . Jesus ist nach Jakobus der Herr seiner G e m e i n d e n " : D i e Tauflehre des Jakobusbriefs, in: Hansjörg a u f der M a u r / B r u n o Kleinheyer ( H r s g . ) , Zeichen des G l a u b e n s - Studien z u T a u f e u n d F i r m u n g ( F S Balthasar Fischer z u m 60. G e b . ) , 61—67.62.
85
Von der christlichen Überlieferung her muß auch unsere Aussage vom „guten Na men", KCLXÖV övopa, verstanden werden , der über den Christen ausgerufen ist. Der Name Jesu wurde über die Christen bei der Taufe angerufen, vgl. Apg 2,38; 10,48. Darauf weist nicht zuletzt der Begriff emtiaXeiv hin, vgl. Apg 15,17. Unser Verständ nis der Wendung wird gesichert durch den sonstigen christlichen Sprachgebrauch: Herrn (sim) V I I I , 1,1; 6,4; I X 12,4; 12,8; 13,2; 13,7; 15,2; 16,3; 28,5; IEph 7,1. 1
Diesen „guten Namen" lästern die ITXOVOLOL, fahrt unser Brief fort. ßXao<pr)peiv ist ein dem N T geläufiger Terminus (26mal). Auch daß der Name Gottes oder der Na me Jesu und der Christen gelästert wird, ist nicht ungewöhnlich, vgl. Rom 2,24; l T i m 6,1; A p k 13,6; 16,9. Daß aber die R e i c h e n den Namen Jesu oder der Christen schmähen, wird im N T sonst nicht gesagt. Diejenigen, die schmähen, sind in erster Linie NichtChristen bzw. Gegner der Christen. So wie die Anrufung des Namens einen Bekenntnisakt darstellt, so drückt sich im ßXao<j>r}peiv eine Haltung des Unglaubens aus . Den guten Namen lästern „heißt den sich offenbarenden Gott oder den Herrn Jesus Christus schmähen" . 2
3
3.
Gesetz und Gericht (Vv.
8-13)
Mit den V v . 8—13 tritt innerhalb unseres Abschnittes ein neuer Gesichtspunkt in den Vordergrund, der aber nicht nur sachlich, sondern auch terminologisch mit V v . 1 - 7 eng verbunden ist (et 5e irpoounoXrjpTiT€LTe V . 9 ) . Die Mahnung 2,1, den Glauben an Jesus Christus zu leben, impliziert gewissermaßen die von den Hörern als selbstver ständlich hingenommene Forderung, das ganze Gesetz zu erfüllen, welche ihre Be gründung darin findet, daß Gott das ganze Gesetz gegeben hat. Damit wird die Fra ge nach dem Verhältnis von Glaube und Gesetz aufgeworfen. Noch an einer anderen Stelle in unserem Brief wird dem Gesetz eine bedeutende Funktion eingeräumt, 1,21 ff: die Annahme des Wortes und das Ablegen alles Schlechten müssen im Voll zug des vöpoq reXeioq rr?c eXevdepiaq geschehen, jenem vöpoq , der auch hier ge meint ist. Das Verhältnis von Glaube und Gesetz scheint also für unseren Autor eine wesentliche theologische Frage zu sein: in der Erfüllung des Gesetzes verwirklicht sich nach 2,1.8ff der Glaube, wie nach 1,21.25 in jener Erfüllung die Annahme des Wortes zur Tat gebracht wird. Von diesen beiden parallelen Aussagen her wird aber noch ein anderer wichtiger Gesichtspunkt deutlich: es wurde im ersten Teil der Un tersuchung der weisheitliche Charakter von 1,21 im Anschluß an 1,17ff nachgewie sen , insofern sich der Xöyoq äXrideiaq mit der ävcoOev ooQia 3,13ff identifizieren ließ. Dieser Gedanke darf nicht unbeachtet bleiben für das Verständnis unseres A b schnittes und kann die vorgenommene Analyse, die Jak 2,1.5 der Weisheit zuordne te, möglicherweise von einem anderen Gesichtspunkt her bestätigen. Wir werden darauf zurückkommen . 4
5
1
tcaXöv
w i r d der N a m e im N T n u r hier genannt.
2
V g l . H . Bietenhard, A r t . Övopa;
3
V a n I m s c h o o t , A r t . „ N a m e G o t t e s " ; in: B L , 1216f.
in: T h W N T
V,
242-283.279.
4
V g l . o b e n S. 51 f.
5
D i e gegenseitigen Beziehungen v o n l , 1 7 f f ; 2,1 ff; 3 , 1 3 f f lassen vermuten, d a ß Weisheit, G l a u b e und
86
Gesetz in unserer Schrift einen großen theologischen Z u s a m m e n h a n g bilden.
a)
vöpoq
ßaoiXucöq
Gegenüber dem fehlerhaften Verhalten seiner Hörer mahnt unser Autor zum Erfüllen des vöpoq ßaotXiKÖq. Was näherhin mit diesem „königlichen Gesetz" gemeint ist, macht der Zusammenhang hinreichend deutlich. V.12 spricht vom vöpoq eXevdepiaq, und von daher liegt es wohl nahe, davon auszugehen, daß vöpoq ßaoiXuiöq und vöpoq eXevdepiaq denselben Sachverhalt bezeichnen. Dieser Klammer wird für un sere Auslegung ioch entscheidende Bedeutung zukommen, da sich von daher wich tige Konsequenzen für das Gesetzesverständnis ergeben. In L X X kommt die Verbindung vöpoq ßaoiXucöq lEsr 8,24 einmal vor, und 2Makk 3,13 spricht von der ßaoiXiKr) evroXr). Doch führen diese Belege zum Verständnis der Wendung kaum weiter. Religionsgeschichtliche Hinweise belegen, daß ßaoiXucöq als nähere Kennzeichnung eines Subjekts vielfältige Verwendung findet, vgl. Philo De congressu 50; De spec leg I V , 147; Vit Mos 11,4*. Jener ßaoiXucöq vöpoq nun, auf den die Hörer verpflichtet werden, hat hervorragende Bedeutung für die Existenz der Christen, „königliches Ansehen". Windisch sieht in dem ßaoiXucöq eine mögliche Be ziehung zu ßaoiXeia V . 5 : „Es ist das Gesetz, das vom ßaoiXevq gegeben ist". Die se Annahme setzt voraus, daß unser Autor die Verbindung selbst geschaffen hat, was freilich M. Dibelius bezweifelt . Die von ihm angeführten Gründe sprechen aber nicht zwingend gegen die Annahme, daß unser Autor die Verbindung selbst herge stellt hat. Allerdings bleibt die Folgerung, die Windisch aus dem Zusammenhang mit ßaoiXeia in 2,5 zieht, wohl nicht die einzig mögliche. 2
3
Bevor wir nun jener Funktion des Gesetzes, die nicht unwesentlich von dem Ver ständnis des Begriffes ßaoiXucöq abhängt, nachgehen, stellen wir zunächst die Frage nach der inhaltlichen Bestimmung des vöpoq, da von daher auch leichter die Funk tion des Gesetzes erkennbar wird. Die Wendung ßaoiXiKÖq vöpoq hat der Verf. in Verbindung gebracht mit dem aus Lev 19,18 ( L X X ) bekannten Gebot nai ayanrioeiq TÖV
-nXrjoiov
cbq oeavröv.
Diese Verbindung ist durch die Formel aarä
TT)V ypa(J>r)v
hergestellt. Daraus geht hervor, daß das Liebesgebot ausdrücklich als Zitat aus der Schrift hervorgehoben ist. Zwar kommt die Formel im N T sonst nicht v o r , doch wird man hier auf die palästinische Wortbildung verweisen können, „wie geschrieben steht", Jos 8,31; l K ö 2,3, vgl. auch Esr 6,18 . Daß ypaQr) auch die Schrift s t e l l e heißen kann, wird im N T z.B. aus Joh 13,18 deutlich . Durch den Verweis auf die Schriftstelle, vgl. auch Jak 2,23; 4,5, kommt dem vöpoq unab dingbare Autorität zu; unter dem vöpoq ßaoiXucöq wird also inhaltlich das Gebot der Nächstenliebe verstanden, das im A T und Judentum terminologisch vorgegeben ist 4
5
6
7
1
Diese v o n Dibelius, Jak 178 angeführten Belege hält freüich F. M u ß n e r für „keine vergleichbaren A n a l o g i e n " ( J a k 124 A . 2 ) .
2
K a t h . B r . 15.
3
Jak
4
5
178f.
I K o r 15,3 ( Karärdq
ypafyäq
) kann hier z u m Vergleich natürlich nicht herangezogen w e r d e n .
V g l . Schlatter, Jak 175 A . l .
6
B u l t m a n n , Joh 364 A . 1 0 : „ H i e r ist die bestimmte einzelne Schriftstelle gemeint".
7
D i e inhaltliche Weite des Liebesgebotes im N T ist im A T u n d erst recht in der jüdischen Literatur n o c h nicht gegeben, w i e A . Nissen, G o t t u n d der Nächste im antiken Judentum ( W U N T 15), Tübin gen
1974, 2 7 8 - 3 0 8 mit reichem Belegmaterial vor allem für die frühjüdische Literatur nachweist;
für das A T vgl. besonders 278 u n d A . 8 1 1 .
87
und im N T verschiedentlich aufgenommen und von Jesus her neu verstanden wirdMk 12,31; Rom 13,8-10; Gal 5,14. Von dieser inhaltlichen Bestimmung des vönoq stellt sich nun erneut die Frage nach der Funktion des Gesetzes, die, wie wir sahen, nicht zuletzt von der Bedeutung des Wortes ßaoiXucöq abhängt. Es wurde deutlich, daß ßaoLXuiöq 2,8 Bezug nimmt auf ßaoiXeia V . 5 . Ist dieser von H. Windisch vermutete Zusammenhang richtig, dann bietet sich möglicherweise für unseren Text eine Erklärung an, die religionsgeschicht lich auf das Gesetzesverständnis des Frühjudentums verweist: ßaoiXinoq vöpoq be deutet nicht in erster Linie, daß das Gesetz vom ßaoiXevq gegeben ist; denn abge sehen davon, daß in unserem Text überhaupt nicht vom ßaoiXevq die Rede ist, will der Verf. hier doch sicher keine Aussage über die Herkunft des Gesetzes ma chen — über die Herkunft des Gesetzes spricht er ja noch in V. 11; es ist aber auch sehr zweifelhaft, ob ßaoiXinöq in erster Linie in dem Sinne gemeint ist, daß das Liebesgebot besonders hervorgehoben werden soll, ihm „königlicher Rang" einge räumt w i r d . Diese z.B. von F. Mußner vorgenommene Auslegung muß voraus setzen, daß das Liebesgebot grundsätzlich als ein Einzelgebot neben anderen zu ver stehen ist, dem durch den Begriff ßaoiXinöq nur ein besonderer Rang eingeräumt w i r d . Diskutabel erscheint aber möglicherweise, wenn ßaoiXinöq und ßaoiXeia in einem sachlichen Zusammenhang stehen, die Hypothese, daß der Mensch durch die Erfüllung des ßaoiXiKÖq pö^oq Anteil an der ßaoiXeia erhält: damit wären wir auf jenes Gesetzesverständnis im Jak gestoßen, das seine Bedeutung vor allem in der frühjüdischen Weisheitstheologie gewinnt, vgl. etwa Sap 6,20; Sir 6,23—31: durch das Gesetz gelangt der Mensch auf den Weg zur Weisheit und zum Anteil an der 1
2
3
4
ßaoiXeia.
Mit dieser Auslegung ist nun aber ein Problem verbunden, das nicht leicht zu lösen ist: wenn ßaoiXucöq nicht zum Ausdruck bringen soll, daß das Liebesgebot nur einen besonderen Rang unter den Einzelgeboten innehat, dann muß es wie in der synoptischen Tradition und in den paulinischen Schriften die Zusammenfassung des
1
2
V g l . o b e n A . 2 a u f Seite 87. D a ß mit d e m Begriff ßaoiXinöq
auch die besondere B e d e u t u n g des Gesetzes zur G e l t u n g ge
bracht w i r d , b r a u c h t m a n sicher nicht 3
auszuschließen.
„ D e r weitere K o n t e x t zeigt, d a ß damit nicht 'das' H a u p t g e b o t im Sinne v o n M k 12,31parr gemeint ist; d e n n im folgenden geht es nicht u m das ' H a u p t g e b o t ' u n d das Verhältnis der an deren G e b o t e zu i h m , sondern u m die These, d a ß die V e r l e t z u n g eines einzigen G e b o t e s eine unteilbare Totalverletzung des ganzen Gesetzes ist ... D a r u m scheint mit d e m A u s d r u c k 'könig liches Gesetz' nur gesagt z u sein, d a ß das G e b o t von L v 19,18
königlichen
Rang
unter den
anderen G e b o t e n h a t " ( J a k 124). I m A n h a n g zur 3. A u f l a g e seines K o m m e n t a r s scheint M u ß n e i hingegen unausgesprochen jenes Verständnis, „ d a ß das G e b o t von L v 19,18 königlichen R a n g unter den anderen G e b o t e n hat", zurückzunehmen, w e n n er nun für den A u t o r des Jak voraus setzt, d a ß dieser das L i e b e s g e b o t v o n L e v 19,18 „In
als „Zusammenfassung der 2. T a f e l " ansehe:
d e m ausdrücklich angeführten L i e b e s g e b o t v o n L e v 19,18
sieht aber Jak ganz deutlich die
Z u s a m m e n f a s s u n g der 2. T a f e l ; denn er nennt j a ausdrücklich das L i e b e s g e b o t das G e b o t v o n 'königlichem' R a n g . Dieser Z u s a m m e n h a n g w i r d außerdem sprachlich hergestellt durch die Be gründungspartikel y d p A n f a n g des V . 1 0 . D a s bedeutet: Jak stellt nicht x-beliebige G e b o t e her aus,
sondern sieht das 'ganze Gesetz' zentriert im Liebesgebot. Jak macht also die v o n Jesus
und
Paulus schon vollzogene R e d u k t i o n der vielen G e b o t e auf das L i e b e s g e b o t entschlossen
mit, so d a ß es U n s i n n ist, Jak der Vergesetzlichung des Evangeliums zu bezichtigen" ( 2 4 2 f ) . 4
W i r w e r d e n a u f diese weithin vertretene A n n a h m e , die vorwiegend mit d e m Beweis V v . l O f . begründet w i r d , näher eingehen.
88
1
Gesetzes darstellen. Für dieses Verständnis und damit gegen fast alle Ausleger spre chen einige Beobachtungen aus dem Brief selbst, die wir zunächst der Prüfung des schwierigen Kontextes vorausschicken wollen. 1. Zusammen mit dem Gebot zur Nächstenliebe 2,8 kennt der Jak auch die Liebe zu Gott, vgl. 1,12; 2,5; gerade in diesen beiden Motiven realisiert sich das 2,1 ge forderte irioTLv exeiv TOV nvpiov; und wenn der Verf. kritisiert, daß die Hörer mit demselben Mund Gott loben und den Mitmenschen verfluchen, 3,9f., dann steht da hinter der Gedanke, daß Gottes- und Nächstenliebe sich nicht widersprechen dürfen. Das in den synoptischen Evangelien vorliegende Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe ist also dem Jak, wenn auch nicht in der Zusammenstellung, durch aus bekannt . 2
2.
Der vöpoq
TeXeioq
ßaoiXinöq
rfrc eXevdepiaq
darf als identisch angesehen werden mit dem vöpoq 1,25 bzw. dem vöpoq
eXevdepiaq
2,12. Dann aber liegt
es vor allem im Blick auf 1,25 nahe, daß der vöpoq nicht als eine Einzelforderung angesehen werden kann; denn in dem Kontext von 1,25 ist nicht vom Gesetz als Einzelforderung die Rede, sondern der vöpoq wird in jenem Zusammenhang als die grundsätzliche Verpflichtung, die aus der Annahme des Xöyoq folgt, 1,21, betrach tet. 3. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist auch in folgendem Gedanken zu sehen: Daß das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe die ganze Tora umfassen könnte, wäre eine für das Judentum aufgrund der Herkünftigkeit aller Gebote von Gott undenk bare Voraussetzung und Vorstellung ; daß zudem das Liebesgebot der Dreh- und Angelpunkt der jüdischen Ethik sei, ist aus der rabbinischen und der übrigen früh jüdischen Literatur trotz vereinzelter „Belegstellen" grundsätzlich nicht aufzuwei sen , abgesehen davon, daß „den Nächsten lieben" im Judentum seine eigene Be deutung hat und sich konsequent auf den „Volksgenossen" beschränkt. Die neutestamentliche Überlieferung aber hat das ganze Gesetz auf jenes Liebesgebot kon zentriert und neu ausgelegt, vgl. Mt. 7,12; 22,40 u.ö. Das Liebesgebot gilt als d i e Zusammenfassung des Gesetzes schlechthin, in ihm gehen alle anderen Gebote auf, im Gebot der Liebe erfahren alle Einzelgebote ihre Auslegung. Die Nähe des Jak zur synoptischen Jesusüberlieferung macht grundsätz lich die Annahme wahrscheinlich, daß das Liebesgebot von unserem Autor ähnlich verstanden wurde wie vor allem in der Evangelientradition. Dazu kommt, daß das 3
4
5
1
2
V g l . aber U . L u c k , D e r Jakobusbrief, 169 A . 2 9 . Diesen H i n w e i s g a b m i r W . G r u n d m a n n . Ist dieser G e d a n k e zutreffend, d a n n w i r d d e r gedank liche Z u s a m m e n h a n g v o n 2,8 u n d 2,5, d e r uns durch die Begriffe ßaoiXuiöq
und
ßaoiXeia
gegeben schien, d u r c h das Motiv des D o p p e l g e b o t e s , dessen Elemente in 2,8 u n d 2,5 vorliegen, noch deutlicher. 3
V g l . A . Nissen, G o t t u n d d e r Nächste 2 3 0 - 2 4 4 , b e s . 2 3 9 - 2 4 1 .
4
V g l . e t w a Str.-B. I , 4 6 0 .
5
A . Nissen widerlegt anhand von T e x t e n die w i e d e r h o l t e n V e r s u c h e , aus einzelnen Belegstellen ein solches Z e n t r u m der jüdischen Ethik z u konstruieren: G o t t u n d der Nächste 289ff; vgl. bes. 2 9 1 : „In allen diesen Fällen zeigt sich deutlich, daß das L i e b e s g e b o t innerhalb solcher Gesetzesdiskus sionen einerseits z w a r in der T a t eine A r t 'großer HauptregeF ist, die vielfach bis in Einzelheiten des Handelns hinein m i t z u b e d e n k e n u n d w i r k s a m z u m a c h e n ist, daß es andererseits aber keine andere F u n k t i o n hat, als vorhandene Gesetze ... zusätzlich z u stützen u n d die A r t u n d Weise ihrer D u r c h führung m i t z u b e s t i m m e n ; es tritt w e d e r in K o n k u r r e n z z u ihnen n o c h ordnet es sie sich unter n o c h h e b t es sie a u f n o c h schafft es neue Gesetze n o c h entscheidet es endgültig u n d b i n d e n d eine halakische Streitfrage". V g l . bes. auch die Belege S. 292f.
89
erste Evangelium und der Jak wichtige Gemeinsamkeiten in der Mahnung zur Voll kommenheit durch die Erfüllung des Gesetzes aufweisen . 1
b)
Der Vollzug des Glaubens im Gesetz
Wie sehr die Erfüllung des Gesetzes als Vollzug des Glaubens betrachtet wird, wird aus V.9 mit seinem Bezug auf 2,1 deutlich: ei 5e irpooLoiroXripiTTeiTe. Solches Han deln ist Sünde, „und zwar - dies ist der Sinn des Partizipiums - Sünde wider das ganze Gesetz, und nicht bloß wider ein Einzelgebot" . 2
Das Gesetz wird in dem Vers offenbar als selbständige Größe vorgestellt, die ganze Autorität beansprucht: der vößoq „überführt". Dieser Sachverhalt wird mit dem Verb eXeyxeiv ausgedrückt. Das scheint bemerkenswert, denn das Wort wird im NT im Aktiv weitgehend von Personen gebraucht. Subjekt des eXeyxew ist im N T etwa der von Jesus gesandte -napaKXr\Toq, Joh 16,8, der der Sünde überführen wird, oder der Apostelnachfolger, 2Tim 4,2. Vom richtenden Herrn wird das eXeyxeiv ausgesagt, Jud 15, oder vom erhöhten Christus, Apk 3,19. Das N T kennt aber auch den Begriff eXe7xet^ in jenem weiteren Sinne, dem nicht nur das Aufdecken und Überfuhren des fehlerhaften Verhaltens zugrundeliegt, sondern im eXeyxeiv fin det auch der Gedanke der Mahnung zur Umkehr seinen Ausdruck . Dieser Gesichts punkt darf für unsere Stelle nicht übersehen werden. Mit diesem Bedeutungshori zont knüpft unser Autor an den LXX-Sprachgebrauch an: eXeyxew kommt in L X X weitgehend als Äquivalent zu hebr. jakab (Hi) vor. Ursprünglich hat das Wort im A T die Bedeutung „feststellen, was recht ist", und zwar wahrscheinlich im Gerichtsver fahren: Gen 31,37; Lev 19,17; Hi 9,33; 13,5; 16,21. jakah kann dann aber vor nehmlich in Prov auch die Bedeutung „zurechtweisen" bekommen, wenn es „gegen über jemandem, der im Unrecht ist, gebraucht w i r d " , vgl. etwa Prov 9,7f; 15,12; 19,25; 24,25; 28,23. In Anknüpfung an diese ursprüngliche Bedeutung liegt in der Verwendung des Begriffes in L X X der auch schon in Prov angedeutete Aspekt der „Überführung" im Sinne der Zurechtweisung und Erziehung, vgl. Prov 3,11 f., der Züchtigung und Mahnung, der vorwiegend von Bedeutung ist in weisheitlich-paränetischen Zusammenhängen, vgl. Sap 1,3.5.8; 4,20; Sir 18,13. Einen ähnlichen paränetischen Sinn hat der Begriff in der zeitgenössischen Popularphilosophie, vgl. Epikt III 9,13; I V 5,21. Bei Philo geht das eXeyxeiv des Xöyoq im Sinne von „prüfen" o.a. „mehrfach in die Bedeutung von 'züchtigen' über" . Dieser Gesichtspunkt dürfte auch hier angedeutet sein, freilich im Blick auf Vv.l2f. unter dem eschatologischen Gedanken an das Gericht: derjenige, der der Sünde überführt wird und nicht das Gesetz erfüllt, verfällt dem Gericht. 3
4
5
Mit V.10 unbedingt Hörer zu der Verf.
beginnt unser Autor die Beweisführung für seine These, daß das Gesetz ganz zu erfüllen ist: schon ein Übertreten „in einem Punkt" macht die Übertretern des ganzen Gesetzes, das sie vorgeben, zu erfüllen. Dabei kann davon ausgehen, daß er sich mit seiner Mahnung an den wendet, „der mit
1
V g l . unten S. 129f.
2
Dibelius, Jak 179.
3
V g l . F . Büchsei, A r t . eXey u;
4
V g l . G . L i e d k e , A r t . j a k a b in: T H A T I , 7 3 0 - 7 3 2 . 7 3 1 .
5
B . L . M a c k , L o g o s u n d Sophia; Göttingen 1973, 153 A . 1 2 9 .
X
90
in: T h W N T I I , 4 7 0 - 4 7 2 . 4 7 1 .
1
entschlossenem Ernst seinen Beruf darin erkennt, das ganze Gesetz zu halten" . Mit seiner Mahnung zum „Halten" des ganzen Gesetzes, ÖXov TOV vöpov rr\peiv, nimmt unser Autor wohl das vöpov reXeiv von V.8 wieder auf. Dann kann aber das Liebesgebot V.8 nichts anderes sein als der nach V.10 zu haltende ö'Xoc vöpoq. Der Begriff Tx\peiv ist in dem Sinne, der sich an unserer Stelle nahelegt, in L X X und hier vor allem in den Weisheitsschriften häufig belegt, vgl. etwa Tob 14,8; Prov 3,1; 3,21; 15,32; Sir 29,1; Sap 6,18 . vöpov Trjpetv findet sich nur Tob 14,1 bzw. T7?pi?aic vöptov Sap 6,18. L X X übersetzt mit Tr\peiv oft das hebr. Wort samar, das auch mit (pvXäooeiv wiedergegeben w i r d : Beobachten, einhalten. Die rabbinische Literatur betont mit samar „den Gehorsam dem überlieferten Gesetz gegen über" . Das Halten der Gebote wird auch zu einer bestimmenden Forderung der neutestamentlichen Botschaft in den verschiedenen Überlieferungsträgern; das „Hal ten" dessen, was der Herr geboten hat, stellt bei Mt oft den zentralen Auftrag dar, den die Christen zu erfüllen haben, vgl. Mt 19,17, die Erfüllung des Liebesgebotes ist eine Grundbedingung zur Teilhabe an der ßaoikeia. Auffallend häufig begegnet das „Halten" der Gebote auch in den johanneischen Schriften, Joh 14,15, vgl. 14,21; Uoh 2,3.4; 3,22.24; 5,3. Damit sind nicht so sehr die evToXai als Einzelgebote ge meint, sondern diese sind „ihrerseits auf das 'neue Gebot' der Liebe zu beziehen (Joh 13,34)" . Im rripeiv vollzieht sich der Glaube und die Erkenntnis Gottes. 2
3
4
5
Die Mahnung, die ganz auf das Tun des Willens Gottes abzielt, wird im weiteren Verlauf von V.10 in der verpflichtenden Schärfe diskutiert: wer ev evi „fehlt" ... Mit ev evi dürfte es sich wohl um einen Einzelpunkt im Gesetz handeln, entspre chend dem -npooLoitoXrip'nTeiv in V . 9 . Diese Annahme wird durch das relativ selte ne Verbum irTaieiv begründet, das hier wie auch in 3,1.2 im Sinne des sündigen Fehltritts gebraucht wird, dort interessanterweise als Gegensatz zu der geforderten Vollkommenheit des Menschen. Wer in einem solchen Punkte sündigt, ist schuldig an allen geworden, begründet unser Autor seine These, daß die Erfüllung des Ge setzes und damit das Heil des Christen nicht möglich ist, wenn er trotz des empfan genen Glaubens noch jenen dem Glauben widerstrebenden Personenkult treibt. Die Entfaltung des Gedankens setzt jüdische Herkunft voraus und scheint sich in rabbinisch-nomistischer Enge zu bewegen: zahlreiche Belege der rabbinischen Literatur kreisen um diesen Grundsatz der Erfüllung des Gesetzes . Analogien finden sich aber auch in der zeitgenössischen hellenistischen Ethik . Zwei Gesichtspunkte freilich machen wahrscheinlich, daß der Autor den jüdischen Lehrsatz schon nicht mehr ursprünglich verstanden hat: einmal scheint für den Verf. das kultische Gesetz keine nennenswerte Rolle zu spielen, dessen Gleichordnung mit dem sittlichen Gesetz für 6
7
8
9
1
Schlatter, Jak 177.
2
V g l . H . Riesenfeld, A r t . T-qpeoj
3
V g l . Riesenfeld, A r t . r i ? p e w , e b d .
4
Riesenfeld, A r t . r i ? p e c j ,
5
Riesenfeld, A r t . Tripeto,
KTX.; in: T h W N T V I I I ,
139-151.140.
140f. 144; vgl. auch B u l t m a n n , Joh 474f.
6
irraieiv
7
Dibelius, Jak 179: „ ... ist nachweislich jüdischer Herkunft".
k o m m t in unserer Bedeutung in L X X nur Sir 37,12 vor.
8
V g l . H a u c k , Jak 111 A . 3 4 ; Dibelius, Jak 179f. V g l . Nissen, G o t t u n d der Nächste 3 3 5 - 3 4 2 .
9
D i o g Laert V I I , 125: TOV piav ävSpa rJTiq
(prjoi
TeXeiov
ob KCLTÖL Tiäoaq
eivai
(äpeTr)v) TÖV pr)
e\ovTa
-näoaq
7rpdrrerat rdc
iräoaq
exovraq
e'xeiv,?\ut rdc
dperdc
M o r 1046f.: ovre oü're irpä^LV
jap
TeXeiav,
äperde .
91
1
den ursprünglichen jüdischen Lehrsatz prinzipiell und geradezu charakteristisch ist ; auch scheint die in der rabbinischen Tradition geläufige Unterscheidung von leichten und schweren Geboten bzw. der Schwierigkeit ihrer Erfüllung unserem Autor fern zuliegen . 2
3
In V . l l wird die in dem Satz V.10 formulierte These, daß einer, der das ganze Ge setz hält, aber in einem Punkt sündigt, schuldig am ganzen Gesetz wird, beispielhaft ausgeführt. In dieser Entfaltung wird ein nicht leicht lösbares Problem deutlich, das unsere Auslegung des Liebesgebotes als Zusammenfassung des Gesetzes scheinbar er schwert: wenn die Mahnung zum Tun des Gesetzes in der Erfüllung des Liebesgebo tes zu ihrem Ziel kommt, drängt sich die Frage auf, warum dieses Gesetz dann doch an Einzelgeboten, wenn sie auch noch so zentraler Natur sind wie die Dekalogfor derungen, exemplifiziert werden soll. V . l l scheint nämlich nahezulegen, daß das Liebesgebot als ein einzelnes Gebot unter anderen verstanden werden muß. Damit wäre aber unsere Analyse nicht zutreffend. Wir müssen uns also dieser offenkundigen Schwierigkeit stellen; für sich allein kann die Auskunft, daß V . l l „sowieso als zur Erhärtung von V.10 herangezogenes Beispiel nicht ganz in der Reihe des Gedanken ganges ( s t e h e ) " , wohl kaum befriedigen. 4
Die Schwierigkeit dieses Nebeneinanders von ganzem Gesetz und Einzelforderungen begegnet uns aber nicht allein in unserem Brief. Ein ähnliches Problem stellt ja auch die Vollkommenheitsforderung Mt 5,48 als Konsequenz und Abschluß der Antithesen 5,21—47 dar . Denn auch hier bleibt zu klären, „wie für Matthäus die Vollkommen heitsforderung Mt 5,48 als Gesamtanspruch an den Menschen und das einzelne Ge bot nebeneinanderstehen konnten" . Zweifellos ist ja wohl das „Mehr", das Mt zur Vollkommenheit der Christen fordert, nicht lediglich ein quantitatives Mehr an Ge botserfüllungen und Einzelleistungen, sondern die neue Begründung, Intensivierung und Aufrichtung des einen Liebesgebotes, in dem sich alles erfüllt. Um so bemer kenswerter ist in diesem Zusammenhang und Gedanken des Mt dann die Forderung der Einzelgebote. 5
6
Möglicherweise fügt sich V . 11 doch kontinuierlich in den Gedankengang, wie er hier ausgelegt wurde, ein. Diese Möglichkeit legt sich dann nahe, wenn man in V . l l die Begründung von V.10 sieht. Dabei ist von ganz entscheidender Bedeutung, daß die beiden Dekaloggebote sich nicht unmittelbar auf das Liebesgebot beziehen, sondern eine andere Funktion haben. Für diese Annahme spricht das yäp am Beginn von V . l l , das den Satz eng an V.10 anschließt und die Verpflichtung auf das ganze Gesetz sowie die darin ausgedrückte Unmöglichkeit der Erfüllbarkeit jenes Gesetzes
1
V g l . A . Nissen, G o t t u n d d e r Nächste 3 3 7 : „ M i t der Unantastbarkeit jedes Einzelgebotes als eines unauslöslichen Gliedes der v o l l k o m m e n e n G a n z h e i t der T o r a ist zugleich die prinzipielle Gleich wertigkeit sämtlicher G e b o t e gegeben, d e r sittlichen u n d der rituellen, der kleinen u n d der großen
2
V g l . Nissen, G o t t u n d der Nächste 3 3 8 .
3
V g l . Sprüche d e r V ä t e r 4,2: „ D e s A z z a i S o h n sagte: B e f o l g auch ein leichtes G e b o t u n d flieh die Sünde! D i e eine Gebotserfullung zieht die andere nach sich u n d die eine Sünde die andere. D e r L o h n für die Gebotserfüllung ist die weitere Gebotserfullung, u n d der L o h n für die Sünde ist weitere Sünde". V g l . weiter, G . Barth, D a s Gesetzesverständnis 72 A . 3 .
4
W . G u t b r o d , A r t . vöixoq
5
V g l . z u m Z u s a m m e n h a n g v o n V o l l k o m m e n h e i t s f o r d e r u n g u n d Seligpreisung b e i M t unten S. 136f.
6
U . L u c k , D i e V o l l k o m m e n h e i t s f o r d e r u n g , 25 A . 2 5 (vgl. auch die ganze A n m e r k u n g ) .
92
K T X . ; in: T h W N T
IV, 1029-1084.1074.
hervorhebt, wenn der Mensch seine Einzelforderungen nicht beobachtet. Der Satz will also nichts anderes als exemplarisch darauf hinweisen, daß Gott das ganze Gesetz ge geben hat und der Mensch auf das ganze Gesetz, das sich in der Liebe verwirklicht, verpflichtet ist. V . l l als Argument dafür anzuführen, daß das Liebesgebot als Einzel gebot zu verstehen sei, wird unserem Text nicht gerecht, da die Parallelität von Lie besgebot und den Dekaloggeboten keineswegs vorauszusetzen ist . Auch die Auswahl der Gebote kann diesen Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, auch wenn F. Mußner dies aufgrund der Tatsache annehmen will, daß „die Verweigerung der Nächstenliebe schon in der vorausliegenden Tradition als eine Art Mord verstanden wurde" . Zwar geht dieser Gedanke zweifellos aus Sir 34,22; Test X I I Jud 4,6f. hervor, doch dürfte hier mit Qoveveiv wirkliches Töten gemeint sein. Dafür läßt sich jedenfalls anführen, daß Qoveveiv in der urchristlichen Literatur sonst nirgendwo im übertragenen Sinne verwendet w i r d ; schließlich nimmt der Verf. hier die Dekalog gebote als solche für seine Argumentation auf ; ferner spricht für unsere Auffassung, daß der Autor Qoveveiv auch in 5,6 im Sinne von wirklichem Töten gebraucht . Ist das Tötungsverbot also nicht im übertragenen Sinne zu verstehen und bedeutet es dementsprechend auch nicht die „Verweigerung der Nächstenliebe", so wird es auch kaum als Parallelaussage zum Liebesgebot 2,8 gemeint sein. Für diesen Sinn läßt sich auch nicht das Verbot des Ehebruchs anführen, wie es offenbar F. Mußner tut, wenn er vermutet, daß „das Buhlen mit den Reichen eine Art von (geistigem) 'Ehe bruch' ( s e i ) " und von daher die Beispiele aus dem Dekalog bewußt auf den „ F a l l " gewählt seien. 1
2
3
4
5
6
7
An die Anfuhrung des Verbotes des Ehebruches anknüpfend kann die Hypothese frei lich keine Gründe für sich beanspruchen, denn gerade das tioixeveiv wirft unser Autor seinen Hörern nicht vor, wenn er ausführt: „wenn ihr zwar nicht die Ehe brecht, aber ... " . Der Verf. wendet sich zudem wohl nicht in erster Linie mit sei ner Rüge an die Hörer, weil sie etwa mit den Reichen buhlen, sondern weil sie die Armen verachten; das schließt natürlich die Bevorzugung der Reichen mit ein.
c)
Das Gesetz als Gesetz der Freiheit
Unser Abschnitt schließt mit der Mahnung, so zu reden und so zu handeln, daß man im Gericht bestehen kann. V.13 steht selbständig hinter dem Gedankengang und
1
D a s tut F . Spitta, Jak 6 9 : „ D e n b e i d e n G e b o t e n L e v 19, 15.18 w e r d e n die b e i d e n E x 2 0 , 1 3 . 1J b z w . D e u t 5,17.18 gegenübergestellt: w i e d e r ein B e w e i s , d a ß das G e b o t der Nächstenliebe nur als Eines aus der Reihe der G e b o t e u n d nicht als S u m m a derselben in Frage k o m m t " . D a s -npooüjnoXriH'nTeip
w i r d sich aber k a u m a u f L e v 19,15 beziehen. Spitta übersieht, d a ß es sich
in erster Linie lediglich u m eine W i e d e r a u f n a h m e v o n V . l handelt, u m die Erfüllung des G e setzes als das zur-Tat-Bringen des G l a u b e n s hervorzuheben. 2
Jak 126.
3
D o r t w i r d allerdings das W o r t a-noKTeiveiv
4
D a r a u f m a c h t in anderem Z u s a m m e n h a n g Dibelius, Jak 182 A . 2 aufmerksam.
verwendet.
5
I m Gegensatz e t w a z u M t 5,21 w i r d hier das G e b o t nicht verschärfend kommentiert.
6
D a s widerspricht nicht Jak 4 , 2 ; denn dort ist, w i e w i r sahen, textkritisch 0 0 o j > e i Y e d e m W o r t (povevere
7
v o r z u z i e h e n ( v g l . o b e n S. 10 A . 5 ) .
Jak 126.
93
1
schließt die Aussage zusammenfassend a b . Hier in unserem V.12 wird die Aufmerksamkeit auf eine Wendung Mittelpunkt des Satzes steht und ihre besondere Bedeutung für die ganzen Abschnittes gewinnt: vöpoq eXevdepiaq. Das hier erwähnte heit" dürfte identisch sein mit dem vöi±oq reXeioc rffq eXevdepiaq dem
vößoq
2
ßaoiXinöq
gelenkt, die im Auslegung des „Gesetz der Frei und auch mit
. 3
Zunächst kommt die Wendung, die wir überhaupt nur aus unserer Schrift kennen , in 1,25 vor. Der vorausgehende Kontext von 1,25, l,19ff, mahnt, zum Hören bereit zu sein und das Wort, das zu retten vermag, anzunehmen . Das kann man aber nur, wenn man eben dieses Wort zur Tat bringt, V.22. Der Verf. veranschaulicht seine Mahnung nun an einem Büd, das auch unsere zu besprechende Wendung enthält und in dem die Formel ihre besondere Bedeutung gewinnt: wer nur hört, gleicht einem Menschen, der sich im Spiegel betrachtet und sofort wieder vergißt, V.24, wer sich aber in den vöptoq reXeioc rr)c eXevdepiaq hinein vertieft, darin verharrt, ist Täter des Werkes. Dieser wird glückselig sein in seinem Tun, V.25. 4
Unser Autor beginnt seine Mahnung zur Erfüllung des Gesetzes mit dem das Gesetz begründenden Hinweis auf den epvToq Xöyoq, das eingepflanzte Wort, das „Wort der Wahrheit", welchem er rettende Kraft zuschreibt: „Der Begriff odp^eiv wird im NT auch sonst in Zusammenhang gebracht mit der Überführung aus der Sphäre des Todes in die des Lebens" - Ist es richtig, Jak 1,21 aus der christlichen Taufparänese herzuleiten , dann ist in dem eiMpvroq Xöyoq an jenes Wort zu denken, das von Gott kommt und sich in Jesus Christus der Welt mitteilt; in der Taufe hat der Christ den alten Menschen abgelegt, Eph 4,22.25; Kol 3,8; IPetr 2,1, nun gilt es, diese neue Existenzweise im Glauben durchzuhalten und zu vollziehen. Solcher Voll zug geschieht im Tun jenes Wortes, in der Erfüllung des im Liebesgebot aufgehen den Gesetzes. Dementsprechend besteht zwischen dem von Gott kommenden Xöyoq 5
6
und dem vöpoq
reXeioq
ein theologischer Zusammenhang:
der Xöyoq
äXr}deiaq
, vgl.
1,18, ist dem Christen als „eingepflanztes Wort", V . 2 1 , als von Gott kommendes Geschenk gegeben. Durch die Annahme des Wortes legt der Christ alles Übel ab und kommt zu seiner eigentlichen Bestimmung. Damit aber hat er sein Heil noch nicht erreicht; erst der Vollzug des ihm geschenkten und ihn rettenden Xöyoq im 7
1
M u ß n e r , Jak 126 formuliert gut: „ D e r V e r s macht wegen seiner Begrifflichkeit - von
eXeoq
w a r j a im V o r a u s g e h e n d e n keine R e d e —, seines Inhalts u n d seiner formalen Struktur den Ein d r u c k einer ziemlich festgeprägten Sentenz"; vgl. Dibelius, Jak 183; Schräge, K a t h . B r . 2 8 . 2
D e r Sache nach ist auch in 1,25 mit d e m Gesetz das Liebesgebot gemeint, d a 1,26f. als exem plarische Erweiterung zu 1 , 1 9 - 2 5 anzusehen ist, vgl. o b e n S. 5; vgl. G u t b r o d , Artvöpoq,
1074:
Z w i s c h e n der hier z u m A u s d r u c k k o m m e n d e n Auffassung v o m Gesetz u n d der in 1,25 kann . . . ein 3
innerer Z u s a m m e n h a n g hergestellt w e r d e n " .
E . Stauffer, D a s „Gesetz der Freiheit" in der Ordensregel von Jericho; in: T h L Z 77 ( 1 9 5 2 ) , 5 2 7 - 5 3 2 , w ü l 1 Q S 10,6.8.11
h o q tora mit „Gesetz der Freiheit" übersetzen; vgl. aber
W . N a u c k , Z N W 4 6 ( 1 9 5 5 ) 1 2 8 - 1 3 0 ; ferner F . Nötscher, „Gesetz der Freiheit" im N T u n d in der Mönchsgemeinde a m T o t e n M e e r ; in: B i b 3 4 ( 1 9 5 3 ) , 143f. 4
5
V g l . z u d e m Z u s a m m e n h a n g l , 1 7 f . l 9 f f o b e n S. 50f. M u ß n e r , Jak 102 ( m i t B e l e g e n ) . Z u r Taufe als eschatologischer N e u s c h ö p f u n g vgl. M u ß n e r , Die
6
7
Z u m Verhältnis v o n X 0 7 0 C 63f.
94
Tauflehre 6 2 - 6 4 .
S o gut begründet M u ß n e r , Jak 101; D i e Tauflehre 6 5 . aXr}0eiaq
zu ep\}jVToq
Xöyoq
vgl. Mußner, Die Tauflehre
Tun, auf das jener X 0 7 0 C immer angelegt ist, bewahrt ihn vor dem vernichtenden Ge richt, verheißt ihm eschatologische Freude. Dieses Tun besteht nach 1,25 in der Er füllung des Gesetzes der Freiheit. Durch jenes „vollkommene Gesetz" wird dem Men schen der Weg zur Verwirklichung des empfangenen X 0 7 0 C eröffnet, in seinem Voll zug wird der Christ vom aKpoärr}q X 0 7 0 1 » (V.23) zum iioir]Triq epyov (V.25). Damit bleibt das Gesetz hier ebenso eng an den von Gott kommenden XÖ7o<; gebunden wie in 2,8—13 an den nvpioq rf/e Sö^rjq (2,1), Jesus Christus; vom X 0 7 0 C bzw. Je sus Christus her erfährt das Gesetz seine Auslegung. Nicht das Gesetz legt den X 0 7 0 C bzw. nvpioq rfiq Sö^q aus, sondern es wird ausgelegt und neu aufgerichtet; nur von daher kann es wohl auch „Gesetz der Freiheit" genannt werden. 1
2
Terminologisch weist die Charakterisierung des Gesetzes als Gesetz der Freiheit über die christliche und frühjüdische Tradition hinaus in die Welt der hellenistischen Phi losophie. Daß das Gesetz „vollkommen" ist, wie Jak 1,25 ausführt und 2,8.12 wohl vorausgesetzt ist, ist in der jüdischen Tradition vorgegeben, vgl. Ps 18,8; 118 ( L X X ) . Der Gesichtspunkt der Freiheit aber, der offensichtlich die Bedeutung des Gesetzes für unseren Autor konstituiert, läßt an die Berührung mit dem Hellenismus denken, wird doch der Gedanke der Freiheit im stoischen Denken geradezu zu einer Zentral idee und zum Hochziel des Weisen . Dementsprechend widmet Epiktet der eXevdepia eine eigene und ausführliche Abhandlung, IV 1, deren Grundgedanke da hin geht, daß nur der Weise ganz frei sei. Solche Weisheit besteht aber darin, „daß einer die Kunst zu leben versteht" ( I V , 1, 63; die Dinge, die einen angehen und die Dinge, die einen nichts angehen, muß man unterscheiden können ( I V , 1, 81), sein Herz darf man nicht an die äußeren Dinge hängen ( I V , 1,110), denn nur derjenige ist frei, „dem man nichts verwehren kann, dem die Sachen nach Wunsch zur Hand sind" ( I V , 1,128). Mehrmals kommt der Gedanke der Freiheit im Zusammenhang mit dem vöpoq, der freilich immer das Weltgesetz oder die vorgegebene Ordnung, die allgemeine Natur meint, zur Sprache. So spricht Epiktet I V , 1,158 von der Frei heit des Diogenes, die er darin begründet sieht, daß das Gesetz sein „ein und alles ist und sonst nichts". Auch Sokrates hat nach I V , 1,159 alles dem Gesetz unter worfen, ihm ging der Gehorsam gegenüber dem Gesetz über alles, wie man dem Ge setz überhaupt in allen Punkten gehorchen muß . Dieses zu erstrebende Leben und Handeln verfolgt aber immer im Prinzip das Eigeninteresse, sich selbst zu sichern 4
5
1
2
w o b e i mit d e m X Ö 7 0 C j a nichts anderes gemeint ist als die Weisheit. N u r w e n n m a n diese theo-logische Linie nicht wahrhaben will, kann man äußern: „ D e r Gottesdienst w i r d z u m Gesetzesdienst u n d das Evangelium z u m Gesetz" ( S . Schulz in seiner neuesten M o n o g r a phie „ D i e Mitte der Schrift", Stuttgart/Berlin 1976, 2 8 7 , deren Ergebnisse w o h l schon von vorn herein feststanden). Wir w e r d e n im nächsten Kapitel n o c h näher auf diese an simplifizierenden Ü b e r treibungen nicht arme Veröffentlichung z u r ü c k k o m m e n . V g l . dagegen die a b g e w o g e n e Auslegung von L . G o p p e l t , T h e o l o g i e des N T - Teil 2. Vielfalt u n d Einheit des apostolischen Christuszeug nisses - , Göttingen 1976, 5 3 3 - 5 3 8 , bes. 535: „ D a s Gesetz bringt Freiheit, w e ü es die imperativische Seite des Wortes ist, das d e m Menschen eingepflanzt' w i r d u n d das ihn von innen her verändert (Jak
1,18.21). M . a . W . , es ist das Gesetz der Freiheit, weil es das eschatologische Gesetz im Sinne v o n
Jer 31,31 ff ist. Es fordert den Menschen so, daß es ihm zugleich durch die G n a d e für ein neues Ver halten frei macht". 3
V g l . A . Deissler
4
V g l . H . Schlier, Art. eXevdepoq;
, Psalm 1 1 9 ( 1 1 8 ) u n d seine T h e o l o g i e ( M t h S T 11) München 1955, 86f. in: T h W N T
II, 484-500.
4 8 8 - 4 9 2 ; ders., Das v o l l k o m m e n e
Gesetz der Freiheit; in: Die Zeit der Kirche, Freiburg 4. A u f l . 1966, 5
Bei
jap
pe
äei
reo vöpcp
-neideoBai
ev
iravTi.
193-206.
V g l . auch Seneca, D e vita beata 15.
95
3
und in dieser Selbst-mächtigkeit die Gewalt über die Umwelt zu gewinnen und von daher unabhängig das eigene Dasein zu gestalten: „Nach der Freiheit fragen heißt: nach dem fragen, was den Menschen unabhängig und über sich selbst verfügend ... macht" . 1
Diesen Gedanken des freiheitstiftenden Gesetzes hat Philo aufgenommen und mit ihm die Verbindung zur jüdischen Theologie gesucht, wenn er darauf hinweist, daß das Gesetz zur Freiheit führt, wobei er vom vöpoq als mosaischem Gesetz durchaus auch eine kosmische Vorstellung hat, vgl. Quod omn. prob. lib. sit 6 2 ; so sind auch die 7röAeie , die die Gesetze zu ihren Hütern haben, frei, und so sind auch die nach dem Gesetz lebenden Menschen frei, Quod omn. prob. lib. sit 45. 2
Was bedeutet gegenüber diesem ursprünglich hellenistischen Motiv der Freiheit, das unseren Text wenigstens indirekt beeinflußt haben dürfte, die Definition des Ge setzes als „Gesetz der Freiheit"? Damit ist zunächst das Freiheitsverständnis des frü hen Christentums angesprochen . Freiheit im christlichen Sinne ist ein Phänomen, das den Menschen grundsätzlich in seinem Dasein von außen her trifft. Gegenüber stoisch-hellenistischem Freiheitsverständnis, das zur absoluten Verfügung des Menschen über sich selbst ruft und also zur völligen Unabhängigkeit von allen Einflüssen führen will, geht das christliche Verständnis von Freiheit davon aus, „daß der Mensch auch und gerade wenn er sich im Rückzug auf die Innerlichkeit in der Hand hat, nicht frei ist" . Darin besteht gerade die Unfreiheit, die „Sünde", daß der Mensch sich sei ner selbst bemächtigen, sein Dasein selbst bewältigen will. Freiheit nach dem NT ist dementsprechend immer zunächst Freiheit von sich selbst, und das heißt Freiheit von der Sünde, Freiheit vom Gesetz, wie vor allem Paulus immer wieder betont, Rom 7,3; Gal 5,1. 13, vgl. den ganzen Gedankengang Gal. 4. Solche Freiheit hat der Christ nur in Jesus Christus, denn zu dieser Freiheit hat uns Jesus Christus mit sei ner Person selbst befreit, vgl. Gal 5,1, nun sind wir durch Jesus Christus dem Gesetz gestorben und zur Freiheit vom Gesetz gerufen, insofern das Gesetz den Menschen in seiner eigenmächtigen Existenz beherrscht und so zum Willen zur Eigenleistung drängt. 3
4
Wie ist auf diesem frühchristlichen Hintergrund dann unser „Gesetz der Freiheit" zu verstehen? Der Mensch erfährt die Befreiung von Sünde und Tod in der Einwurzelung seiner Existenz in die Freiheit schenkende Person Jesu Christi, wie Paulus Rom 8,2-4 formuliert. Den Anspruch an den Christen erhebt nun nicht mehr das Gesetz, damit der Mensch seiner Leistungsanforderung genüge, sondern in Jesus Christus, in jener geschichtlichen Person ist das Gesetz in seiner Ursprünglichkeit als Wille Gottes wieder aufgerichtet als schenkende und die Sicherung des eigenen Daseins aufhebende Liebe. Ist der Christ von der Liebestat Jesu Christi ergriffen und befreit zur Liebe, dann kann er solche Liebe in der Erfüllung des neu begründeten und aufgerichteten Gesetzes verwirklichen. Wenn der Christ von sich selbst absieht und den Nächsten hebt, hat er das Gesetz erfüllt, wie Paulus Rom 13,8-10 sagt, in solcher Erfüllung des Gesetzes scheint dann die durch Jesus Christus geschehene Freiheit auf. 1
Schlier, A r t . eXevdepoq,
2
KaXöv bietyepov ^covreq
ye t
rjyepövi
pövtp
OVK eXevdepoi
ava-nip'nXavTeq ypar)q
489.
änoKpiveodai,,
t
Kai
OTL Kai decp pövov
e0 ' r\pcov
oo(f>tov dvbpcov
naXat
xpüpevoi aXXä avTtov
KaXoKayaÖiaq,
Tiveq Kai
r)oav Karä
oi TÜV Ka6 ' eavrovq vöpov
TÖV öpdöv
Kai
rovq
irX^oid^ovraq
er'
eioiv
cooitep
eiKÖveq
<j>voecoq
eXevdepov änö
t
dpxeTvirov
vvnodevreq.
D i e Begriffsgruppe k o m m t vorwiegend in theologisch reflektierten Schriften vor.
4
Schlier, A r t . eXevdepoq
96
Xöyov
(j>povr)paToq
3
492.
äpery
Nun können wir wohl davon ausgehen, daß der Gedanke des „Gesetzes der Freiheit" in unserer Schrift nicht in dem Maße Christologisch reflektiert ist wie die paulinische Gesetzestheologie; das widerspricht schon dem paränetischen Charakter des Jak. Auf der anderen Seite ist es bezeichnend und von nicht zu unterschätzender Bedeutung, daß der vöpoq eXevdepiaq an die Person Jesu gebunden ist und von daher seine Begründung findet. Ist es in 1,25 und seinem Kontext der von Gott kommende X 0 7 0 C , der dem Menschen in der Taufe zugeeignet ist und mit dessen Annahme der Mensch alles Übel ablegt, so daß er sich hineinversenken kann in den vöpoq, so wird jenes Gesetz in 2,1 — 13 als Verwirklichung des Glaubens an den Kvpioq TTK Söifrje , Jesus Christus, verstanden, ist doch das in Jesus begründete Gesetz das sich selbst vergessende Gesetz der Liebe. Aus diesem Grunde ist es höchst bedeutsam, daß das Gesetz in unserer Schrift als Gebot zur Nächstenliebe ausgelegt wird, in dem alle an deren Gebote aufgehen. Nur so kann das Gesetz „vollkommenes Gesetz" und „Gesetz der Freiheit" genannt werden. Dieser Gesichtspunkt der Freiheit, der das Gesetz aus legen soll, bedeutet wohl weder nur Freiheit v o m Gesetz noch nur die Freiheit d u r c h das Gesetz, wie W. Schräge ausführt , sondern die durch Jesus Christus gewonnene Freiheit vom Gesetz spricht dem Christen in der Erfüllung des Gesetzes Freiheit zu; in der Freiheit der Liebe, die ihren Grund in Jesus Christus hat, wird das Gesetz der Freiheit erfüllt, wird der Mensch frei. So erscheint der vöpoq reXeioq TTjq eXevdepiaq , um mit H. Schlier zu formulieren, „als das in der Sphäre der Frei heit wirksame und sie daher je und je vermittelnde Gesetz Gottes, dessen Tun Selig keit in sich trägt. Man kann sagen: der Ausweis der Freiheit vom Gesetz geschieht im Vollzug des Gesetzes der Freiheit" . 1
2
d)
Das Gesetz als Weg zu Vollkommenheit
und Weisheit
Welches ist nun das paränetische Ziel der Mahnung zur Erfüllung des Gesetzes und welche Funktion kommt ihm zu? Jak 2,8ff mahnt, wie wir sahen, naXäq -noielv, „gut" zu handeln (2,9). Voraussetzung zu solchem Handeln ist nach unserem A b schnitt das Erfüllen des ganzen Gesetzes, oder, um noch einmal auf 1,25 zurückzu kommen, das Beharren im „vollkommenen Gesetz". Nach F. Spitta wird das Gesetz deshalb reXeioq genannt, „weil ein besseres nicht denkbar ist; als solches bewährt es sich dadurch, daß derjenige, welcher ihm nachkommt, ein ävfip reXetoq Kai bXÖKXripoq
3
wird" .
Nicht nur in unserer Schrift wird die Verbindung von Erfüllung des Gesetzes und Vollkommenheit betont. In besonderem Maße und sicher konstitutiv sprechen von der Verpflichtung zur Erfüllung des ganzen Gesetzes die Schriften von Qumran. Nä herin die Gemeinderegel kann diese Verpflichtung nicht eindringlich genug betonen . Als exemplarisch dafür kann 1 QS 1,3-9 gelten. Nach der „Vollkommenheit des 4
1
K a t h . B r . 2 3 ; G o p p e l t , T h e o l o g i e des N T , 2.Teil,
2
Schlier, A r t .
eXevdepoq,
534.
499.
3
Jak 54.
4
Z u m weisheitlichen Charakter v o n 1 Q S vgl. H . B r a u n , Spätjüdisch-häretischer u n d frühchrist licher Radikalismus I ; Tübingen 1957, 20ff.22 A . 4 .
97
Wandels" wird das Mitglied der Gemeinde eingestuft, vgl. 1 QS 5,24*, die Gemeinde bezeichnet sich selbst als „ein Haus der Vollkommenheit und Wahrheit in Israel, um den Bund aufzurichten nach den ewigen Gesetzen". Die durch Torastudium, vgl. 1 QS 8,15, und Toraerfüllung erlangte Vollkommenheit steht in engem Zusammenhang mit der Weisheit, die bei Gott ist und von Gott offenbart wird: die Weisheit wird denen zuteil, die auf Gottes Taten vertrauen und seine Gesetze tun, 1QS 4,20-22. Die Erfüllung des ganzen Gesetzes fuhrt den Frommen auf den Weg zur unbedingt geforderten Vollkommenheit, diese aber wird ermöglicht durch die von Gott gnadenhaft geschenkte Weisheit. Ähnlich stellt sich der Gedanke in der mehr vom hellenistischen Zeitgeist und der Auseinandersetzung mit ihm geprägten Sapientia dar, vgl. Sap 6,12—25; vor allem der schon im ersten Teil der Untersuchung erwähnte Abschnitt Sap 9,5—10 hebt diesen Zusammenhang hervor. Vollkommenheit erreicht der Mensch da, wo er Einsicht hat in Recht und Gesetz (9,5) und sich den Geboten entsprechend verhält, 9,9. Da aber, wo sich der Mensch um die Erfüllung des Gesetzes bemüht, wird er von der Weisheit selbst ergriffen, Sap 6,13 u.ö. U. Luck formuliert diesen Sachverhalt gut: „Der Weg zur Vollkommenheit, zur Weisheit, führt über das Gesetz ... Weisheit ist aber nur da, wo der Wille Gottes getan, wo Vollkommener Wandel' ist. So führt die Weisheit in die Nähe Gottes selber sie ist ja 'Hauch der Macht Gottes' (Weish 7,25). Sie lebt in der Symbiose mit Gott, und der, der die Weisheit hat, der ist 'zur Herrschaft gekommen' (Weish 6 , 2 0 ) " . 2
3
4.
Ergebnis
a)
Jesus Christus als Weisheit Gottes
Jak 2,1 — 13 ist die einzige Paränese in unserer Schrift, die christologisch eingeführt und begründet wird. Jesus Christus wird in 2,1 mit der im N T höchst seltenen Prädikation nvpioq rfiq Sö^rjq bezeichnet. Gegenüber Hypothesen, die davon ausgehen, daß der Christusname sekundär in den Brief eingefügt sei, konnte begründet an seiner Ursprünglichkeit festgehalten werden. Die Formel nvpioq Tfiq 5O£T?C kommt im NT nur noch IKor 2,8 vor und steht dort im Kontext von IKor 2,6—9 im Zusammenhang mit einer Weisheitschristologie . Über diesen Gesichtspunkt hinaus wird der weisheitstheologische Hintergrund für unsere Stelle wahrscheinlich gemacht durch die Ausfuhrungen, die der Autor in 2,5 über das Erwählungshandeln Gottes macht. Die sachlichen und teilweise terminologischen Parallelen I K o r 1,26; Mt 11,25 / Lk 10,21 sind eindeutig vom religionsgeschichtlichen Hintergrund der frühjüdischen Weisheitstheologie zu verstehen: Gott hat das, was als töricht in den Augen der Welt gilt, durch Jesus Christus, der uns von Gott zur Weis4
1
„Sie sollen ihren 'Geist' u n d ihre W e r k e Jahr für Jahr überprüfen, u m einen ( j e d e n ) entsprechend seinem Verständnis u n d der V o l l k o m m e n h e i t seines Wandels aufrücken zu lassen oder ihn gemäß
seiner Verkehrtheit zurückzusetzen". ( Ü b e r s e t z u n g nach J. Maier, D i e T e x t e v o m Toten
M e e r ; M ü n c h e n 1960). V g l . n o c h 1 Q S l,13f.; 2,2; 3,9; 4 , 2 0 - 2 2 ; 5,24; 8,9f.; 9,2ff; u.ö. 2
V g l . o b e n S. 3 7 - 3 9 .
3
U . Luck, Die Vollkommenheitsforderung, 31.
4
V g l . U . L u c k , D e r Jakobusbrief 174.
98
11,2
heit geworden ist, erwählt, IKor 1,26.30, nicht den „Weisen" nach den Maßstäben der Welt hat Gott sein Geheimnis offenbart, sondern die vrimoi, die TTTCOXOL, Mt 5,3, können sich nun als die wahrhaft Weisen verstehen, welche empfänglich sind für die Weisheit Gottes, Jesus Christus, vgl. Mt 11,25.
b)
Das als Liebesgebot neu ausgelegte Gesetz
Die Vv.8—13 stellen sachlich eine gewisse Verlagerung des Gedankens dar, sind aber durch V.9 (ei be -npooüj-noXruniTeiTe) inhaltlich mit V v . 1 - 7 verknüpft und führen die vorausgegangene Mahnung weiter: Der Glaube an Jesus Christus muß in der Er füllung des Gesetzes vollzogen werden. Wichtig für das Verständnis von Jak 2,8—13 — und damit des Gesetzesverständnis im Jak überhaupt — war die Frage, ob das 2,8 genannte Liebesgebot, das als ßaoiXinöq bezeichnet wird, das grundlegende und allumfassende Gesetz des Christen ist, in dem alle Gebote ihre Erfüllung finden, oder ob es grundsätzlich ein Einzelge bot wie jedes andere ist, das nur durch den Begriff ßaoiXinöq hier besonders hervor gehoben wird. Einige Beobachtungen aus dem Brief im allgemeinen und des Näheren die Analyse des schwierigen Kontextes konnten neben dem Hinweis auf die besonde re Nähe unserer Schrift zur synoptischen Tradition, vor allem der matthäischen Über lieferung und dem hier entwickelten Gesetzesverständnis doch wahrscheinlich machen, daß auch im Jak das Liebesgebot die Zusammenfassung des ganzen Gesetzes dar stellt . Diese Neuauslegung des Gesetzes hat der Verf. durch die Bindung an die Person Jesu Christi, 2,1, bzw. an den bei der Taufe eingepflanzten epQvroq Xöyoq vorgenommen. Damit ist der weisheitliche Charakter des Gesetzes angedeutet. 1
c)
Die Auslegung des Gesetzes durch die Weisheit
Welches theologische Ziel verbindet sich nun mit unserer Mahnung und von welchem theologischen Leitgedanken her ist der Abschnitt Jak 2,1 — 13 entworfen? Es konnte deutlich gemacht werden, daß das Gesetz verstanden wird als Weg zu Vollkommen heit und Weisheit; im Tun des Gesetzes kommt das Liebesgebot zu seiner Erfüllung, so führt es zu Weisheit und Vollkommenheit. Diese Auslegung hat Konsequenzen: Mit dem gezeigten Gesetzesverständnis knüpft unser Autor an die Theologie des Frühjudentums an, wo sich die enge Verbindung von Weisheit und Gesetz konstitutiv und mit weitreichenden Folgen entwickelte. Diesen Zusammenhang, der in erster Li nie auf Jesus Sirach zurückgeht, akzentuiert unser Autor neu, indem er auslegt, was Gesetz als Wille Gottes bedeutet: entgegen der Tradition wird nicht mehr die Weis heit durch das Gesetz bestimmt, sondern umgekehrt legt die Weisheit das Gesetz aus. Dies wird durch die Bindung des Gesetzes an die Person Jesu Christi bzw. an den weisheitlich verstandenen Xöyoq deutlich. Im Tun des Willens Gottes kommt jene Weisheit zur Geltung und führt den Menschen in den Umkreis der Nähe Gottes selbst 1
D e r G e d a n k e der
eXevdepia
in V e r b i n d u n g mit d e m
der gegenseitigen Verhaltensregel für ein mitmenschliches
vöfioq
enthebt das Gesetz d e m H o r i z o n t
Zusammenleben; es ist damit mehr als
O . J . F . Seitz, James and the L a w , in: St Ev II (Berlin 1964), 4 7 2 - 4 8 6 . 4 8 5 annimmt: „ T o him ( J a m e s ) the law is the divinely given moral Standard w h i c h defines a man's duty to his man,
fellow
his 'neighbour'
99
B
RECHTFERTIGUNG DURCH VOLLKOMMENEN GLAUBEN (Jak 2 , 1 4 - 2 6 )
I.
Analyse
1
Mit der Frage nach dem rettenden Glauben wird unser neuer Abschnitt eingeleitet. Mit einem Beispiel legt der Verf. in 2,15f. dar, daß ein Glaube ohne Werke nutzlos ist und nicht retten kann ( V . l 7 ) . Mit V.18 folgt ein Einwand eines Zwischenredners, der die Möglichkeit eines Glaubens ohne Werke doch vertreten zu können meint (Vv.18—20). Diese Auseinandersetzung bereitet auf die theologische Zielsetzung des Verf. vor, die er in Vv.21ff entfaltet. Anhand der Gestalt Abrahams macht der Autor deutlich, daß nur der zur Vollkommenheit gelangte Glaube, den Abraham in der Be reitschaft zur Opferung Isaaks aufgewiesen hat, retten kann.
II.
Die Diskussion um den rettenden Glauben
1.
Die Nutzlosigkeit
des Glaubens ohne Werke (Jak 2,14—26)
Mit der für den Stil der zeitgenössischen Diatribe charakteristischen Wendung rt TÖ Ö0eAo<; wird die Auseinandersetzung eingeleitet. Dennoch ist die betonte Formel für unseren Abschnitt auch von sachlicher Bedeutung, denn möglicherweise wird schon hier im Anschluß an 2,13 die ganze Abhandlung eschatologisch ausgerichtet. Der Ausblick auf das Gericht, der den ersten Abschnitt in Jak 2 abschließt, 2,12f., wird hier nun aufgenommen in der grundsätzlichen Frage nach der Rechtfertigung des Menschen. Nicht nur durch die Formel TI TÖ ötyeXoq , die der Autor am Schluß des Beispiels V.16 noch einmal aufnimmt, ist die erwähnte eschatologische Ausrich tung gegeben, sondern vor allem auch durch die Frage nach der rettenden Kraft des Glaubens am Schluß von V . 1 4 . 2
3
Mit der Formulierung TIIOTIV exeiv greift der Autor die Wendung von 2,1 wieder auf. Daher wird auch hier an den Glauben an Jesus Christus zu denken sein, der in 2,1 angesprochen wurde . Wie Jakobus in 2 , l f f dazu auffordert, den Glauben an Jesus Christus nicht mit Personenkult zu verwechseln, so kann nach 2,14 ein Glaube, der nicht die N o t des Bruders sieht, kein rettender Glaube sein ; einen solchen „Glau ben" hat der nq in V.14, der ein vom Verf. erdachter Gegner ist. 4
5
Die Sache selbst, nämlich das Werk als notwendige Konsequenz des Glaubens, war schon in 1,2ff angesprochen worden ; dort steht der Glaube unter weisheitlichen Voraussetzungen, wie gezeigt werden konnte : auch dort hat der Mensch mit der 6
7
1
D i e Einleitung S. 6f.
2
V g l . E p i k t I 2,22; 4 , 1 6 ; 6,33; I I I 2 4 , 5 1 ; vgl. n o c h weitere Belege b e i M u ß n e r , Jak 129 A . l .
3
I n 1,21
w i r d hier kurz zusammengefaßt.
hat d e r in der T a u f e a n g e n o m m e n e
T a t gebracht w e r d e n , 4
2,14
X070C
rettende K r a f t , aber der
X070C
setzt christliches G e d a n k e n g u t
voraus. D a s Gegenüber
TTLOTK—
so n o c h nicht vorgeprägt; vgl. auch E . L o h s e , G l a u b e u n d W e r k e
epya
ist im
zur
Frühjudentum
291.
5
V g l . a u c h M u ß n e r , Jak
6
V g l . G . E i c h h o l z , G l a u b e u n d W e r k bei Paulus u n d Jakobus ( T E H 8 8 ) , München
7
V g l . o b e n S. 4 3 .
100
muß
1,25.
129f.. 1961,
39.
nioTiq selbst sein Heil noch nicht erreicht, sondern erst im Werk vollendet sich der Glaube, indem im Tun des Willens Gottes die Weisheit wirkt. Schließlich kommt in der Formulierung 2,14 selbst terminologisch die Nähe von Glaube und Weisheit zum Ausdruck, wenn nach 3,13 der Weise aufgefordert wird, seine Weisheit aus den Werken heraus aufzuweisen. Wir werden in der Erklärung zu prüfen haben, ob also auch in diesem Abschnitt die weisheitliche Prägung des Glaubens vorherrschend ist. Der in Vv.14—17 mit dem Beispiel Vv. 15f. exemplifizierte Gesichtspunkt, daß der Glaube ohne die Hilfe für den Nächsten leer bleibt und nicht retten kann, stellt einen ersten Ansatz für die vom Verf. geführte Diskussion dar und führt in das The ma ein; die weiterführende Auseinandersetzung beginnt mit dem Einwurf des Zwi schenredners in V.18.
2.
Der Glaube des fiktiven
Gegners (2,18—20)
a)
Glaube ohne Werke — Werke ohne Glauben
Die Formel aXX' epef n e . leitet einen Einwurf eines (fingierten) Gegners ein, der die vorgetragene Darlegung unterbricht bzw. mit seinem folgenden Argument in Fra ge stellen will, vgl. Rom 9,19; 11,19; IKor 15,35; Barn 9,6, vgl. auch 4Makk 2,24. Solche Einwürfe entsprechen dem dialogischen Charakter der Diatribe . Dann hat jedoch das aXXd nicht „emphatischen Sinn" in der Bedeutung „mit viel mehr Be rechtigung" , so daß V.18a den in Vv.14-17 vorgetragenen Gedanken weiterführen würde, sondern ist als ein betontes, den folgenden Einwand gegen die vorgestellte These einleitendes „aber" zu verstehen. Die von F.Mußner für seine Auslegung ange führten Argumente können nicht recht überzeugen, weil sie den dialogischen Charak ter des Abschnittes und die von daher zu verstehende Einwandsformel aXX' epef Tis nicht genügend berücksichtigen. 1
2
Jene erwähnte Erklärung unseres schwierigen Satzes, der zu den rätselhaftesten im N T überhaupt gehört, vertritt die sog. Sekundantenhypothese, die zuletzt von W. Beyschlag , J.B. M a y o r , F. Mußner u.a. vorgetragen worden ist. Wir müssen uns zunächst mit den Argumenten für diese Hypothese auseinandersetzen und untersu chen, ob sie vom Text her wahrscheinlich zu machen ist und uns gegebenenfalls für eine angemessenere Lösung entscheiden. 3
4
5
Die Sekundantenhypothese geht davon aus, daß der Sprecher von V.18 — bei dieser Auslegung wird der ganze V . 18 dem Tie. in den Mund gelegt — die Meinung des Verf. vertrete und der in Vv.14-17 bekämpfte Gegner auch hier, und zwar von einem Vertreter der Werkfrömmigkeit, angegriffen werde. Gegen die zur Stützung dieser Hypothese vorgetragenen Beobachtungen lassen sich nun aber erhebliche Be denken geltend machen : 6
1
V g l . B u l t m a n n , Stil lOf. ( m i t B e l e g e n ) .
2
S o M u ß n e r , Jak 137.
3
Jak 1 2 4 - 1 2 9 .
4
J.B. M a y o r , T h e Epistle o f St. James: L o n d o n 1892,
5
Jak 137.
6
92f.
W i r beziehen uns hier a u f die Ausführungen v o n F . M u ß n e r , Jak 137, weil er die Gründe zu letzt am ausfuhrlichsten u n d gründlichsten vorgetragen hat.
101
a) Die Schwierigkeiten ergeben sich zweifellos durch die Formel aXX' epei rtc , die die Darlegung unterbricht und einen Einwand einführt, wir haben darauf hinge wiesen. Nach der Sekundantenhypothese spricht aber in V.18 ein Sekundant des Ja kobus, so daß der Gedanke nicht eigentüch unterbrochen, sondern ergänzt wird. Gegen den Bezug von V.18 auf V.14 spricht auch die von M. Dibelius gemachte Beobachtung, „daß der rtc in V.14 gar nicht redend eingeführt wird, also gar nicht so verlebendigt wird, daß der rtc in V.18 sich gegen ihn wenden könnte" . So legt sich nicht nur rein formal von der Einwandsformel her, sondern auch von inhaltlichen Gesichtspunkten her nahe, daß es sich in V.18 um einen Einwand eines Zwischen redners handelt, der die Argumentation des Verf. entkräften will. Denn V.14 behaup tet der n c Glauben zu haben, aber er hat keine Werke. Dieser durch das Beispiel entfaltete Gedanke wird mit V.17 (ovrcoq ) abgeschlossen. Es geht in V v . 1 4 - 1 7 also nicht in erster Linie um eine theoretische Auseinandersetzung über das Verhältnis von Glauben und Werken, sondern hier wird ein Angriff auf einen „Gegner" geführt, der behauptet, Glauben zu h a b e n , aber in der P r a x i s keine Werke hat; daher ist auch sein „Glaube" hinfällig. Dieser n c entwickelt also keine theoretische Alternative zwischen Glaube und Werk, sondern hier geht es vornehmlich um das tatsächliche Verhalten. Macht man sich diesen zu wenig beachteten Gesichtspunkt klar, dann wird ersichtlich, daß V.18 mit einer neuen Argumentation einsetzt. 1
ß) Ungeklärt bleibt allerdings noch die Frage nach dem Verhältnis von V . l 8 a zu 18b. Mußner argumentiert, V . l 8 b schließe sich an V . l 8 a nur dann organisch an, wenn V . l 8 a nicht einen neuen Einwand gegen Jakobus darstelle, sondern ein Wort dessen sei, „der auch in V . l 8 b (für Jak) spricht" . Will man den vorliegenden Text erklären und nicht eine Textverderbnis oder einen unbeweisbaren Textausfall konstru ieren , so ergeben sich tatsächlich erhebliche Schwierigkeiten, die allerdings bei jedem Auslegungsversuch in Kauf zu nehmen sind, wie sich nicht zuletzt auch bei der Exegese von Mußner zeigt: das bei^öv not ist als ironischer Imperativ auf den Ein wand des Gegners zu verstehen . Sieht man ferner in dem rtc in V.18 einen Sekun danten des Jakobus, dann muß man in V v . 1 4 - 1 7 eine vorgeschaltete Auseinander setzung annehmen, die in V.18 ergänzt und auf die Spitze getrieben wird. So argu mentiert denn auch Mußner: „Jetzt mit V.18 beginnt der 'direkte' Angriff auf ihn mit Hilfe der dem rhetorischen Stil entstammenden 'Einwandformer äXX' epei r t e " . Diese Voraussetzung läßt sich aber schwerlich verifizieren; denn die Frage, die durch V.14 aufgeworfen wird, schließt der Verf. mit V.17 ab. Der Abschnitt Vv.14—17 ist damit aus sich heraus zu verstehen und macht einen geschlossenen Eindruck, zumal sich die Fragestellung mit V.18 deutlich verschiebt. Auch Vv.14—17 sind durchaus als „direkter" Angriff zu verstehen und nicht erst V.18; von einer „Vorerledigung des Gegners" kann wohl kaum gesprochen werden. 2
3
4
5
6
7) Damit bleibt noch ein sprachliches Argument, das für die Sekundantenhypothese beansprucht wird. Mußner beruft sich auf die Wendung irioTiv exetc, die das TTLOTLU exeiv aus V.14 wiederaufnehme, der erste rtc (V.14) werde vom zweiten rtc
1
Jak 185.
2
Jak 137.
3
V g l . e t w a F . Spitta Jak 79.
4
Z u m ironischen Imperativ in d e r Diatribe vgl. B u l t m a n n , Stil 32f.
5
Jak 137.
6
M u ß n e r , Jak 137.
102
1
(V.18a) „offensichtlich apostrophiert" . Aber auch dieses Argument ist nicht zwin gend. Denn die Wendung gebraucht unser Verf. offensichtlich gern, vgl. 2,1; man kann von ihr her nicht folgern, daß der erste rte vom zweiten „apostrophiert" werde. Aus den genannten Gründen wird deutlich, daß die sog. Sekundantenhypothese un seren Vers nicht befriedigend erklären kann; daher soll hier ein anderer Erklärungs versuch vorgeschlagen werden. Er geht davon aus, daß V.18a einem (fingierten) Gegner zugeschrieben wird und V.18b die den Einwand durch einen ironischen Im perativ zurückweisende Antwort ist. Daß in V.18a der Einwand eines Zwischenred ners zu sehen ist, wurde aus stilistischen und inhaltlichen Gründen wahrscheinlich. V.18b bei^öv HOL ist dann eine Äußerung des Verf. selbst. Das läßt sich aus dem Kontext heraus begründen: sicher nämlich ist zunächst V.20 eine Aussage des Autors, die in V.22b zu ihrem Ziel gebracht wird. V.18b ist dieser Gedanke aber schon grundsätzlich angedeutet und hat jenen Gesichtspunkt vorbereitende Funktion. Dann dürfte in V18ba eine ironische und unerfüllbare Aufforderung zu sehen sein, der V.18bß der Verf. seinen im Gegensatz zu V.18ba möglichen Standpunkt folgen läßt. Durch die beiden einander entgegengesetzten Sätze wird der in V.18a einge führte Gegner überführt. Solches Stilmittel und solche Gedankenführung sind in der Diatribe geradezu geläufig . 2
Wie hat man sich also die Argumentation unseres Verses sachlich vorzustellen, wenn der rtc als neuer Gegner eingeführt wird bzw. der Autor sich mit einem neuen Ein wand konfrontiert sieht? Der sachliche Zielpunkt der Auseinandersetzung geht sicher dahin, die Trennung von Glaube und Werk ad absurdum zu führen; es geht dem Verf. also darum zu zeigen, daß Glaube ohne Werke nutzlos ist und nicht ret ten kann. Um dies beweisen zu können, setzt sich der Abschnitt Vv. 18-20 nicht, wie Vv.14—17, mit dem vermeintlichen Besitz des Glaubens, sondern nun mit der Behauptung des Glaubens auseinander . Die Diskussion erfolgt also unter einem anderen Gesichtspunkt. 3
Freilich besteht nun die Hauptschwierigkeit darin, daß der neue Gegner dem Verf. den Glauben zubilligt und von sich selbst die Werke behauptet, der Verf. dann aber von des Gegners Glauben ohne die Werke spricht und gerade diesen Umstand an greift. Nun ist zweifellos der rtc ein Christ. Diese wesentliche Voraussetzung geht ja aus dem Charakter des ganzen Abschnittes hervor, ungeachtet, ob man die Sekun dantenhypothese vertritt oder nicht. Aber auch V.19 macht diese Annahme notwen dig. Wenn nun der Gegner sagt: „Du hast Glauben und ich habe Werke", so liegt seiner eigenen Glaubensvorstellung eine unzulässige Polarisierung zugrunde. Diese soll gerade die These des Verf., die den unlöslichen Zusammenhang zwischen Glaube und Werk hervorhebt, in Frage stellen und die Möglichkeit erwägen, daß auf der einen Seite der Glaube, auf der anderen Seite die Werke stehen können. In diesem weiteren Horizont der Glaubensvorstellung des rtc ist dieser V. 18a zu sehen. Ver steht man den Hintergrund der Frage so, dann wird die ironisch-provozierende Auf forderung des Verf. verständlich, die auf diesen Glaubensbegriff des rtc gezielt ist: „Zeige mir deinen Glauben ohne Werke ...". Denn für.den angegriffenen Autor ist eine solche Möglichkeit ein Widerspruch in sich, da jeder behauptete Glaube auf1
M u ß n e r , Jak 137.
2
V g l . B u l t m a n n , Stil 32f.
3
V g l . Dibelius, Jak 191.
103
weisbar sein muß an den Werken; eine Trennung zwischen Glauben und Werken ist schlechthin unmöglich. Diesen Sinn wird wohl die Antwort Öei%6v poi TT)V TTIOTIP OOV haben. In der Unerfüllbarkeit des Imperativs, in der Unmöglichkeit des Glaubensaufweises ohne Werke stellt sich demnach die vorgetragene These des Zwischenredners als Konstruktion heraus. Wenn der Gegner also dem Verf. hypothetisch den Glauben zuspricht, sich aber die Werke und damit eine unzulässige Polarisierung von Glaube und Werk vornimmt, legt er einen falschen Glaubensbegriff zugrunde; denn Glaube ist nur da wirklicher, d.h. aber erfüllter und vollkommener Glaube, wo er zur Ein heit mit den Werken gekommen ist, sich aus den Werken heraus aufweisen läßt. Ist dieser Gedanke richtig, dann wird auch die Aufforderung V.18ba als Antwort des Jakobus voll verständlich, und auch V18bj3 fügt sich sinnvoll in den Gedanken ein. A n den ironischen Imperativ, der die These des Gegners als Konstruktion er weisen soll, schließt der Verf. positiv seine Glaubensvorstellung an, die im Gegensatz (Kaya)) zu der des Zwischenredners konkret aufweisbar ist. Die sich hier ausdrückende These vom unlöslichen Zusammenhang von 7riorie und epyov wird in V.20b noch einmal deutlich formuliert. Auf diesem Hintergrund wird erkennbar, daß die Auseinandersetzung 2,14ff auf zwei Ebenen geführt wird: Vv.14—17 wurde eine erste Behauptung als falsch zurückge wiesen, einem „Gegner" gegenüber, der von sich behauptet, Glauben zu haben, dem aber die Werke fehlen. Mit einem neuen Einwurf setzt sich unser Autor dann in V.18 auseinander. Dieser beinhaltet die grundsätzliche Möglichkeit einer Trennung von Glaube und Werk: Der „Gegner" legt dem Verf. die Frage vor, wie er sich dazu stelle, wenn er dem einen den Glauben und dem anderen die Werke zubillige. Diese These ist in den Augen des Autors ein Widerspruch in sich selbst, denn der Glaube muß immer auch an den Werken aufweisbar sein. Damit ist die Argumenta tion V.18 gegenüber V.14 auf eine andere Ebene verlagert, und der riq V.18 kann nur als ein neuer, vom Verf. dem Diatribenstil entsprechend erdachter Gegner des Autors sein; mit anderen Worten: die V v . l 8 f f können nicht anders verstanden wer den, als daß sie einen neuen Gesichtspunkt in die Diskussion einführen wollen, der die Grundthese des Verf. in Frage stellen soll, mit dessen Ablehnung unser Autor dann freilich seine Position erneut hervorhebt. 1
Dieser Erklärungsversuch, der in wesentlichen Punkten der Analyse von M. Dibelius folgt, hat vor allem aufgrund stilistischer und inhaltlicher Kriterien die größte Wahrscheinhchkeit für sich und braucht sich nicht mit Hypothesen zu begnügen. Völlig ungeklärt bleibt dagegen das Verständnis von V.18 bei R. Walker , wenn er die Schwierigkeiten dadurch zu lösen versucht, daß er V . l 8 a als „Gesprächsfetzen" be zeichnet und die Möglichkeit eines Zwischeneinwurfs unter Berufung auf F. Hauck bestreitet; wie dieser „Gesprächsfetzen" aber zu verstehen ist, wenn V . l 8 a nicht von einem Zwischenredner eingeworfen wird, bleibt doch ziemüch unklar; auch J. Schnei der kann seine Hypothese, „daß die Worte des Gegners aus irgendeinem Grunde im Text ausgefallen sind", kaum wahrscheinlich machen . 2
3
4
5
1
Jak 1 9 1 - 1 9 5 ; vgl. auch Schräge, K a t h . B r . 30f.
2
A l l e i n aus W e r k e n ; in: Z T h K 61 ( 1 9 6 4 )
3
Jak 126f.
155-192.171f.
4
Kirchenbriefe 19.
5
Beachtenswert sind die Ausführungen v o n A . Schlatter, Jak 195: „ W e ü das Bekenntnis: 'Ich habe W e r k e ' nichtig ist, w e n n sie nicht aus G l a u b e n k o m m e n , verlangt Jakobus v o n j e d e m , der sich auf seine W e r k e stützt, d a ß er seinen G l a u b e n zeige. K o m m t er diesem A n s p r u c h nach, so m u ß er die U n m ö g l i c h k e i t , die W e r k e v o m G l a u b e n zu trennen erkennen".
104
b)
Glaube als monotheistisches Bekenntnis
(V.l9)
V . l 9 hat die Funktion, das Glaubensverständnis des Gegners, der mit dem r t c aus V.18 zu identifizieren ist, in seiner Substanz zu kritisieren und als nichtig zu erwei sen. Zunächst setzt unser Autor offensichtlich für seinen Gegner voraus, daß er einen be stimmten Glauben hat, wie die Formel Tnoreveip o r t andeutet. Die Wortbildung ITIOTgehört im klassischen Griechisch nicht zum allgemein-religiösen Sprachgebrauch, wenn durchaus auch hin und wieder W a r t e „die Existenz der Gottheit zum Objekt" ha ben kann. Im späteren hellenistischen Sprachgebrauch läßt sich moTevew dann gut im Sinne von „glauben" nachweisen und gewinnt schließlich im Judentum „in der Auseinandersetzung mit fremden Religionen u(nd) in der Propaganda besondere Bdtg.: der Glaube an Gott wird zum monotheistischen Bekenntnis" . Dieses Bekennt nis teilt unser Autor mit seinem Gegner, es ist auch nach Meinung des Verf. eine notwendige Voraussetzung. Das moreveiv an die Existenz des e& deck , das im bib lischen Sprachgebrauch ein bloßes Anerkennen oder auch ein Festhalten an dem in der 7 r t a r i c gegebenen Vertrauen sein kann, ist in unserem Abschnitt die einzig faß bare Konkretion des Gegners bzw. seines Glaubensverständnisses. 1
2
Die Herkunft der Formel ist äußerst vielschichtig, wie die Fülle von Belegen in den verschiedenen religionsgeschichtüchen Strömungen nachweist. So ist sie etwa bei Xenophanes Fragment 23 und Marc Aurel V I I 9 ebenso belegt wie in Or Sib ( I I I 584ff), in den philonischen Schriften, vgl. nur spec leg I 66f., bei Josephus, vgl. Ant I V 200f.; c. A p . II 193 und in dem christlichen Werk Herrn (mand) I 1. Ver folgt man die Geschichte der F o r m e l , so wird man aufgrund der Vielfalt der Bele ge im hellenistischen Judentum den Überlieferungsträger sehen können, der in der Verbindung von hellenistischen und jüdischen Vorstellungen für die Weitervermittlung dieses Bekenntnisses und seiner zentralen Bedeutung maßgebend war. In ihrem Be kenntnischarakter spiegelt unsere Formel dann die Auseinandersetzung des helle nistischen Diasporajudentums wider, das aus den großen zentralen Gedanken seiner Glaubenstradition lebte. Über diese Überlieferungsinstanz sind solche und ähnliche bekenntnishafte Wendungen dann in das christliche Glaubensbewußtsein eingegangen, wie aus den christologisch erweiterten und neu verstandenen Aussagen wie I K o r 8,6; lTim 2,5, vgl. auch Ign Mg 7,1.2 hervorgeht. 3
Berücksichtigt man nun die Aussage auf dem Hintergrund des angedeuteten Tradi tionsprozesses, dann wird man kaum in die Glaubensvorstellung den „christlichen und apostolischen Glaubensbegriff" hineinlegen dürfen, sondern muß sich damit begnügen, in der Formel jenes Bekenntnis zu sehen, das aus den Schriften des Diasporajudentums im Kampf um den Monotheismus verständlich wird und von da her seine Bedeutung gewinnt. 4
1
B u l t m a n n , A r t . s t a r t e , T h W N T V I , 179.
2
B u l t m a n n , A r t . moTiz,
3
V g l . D i b e l i u s , D i e Christianisierung einer hellenistischen F o r m e l ; in: N e u e Jahrbücher für das
200.
klassische A l t e r t u m ( 1 9 1 5 ) , 2 2 4 - 2 3 6 . 4
M . L a c k m a n n , Sola F i d e ; Gütersloh 1949,
34.
105
Ein solcher Glaube ist notwendig, und ihm kann unser Autor zustimmen, wie das 7roiefe zum Ausdruck bringt, aber die bloße und leere Anerkenntnis der Existenz des einen Gottes ohne praktische Konsequenzen ist unzureichend. Kann man von diesem Bekenntnis aus Schlüsse auf die Herkunft des „Gegners" oder der durch ihn repräsentierten „Front" ziehen? F. Mußner vermutet, „daß als 'Gegner' nicht ein Judenchrist gedacht sein kann, weil dieser nicht den Glauben gegen die Werke ausgespielt hätte" , aber diese Annahme wird auf dem Hintergrund der ete deöq -Formel fraglich; dieser Zweifel muß vor allem auch an der von Mußner als Frage formulierten These angemeldet werden, daß Jakobus hier einen „heidenchrist lichen Pseudopaulinisten" im Auge habe, „der alles Heil von seinem frisch gewonne nen Monotheismus erwartet" . Jedenfalls läßt sich diese Annahme kaum schlüssig nachweisen. Man wird sich damit begnügen müssen, daß unsere Formel auf jüdisch hellenistisches Erbe schließen läßt . KaÄcöe
1
2
3
Auch die Dämonen „glauben und zittern" (irioTevovoiv Kai 4>piooovoiv). Mit dem Begriff baipöviov befindet sich der Verf. gegenüber dem profanhellenistischen baiptov ganz im Sprachgebrauch der L X X und des N T , baipöviov dürfte seine Stätte im jüdischen Volksglauben haben, und baiptov wurde „darum gemieden, weil es zu sehr mit positiv religiösen Momenten beladen war, während baipöviov von vornherein an die unholden Geister des Volksglaubens erinnerte" . Selbst die Dä monen bestreiten die Existenz des et e deöq nicht. Vorstellung und Terminologie des Motivs lassen sich auf jüdisches Erbe zurückführen, war es doch zudem der Boden für die Dämonenvorstellung mit dem „Ringen um die Erfüllung des Gesetzes, bei dem das Judentum auf die Macht eines im Menschen entgegengesetzten Willens stieß, den sie auf dämonische Einwirkung zurückführte" . 4
5
6
T
7
c)
Endgültige Widerlegung (V. 20)
Mit V.20 befinden wir uns immer noch in der mit V.18 begonnenen Auseinander setzung, d.h. es handelt sich immer noch um die Antwort auf den Einwurf des Geg ners V . l 8 a . V.20 hat also die Funktion, den Gedanken abzuschließen und die Schlußfolgerung aus dem Beweisgang zu ziehen. Die die rhetorische Frage einleiten de Formel deXeiq be yvtovai deutet wieder auf den für den Abschnitt charakteristi schen Diatribenstil hin, vgl. nur Epikt III 23,9; I V 6,18 und bedeutet sachlich das selbe wie das ßXerreiq
ort ... V.22 oder yivtooKovreq
ort
1,3.
Dieser Stilistik entspricht auch die scheltende Anrede to ävdpto-ne neve*. Der Be griff nevöq hat hellenistisch-intellektuellen Sinn , wie besonders die Übertragung auf Personen z e i g t . Nichtig und leer ist der Glaube des Gegners, wenn er meint, Glaube sei trennbar vom Werk. Kann man aus der Anrede to ävdpto-ne neve auf 9
10
1
Jak
139.
2
Ebd.
3
V g l . auch E . Peterson, E I S 0 E O Z ; Göttingen 1926,
4
I 8 m a l baipöviov,
lmal
5
N e b e n einer Fülle v o n 5aipövio^-Belegen
6
W.
7
Foerster, A r t . baiptov;
Foerster, A r t . baiptov
195-299.
baiptov. nur l m a l
baiptov.
in: T h W N T I I , 1 - 2 1 . 1 2 .
1 6 . A u c h das „ Z i t t e r n " der D ä m o n e n ist ein im Judentum verbreiteter
G e d a n k e , vgl. die Belege bei Spitta, Jak 8 0 ; Dibelius, Jak
1
8
V g l . z u r scheltenden A n r e d e in der Diatribe B u l t m a n n , Stü
9
V g l . O e p k e , A r t . nevöq;
0
106
V g l . O e p k e , Art.Kevöq,
in: T h W N T I I I , 6 5 9 f . 6 6 0 . 6 5 9 ; H a u c k , Jak 131 A . 8 2 .
197. 14.51.60f.
einen bestimmten Gegner schließen, wie es H. Schammberger offenbar tut? Er sieht in dem ävdpojiroq einen Gnostiker: „Mit nevöq ävdpcjiroq Jac 2,20 ist der Gegner, der Gnostiker, gemeint; wie seine Weisheit \JjvxMfj ist, so ist er selbst Kevöq ; er ist nicht irvevpaTtKÖq . Offenbar haben sich die Gegner auf Grund ihrer ooq>ia so be zeichnet und haben die Kirchlichen als die ohne Geist, als nevol, hingestellt; hierüber empört, dreht der Vf. die Bezeichnung um und nennt seine Gegner KevoC . Für eine mögliche antignostische Tendenz von 2,14-26 bietet der Begriff nevös aber nur eine fragwürdige Unterstützung, denn die literarische Gattung unserer Schrift allgemein und iiisbesondere unsere dem geläufigen Diatribenstil zugehörige Anrede lassen eine solche mit derartigen konkreten Konsequenzen kaum zu, so daß die Analyse von Schammberger, vorsichtig ausgedrückt, zumindest keine Wahrscheinlich keit für sich beanspruchen kann. Auch die Berufung von Schammberger auf Herrn (mand) V 2,1; lClem 7,2f. Eph 5,6; Barn 4,11 kann wohl nicht für die vorgetrage ne Hypothese geltend gemacht werden, schon gar nicht zu dem Schluß führen: „Nicht literarische Abhängigkeit des Herrn und lClem erklärt die Berührungspunkte mit Je, sondern sie haben ihren Grund in dem gemeinsamen Gegner, den diese Schriften bekämpfen, und in allgemeinen Gedanken und Formulierungen, mit denen man kämpfte" . n
2
3
4
3.
Das Miteinander von Glaube und Werk
(Vv.21-23)
Nach der negativen Definition des nutzlosen und zur Rettung im Gericht unfähigen Glaubens , die unser Autor in seiner Auseinandersetzung vorgetragen hat, geht un ser Autor nun abschließend zur positiven Darlegung des nach seiner Meinung un verzichtbaren Glaubensvollzuges über. Die Beispiele, die der Verf. hier begründend anführt, ziehen dabei die Folgerung aus der bisherigen Auseinandersetzung und stellen so den Standpunkt unseres Autors dar. In der folgenden Argumentation wird nun aufgewiesen, wie Glaube vom bloßen Anerkennen der Existenz Gottes zu ech tem Glauben wird und wohin dieser Glaube den Menschen führt. 5
Mit der rhetorischen Frage nach dem Verhalten Abrahams bei der Opferung Isaaks wird der Schlußteil der Auseinandersetzung eingeleitet, um die Hörer zur Zustim mung zu der vom Verf. vorgetragenen These hinzuführen (V.21). Mit V.22ab um reißt der Autor dann das Ziel seiner Ausführungen: Glaube und Werke müssen zu sammenwirken, damit der Glaube zur Vollendung komme, zu seiner Vollkommen heit gelange und damit als rechtfertigende Größe für den Menschen wirksam werde. Der sachliche Zielpunkt des Abschnittes liegt also, wie noch näher zu zeigen ist,
1
Die Einheitlichkeit, 44f.
2
V g l . auch L o h s e , G l a u b e u n d W e r k e 288 u. A . l l .
3
4
5
D i e Einheitlichkeit 45. Ebd. Der Glaubexeopte
TÖJV epycju
ist äp777;
als nichtig u n d leer wird die Qualität eines Menschen
im Gericht beurteilt, der meint, G l a u b e u n d W e r k e trennen zu können. D e n n die mit irioTiq
...
CLP777 ausgedrückte Nutzlosigkeit des Glaubens wird auf das Gericht hin verstanden. Das kann dann nicht zweifelhaft sein, w e n n man sieht, d a ß V . 2 0 parallel zu V . 1 7 als Folgerung aus der vorhergehen den Diskussion zu verstehen ist. V g l . den eschatologischen Bezug von ä p 7 Ö e a u c h 2 P e t r 1,8.
107
in V.22ab: ein solcher „vollkommener" Glaube, der hier an Gen 22 und Gen 15 illustriert wird, beantwortet die Grundsatzfrage nach der Rechtfertigung des Men schen.
a)
Rechtfertigung
im
Frühjudentum
Die Frage von 2,14—26 und insbesondere die Beweisführung der vorgestellten These durch das Beispiel Abrahams sind religionsgeschichtlich nicht ohne den Hintergrund der frühjüdischen Rechtfertigungstheologie verständlich. Um die Aissage unseres Brie fes angemessen einordnen zu können, scheint es daher geboten, die Grundzüge der frühjüdischen Rechtfertigungstheologie nachzuzeichnen und von daher den Gedanken unserer Schrift hervortreten zu lassen. Wir untersuchen also nicht nur im engeren Sinne die frühjüdische Abrahamtradition, sondern umfassender den frühjüdischen Rechtfertigungsgedanken. Wir setzen ein bei den Test X I I , in denen sich die Formel Bucaioovvri 0 e o v nachwei sen läßt, und zwar im ethischen Sinne , vgl. Test Dan 6,10, und die der literari schen Gattung unseres Briefes nahekommen. Nach Dibelius berühren sich die Testa mente neben dem Buche Sirach am engsten mit dem Jak. 1
2
Grundlegend auch für das Gerechtigkeitsverständnis der Test X I I ist die apokalypti sche Vorstellung von den zwei Äonen, die die Weltzeit in den gegenwärtigen bösen Äon und den künftigen guten Äon aufteilen, der allein den Gerechten vorbehalten ist und welcher dann den nach Gottes Urteil Gerechten als Ausgleich für alles in diesem Äon erfahrene Leid ewiges Glück zukommen läßt . Dieser Hintergrund ist maßgebend für den aus den Test X I I sprechenden kosmologischen Dualismus, der entsprechend dem paränetischen Charakter der Test X I I und dem Einfluß der Zwei-Wege-Lehre ethisch-anthropologische Ziele verfolgt . Das aus solchem apokalyp tisch-dualistischen Horizont entwickelte paränetische Anliegen und Hochziel ist die Gerechtigkeit der Gerechten. Woran aber entscheidet sich, wer als Gerechter zu gel ten hat bzw. Gerechtigkeit vor Gott geltend machen kann? Hier hat das Gesetz sei ne entscheidende Funktion: Befolgung des von Gott gegebenen Gesetzes ist Ausweis der Gerechtigkeit der Gerechten und Weg zur Teilhabe am künftigen Äon, vgl. Test Dan 5,1; Test Gad 3,1; Test Lev 13,1—5 u.a., Abfall vom Gesetz kommt dem Ver derben im Gericht gleich . Unüberbrückbar stehen sich hier die Gerechtigkeit der 3
4
5
1
V g l . D . Zeller, Juden u n d H e i d e n in der Mission des Paulus ( f z b 1) Würzburg 1 9 7 3 , 1 7 3 f . „ 8 ucaioovvr)
TOV 6eov
ist also durchaus etwas, w a s v o m Menschen verlangt w i r d " ( S . 1 7 4 ) . Unsere
A u s f ü h r u n g e n folgen im wesentlichen d e m gründlichen Kapitel 'Gerechtigkeit Gottes in der Theologie des Spätjudentums' b e i K . Kertelge, Rechtfertigung b e i Paulus ( N T A 3 N S ) Münster, 2. A u f l . 1 9 7 1 , 24—45. F r e ü i c h sollte das Gerechtigkeitsverständnis in der rabbinischen Literatur etwas anders ak zentuiert w e r d e n . 2
Jak 4 4 .
3
V g l . die zusammenfassende Darstellung bei Bousset-Greßmann, D i e Religion des Judentums im
4
V g l . Test A s s 1,3ff: „ Z w e i W e g e hat G o t t den Menschenkindern gegeben u n d z w e i Ratschlüsse
späthellenistischen
Zeitalter ( H N T 2 1 ) Tübingen 1926,
242-249.
u n d z w e i H a n d l u n g e n u n d z w e i Plätze u n d z w e i Ziele. D e s w e g e n ist alles zweierlei, eins gegen über d e m anderen. Z w e i W e g e , des G u t e n u n d des Bösen ( g i b t e s ) ; hierauf b e r u h e n die z w e i Ratschlüsse in unserer Brust, die sie unterscheiden". 5
V g l . Test L e v 19,1: „ W ä h l t n u n euch selbst entweder die Finsternis oder das Licht, entweder das Gesetz des H e r r n o d e r die W e r k e Beliars".
108
Gerechten, die Gesetzestreuen, und die Ungerechtigkeit der Gesetzlosen, der Gottlo sen, gegenüber. Diese Gerechtigkeit ist freilich auch in den frühjüdischen Schriften keine rein ethische, vom Menschen allein erreichbare und damit nur von ihm ab hängende Größe, sondern hat ihren tragenden Grund in der Gerechtigkeit Gottes und seinem Erwählungshandeln. Hat der Erwählte die Möglichkeit, durch Befolgung des Gesetzes in der von Gott geschenkten Gerechtigkeit zu bleiben oder den gesetzlosen Weg des Unheils zu gehen, vgl. Test Lev 19,1, so entsteht in dem daraus folgenden Entsprechungsverhältnis von Gerechtigkeit Gottes und Gerechtigkeit des Gerechten die Verpflichtung des Gerechten, seine Gerechtigkeit in der Treue zum Gesetz zu bewahren . Solche Treue zum Gesetz weist schon in diesem Äon — wenn auch ver borgen - die Gerechtigkeit des Gerechten aus, die dann im Gericht offenbar wird, vgl. Test Jud 22,2. Gerechtigkeit ist also als Gabe und Aufgabe eschatologisch auf das Gericht bezogen und hat in der Treue zum Gesetz seine Voraussetzung, findet im Gesetz aber auch seine Erfüllung. Die in Gott gründende Gerechtigkeit wird dem nach verstanden als die dem Menschen mögliche und durch Gesetzesbefolgung zu sichernde eigene Gerechtigkeit. Entscheidende Bedeutung für das Gerechtigkeitsverständnis erhält die Funktion des Gesetzes auch in den Schriften der Gemeinde von Qumran. Subjekt des Gerech tigkeitshandelns ist Gott, vgl. 1 QS 10,25; 11,12, der seine Gerechtigkeit dem Mit glied der Gemeinschaft erweist. Der von Gott erwählte Fromme weiß sich im „Bund der Barmherzigkeit" (1 QS 1,8), fem vom Geist des Frevels (1 QS 3,17-20, vgl. 1 QS 5,2). Dem in den Bund Erwählten steht die Welt des Trugs und der Geist Beliars gegenüber. Freilich lebt der Fromme im Bewußtsein der Gewißheit des völli gen Heils im kommenden unausweichlichen Gericht; solches Daseinsverständnis ist natürlich auch für den Qumran-Frommen auf die Erkenntnis der Angewiesenheit auf Gottes Gnadenerweise gegründet. Dazu muß sich der Fromme in dieser Zeit des Trugs durch die Treue zum Gesetz die Zugehörigkeit zum Bund bewahren, vgl. 1 QS 5,3f.22. Er soll - so sagt die Ordnung der Gemeinschaft — nicht länger wandeln „in der Verstocktheit eines schuldigen Herzens und Augen der Unzucht", 1 QS 1,6, er soll die Gebote erfüllen und vollkommen wandeln. Danach soll er auch vor der Gemeinschaft verantwortlich gemacht werden. Nach 1 QS 5,21 f. sollen die Frommen „ihren Geist in der Gemeinschaft untereinander erforschen, hinsichtlich seines Ver ständnisses und seiner Taten im Gesetz um einen Bund aufzurichten und um auf alle seine Gebote zu achten, die er zu tun befohlen hat". Dies aber geschieht nicht aus eigener Kraft, sondern durch Gottes Heilshandeln, durch das er den Erwählten Anteil an seiner Gerechtigkeit g i b t . In diesem Bewußtsein und in solchem Tun kön nen die Gerechten sich von der Welt des Frevels fernhalten, 1 QH 14,20. Maßstab für Gerechtigkeit und Frevel ist aber im Prinzip immer die Bewahrung bzw. Auflö sung des Gesetzes, vgl. nur 1 QH 14,11 ff. Solche Gnadengabe erwirkt dem From1
2
3
1
V g l . K . Kertelge, Rechtfertigung bei Paulus ( N T A 3 N S ) Münster 2. A u f l .
2
V g l . n u n auch O . Betz, Rechtfertigung in Q u m r a n , in: Rechtfertigung ( F S E . K ä s e m a n n ) , hrsg. J. Friedrich , W . P ö h l m a n n , P . Stuhlmacher, T ü b i n g e n / G ö t t i n g e n 1976,
1971,
17-36
27.
(teilweise in kri
tischer Auseinandersetzung mit K e r t e l g e ) . 3
V g l . e t w a 1 Q H 7 , 1 8 - 2 0 : „ I c h aber stützte mich auf ( d i e Fülle deines E r b a r m e n s u n d a u f den R e i c h t u m ) deiner G n a d e harrte ich, u m aufblühen zu lassen (eine P f l a n ) z u n g u n d groß zu m a c h e n einen Schößling, u m stark zu machen in Kraft ( . . . D e n n i n ) deiner Gerechtigkeit hast du mich hingestellt für deinen B u n d , u n d ich stützte mich a u f deine Wahrheit u n d ( d u . . . ) u n d du setztest m i c h z u m V a t e r für die Söhne deiner G n a d e ... " .
109
men hier und jetzt schon Anteil an Gottes Gerechtigkeit, die zu der von Gott fest gesetzten Zeit offenbar wird, vgl. 1 QH 13,14ff; 15,16. Wir können festhalten: Zwar kennt das Frühjudentum keine streng durchgehaltene und systematisierte Rechtfertigungslehre, was bei dem Charakter der Schriften auch nicht zu erwarten ist, aber es lassen sich doch einige Hauptgedanken zeigen: Maß gebend für das Denken der frühjüdischen Apokalyptik im allgemeinen und näherhin das Gerechtigkeitsverständnis sind die Vorstellung von den zwei Äonen und der Gedanke der Erwählung des Frommen. Hier erhält das Gesetz seine entscheidende Funktion. Seine Bewahrung verhilft dem Menschen zur Teilhabe an der Gerechtig keit Gottes und macht seine Gerechtigkeit im Gericht offenbar. Indem er so Anteil bekommt an der Gerechtigkeit Gottes durch die Bejahung des Gesetzes — bald mehr im Sinne der Anerkennung als göttlicher Offenbarung (4Esr*), bald mehr als Selbst bezeichnung gegenüber allem Bösen und Abfall der Welt (Qumran) - wird diese zur eigenen Möglichkeit und zum eigenen Daseinsentwurf des Menschen. Zwar hier und jetzt schon vorhanden, ist die Gerechtigkeit dennoch eine streng eschatologische Größe und kommt dem Gesetzestreuen zu: so ist Gerechtigkeit im Grunde als - wohl in Gott gründende — Eigenschaft des Menschen vor Gott im Sinne eines ethischen Zieles verstanden, die er im Gericht aufweisen kann und die Gott aner kennt. Von solchem Gerechtigkeitsverständnis im Frühjudentum ist nun auch die Bedeu tung der Gestalt Abrahams in der Überlieferung zu verstehen . Im gesamten Tradi tionsstrom des frühjüdischen Schrifttums gilt Abraham als der Gerechte schlechthin aufgrund seiner verdienstlichen Werke. Ein für diese Theologie charakteristisches Bild wird deutlich aus Sir 44,19f. im Preis der Väter, in dem die Erzväter als „die exem plarischen Weisen" gefeiert werden. Hier werden die entscheidenden Motive genannt, die für das Verständnis und die Auslegung der Gestalt Abrahams bestimmend wer den: Abraham gilt als der Gesetzestreue, nahm die Beschneidung vor und wurde 2
3
1
In 4 E s r ist j a das Gesetz das Frömmigkeitszentrum des Beters schlechthin.
I m Gesetz hat sich
G o t t g e o f f e n b a r t , vgl. 3,18f.; 9,31.36f.; 7,24, in ihm hat er seine E r w ä h l u n g und seine V e r h e i ß u n g ausgesprochen. G l a u b e an G o t t u n d B e o b a c h t u n g des Gesetzes treten hier in eine un mittelbare Beziehung zueinander, G l a u b e u n d Gesetz erhalten als w o h l eigenständige, aber nicht voneinander getrennte G r ö ß e n für die Rechtfertigung im Gericht ihr eigenes G e w i c h t : Glaube an d e n einen G o t t ist auch immer A n e r k e n n e n des von ihm gegebenen Gesetzes, vgl. 7 , 8 l f f , so d a ß diese b e i d e n K o m p o n e n t e n sogar ineinander übergehen k ö n n e n , vgl. 13,23. D i e Erfül lung b z w . Nichterfüllung der Gesetzesanforderungen w i r d d a n n über den A u s g a n g des von G o t t zu vollziehenden Gerichtes entscheiden.
D e r durch die A n e r k e n n u n g des Gesetzes, d.h. der Of
f e n b a r u n g G o t t e s , Gerechte w i r d im Gericht bestehen u n d erlangt auf d e m W e g e des Gesetzes, der N o r m göttlichen W ü l e n s , vgl. 3,56, das ewige L e b e n . Gerechtigkeit hängt
dementsprechend
m e h r o d e r w e n i g e r v o n der Gesetzes(tat) des Menschen a b ; denn G l a u b e u n d Treue z u m G e setz sind T a t e n des M e n s c h e n , die als solche von G o t t a n g e n o m m e n u n d belohnt w e r d e n , vgl. 7,34f. G e r e c h t ist der M e n s c h also, w e n n er das Gesetz als Gottes O f f e n b a r u n g versteht u n d tut; hier u n d jetzt ereignet sich für ihn diese Gerechtigkeit, u n d G o t t wird sie im Gericht of f e n b a r w e r d e n lassen u n d ihm die B e l o h n u n g z u k o m m e n lassen, vgl. 7,18.
In diesem B e w u ß t
sein k ö n n e n die Gerechten in diesem b ö s e n Ä o n bestehen, w e ü sie a u f den k o m m e n d e n k ö n n e n , 7,18.
hoffen
V g l . zur Frage auch n o c h W . M u n d l e , D a s religiöse P r o b l e m des I V . Esrabuches;
in: Z A W 4 7 ( 1 9 2 9 )
222-249.
2
V g l . O. Schmitz, A b r a h a m im Spätjudentum u n d im Urchristentum; in: A u s Schrift u n d G e
3
W . Staerk, D i e sieben Säulen der W e l t und des Hauses der Weisheit; in: Z N W 3 5 ( 1 9 3 6 )
schichte ( F S A . Schlatter z u m 70. G e b . ) Stuttgart 1922, 240.
110
99-123. 232-261.
in der Versuchung treu erfunden. So wird die Verbindung von Gen 15 und Gen 22 zu einem Charakteristikum der frühjüdischen Abrahamsüberlieferung — an unserer erwähnten Sir-Stelle ist mit K a i ev -neipaoiiCj evpedrj TTLOTÖ<; ja zweifelsfrei an Gen 22 erinnert. Die Gesetzestreue Abrahams und sein Glaube, d.h. seine Treue in der Versuchung sind auch konstitutiv für den Abschnitt IMakk 2,50—52: „So eifert, Söhne, für das Gesetz! Setzt euer Leben für den Bund unserer Ahnen ein! Gedenkt der Taten, die eure Väter in ihrer Zeit vollbrachten! Reichlichen Ruhm und einen ewig währenden Namen erntet ihr dann. Hat sich Abraham in der Prüfung nicht be währt, ward ihm dies nicht zum Gerechtsein gezählt? " . Die Mahnung zum Gesetzes eifer wird hier begründet mit dem Verweis auf die Werke der Väter, näherhin auf die Treue Abrahams in der Versuchung, die ihm zur Gerechtigkeit angerechnet wor den ist ; als Vorbild für den Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes, geradezu als Exponent des gesetzestreuen Judentums erscheint Abraham in Jub 11 —23; Apk Bar(syr) 5 7 , 1 - 2 ; dieser Gedanke steht auch hinter dem Zusammenhang von 4Makk 16,16—20. Eine ähnliche Vorstellung ist in den philonischen Schriften ausge prägt: in der Opferung Isaaks, d.h. im Standhalten in der Versuchung, ist die größte aller Taten Abrahams zu sehen . So gilt Abraham als der Typus des Weisen, der durch solche Haltung zur Vollkommenheit gelangte. 1
2
3
An diesen erwähnten Stellen, die sich noch weiter vermehren ließen , wird der Grundzug frühjüdischen Glaubensverständnisses sichtbar, das an der Gestalt Abra hams immer wieder dargestellt und ausgelegt wird. Im Beobachten des Gesetzes und in der Treue in der Versuchung, d.h. im unerschütterlichen Vertrauen auf Gott, bewährte sich Abraham und wurde als moTÖq erfunden. Glaube und Treue werden hier synonym verstanden als Tat des Menschen, als Glaubensleistung. Danach ist der Glaube nicht vom Tun zu unterscheiden; dementsprechend kennt das Juden tum prinzipiell auch nicht die Fragestellung, ob der Glaube allein (ohne Werke) zur Gerechtigkeit führen kann, denn Glaube als Glaubenstat ist ja immer schon zum Werk geworden. Diese Glaubensleistung läßt die Anerkennung durch Gott erwarten, Gott rechnet dem Abraham seine Glaubensleistung zum Verdienst an ; für diese seine Verdienste wird er mit verschiedenen Ehrentiteln belegt und im Zusammen hang mit Gen 15 und Gen 22 auch, wie wir noch sehen werden, „Freund Gottes" 4
5
genannt . Die Bezeichnungen Abrahams Jes 41,8 (oneppa
'Aßpaäß,
8v
rryäirr]oa)\
52,2 ( f ? 7 c i 7 r i ? a a CLVTÖV); 2Chr 20,7 (o-neppan 'Aßpaäp. r e o fiya-n^pevu))', Dan 3,35 (öiaAßpaäp TOV nya-nrnxevov) sind wohl als Ausgangspunkt für die weitere Ausdeu tung im Judentum zu betrachten. Von hier aus ausgehend hat sich der Titel 0t'Xoc deov dann in den jüdischen Schriften weiter verbreitet, vgl. Apk Abr 9,6; 10,6; Jub 19,9; 30,20; Test Abr 13.1.6; CD 3 , 2 ; wohl war die Bezeichnung auch in der hellenistischen Popularphilosophie bekannt, vgl. nur Epikt II 17,29; III 22,95; I V 3,9; freilich hat der Titel hier einen anderen Hintergrund, wie besonders Epikt III 6
1
eXoyiodri
2
bXiyov
3
V g l . Dibelius, Jak 206ff; J. Jeremias, A r t . 'Aßpaän;
4
V g l . S t r . - B . I I I , 186ff, bes. 2 0 0 f ; Dibelius, Jak 210f.
. . . etc yäp
Abraham, 5
öeco
biKaioovvqv. fyävai
iräoaq
Öoai
deoQiXeis
\mepßäXXet
Philo, D e A b r 167.
in: T h W N T I , 7 - 9 ; O . Schmitz,
99-116.
In L X X k o m m t der Titel nur einmal vor, Sap 7,27, aber nicht als Belohnung für ein verdienst liches W e r k , sondern w i r d als Erwählungsobjekt der Weisheit verstanden.
6
Deutlich ist in C D 3 die Darstellung A b r a h a m s ais des Gesetzestreuen.
111
1
22,95 deutlich macht . Auch Philo kennt die Bezeichnung 0tXoc deov, vgl. De Abr 273 (im Anschluß an Gen 22,16f.); Vit Mos 156; Quis rer div heres 21; De sobr 55; Quod omn lib 42: „Dabei denkt Philo wohl an die bekannte Vorstellung vom Weisen als Freund G o t t e s " . 2
Wir sehen: Ein breiter Traditionsstrom hat den Glauben Abrahams mit dem Ehren titel 0t'Xoc deov verbunden und dabei das traditionelle Entsprechungsverhältnis von Tun (Glauben) und Verdienst hergestellt: Abraham ist der Gesetzestreue, CD 3,2, er ist der morde , der in der Versuchung sein Vertrauen nicht verloren hat, IMakk 2,52; Sir 44,19; Jub 19,9; er hat Verdienste aufzuweisen und wird demgemäß als „Freund Gottes" aufgeschrieben . Das frühe Judentum stellt also in erster Linie das Entsprechungsverhältnis zwischen Tun, d.h. der Glaubensleistung, und der daraus resultierenden Verdienstanerkennung durch Gott in den Vordergrund. 3
4
b)
Die Rechtfertigung
des Abraham im Jak (2,21)
Mit der Betonung der Vaterschaft Abrahams (-narnp r)pcov) soll die besondere Be weiskraft, die für die These des Verf. das Beispiel Abrahams in Anspruch nehmen kann, hervorgehoben werden. Die Bezeichnung als 7rarr?p entspricht sowohl jüdi scher wie auch christlicher Redeweise . 5
6
Mit der rhetorischen Frage OVK ... ebiKaicodr) gibt unser Autor die Antwort auf das erörterte Problem, wie der Mensch gerechtfertigt werde, oder besser: wessen der Glaube bedarf, um rechtfertigende Kraft zu erlangen. Mit dem Wort bwaiovv be findet sich der Verf. begrifflich völlig im Einklang mit dem ntl. Sprachgebrauch. Die Antwort auf diese Frage, wie der Mensch gerechtfertigt werde, gibt unser Autor mit Hilfe der Erinnerung an die geschehene Rechtfertigung Abrahams, der als Leit bild des Christen zu gelten hat. Damit wird der für unseren Brief grundsätzlich be stimmende und den Verf. leitende Traditionshorizont deutlich: Bei der Rechtferti gung Abrahams handelt es sich nicht um die Rechtfertigung des Sünders wie bei Paulus, sondern um die Rechtfertigung des Gerechten und in der Glaubenstreue Verharrenden. Als solcher wird Abraham auch und gerade in der frühjüdischen Theologie gesehen, wie wir hinreichend feststellen konnten. Freilich läßt sich schon im theologischen Ansatz der unsere Abhandlung Jak 2,14ff leitenden Fragestellung ein weitreichender prinzipieller Unterschied geltend machen: Der Verf. des Jak wirft die ihn offensichtlich bedrängende Frage auf, wie der Mensch gerechtfertigt werde; dies ist das entscheidende Problem, das er mit seinen verschiedenen „Geg-
1
E. Peterson, D e r G o t t e s f r e u n d ; in: Z K G 4 2 ( 1 9 2 3 ) 1 6 1 - 2 0 2 . 1 7 1 formuliert g u t : „ A n dieser Stelle erkennt m a n deutlich, daß der Begriff des Gottesfreundes kein eigentlich emotionales M o m e n t enthält, nichts w a s e t w a in eine mystische Richtung deutete. 0tXoc u n d ü7n?peri?c
deov
sind
beinahe s y n o n y m g e b r a u c h t ; n u r in d e m H a n d e l n des Weisen k o m m t eigentlich der Charakter der
Gottesfreundschaft z u m A u s d r u c k " .
2
D i b e ü u s , Jak 2 1 2 .
3
V g l . die zahlreichen u n d charakteristischen Belege in der jüdischen Auslegung, Str.—B.III 200f.
4
V g l . D i b e l i u s , Jak 2 1 3 ; vgl. auch n o c h P h ü o , L e g all I I I , 2 2 8 : 'Aßpaäp deco Kai biKaioq
evopiodr).
5
Pirke A b o t h 5 , 1 9 ; 4 M a k k 16,20; 17 6.
6
R o m 4 , 1 . 1 2 . 1 6 ; l C l e m 31,2.
112
ye rot eitiorevoe
reo
nern" diskutiert. Der Fromme des Frühjudentums aber stellt sich nicht so sehr die Frage, wie er gerechtfertigt werde, sondern mehr oder minder, wie seine eigene ihm wohlbewußte Sündhaftigkeit mit seiner ihm ebenso selbstverständlichen Gerechtigkeit in Einklang zu bringen sei. Auf dieses Problem, das deutlicher als anderswo in den Qumrantexten artikuliert wird, erhalten wir die Antwort, daß der Gerechte bei all seiner Sündhaftigkeit ein Gerechter bleibe, insofern er „der in Gnaden von Gott angenommene Sünder" bleibt. 1
Die Rechtfertigung Abrahams geschieht e£ epyuv. Natürlich sind die Werke in dem zu sehen, was das Zitat aus Gen 22 besagt . Aber welcher Sachverhalt ist damit angedeutet? Aus der Abraham-Überlieferung des Frühjudentums ging hervor, daß der Erzvater als der Gerechte schlechthin geradezu als Exponent der Gesetzestreue immer wieder in Erinnerung gerufen wird. Jene Gesetzestreue und das bei Abraham ausgewiesene Durchhalten in der Versuchung sind die entscheidenden Bedingungen, unter denen der Gerechte seine Gerechtigkeit bewahrt und sichert, so daß letztlich der darin aufgehende Glaube als Glaubensleistung und Tat des Menschen selbst zu einem verdienstlichen Werk wird. 2
Wenn nun in unserem Brief wie in den frühjüdischen Schriften Gen 15 und Gen 22 miteinander verbunden werden, dann scheint sich der Jak ganz auf jener Ebene zu bewegen. Dieser Eindruck wird sogar noch erhärtet, wenn in V.21 wohl von den Werken des Abraham, nicht aber von seinem Glauben die Rede ist. Freiüch bleibt dabei unbeachtet, daß das Beispiel auf V.22ab hingeordnet ist und dann in einem anderen Licht erscheint . 3
Gegenüber Gen 22,9 ( L X X ) ovp-no8ioaq 'loacuc TOV vibv CLVTOV e-nedriKev avröv etil TÖ dvoiaoTfipiov zitiert unser Autor mit äveveynaq, d.h. also ävaepeiv statt e-niriBevai ( L X X ) . ävaQepeiv ist terminus technicus des Opferwesens im A T und bringt das Hingeben Isaaks zum Ausdruck; möglicherweise will das avaQepeiv hier weniger die objektive Tat, die „Leistung" Abrahams, als vielmehr die innere Bereitschaft, seinen Sohn hinzugeben, hervorheben . Ist dieser Gedanke richtig, dann wird 4
5
1
Kertelge, Rechtfertigung 4 1 . Dieser subtue, wenngleich sachlich wichtige Unterschied w i r d v o n
2
W . M a r x s e n w e n d e t die A u f n a h m e v o n G e n 22 durch unseren A u t o r gegen Paulus: „ N u n w e i ß
S. Schulz in seiner erwähnten Studie „ D i e Mitte d e r Schrift" natürlich nicht gesehen. offenbar Jakobus, daß m a n A b r a h a m als Beispiel für Glaubensgerechtigkeit anführt ( w i e es j a auch Paulus t a t ) ; u n d d a r u m n i m m t er, nicht e b e n ungeschickt, in V e r s 22 diese Vorstellung auf u n d verbindet sie mit seinem Beispiel" ( D e r Frühkatholizismus im N T ( B S t 2 1 ) ; Neukirchen 1958, 3 1 ) . R . B . W a r d , T h e W o r k s o f A b r a h a m ; in: H T h R 6 1 ( 1 9 6 8 ) 2 8 3 - 2 9 0 versteht die 3
epya
des A b r a h a m w o h l d o c h zu einseitig v o n Jak 2,15f. her, vgl. 288—290.
Dies verkennt R . W a l k e r , A l l e i n aus W e r k e n ; in: Z T h K 61 ( 1 9 6 4 ) , 1 5 5 - 1 9 2 . 1 7 6 völlig, w e n n er ausführt: „ D e r G l a u b e , d e r in jeder Hinsicht v o n d e n W e r k e n lebt ( a u c h 2,18 nicht zu vergessen!), hat nach d e m kargen Wortlaut v o n 2,21 in Sachen der Rechtfertigung ( A b r a h a m s ) keinen eigenen W e r t — er w i r d überhaupt nicht erwähnt —, w ä h r e n d die W e r k e allen W e r t h a b e n " . V . 2 2 b e d a r f dann schon einer geschickten u n d einseitigen Interpretation, u m nahelegen zu k ö n n e n , d a ß der G l a u b e „nichts z u r Rechtfertigung vermag" ( 1 7 9 ) . A u c h S. Schulz, D i e Mitte w i r d natürlich nicht müde zu b e t o n e n , der M e n s c h w e r d e nach d e m Zeugnis des Jak n u r aufgrund seiner (Gesetzes)werke gerechtfertigt ( S . 285
286 u . ö . ) . A b e r auch oftmalige B e t o n u n g einer nicht belegten H y p o t h e s e
kann den Sachverhalt nicht u m k e h r e n . Z u R e c h t b e t o n t dagegen W . M a r x s e n b e i aller Kritik an Jak 2,14ff die Zusammengehörigkeit v o n G l a u b e u n d W e r k : D e r Frühkatholizismus, 3 1 . 4
V g l . B a u e r , W b s.v.
5
V g l . auch H a u c k , Jak 134.
113
bei den epya nicht so sehr an die von Gott angerechneten Leistungen des Abraham zu denken sein, sondern dann ist damit die bedingungslose Bereitschaft des Erzvaters angesprochen, ganz dem Anruf Gottes zu folgen. Dem entspricht voll und ganz, daß Abraham in unserer Schrift nicht mehr als der Gesetzestreue des Frühjudentums ver standen wird, der seine Gerechtigkeit durch die Beobachtung des Gesetzes bewahrt. Natürlich hat die frühjüdische Tradition unseren Autor veranlaßt, den Hörern die Gestalt Abrahams in der Verbindung von Gen 22 und Gen 15 vor Augen zu führen und an ihm die Möglichkeit zur Rechtfertigung darzustellen, indem Abraham hier wie dort als der „Gerechte", der gerechtfertigt wird, erscheint, aber Jakobus hat hier nicht so sehr die Einzelleistung, das verdienstliche Werk im Auge, sondern seine bedingungslose Bereitschaft in der Situation der Bedrängnis und Versuchung. Wäre der Verf. in der Auslegung Abrahams seiner frühjüdischen Tradition auch inhaltlich voll gefolgt und in ihrem gegenüber dem A T spürbar verengten Horizont stehenge blieben, so hätte er wohl gerade an dieser Stelle den Gesichtspunkt der Gerechtig keit durch Gesetzestreue eingebracht und einbringen müssen , ja, wenn unser Autor schon die Gestalt Abrahams heranzog, um seine These zu bekräftigen, hätte sich für ihn doch geradezu in der Auseinandersetzung die einmalige Gelegenheit ergeben, Abraham als den durch Gesetzestreue Gerechten den Hörern als Vorbüd darzustellen und damit die Gesetzesbeobachtung als den Heilsweg schlechthin zu definieren und die geforderten Werke als Leistungen jenem Gesetz gegenüber zu verstehen. Aber gerade dieser Gesichtspunkt scheint für unseren Autor überhaupt keine Rolle zu spielen, sind doch in unserem Brief die Werke nie Gesetzeswerke im jüdischen Sinn, sondern die uneingeschränkte Vertrauensbereitschaft auf Gott, 1,2-4; 2,21, bzw. die uneingeschränkte Liebe dem Nächsten gegenüber, 1,25. Läßt sich also das „Werk des Abraham" nicht auf seinen frühjüdischen Horizont reduzieren , so stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Werk im Hinblick auf die Rechtferti gung neu. Die Antwort wird in V.22 deutlich. 1
2
c)
Der durch Werke zur Vollkommenheit
gelangte Glaube
V.22ab hat als Mittelpunkt und theologisches Ziel des Beispiels und damit auch als Höhepunkt der sachlichen Aussage der ganzen Abhandlung zu gelten, denn hier wird die aus dem Beispiel folgende These vorgetragen: um den vollendeten Glauben geht es unserem Autor, auf diesen Gesichtspunkt ist seine Schlußfolgerung aus der Diskus sion gerichtet. Dieses Ziel wird vorbereitet in der Feststellung ßXeireiq ort rj TTLOTK; ovvfipyei TOIS e'pyoiq CLVTOV. Freilich scheint diesem Ziel der Vollendung des Glau bens die Formulierung von V.22a zu widersprechen, wenn vom Glauben gesagt wird, daß er (nur) „ a w r / p y e i " . Wenn man dieses ovvepyeiv nur im Sinne von „helfen, unterstützen" versteht, dann wird der Glaube nicht nur grundsätzlich auch zu einer Einzelleistung wie in der frühjüdischen Tradition, sondern ist in unserem Zusammen3
1
D a s W e r k in Jak 2,14ff ist j a gerade nicht das Gesetzeswerk in d e m v o n Paulus b e k ä m p f t e n Sinne; vgl. R . B . W a r d
T h e W o r k s 2 8 3 . A u c h F . M u ß n e r b e o b a c h t e t in der 3. A u f l a g e seines K o m
mentars z u m Jak richtig, daß der T e r m i n u s „ G e s e t z " in 2 , 1 4 - 2 6 überhaupt nicht v o r k o m m t ( 2 4 6 A . 3 7 ) . 2
A b e r a u c h der Satz v o n W . Schräge, K a t h . B r . 3 2 : „ D a s W e r k des A b r a h a m ist also der G r u n d seiner R e c h t f e r t i g u n g " dürfte so k a u m haltbar sein.
3
V o r allem, w e n n m a n mit W . Bauer, W b , s.v. übersetzen will: D u siehst, daß der G l a u b e seinen Werken ( n u r ) hüfreich z u r Seite stand".
114
hang schließlich nur ein dem Werk unterstehender, weil hilfreicher Faktor. Das Verb findet sich nur relativ selten im biblischen Schrifttum ; möglicherweise verwendet unser Autor den Begriff auch vorwiegend unter stilistischen Gesichtspunkten . A b gesehen davon dürfte die Übersetzung „hilfreich zur Seite stehen" den Sinn nicht voll wiedergeben, wie der sonstige ntl. Sprachgebrauch nahelegt . Wurde dem Verf. in der Diskussion immer wieder die Möglichkeit eines Nebeneinanders von Glaube und Werken vorgetragen, so will er hier doch wohl in erster Linie, wie auch das ovv—r)pyei anzeigt, die Zusammengehörigkeit von Glaube und Werk betonen. Von einer Hilfsfunktion des Glaubens für die Werke war bisher ja nie die Rede. Wenn unsere Schrift aber betonen will, daß der recht verstandene Glaube mit seinen Wer ken zusammenwirkt, so ist doch wohl der Glaube den Werken vorgeordnet und das Primäre. Das wird vor allem deutlich, wenn man zur Kenntnis nimmt, daß die Werke durch 1
2
3
4
die Formulierung Tolq
epyoiq
CLVTOV der iriarte
zugeordnet werden, d.h. zum Glauben 5
gehören, der Glaube also das Subjekt bleibt . Diese Auslegung trägt auch am ehesten der Grundfrage der geführten Auseinandersetzung Rechnung, die sich bekanntlich mit dem Problem konfrontiert, ob der Glaube allein ohne Werke retten kann und wird schließlich durch V.22b bestätigt: der Glaube wird aus den Werken vollendet, zu seiner Vollkommenheit gebracht. Im TeXeiovoOai hat der Glaube sein Ziel, und diesem Ziel dienen die Werke. Kennt auch das Frühjudentum die Vollkommenheit des Menschen durch sein Tun, so wird gerade in dem an unserer Stelle angeführten Vollkommenheitsmotiv jener Unterschied deutlich, der unseren Brief von einem we sentlichen Gesichtspunkt frühjüdischen Denkens, zumal der Abrahamsüberlieferung, absetzt: erwähnt das Frühjudentum das vollendete Tun (Jub 23,10) oder die voll endete Tat (Philo De Abr 177) des Abraham, so wird doch unsere Schrift gerade von dem Interesse an dem G l a u b e n Abrahams geleitet . Ist damit sicherge stellt, daß es dem Verf. um den Glauben geht und somit der Glaube das Primäre ist, dann läßt es sich kaum als „erstaunlich" vermerken, „daß der Glaube hier scheinbar mit gleichem Recht neben die Werke tritt" . Mit TeXeiovoOai ist jene Vollkommenheit gemeint, die den Glauben zu seiner eigentlichen und wesensmäßi gen Erfüllung bringt, den Glauben zum „rettenden Glauben" macht, vgl. 2,14 . 6
7
8
1
L X X : l E s r 7,2; I M a k k 12,1; N T : M k 16,20; Rom 8,28; I K o r 16,16; I K o r 6,1; Jak 2,22; A p . V ä t . : Herrn 59,6.
2
Wortspiel ovv
3
B a u e r , W b s.v. ( s . S . 1 1 4 A . 3 ) .
4
r) p y
e t
rofe
e p y
o i c .
V g l . aber auch die Jak 2,22 ähnliche Konstruktion Test X I I G a d 4 , 7 b : TÖ 8e äyänriq
ev paKpodvpia
ovvepyei
reo
vöpto
TOV deov
eiq
otoTT\piav
irvevpa TÖJV
777c avdpCjntov.
T r e f f e n d legt G . E i c h h o l z , G l a u b e u n d W e r k , 42 aus: „ D u siehst, daß der G l a u b e ihm zu sei nen die
W e r k e n verhalf, u n d daß v o n d e n W e r k e n her der G l a u b e zur V o l l e n d u n g k a m " . D a m i t ist Priorität des G l a u b e n s gewahrt.
5
Diesen Gesichtspunkt n i m m t R . W a l k e r , Allein aus W e r k e n , in der Exegese v o n V . 2 2 ( S . 1 7 7 -
6
V g l . Jub 23,10; P h ü o , D e A b r 177. M i t R e c h t deutet F . M u ß n e r , Jak 142 A . 2 diese Akzentver
181)
nicht ernsthaft zur Kenntnis.
schiebung an, o h n e allerdings weitere K o n s e q u e n z e n für das Verhältnis v o m Jak zur frühjüdi schen Überlieferung z u ziehen. 7
8
Dibelius, Jak 2 0 1 . W . M a r x s e n , D e r Frühkatholizismus 3 2 , b e t o n t mit gutem G r u n d , daß sich zwischen der Glau bensvorstellung des Jak u n d der des Frühjudentums „etwas geändert hat", da im Frühjudentum der
G l a u b e selbst ein W e r k sei.
115
Von der Vollkommenheitsforderung an den Christen handelte, wie wir sahen, auch schon der Abschnitt Jak l,2ff. Von daher liegt es nahe, einem möglichen Zusam menhang unseres Abschnittes mit l,2ff nachzugehen. Dieses enge Verhältnis wird zwar von den Autoren nicht übersehen , aber für den theologischen Hintergrund des Abschnittes kaum ausgewertet. Ein gemeinsamer Gedanke von beiden Stellen scheint insofern vorzuliegen, als die Zusammengehörigkeit von Glaube und Werk betont wird, beide Texte die Bewährung in der Versuchung fordern ( l , 2 f . ) bzw. diese in Abraham exemplarisch darstellen (2,21) und dabei der Glaube in der durch die Bewährung erreichte Vollkommenheit seine Erfüllung findet. Die Gemeinsamkeit des Grundge dankens fuhrt natürlich zu der begründeten Frage, ob dann nicht auch für 2,14ff der für l,2ff zu beanspruchende weisheitstheologische Hintergrund geltend gemacht werden kann. Wir werden darauf zurückkommen. 1
d)
Abraham, der „Freund
Gottes"
Unsere Analyse, die in V.22ab das theologische Ziel der geführten Diskussion sah, findet ihre Bestätigung durch V.22c; denn durch Kai e-nX'qpibd'q rj ypaQfi r? Xeyovoa will der Verf. seinen Worten die notwendige Autorität und Beweiskraft verleihen. Mit eiriorevoe Se'Aßpaap T Ü ; 0eco Kai eXoyiodr) e i e 8 iKaLOovvrjv formuliert Jakobus wie Philo De mut nom 177; Rom 4,3; lClem 10,6; Justin Dial 92 gegen L X X . eXoyiodi} e i e biKaioovvqv nimmt die in Vv.21f. angesprochene Rechtfertigung wie der auf. Anknüpfend an die frühjüdische Exegese werden hier die Motive aus Gen 22,9 und Gen 15,6 zusammengestellt; damit wird der entscheidende Unterschied zur paulinischen Abrahamauslegung deutlich, Rom 4,3ff; Gal 3,6 , die gerade auf Gen 22 völlig verzichten kann und muß. Die dagegen für unseren Brief zu bean spruchende Kontinuität mit der Tradition wird schließlich durch den dem Zitat angefügten Ehrentitel 0t'Xoe deov bestätigt. Sicher kennt der Autor den LXX-Text und will ihn wahrscheinlich auch hier anführen, doch liegt in V.23 jene erweiterte Form vor, „die die erbauliche Paraphrase jenem Text wahrscheinlich schon längst gegeben h a t " , denn Kai 0 i X o e deov gehört hier wohl zu dem zitierten Spruch. 2
3
'Aßpaäp enioievoev ist die Zusammenfassung dessen, was vorher von Abraham ge sagt wurde: es ist jenes moTeveiv, durch welches der Mensch gerechtgesprochen wird, der durch die Gehorsamstat im ausharrenden Vertrauen auf Gott zu seiner Vollkommenheit gelangte Glaube. Dieser vollkommene Glaube wurde dem Abraham zur Gerechtigkeit angerechnet . Das dem griechischen Verb Xoyi^eodai zugrunde liegende hebräische haBab beinhaltet sowohl den Gedanken des Buchens menschli cher Leistungen, wie man vielfältig aus den frühjüdischen Schriften entnehmen kann, als auch die schenkende Anerkennung durch Gott, so daß der Glaubende der Empfangende ist . Möglicherweise liegen hier beide Gesichtspunkte vor. Einerseits 4
5
1
V g l . zuletzt F . H a h n , G e n 15,6 im N T ; in: P r o b l e m e biblischer Theologie ( F S G . v . R a d z u m
2
I n d e m Paulus d e n G l a u b e n A b r a h a m s als U r b ü d des christlichen Glaubens versteht, löst er sich
70. G e b . ) , München 1971, 9 0 - 1 0 7 . 9 4 A . 1 6 . grundsätzlich von der jüdischen T r a d i t i o n , w ä h r e n d unser A u t o r sich b e w u ß t in jene Überlie ferung hineinstellt. 3
Dibelius, Jak 2 0 2 .
4
V g l . W . H e i d l a n d , A r t . Xoyi$eodai;
5
H e i d l a n d , A r t . X c r y i f e o d a u 2 9 3 , b e o b a c h t e t gut, Jak 2,23 unterscheide sich von der frühjüdi
in: T h W N T I V 292f.
schen Tradition „deutlich d a d u r c h , daß hier nicht das Verdienst des Glaubens hervorgehoben w i r d , sondern eine Verpflichtung z u m W e r k " .
116
läßt sich aus dem eXoyiodri der frühjüdische Hinweis auf die Werke nicht schlecht hin eliminieren, doch ist auf der anderen Seite trotz aller Gemeinsamkeit, die sich zwischen der jüdischen Exegese und unserem Brief nachweisen läßt und die für un seren Autor konstitutiv gewesen sein mag, aus dem Text nicht zu entnehmen, daß der Verf. bei dem Begriff Xoyi^eodai ähnlich wie die jüdische Tradition „an eine Art himmlischer Buchführung'' denke. Dem widerspricht sicher das Verständnis der biKaioavvri an unserer Stelle, die gegenüber der frühjüdischen Tradition ja nicht von der engen Bindung an die Leistung gegenüber dem Gesetz geprägt ist. Solches „Anrechnen" könnte dann begründet aus dem Text entnommen werden, wenn der Glaube selbst als Gesetzeswerk verstanden würde; die Konsequenz wäre dann der Gedanke an die von Abraham aufgrund seines Gesetzeswerkes bestimmbare Gerech tigkeit, die von Gott nur noch anerkannt und ratifiziert werden müßte. Demgegen über aber will unser Autor Abraham nur als den darstellen, der das zur Gerechtig keit erforderliche Zusammenwirken von Glaube und Werk verkörpert und daher als Vorbild des Gerechtfertigten gelten kann. 1
2
Für die Vollkommenheit seines Glaubens erhält Abraham den Ehrentitel 0t'Xoc deov Dieser Titel kommt zuerst in Sap 7,27 vor: dort ist er Bezeichnung für den von der Weisheit Gottes Auserwählten und steht dort auch in sachlichem Zusammenhang mit der Gestalt Abrahams, Sap 10,5. Von der jüdischen Tradition ausgehend hat die Bezeichnung in der frühchristlichen Exegese weite Verbreitung gefunden . Mög licherweise sind für unseren Autor jene Tradition von Sap 7,27 und der philonische Gedanke vom Weisen als Freund Gottes, vgl. nur Philo Quis rer div heres 21, ein flußreich gewesen. 3
F. Mußner bemerkt mit Recht, daß dieser Titel über die Bezeichnung als Si/caioe noch hinausgehe: „es ist der Ausdruck der engen Freundschaft, die zwischen Gott und Abraham besteht" ; diese aber wird nicht allein als die Freundschaft Gottes mit Abraham hingestellt, sondern gilt exemplarisch für den Christen, wenn er das Zusammenwirken von Glaube und Werk wie der Patriarch zur Geltung kommen läßt. 4
Damit schließt unser Autor die eigentliche theologische Diskussion ab und redet in V.24 in einem folgernden Satz die Hörer wieder an, wobei die Werke noch einmal hervorgehoben werden, ohne die der Glaube fruchtlos bleiben muß . Abschließend kommen wir noch einmal auf einen wichtigen schon genannten Ge sichtspunkt zurück, der uns möglicherweise den theologischen Hintergrund, von dem der Abschnitt zu verstehen ist, deutlicher machen kann. Wir sahen, daß das Ziel der Abhandlung in dem durch das Zusammenwirken von Glaube und Werk zur Vollkom menheit gelangten Glauben besteht. Dieses Zusammenwirken liegt nach 2,21 exem plarisch in der Bereitschaft des Abraham zur Opferung seines Sohnes, in seiner durchhaltenden Treue in der Anfechtung . Dasselbe Problem wurde aber schon in 5
1
Dibelius, Jak 2 0 3 .
2
V g l . o b e n S. U l f .
3
V g l . die Belege b e i E . Peterson, D e r Gottesfreund, 173f.
4
Jak 144.
5
Z u beachten ist aber das OVK muß
€K iriorecjjq
pövov,
m a n übersehen, w e n n m a n die Priorität der irißTiq
vgl. M u ß n e r , Jak 145 f. Dieses \iovov in unserem Abschnitt bestreiten will; sol
che Großzügigkeit ist S. Schulz, D i e Mitte der Schrift, nicht gerade fremd.
117
Jak 1,2ff aufgeworfen: Vollkommenheit durch Bewährung des Glaubens in der An fechtung. Diese Vollkommenheit ist aber nur in der von Gott kommenden Weisheit möglich, die dann zur Geltung kommt, wenn der Mensch sich anschickt, Gottes Wil len zu erfüllen. Mit dem formalen Glauben kann der Mensch nicht den „Kranz des Lebens" empfangen, sondern nur, wenn er, wie Abraham, von der Weisheit Gottes ergriffen ist, wenn er selbst ein „Weiser" ist . Wir sehen also, daß auch in diesem Abschnitt der Glaube in einem engen Verhältnis zur Weisheit steht, auf das Ziel der Erlangung der Weisheit gerichtet ist. 1
4.
Ergebnis
Der Abschnitt Jak 2,14 ist eine vom Verf. eigenständig durchgeführte Abhandlung, die ein Thema von verschiedenen Seiten und Gesichtspunkten her diskutiert: den rettenden Glauben. Wir wollen den theologischen Gedanken kurz zusammenfassen: In einem ersten Diskussionsgang mit einem fingierten Gegner wird die Frage auf geworfen, ob ein Glaube, der in der Praxis keine Werke hat, retten kann. Der ab lehnenden Antwort auf diese Frage folgt ein vom Verf. konstruierter zweiter Dis kussionsgang, in dem ein fingierter Gegner dem Autor gegenüber argumentiert, der eine könne Glaube haben, der andere Werke. Der Ablehnung auch dieser These folgt die Formulierung der Stellungnahme unseres Verf. und damit die theologische Ziel setzung des Abschnittes. Rechtfertigender Glaube kommt nur da zustande, wo jener Glaube mit seinen Wer ken zusammenwirkt und so zur Vollkommenheit gelangt. Exemplarisch stellt Jak diesen Gesichtspunkt an der Gestalt Abrahams dar, der wegen des Zusammenwir kens von Glaube und Werk als Weiser und Freund Gottes bezeichnet wird, der durch seinen vollkommenen Glauben im Tun des Willens Gottes zum Weisen gewor den ist. Wir sehen: Der Glaube als formales Bekenntnis hat keine rettende Kraft. Erst wenn der Mensch seine Werke aufzuweisen hat, gelangt er zu Vollkommenheit und Weis heit, die ihm Gerechtigkeit vor Gott erwirkt.
1
I n diesem Z u s a m m e n h a n g ist noch einmal daran zu erinnern, daß v o m G l a u b e n in 2,14ff die W e r k e gefordert w e r d e n , u m rettende Kraft zu erlangen; w a s hier v o m G l a u b e n gefor dert w i r d , hat in 3,13.17 die v o n G o t t k o m m e n d e Weisheit; vgl. die Analyse bei U . L u c k , D e r Jakobusbrief
118
164.
D R I T T E R T E I L : JAKOBUSBRIEF UND JESUSÜBERLIEFERUNG
A
GEMEINSAMKEITEN ZWISCHEN JAKOBUSBRIEF UND SYNOPTISCHER JESUSÜBERLIEFERUNG
Im Anschluß an unsere exegetisch-religionsgeschichtlichen Untersuchungen zum Jak wollen wir noch eine Frage anschneiden, deren Behandlung sich geradezu aufdrängt und die möglicherweise von einem anderen Gesichtspunkt her dazu beitragen kann, das theologische Problem des Jak einer Lösung näherzuführen: Jakobusbrief und synoptische Jesusüberlieferung. Kaum eine Schrift im N T weist bekanntlich so viele Gemeinsamkeiten mit der synoptischen Jesusüberlieferung auf wie der Jak , vor allem mit der Bergpredigt . Das führt zu der Frage, ob möglicherweise unser Brief und Teile der synoptischen Jesusüberlieferung in einem besonderen Verhältnis zueinander stehen, sei es terminologisch, sachlich oder religionsgeschichtlich . 1
2
3
Schon die Beobachtung, daß die Form der Spruchüberlieferung und des Jak die glei che ist, sowie die Tatsache, daß weite Teile der synoptischen Jesusüberlieferung eben so wie der Jak der literarischen Gattung der Paränese zuzurechnen sind , begründet unsere Frage. Eine Reihe von Berührungen soll nun in diesem ersten Teil des Kapitels zunächst zusammengestellt werden. Daraus sich ergebende Sachfragen wollen wir dann im nächsten Abschnitt ( B ) gesondert untersuchen. 4
1. Zu Beginn unseres Briefes spricht unser Autor, wie wir sahen, eine Mahnung zur Vollkommenheit aus, die der Mensch als in der Geduld Erprobter gewinnen soll, 1,2—4 . Vollkommenheit ist auch das zentrale Ziel der Bergpredigt des Evangelisten Matthäus. Nun steht die Vollkommenheitsforderung des Jak unter weisheitlichen Voraussetzungen, wie 1,5 deutlich zu erkennen gibt. Auch die Bergpredigt des Mt 5
1
M u ß n e r , Jak 48—50 hat hier umfangreiches Material zusammengestellt; vgl. auch Beyschlag, Jak 18f. A u c h F. Spitta, Jak 155—183 hat sich mit diesem P r o b l e m auseinandergesetzt.
Frei
lich stellt er sich die Frage unter d e m Gesichtspunkt einer möglichen Abhängigkeit des Jak von den synoptischen
Evangelien; die Möglichkeit, d a ß unser Brief mit etwaigen
synoptischen
Überlieferungsstadien zusammenhängen k ö n n t e , z o g Spitta n o c h nicht in E r w ä g u n g . Schließ lich w e n d e t sich Spitta nur scheinbar wörtlichen Ü b e r e i n s t i m m u n g e n zu, sachliche u n d thema tische Gesichtspunkte erörtert er nicht. Schließlich schneidet
auch E. L o h s e , G l a u b e u n d W e r k e ,
diese Frage an. G e g e n ü b e r der von G . Kittel mehrfach geäußerten H y p o t h e s e , der Jak sei die älteste Schrift des N T u n d stehe in der unmittelbaren Jesustradition (vgl. die A u f s ä t z e : D i e Stellung des Jakobus zu Judentum u n d H e i d e n t u m ; in: Z N W 30 ( 1 9 3 1 ) 1 4 5 - 1 5 6 ; D e r Jakobus b r i e f u n d die apostolischen V ä t e r ; in: Z N W 43 ( 1 9 5 0 / 5 1 )
5 5 - 1 1 2 ; D e r geschichtliche
O r t des
Jakobusbriefes; in: Z N W 41 ( 1 9 4 2 ) 71 — 105) lehnt L o h s e mit der neueren Exegese zu R e c h t a b . N a c h einem möglichen Z u s a m m e n h a n g zwischen Jak u n d Überlieferungsstadien der Jesus überlieferung aber fragt auch er nicht. 2
D i e A r b e i t von F . Eleder, Jakobusbrief u n d Bergpredigt, Diss. W i e n 1964, trägt für unsere Frage nicht viel aus.
3
D a s hier gestellte P r o b l e m ist bisher n o c h nicht recht in die theologische Diskussion eingegan gen. D e m e n t s p r e c h e n d versteht sich das hier vorzutragende Kapitel als eine A n r e g u n g zu d e m genannten F r a g e n k o m p l e x , die an einigen zentralen Gesichtspunkten begründet w e r d e n soll. Herr Prof. V ö g t l e hat mich dazu ermutigt; wesentliche Hinweise gab mir auch W . G r u n d m a n n ; mit ihm konnte ich einen wertvollen Gedankenaustausch über das gestellte P r o b l e m fuhren.
4
V g l . D i b e l i u s , Formgeschichte 234ff, bes. 2 3 9 - 2 4 3 .
5
V g l . den ersten A b s c h n i t t der vorliegenden Untersuchung S. 18—43.
119
1
steht in einem besonderen Verhältnis zur frühjüdischen Weisheitstheologie . Die an gesprochene Gemeinsamkeit, die nicht auf literarischer Abhängigkeit beruhen muß, ist auffällig, zumal nur Mt die Forderung nach Vollkommenheit erhebt (5,48 diff. Lk 6 , 3 6 ) . 2
2. Zur Erlangung der Vollkommenheit muß der Mensch in Jak 1,5 um Weisheit bitten: et 5e r t c ... Xeinerai ooxpiaq, aireiTcj ... Kai bo&r\oeTai. Der Satz hängt eng
zusammen mit
Mt
7,7:
aireioBe
Kai
Sodfioerai
3
bßiv .
3. In Jak 2,5f. weist unser Autor darauf hin, daß die Reichen die Christen unter drücken, sie vor die Gerichte schleppen und ihren Namen lästern. Lk 6,22 preist die Christen selig, wenn die avdpwnoi ihren Namen schmähen, weil ihr Lohn im Himmel groß sein wird. Stellen wir die auffallenden Entsprechungen in beiden Über lieferungen gegenüber: Lk 6,20f.
Jak 2,5 Verheißung der ßaoikeia
an die
TTTCJXOl TU KOOßCO
Seligpreisung der Jünger (7T7COX°t>
TT€LVCOVT€<;
, üXaiOPTeq )
und Verheißung der
ßaoikeia
Mt 5,3 Seligpreisung der TITOJXOI TCO TTvevfiaTL und Verheißung der ßaoikeia
Jak 2,6f.
Lk 6,22
Unterdrückung, Verklagung der Christen, Schmähung des KaXöv ovoßa durch die ITXOVOIOI
Haß, Ausschluß der Christen, Schmähung des Christusnamens durch die
ävdpwnoi
Mt 5,11 Schmähung, Verfolgung und falsche Nachrede über die Christen Terminologisch und sachlich ergeben sich in den angeführten Überlieferungen einige aufschlußreiche Entsprechungen. Jakobus wie die Jesusüberlieferung verheißen den TTTCJXOL die ßaoiXeia. Lk 6,22 steht Jak 2,6f. sicherlich nahe; wenn auch bei Lk vom Schleppen vor die Gerichte nicht die Rede ist, so muß mit Christenprozessen doch auch hier gerechnet werden, wenn vom Ausschluß der Christen gesprochen wird. Offenbar führt die Verfolgung „zu richterlichen Maßnahmen gegen die Jünger" . 4
1
V g l . U . Luck, Die Vollkommenheitsforderung 4 9 - 5 6 .
2
eoeode
reXeioi geht a u f matthäische R e d a k t i o n zurück. M u ß n e r , Jak 4 7 scheidet jede Gemein
samkeit v o n M t 5,48 u n d Jak 1,4 möglicherweise etwas zu schnell v o n vornherein aus. 3
V g l . o b e n S.40;
zu d e m sachlichen Z u s a m m e n h a n g v o n Jak 1,5 u n d M t 7,7 vgl. W . G r u n d
m a n n , M t 223. 4
G r u n d m a n n , L k 143.
120
Doch darf ein grundlegender Unterschied zwischen den beiden Überlieferungen nicht übersehen werden: das Ziel der luk Aussage besteht darin, daß Haß, Verfolgung u.a. zum christlichen Leben notwendig hinzugehören, und wegen dieser Erduldung preist Lk seine Hörer selig. Demgegenüber benutzt der Verf. des Jak die Vorkommnisse gegen die Christen dazu, die Hörer davon zu überzeugen, daß es unchristlich ist, gerade diejenigen, die Gott erwählt hat, zu benachteiligen ufid gerade diejenigen, die die Christen unterdrücken, wegen ihres Reichtums und Ansehens in der Welt den Ar men vorzuziehen. Unser Brief will also mit den erwähnten Erfahrungen seine Mahnung den Hörern verständlich machen. Dabei stellt Jakobus keinerlei theologische Reflexion über das Verfolgtwerden an sich an, sondern in der vorliegenden Gestalt des Textes kommt es lediglich auf die Tatsache des Verfolgtwerdens als solche an. Möglicher weise stehen Jak 2,5-7 sachlich aber der matthäischen Überlieferung näher als dem luk Text, denn die Seligpreisung der Armen, das durch Jesus neu zur Geltung ge brachte Gesetz und das Vollkommenheitsmotiv bilden auch in der matthäischen Über lieferung einen theologischen Zusammenhang . 1
4. Wir sahen, daß der Jak eine eigene Abhandlung über die „Weisheit von oben" vorträgt, die er der irdischen Weisheit gegenüberstellt. Auch die Jesusüberlieferung scheint die zweifache Weisheit zu kennen, Mt ll,25f. / Lk 10,21. Das Verhalten, welches nach Jak 3,13ff den Ausweis der Weisheit „von oben" darstellt, preist darü ber hinaus der Evangelist Mt in den Makarismen selig: Mt 5,5 ist von den npaeiq die Rede, vgl. Mt 11,29. Jak 3,13 wird bekanntlich die ooQla ihrem Wesen nach npavq genannt; in der -npavT^q ooQiaq soll der Weise seine Werke aufweisen. Mt 5,7 ergeht der Heilsruf an die, die sich erbarmen; nach Jak 3,17 ist die Weisheit eine oo(pia
peoTri
eXeovq
. Mt 5,9 werden die „Friedenstifter" seliggepriesen; Jak
3,18
wird denen, die Frieden schaffen, eschatologisch die Frucht der Gerechtigkeit in Frieden verheißen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, daß sich die Berührungen auf jene Makaris men erstrecken, die wir der weiteren Q-Überlieferung der matthäischen Gemeinde zurechnen können, Mt 5,5.7—9 . Diese bilden die zweite Reihe in der Makarismengruppe Mt 5,3 — 12. Wie die erste Makarismenreihe Mt 5,3f.6.11f., die schon in Q überliefert ist, beginnt auch die zweite Reihe mit einer Seligpreisung an die Armen, denn TTTCOXÖS und -npavq gehen auf denselben hebräischen Grundbegriff zurück . 2
3
Der matthäische Zusammenhang Mt l l , 2 5 f f greift nun, mehr als der luk Parallel text Lk 10,21 f. - zu Mt 11,28-30 ist bei Lk keine Entsprechung überliefert - , den Ruf an jene mit npaeiq und ITTGJXOL gemeinte Gruppe wieder auf, wenn Mt 11,25
/ Lk 10,21
die Offenbarung an die vrjTuoi ergeht, die mit den nTejxoi
in
einem Zusammenhang gesehen werden. Diese Offenbarung besteht darin, daß sie ent gegen allen Maßstäben der Menschen durch Jesus zu Weisen berufen werden . Jener 4
1
W e n n es zutreffend ist, daß es d e m A u t o r des Jak in 2 , 5 - 7
vorwiegend auf die Tatsache der
V e r f o l g u n g als solche a n k o m m t u n d er k a u m weitere theologische Reflexionen anstellt, dann k o m m t unser Brief der matthäischen Überlieferung auch dadurch näher, daß auch der T e x t des ersten Evangelisten allgemeineren Charakter trägt als die luk Parallelstelle, ist d o c h die von M t geschüderte V e r f o l g u n g „in erster Linie darin gegeben, daß der gute R u f der Jünger durch V e r l e u m d u n g u n d Beschuldigung untergraben u n d zerstört u n d a u f diese Weise ihre Wirksamkeit u n m ö g l i c h gemacht w i r d " ( G r u n d m a n n , M t 133). 2
Dieses Ergebnis hat sich in der Analyse der Seligpreisungen gezeigt
3
V g l . unten S. 133.
4
V g l . F. Christ, Jesus S o p h i a 83f.
vgl. unten S.133f.
121
Ruf geschieht nach M t 11,29 aber durch Jesus, der sich selbst als Weisheit versteht, der npavq und Taneivöq ist, der als vr)inoq „zum Offenbarer für die vriinoL bestellt (ist)" . 1
1
W. G r u n d m a n n , D i e N H I I I O I
122
203.
B
Z U R THEOLOGIE
Wir wollen in diesem zweiten Abschnitt versuchen, auf dem Hintergrund der Beob achtungen in den vorgetragenen Ausführungen einigen zentralen theologischen Sach verhalten nachzugehen, die sich für die Frage nach dem Verhältnis von Jak und Jesusüberlieferung aufdrängen.
/.
Vollkommenheit
durch Erfüllung des Gesetzes
An die Mahnung zu guten Werken Mt 5,16 schließt der erste Evangelist einen pro grammatischen Abschnitt über das Gesetz an, das er, wie wir noch sehen werden, als Liebesgebot versteht. Dieser Abschnitt umfaßt die Vv. 5,17—19.20. Der Jak mahnt in 1,22, nicht nur Hörer des Wortes zu sein, sondern es auch in der Tat zu verwirklichen. Nach 1,25 geschieht dies durch das Tun des vöpoq reAeioc n?c ekevdepiaq , der sowohl in diesem Zusammenhang, vgl. l,26f., wie auch in 2,8-12 im Liebesgebot aufgeht und sich erfüllt. Diese Gemeinsamkeit begründet die Frage nach der Funktion des Gesetzes in beiden Überlieferungen. Auch von einem weiteren Gesichtspunkt her drängt sich die Frage auf: Jak 2,10 betont nachdrücklich, wie wir feststellen konnten , die uneingeschränkte Gültigkeit und den bleibenden Anspruch des ganzen Gesetzes. Der Spruch Mt 5,18f. ruft in Erinnerung, daß kein Buchstabe des Gesetzes, keiner der „Zierstriche" am Gesetz entbehrlich ist. In beiden Überlieferungen aber scheint das Ritualgesetz keine Rolle mehr zu spielen. Diese sachliche Entsprechung erfordert eine nähere Untersuchung. 1
Wenn es schließlich richtig ist, daß die Ausführungen über das Gesetz Jak 2,8-12 geradezu wie eine Deutung von Mt 5,17 aussehen , dann ist die Fragestellung wohl begründet. Der Aussage des Gerichtes nach den Werken bzw. der Erfüllung des Ge setzes bei Mt entspricht zudem im Jak der eschatologische Gedanke, daß der Täter des Werkes glückselig ist in seinem Tun, 1,25, und vom „Gesetz der Freiheit" ge richtet wird, 2,12. Sind die genannten Anhaltspunkte deutlich, muß zunächst der Abschnitt Mt 5,17—19 analysiert werden , um die daraus gewonnenen Gesichtspunk te dann den Aussagen des Jak gegenüberstellen zu können. 2
3
4
Da Mt 5,17—19 wohl keine ursprüngliche Einheit bilden , ist es für die Beantwor tung unseres Problems unerläßlich, die Überlieferungsgeschichte des matthäischen Textes zu untersuchen.
1
Vgl. oben S.91f.
2
S o sieht es jedenfalls R . Schnackenburg, D i e sittliche Botschaft des N T ; München 2. A u f l .
3
A u s der fast unübersehbaren Literatur vgl. vor allem: R . B u l t m a n n , D i e Geschichte der synop
1962,
285.
tischen T r a d i t i o n ; Göttingen 7. Aufl. 1967, le ( W M A N T 3 3 ) N e u k i r c h e n 1969,
146f.; D . Lührman i, Die Redaktion der Logienquel-
1 1 6 - 1 1 8 ; W . Trüling, Israel, 1 6 7 - 1 8 6 ; E . Schweizer, M t
5 , 1 7 - 2 0 — A n m e r k u n g e n z u m Gesetzesverständnis des Matthäus; in: Neotestamentica, Zürich 1963, 3 9 9 ^ 0 6 ; E. Schweizer, Matthäus u n d seine G e m e i n d e ( S B S 7 1 ) , Stuttgart 1974, Barth, Gesetzesverständnis, 6 0 - 7 4 ; G . Strecker, D e r W e g der Gerechtigkeit ( F R L A N T tingen 2. A u f l .
1966; zu V . 1 8 vgl. A . V ö g t l e , Das N e u e Testament u n d die Z u k u n f t des Kos
mos; Düsseldorf 1970, 4
78-85;
82) Göt
99ff.
Gegen B u l t m a n n , T r a d i t i o n , der 5 , 1 7 - 1 9 Q zuschreibt.
123
Da Mt 5,18 und Lk 16,17 sich z.T. wörtlich entsprechen, werden zumindest diese beiden Verse im Grundbestand auf die Spruchquelle zurückgehen. Wir setzen daher mit unserer traditionsgeschichtlichen Analyse bei diesem Logion ein.
1.
Mt 5,18
I Lk
16,17
Die starken Gemeinsamkeiten von Mt 5,18 und Lk 16,17 stellen sicher, daß das Logion in der Spruchquelle gestanden hat; zwar muß es hypothetisch bleiben, den ursprünglichen Text wörtlich zu rekonstruieren, doch wird man davon ausgehen kön nen, daß der lukanische Text der Q-Vorlage insgesamt näherkommt als der matthäische . 1
2
äßfiv ydß Xeyco bfiiv bei Mt kann keine Ursprünglichkeit für sich beanspruchen . Das machen zunächst der lk Paralleltext sowie die Tatsache, daß Mt zumindest 19,23; 24,2 die Formel in die Mk-Vorlage und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch öfter in Q einfügt, vgl. Mt 10,15; 17,20; 18,13 u . ö . , naheliegend. Auch die Schluß bemerkung von V.18, e c o c dv KÖPTCL yevqrai, wird auf den redaktionellen Eingriff des Evangelisten selbst zurückgehen , während das erste e c o c dv dem ersten Evange listen vorgelegen haben dürfte; denn Mt wird kaum beide Wendungen, ecoc dv -nape\Br\ und e c o c dv tiovra yevrjTai, selbst geschaffen haben. Ist diese Analyse richtig, dann geht ebnoirtoTepov 5 e eoriv auf lk Redaktion zurück. Die Formulierung t c ö r a ev f? kann man dem ersten Evangelisten zuschreiben, freilich ist es auch mög lich, daß Lk sie ausgelassen hat, weil sein hellenistischer Leserkreis die mit der Er wähnung des kleinsten Buchstabens des hebräischen Alphabets verbundene Aussage absicht nicht verstand und dieser Zusatz damit überflüssig wurde. 3
4
Ist eine wörtliche Rekonstruktion des Logions wohl nicht sicherzustellen, so ist doch für Q der Gedanke vorauszusetzen, daß dem Gesetz uneingeschränkte Gültigkeit zu kommt . Lk behält im wesentlichen den sprichwortartigen Charakter des Logions bei, während bei Mt das Wort zu einem Grundsatz geworden ist: das Gesetz ist in Geltung, „bis es in seiner Ganzheit erfüllt ist" . Damit führt der erste Evangelist den Gedanken an 5,17 heran, insofern er diese Erfüllung auf die Person Jesu und Lehre und Tun seiner Nachfolger bezieht. 5
6
1
V g l . L ü h r m a n n , R e d a k t i o n , 116.
2
V g l . L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 116; Trilling, Israel 169; Barth, Gesetzesverständnis 60f. meint, 5,18 h a b e d e m Evangelisten bereits vorgelegen, „mit A u s n a h m e vielleicht des Schlusses e c o c dv
3
irävTa
yevqTat".
D i e These v o n J. Jeremias, Kennzeichen der ipsissima v o x Jesu; in: Synoptische Studien ( F S A . Wikenhauser z u m 70. G e b . ) , München 1954, 8 6 - 9 3 . 9 0 f . , M t h a b e hier entgegen seiner zu b e o b a c h t e n d e n T e n d e n z die äpf}v -Wendung nicht gestrichen, d.h. traditionell a u f g e n o m m e n , widerlegt Trilling, Israel 169 A . 1 2 .
4
Trilling Israel 168; G r u n d m a n n , M t 148; Schulz Q 114; Barth, Gesetzesverständnis 6 6 ; V ö g t l e ,
5
Vielleicht ist M k 1 3 , 3 1 eine Variante des Q - L o g i o n s . „ D a ß eine spätere, vor allem heidenchrist
K o s m o s 101. liche V e r w e n d u n g des Q - L o g i o n s 'den W o r t e n ' Jesu jene ewige Gültigkeit zuschrieb, die j u d e n christliche Kreise für 'das Gesetz' beanspruchten, wäre eine gewiß verständliche Entwicklung" ( V ö g t l e , K o s m o s 101). 6
G r u n d m a n n , M t 148.
124
2.
Das Logion
V.19
Der folgende V.19 hat keine Parallele im lk Zusammenhang, nur Mt fügt eine Ent faltung des Gedankens Mt 5,17 / Lk 16,17 an. Traditionsgeschichtlich ergeben sich für den Satz mehrere Möglichkeiten: er könnte zunächst in der Spruchquelle gestan den haben, dann hätte Lk ihn ausgelassen und Mt ihn beibehalten; ferner könnte, falls er nicht in Q stand, Mt oder die vormatthäische Q-Überlieferung ihn eingefügt haben; schließlich wäre es aber auch noch möglich, daß der erste Evangelist hier einen sonst überlieferten Einzelspruch aufgenommen hat. R. Bultmann ist der Ansicht, Mt 5,17-19 gebe „die Stellung der konservativen palästinensischen Gemeinde in Gegensatz zu der hellenistischen wieder", und Lk habe aus diesem Stück, „das seiner Art zuwider war, nur ein Fragment gebracht" . Demgegenüber hat aber W. Trilling gezeigt, daß das Logion V.19 von dem sicheren Q-Logion V. 18 von Stil und Denkart her abgehoben werden muß ; dies trifft auch dann zu, wenn die beiden Verse dem ersten Evangelisten möglicherweise schon zu sammen vorgelegen haben. Damit ist die Frage zu beantworten, ob Mt hier ein über liefertes Einzellogion aufgenommen hat oder die vormatthäische Q-Überlieferung den Satz 5,18 angewendet und damit V.19 gebildet hat . Kann das Q-Logion V.18 die Funktion einer ,judenchristlichen Kampfparole" gehabt haben , dann erscheint es wohl möglich, daß die Weiterüberlieferung von Q in der matthäischen Gemeinde die beiden antithetischen Sätze V.19 gebildet hat, welche dann „die kasuistische Anwendung des Satzes 5,18 darstellen" . Läßt sich diese Hypothese wahrscheinlich machen oder muß V.19 als überliefertes Einzellogion angesehen werden? 1
2
3
4
5
W. Trilling beobachtet gut, das Wort V.19 sei „vermutlich eine Antwort auf eine freiere Lehrrichtung, die bestimmte Gebote der Tora nicht als verbindlich ansah" . Dann aber stellt sich folgende Überlegung: wenn V.19 auch aus stilistisch-struktu rellen Gründen von V.18 abgehoben werden muß, und andererseits V.19 ein Wort „mit ähnlicher Tendenz" ist, wird die Annahme einer alten Tradition, die ursprüng lich von V.18 isoliert und unabhängig war, aber von der Gemeinde des Mt schon zusammen überliefert wurde, nicht wahrscheinlich . Naheliegender ist die angedeutete Hypothese, daß die Weiterüberlieferung von Q in der mt Gemeinde diesen Vers ge bildet hat . Die Annahme einer Bildung des Spruches in der vormatthäischen QÜberlieferung wird zudem durch die Tatsache nahegelegt, daß schon die Tradition des ersten Evangelisten solche Rechtssätze, wie sie in 5,19 oder auch 18,18 vorlie gen, gebildet h a t . 6
7
8
9
10
1
Tradition
147.
2
Israel
3
D a ß M t selbst den V e r s g e b ü d e t h a b e , ist zunächst sehr fraglich, w e ü die m t Interpretation in
4
V ö g t l e , K o s m o s 101; G r u n d m a n n , M t 148; vgl. Schweizer, M t 61 f.; ders., M t 5 , 1 7 - 2 0 4 8 3 .
5
Lührmann, Redaktion
6
Israel 181.
5,20
180f. folgt. 117.
7
Schweizer, M t 6 2 .
8
S o Trüling, Israel 182: „ D a s L o g i o n V e r s 19 ist in dieser F o r m vermutlich eine alte T r a d i t i o n , die der G e m e i n d e wichtig w a r in der Auseinandersetzung zwischen strengeren u n d freieren Richtungen innerhalb der
Judenchristenheit".
9
A u c h Trüling hält diese Traditionsgeschichte
1 0
V g l . Lührmann, Redaktion
für möglich: Israel I82f.
107-121.
125
3.
Der Erfüllungsspntch
V.l7
Auch V . l 7 hat keine Entsprechung bei Lk und dürfte wohl auch nicht zu Q gehört haben. Geht der Vers auf den Evangelisten zurück oder hat Mt ihn bereits vorge funden? Mit ziemlicher Sicherheit kann man davon ausgehen, daß pr) vopiorjTe ÖTI
r)X6ov
icaTaXvoai
... OVK f)X0ov
... äXXä
auf die Redaktion des Mt zurückgeht.
Terminologisch und formal entsprechend aufgebaut ist Mt 10,34, auch hier wird der Evangelist selbst formuliert haben . Ebenfalls auf die Hand des Mt weist die Formel TOV vöpov r] rovq Trpor)Taq ; denn sicher redaktionell ist die Wendung Mt 7,12; 22,40; rj rovq npoQriTaq fügt der Evangelist dann nicht ohne Grund abwei chend von der vorliegenden Tradition Vv.l8f. zu vöpoq hinzu: das durch die Pro pheten ausgelegte überlieferte Gesetz wird als Willenskundgabe Gottes von Jesus er füllt. Wie die auf die Redaktion des ersten Evangelisten zurückgehenden Stellen 7,12; 22,40 zeigen, ist mit der genannten Wendung ö vöpoq rj (Kai) oi -npo^rai sachlich nichts anderes gemeint als das Liebesgebot , das durch Jesus zur Erfüllung gekom men ist, wie Mt durch nXrjpovv zum Ausdruck bringt. 1
2
3
Man kann also davon ausgehen, daß Mt 5,17 ganz auf die Redaktion des ersten Evangelisten zurückgeht, und zwar ,,zur Abwehr eines Mißverständnisses der Sen dung Jesu" , die das Gesetz für entbehrlich hält . 4
5
Was ist nun mit dem „Erfüllen" des Gesetzes gemeint? Zur Erklärung ist zunächst der Begriff KaraXveiv als Gegenüber von -nXripovv heranzuziehen. Trilling betont, der Begriff KaraXveiv ziele „auf den normativen Charakter der Schrift", Jesus sei gekommen, „Gottes Offenbarung und Weisung an sein Volk nicht zu abrogieren oder durch eine neue Offenbarung und Weisung zu ersetzen, sondern durch seine Verkün digung und in Vollmacht vorgetragene Lehre zu ihrer Erfüllung zu bringen" . Zweifellos ist es zutreffend, mit dem Begriff -nXripovv an dieser Stelle den Gesichts punkt von Jesu Lehre zu verbinden und deutlich herauszustellen. Aber dieser Aspekt muß durch den Gedanken des „Tuns" ergänzt werden, der wohl auch in der Aussageabsicht des ersten Evangelisten enthalten ist. Für die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme lassen sich einige Beobachtungen geltend machen: Vor unserem Abschnitt über das Gesetzesproblem findet sich die wohl auf den Evangelisten selbst zurückgehende Mahnung zu guten Werken ; entsprechend ist das mangelnde Tun der 6
7
1
2
3
4
Barth, Gesetzesverständnis 6 2 A . 3 . V g l . G r u n d m a n n , M t 146. Auch
-nX-qpovv
Apg);
vgl. Barth, Gesetzesverständnis 6 2 ; Trüling, Israel 175.
könnte M t selbst gesetzt h a b e n : M t 16mal, M k dreimal, L k 9mal ( 1 6 m a l in
G r u n d m a n n , M t 144. N a c h Trilling, Israel 172 m u ß pr) vopior\re
nicht auf eine solche
Abwehr
in d e r Auseinandersetzung u m das Gesetz hindeuten, „sondern kann allein rhetorisch auf die B e t o n u n g der positiven Aussage zielen, d a ß Jesus 'zu erfüllen' g e k o m m e n sei". 5
L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 117 hält die Möglichkeit o f f e n , d a ß M t V . l 7 aus der Tradition auf n i m m t , die eigentliche Interpretation folge erst V . 2 0 . A u c h G . B o r n k a m m , Enderwartung u n d Kirche i m Matthäusevangelium; in: B o r n k a m m - B a r t h - H e l d , Überlieferung u n d Auslegung im Matthäusevangelium 13—47.21 scheint V . l 7 für traditionell z u halten.
6
Israel 178. Ä h n l i c h versteht Barth, Gesetzesverständnis 6 3 - 6 5 das W o r t -nXrjpovv, das er mit „aufrichten" übersetzt: „Diese völlige A u f r i c h t u n g des Willens Gottes, des Gesetzes durch Je sus geschieht hier -
d e m Z u s a m m e n h a n g entsprechend -
ausgeführt w i r d " ( 6 4 ) . 7
V g l . G r u n d m a n n , M t 140f.: Schweizer, M t 59.
126
durch Jesu Lehre, w i e sie in 5,20 ff
eigenen Lehre der zentrale Vorwurf, den Jesus nach dem ersten Evangelium gegen die Pharisäer erhebt, vgl. nur Mt 23,3. Aber nicht nur dieser allgemeine Hinweis läßt die angedeutete Auslegung zu: daß mit -n\r\povv mehr gemeint ist als nur die Lehre, wird dann deutlich, wenn man den Begriff nicht nur von KaTaXveiv her interpretiert, sondern bedenkt, daß mit der Gegenüberstellung von KaTaXveiv und •nXripovv in dem redaktionellen V.17 der Gegensatz von Xveiv einerseits und -noieiv Kai SibäoKeiv V.19 andererseits vergleichbar ist ; in der dem Evangelisten vorgegebenen kasuistischen Anwendung ist also ausdrücklich vom Tun die Rede. Dem entspricht die Interpretation der Tradition 5,18f., die der Evangelist in V.20 anfügt und programmatisch als Überschrift über die Antithesen 5,21-48 versteht: die „bessere Gerechtigkeit", die Mt 5,20 fordert, schließt insofern das Tun ein, als es der Gerechtigkeit der Pharisäer gegenübergestellt und als Kriterium für die ßaoiXeia verstanden wird, und gemeint ist mit solcher Gerechtigkeit nichts anderes als die 5,17 erwähnte Erfüllung des Gesetzes. Zwar kommt -nXr\povv im Sinne von „ T u n " nur selten vor, aber immerhin liegt auch Rom 13,8 dieses Verständnis v o r . Unsere Auslegung ist dann gesichert, wenn Mt 5,17ff und Rom 13,8 auf eine judenchristlich-katechetische Überlieferung zurückgehen . Für das Tun Jesu macht E. Schwei zer auch Mt 3,15 geltend: In diesem Sinne hat Jesus auch nach 3,15 durch seine Tat, nämlich durch die demütige Unterstellung unter die Taufe des Johannes, alle Gerechtigkeit 'erfüllt'. Vor allem spricht auch V.19 dafür, daß Matthäus dabei das Tun des Gesetzes in das Wort 'erfüllen' einschließt" . 1
2
3
4
Damit können wir auf die eingangs gestellte Frage nach der Überlieferungsgeschichte unseres Abschnittes zurückkommen und folgendes Bild gewinnen: In der Spruchquel le hat Mt im Grundbestand Mt 5,18 / Lk 16,17 vorgefunden. Die weitere Q-Über lieferung der matthäischen Gemeinde hat die Judenchristliche Kampfparole" V.18 mit der Bildung des Satzes heiligen Rechts kasuistisch angewendet. Mt hat also die Tradition schon als Einheit vorgefunden und durch den auf ihn zurückgehenden Zusatz e c o c dv-nävra yevqTai auf den redaktionellen Einleitungssatz 5,17 hin inter pretiert, insofern der e c o c aVSatz V.18d nicht auf die Endereignisse hin verstanden werden kann, sondern die ganzheitliche Erfüllung des Gesetzes meint . Dann will der Evangelist zum Ausdruck bringen: Das Gesetz darf nicht außer Kraft gesetzt werden, denn in Jesu Lehre und Tun ist es zur Erfüllung gekommen, das ganze Gesetz, so wie es Jesus neu aufgerichtet und ausgelegt hat, muß getan und erfüllt werden. In haltlich ist jenes neu aufgerichtete Gesetz vor allem im Liebesgebot zu sehen, vgl. Mt 7,12; 9,13; 12,7; 22,40; 23,23. Darin werden die „guten Werke" deutlich, 5,16, und darin besteht auch die den Schriftgelehrten und Pharisäern gegenüber bessere Gerechtigkeit, die der erste Evangelist programmatisch über die Antithesen 5 , 2 1 48 stellt. 5
6
1
V g l . L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 117.
2
V g l . Michel, R o m 325 A . 2 , der das -nXripovv -noieiv Tun
TOV vößov
TOV vößov
Rom
13,8 ähnlich versteht w i e
Rom 2,13; vgl. K ä s e m a n n , R o m 345. D a s mit -nXripovv
Jesu b e t o n t auch Delling, A r t . nXripöoo,
ausgedrückte
in: T h W N T V I , 2 8 5 - 2 9 6 . 2 9 2 f .
3
Käsemann, Rom 345 mit Berufung auf Michel, Paulus u n d seine Bibel, 1929,
4
M t 6 4 ; vgl. auch G r u n d m a n n , M t 146.
5
V g l . E. K ä s e m a n n , Sätze heiligen Rechts im N e u e n Testament; in: Exegetische Versuche und Besinnungen I I , Göttingen 3. A u f l . in:
6
E V B II, 8 2 - 1 0 4 ,
88f.
1968, 6 9 - 8 2 ; ders., Die A n f ä n g e christlicher Theologie;
bes. 85f.
V g l . G r u n d m a n n , Mt 148; Schweizer, Mt 6 4 ; V ö g t l e , K o s m o s 105f.
127
Damit aber ist ein weiterführender Gesichtspunkt gegeben, der den Horizont des Gesetzesverständnisses des Evangelisten verdeutlicht: wir sahen, daß die Erfüllung des von Jesus neu aufgerichteten Gesetzes jene größere Gerechtigkeit ausmacht, die die Jünger gegenüber den Schriftgelehrten und Pharisäern haben sollen. Diese Verpflich tung zu dem „Mehr" an Gerechtigkeit wird von Mt nun wieder aufgenommen in der letzten Antithese, näherhin 5,4V und leitet zu 5,48, der Forderung und Ver heißung der Vollkommenheit, über. Dementsprechend stellt der Begriff der Vollkom menheit den Rahmen dar, in dem das Gesetz gesehen werden m u ß , oder anders ausgedrückt: das Tun des ganzen Gesetzes ist der Weg, auf dem der Mensch zur für den Eintritt in die ßaoiXeia TCJV ovpavcbv erforderlichen Vollkommenheit gelangt. Diese Analyse wird bestätigt durch Mt 19,21, wo ebenfalls die Erfüllung des Ge setzes der Weg zur Vollkommenheit ist: dort ist sie das, „was dem reichen Jüngling fehlt, der alles, was das Gesetz fordert, getan haben w o l l t e " . 1
2
3
Mit diesem überlieferungsgeschichtlichen Ergebnis kommen wir auf die gestellte Frage nach dem Verhältnis jener untersuchten synoptischen Überlieferung zu der entsprechenden Aussage im Jak zurück. Vergegenwärtigt man sich von dieser Ana lyse her die Zusammenhänge des Gesetzesverständnisses in beiden Überlieferungen, so läßt sich folgendes Bild gewinnen: a)
Mt 5,19 und Jak 2,10
Es konnte gezeigt werden, daß Mt 5,19 ein in der Q weiterüberliefernden matthäi schen Gemeinde entstandenes Wort ist, das aus der Debatte um die Verbindlichkeit aller Gebote hervorgegangen ist. Eine sachliche Entsprechung findet sich Jak 2,10. Beide Sätze scheinen sich ganz in der Mentalität der rabbinischen Überlieferung zu bewegen und zielen darauf ab, das Gesetz in seinem Totalanspruch hervorzuhe ben. Bei Mt 5,19 zeigte es sich aber, daß der erste Evangelist den Satz schon nicht mehr so übernehmen konnte, sondern ihn durch Eingriffe in den Kontext neu aus legen mußte. Der Autor des Jak hat das Wort Jak 2,10, das seine Parallelen in den Grundsätzen der Schriftgelehrten über das Gesetz hat , auch nicht mehr in seinem ursprünglichen Sinn verstanden, wie vor allem aus der Anwendung des Satzes in der jüdischen Tradition und im Jak hervorgeht. Gegenüber der hinter der jüdischen Über lieferung stehenden Unterscheidung zwischen leichten und schweren Geboten und dem gleichwertigen Nebeneinander von rituellen und sittlichen Geboten bezieht der Autor des Jak den Satz gesinnungsethisch auf das Zentralgebot der Nächstenliebe. Jak 2,10 ist nicht nur für sich gesehen als sachliche Parallele zu Mt 5,19 anzusehen, sondern auch die Auslegung des überlieferten Satzes zeigt, daß die interpretierenden Autoren und (im Falle des M t ) teilweise auch schon deren Überlieferungsträger be4
5
6
1
D a ß 5,17—19.20 mit vöpoq
das L i e b e s g e b o t gemeint ist, w i r d durch die A u f n a h m e des Motivs
der größeren Gerechtigkeit in der letzten Antithese 5 , 4 3 - 4 7 . 4 8 gesichert. 2
V g l . U . L u c k , D i e V o U k o m m e n h e i t s f o r d e r u n g , 3 3 ; G . Barth, Gesetzesverständnis 9 1 - 9 3 .
3
U . L u c k , Die V o l l k o m m e n h e i t s f o r d e r u n g 2 9 .
reXeioq
steht also hier mit d e m G e b o t der
Nächstenliebe nicht in Spannung, sondern intensiviert es; vgl. Barth, Gesetzesverständnis 92f. 4
Dies w i r d in der Forschung bisher k a u m gesehen; auch in d e r ausführlichen Gegenüberstellung von Sprüchen des Jak u n d synoptischen W o r t e n bei M u ß n e r , Jak 4 7 - 5 2 fehlt dieser Hinweis, da sich M u ß n e r weitgehend a u f terminologische Anklänge bezieht, die aber oft nichts eintragen.
5
V g l . o b e n S.91f.
6
V g l . A . Nissen, G o t t u n d der Nächste 338.
128
müht sind, die Tradition im Lichte des Neuveiständnisses aus ihrer nomistischen Enge hinauszuführen.
b)
Die Neuauslegung des Gesetzes als Liebesgebot
Damit stoßen wir auf einen zweiten Gesichtspunkt, der das Verständnis des überlieferten vöpoq betrifft. Von grundsätzlicher Bedeutung für das Verständnis des Gesetzes in Jak 2,8ff war die Frage, ob das in 2,8 erwähnte Liebesgebot als das grundlegende und allumfassende Gesetz ausgelegt werden muß oder grundsätzlich als ein Einzelgebot, das nur durch den Begriff ßaoCXinöq besonders hervorgehoben ist, anzusehen ist. Die Analyse hatte ergeben, daß vöpoq
ßaoiXiKÖq
analog dem ÖXoq
vöpoq
2,10a zu verstehen ist, als die zusammenfassende Norm des gelebten Glaubens, vgl. Rom 13,8—10; Gal 5,14. Dieses Ergebnis wurde gestützt durch den Zusammenhang Jak 1,25. Mit dieser Neuinterpretation des Gesetzes als Liebesgebot stehen wir aber der Auslegung der Tradition Mt 5,18f. und der goldenen Regel Mt 7,12 durch den ersten Evangelisten in seiner Bergpredigt sehr nahe. Wo hat nun diese Neuauslegung des Gesetzes ihren Bezugspunkt? Beide Überlieferungen sprechen von der „Erfüllung" des Gesetzes; die Erfüllung des Gesetzes schlechthin hat sich bei Mt und seiner Überlieferung im Kommen Jesu ereignet: Jesus hat das Gesetz neu aufgerichtet und in Lehre und Tat zu ganzheitlicher Erfüllung gebracht, in ihm ist der Wille Gottes erfüllt und endgültig offenbar geworden. Von daher erhalten die Jünger ihren Auftrag zur besseren Gerechtigkeit, d.h. zur Erfüllung des durch Jesus offenbarten Willens Gottes. Auch der Verf. des Jak hat die Erfüllung des Gesetzes in 2,8 eng an die Person Jesu gebunden, indem er der ganzheitlichen Gesetzeserfüllung das sündhafte TTpoocoTToXrißTrTeiv gegenüberstellt, 2,9, vgl. 2,1. Für beide Überlieferungen ist Jesus Christus der Bezugspunkt, von dem her das Gesetz ausgelegt wird. Dies wird für den Jak gerade daraus ersichtlich, daß Jak 2,1 die einzige Stelle im Brief ist, an der eine Mahnung christologisch eingeführt w i r d . 1
c)
Das Gesetz als Weg zur
Vollkommenheit
Damit kommen wir zu einem Gesichtspunkt, der in der Auslegung schon angesprochen wurde und zusammenfassend noch einmal hervorgehoben werden soll: wir haben gesehen, daß die überlieferte Gesetzestradition, die Jakobus und Mt vorgegeben war, im gleichen Sinne neu verstanden und korrigiert worden ist. Dieser gemeinsame Gedanke wird darin deutlich, daß beide Überlieferungen in der Erfüllung des Gesetzes den Weg zur für den Eintritt in die ßaoiXeia erforderlichen Vollkommenheit sehen. Damit ergibt sich für beide Überlieferungen eine gemeinsame Kon2
1
Möglicherweise ist hier ein A n s a t z p u n k t für die „Christologie" des Jak gegeben: aufgrund des gezeigten Z u s a m m e n h a n g s zwischen 2,1 u n d 2,8ff ist Jesus Christus der, der denvöpoq vöpoq
eXevdepiaq
als
begründet u n d erfüllt. Z u m Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n 5 d £ a , Weisheit u n d
Gesetz vgl. auch Sap 9,9—11. 2
V g l . o b e n S.97f.
u n d in diesem Abschnitt
S. 127f.
129
zeption: Das Gesetz darf nicht aufgelöst werden, sondern muß ganz erfüllt werden. Dieses als Liebesgebot verstandene Gesetz erhält seinen Totalanspruch aus der Bin dung an die Person Jesu Christi selbst, Mt 5,17; Jak 2,1.8. Macht der Mensch sich auf den Weg des von Jesus aufgerichteten Gesetzes, das das „vollkommene Gesetz" ist, dann wird er zum Täter des Werkes, Jak 1,25, vgl. Mt 5,16. Damit befinden wir uns im theologischen Horizont des weisheitlichen Gesetzesverständnisses, in dem das Gesetz als Anfang des Weges zu Weisheit und Vollkommenheit gesehen w i r d . 1
II.
Vollkommenheit durch Leiden und Bedrängnis
Zu Beginn unseres Jak wird ein ethisches und theologisches Ziel vorgestellt, das eine bestimmende Funktion auch in der Bergpredigt des Evangelisten Matthäus hat, die „Vollkommenheit", die schon im vorigen Abschnitt unter einem anderen Gesichts punkt angesprochen wurde. Wird im Jak die Erprobung des Glaubens in der An fechtung als Weg zur Vollkommenheit gesehen, 1,2—4, so schließt der Evangelist Mt den ersten Teil der Bergpredigt mit der imperativischen Verheißung: eoeode OVP
vfi€iq
reXetot coc ö -narrip
vficbp
ö ovpäpioq
reXeioc
eorip.
Vollkommenheit
ist
für beide Überlieferungen ein Hochziel christlicher Existenz. Stehen die beiden Aus sagen nun in einem gemeinsamen Traditionsprozeß oder gar in gegenseitiger Abhän gigkeit? Eine Antwort auf diese Frage erfordert die Berücksichtigung des weiteren Kontextes des Vollkommenheitsmotivs in der mt Bergpredigt. Hier müssen wir bis auf die Seligpreisungen zurückgreifen, denn zwischen den Makarismen der Bergpredigt, wie sie je verschieden im Mt-Ev und Lk-Ev vorliegen, und dem engeren Kontext des Vollkommenheitsmotivs, nämlich dem Gebot zur Fein desliebe Mt 5,39—48 / Lk 6,27-36, sind auffallende sachliche und terminologische Entsprechungen festzustellen, die hier zunächst nur angeführt werden sollen: a) Zwischen dem Gebot zur Feindesliebe und der letzten Seligpreisung besteht eine terminologische Beziehung. Mt fügt in die vorgegebene Seligpreisung 5,11 abweichend von Lk das Verb 5icbice«> ein, das er wiederum abweichend von Lk 6,27f. in seiner sechsten Antithese (5,43—48) in V.44 für das vorliegende e-nr\peä^eip einsetzt. b) In der letzten Seligpreisung bei Lk ( L k 6,22f.) wird vom iiioelp der Menschen gegen die, die sich zu Jesus bekennen, gesprochen; Lk 6,27 greift diesen Begriff abweichend von Mt 5,44 wieder auf. Beide Evangelisten haben demnach die letzte Seligpreisung mit dem Gebot der Feindesliebe zusammengesehen. c) Mt 5,12 und Lk 6,23 verheißen gemeinsam - und damit der Vorlage folgend den Verfolgten und Geschmähten den Lohn im Himmel. Man wird nicht übersehen dürfen, daß solche Lohnverheißung auch Lk 6,35 mit dem Begriff ptiodöq gegeben ist und Mt 5,46 die Frage nach dem Lohn (niodöq ) für diejenigen stellt, die nur die heben, von denen sie geliebt werden. Auch hier ist eine unverkennbare Ver knüpfung der beiden Abschnitte vorgenommen. d) Eine sachliche Entsprechung findet sich zwischen der fünften Seligpreisung bei Mt, die bei Lk keine Entsprechung hat, und Lk 6,36 (diff Mt 5,48); denn eXemojp und oinTipiiup stehen in L X X oft zusammen: Ex 34,6; 2Chr 30,9; Ne 9,17; Ps 85,15; 102,8; 110,4; 111,4; 114,5; 144,8; Sir 2,11; Jl 2,13; Jn 4,2. 1
V g l . U . L u c k , D i e V o l l k o m m e n h e i t s f o r d e r u n g 36.
130
e) Die siebte Seligpreisung Mt 5,9, die ebenfalls bei Lk keine Entsprechung hat, hat ihre sachliche und terminologische Verbindung zum Gebot der Feindesliebe: Mt 5,9a werden die Friedenstifter seliggepriesen; analog dazu ist vielleicht die Feindesliebe zu sehen, wie sie Mt 5,44 / Lk 6,27 gleichlautend überliefern . Man kann aber auch mit rfeinz Schürmann eine Verbindung sehen zwischen eipr\vopoioi 1
Mt 5,9 und äyadonoiovvTeq
Lk 6,33.35 sowie naXtiq
seits vermuten: ,,wie jene viol
deov
nXridfiooprai
noiovPTeq
Lk 6,27 anderer
(Mt 5,9), so werden diese
vioi
v\pioTov ( L k 6,35, vgl. Mt 5,45 v. TOV naTpöq), eine Aussage, die sich syn (außer Lk 20,36 diff. Mk) nur an diesen beiden Stellen findet!" . 2
Sind diese Verbindungen deutlich, dann muß nach ihrem überlieferungsgeschichtli chen Verhältnis gefragt werden; dazu sind die einzelnen Traditionsschichten zu er mitteln. A u f diesem Wege sehen wir dann, inwieweit Seligpreisungen und Feindes liebe miteinander verbunden wurden. Ein Vergleich von matthäischer Bergpredigt und lukanischer Feldrede zeigt, daß bei den Redekompositionen eine gemeinsame Vorlage zugrundeliegt. Die luk Feldrede ist ganz in der mt Bergpredigt enthalten, welche umfassender gestaltet ist und noch andere Traditionen aufgenommen hat. Dementsprechend hat die luk Feldrede den wesentlich strafferen Aufbau und Gedankengang; sie wird auch der gemeinsamen Vorlage wesentlich näherkommen als die mt Komposition. Beide Evangelisten beginnen mit den Makarismen. Vier Seligpreisungen des Mt sind auch bei Lk überliefert und dürften daher mit Sicherheit in der Spruchquelle, die den Evangelisten zugrundelag, gestanden haben: Mt 5,3/ Lk 6,2ob; Mt 5,6 / Lk 6,21a; Mt 5,11 f. / Lk 6,22f. Gemeinsam sind Mt und Lk nach den Makarismen die Spruchgruppe über die Feindesliebe Lk 6,27-36 / Mt 5,39—48, die Spruchgruppen Lk 6,37-42 / Mt 7,1-5; Lk 6,43-45 / Mt 7,15-20 sowie das Gleichnis Lk 6,4649 / Mt 7,21—27. Für die Fragestellung unseres Abschnittes sind die ersten beiden Textgruppen von Interesse.
1.
Die Seligpreisungen
Beginnen wir mit den für Q sicher zu beanspruchenden Makarismen: dazu gehören zunächst die ersten drei, die Lk 6,20bf. par überliefert sind. Lk bietet sie in der zweiten Person, Mt in der dritten. Dafür, daß Lk die ursprüngliche Form beibehält, spricht, daß der dritte Evangelist grundsätzlich der ursprünglichen Fassung nähersteht als Mt. Die Lk und Mt gemeinsame Überlieferungsform des letzten Makarismus in der zweiten Person macht diese zudem als ursprünglicher wahrscheinlich . Die er3
1
D a s w ü r d e jedenfalls der B e d e u t u n g des Friedenstiftens im Judentum entsprechen, vgl. W . Foerster, A r t . eipfyr),
T h W N T I I , 4 0 8 : „ M a n kann fast sagen, daß die R o l l e , die das Friedenstiften bei den
R a b b i n e n einnimmt, d e m nt.lichen Liebesgedanken am nächsten k o m m t u n d d e n Platz im Spät j u d e n t u m einnimmt, d e n im N T die L i e b e s f o r d e r u n g hat". V g l . auch D . L ü h r m a n n , L i e b e t eure F e i n d e ; in: Z T h K 69 ( 1 9 7 2 ) 4 1 2 - 4 3 8 . 4 1 5 . 2
3
L k I, 336 A . 8 3 . Für die Ursprünglichkeit d e r zweiten Person entscheiden sich: Schweizer, M t 4 5 ; G r u n d m a n n , Lk
141, vgl. M t 120; Strecker, D i e Makarismen der Bergpredigt; in: N T S 17 ( 1 9 7 0 / 7 1 ) 2 5 5 -
2 7 5 . 2 5 6 ; O . H . Steck, Israel u n d das gewaltsame Geschick der Propheten ( W M A N T 2 3 ) N e u kirchen 1967, 20 A . 2 ; vgl. Lührmann, Redaktion 54; anders Schulz, Q 77. D a ß L k die Maka rismen aufgrund der Zusammenstellung mit den Weherufen umgebildet h a b e , ist weniger wahr scheinlich.
131
sten drei Makarismen bilden aufgrund ihrer syntaktischen Struktur eine Einheit: der Heilsanrufung folgt jeweils die Verheißung, die mit einem Ört-Satz begründet wird. Die ersten drei Seligpreisungen werden demnach ursprünglich selbständig überliefert worden sein. Lk 6,20b dürfte die Q-Vorlage vollständig wiedergeben, Lk 6,21a / Mt 5,6 wird die Q-Vorlage nahezu im luk Text wiederzufinden sein , und auch Lk 6,21b / Mt 5,4 ist der luk Wortlaut fast identisch mit Q, sieht man einmal von dem schon in der zweiten Seligpreisung als redaktionell ermittelten vvv ab. Die vierte Seligprei sung ist sekundär, wenn auch in einem frühen Stadium, zugewachsen. In Q hat diese Verbindung schon bestanden, wie die gemeinsame Überlieferung bei Mt und Lk zeigt . Der vorgegebene Spruch selbst ist schwierig zu ermitteln, da wir mit einer je eigenen Überlieferungsgeschichte der Gemeinde des Mt und des Lk rechnen müssen, so daß die beiden Evangelisten schon nicht mehr eine gleichlautende Tradition gekannt ha ben. 1
2
Beide Evangeüsteii überliefern den Beginn des Heilsanrufes gleichlautend: eore
Örav.
Die Wendung pior)oovoiv
vpäq
oi dvdpLo-noi
panäpioi
wird kaum so in der Q-Fas-
sung des Logions gestanden haben, denn sicher geht oi ävOpLo-noi auf luk Redaktion zurück ; ob pior)oovoiv vpäq ursprünglich ist, wird unterschiedlich beurteilt , man wird hier kaum größere Sicherheit gewinnen können. Die Tatsache, daß äQopfteiv in dieser Bedeutung singulär ist, könnte für Ursprünglichkeit sprechen ; das bito^cooiv bei Mt hat dann vielleicht die mit a4>. „(ursprüngliche) Einmaligkeit des Geschehens in die (spätere) allgemeine Verfolgungssituation ausgeweitet" . Auf die Vorlage in Q weist nun wieder das Verb bveibi^eiv. Die folgende „Geschickaussage" (Steck) ist schwieriger zu beurteüen, doch kommt Lk dem ursprünglichen Text auch hier mög licherweise näher als Mt, wie die gegenüber dem ersten Evangelisten kompliziertere Wendung wahrscheinlich macht . Eine sichere Entscheidung für evenev epov (Mt) oder evena TOV viovrov ävßpuynov ist kaum möglich; freilich wird in Q durchaus vom „gekommenen Meüschensohn" gesprochen; zudem ist evena TOV viov TOV ävdpämov eine singulare Wendung. 3
4
5
6
7
Auch Mt 5,12 / Lk 6,23 weichen z.T. erheblich voneinander ab: bei Mt wird die Freude schon in die Gegenwart verlagert, während im luk Text das Geschick abge setzt ist von der Freude am eschatologischen T a g , ev eneivri TT) rjpepa ist sicher luk Einfügung, so daß Mt 5,12 der vorliegenden Tradition näherkommt als Lk; 8
ö piodöq
vpcov
iroXvq
ev
rofe
ovpavoCq
/ ev
TLÖ ovpavco
(sek
Mt)
ist
bei
beiden
Evangelisten überliefert. Der zweite Teil des Spruches weicht bei beiden Evangelisten wieder stärker voneinander ab: für das wohl ursprüngliche ovrcoq wird Lk nard rd avTd eingefügt haben; demgegenüber wird das luk enoiovv dem mt ebico^av vorzu1
D a s vvv
2
V g l . Schürmann, L k I , 3 3 2 ; vgl. zur Überlieferungsgeschichte des Spruches auch Steck,Israel 20—26.
3
Steck, Israel 2 2 ; Schulz, Q 4 5 2 .
4
Schulz, Q 4 5 2 hält es mit äQopßeiv
w i r d luk B i l d u n g sein, vgl. Schulz, Q 77 A . 1 3 5 .
f ü r s e k ; S t e c k , Israel 22 w ü l es Q ( L k ) zuweisen; für U r
sprünglichkeit Schürmann, L k I , 333 A . 4 8 ; ähnlich auch L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde 416. 5
G e g e n Steck, Israel 2 3 .
6
Schürmann, L k I , 333 A . 5 0 .
7
V g l . Schürmann, L k I , 333 A . 5 3 ; jedenfalls kann die A r g u m e n t a t i o n v o n Steck, Israel 2 3 , die „ K o n vergenz der Mt-Fassung mit L k 6,26" zeige, „ d a ß M t Q b e w a h r t hat, w ä h r e n d die L k - W e n d u n g durch Ä n d e r u n g in Q L k z u s t a n d e g e k o m m e n ist", nicht recht überzeugen. Schulz, Q 453 schließt sich im wesentlichen Steck an.
8
ev eneivr)
132
Ty
vpepq
ist eschatologisch a u f den Gerichtstag bezogen.
ziehen sein, wie auch roCq 7rpo07?rcuc ursprünglicher sein dürfte; oi irarepes ist dagegen luk Redaktion zuzuweisen .
avrüv
1
Die hier besprochenen vier Makarismen sind, wie die Analyse gezeigt hat, für Q nach weisbar, da Mt und Lk sie, von einer gemeinsamen Vorlage ausgehend, mit einer je eigenen Traditionsgeschichte überliefern. In die Abfolge der Seligpreisungen, wie sie bei Lk vorliegen, sind im Mt-Ev nun weitere Makarismen eingefügt: Mt 5,5: Zuspruch an die Sanftmütigen; Mt 5,7; Zuspruch an die Barmherzigen; Mt 5,8: Zuspruch an die, die ein reines Herz haben; Mt 5,9: Zuspruch an die Friedenstifter; 5,10: Zuspruch an die Verfolgten um der Gerechtigkeit willen. Betreffen die vier bei Mt und Lk gemeinsam überlieferten Makarismen das Sein, den Zustand der Angesprochenen, so richten sich die zusätzlich bei Mt überlieferten Selig preisungen an das Verhalten der Christen. Diese ethische Erweiterung dürfte kaum auf Q selbst zurückgehen. Auch vom Aufbau her unterscheiden sich die beiden Grup pen von Makarismen: während die vier bei Lk überlieferten Makarismen antithetisch aufgebaut sind, kommt es Mt 5,5.7—9 auf die dem menschlichen Verhalten entspre chende Verheißung an. So wird man nicht fehlgehen in der Annahme, daß die zu sätzlichen Makarismen des Mt-Ev frühestens in der weiteren Q-Überlieferung der mt Gemeinde entstanden sind . 2
Der erste der bei Lk nicht überlieferten und in Q nicht vorhandenen Makarismen findet sich Mt 5,5; der Spruch stimmt terminologisch weitgehend mit Ps 36,11 ( L X X ) überein: oi
8e
npaeiq
nXripovdpfioovoLV
yqu
Kai
Kararpv^Govoiv
e-ni 7rXr/0ei
eipfivrjq;
3
er dürfte von daher gebildet sein . Die Frage, ob Mt 5,5 redaktionell auf den Evan gelisten zurückgeht oder der vormatthäischen Q-Überlieferung zuzuschreiben ist , ist nicht leicht zu entscheiden. Die Aussage des Spruches bringt gegenüber Mt 5,3 keinen neuen Gedanken; denn npavq und 7ircoxöc gehen auf denselben hebräischen bzw. aramäischen Begriff zurück; möglicherweise ist Mt 5,5 gemeinsam mit den Makaris men Mt 5,7-9 überliefert worden: dafür spricht, daß im rabbinischen Schrifttum der unserem Spruch zugrundeliegende Ps 37(36) an drei Stellen behandelt wird, und zwar jeweils im Zusammenhang mit Frieden und Friedenstiftung , vgl. Mt 5,9; zu der Makarismengruppe 5,7-9 hat die Seligpreisung auch darin eine gewisse Be ziehung, daß sie gemeinsam mit 5,8 am meisten vom A T her geprägt zu sein scheint. 4
5
6
Mt 5,7 steht in seiner Terminologie Lk 6,36 (diff Mt 5,48) auffallend nahe, denn e\ef)ßojv und oiKripucjv können in L X X den gleichen Sachverhalt wiedergeben und nebeneinanderstehen . Vv.7—9 bilden in der vom ersten Evangelisten im Grundbe stand schon vorgefundenen Makarismenreihe Vv. 3—9 im Besonderen eine Dreier gruppe , die sich von den anderen Makarismen abhebt: nur hier wird der Name 7
8
9
1
V g l . Steck, Israel 27 ( T a b e l l e ) ; Schulz, Q 4 5 4 .
2
V g l . Strecker, D i e Makarismen 2 5 9 ; L ü h r m a n n , Redaktion 54; Schweizer, M t 4 8 ; G r u n d m a n n , Mt
119 u.a.
3
Schweizer, M t 4 7 ; G r u n d m a n n , M t 124; Strecker, D i e Makarismen 264.
4
E . Neuhäusler, A n s p r u c h u n d A n t w o r t Gottes; Düsseldorf 1962, 142.
5
Strecker, D i e Makarismen 264: „ D e n n ein M o t i v für eine redaktionelle Bildung ist nicht zu er kennen".
6
V g l . Str.-B. I 199.
7
V g l . o b e n S.130.
8
Strecker, D i e Makarismen, 259; Lührmann, L i e b e t eure Feinde 4 1 5 .
9
A u c h die Seligpreisung der irpaeiq
w i r d schon sek zu der Dreiergruppe hingewachsen sein.
133
1
Gottes genannt, und die Sprache ist sicher nicht typisch für M t . Man muß mit der Möglichkeit rechnen, daß die vormatthäische Q-Überlieferung den Gedanken Lk 6,36 ( = Q ) in die Seligpreisungen aufgenommen hat, wenngleich die Forderung nach Barm herzigkeit im Judentum allgemein verbreitet ist ; auch die Tatsache, daß der Spruch Lk 6,36 auch schon in Q isoüert steht und aus dem Zusammenhang nicht eigentlich hervorgeht , mag diese Hypothese begründet erscheinen lassen. Wenn dem so ist, dann ergibt sich allerdings die Frage, ob in Q nicht doch eXeruioveq gestanden hat. 2
3
Die sechste Seligpreisung Mt 5,8 ist wieder stärker im A T vorgebildet, vgl. Ps 23,3-5 ( L X X ) . Die geforderte Reinheit des Herzens hat allgemein im Judentum große Be deutung . 4
Die siebte Seligpreisung Mt 5,9 enthält wieder einen auffälligen Bezug zu Mt 5,45: hier wie dort wird dem geforderten menschlichen Verhalten die Gottessohnschaft verheißen (vioi deov). Der Spruch ist weniger als der vorhergehende von der Sprache des A T her geprägt, wenn auch das Motiv im Judentum bedeutungsvoll i s t ; die Makarismen 2Hen 52,11.13, die vom Frieden sprechen, können nicht als Parallele herangezogen werden, da dort die seliggepriesen werden, die in Frieden wandeln und den Frieden haben. Eine sachliche und auch terminologische Parallele ist aber das Wort Jak 3,18, das die Auseinandersetzung über die wahre Weisheit 3,13ff abschließt. 5
Damit wird die zweite Gruppe von Makarismen, die dem ersten Evangelisten vorgege ben waren, abgeschlossen. Der achte Makarismus dürfte dagegen der Redaktion des Mt selbst zuzuschreiben sein: Schon die Seligpreisung der Siebenzahl zeigt, daß er der vormatthäischen Tradition nicht angehörte. Er enthält auch nichts, was nicht schon in der Vorlage des Matthäus gegeben war. Inhaltlich erscheint V.lOa als Ex zerpt aus V . l l , wobei evenev
biKaioovvriq
dem evenev
epov in V . l l korrespondiert.
V.lOb wiederholt V.3b wörtlich, führt also über das Gesagte nicht hinaus. Diese Wie derholung schließt die voraufgehenden Makarismen als formale und sachliche Einheit zusammen. V . l O b bringt zum Ausdruck, was Inhalt eines jeden der Nachsätze ist, die Verheißung der Himmelsherrschaft. Aus allem ergibt sich, daß V.10 als redaktionelle Bildung anzusehen i s t " . 6
Folgendes Bild ergibt sich demnach für die Traditionsgeschichte der Seligpreisungen: Die Q-Vorlage enthielt ursprünglich vier Seligpreisungen, wobei die letzte, Mt 5,11 f./ Lk 6,22f., wohl auch schon sekundär zugewachsen war, aber in Q mit den anderen drei Makarismen zusammen überliefert wurde. Diese vier Makarismen hat die matthäische Gemeinde um weitere vier erweitert, Mt 5,5.7-9, während der Evangelist selbst V.10 redaktionell eingefügt hat. Dieses Bild hat seine Bedeutung für den Zusammen hang von Makarismen und letzter Antithese.
1
eXermcov
2
V g l . Str.-B. I 2 0 3 - 2 0 5 ; allerdings erfährt das G e b o t eine wesentliche Einschränkung, d a d e m
3
V g l . Schürmann, L k 1 3 5 8 - 3 6 0 ;
4
V g l . G r u n d m a n n , M t 129f.; Schweizer, M t 54.
5
V g l . S.131
6
Strecker, D i e Makarismen 267.
i m N T n u r hier u n d H e b r 2 , 1 7 ; ei pwvoiroiöq
M t 5,9.
am-ha-arez keine Barmherzigkeit erwiesen w e r d e n soll, Str.-B. I 205.
134
A.l.
vgl. auch unten S. 137.
2.
Das Gebot der Feindesliebe
Lk 6,27 schließt an Lk 6,22f. an; das dürfte der ursprünglichen Reihenfolge, wie sie in Q vorgelegen hat, entsprechen : der Seligpreisung der Verfolgten folgt das Gebot der Feindesliebe. 1
Das Gebot der Feindesliebe selbst (Mt 5,44b / Lk 6,27b) ist bei Mt und Lk gleich lautend überliefert, dürfte demnach auch der Vorlage entsprechen. Die Einleitung Mt 5,44a / Lk 6,27a ist bei Lk ursprünglicher, wenn auch rocc CLKOVOVOLV auf luk Redaktion zurückgehen kann ; eine Entscheidung ist für unsere Fragestellung nicht notwendig. Dem Gebot der Feindeshebe folgt bei Mt nur die Aufforderung zur Bitte für die Verfolger, Mt 5,44c, während Lk drei dem Gebot der Feindesliebe entspre chende Sätze, Lk 6,27c.28a.b, anschließt. Mt 5,44c und Lk 6,28b stimmen in npooevxeode vpäq überein. Demnach dürfte für Q zumindest das Gebot zur Feindes liebe sowie die Aufforderung zur Bitte für die Verfolger zu beanspruchen sein. Die Frage, ob TCOV ÖLCOKÖVTCOV oder TCOV e-nripea^övTcov ursprünglich ist, kann man zu nächst dahingehend beantworten, daß bLcoKÖvTcov bei Mt wohl im Anschluß an 5,10f. nicht für Q vorauszusetzen ist. Manche Gründe sprechen dafür, daß Lk hier der Vorlage gefolgt ist , denn der Begriff nimmt sachlich das öveLbi^eLV von Mt 5,11/ Lk 6,22 ( = Q ) wieder auf; biLoneiv in der Vorlage hätte Lk wahrscheinlich nicht ge ändert, da er es sonst oft verwendet ; Mt ist diese Einfügung im Anschluß an 5,10f. viel eher zuzutrauen. Auch Lk 6,27c — ohne Entsprechung bei Mt - scheint ur sprünglich zu sein: pioeiv knüpft an Lk 6,22 an und zeigt die enge Verbindung zwi schen den Seligpreisungen und dem Gebot der Feindesliebe. Ob Lk pLoeCv redaktio nell verwendet, scheint höchst unsicher . Ist Lk 6,27c der Spruchquelle zuzurechnen, dann auch Lk 6,28a: evXoyeiv und nciTapäv sind redaktionell für Lk nicht nachweis bar und tragen traditionellen Charakter, vgl. Rom 12,14; Jak 3,9f; offensichtlich hat auch Paulus Rom 12,14 diesen Spruch aufgenommen. 2
3
4
5
6
Mit Lk 6,29f. dürfte der dritte Evangelist die ursprüngliche Reihenfolge bewahrt ha ben; die vorliegende Einheit von Lk 6,27f. und Lk 6,29f, die sicher nicht ursprüng lich ist, wie sich aus dem Wechsel in der Anrede von der 2. Pers. Plur. in die 2. Pers. Sing, ergibt, war wohl schon in Q gegeben; denn Mt 5,39ff.42 stehen die Ent sprechungen eng zusammen. Der erste Evangelist wird die Verse in Glättung der Vor lage in die 5. Antithese vorausgenommen haben. Auch der Spruch Lk 6,31 / Mt 7,12 hat in der Anordnung des Lk seinen ursprünglichen Platz, denn sicher hat Mt die „goldene Regel" in 7,12 sekundär eingefügt . 7
1
L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde 4 1 6 ; Schürmann, L k I, 3 4 6 ; vgl. G r u n d m a n n , L k 146.
2
B u l t m a n n , Tradition 95 hält die ganze Einleitung für luk redaktioneü; Schulz, Q 127 bean
3
sprucht Xeyco
bpiv
sehen auch in
70t"c
für Q , Schürmann, L k I , 345 A . 1 9 u n d Lührmann, Liebet eure Feinde 417 ÖKOVOVOLV
Tradition.
D i e V e r m u t u n g von L ü h r m a n n , Liebet eure F e i n d e 416, eirqpeä^eiv zu
fragen ist, o b nicht das pLoeiv
sei „ein so seltenes W o r t , daß
von L k 6,27c entsprechend L k 6,22 in Q hierher gehört",
kann nicht überzeugen; diese Tatsache müßte eher dafür sprechen, d a ß L k hier der Tradition folgt u n d nicht redaktionell eingegriffen hat. 4
Schulz, Q 128 + A . 262.
5
pLoeCv
6
V g l . Schürmann, L k I 346 A . 24; auch Schulz, Q 130 hält luk B ü d u n g allenfalls für /caXcöe troLeiv
7
w u r d e L k 6,22 für Q beansprucht, vgl. o b e n S. 132. für möglich.
Schürmann, L k I 3 5 0 ; Schweizer, M t 110; G r u n d m a n n , M t 2 2 3 ; Lührmann, Liebet eure Feinde 4 1 9 .
135
Im Anschluß an das Gebot der Feindesliebe und die „goldene Regel" folgen Lk 6,32f. / Mt 5,46f. Fragen, die sich beim ersten und beim dritten Evangelisten entsprechen. Lk 6,32a ist von Mt 5,46 nur in der Konstruktion des Konditionalsatzes und der daran anschließenden Frage verschieden, die Mt ursprünglicher wiedergibt, xäpte ist ein ausgesprochen luk W o r t , so daß man davon ausgehen kann, daß der dritte Evangelist ßioOöq durch xaptc ersetzt hat - niodöq begegnet zudem noch in Lk 6,35. Für Q kann man daher die zweimalige Schlußfrage TLVCL ynodöv e'xere annehmen . Damit knüpft die Q-Vorlage wieder an die letzte Seligpreisung für die Verfolgten an, für die der Begriff piodöq wahrscheinlich gemacht werden konnte. Lk 6,34 wird wohl kaum auf die Spruchquelle zurückgehen, ebensowenig wie Lk 6,35a.b . Die Verheißung der Gottessohnschaft hat ihre Entsprechung in Mt 5,45; Das Gebot der Feindesliebe und die Verheißung gehören offensichtlich schon für Q zusammen . Den genauen Wortlaut der Verheißung der Gottessohnschaft zu erschließen, ist nicht einfach. Da aber auf der einen Seite der Zusatz TOV etc obpavoiq Mt 5,45 gut matthäische Züge trägt und andererseits v^ioroq charakteristisch für den dritten Evangelisten ist , kann damit gerechnet werden, daß in der Redequelle vlol deov gestanden hat. Dann hat die Weiterüberlieferung von Q in der matthäischen Gemeinde diese Bezeichnung in die Sehgpreisung der Friedenstifter Mt 5,9 aufgenommen und damit die Verbindung von Makarismen und Gebot der Feindesliebe ausdrücklich betont. 1
2
3
4
5
6
7
Damit ergibt sich überlieferungsgeschichthch für den engeren und weiteren Kontext der Vollkommenheitsforderung folgendes Bild: In der Redequelle haben vier Makarismen gestanden. Diesen folgte in Q das Gebot der Feindesliebe mit seinem K o n t e x t . Schon die Spruchquelle weist einen engen Zusammenhang zwischen den Seligpreisungen und dem Gebot der Feindeshebe auf, der bewußt gestaltet ist und sich terminologisch nachweisen läßt: Örav iuor}oovoiv ü / i d c in der letzten Seligpreisung hat seine Entsprechung in naXüq iroieire TCHC liLoovoiv ü / i ä c Lk 6,27 ; eirr\peä$eiv Lk 6,28 (=Q) nimmt sachlich die letzte Seligpreisung wieder auf. Die Verheißung des Lohnes (ö piodöq = Q ) im zweiten Teil der letzten Seligpreisung entspricht der rhetorischen Frage nach dem Lohn ( / n a f l o c ) Mt 5,46 ( = Q ) , wohl auch 5,47. 8
9
Solche Verbindung von Makarismen — vor allem der Seligpreisung für die Verfolgten und Feindesliebe hat die Weiterüberlieferung der Spruchquelle in der matthäischen
1
eav
2
Schürmann, L k I, 353
A . 7 7 ; Schulz, Q 129; L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde 420.
TL -nepiooöv
dürfte k a u m a u f Q zurückgehen, d a die F o r m u l i e r u n g gut m t Züge trägt.
3
äyanrioeTe
ist gegenüber iroieiTe
O b auapTCjXoi
et
aya-näre
( L k 6,32b.33b) oder
w o h l sek.
reXüvai
( M t 5,46b) b z w .
eBviKoi
( M t 5 , 4 7 b ) für Q
beansprucht w e r d e n m u ß , ist für unsere Fragestellung nicht von erheblicher Bedeutung, d o c h spricht manches für äpapTco\ol,
vgl. L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde 4 2 0 ; Schulz Q 129 hält
allerdings den m t T e x t für ursprünglicher; vgl. a u c h G r u n d m a n n , M t 179 A . 1 4 6 . 4
Schulz, Q 1 3 0 f ;
5
L ü h r m a n n , L i e b e t eure F e i n d e 4 2 1 .
6
M t 5,16; 6,1 ( i n der n u r bei M t überlieferten L o h n v e r h e i ß u n g ) ; aufschlußreich ist M t 7,11
L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde 420f.
11,13: D e r luk T e x t spricht v o n b -narr)p ev 7
obpavoiq
e£
obpavov,
der m t T e x t sagt: b iraTfip
, w o b e i der m t T e x t sicher nicht der ursprünglichere ist, vgl. Schulz, Q
D i e Gottesbezeichnung
btyioToq
begegnet im N T weitgehend bei L k ( i m Ev u n d A p g ) :
76; 2,14; 6,35; 8,28 ( = M k 5,7 diff. M t 8 , 2 9 ) ; A p g 7,48; 16,17. 8
O b die W e h e r u f e schon in Q selbst gestanden h a b e n , ist mehr als fragwürdig.
9
KaXcöc
136
noieiv
ist allerdings nicht sicher für Q zu b e a n s p m c h e n .
bfiüv
/ Lk b
162. L k 1,32.35.
Gemeinde noch deutlich verstärkt, indem sie den Friedenstiftern jene Gottessohnschaft verheißt, die die Spruchquelle denen zusagt, die das Gebot der Feindesliebe erfüllen. Damit kommen wir zum letzten Vers unseres Zusammenhangs, von dem unsere Über legungen ausgegangen sind: Mt 5,48 beschließt den ersten Teil seiner Bergpredigt mit der imperativischen Verheißung eoeode ovv vpeCq reXeioi cbc ö Trarfip b ovpävioq reXeiöq eoTLv. Die Parallele Lk 6,36, die zur Barmherzigkeit auffordert, hat eine an dere Funktion: der Spruch soll den dritten Teil des Lehrgedichtes 6,27-38 einleiten, und die folgenden Verse 6,37f. exemplifizieren das, was mit der Mahnung zur Barm herzigkeit gemeint ist; deshalb wird V.37 auch mit Kai an V.36 angeschlossen ; in haltlich ist V.36 vom vorhergehenden Kontext insofern abgehoben, als man „nicht einen Hinweis auf die Barmherzigkeit Gottes und eine Aufforderung zur Barmherzig keit erwartet sondern zur Güte auch gegen Undankbare und Böse", wie H. Schür mann gut beobachtet . Lk wird hier der Spruchquelle folgen , d.h. Mt 5,48 hat sekundär die Funktion erhalten, die vorliegende Einheit abzuschließen. So vertreten denn auch die Autoren fast einhellig die Ansicht, daß der mt Spruch gegenüber Lk 6,36 sekundär i s t , was sich kaum bestreiten läßt. Freilich bleibt dann noch die Frage, ob das Wort reXeioq der Redaktion des Evangelisten selbst oder der Weiter überlieferung von Q in der mt Gemeinde zuzurechnen ist. 1
2
3
4
Für die Annahme, daß der erste Evangelist hier selbst eingegriffen hat, läßt sich zu nächst anführen, daß Mt in 19,21 abweichend von der Mk-Vorlage reXeioe eingefügt hat. Diese für die Redaktion des Mt oft angeführte Beobachtung wird von anderer Seite ergänzt durch folgenden schon gezeigten Sachverhalt: zwischen den Makaris men und dem Gebot der Feindesliebe mit seinem Kontext besteht schon in der Redequelle eine enge Verbindung. Die vier Seligpreisungen Mt 5,5.7—9, die wir der weiteren Q-Überlieferung der mt Gemeinde zurechnen konnten, haben ihrerseits die Verbindung aufgenommen und noch enger gestaltet, wie vor allem V.7 und V.9 zeigen . Dienen nun die beiden genannten Makarismen einer solchen „engeren Ver zahnung zwischen den Seligpreisungen und dem ihnen folgenden Text über das Ge bot der Feindesliebe" , dann wird Mt 5,7 von dem ursprünglichen Text des Spruches Mt 5,48 / Lk 6,36 beeinflußt und zu erklären sein. Damit ist aber wahrscheinlich ge macht, daß die mt Gemeinde den Q-Spruch Mt 5,48 / Lk 6,36 noch in der ursprüng lichen Q-Fassung weitergegeben hat. 5
6
Diese Anhaltspunkte lassen mit Wahrscheinlichkeit den Schluß zu, daß der erste Evangelist selbst in 5,48 das Motiv der Vollkommenheit einführt, indem er oiKrippcjp aus Lk 6,36 ( = Q ) durch reXetoq ersetzt hat.
1
Schürmann, L k I , 3 5 9 ; vgl. G r u n d m a n n , L k 146.
2
L k I, 359.
3
V g l . Schürmann, L k I
4
Schürmann, L k I , 3 6 0 ; G r u n d m a n n , M t 180; Schnackenburg, D i e sittliche Botschaft 80f.;
5
V g l . o b e n S. 130 f.
6
L ü h r m a n n , L i e b e t eure Feinde, 4 1 5 .
363.
Schulz, Q 130 u.a.
137
3.
Konsequenzen
Was meint Mt nun mit „Vollkommenheit", welches theologische Verständnis liegt dem Gedanken zugrunde, welches ist seine Zielsetzung und lassen sich hier Bezugs punkte zum Jak entdecken, denen ja unsere Aufmerksamkeit gelten soll? Das inhalt liche Verständnis jener das Gebot der Feindesliebe abschließenden Vollkommenheits forderung wird sich zunächst vom unmittelbaren Kontext 5,43-47 ergeben. Dieser aber lenkt einmal den Blick auf 5,17-20 zurück. Die Sprüche über das Gesetzes problem 5,17-20 bilden keine ursprüngliche Einheit; 5,18f. sind Mt aus der weiteren Überlieferung von Q vorgegeben , die er in V.20 auslegt. Das „Erfüllen" ist für Mt das qualitative „Mehr" an Gerechtigkeit, das die Christen gegenüber den Pharisäern als Bedingung für die ßaoiXeia TCOV ovpavtov aufweisen müssen; entscheidendes Ge wicht für den Maßstab christlichen Handelns erhält so beim ersten Evangelisten die Erfüllung des von Jesus neu ausgelegten Gesetzes. Diesen Gesichtspunkt nimmt Mt in 5,47 wieder auf (rt neptooöv notetTe) und versteht ihn auf die fordernde Ver 1
heißung hin:
eoeode
obv vpetq
reXetoi
2
... .
Die Erfüllung des Gesetzes, das vor allem im Liebesgebot besteht, vgl. noch Mt 22,40; 23,23, ist für Mt ein bestimmender Weg zur geforderten Vollkommenheit und stellt einen wichtigen Ansatzpunkt für jenes theologische Ziel des Evangelisten dar. Freilich scheint der Hinweis auf das Gesetz nur e i n Ausgangspunkt für den Gedan ken des Mt zu sein: bei den vorgenommenen überlieferungsgeschichtlichen Analysen hatte sich herausgestellt, daß schon in der Spruchquelle ein besonderer Zusammen hang zwischen dem letzten Makarismus und dem Gebot der Feindesliebe besteht, den die weitere Überlieferung in der Hinzufügung zusätzlicher an dieses Gebot anklingen der Seligpreisungen ihrerseits betont hat. Schließlich hat der Evangelist selbst, wie wir sahen, die Verknüpfung aufgenommen und den Zusammenhang zwischen der Verfolgungstradition, wie sie in der letzten Seligpreisung vorliegt, und dem Gebot der Feindesliebe, das er mit der imperativischen Vollkommenheitsverheißung ab schließt, noch enger gestaltet, indem er die achte Seligpreisung redaktionell ergänzte, das 8icoK€LV
in Mt 5,11 einfügte und epripea^övrcov
Lk 6,28 ( = Q ) durch
ÖILOKÖVTLOV
ersetzte. Hat also der Autor des ersten Evangeliums den Abschnitt 5,43-47 einerseits mit der Vollkommenheitsforderung abgeschlossen und ihn andererseits mit der letzten Seligpreisung verbunden, dann wird deutlich, daß die imperativische Verheißung 5,48 einen theologischen Ausgangspunkt auch in der Verfolgungstradition Mt 5,11 f. hat. So unbestreitbar also die oft vorgetragene Beobachtung ist, daß die Vollkommenheit beim ersten Evangelisten — und besonders an unserer Stelle — vom Hintergrund der Erfüllung des neubegründeten Gesetzes zu verstehen ist , so sehr drängt sich doch die Vermutung auf, daß das Leiden des Gerechten, die durch die Bedrängnis bestimmte Situation des Christen ein zweiter die Vollkommenheitsforderung und -Verheißung be stimmender Gedankenkreis für Mt darstellt. 3
1
Vgl. L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 117; Schweizer, M t 5 , 1 7 - 2 0 ; Schweizer, M t 6 3 .
2
Vgl. z u m Z u s a m m e n h a n g v o n V o l l k o m m e n h e i t u n d Gerechtigkeit in der rabbinischen Theologie G r u n d m a n n , M t 180.
3
Vgl. Barth, Gesetzesverständnis 9 1 ; Trilling, Israel 1 9 3 - 1 9 6 . U . L u c k , D i e Vollkommenheits forderung 36 u . ö . betont nachdrücklich das weisheitliche Gesetzesverständnis als religionsge schichtlichen
138
Hintergrund.
Dieses wichtige Ergebnis, das sich nach den überlieferungsgeschichtlichen Analysen des weiteren und engeren Kontextes unserer Stelle zeigt, hat seine Parallele in der ersten Spruchreihe des Jakobusbriefes, Jak 1,2-4: spannt sich der Bogen in der Bergpredigt des Mt von dem Heilsruf an die 7rrwxot TÜ> irveviiaTt und die in der Bedrängnis Ste henden über die Aufforderung zur Erfüllung des Gesetzes bis hin zur Verheißung und Forderung der Vollkommenheit, so ist diese am Beginn des Jak das theologische Ziel des Christen in einer Situation, die durch Bedrängnis und Erprobung des Glaubens gekennzeichnet ist . Dem gemeinsamen Motiv von der Freude angesichts des Leidens folgt die gemeinsame Zielsetzung der Vollkommenheit. 1
Damit können wir die am Beginn dieses Abschnittes gestellte Frage nun soweit beant worten: Vollkommenheit ist für den Autor des Jak wie für den Evangelisten ein zen trales theologisches Ziel; sie wird einmal erreicht durch die Erfüllung des Gesetzes, näherhin des Liebesgebotes, sowie in der durch Bedrängnis gekennzeichneten Situation des Christen in der Welt. Den religionsgeschichtlichen Hintergrund für diesen Gedan ken bildet die frühjüdische Weisheitstheologie, die um jene beiden Probleme kreist, die Erfüllung des Willens Gottes und das Leiden des Gerechten in dieser Welt.
III.
Weisheit ,,von oben"
Die Frage nach der Vollkommenheit im Jak und in der synoptischen Jesusüberliefe rung, die wir im voraufgehenden Abschnitt ausführlich zur Sprache brachten, führt uns zu einem weiteren Problem. Denn jene Vollkommenheit ist in beiden Überlie ferungen nur in der von Gott gewährten Weisheit möglich, die im Gegensatz zu al ler irdischen Weisheit steht. Dieser Grundgedanke wurde für den Jak im ersten Teil unserer Untersuchung ausführlich aufgewiesen und religionsgeschichtlich untersucht. Auch die synoptische Jesusüberlieferung weist darauf hin, daß die Vollkommenheit eine dem Menschen nicht aus sich heraus erreichbare Möglichkeit ist, sondern nur in der von Gott gegebenen Weisheit liegt . Die Weisheit ist aber auch in der synopti schen Tradition als von Gott kommende Weisheit verstanden, die aller irdischen und menschlichen Weisheit entgegensteht, indem sie alle Niedrigen, Armen und Einfälti gen zu Weisen macht. Diesen Gedanken hebt zentral jene Überlieferung hervor, die Mt 11,25 / Lk 10,21 zugrundeliegt. 2
Der Abschnitt Mt 1 1,25-27 hat seine Entsprechung bei Lk 10,21f. Da Mt 11,25-27 / Lk 10,21f. das aus Q stammende Drohwort Lk 10,13-15 / Mt 11,21-24 voraus geht, dürften die beiden Einheiten auch in Q schon zusammen vorgelegen haben. Das beim dritten Evangelisten dazwischenliegende Stück besteht aus einem von Lk selbst gestalteten Bericht (Lk 10,17—20) und einem Einzelwort aus Q. Mt 11,21-24 / Lk 10,13-15 schließen sich wohl auch schon in Q an die Aussendungsrede (Mt 10,7—16 / Lk 10,1—20) an, die im Grundbestand auf die Spruchquelle zurückgeht. 3
1
Jak 2 , 8 - 1 3 w i r d , w i e w i r sahen (vgl. o b e n S. 9 7 f . ) , die Erfüllung des „ganzen Gesetzes" als W e g zur V o l l k o m m e n h e i t gesehen. Dieser für M t so entscheidende Gesichtspunkt der Erfüllung des Gesetzes hat also seine zentrale Bedeutung auch im Jak.
2
V g l . U . L u c k , Die Vollkommenheitsforderung 39f.; vgl. auch o b e n im ersten Abschnitt des
3
V g l . D . L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 60.
vorliegenden Kapitels S. 120.
139
Dieser Kontext ist bei der Auslegung des Dankgebetes zu beachten. Der Spruch selbst ist bei Mt und Lk nahezu identisch wiedergegeben, so daß der ursprüngliche Wortlaut leicht rekonstruiert werden kann: statt eKpvxjjaq in Q, das Mt übernimmt, setzt Lk wohl in Angleichung an ä-neKäkvilsaq das Kompositum änenpv^aq . Der Text ist damit einer der Abschnitte in der Spruchquelle, „die am wenigsten Probleme bei der Bestimmung des ursprünglichen Wortlautes aufwerfen" . Der gedankliche Hintergrund und die Zielsetzung des Abschnittes werden deutlich in dem a-noKaKv-nreiv, der Aussage über die Offenbarungsempfänger und Inhalt der Offenbarung. 1
2
1.
Das
äiroKa'KviTT€LP
Mt 11,25/Lk 10,21 spricht vom Offenbaren an die wnirtoi und dem Verbergen vor den ao0o£ Offenbarung von Verborgenem ist in der Apokalyptik das beherrschende M o t i v . Dabei handelt es sich um die Enthüllung und Offenbarung geheimer, verborgener Güter und Sachverhalte, die im Himmel bereitet sind, an bestimmte Auserwählte aus der Geschichte Israels. Diese unzugänglichen Ereignisse enthüllen das, was über die Erde, über die Gerechten und Ungerechten kommen wird. Als solche tragen sie kosmischen und geschichtlich-eschatologischen Charakter . Die Enthüllung und Offenbarung solcher Geheimnisse ist also ganz Gottes Tat, auf die der Mensch keinen Einfluß hat. 3
4
So sind dem apokalyptischen Seher die Ereignisse der Welt absehbar, er hat das Wissen empfangen, wann die Geheimnisse der Gerechten offenbar werden, das vernichtende Gericht über die Sünder kommen wird, vgl. lHen 103,1—6. Insofern also Offenbarung „die interpretierende Enthüllung von in Visionen und Entrückungen geschauten himmlischen 'Geheimnissen', und zwar derselben 'Geheimnisse', die sich am Ende der Zeit offenbaren werden ( i s t ) " , trägt der Seher nicht so sehr den Charakter der Sendung zu seinem Volk, sondern tritt als Deuter der Zukunft auf, als Ankündiger der zu erwartenden Geschehnisse, die ihnen offenbart sind, als Enthüller des kurz bevorstehenden Endes. Für den Gebrauch und den Gedanken des Wortfeldes „Offenbarung" in unserem Q-Logion ist es wichtig zu wissen, daß solche apokalyptischen Erkenntnisse nur an die „Weisen" weitergegeben werden . 5
6
Auch in der Apokalyptik der Qumran-essenischen Gemeinde spielt der Gedanke der Offenbarung von göttlichen Geheimnissen eine wesentliche Rolle. 1 QS 11,5—7 spricht der Beter von der „Einsicht, welche verborgen vor den Menschen, Erkenntnis und klugen Gedanken, (verborgen) vor den Menschenkindern" ; den Erwählten tut 7
1
2
L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 6 4 + A . 8 ; vgl. Schulz, Q 213f. Lührmann, Redaktion 65.
3
V g l . d a z u G. B o r n k a m m , A r t . pvoTf)piov; Das
in: T h W N T I V , 8 0 9 - 8 3 4 . 8 2 1 . 8 2 3 ;
D . Lührmann,
Offenbarungsverständnis b e i Paulus u n d in paulinischen G e m e i n d e n ( W M A N T
16), Neukir-
chen 1965, 9 8 - 1 0 2 ; M . Hengel, Judentum 3 6 9 - 3 8 1 . 4
V g l . H o f f m a n n , Studien 112 + A . 4 4 . 4 5 , vgl. 4Esr 8,51f.
5
L ü h r m a n n , Offenbarungsverständnis
6
V g l . über die hier genannten Stellen hinaus n o c h die Belege bei Schulz, Q 218 A . 2 8 4 .
7
Ü b e r s e t z u n g nach Maier, T e x t e I , 44.
140
lOOf.
Gott seine wunderbaren Geheimnisse zu einem Wandel gemäß der Offenbarung kund, 1 QS 9,18f., vgl. 4,27, belehrt den Frommen über seine wunderbaren Geheimnisse und Heilspläne, 1 Qp Hab 7,4—14; 1 QS 4,2—6. Diese Offenbarung geschieht vor allem durch den „Lehrer der Gerechtigkeit", „dem es aber obüegt, damit auf die Gemeinschaft einzuwirken" . 1
2
Das Motiv der Enthüllung verborgener Geheimnisse fehlt auch in der Weisheitslitera tur nicht. Das zeigt schon das Nebeneinander von ä-noKakv-nreiv bzw. äiroKäXv\}jtq und nuoTVpiov bei Sirach, vgl. Sir 3,18; 27,16f., vgl. auch Sir 1,30; 4,18; 20,31. Die Vorstellung von der Verborgenheit der Weisheit ist für alle Weisheitsschriften grundlegend , vgl. vor allem Sir 4,18; Sap 6,12ff; 7,lff; 9,lff; 10,21 u.a. Besonders aufschlußreich ist das Weisheitslied Sir 1,1 — 10. Dort wird zunächst von der Weisheit gesprochen, die bei Gott ist und von ihm kommt ( V . l ) , dann von der der Welt eingeschaffenen Weisheit ( V . 4 f f ) , die keiner erkennt , und schließlich ist davon die Rede, daß Gott sie denen, die ihn lieben, gewährt. Auch hier findet sich sachlich 3
4
und
terminologisch das Gegenüber von äiroKaXviTTeiv
und
yiyvöjoneip,
S
vgl. V . 6 .
Die religionsgeschichtlichen Strömungen von Weisheit und Apokalyptik lassen sich wohl nicht streng voneinander trennen und haben selbst im Frühjudentum aufeinan der eingewirkt , wie nicht zuletzt die apokalyptisierende Weisheitsschrift der Sapien tia zeigt . Freilich geht es in unserem Q-Text nicht um die Enthüllung apokalyptischer Geheimnisse, das Logion ist ganz von der frühjüdischen Weisheitstheologie geprägt: „Nicht himmlische Geheimnisse werden nämlich den vqmoi erschlossen, sondern die Bedeutung des gegenwärtigen Auftretens Jesu" . Dem entspricht, daß die Offenba rung gerade an die vqmoi ergeht, ein Gedanke, der in der Apokalyptik völlig fehlt, aber in der Weisheit wenigstens ansatzweise schon vorhanden ist . Schließlich weist D. Lührmann darauf hin, in der Apokalyptik lasse sich „eine solche Verwen dung des viöq -Titels, wie sie an unserer Stelle vorliegt, nicht nachweisen"; „ein Sohn Gottes als Offenbarungsmittler ist aber der Xöyoq bei Philo, was wiederum auf die jüdische Weisheit als religionsgeschichtlichen Hintergrund w e i s t " . 6
7
8
9
10
2.
Die
vrimoL
als
Offenbarungsempfänger 11
Der LXX-Sprachgebrauch kann hier kurz zusammengefaßt werden . Das Wort vrpnoq hat in seinen hebräischen Äquivalenten im A T zwei verschiedene Begriffs1
V g l . weitere Belege bei Schulz, Q 218 A . 2 8 5 ; Neuhäusler, A n s p r u c h 25f.; H . B r a u n , Q u m r a n und
das N T I I ; Tübingen 1966,
119.
2
F. N ö t s c h e r , Z u r theologischen Terminologie der Q u m r a n t e x t e ( B B B 10); B o n n 1956,
3
V g l . F . Christ, Jesus S o p h i a 83 + A . 3 0 1 .
4
73.
Dies bringen die beiden rhetorischen F r a g e n z u m A u s d r u c k : „ D i e Wurzel der Weisheit — w e m ist sie enthüllt, u n d ihre Klugheit — w e r hat sie erkannt? "
5
V g l . Sir 4 , 1 8 b : Kai
6
V g l . G . v. R a d , T h e o l o g i e des A T I I , 318f., der die Weisheitsliteratur als Entstehungsort der
{oo(f>ia)
äiroKaXv^ei
avTÖp r d Kpu-nrä
avrfiq
.
A p o k a l y p t i k ansieht. D a g e g e n spricht sich P. von der Osten-Sacken aus: D i e A p o k a l y p t i k in ihrem Verhältnis zu Prophetie u n d Weisheit ( T E H 1 5 7 ) ; München 1969. 7
V g l . Fichtner, D i e Stellung der Sapientia 124 A . 2 3 a .
8
H o f f m a n n , Studien
9
113.
Vgl.S.140A.6.
1 0
R e d a k t i o n 66.
u
V g l . Bertram, A r t .
vf}inoq;
in: T h W N T I V , 9 1 3 - 9 2 5 . 9 1 5 - 9 1 8 .
141
1
inhalte: „ K i n d " und „einfältig" ; dabei wird zunächst das Kind in seiner Unmündig keit und Hilflosigkeit gesehen, ohne daß damit eine „abwertende Meinung über das Wesen des Kindes" mitgegeben wäre. Dies ist sogar „nach allem, was sich aus dem A T über die Anwendung dieses Wortes auf das Kind sagen läßt, geradezu ausge schlossen" . 2
3
Einflußreich und vor allem für das Q-Logion Mt 11,25 / Lk 10,21 bedeutsam ist der Gedanke der Einfalt, der im positiven Sinne verstanden wird. In der Überset zung von päti mit päti vfrnioq (Pss; Prov) kann L X X den eigentlichen Sinn, wie er im hebräischen A T zugrundeliegt, verändern . Nach diesem Verständnis, das vor allem in den Psalmen und den Weisheitsschriften deutlich wird, gilt dem vf)moq Gottes besondere Sorge, indem sein Gesetz den Einfältigen Weisung ist, Ps 18,8 ( L X X ) , vgl. Ps 114,6 ( L X X ) , gerade ihm gibt er Einsicht, vgl. Ps 118,130 ( L X X ) ; so hat der Einfältige „große Verheißung: er steht unter dem Schutz Gottes und empfängt von ihm Weisheit" , vgl. Sap 10,21; Prov 9,1-6. 4
5
In den Schriften der Qumran-Gemeinde findet sich der der Übersetzung von vq-nioq im A T zugrundeliegende Begriff päti, welcher der Ausgangspunkt für die Entwick lung der positiven Vorstellung des vfimoq ist, in verschiedener Bedeutung. Zunächst kann das Wort im Sinne von „töricht", und zwar im negativen Sinne gebraucht wer den, 1 QSa 1,19; CD 13,6; 15,11.15; theologisch bedeutsam ist aber die Bezeichnung der Frommen als der Einfältigen, wie es 1 QH 2,9; 1 QpHab 12,4 nachweist. Die Einfaltigen werden in der Auslegung von Hab 2,12 mit den Armen und Tätern des Gesetzes identifiziert: „Die Deutung des Wortes bezieht sich auf den gottlosen Prie ster, daß man ihm vergelten wird seine Tat, die er an den Armen getan hat; denn der Libanon, das ist der Rat der Gemeinschaft, und das Vieh, das sind die Einfäl tigen Judas, die Täter des Gesetzes" (1 Qp Hab 12,2-4). 6
a
In dem „Weisheitspsalm aus Qumran" 11 Q P s X V I I I wird Jahwe gepriesen, „der (den) Armen aus der Hand (der) Übermütigen . . . " , V . 1 8 . Die Übermütigen erken nen die Weisheit nicht, wie V . 15 ausfuhrt. Dem entspricht, daß die Weisheit ge geben ist, „kundzutun (den) Einfältigen seine Stärke, zu belehren die Unverständi gen (über) seine Herrlichkeit ( V . 7 ) und daß die Gemeinschaft aufgerufen ist, den Einfaltigen Gottes Stärke kundzutun ( V . 4 ) . Auch hier haben wir also einen Hinweis auf die Gleichsetzung vom Einfältigen und Armen sowie auf die Entwicklung des Gedankens, daß gerade den Einfältigen die Weisheit Gottes gegeben ist. Die Vorstellung, daß gerade der Einfältige, der Arme Empfänger der Offenbarung ist, ist für die Qumran-Leute charakteristisch . 7
8
1
2
3
B e r t r a m , A r t . vqirioq
,915.
B e r t r a m , A r t . vq-nioq , 9 1 7 . Ebd.
4
Vgl. ebd., Z . 4 0 - 5 0 .
5
W. G r u n d m a n n , D i e N H J i I O I in der urchristlichen Paränese; in: N T S 5 ( 1 9 5 8 / 5 9 ) , 1 8 8 - 2 0 5 . 2 0 2 .
6
S o der Titel des Aufsatzes von D . L ü h r m a n n ; in: Z A W 80 ( 1 9 6 8 ) 8 7 - 9 8 .
7
Ü b e r s e t z u n g nach L ü h r m a n n (s. vorige A n m . ) .
8
V g l . n o c h die v o n H o f f m a n n , Studien 114 A . 5 9 genannten Stellen; z u m P r o b l e m des „ A r m e n " in d e n Qumran-Schriften vgl. J. Maier, T e x t e I I , 86f.In Test X I I ist
vfrnioq gleichbedeutend
mit „ K i n d " , w i e es im A T zu b e o b a c h t e n ist u n d hat keine weitere theologische Bedeutung, vgl. Test Jud 2 3 , 3 ; Test Jos 10,5.
142
1
Von solchen Vorstellungen sind die vq-nioi an unserer Stelle vor allem zu erklären . Sie sind identisch mit den nrtoxoi (bzw. nrcoxoi reo nvevpari), denen Jesus in der Bergpredigt die ßaoiXeia verheißt, gerade sie hat Gott erwählt, vgl. auch IKor 1,26; 2,6fr ; als solche versteht sich die Q-Gruppe. 2
Ist also der Gedanke, daß die Offenbarung in erster Linie an die vrprtoi und -nrtoxoi ergeht, in der frühjüdischen Theologie durchaus verbreitet und von Q in unserem Logion aufgenommen, so scheint doch der Ausschluß der oooi Kai ovveroi Mt 11,25 / Lk 10,21 einen neuen Gesichtspunkt zu bringen; denn offensichtlich läßt sich der Ausschluß gerade der „Weisen" von der Offenbarung Gottes sonst nicht nachweisen. Adressat der Offenbarung in der Apokalyptik ist ja der erwählte Weise, 4Esr 12,36-38; Apk Bar(syr) 48,3 u.ö. Werden freilich in der Weisheitsliteratur An sätze zu jenem Gedanken eines Ausschlusses der „Weisen" von der Offenbarung und einer Bevorzugung der vr)nioi oder ähnlicher Gruppen schon erkennbar, vgl. Sir 3,19 , so nehmen in unserem Q-Logion die vr)-nioi gegenüber den schriftgelehrten Autoritäten der jüdischen Öffentlichkeit „den Ehrentitel der 'Weisen' für sich in Anspruch. Sie verstehen sich als die 'wahren' Weisen, durch welche die Weisheit Recht bekam, während die sogenannten 'Weisen' und 'Verständigen', gemeint sind diejenigen, die in der jüdischen Öffentlichkeit als solche gelten, ihre Weisheit verlie ren, zu 'diesem Geschlecht' werden" . 3
4
3.
Das
ravra
Mt
11,25
/ Lk
10,21
Mit dem schwer zu identifizierenden ravra wird in Q bezeichnet, was den vr\nioi offenbart worden ist. Was aber ist jener Offenbarungsinhalt? Nach D. Lührmann ist das ravra „am ehesten verständlich, wenn es generalisierend gemeint ist" . Da gegen wäre sicher mit Recht der Hinweis von E. Schweizer anzuführen, der betont, das ravra müsse sich einmal „auf etwas Bestimmtes bezogen haben" . Einen Schritt weiter geht F. Christ. Er sieht in dem ravra das eschatologische Mysterium, das im „Geheimnis des Gottesreiches" bestehe . Dieser Zusammenhang werde durch die Tatsache nahegelegt, daß Mt 11,25 ( = Lk 10,21) den Versen Lk 10,23f. vorausgeht. Lk 10,23 ( = Mt 13,16) seien aber mit Mt 13,11 verbunden . Diese Verbindung ist sicher nicht ganz von Konstruktionen frei; dennoch bleiben wir nicht ohne konkre ten Hinweis auf den Offenbarungsinhalt, wenn man sich die gezeigte Herkunft und Bedeutung des Begriffes vr)-nioq bzw. der vr\nioi als Offenbarungsträger vergegenwär tigt und dann das sekundäre, aber mit Mt ll,25f. / Lk 10,21 in Q schon verbun dene Logion Mt 11,27 / Lk 10,21b als Interpretationshorizont der Offenbarung an die vr\moi betrachtet, das für Q von großer Wichtigkeit ist . 5
6
7
8
9
1
2
V g l . auch F. Christ, Jesus Sophia 83f. A u f die Gemeinsamkeiten von I K o r 2,6ff; l , 2 6 f f u n d M t 11,25 / L k 10,21 weisen Christ, Jesus S o p h i a 82 u n d Schulz, Q 218 A . 2 8 7 hin, w o b e i Schulz in I K o r 2,6ff formal „das glei che Revelationsschema" sieht.
3
N a c h Bertram, A r t . vq-nioq
923 ist Sir 3,19 als ursprünglicher Bestandteil der Übersetzung
zu betrachten. 4
H o f f m a n n , Studien
5
Redaktion 65.
6
M t 174.
7
Jesus Sophia 8 1 .
118.
8
Ebd.
9
V g l . Schweizer, M t 177.
143
Wir konnten feststellen, daß die vqmoi sich als die wahren Weisen betrachten, die, von Gott erwählt, die Offenbarung Gottes empfangen haben . Damit sind wir ganz in die chokmatische Überlieferung des Frühjudentums verwiesen. Gegenstand der Of fenbarung aus der prinzipiellen Verborgenheit heraus ist aber nichts anderes als die Weisheit selbst, die dem Menschen unzugänglich ist, die nur Gott kennt und die der Mensch nur empfangen kann, um durch sie weise zu werden . 1
2
Dem entspricht die Aussage über den Offenbarungsmittler. Es wurde schon im An schluß an D. Lührmann darauf hingewiesen, daß der Gebrauch des viöq -Titels Mt 11,27 die Entstehung des Logions in der hellenistisch-jüdischen Weisheit wahrschein lich macht. Unter Berufung auf U. Wilckens , F. Christ , D. Lührmann u.a. sieht S. Schulz sogar als „gravierend für die Fixierung des religionsgeschichtlichen Hinter grundes von V . 2 7 " den „Zusammenhang mit der hellenistisch-jüdischen Vorstellung von der personhaft-himmlischen Weisheit" . Durch Jesus als Offenbarungsmittler ist die den Menschen prinzipiell verborgene Weisheit für die vriinoi, die Gott erwählt hat, offenbar geworden, vgl. I K o r 1,26; Jak 2,5, während die Weisen und Verstän digen als Vertreter des offiziellen Judentums sie ausgeschlagen haben. Ist es wohl fraglich, ob Jesus hier mit der Weisheit identifiziert w i r d , so tritt er doch hier si cher als Träger der Weisheit auf, ist er „der eschatologische Gesandte der Weisheit" 4
5
6
7
8
9
4.
Ergebnis
Die auffallenden Berührungen zwischen Jak und synoptischer Jesusüberlieferung hat ten nahegelegt, das Verhältnis entsprechender Aussagen näher zu untersuchen. Da bei hatte sich empfohlen, die Analyse auf jene Gesichtspunkte zu konzentrieren, die für die Theologie des Jak von wesentlicher Bedeutung sind. Einige Konsequenzen wollen wir hier zusammenfassen: a) Ein wesentlicher theologischer Gesichtspunkt für den Jak ist das im Liebesgebot konzentrierte Gesetz als Weg zur Vollkommenheit, vgl. Jak 1,25; 2,8. Auch die matthäische Jesusüberlieferung hat diesen Gedanken zu einem Grundzug ihrer theo logischen Konzeption gemacht. Hier fiel vor allem die sachliche Gemeinsamkeit von Jak 2,10 und dem Wort der Q weiterüberliefernden matthäischen Gemeinde und demWort der Mt 5,19 auf, das die , judenchristliche Kampfparole" Mt 5,18 kasuistisch anwendet und aus der Debatte um die Verbindlichkeit aller Gebote hervorgegangen ist. In der weiteren Interpretation dieser Überlieferung will der Evangelist Mt hervorheben, daß das Gesetz nicht außer Kraft gesetzt werden darf, sondern im Gegenteil in je nem durch Jesus neu aufgerichteten und als Liebesgebot verstandenen Gesetz die
1
V g l . A . 4 auf Seite
2
D a s b l e i b t j a das Z i e l gerade des G e r i n g e n , vgl. nur S a p 9,4ff; 10,21 u.a.
143.
3
V g l . in diesem A b s c h n i t t A . 1 1 3 .
4
A r t . ao0ta, 517.; Weisheit u n d T o r h e i t 1 9 8 - 2 0 0 .
s
Jesus S o p h i a 89f.
6
Redaktion 66.
7
Q , 224.
8
V g l . L ü h r m a n n , R e d a k t i o n 99. Freüich w ä r e hier die sachliche N ä h e zu I K o r 2,6 zu b e d e n k e n . Von
9
daher Üeße sich möglicherweise an jene Gleichsetzung denken.
Schulz, Q 227.
144
„guten Werke" möglich werden, Mt 5,16, und der Mensch so zur besseren Gerech tigkeit, Mt 5,20, und Vollkommenheit gelangt, Mt 5,48. Beide Überlieferungen le gen also das Gesetz als Weg zur Vollkommenheit hin aus. b) Daneben kennt der Jak das Motiv der Vollkommenheit durch Leiden und Be drängnis. Auch die synoptische Jesusüberlieferung hat diesen Gedanken in ihre theologische Konzeption aufgenommen. In erster Linie sind wir hier wieder auf die weitere Q-Überlieferung der matthäischen Gemeinde verwiesen. Schon in der Spruch quelle ist ein besonderer Zusammenhang zwischen dem letzten Makarismus und dem Gebot der Feindesliebe vorgegeben. Die weitere Überlieferung der matthäischen Gemeinde hat diesen Zusammenhang noch weiter betont. Schließlich hat der Evan gelist Mt den Zusammenhang zwischen der Verfolgungstradition und dem Gebot der Feindesliebe, das er mit der imperativischen Vollkommenheitsforderung abschließt, noch enger gestaltet. Der Evangelist Mt kennt also wie der Jak neben der Vollkom menheit durch Erfüllung des Gesetzes den Gedanken der Vollkommenheit durch Leiden und Bedrängnis. Den religionsgeschichtlichen Hintergrund für diesen Ge danken bildet die frühjüdische Weisheitstheologie, die, wie wir sahen, um diese beiden theologischen Probleme kreist, Weisheit durch Erfüllung des Willens Gottes und das Leiden und Durchhalten in der Bedrängnis. c) Das führte zu einem dritten Gesichtspunkt. Entscheidend für die theologische Konzeption des Jak ist der Gesichtspunkt der Weisheit „von oben", die dem Chri sten in der Taufe grundsätzlich geschenkt wurde, die er aufgreifen muß und immer neu in jenen Werken, die die Weisheit selbst mitbringt, verwirklichen muß. Auch die synoptische Jesusüberlieferung kennt die zweifache Weisheit, die in der Offen barung an die vq-nioi besteht. Durch jene Offenbarung hat Gott die Geringen zu Weisen erwählt, während er die Weisheit vor den sog. „Weisen" des Volkes verbor gen hat, Mt 11,25-27 par. Wir sehen: Jak und Jesusüberlieferung stehen in einem besonderen Verhältnis zuein ander. Unsere Schrift sowie Teile der Jesusüberlieferung, namentlich die Q-Überlie ferung der matthäischen Gemeinde sowie die theologische Arbeit des Evangelisten Mt selbst lassen eine gemeinsame Prägung von der frühjüdischen Weisheit her erken nen. Gemeinsam ist beiden Überlieferungen der Gedanke der Vollkommenheit durch Erfüllung des Gesetzes und Bewährung im Leiden sowie der tragende theologische Gesichtspunkt der Weisheit Gottes, deren Träger in der matthäischen Überlieferung Jesus ist, der die Unmündigen und Armen zu Weisen erwählt, daß sie die guten Werke tun, jene Weisheit, die im Jak den Christen geschenkt ist, durch die sie als Arme zu Reichen im Glauben erwählt sind und die ihnen Gerechtigkeit vor Gott erwirkt. 1
1
V g l . auch die a u f diese Tradition zurückgehenden Begriffe M t . 5 , 5 . 7 - 9 mit Jak 3,13.17.
145
IV.
Ergebnisse
Was läßt sich nun aufgrund unserer Untersuchungen zum theologischen Problem des Jak sagen? Hat der Brief überhaupt eine theologische Konzeption oder verliert sich die Schrift in allgemeine Mahnungen, die zusammenhanglos aneinandergereiht sind und keinen einheitlichen Gesichtspunkt, unter dem sie möglicherweise stehen, her vortreten lassen? Wir gingen aus von einer literarischen und formgeschichtlichen Analyse der einzelnen Briefabschnitte. Dabei wurde deutlich, daß der Jak — und hier wird man M. Dibe lius uneingeschränkt zustimmen können - literarisch ein Zeugnis der urchristlichen Paränese ist. Die Schrift ist insofern durchaus vergleichbar mit paränetischen A b schnitten anderer Briefe des N T oder auch frühjüdischer Sammlungen. Damit ist aber das Problem nicht gelöst. Denn gerade hier wird die These von M. Dibelius und vieler anderer, die dem Jak entweder eine leitende theologische Konezption absprechen oder wenigstens nicht entdecken können, fraglich. Bei näherer Analyse unserer Schrift ergab sich nämlich der wichtige Gesichtspunkt, daß einmal auch tra ditionelle Spruchreihen ein leitendes theologisches Motiv erkennen lassen, vgl. 1,2— 12, und daß andererseits einige Briefabschnitte als auf den Autor selbst zurückge hende theologisch-lehrhafte Abhandlungen zu gelten haben, denen offenbar eine Konzeption zugrundeliegt, die zur Frage nach dem Theologen drängt. Zwei Leitgedanken kristallisierten sich aufgrund unserer einleitenden Analyse aus dem Brief heraus: die Vorstellung von der Weisheit und der Glaube im Jak. Die religionsgeschichtlich-exegetische Untersuchung der entsprechenden Briefabschnitte konnte die zentrale Bedeutung der beiden genannten theologischen Fragen nur be stätigen. Die im ersten Teil behandelten Weisheitsperikopen Jak 1,2-12; 3,13-18 zeigten bei aller Unterschiedlichkeit ihres literarischen Charakters einen gemeinsamen theo logischen Grundgedanken : wurde die Frage nach der Weisheit, die der Autor in 1,2—12 als uneingeschränkte Notwendigkeit für den Besitz der eschatologischen Ver heißung versteht, zum eigentlichen theologischen Hauptgedanken der ersten Spruch reihe, so wird der Weisheit in 3,13 — 18 eine eigene Abhandlung gewidmet, in der sie von der dualistisch-weisheitlichen Konzeption des Frühjudentums entworfen und in ihrem Wirken beschrieben w i r d : Dem, der die Weisheit im Glauben annimmt und die ihr eigenen Werke tut, erwirkt sie Gerechtigkeit vor Gott. Die Weisheit ist aber keineswegs nur als moralische Verpflichtung, als sittlich gute Haltung ver standen, sondern ihr kommt als theologischer Größe heilstiftende und den Menschen neuprägende Kraft zu. Damit ist die zweite große Thematik unseres Briefes schon angesprochen: wie ist das Verhältnis des Glaubens zur Weisheit zu sehen? 1
2
Diesem zweiten großen Thema unseres Briefes hat der Autor zwei große Abhandlun gen gewidmet. Im ersten Teil macht unser Verf. einige wichtige Aussagen über das Handeln Gottes am Menschen, 2,1-5: Gott hat durch Jesus Christus nicht die An gesehenen und Reichen erwählt, sondern die Armen und Geringen. Die sachliche und
1
In 1,2—12 ist die traditionelle S p r u c h f o r m vorherrschend, w ä h r e n d 3 , 1 3 - 1 8 den Charakter einer theologisch-lehrhaften A b h a n d l u n g über die Weisheit trägt.
2
D i e H y p o t h e s e , daß der Verf. in 3,13ff gegen eine gnostische F r o n t k ä m p f e , ließ sich nicht z w i n g e n d begründen.
146
terminologische Nähe zu IKor 1,26; Mt 11,25 par gab uns den Hinweis für den re ligionsgeschichtlichen Hintergrund der Aussagen, der in der Tradition der frühjüdi schen Weisheit zu sehen ist: Gott hat die Armen und Geringen erwählt, sie können sich als die wahren Weisen verstehen, die empfänglich sind für die Weisheit Gottes. Die Berufung der Christen zu Reichen im Glauben an Jesus Christus, 2,1—7, die Wiedergeburt durch das „Wort der Wahrheit", 1,18, das nichts anderes ist als jene Weisheit, von der in 3,13 die Rede war, verpflichtet den Christen auf das durch Jesus Christus neu ausgelegte Gesetz, auf die durch Jesus Christus aufgerichtete Offenbarung des Willens Gottes, 2,1.8ff, vgl. 1,17f.l9ff.25, den es zu tun gilt. In der Erfüllung des weisheitlich verstandenen Gesetzes wird der Christ der Verpflich tung seines geschenkten Glaubens gerecht, wird ihm schließlich „Erbarmen im Ge richt" zuteil, 2,13. Diese eschatologische Frage nach dem rettenden Glauben wird in der zweiten großen Abhandlung von Kap. 2 in einer Diatribe systematisch entfaltet. Auch hier kann der Autor nicht einfach vom „Glauben" sprechen, sondern das Ziel ist der zur Vollkom menheit gelangte Glaube, der Glaube, der immer auf das Werk und die tätige Ent faltung angelegt ist, auf jene Werke, die der Weisheit eigen sind, 3,13.17. Anknüp fend an die Abraham-Exegese des frühen Judentums versteht unser Autor den Erz vater als die exemplarische Gestalt, die diesen Glauben zur Erfüllung gebracht hat und daher Gerechtigkeit empfing. „Glaube" aber ist im Gegensatz zur jüdischen Tradition für den Christen nicht mehr Tat des Menschen, Leistung gegenüber dem Gesetz , sondern ist eine Gabe, die zur Erfüllung drängt. Als formales Bekenntnis hat der Glaube kerne rettende Kraft, sondern nur, wenn er in der tätigen Bereit schaft den Menschen auf den Weg zur Vollkommenheit fuhrt. 1
Wir sehen: Der Jak steht religionsgeschichtlich fest in der Tradition der frühjüdi schen Weisheitstheologie. Von daher ist der oft mangelnde Zusammenhang zwischen den einzelnen Sprucheinheiten am ehesten verständlich. Unser Brief gibt aber nicht nur traditionelles Spruchgut weiter ohne eigene theologische Konzeption, sondern korrigiert die Überlieferung und stellt seine Mahnungen unter einen einheitlichen Gesichtspunkt: im Glauben teilt sich die verborgene Weisheit Gottes mit, die dem Menschen eschatologische Verheißung zuspricht, im Glauben muß der Mensch die Weisheit, welche er empfangen hat, aufgreifen und je neu verwirklichen. Dieses Er gebnis können die abschließenden Überlegungen zum Verhältnis von Jakobusbrief und synoptischer Jesusüberlieferung nur bestätigen. Eine erste Gemeinsamkeit zwischen beiden Überlieferungen ergab sich thematisch aus dem Motiv der Vollkommenheit durch Erfüllung des Gesetzes. Das Jak 2,10 sachlich entsprechende Wort Mt 5,19 ist in der Q weiterüberliefernden matthäischen Gemeinde entstanden und hebt ähnlich wie Jak 2,10 den Totalanspruch des Ge setzes hervor. Der erste Evangelist konnte dieses aus der Debatte über die Verbind lichkeit aller Gebote hervorgegangene Wort aber nicht isoliert übernehmen, sondern legte es, ebenso wie unser Autor den Satz Jak 2,10, christologisch auf das Zentral gebot der Nächstenliebe hin aus. M.a.W.: Für beide Autoren ist die Person Jesu der Bezugspunkt der Auslegung des überlieferten weisheitlichen Gesetzesverständnisses: das Tun des durch Jesus Christus neu aufgerichteten Gesetzes führt zu Vollkommen heit und Weisheit. 1
Bezeichnenderweise kann unser A u t o r in seiner A b r a h a m - E x e g e s e auf das Gesetz völlig verzichten.
147
Eine zweite Gemeinsamkeit zwischen Jak und Jesusüberlieferung ergab sich aus dem Motiv der Vollkommenheit durch Leiden und Bedrängnis; auch hier stehen sich un ser Autor und der erste Evangelist besonders nahe: steht der matthäische Heilsruf an die Armen (Mt 5,3) und Bedrängten (Mt 5,11 f.) in unverkennbarer Beziehung zu dem Abschnitt Mt 5,43ff par mit dem durch Mt selbst eingefügten abschließen den Vollkommenheitsmotiv, so steht dieser Gedanke Jak 1,2—4 am Beginn unserer Schrift. Den religionsgeschichtlichen Hintergrund für die Entfaltung des dargestellten Gedankens bildet die frühjüdische Weisheitstheologie, von der sowohl der Jak wie der Evangelist Mt, aber auch schon die Q weiterüberliefernde matthäische Gemeinde entscheidend geprägt sind. Eine dritte — sachliche — Entsprechung findet sich in dem gemeinsamen Motiv der Weisheit „von oben". Wird dieses Thema im Jak in einer zentralen Auseinanderset zung ausgeführt, 3,13 — 18, vgl. 2,5, so liegt in der synoptischen Jesusüberlieferung eine sachliche Entsprechung vor, insofern Weisheit verstanden wird als Gabe Gottes, die aller menschlichen Weisheit entgegensteht, indem sie die Niedrigen, Armen und Einfältigen zu Weisen macht, Mt 11,25-27; Lk 10,21f. Zusammenfassend läßt sich sagen: Der Jak hat eine unverkennbare Nähe zur synop tischen Jesusüberlieferung. Nicht zu übersehen sind die Anklänge an die Entfaltung des Q-Materials der Q weiterüberliefernden matthäische Gemeinde, ja, den geistigen Horizont des Evangelisten selbst scheint der Autor des Jak zu teüen, was die mög liche vorschnelle Vermutung literarischer Abhängigkeit beider Autoren voneinander überflüssig macht. Die durch die frühjüdische Weisheit geprägten zentralen Themen des Jak: Vollkommenheit und Weisheit durch Erfüllung des Gesetzes — Vollkom menheit durch Durchhalten in der Bedrängnis — Weisheit „von oben" finden hier ihre charakteristischen Entsprechungen. 1
1
V g l . nämlich M . H . S h e p e r d , T h e Epistle o f James and the G o s p e l o f M a t t h e w , in: J B L 75 H956),
148
40-51.
ABKÜRZUNGEN Die Abkürzungen richten sich nach dem Verzeichnis von S. Schwertner, Internatio nales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete ( I A T G ) , Berlin/New York 1974. Außerdem wurden folgende Abkürzungen verwendet: fzb
Forschungen zur Bibel, Würzburg
Bauer, Wb
Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des N T und der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin, 5. Aufl. 1958, Nachdruck 1961.
Str.-B.
Strack, H.L. — Billerbeck, P., Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Bde I-IV, München, 5. Aufl. 1959.
149
LITERATURVERZEICHNIS 1.
Texte und Quellen
Biblia Hebraica, ed. R. Kittel, Stuttgart 1966. Novum
Testamentum
Graece, ed. E. Nestle et K. Aland, Stuttgart 1963.
Septuaginta, ed. A . Rahlfs, Stuttgart 8. Aufl. 1965. Synopsis Quatuor Evangeliorum. Locis parallelis evangliorum apocryphorum et patrum adhibitis, ed. K. Aland, Stuttgart 4. Aufl. 1967. Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments I—II, übers, von e. Kautzsch, Tübingen 1900. Altjüdisches Schrifttum
außerhalb der Bibel, übers, von P. Rießler, Augsburg 1928.
The Greek Versions of the Testaments of the Twelve Patriarchs, ed. R.H. Charles, Oxford 1908. Die Texte vom Toten Meer (2 Bde); I: Übersetzung, II: Anmerkungen, übers, und herausgegeben von J. Maier, München/Basel 1960. Die Texte aus Qumran. Hebräisch und deutsch, übers, und herausgegeben von E. Lohse, Darmstadt 2. Aufl. 1971. Die Apostolischen Väter I, herausgegeben von F.X. Funk — K. Bihlmeyer — W. Schneemelcher, Tübingen 2.Aufl. 1956. Epictetus, The Discourses as reported by Arrian, the manual, an fragments with an English translation by W.A. Oldfather I u. II, London 1925, Nachdruck 1967. Philo Alexandrinis opera quae supersunt I—VI, ed. L. Cohn et P. Wendland (Ber lin 1896 bis 1915); V I I : Indices von J. Leisegang (Berlin 1926-30; Nach druck 1962. Corpus Hermeticum
I—IV, ed. A . D . Nock et A.J. Festugiere Paris 1945—54.
Krause, M.,—Labib, P., Die drei Versionen des Apocryphon des Johannes im Koptischen Museum zu Altkairo (Wiesbaden 1962).
2.
Allgemeine
Hilfsmittel
Bauer, J.B.,Bibeltheologisches
Wörterbuch (2 Bde), Graz, 3. Aufl. 1967.
Bauer, W., Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des N T und der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin 5. Aufl. 1958, Nachdruck 1961. Bibel-Lexikon,
herausgegeben von K. Haag, Einsiedeln 2. Aufl. 1968.
Bloss—Debrunner, Grammatik des neu testamentlichen Griechisch, Göttingen 12. Aufl. 1965
150
Gesenius, W. - Buhl, F., Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament (Leipzig 17. Aufl. 1915). Hatch, E. - Redpath, H.A., A Concordance to the Septuagint I—III, Oxford Nachdruck, Graz 1954.
1897ff,
Jenni, E. — Westermann, C, Theologisches Handwörterbuch zum A T , München Bd. I 1971, Bd. II 1976. Kraft, H., Clavis Patrum Apostolorum, München 1963. Kuhn, K.G., Konkordanz zu den Qumran texten Göttingen 1960. Liddel - Scott, A Greek-English Lexicon, 2 Bde, Oxford 9. Aufl. 1940. Moulton, W.F. - Geden, A.S., A Concordance to the Greek Testament, Edinburgh, 4. Aufl. 1970. Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, hrsg. von E. Henneke, 3. Aufl. hrsg. von W. Schneemelcher, I: Evangelien (Tübingen 1959); II: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes (Tübingen 1964). Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, herausgegeben von G. Kittel und G. Friedrich, Bde I - I X , Stuttgart 1933ff.
3.
Sonstige Literatur
Bammel, E., Barth, G.,
Art. T T T C O X Ö C , in: ThWNT V I , 888-915. Das Gesetzesverständnis des Evangelisten Matthäus; in: Born kamm-Barth-Held, Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium (WMANT 1), Neukirchen 6. Aufl. 1970, 54-154. Die Proverbien und die Sprüche des Jesus Sirach, in: Bauckmann, E.G., ZAW 72 (1960) 3 3 - 6 3 . „...TOir A r A n n S l N T O N © E O N " Rom 8,28 ( l C o r 8,3), Bauer, J.B., in: ZNW 50 (1959), 106-112. Mitte und Norm des Christlichen ( N T A 5NS), Münster 1968. Baumann, R., Bertram, G., Art. vrrnm , in: ThWNT I V , 913-925. Betz, 0., Rechtfertigung in Qumran, in: Rechtfertigung (FS E. Käse nann) hrsg. J. Friedrich, W. Pöhlmann, P. Stuhlmacher, Tü bingen/Göttingen 1976, 17—36. Der Brief des Jacobus ( K E K X V ) , Göttingen 5. Aufl. 1888. Beyschlag, W., Bietenhard,H., Art. Övona, in: ThWNT V , 242-283. Bonhöffer, A., Die Ethik des Stoikers Epictet, Stuttgart 1894. Bonhöffer, A., Epictet und die Stoa, Stuttgart 1896. Bornkamm, G., Art. iivoT-hpiov, in: ThWNT I V , 809-834. Bousst, W. - Gressmann, H., Die Religion des Spätjudentums im späthellenistischen Zeitalter ( H N T 21), Tübingen 1926. Brandenburger, E., Adam und Christus (WMANT 7 ) , Neukirchen 1962. Brandenburger, E., Fleisch und Geist - Paulus und die dualistische Weisheit (WMANT 29), Neukirchen 1968.
151
Braumann, G., Braun, H., Braun, H., Brox, N., Büchsei, F., Bultmann, R., Bultmann,
R.,
Bultmann, Bultmann,
R., R.,
Christ,
F,
Conzelmann, Conzelmann,
H., H.,
Cranfield, CE.B., Deissler, A., Deissler, Delling, Delling, Dibelius,
A., G., G., M.,
Dibelius, M., Dibelius, M., Dibelius, M.,
Dihle, A., Edsmann, C.H., Eichholz,
G.,
Eleder, F, Fichtner, J., Fichtner,
J.,
Fichtner,
J.,
Fichtner, J., Foerster, W.,
152
Der theologische Hintergrund des Jakobusbriefes, in: ThZ 18 (1962), 401-410. Qumran und das N T , Tübingen 1966. Spätjüdisch-häretischer und früchchristlicher Radikalismus I (BHTh 24), Tübingen 1957. Die Pastcralbriefe ( R N T 7,2), Regensburg 1969. Art. e X e x w , in: ThWNT I I , 470-472. Das Evangelium des Johannes ( K E K I I ) , Göttingen 18. Aufl. 1964. Die Geschichte der synoptischen Tradition ( F R L A N T 29), Göttingen 7. Aufl. 1967. Art. moreiu, in: ThWNT V I , 174-230. Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe ( F R L A N T 13), Göttingen 1910. Jesus Sophia — Die Sophia-Christologie bei den Synoptikern ( A T h A N T 57), Zürich 1970. Paulus und die Weisheit, in: N T S 12 (1965/66), 231-244. Der erste Brief an die Korinther ( K E K V ) , Göttingen 11. Aufl. 1969. The Message of James, in: SJTh 18 (1965), 182-193. Psalm 119(118) und seine Theologie (MthST 11) München 1955. Art. Vollkommenheit ( A T ) , in: BThW 1158-1164. Art. TrXrjpöu, in: ThWNT V I , 285-296. Art. reXeicK , in: ThWNT V I I I , 50-88. Die Christianisierung einer hellenistischen Formel, in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum (1915), 124—236. Der Brief des Jakobus ( K E K X V ) , ergänzt und herausgegeben von H. Greeven, Göttingen 11. Aufl. 1964. Die Formgeschichte des Evangeliums, Tübingen 6. Aufl. 1971. Geschichte der urchristlichen Literatur (Neudruck der Erstaus gabe von 1926 unter Berücksichtigung der Änderungen der englischen Übersetzung von 1936), herausgegeben von F. Hahn (ThB 58), München 1975. Art. iltvxucöq, in: ThWNT I X , 604-614.657-659. Schöpferwille und Geburt Jak 1,18; in: ZNW 38 (1939) 11-44. Glaube und Werk bei Paulus und Jakobus ( T E H 88), München 1961. Jakobusbrief und Bergpredigt; Diss. Wien 1964. Zum Problem Glaube und Geschichte in der israelitischjüdischen Weisheitsliteratur; in: ThLZ 76 (1951) 145-150. Die Stellung der Sapientia Salomonis in der Literatur- und Geistesgeschichte ihrer Zeit; in: ZNW 36 (1937) 113-132. Die altorientalische Weisheit in ihrer israelitisch-jüdischen Aus prägung (BZAW 6 2 ) ; Gießen 1933. Weisheit Salomos ( H A T 2. Reihe, Bd.6); Tübingen 1934. Art. Saißuv; in: ThWNT I I , 1-21. 7
Art. eLpriwn, in: ThWNT I I , 398-418. Art. KXrjpopößoq; in: ThWNT I I I , 766-786. Art. ÖXÖKX'npoq ; in: ThWNT I I I , 765f. Jahwebund und Kirche Christi ( N T A 10 N S ) Münster 1974. Der vorpaulinische Hymnus Phil 2,6—11; in: Zeit und Ge schichte (Dankesgabe an R. Bultmann zum 80. Geb.); Tübingen 1964, 263-293. Der Epheserbrief (HThK X , 2 ) ; Freiburg 1971. Gnilka, J., Der Philipperbrief (HThK X , 3 ) ; Freiburg 1968. Gnilka, J., Goppelt, L., Theologie des Neuen Testaments, Bd. 2: Vielfalt und Einheit des apostolischen Christuszeugnisses, herausgegeben von J. Roloff, Göttingen 1976. Greeven, H., Jede Gabe ist gut, Jak 1,17; in: ThZ 14 (1958), 1-13. Grundmann, W., Art. SÖKinoq ; in: ThWNT I I , 258-264. Grundmann, W., Das Evangelium nach Matthäus; Berlin 2. Aufl. 1971. Grundmann, W., Das Evangelium nach Lukas; Berlin 6. Aufl. 1971. Grundmann, W., Die NHITIOI in der urchristlichen Paränese; in: NTS 5 (1958/59), 188-205. Grundmann, W., Art. oreclHLvoq; in: ThWNT V I I , 615-635. Art. Taneivöq; in: ThWNT V I I , 1-27. Grundmann, W., Hahn, F., Gen 15,6 im N T ; in: Probleme biblischer Theologie (Fs G. von Rad zum 70. Geb.); München 1971. Halson, B.R., The Epistle of James: 'Christian Wisdom', in: St Ev I V ( T U 102) 308-314. Hanse, H, Art. e'xco; in: ThWNT I I , 816-832. Hauck, F, Der Brief des Jakobus ( K N T X V I ) ; Leipzig 1926. Hauck, F., Art. äyp
153
Käsemann, E., Kamiah, E., Kertelge, K, Kirk, J.A., Kittel, G., Kittel, G., Kittel, G., Koch, K, Kosmala, H., Kürzdörfer, K, Lackmann, M., Lang, B., Liedke, G., Lohse, E., Luck, U., Luck, U., Luck, U., Lührmann, D., Lührmann, D., Lührmann, D., Lührmann, D., Lührmann, D., Mack, B.L., Marböck,
J.,
Marböck, J., Marxsen, W., Mayor, J.B., Meyer, A., Michaelis, W., Michel, 0., Michel,
0.,
Michl, J.,
154
An die Römer ( H N T 8a); Tübingen 1973. Die Form der katalogischen Paränese im NT (WUNT 7 ) ; Tübingen 1964. Rechtfertigung bei Paulus ( N T A 3 N S ) Münster 2. Aufl. 1971 The meaning o f Wisdom in James: examination of a hypothesis; in: NTS 16 (1969/70), 24-38. Die Stellung des Jakobus zu Judentum und Heidentum, in: ZNW 30 (1931) 145-156. Der Jakobusbrief und die apostolischen Väter, in: ZNW 43 (1950/51) 55-112. Der geschichtliche Ort des Jakobusbriefes, in: ZNW 41 (1942) 71-105. Was ist Formgeschichte? ; Neukirchen 3. Aufl. 1974. Hebräer - Essener - Christen; Leiden 1959. Der Charakter des Jakobusbriefes; Diss. Tübingen 1966. Sola Fide; Gütersloh 1949. Frau Weisheit, Düsseldorf 1975. Art.jakah ; in: T H A T I, 730-732. Glaube und Werke - zur Theologie des Jakobusbriefes, in: ders., Die Einheit des N T , Göttingen 1973, 285-306. Der Jakobusbrief und die Theologie des Paulus; in: ThGl 61 (1971) 161-179. Die Vollkommenheitsforderung der Bergpredigt (TEH 150); München 1968. Weisheit und Leiden, in: ThLZ 92 (1967) 253-258. Liebet eure Feinde; in: ZThK 69 (1972); 412-438. Das Offenbarungsverständnis bei Paulus und in paulinischen Gemeinden ( W M A N T 16), Neukirchen 1965. ITiOTIS im Judentum; in: ZNW 64 (1973), 19-38. Die Redaktion der Logienquelle ( W M A N T 33); Neukirchen 1969. Ein Weisheitspsalm aus Qumran (11 QPs X V I I I ) ; in: ZAW 80 (1968), 8 7 - 9 8 . Logos und Sophia - Untersuchungen zur Weisheitstheologie im hellenistischen Judentum (StUNT 10); Göttingen 1973. Gesetz und Weisheit - Zum Verständnis des Gesetzes bei Jesus Ben Sira, in: BZ 20 (1976), 1-21. Weisheit im Wandel (BBB 37); Bonn 1971. Der Frühkatholizismus im N T (B St 21); Neukirchen 1958. The Epistle of James; London 1892. Das Rätsel des Jacobusbriefes; Gießen 1930. Art. TUTTTCO; in: ThWNT V I , 161-174. Der Brief an die Hebräer ( K E K X I I I ) ; Göttingen 12. Aufl. 1966. Der Brief an die Römer ( K E K I V ) ; Göttingen 13. Aufl. 1966. Die Katholischen Briefe ( R N T 8,2); Regensburg 2. Aufl. 1968. a
Mich!,
Der Spruch Jakobusbrief 4,5; in: Neutestamentliche Aufsätze (FS für J. Schmid zum 70. Geb.); Regensburg 1963. Mussner, F., „Direkte" und „indirekte" Christologie im Jakobusbrief; in: Cath 24 (1970) 111-117. Der Jakobusbrief (HThK X I I I , 1); Freiburg 2. Aufl. 1967. Mussner, F., Die Tauflehre des Jakobusbriefs, in: Hansjörg auf der Maur/ Mussner, F., Bruno Kleinheyer (Hrsg.), Zeichen des Glaubens - Studien zu Taufe und Firmung (FS Balthasar Fischer zum 60. Geb.), 61-67. Art. Vollkommenheit ( N T ) ; in: BThW) 1164f. Mussner, F., Mundle, W., Das religiöse Problem des I V . Esrabuches; in: ZAW 47 (1929) 222-249. Nauck, W., Freude im Leiden; in: ZNW 46 (1955) 68-80. Neuhäusler, E., Anspruch und Antwort Gottes; Düsseldorf 1962. Nissen, A., Gott und der Nächste im antiken Judentum (WUNT 15) Tübingen 1974. Not sc her, F., Zur theologischen Terminologie der Qumrantexte (BBB 10); Bonn 1956. Obermüller, R., Hermeneutische Themen im Jakobusbrief, in: Bib 53 (1972) 234-244. Oepke, W., Art. f c e i x k ; in: ThWNT I I I , 659f. Von der Osten-Sacken, P, Die ApokaJyptik in ihrem Verhältnis zu Prophetie und Weisheit ( T E H 157); München 1969. Pesch, R., Naherwartungen; Düsseldorf 1968. Peterson, E., EIS 0 E O 2 ; Göttingen 1926. Der Gottesfreund; in: Z K G 42 (1923), 161-202. Peterson, E., Pohlenz, M., Die Stoa I, Göttingen 2. Aufl. 1964. Der Umfang der Logienquelle (Lic. masch.) Trier 1966. Polag, A., Preisker, IL, Art. emcineia; in: ThWNT I I , 585-587. Von Rad, G., Theologie des A T I ; München 6. Aufl. 1969. Von Rad, G., Theologie des A T I I ; München 5. Aufl. 1968. Von Rad, G., Weisheit in Israel; Neukirchen 1970. Art., rnpeco; in: ThWNT V I I I , 139-151. Riesenfeld, H., Ringgren, K, - Zimmerli, W., Sprüche, Prediger ( A T D 16,1); Göttingen 1962. Ruppert, L., Der leidende Gerechte - Eine motivgeschichtliche Unter suchung zum Alten Testament und zwischentestamentlichen Judentum (fzb 5 ) ; Würzburg 1972. Schammberger, H., Die Einheitlichkeit des Jacobusbriefes im antignostischen Kampf; Gotha 1936. Schlatter, A., Der Brief des Jakobus; Stuttgart 2. Aufl. 1956. Schlier, H., Das, worauf alles wartet - Eine Auslegung von Rom 8,28-30; in: ders., Das Ende der Zeit, Freiburg 1971, 250-270. Der Apostel und seine Gemeinde; Freiburg 1972. Schlier, H., Schlier, IL, Doxa bei Paulus als heilsgeschichtlicher Begriff; in: ders., Besinnung auf das N T , Freiburg 2. Aufl. 1964, 307-318. Schlier, H., Art. eXevdepoc ; in: ThWNT I I , 484-500. Schlier, IL, Der Brief an die Epheser; Düsseldorf 6. Aufl. 1968.
155
Schlier, H., Schlier, IL, Schmidt, K.L., Schmitz, 0.,
Schnackenburg, Schnackenburg, Schneider, J., Schräge, W., Schürmann, H., Schulz, S., Schulz, S., Schweizer, E., Schweizer, E., Schweizer, E., Schweizer, E., Schweizer, E., Schwertner, S., Seesemann, H., Seitz, O.F.G., Sheperd, M.H., Smend, R., Spitta, F., Staerk, W., Stau ff er, E., Steck, O.H., Strecker, G., Strecker, G., Stuhlmacher, P., Thomas, J., Tulling, W.,
156
R., R.,
Das vollkommene Gesetz der Freiheit; in: ders., Die Zeit der Kirche, Freiburg 4. Aufl. 1966, 193-206. Mächte und Gewalten im N T ( Q D 3 ) ; Freiburg 1958. Art. ßaoi\eia;m: ThWNT I, 579-595. Abraham im Spätjudentum und Urchristentum; in: Aus Schrift und Geschichte (FS A . Schlatter zum 70. Geb.); Stuttgart 1922, 99-123. Die sittliche Botschaft des N T ; München 2. Aufl. 1962. Die Vollkommenheit des Christen nach den Evangelien; in: GuL 6 (1959) 420-433. Die Kirchenbriefe ( N T D 10) Göttingen 10. Aufl. 1967. Die Katholischen Briefe ( N T D 10); Göttingen 11. Aufl. 1973 ( 1 . Aufl. dieser Neuauslegung). Das Lukasevangelium I (HThK 111,1); Freiburg 1969. Die Mitte der Schrift, Stuttgart/Berlin 1976. Q — Die Spruchquelle der Evangelisten; Zürich 1972. Das Evangelium des Matthäus ( N T D 2 ) ; Göttingen 13. Aufl. 1973 ( 1 . Auflage dieser Neuauslegung). Mt. 5,17—20 — Anmerkungen zum Gesetzesverständnis des Matthäus; in: ders., Neotestamentica, Zürich 1963, 399—406. Matthäus und seine Gemeinde (SBS 71) Stuttgart 1974. Art. xoücöq ; in: ThWNT I X , 460-468. Art. tvxucös; in: ThWNT I X , 662-665. Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete ( I A T G ) , Berlin/New York 1974. Art. TIOLKLXOC ; in: ThWNT V I , 483f. James and the law, in: StEv II ( T U 87) Berlin 1964, 472-486. The Epistle of James and the Gospel of Matthew, in: JBL 75 (1956) 4 0 - 5 1 . Die Weisheit des Jesus Sirach; Berlin 1906. Der Brief des Jakobus (Zur Geschichte und Literatur des Urchristentums I I ) ; Göttingen 1896. Die sieben Säulen der Welt und des Hauses der Weisheit; in: ZNW 35 (1936) 232-261) Das „Gesetz der Freiheit" in der Ordensregel von Jericho; in: ThLZ 77 (1952) 527-532. Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten ( W M A N T 23); Neukirchen 1967. Die Makarismen der Bergpredigt; in: NTS (1970/71), 255-275. Der Weg der Gerechtigkeit ( F R L A N T 82); Göttingen 2. Aufl. 1966. Gerechtigkeit Gottes bei Paulus ( F R L A N T 87); Göttingen 1965. Anfechtung und Vorfreude, in: Ke Dog 14 (1968) 183-206. Das wahre Israel (StANT 10); München 3. Aufl. 1964.
Vögtle, A., Vögtle, A., Vogels, H., Walker, R., Ward, R.B., Ward, R.B., Weiss, J., Wilckens, U., Wilckens, U., Windisch, K, Windisch,
K,
Wlosok, A., Wolff, H.W., Zeller, D.,
Das Neue Testament und die Zukunft des Kosmos; Düsseldorf 1970. Die Tugen- und Lasterkataloge im N T ( N T A 16,4—5) Münster 1936. Handbuch der Textkritik des N T ; Bonn 2. Aufl. 1955. Allein aus Werken; in: ZThK 61 (1964) 155-192. Partiality in the Assembly: James 2,2—4; in: HThR 62 (1969) 87-97. The Works of Abraham; in: HThR 61 (1968) 283-290. Der erste Korintherbrief ( K E K V ) ; Göttingen 10. Aufl. 1921 Art. oo0ia; in: ThWNT V I I , 465-475.497-528. Weisheit und Torheit; Tübingen 1959. Die Katholischen Briefe ( H N T 15); Tübingen 3. Aufl. 1951 (bearbeitet von H. Preisker). Der zweite Korintherbrief ( K E K V I ) ; Göttingen 9. Aufl. 1924. Lakatanz und die philosophische Gnosis; Heidelberg 1960. Arnos, Joel (BK X I V , 2 ) ; Neukirchen 1969. Juden und Heiden in der Mission des Paulus (fzb 8) Würzburg 1973.
157
REGISTER A.
Bibelstellen
I.
Altes Testament
Genesis
2Sam
6.9
28
15,11
28
15
108,111,113
22,24
28
15,6
6,116
22,26
28
17,1
28
22
108,111,113,114,116
22,9
113,114,116
31,37
90
Exodus
1
Könige
2.3
87
9.4
27
10.8
41
11.4
27
83
11.6
27
20,13
93
11,33
28
20,15
93
11,38
27
31,3
45
15,3
27
34,6
130
15.5
28
35,31
45
15,14
27
36,1
45
20,6
2
Leviticus
Chronik
9,7
41
4,6
8
20.7
111
19,15
73,93
30.9
130
19,18
87,88,93
19,17
90
9,17
Numeri 24,11
76
Deuteronomium 1,13
45
1,15
45
4,6
45
5.10
83
5.17
93
5.18
93
7,9
83
10,17
73
18,13
27
Josua 8,31
87
Richter 5,31
158
Nehemia
83
130
Tobit 14,1
91
14.8
91
Judith 8,25
19
8,25-27
26
1
Makkabäer
1,10
53
2,50-52
111
2,52
19,112
8,16
10
12,1
115
2
Makkabäer
3,13
87
139,4
8
2,lf
6,16
56
144,8
130
2,1-5
12
8,5
56
2,6-20
39
9,21
21
2,10
85
2,10-12
13
Psalmen (hebr 41,10
Zählung) 53
Jjob 9,33
90
13,5
90
16,21
90
Sprüche 1,7
34
2,3-6
70
2.7
28,32
2,21
28
41
3,1
35,91
5,11
83
3,9
15.2
28
3,1 lf
18,8
95, 142
3,21
91
18,33
28
3,34
11
23,3-5
134
4,5-9
70
23.7
76
7,lf„
35 36
Psalmen 1,1
(LXX)
68 c
90
23.8
76
8,22ff
23.9
76
9,1-6
142
23.10
76
9,7f.
90
26.1
28
10,5f
28.3
76
10.9
o
28 28
31.2
41
10.26
12
33,9
41
11,7
52
34,20
53
11.20
28
36
133
11,30
68
36.11
82,133
13.2
68
36,20
12
15
52
39,5
41
15,12
90
61.5
8
15,32
91
67.3
12
16.27
8
81,2
73
17.3
23
83.6
41
18.10
52
85,15
130
19,1
28
93.12
41
19,25
90
101.2
28
20,7
28
101,6
28
20.9
52
102,1
85
24,25
90
102.8
130
25.21
57
110,4
130
28,6
28
110.9
85
28,18
28
111,1
41
28,23
90
111.4
130
29.10
28,32
114.5
130
114.6
142
118
95
118,130
142
119,1
28
131.3
25
Sapientia
38
2,17-19
19,21
2.19
54
33
53,56,70
3,4-6
19,26
4,7
53
4.15
56
4.20
90
5,18
58
6-9
37,38
6.6
56
6.12
39
6,12ff
70,141
6,12-25
32,98
6.13
98
6.16
39
6,16-20
37
6.17
39
6,17-20
39
6.18
91
6.19
39
6.20
88,98
7f.
65
7,1
38
7,1 f.
59
7,lff
65,141
7,1-6
38
7.7
33,37,60,70
7,7ff
38
7,10
70
7,12
37
7.14
39
7.15
33
7,17
39
7.21
39
7.22
39,62,70
7,22f.
9
7,22ff
39,58,59,60,70,71
7.23
55
7.24
39,65
7.25
37,39,98
7.26
39,70
7.27
39,65,117
1,1
18,28
7.28
39
1,3
90
7.29
70
1,5
90
8,2-21
70
1.8
90
8,3
37
159
Weisheit 8,7
31
4,11-18
19,21,37
14,31
8.13
39,65
4,18
141
15,3
13
8,17
39
4,22
73
23.1
13
13
8,21
33
5,6
56
23,6
13
8.29
37
6,23-31
88
23,14
13
9.1
56
6,37
35
30,27
13
9,lf„
51
8,9
33
33.6
45
9,lff
37,65,141
10.25
45
41,8
111
9,1-8
70
14,1
41
52.2
111
9.2
33
14,20
41
54.11
2
9.4
33,37,39,65
15,1
35
9,4ff
144
15,11
4
9.5
28, 37, 3 8 , 9 8
15,11-13
3
9,5f.
38
16,11
56
9,5-10
98
17,11
33,35
9.6
28,31,32,37
19.16
7
9.9
37,98
19,20
35,36
9,9-11
129
19.22
45
9.10
37
19,24
35
15.7
13
9,13-16
38
20,31
141
18.12
85
9,14-16
38
21.11
35
21,17
13
9.16
59
21,15
45
22,7
85
9.17
37,38
23,9-11
14
22,29
85
9.18
39,60
24
35,36,58
24,6-11
13
10,5
117
24,2f.
33
Jeremia 7,6
85
20,10
53
31,20
13
Ezechiel
10.21
141,142,144
24,19-22
34
Daniel
11,9
56
24.23
35,36
3,35
111
12.22
56
27,16f
141
5.12
45
15,3
31
28,22
8
17,2
85
28.26
7
18,13
90
29,10
13
18,16
58
31,8-11
19
31,13
64
Jesus Sirach 1,1
18,33,70
1,1-10
3 4 , 141
l,4ff
141
1,6
141
1.10
3,83
1.14
35
1,16
68
1,24
45
1,26
33,35,36
0
2.13
130
31,15
64
Arnos
34.22
93
4.1
35,13
73
5,6
13
35,15-17
72
6,12
68
85
37.12
91
83
13
38,34
35
8,4
85
39,6
33
44ff
34
Jona
44-50
14
4.2
44.17
28
1.30
141
44,19
19,21,112
2,1-6
19, 2 1 ; 25
44,19f.
110
2,5
23
48,3
14
2.11
130
50.23
53
2.16
83
3.17
49
Jesaja
3.18
141
10,16f
3.19
143
13,6
160
Joel
o
130
Habakuk 1,4
85
2,12
142
Sacharja 13 13
6.14
40
7,10
85
11,2
13
Malachias 3,5
85
5.45
131,134,136
5.46
130, 136
5,46f.
136
5.47
128, 136, 138
II. Neues Testament
5.48
2 6 , 27, 9 2 , 120, 1 2 8 , 1 3 0 , 133,
Matthäusevangelium
6.1
136
6.2
59
6,5
59
6,19f.
13
137,138,145
3.15
127
5.3
82,99, 120,131, 133, 134, 148
5,3f
121
0
5,3-9
133
5,3-12
121
5.4
132
5.5
4 8 , 5 9 , 8 2 , 121, 133, 1 3 4 , 1 3 7 , 145
5.6
121,131,132
5.7
56, 121, 133, 137
5,7-9
5 9 , 121, 133, 134, 137,145
5.8
133, 134
5.9
54, 121, 131, 133, 134, 1 3 6 , 1 3 7
5.10
133, 134
5,10f.
135
5,10-12
2
5.11
1 9 , 2 1 , 2 6 , 8 2 , 120, 130, 1 3 4 , 1 3 5 , 138
5,llf„
41,121,131,134,138, 148
5.12
18, 130, 132
5.16
123, 127, 130, 136, 145
5.17
123, 124, 125, 126, 127, 130
5,17ff
127
5,17-19
123, 124, 128
5,17-20
138
5.18
123,124,125,127,144
5,18f
a
123, 127, 129, 138
5.19
125,127,128,144,147
5.20
123, 125, 126, 127, 128, 138, 145
5.21
93
5,21-47
92
5,21-48
127
5,39ff
135
5,39-48
130,131
5,42
135
5,43ff
148
5,43-47
128, 138
5,43-48
130
5,44
130,131,135
6,24
10
7,1-5
131
7,7
4 0 , 120
7.11
136
7.12
8 9 , 126, 127, 129, 135
7,15-20
131
7,16
8
7,16ff
57
7,21-27
131
8,29
136
9.13
127
10,7-16
139
10.15
124
10.22
85
10,34
126
11,21-24
139
11,25
8 0 , 8 1 , 9 8 , 9 9 , 1 2 1 , 139, 140, 142, 143,147
ll,25f.
80,81,121,143
ll,25ff
121
11,25-27
139,145,148
11,27
143,144
11,28-30
121
11,29
49,55,121,122
12,7
127
13,11
143
13.16
143
15,7
59
17.20
73, 124
18,13
124
18,18
125
18,23-35
56
19.17
91
19.21
128,137
19.23
124
21,21
73,74
22.18
59
22,40
8 9 , 1 2 6 , 127, 138
23,3
127
23,12-15
59
23,13
7
23,23
138
23,33
127
161
23,34 24,2 25,31-46 25,34
9 124 56 82
Markusevangelium 4,40
73,74
5,7
136
11,22
73
ll,22ff
73,74
12,31
88
12,40
7
13,31
124
16,20
115
Lukasevangelium
8.28 10,1-20 10,13-15 10,17-20
136 139 139 139
10,21 10,21f„ 10,23 10,23f.
8 0 , 8 1 , 9 8 , 121, 139, 140, 142, 143 80,81,121,139,148 143 143
10,30 11,9 11,13
21 40 136
12,18
13
12,26-30 12.33
12 13
16.17 17,6 20,36
124,125,127 73,74 131
20.47 21,12
7 85
1,32
136
1,35
136
1,49 1,76 2,14 3,11
85 136 136 13
6.20 6,20fl 6,20ff 6,20-26
8 2 , 8 3 , 8 4 , 131, 132 120,131 6,82 84
6.21 6,21-25
131,132 11
6.22 6,22f. 6.23 6.24
8 2 , 8 4 , 8 5 , 120, 135 2,82,130,131,134,135 18, 130, 132 84
6.25
84
6.26
84, 132
2,21
85
6.27 6,27f. 6,27-36 6,27-38
130, 131, 135, 136 130, 135 130,131 137
2,38
86
6.28 6,29f.
8, 135, 136, 138 135
7,48
136
10,38
85
6.31
135
10.48
86
6.32 6,32f„
136 136
14.9
73
15,17
86
6.33 6.34
131,136 136
Johannesevangelium 3,12 7,38
60 11
8,46 13.18 13.34 14,15 14,21 14,30
66 87 91 91 91 73
16.8 17,6
90 85
Apos telgesch ich te
3,16
73
4.29
21
7,2
76
16,17
136
23,1
21
6.35
130,131,136
24,4
54
6.36 6.37 6.37^ 6,37-42 6,43-45 6,46-49
120, 130, 133, 134, 137 137 137 131 131 131
27,41
21
162
Römerbrief 1.28
73
1.29 2,11
10 73
2,13 2.24 3,8 3,22 3,26 4,1 4,3 4,3 ff 4,12 4,16 5.1 5.2 5.3 5,3f. 5.4 5,3-5 5.5 7,3 8,2-4 8,7 8,18-30 8.25 8,28 9.19 10.13 11,19 12 12,9 12,12 12.14 13 13,2 13,8 13,8-10
127 86 7 73 73 112 116 116 112 112 53 25 18,20,22,24 19,24 23,24 2, 1 9 , 2 0 , 2 1 , 2 4 , 2 6 , 2 7 , 3 1 , 4 3 25 96 96 10 83 25 83,115 101 85 101 15 58 25 8,135 15 7 127 127
13.12 14,22 15.13
5 73,74 25
1. Korintherbrief lf, 1,14-26 1.20 1,24 1.26 l,26f l,26ff 1.27 1.28 1.29 1.30 2 2.6 u
78 63 9 63 63, 80, 81, 98, 99, 143, 144,146 79,80,81 80, 143 79,80 80 80 80,99 62,63 77, 144
2,6ff 2,6-9 2.7 2.8 2.9 2,14 3.3 6.1 6.2 6.4 6,9 6,9f. 7.5 8.3 8.6 13 13,2 13,4-7 14,33 15,33 15,35 15,44 15,46 15,50 16,16 16,22
78, 143 77,80,83,98 77 75,76,77,78,81,98 3,11,77,83 61,63 63 115 85 85 4 82 4 83 105 58 73,74 58 54 4 100 61 61 82 115 15
2 Korintherbrief 1.12 5,1 6,6 8.9 10,1 10,6 7,11 12,12
63 60 58 79 49,54,55 73 52 21
Galaterbrief 1.13 2,16 2.20 3,6 3,22 4 5,1 5.10 5.13 5,13ff 5.14 5,20f. 5.21 5.22
49 73 73 116 73 96 96 7 96 15 54, 129 10 82 54,62
163
2. Thessalonicherbrief
6
15
6.3
2
1.4
25
6,7
4
2,13
73
6,1 l f f
15
3.16
54
Epheserbrief
1, Timotheusbrief
1,3-10
77,78
1.5
58
1.7
79
1,19
73
1.8
77
2,5
105
1.13
50
3.2
54
1.17
76,77,78
3.3
54
l,17f.
76,77,79,81
3,9
73
1.18
76
4,12
49
2.4
56
5,12
7
3,10-12
77,78
5,22
52
4,22
5,49,94
6.1
86
4,25
94
5.5
4
5.14
11
6.9
73
6.24
83
Philipperbrief
2 Timotheusbrief 0
1,5
58
3,15
73
4.2
90
4,8
42,83
Titusbrief
1.11
68
1,17
52
1,27
73
2,5
79
2,6-11
60
2.10
60
2,29
21
2.17
134
3,9
73
9,5
76 18
3,2
55
3,5
56
Hebräerbrief
3.19
60
10,34
4,5
54
12,11
68,69
4,8
52
12,17
4
13,7
49
Kolosserbrief 1,27
79
2.12
73
3
15
3,8
5,94
3.15
54
3.25
73
4
15
L Thessalonicherbrief
Jakobusbrief 1
7,16,72
1.1
75,78
1.2
2 , 3 , 7 , 18, 1 9 , 2 0 , 2 1 , 2 2 , 4 1 , 8 4
l,2f.
18-20, 19, 2 0 , 2 4 , 2 6 , 3 1 , 3 9 , 4 0 , 4 1 , 4 3 , 116
l,2ff
1 6 , 2 3 , 4 4 , 4 7 , 7 3 , 100, 1 1 6 , 1 1 8
1,24
1 8 , 2 6 , 4 0 , 7 4 , 1 1 4 , 1 1 9 , 130, 139, 148
1,2-12
1,3, 1 6 , 4 3 , 1 4 6
1,2-18
24
1,3
25
1.3
2,3,23,24,106
1.4
7, 16, 1 8 , 2 6 , 3 1 , 3 2 , 3 3 , 4 1 , 4 3 , 4 7 ,
l,6f.
25
2,12
82
2,14
25
l,4f.
9
3,3f„
25
1.5
9, 1 6 , 3 2 , 3 9 , 4 3 , 4 7 , 5 3 , 6 8 , 119, 120
3,5
4
1,5 ff
57
5,lff
15
164
120
1,5-8
2,18
2,8ff
6,86,129,147
1.6
39,47,57,74
2,8-12
123
1.7
76
2,8-13
8 6 , 9 5 , 9 9 , 139
1.8
18
2.9
8 6 , 9 0 , 9 1 , 9 7 , 9 9 , 129
1,9-11
2,3, 18,44,47,83
2.10
9 0 , 9 1 , 9 2 , 123, 128, 129, 144, 147
1.12
2, 3, 18, 19, 22, 2 6 , 4 0 , 4 1 , 4 2 ,
2,10f.
6,72
43,68,77, 83,87,89
2.11
88,92,93
2.12
6 , 7 , 5 6 , 7 2 , 8 9 , 9 4 , 9 5 , 123
1.13
2,3
l,13ff
44
2,12f.
72,90,100
1,13-15
40,50
2.13
5 6 , 6 7 , 6 8 , 7 2 , 9 3 , 100, 147
2.14
7 , 9 , 4 1 , 4 6 , 4 7 , 7 2 , 73, 74, 84, 100,
2,Wf
1 6 , 4 6 , 70, 7 2 , 74, 104, 112, 113, 114,
1,13-18
1,2
1.15
4,50
1.16
4
101,102, 104,115,118 116
1.17
4,50,51,71,75
l,17f.
1 6 , 4 9 , 50, 5 1 , 52, 6 6 , 7 0 , 9 4 ,
2,14-17
101, 102, 103, 104
147
2,14-26
6f. 7, 8, 9, 12, 16, 2 7 , 4 6 , 7 2 , 107,
2.15
6
2,15f.
72, 100, 1 0 1 , 113
108, 114
l,17ff
86
1.18
4 , 5 , 4 8 , 4 9 , 5 0 , 5 1 , 9 4 , 9 5 , 147
1.19 l,19ff 1,19-25 1.20 1.21
4,5,7,51
2.16
100
4,5,52,66,94
2.17
6 , 7 , 100, 102, 107
5,48,51,68
2.18
4 6 , 4 7 , 7 2 , 7 3 , 1 0 0 , 101, 102, 103,
2,18-20
6, 100, 103
4 9 , 5 0 , 5 1 , 7 0 , 9 4 , 147
104, 1 0 5 , 1 0 6
4, 5 , 4 8 , 50, 5 1 , 8 6 , 8 9 , 9 4 , 95 100
l,21f.
49
2.19
8 4 , 103, 105
l,21ff
86
2.20
84, 1 0 3 , 1 0 4 , 106, 107
1.22
4 4 , 4 8 , 5 1 , 9 4 , 123
2.21
68,107,112,113,114,116,116
1,22-27
50
2,21f.
116
1.23
2,5,95
2,21ff
6, 14, 18, 2 6 , 3 1 , 4 7 , 4 8 , 100
1.24
94
2,21-23
107
1.25
5, 4 1 , 4 7 , 5 1 , 6 8 , 72, 86, 89, 94,
2.22
103, 1 0 6 , 1 0 7 , 108, 113, 114, 115,
95,97
116
100, 114, 123, 125, 130,
144, 147
2.23
68,87,116
2,5,7
2.24
68,117
l,26f.
1,94,123
2.25
68
1.27
72
2.26
7
2
8 1 , 100, 147
3
51
2.1
16, 5 6 , 7 2 , 7 3 , 7 4 , 7 5 , 7 6 , 7 7 , 78
3.1
7,9,91
79, 8 1 , 86, 8 9 , 9 0 , 9 3 , 9 5 , 9 8 , 9 9 ,
3,lff
8
1.26
100, 103, 129, 130, 147
3,1-12
7,7-8,9,15,16,44,45
2,lff
2 , 5 , 6 , 5 7 , 8 6 , 100
3.2
2,7,8,16,44,91
2,1-5
146
3,3ff
7,8,9
2,1-7
86,99,147
3.5
7
2,1-13
5f., 7, 8, 16, 72, 9 7 , 9 8 , 99
3,5-8
8
2.2
5,6
3.6
7
2,2f.
57, 72, 78, 79, 84
3,7f.
8
2,2-4
84
3.8
8,44
2.4
5, 5 4 , 57, 72, 7 8 , 84
3.9
8
2.5
6, 10, 7 2 , 7 5 , 77, 7 8 , 7 9 , 80, 8 1 , 82
3,9f.
8,89,135
8 3 , 84, 8 5 , 86, 87, 8 8 , 8 9 , 9 8 , 1 4 4 ,
3,11
148
3,1 lf. 3.13
2,5fl
120
2,5-7
121
2.6
84,85
2,6f,
5,72,82,84,120
2.7
7 9 , 84, 85
2.8
2, 72, 88, 8 9 , 9 1 , 9 3 , 9 5 , 9 9 , 129, 130,144
8,9,44,45,71 1 16, 2 1 , 4 4 , 4 5 , 4 6 , 4 7 , 4 8 , 4 9 , 50, 5 1 , 55,56,70, 100,118,121,145,147
3,13ff
1 , 9 , 10, 1 6 , 4 7 , 4 9 , 5 1 , 52, 6 2 , 6 5 , 68,86,121,134,146
3,13-18
9, 12, 1 6 , 4 4 , 4 5 , 5 0 , 5 2 , 6 6 , 6 7 , 7 0 , 7 1 , 7 8 , 146, 148
3.14
1,51,52
165
3,14-16
9
3.15
9,47,50,51,59,60,61,63, 65,67,70,71
3.16
44,47,53,54,66,67
3.17
9 , 4 4 , 4 7 , 4 8 , 50, 5 1 , 5 2 , 54, 5 5 , 5 9 , 6 7 , 7 0 , 7 1 , 118, 121, 145, 147
3,17f. 3.18
5 9,43,46,48,51,53,54,55, 57, 6 7 , 6 8 , 6 9 , 7 0 , 121, 134
4.1
10
4,lff
2,3,44,65
4,1-3
10
4,1-5
10
4,1-12
10,12,16,44
4.2
10,33
5,9
14
5,10f.
14
5.11
24,26
5,1 lf.
18
5.12
14
5,13ff
14
5,13-18
15
5,13-20
14
5.14
75
5.15
14,68,74
5.16
14,67,68
5,16-18
14
5,17f.
14
5,19f.
15
1.
Petrusbrief
4,2ff
10
1,3
4.3
10
1.6
56
4.4
4, 1 0 , 4 4 , 6 1 , 8 1 , 8 4
l,6f.
4,4f.
62,
18,20,21,23,24 2, 18, 1 9 , 2 0 , 2 1 , 2 4 , 2 6 , 2 7 , 3 1 , 4 3
1.7
23
11,62,87
1.15
49
4.6
11,12
1.17
73
4.7
11
1.18
49
4,7f„
44
1,22
58
4,7ff
10,11
2,1
5,58,94
4,7-10
11
2.12
49
4.5
4.8
11
2,18
54
4.9
10,11,83
3.1
49 49
4.10
44,47
3.2
4.11
2,44
3.16
49
4,llf.
11
4,11
2
4.12
12
4,12ff
2
4,12f.
68
4,12-14
19
4.13
12, 13
4.13
18, 19
4,13ff„
69
5,5-9
11
4,13-16
12
5.9
11
4,13-17
12,13
4.14
12
2.
4.15
12,76
1.8
107
4.16
12
2,7
49
4.17
12,67,68
3,2ff
15
5
16
3,11
49
5.1
11,13,84
5,lff.
69,84
5,1-6
13
5.2
13
5.3
13
5.4
13
5.5
13,74
5,5f
0
13
5.6
13,67,93
5.7
13, 14
5,7f.
14
5,7ff
74
5,7-11
14
5,7-20
13-15,68
5.8
14
166
l
Petrusbrief
Johannesbrief
2.3
91
2.4
91
2.15
10
2.16
10
3,3
52
3,22
91
3,24
91
4.10
83
4,20
83
5,1
83
5,3
91
Judasbrief 15
90
17ff
15
19
61
Offenbarung
111,12,13
55
4,20-22
98,99
111,18,
30
4,22
28, 3 2 , 76 141
111,19
30
4,27
111,20,9
48
5,2
109
111,20,11
54
5,3f.
109
111,22,13
55
5,21f.
109
111,22,95
111,112
5,22
109
2,10
42
111,22,105
21,53
5,24
28,98,99
2,13
73
111,23,9
106
8,9f
99
0
3,19
90
111,24,51
100
8,15
98
13,6
86
111,24,110
30
8,18
28
14,12
73
111,24,118
30
8,21
28
16,9
86
111,25,1-4
7,30
9,6
28
111,26,30
29
9,9
28
C Hellenismus 1.
Epiktet
Diss.
IV, 1
95
9,13
76
IV,l,25ff
8
9,18
32
I V , 1,46
46
9,18f.
141
IV,1,63
95
9,22ff
99
10,6
94
I V , 1,81
95
1,1
29
IV,1,110
95
1,1,17
30
IV,1,128
95
10,8
94
I, 1,34-37
30
IV,1,147
5
10.11
94
I, 2, 22
100
IV,1,158
95
10,17
19
I, 2, 36
30
IV,1,159
95
10.24
76
1,4
30
IV,3,9
111
10.25
109
1,4,16,
100
IV,5,21
90
11,2
99
1,6,19
29
IV,6,18
106
11,5-7
140
1,6,22
29
IV,7,20
29
11.12
99,109
1,6,33
100
IV,12,19
7,30
I, 9, 5
29
IV,14
30
1,11,7
7
1,26,1-5
30
1,30
30
I, 30, 1
29
I, 30, 4
29
I I , 2, 14
29
CD
Ench. 33,5
14
51,lf.
30
2
Plutarch
1,21
28
2,15
28
3,2
111,112
7,5
28
13,6
142
15,11
142
15.15
142
20,5
28
11,9,13
30
11,9, 17ff
30
de cohib.ira 4
7
11,10,8
55
de tranq.animi 472f.
8
l,20f.
7
11.11.1
7,30
de c o m m . u o t . 32
29
1.35
28
11.11.24
ao
31
1.36
28,32
II, '14,13
29
31
2,9
142
1069f. Quaest.conv.il 636f.
1 QH
11,16
30
3,29ff.
13
II, 17, 3 f
30
4,29-33
64
11,17,29
111
11,17,39
30
II, 18
30
II,20,19ff
8
D Frühjudentum 1. 1QS
Qumran-Texte
5,26f.
18
6,18
13
7,18-20
109
1,3-9
97
13,14ff
110
109
14,11 ff
109 109
11,21,3
55
1,6
11,21,5
55
1,8
28
14,20
11.21.10
30
1,13f.
99
15.16
110
11,22,36
48
2,2
28,99
15,21f.
64
111.1.25
30,31
3.8
109
111.3.2
30
3.9
28,99
14,7
28
111,7,18
30
3,17-20
109
15,10
12
30
4,2-6
141
111,9,13
90
4,7f.
42
11,10,10
30
4,16f.
76
111.9.11
1 QM
167
lQMyst lQSa
lQSb
lQpHab
1,6
98,4
12
1,19
142
1,28
32
13,69
98,16
69
99,3
13
99.10
38
1,2
28
99.11
38
4,2
42
99,13
69
4,28
42
100,9
38
101,3
69 37
7,4-14
141
101,8
12.4
142
102,3
69,70
12,2-4
142
102,5
70
102,9f.
13
a
11 Q P s X V I I I 3-5 4
32
103,1-6
140
142
103,3f.
38
7
142
103,14
13
15
142
104.1
38
18
142
104,3
13
104.12
38
104.13
38
105.2
38,69
2. IHen
168
3
98,11
1,7-9
69
4,5
69
5,5
53
52,11
134
5,9
69
52,13
134
12.5
53
3. 2Hen
22,14
76
4. Test XII
25,3
76
Test Sim
3,5
2
25,7
76
3,6
3
27.3
76
4.5
10,28
27,5
76
4,7-9
10
36.4
76
3,1-5
108
40,3
76
40,9
82
8,2
42
48.7
8
8.6
2
Test L e v
58,2
22,42
8,9
42
63.2
76
13,1
28
73.3
76
19,1
108, 109
83.8
76
91-105
69
3
28
92,1
69
4,1
28
92,3-5
38
4.6
28
Test Iss
94ff
13
5,1
28
94.4
69
6,1
28
94.5
21
94.6
69
94,6f.
38
94,8ff
13
94,8-11
69
96,1
38
96,2f.
21
96,3
38
96,4-8
69
97
38
97,8ff
13
97,8-10
69
97,9f.
12
Test N a p h t
Test G a d
TestAss
4,5
56
8,4
2
3,1
108
4,3
2
4.7
115
6.3
2
7.4
2
l,3ff
108
Test Jos
Test Jud
Test D a n
Test Benj.
5.4
2,7
19,26
10.1
19,26
2,24
101
10,3
21
7,21-23
19
10.5
142
9,29
19
1-7,1
25
12,6
55
18.2
2
15,17
31
16,16-20
111 112
8.
4Makk
4,6f.
93
16,20
22.2
109
17,6
112
23.3
142
17,15
42
4,3
2
5,1
108
6,10
6 8 , 108
4,1
42
4.4
2, 10
6.5
8
6,7
28
3,18f.
110
Est 3,56
110
4,24
12
5,9
8
7,18
110
7.24
110
7,34f.
110
7,81ff
110
7,109
14
8,35
7
8.5 lf.
140
9,31
110
9,36f
6. Apk Bar
0
110
12,36-38
143
13,23
110
(syr) 44,13
82
48,3
143
48,48-50
19,42
52,5-7
19,42
52.6
19,42
54,16-18
19,42
57,1-2
111
4.25
3
ZPsSal 6.6
3
10,3
3
15,4-8
14
17,23
82
18,3
56
169
E Apostolische Väter IClem
Herrn mand 1,1
105
2.3
66
1,21
107
9,5-7
19
10.6
116
11.6
60
13,1
55
11,11
60
21.7
55
11,14
60
29.1
55,83
11,17
60
30.2
11
11,19
60
30.8
55
31,2
112
38.2
47
59.3
89
Barn
Herrn sim VIII,1,1
86
6.4
86
IX,12,4
86
12,8
86
4,11
107
13,2
86
9,6
101
13.7
86
15.2
86
Diog
16.3
86
7,4
55
19,2
69
10,5
85
28,5
86
Ign
Herrn vis
Eph
3.2
58
5.3
11
7,1
86
14
73
IgnTr 1,1 Ign
58 Mg
7.1
105
7.2
105
15,1
58
Ign
Rom
7,lf.
10
Polyk 5.3
10
6,1
73
HippRef V,26,32
62
26,36,
62
27,3
62
26,8
62
Ir 1,5,1 ff
62
I,6,lf„
62
1.11
62
170
111,9,6
13