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Im Unterschied zu einer alltagsweltlichen Mitschrift ist dieses Transkript in sog. Intonationsphrasen gegliedert. Es enthält die genaue Abfolge der Sprecher und den präzisen Wortlaut, einschließlich aller Abbrüche und Selbstkorrekturen (Zeile 04), nicht-lexikalischer Laute (Zeilen 06 und 10), hörbarem Einatmen (Zeile 07: .hh), Pausen (gemessen, wenn länger als eine Sekunde, mit Punkt, einem, zwei oder drei Geviertstrichen markiert, wenn unter einer Sekunde), Dehnungen (Doppelpunkt), Akzenten (Großschreibung), Intonation am Ende der Intonationseinheiten (Satzzeichen) und Notationen von Tempo (z.B. all für „schnell gesprochen“), Lautstärke (z.B. p für „leise“, dim für „leiser werdend“) und Stimmqualität (z.B. knarrend). Die KA basiert ihre Erkenntnisse stets auf Analysen der originalen Daten und ihrer Transkription, kodierte bzw. aggregierte Daten werden nicht analysiert (siehe zu Transkription auch den Beitrag von Dresing & Pehl in diesem Band). Die Analyse wird durch zwei komplementäre Strategien bewerkstelligt: die detaillierte Sequenzanalyse am Einzelfall und die Arbeit mit Kollektionen (s. Deppermann 1999, Kap. 6). Die detaillierte Sequenzanalyse folgt dem unique adequacy-Kriterium (Psathas 1995), d.h. der Anforderung, dass jedes Detail einer untersuchten Interaktionssequenz in die Untersuchung miteinbezogen und lückenlos gezeigt werden muss, wie die genaue Abfolge der einzelnen Aktivitäten als systematischer, schrittweise aufeinander bezogener Prozess der Sinnbildung und Bearbeitung interaktiver Aufgaben verstanden werden kann. Die Strenge der Analyse liegt also gerade darin, dass Forschende die Daten nicht einfach vorab definierten Kategorien zuordnen und dabei Nichtpassendes passend machen oder ignorieren, sondern zeigen müssen, wie jedes – und zwar auch zunächst unverständlich oder unmotiviert erscheinende – Detail des Handelns (wie z.B. eine Pause, eine unpassend erscheinende Wortwahl, eine Selbstreformulierung) systematisch auf den sich entfaltenden Gesprächsprozess reagiert und zu ihm in bestimmter sinnhafter Weise beiträgt. Entscheidendes Kriterium für die Erstellung und für die Validität der Analyse ist dabei zum einen der Aufweis, wie eine bestimmte Aktivität in Bezug auf einen gegebenen Gesprächskontext lokal, d.h. in Bezug auf den unmittelbar vorangehenden Beitrag, produziert wird, auf welche seiner Aspekte sie bezogen ist, wie sie diese interpretiert, wie sie selbst durch den vorangegangenen Kontext bereits vorbereitet und evtl. gar gefordert worden ist. Zum anderen ist zu zeigen, welche Funktion die Aktivität für den weiteren Gesprächsverlauf hat. Entscheidend sind dabei vor allem die unmittelbar folgenden Reaktionen der Rezipient/innen in den nächsten Gesprächsbeträgen (next turn proof procedure, Sacks, Schegloff & Jefferson 1974), mit denen diese ihr Verständnis des vorhergegangenen Beitrags zu erkennen geben, sowie die daran anschließenden Reaktionen der Produzent/innen der interessierenden Aktivität in der sog. „dritten Position“ (third position, vgl. Schegloff 1992). Dort nämlich ist zum Ausdruck zu bringen bzw. der Sprecher/die Sprecherin kann stets so verstanden werden, wie er/sie das Verständnis der Ko-Interaktant/innen des eigenen vorangegangenen Beitrags selbst
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versteht und ob er/sie dieses teilt (vgl. Deppermann 2008). Nun wird auch deutlich, worin die „Teilnehmerperspektive“ der KA besteht: Sie wendet die zentralen Konstitutionseigenschaften der Interaktion (s. Abschnitt 2: Sequenzialität, Interaktivität etc.) methodologisch, d.h., sie benutzt die grundlegenden Prinzipien des lokal situierten Produzierens und Verstehens von Beiträgen zur Interaktion als Grundlage für die Entwicklung und Legitimation ihrer analytischen Methodik. Diese muss stets dem Kriterium genügen, die Systematik der Interaktion, so wie sie für die Beteiligten beobachtbar produktions- und verstehensrelevant ist, explizit zu machen. Die detaillierte Sequenzanalyse erstreckt sich auf Einzelfälle aus Kollektionen von Interaktionsausschnitten. Kollektionen werden phänomen- und fragestellungsbezogen gebildet. Typischerweise gibt es zwei alternative Ansatzpunkte: 1.
2.
Es ist von Interesse, wie eine bestimmte Aufgabe bzw. ein Problem konversationell bearbeitet wird (= funktionaler Ausgangspunkt, z.B. Erteilung einer Diagnose im ArztPatient-Gespräch; Bearbeitung von Dissens im Streitgespräch), und es wird nach den dafür relevanten Praktiken, ihren jeweiligen Einsatzbedingungen, Folgen, Chancen und Risiken gesucht, d.h. nach dem Variationsspektrum, den Unterschieden und den grundlegenden, gemeinsamen Strukturen des Interaktionsproblems. Im Fokus ist der konversationelle Einsatz einer bestimmten Form bzw. Aktivität (= formaler Ausgangspunkt; z.B. Verwendung einer sprachlichen Form wie jaja oder eine Aktivität wie Blickabwendung von dem Gesprächspartner/der Gesprächspartnerin), und es wird nach ihren Einsatzbedingungen und Funktionen gefragt, eventuell für unterschiedliche Interaktionsaufgaben und in Abhängigkeit von Realisierungen der Form oder Aktivität.
Eine Kollektion beginnt mit der Sammlung aller zunächst potenziell relevant erscheinenden Kandidaten innerhalb eines Datenkorpus (Deppermann 1999, Kap. 6.5). Im Verlauf detaillierter Sequenzanalysen einzelner Fälle werden sukzessive materialgestützte Hypothesen über die wesentlichen Strukturen einer Interaktionspraktik, d.h., über den Zusammenhang ihrer formalen und funktionalen Eigenschaften und ihrer Einsatzbereiche in der Interaktion, aufgestellt, geprüft und verfeinert. Maßgeblich dafür sind komparative Analyseverfahren, wie z.B. der Vergleich mit marginalen Fällen bzw. benachbarten Praktiken, mit abweichenden Realisierungen, die Aufschluss geben über zugrunde liegende Erwartungen und die Reaktion auf deren Verletzung, und die systematische Testung von Annahmen durch die Suche nach Fällen, die bestimmte Merkmale (nicht) aufweisen. Der Prozess der Kollektionsanalyse oszilliert, ähnlich den komparativen Verfahren und dem theoretical sampling der Grounded-Theory-Methodologie (Glaser & Strauss 1967), beständig zwischen Einzelfall und Kollektion, wodurch die Kollektion mittels Tilgungen, Erweiterungen und Untergliederungen nach und nach bereinigt und systematisiert wird, bis sie sich stabilisiert und eine Struktur der Praktik resultiert, die durch die Detailanalyse weiterer Fälle nicht mehr modifiziert wird. Die resultierende Kollektion repräsentiert also schließlich empirisch die Struktur der Praktik, d.h., ihre Varianten, Einsatzkontexte, Folgen usw. Typisch für diesen Prozess des Arbeitens mit Kollektionen ist daher nicht nur der sukzessive Gewinn von Erkenntnissen über Interaktionspraktiken im Verein mit der sukzessiven Bestimmung der dafür relevanten Daten, sondern oft auch die Veränderung und Eingrenzung der Untersuchungsfrage in einer vorab nicht vorherzusehenden Weise. Die auf die Interaktionsrealität
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passende Fragestellung ist so „from the data themselves“ (Schegloff & Sacks 1973, S.290) entwickelt, d.h., die Formulierung der in den Daten zu untersuchenden Probleme und Aufgaben und der dafür angemessenen Begriffe reflektiert selbst schon einen beträchtlichen Teil der Gegenstandserkenntnis, welche nicht durch apriorische theoretische Spekulation zu gewinnen ist. Im Unterschied zu vielen anderen Ansätzen der qualitativen Sozialforschung steht die KA dem Einbezug von „Kontextwissen“ (über ethnografische, soziale, politische, biografische u.a. Rahmenbedingungen der Interaktion) in der Analyse sehr skeptisch gegenüber. Annahmen über Kontextbedingungen verführen zu interpretativen Kurzschlüssen, d.h., zu vorschnellen vermeintlichen Erklärungen des Interaktionshandelns aus Kontextbedingungen anstelle des detaillierten Aufweises, wie dieses Handeln produziert wird und auf welche Relevanzen sich die Interaktionsteilnehmenden dabei beobachtbar beziehen. Wenn sozialstrukturelle Kontexte wie soziale Identitäten, institutionelle Rollen, hierarchische Beziehungen etc. für die Interaktion wichtig scheinen, dann ist zu zeigen, wie Interaktionsteilnehmende einander verdeutlichen, dass diese Größen für sie relevant sind und dass sie ihr Handeln an ihnen ausrichten (Schegloff 1997). Allerdings gibt es innerhalb der KA unterschiedliche Auffassungen, wie autonom die Organisation von Interaktionen als eigene Ebene der sozialen Organisation gegenüber makrosozialen und kulturellen Ebenen ist (vgl. Schegloff 2005; Levinson 2005), wie manifest und explizit Kontextfaktoren in der Interaktion aufscheinen müssen, um als relevante Orientierungen für Interaktionsteilnehmende gelten zu können (Schegloff 1997; Wetherell 1998), wie viel auf kulturelles Wissen gestützte und nicht „aus den Daten“ bezogene Interpretation unabdingbar in Konversationsanalysen eingeht und in welcher Weise ethnografisches Hintergrundwissen (v.a. bei der Untersuchung von fremden Kulturen und Lebenswelten) unabdingbar für die KA ist (Deppermann 2000).
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Grundlegende Strukturen der verbalen Interaktion
Die grundlegende Einheit von Gesprächen ist der Turn (Gesprächsbeitrag), der seinerseits aus einer oder mehreren aufeinander folgenden turn constructional units (Beitragskonstruktionseinheiten) aufgebaut ist (Sacks et al. 1974; Levinson 1990, S.295ff.). Beitragskonstruktionseinheiten sind gestalthafte Einheiten, die durch das Zusammenspiel prosodischer, syntaktischer, semantischer und pragmatischer Merkmale gebildet werden und mit deren Abschluss signalisiert wird, ob ein Sprecher/innenwechsel erfolgen soll (Selting & CouperKuhlen 2000). Die Regeln für die Organisation des Sprecher/innenwechsels an transition relevance places, die in alltagsweltlicher, nicht-institutioneller Interaktion gelten, wurden im wohl bekanntesten Artikel der KA beschrieben (Sacks et al. 1974). Sie erklären nicht nur, warum die Sprecher/innenwahl in Gesprächen überwiegend recht reibungslos abläuft, sondern auch, warum und wie es zu Überlappungen und Pausen, zur Produktion von Turnergänzungen oder zu Abbrüchen in bestimmten Interaktionskontexten kommt. Hier wie in vielen anderen KA-Untersuchungen werden somit Phänomene, die zunächst regellos erscheinen und intuitiv nicht zugänglich sind, als systematische Formen der Bearbeitung grundlegender Regel- und Erwartungsstrukturen in der Interaktion verständlich gemacht. Bereits im 2. Abschnitt wurde Sequenzialität als eine Grundeigenschaft von Interaktionen benannt: Das Verhältnis des zeitlichen Benachbartseins (nextness, Schegloff 2007) ist in
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seiner Bedeutung für Interaktionen kaum zu überschätzen, bildet doch ein jeweils gegebener Gesprächsbeitrag den primären Kontext für den nächsten Beitrag und meist auch spezifische Erwartungen, denen dieser Rechnung zu tragen hat und deren Verständnis er qua default dokumentiert. Auf diese Weise ist das Verhältnis der nextness die zentrale Ressource der Interaktionsorganisation, es ist sowohl für die erwartungsbasierte Produktion von folgenden als auch für die lokale Interpretation der vorangehenden Handlungen grundlegend. Diese Erkenntnis unterscheidet die KA fundamental von allen kontextfreien Ansätzen der Handlungsanalyse (wie der Sprechakttheorie, z.B. Searle 1971) und der Inhaltsanalyse: Nicht Handlungen, sondern Handlungssequenzen bilden den grundlegenden Gegenstand der Betrachtung! Besonders offensichtlich ist die Systematik der nextness den sog. „Nachbarschaftspaaren“ (adjacency pairs, Schegloff 2007) eingeschrieben. Dies sind elementare Handlungssequenzen, die aus einer ersten Handlung (z.B. einer Frage) eines Sprechers/einer Sprecherin bestehen, welche eine zweite unmittelbar folgende Handlung eines anderen Sprechers/einer anderen Sprecherin konditionell relevant macht (z.B. eine Antwort). Wie die zweite Handlung ausfällt bzw. ihr Ausbleiben wird in Abhängigkeit von der Art der ersten Handlung interpretiert, so wie umgekehrt die zweite eine implizite Deutung der ersten beinhaltet. Vielfach wird nicht nur ein bestimmter Typ von Folgehandlung erwartbar gemacht („projiziert“, Auer 2005), sondern die erste Handlung etabliert eine Präferenz für eine bestimmte Form der Realisierung der zweiten, im Gegensatz zu anderen, dispräferierten Reaktionsmöglichkeiten (Levinson 1990, S.331ff.). So präferiert z.B. eine Einladung als erste Handlung ihre Annahme als Reaktion, eine Ablehnung wäre zwar auch konditionell relevant, aber dispräferiert. Präferenzen sind nicht als individuelle, psychologische Vorlieben zu verstehen, sondern als soziale Erwartungsnormen (Heritage 1995), die dementsprechend zumindest prototypischer Weise damit einhergehen, dass die präferierte Alternative knapp, direkt und ohne weitere Begründung produziert wird, während die dispräferierte meist mit Begründung, oft indirekt und verklausuliert, verzögert, mit Selbstkorrekturen und Abbrüchen durchsetzt produziert wird (Pomerantz 1984). Die KA hat sich weiterhin ausführlich mit der Organisation von Interaktionen im Ganzen befasst. So wurden sowohl die Eröffnung von Interaktionen (klassischerweise Telefongespräche, s. Schegloff 1968; neuerdings aber auch multimodale Interaktionen, s. Mondada & Schmitt 2010) als auch deren Beendigung (Schegloff & Sacks 1973) sowie der Übergang zwischen einzelnen Aktivitätssequenzen und Themen untersucht. Dabei geht es der KA stets darum, die Routineverfahren zu identifizieren, mit denen Gesellschaftsmitglieder rekurrente Interaktionsaufgaben und -probleme lösen, und die sie von der Notwendigkeit entlasten, für jede Interaktion immer wieder neue Lösungen finden zu müssen, die dann entsprechend prekär, da hinsichtlich ihrer Aufnahme und Interpretation durch die Partner/innen ungewiss, wären. Der Fokus der KA richtet sich also im Unterschied zu anderen qualitativen, z.B. psychoanalytischen, marxistischen, objektiv hermeneutischen oder kritisch-diskursanalytischen Verfahren nicht in erster Linie auf Krisen und Konflikte, sondern auf die funktionierende und intersubjektiv zugrunde gelegte Ordnung des Interagierens. Krisen und Zusammenbrüche (z.B. in Form von Missverständnissen) sind dann weniger um ihrer selbst willen oder in kritisch-aufklärerischer, (sozial-) therapeutischer Hinsicht interessant, sondern weil sie über die im funktionierenden Fall stumm und unsichtbar bleibenden Normalitätserwartungen und die Relevanz unscheinbarer Praktiken Aufschluss geben, die erst im Fall ihres Versagens bzw. Fehlens deutlich werden. Dies heißt nun keineswegs, dass mangelnde Aufmerksamkeit, schlechtes Hören, Missverständnisse, Dissens, Koordina-
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tions- und Sprachproduktionsprobleme, strategisches oder provokatorisches Handeln und andere Fälle, in denen die Ordnung der Routine versagt, außerordentlich selten sind. Im Gegenteil, die Robustheit der alltäglichen wie auch institutionellen Interaktion besteht gerade darin, dass für wiederkehrende Probleme auch ebenso routiniert einsetzbare Reparaturverfahren zur Verfügung stehen, die dazu führen, dass Probleme schnell gelöst und als solche meist gar nicht bewusst wahrgenommen werden (Schegloff, Jefferson & Sacks 1977; Egbert 2009). Die Durchsetzung konversationsanalytischer Transkripte mit Abbrüchen, Wortsuchen, Reparaturen und anderen „unordentlichen“ Phänomenen, die viele, die sich erstmals mit Transkripten befassen, schockiert und ein Verfremdungserlebnis des Alltäglichen hervorruft, zeigt also weniger, wie chaotisch unsere Interaktionen eigentlich sind, sondern ganz im Gegenteil, wie robust, und dass es trotz aller Widrigkeiten und unvorhersehbarer Einflüsse gelingt, situationsbezogen Sinn herzustellen und Handlungen zu koordinieren. Bereits eingangs wurde darauf hingewiesen, dass die KA viele Beiträge zur Untersuchung institutioneller Interaktionen erbracht hat. Umfassende Studien liegen vor allem vor zu Expert/innen-Lai/innen-Interaktionen in den Bereichen Arzt-Patient-Gespräche (Heritage & Maynard 2006; Neises, Ditz & Spranz-Fogasy 2005), Interaktionen vor Gericht (Atkinson & Drew 1979), Beratungsgespräche (Nothdurft, Reitemeier & Schröder 1994), Bewerbungsgespräche (Birkner 2001), Medieninterviews (Heritage & Clayman 2002), Dolmetschen in verschiedenen institutionellen Situationen (Wadensjö 1992; Martini 2008) oder psychotherapeutische Interaktionen (s. Abschnitt 5). Institutionelle Interaktionen schränken die in alltäglichen Konversationen geltenden Optionen für interaktives Handeln spezifisch ein und haben zugleich spezialisierte Lösungen für die jeweils für sie charakteristischen, in ihnen zu bearbeitenden Interaktionsaufgaben entwickelt (z.B. eine Anamnese erheben, eine Diagnose stellen, eine Verschreibung erklären im Arzt-Patient-Gespräch). Aufgrund ihrer Aufgabenbezogenheit und weil sie oft unter bestimmten rechtlichen, ökonomischen, zeitlichen oder medialen Bedingungen geführt werden, sind sie durch Asymmetrien zwischen den Beteiligten gekennzeichnet. Asymmetrien können in vielen Punkten bestehen: im Fachwissen, im Gebrauch und Verständnis von Fachvokabular und bei den Inferenzmöglichkeiten im Gespräch, in der emotionalen und existenziellen Betroffenheit durch das in der Interaktion behandelte Problem, im Wissen über institutionelle Verfahren und rechtliche Rahmen, bei den Gesprächssteuerungsrechten, in der Verfügung über Sanktionsmöglichkeiten und ökonomische Macht sowie hinsichtlich der Rechte und Pflichten zu bestimmten Arten von Gesprächsbeiträgen. Die KA ist dabei ebenso daran interessiert, die Möglichkeiten und Probleme der Bearbeitung spezieller institutioneller Aufgaben in der Interaktion zu rekonstruieren als auch das „intuitive“ professionelle Wissen von institutionellen Agenten, wie es sich in ihrem situierten Handeln zeigt; ebenso geht es um Handlungsspielräume und Zwänge der Klient/innen der Institution. Seltener, aber in wachsendem Maße finden sich auch Untersuchungen, die sich in der Tradition der workplace studies mit vollprofessionellen Interaktionen innerhalb von Organisationen oder zwischen Expert/innen befassen. Die KA hat sich in ihren Untersuchungen vornehmlich formalen und „oberflächennahen“ Ebenen der Interaktionsorganisation gewidmet. Da sie es ablehnt, mit mächtigen theoretischen Vorannahmen an die Analyse zu gehen, vermeintlichem Wissen über ethnografische, kulturelle und soziale Tatsachen als Determinanten für Interaktionsverhalten grundsätzlich misstraut und dem Hintergrundwissen der Forschenden einen methodisch eher
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problematischen Stellenwert einräumt, hat sie sich weniger mit den stärker inhaltlich und interpretativ konstituierten Dimensionen von Interaktionen befasst. Die DP setzt dagegen ihren Schwerpunkt in der Erforschung der rhetorischen Verfahren und der interpretativen Strategien, mit denen die Faktizität von Ereignissen konstruiert und die Wahrheit und Glaubwürdigkeit von Darstellungen abgesichert und umkämpft wird (vgl. Edwards & Potter 1992; Potter, Edwards & Wetherell 1993; Deppermann 1997; siehe Abschnitt 5.2). Die DP hat gezeigt, dass und wie scheinbar bloß deskriptive Darstellungen von Ereignissen und Handlungen so verfasst werden, dass dabei systematisch Schlussfolgerungen hinsichtlich der Bewertung von Handlungen und Fragen von Motiven, Schuld, Verantwortlichkeit, Interessengeleitetheit und Objektivität bzw. Neutralität der Sprecher/innen und anderer Personen (v.a. Gegner/innen) implizit nahegelegt werden (s.a. Potter 1996; Wooffitt 1992). Die DP befasst sich auch damit, wie Interaktionsteilnehmende Wirklichkeit rhetorisch selektiv konstruieren, und welche Rolle dabei dem Kontrast zu anderen möglichen, aber nicht gewählten Kategorisierungen und Beschreibungen für das rhetorische Potenzial und die Handlungsrelevanz ihrer Darstellung zukommt (Edwards 1997). Sie trifft sich dabei durchaus mit manchen konversationsanalytischen Untersuchungen, wie auf Orte (Schegloff 1972) und Personen (Enfield & Stivers 2007; Schegloff 1996) Bezug genommen wird, sowie mit den von Sacks „neben“ und teilweise auch im Kontext der KA unter dem Titel der membership categorization analysis durchgeführten Analysen (s. Abschnitt 5.1). Die interaktive Konstruktion von Darstellungen wurde in der KA vor allem in Bezug auf die situations-, sequenz- und sprecher/innenrollengebundenen Funktionen von Reformulierungen (formulations, Heritage & Watson 1979; Drew 2003) untersucht. Dabei geht es darum, wie eine erste Version eines Sachverhalts, die ein vorangehender Sprecher/eine vorangehende Sprecherin formuliert hatte, nachfolgend paraphrasiert, zusammengefasst oder in Bezug auf Schlussfolgerungen ausgedeutet wird.
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Beiträge zu klassischen psychologischen Fragestellungen
5.1 Identitäten in der Interaktion Neben der sequenziellen Organisation von Interaktionen befasste sich Sacks vor allem mit Fragen der membership categorization analysis (MCA, s. Sacks 1992). Die MCA untersucht die Systematik der Verwendung und Interpretation von sozialen Kategorisierungen durch Gesellschaftsmitglieder. Seit Mitte der 1990er Jahre werden derartige Fragen sowohl von Konversationsanalytiker/innen als auch von diskursiven Psycholog/innen verstärkt unter dem Titel identities in talk bearbeitet (Antaki & Widdicombe 1998; Benwell & Stokoe 2006, Kap. 2-3). Hier geht es bspw. darum, wer aufgrund welcher Kriterien als Mitglied einer Kategorie behandelt wird, welche Rechte und Pflichten Kategorienmitgliedern zugeschrieben werden, wie Kategorisierungen eingesetzt werden, um Handlungen zu erklären und zu rechtfertigen, wie aus Handlungen Schlussfolgerungen über Kategorienmitgliedschaft gezogen werden usw. In diesen Forschungen wird die Relevanz sozialer Identitäten für die Gesellschaftsmitglieder selbst anhand ihrer Verwendung in der Interaktion erforscht. Im Unterschied zur sozialpsychologischen Theorie der sozialen Identität (Tajfel 1981) werden Gruppenmitgliedschaften nicht als statische, bedingende Faktoren für soziales Handeln verstanden, sondern als symbolische Größen, die Interaktionsteilnehmende selbst in-
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terpretieren und für die Konstitution ihrer Handlungen in Anspruch nehmen. Dabei zeigt sich, dass Identitäten keineswegs Handeln determinieren, sondern dass die Relevanz vs. Irrelevanz einzelner Identitätsaspekte situativ variiert und interaktiv ausgehandelt wird, und dass es hinsichtlich des Rechts zur Zuschreibung und Interpretation bestimmter (z.B. subkultureller) Identitätskategorien unterschiedliche Autorisierungen gibt, je nachdem, zu welcher Kategorie der Sprecher/die Sprecherin selbst gehört (Widdicombe & Wooffitt 1995), sodass die Frage nach der authentischen Inanspruchnahme von Identitätskategorien ein Feld für Konflikte und symbolische Machtkämpfe werden kann. Darüber hinaus besteht die Inanspruchnahme und Verhandlung von Identität in Interaktionen auch in Handlungen des doing being X, d.h., der performativen Darstellung und Zuweisung bestimmter Identitäten durch entsprechende kategoriengebundene Handlungen, ohne dass dies in Form expliziter Selbst- oder Fremdkategorisierung geschehen muss. Als umfassender Begriff für konversationelle Identitätspraktiken erlaubt es der Begriff der Positionierung (Davies & Harré 1990; Bamberg 1997; Lucius-Hoene & Deppermann 2004a, 2004b), die Formen zu untersuchen, mit denen Identitäten in der Interaktion kategorial, deskriptiv und performativ relevant gemacht und verhandelt werden. Der Blick auf Interaktionen als Schauplatz der Entfaltung und Verhandlung von Identitäten steht in mehrfacher Weise zu den in psychologischen Ansätzen gängigen Identitätsvorstellungen im Gegensatz:
Anstelle eines integrativ übersituativen Identitätskonzepts werden die dynamischen, situativ fluktuierenden Prozesse der Identitätszuschreibung untersucht. Der Fokus verschiebt sich von entweder sozialstrukturell verbürgten „objektiven“ Identitäten (wie in der Theorie der sozialen Identität) bzw. von reflexiv verfügbaren und explizit selbst zugeschriebenen Identitäten (wie in der Selbstkonzeptforschung) hin zu performativen, im Handeln in Anspruch genommenen und enaktierten Identitäten. Es wird nicht (wie in der Selbstkonzeptforschung, aber auch in manchen Konzeptionen des qualitativen Interviews) eine mehr oder weniger (vermeintlich) stabile biografische Selbstsicht abgefragt und Identität in der isolierten Person lokalisiert, sondern Identität wird als in der Interaktion verhandelte Größe und als ihr kollektives, manchmal auch umstrittenes Produkt untersucht. Es interessiert nicht wie in der sozialwissenschaftlichen Biografieforschung die Langzeit- und Prozessperspektive des Werdens der Person, sondern die funktionale Konstitution von Identität im Hier und Jetzt in Bezug auf bestimmte Gesprächsaufgaben und Gesprächspartner/innen in flüchtigen Interaktionen.
Diese veränderten Akzentsetzungen in der Sicht von Identität werden maßgeblich im Konzept der small stories (Bamberg & Georgakopoulou 2008; Georgakopoulou 2007) erfasst, welches konversationsanalytische, diskursiv-psychologische und narratologische Ansätze der Identitätsanalyse zusammenführt. Eine vergleichbare Identitätskonzeption vertreten Lucius-Hoene und Deppermann (2004a) für die Analyse „klassischer“ narrativer Interviews, die nicht mehr primär als Basis der Rekonstruktion biografischer Prozessstrukturen, sondern als besonders reichhaltige Situationen der Identitätskonstitution durch das narrative Management verschiedener zeitlicher und interpersoneller Ebenen durch den Erzähler/die Erzählerin analysiert werden.
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5.2 Kognition in Interaktion Die DP wendet sich gegen die in der Psychologie gängige Auffassung, dass verbale Darstellungen in Form von Kategorisierungen, Berichten oder Erzählungen (z.B. von Handlungen in Interviews, Selbstzuschreibung von Identitätsmerkmalen in Fragebögen) ein mehr oder weniger transparentes Fenster auf dahinterliegende psychologische Sachverhalte (wie Emotionen, Kognitionen, Identitäten, Einstellungen) seien (Potter et al. 1993; Edwards 1997; Edwards & Potter 2005). Anstatt also aus verbalen Daten auf Psychisches zu schließen und anstatt Annahmen über Psychisches zu benutzen, um Interaktionshandeln zu erklären, untersucht die DP, wie mit mentalen Prädikaten und mit verbalen Darstellungen, in denen Psychisches thematisiert wird (z.B. mentale Termini wie ich denke, ich weiß nicht; Berichte über Absichten oder Erinnerungen), soziale Handlungen vollzogen werden. Die Frage ist für die DP also nicht, wie und welche psychische Realitäten (z.B. autobiografische Erinnerungen) verbal abgebildet werden und ob diese Abbildungen valide sind, sondern welches rhetorisch-diskursfunktionale Potenzial Darstellungen mentaler Phänomene und ganz allgemein die Begrifflichkeiten für Mentales in der Interaktion besitzen. Edwards (1997) argumentiert z.B., dass die Formulierung von scripts und die Unterstellung von common ground nicht einfach kognitive Gegebenheiten widerspiegeln, sondern dass es sich um rhetorische Verfahren handelt, mit denen die Normalität und Gewissheit der eingenommenen Positionen und Bewertungen argumentativ abgesichert und gewissermaßen sozial verpflichtend gemacht wird. Die DP nimmt in Bezug auf das Verhältnis von Kognition und Interaktion eine strikt konstruktivistische, anti-essentialistische Sicht kognitiver Größen ein. Sie hält es aus methodologischen Erwägungen grundsätzlich für nicht statthaft, ja vielleicht gar für zirkulär und scheinhaft, aus Interaktionshandeln auf kognitive Gegebenheiten zu schließen. Die DP ist also zumindest methodologisch, wenn nicht gar ontologisch, antimentalistisch. Einige KA-Forschende sind dagegen sehr wohl bereit, bestimmte Interaktionsphänomene als konventionellen Ausdruck mentaler Zustände wie Verwirrung (Drew 2005), neu gewonnenen Verständnisses (Heritage 2005b) oder von Planungen und Absichten (Drew 1995) zu analysieren (vgl. auch die Diskussion in te Molder & Potter 2005). Zunehmend richtet sich das Interesse der KA dabei auf die Verhandlung von Wissensansprüchen und -zuschreibungen in der Interaktion (Heritage & Raymond 2005).
5.3 Psychotherapiegespräche Ein jüngst erschienener Sammelband dokumentiert den aktuellen Stand der konversationsanalytischen Forschung zur psychotherapeutischen Interaktion (Peräkylä, Antaki, Vehviläinen & Leudar 2008). Die Methodik der KA ist besonders geeignet, dem oftmals beklagten Defizit an Prozessforschung im Unterschied zur vorherrschenden Outcome-Forschung abzuhelfen und die interaktiven Prozesse in Therapien in einer schulenunabhängigen Weise auf der Grundlage einer allgemeinen Methodologie zur Untersuchung verbaler Interaktionen zu beschreiben. Die Beschreibungsgenauigkeit der KA ist dabei den traditionellen Formen der Prozessdokumentation durch Notizen, Gedächtnisprotokolle oder die Kodierung von Videoaufnahmen überlegen, da hier der sequenzielle Prozess der Interaktion zwischen Therapeut/in und Patient/in in Bezug auf ihre verbale, aber auch nonverbale Koordi-
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nation Moment für Moment nachgezeichnet werden kann und so die sprachliche und körperliche Enaktierung von Beziehungsmustern zu untersuchen ist (Streeck 2004). Die KA kann aus psychologischer Sicht genutzt werden, um den Gehalt psychotherapietheoretischer Konstrukte wie „Interpretation“, „aktives Zuhören“, „Widerstand“ in Bezug auf die faktischen Abläufe von Therapiegesprächen auf den Prüfstand zu stellen, da zumeist unklar ist, wie ihre sprachlich-kommunikative Realisierung in konkreten Therapiegesprächskontexten aussieht, wann sie produziert werden und welche Reaktionen sie hervorrufen. So wurde z.B. untersucht, wie Therapeut/innen gezielt Wortersetzungen benutzen, um den Patient/innen auf den latenten emotionalen Gehalt ihrer Erzählungen zu fokussieren, oder wie sie durch Reformulierungen der Patient/innenäußerungen deren psychologisch bzw. therapeutisch relevanten Aspekte fokussieren, den Patient/innen als das von ihnen Gemeinte widerspiegeln und damit die Grundlage für die weitere Interaktion strategisch im Sinne der Katalysierung therapeutisch intendierter Effekte modifizieren.
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Stärken, Schwächen und Desiderata
Soziale Interaktionen sind der Stoff, aus dem ein Großteil unseres Alltagslebens gestrickt ist und der unser Schicksal maßgeblich bestimmt, aber sie werden in der Psychologie kaum in ihrer natürlichen, alltagsweltlichen Phänomenologie untersucht. Dies verwundert nicht, kommt es doch bei der Analyse von Interaktion als Interaktion auf genau das an, was die experimental-psychologische Methodenlehre gerade zu eliminieren sucht: Alltagsnähe (vs. Bedingungskontrolle), Kontextabhängigkeit (vs. Standardisierung), prinzipielle Unabschließbarkeit der Handlungsoptionen (vs. geschlossene Variablensets) und prozessrelative Interpretation (vs. kontextfreie Codierung). KA und DP sind Ansätze, deren Methodologie auf genau diese Eigenschaften des Untersuchungsgegenstands zugeschnitten ist. Ihr Datenverständnis fordert und kultiviert eine methodologische Disziplin des genauen Hinhörens und -sehens und damit eine strikt phänomenologische Orientierung auf den Fall, die gerade auch klinisch relevant ist. Ihr Ansatz, sich theoretisch unvoreingenommen der rigorosen Prüfung aller Hypothesen an den Details des Interaktionsprozesses zu stellen und die wissenschaftlichen Kategorien im Handeln und damit im Selbstverständnis der Interaktionteilnehmenden selbst zu verankern, beinhaltet ein großes Potenzial für eine breite Palette von Fragestellungen aus Sozial-, Kognitions- und Sprachpsychologie und für die Therapieforschung. Viele Psycholog/innen dürften es als einen Mangel empfinden, dass KA und DP großen Aufwand in die detailgenaue Beschreibung von Interaktionspraktiken und in die Analyse ihrer Funktionen investieren, Fragen der Erklärung und Vorhersage – warum benutzt wer wann welche Praktiken? – dagegen weitgehend ausklammern. Dies ist eine Folge des ethnomethodologisch inspirierten Erkenntnisinteresses, das seine Grenze dort findet, wo für das Interaktionshandeln andere Größen als die an ihm selbst ausweisbaren Orientierungen der Teilnehmenden mit maßgeblich sind. Erste Ansätze zur Integration von KA und quantitativen Untersuchungen, in denen Eigenschaften der Interaktion mit Kontextvariablen korreliert werden, liegen vor. Die Verknüpfung gestaltet sich aber schwierig, will man damit nicht zugleich die methodologischen Vorteile von KA und DP durch Desequenzialisierung und deduktive Kodierung wieder zunichte machen. Dennoch bestehen hier Perspektiven für
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die Entwicklung von Mixed-Method-Ansätzen, ein Vorhaben, das allerdings unter Vertreter/innen der KA und DP sehr umstritten ist. Auch Forschende anderer qualitativer Couleur, insbesondere aus der kritischen Diskursanalyse, der objektiven Hermeneutik, der Ethnografie und den Gender Studies haben Vorbehalte gegen KA und DP, da sie zu wenig Kontext (nämlich nur den gesprächsinternen) einbezögen, die Einbettung in größere sozialstrukturelle oder auch psychobiografische Zusammenhänge vernachlässigten und deshalb tendenziell naiv und positivistisch an der Oberfläche der Daten klebten. In vielen Fällen ist zu zeigen, dass diese Kritik gegenstandslos ist, da im Gegenteil die Berufung auf gesprächsexterne Kontexte leicht vorschnell geschieht, zu voreingenommenen Scheinerklärungen führt und stattdessen versäumen lässt, die interaktionseigenen Motivationen kommunikativer Phänomene zu erkennen. Es lässt sich aber nicht leugnen, dass für gewisse Phänomene und Fragestellungen der strikt interaktionsanalytische Forschungsrahmen der KA und DP bspw. um interaktionstranszendente ethnografische Daten und Wissensbestände erweitert werden muss (s. Deppermann 2000), und dass trotz aller Meriten der rhetorisch-funktionalen Sicht auf Kognitionen die Position der DP, auf Kognitionszuschreibungen in der Analyse verzichten zu können, letzten Endes aporetisch ist (Deppermann 2010). In der Verknüpfung mit quantitativen Studien, der Ethnografisierung und dem Einbezug und der Relationierung interaktiver zu kognitiven Größen liegen also Potenziale für die künftige Weiterentwicklung von KA und DP.
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Arnulf Deppermann
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Lars Allolio-Näcke
Lars Allolio-Näcke
Diskursanalyse 1
Entstehungsgeschichte und aktuelle Relevanz
1.1 Philosophischer Hintergrund Das Entstehen der Diskursanalyse (DA) ist an die überwiegend im französischen Sprachraum entstandenen „Paradigmen“ Strukturalismus und Poststrukturalismus gebunden. Der Strukturalismus trägt insofern zur Entwicklung der DA bei, als er den formalen, gegen die klassische hermeneutische Tradition gerichteten Rahmen liefert: Texte folgen Regelmäßigkeiten, die nicht vollständig auf das intentionale, sprechende/schreibende Subjekt zurückgeführt werden können; Texte gehorchen einer eigenen, subjektunabhängigen Logik. Diese Regelmäßigkeiten werden im Strukturalismus als statische Prinzipien betrachtet, die unabhängig vom Kontext der Textproduktion gedacht werden. Mit diesem „rigiden“ System unzufrieden, richten die Poststrukturalist/innen ihr Augenmerk auf den Entstehungskontext des Textes sowie dessen historische (Weiter-) Verwendung. Betrachtet also der Strukturalismus Texte als geschlossene, einer Eigenlogik folgende Gebilde, so bettet der Poststrukturalismus sie in einen Kontext ein, d.h. Texte bilden diskursive Formationen, und erst über deren Verknüpfung mit Kontext, Geschichte und Subjektivität über bestimmte Regeln und Mechanismen lassen sich die Logik wie die Wirkweise des Einzeltextes bestimmen. Will man verstehen, warum sich entgegen dem bis dahin in Frankreich vorherrschenden Denken ein das Subjekt verneinendes (Strukturalismus) bzw. es infrage stellendes (Poststrukturalismus) Paradigma entwickelte, muss der Begriff des Subjekts, für das Text nur eine Chiffre ist, erläutert werden. Das Subjekt wurde bis dato in den vorherrschenden Philosophien als Substanz oder als (Bedeutungs-) Einheit aufgefasst, hatte somit bereits Sinn an sich, z.B. als vernunftbegabtes Wesen, und verlieh aufgrund dieser Bestimmung der Welt Sinn. Subjekt und Sinn stellten eine untrennbare Einheit dar, die sich insbesondere in politischen oder Handlungstheorien wiederfand. Jedoch handeln Menschen oft, ohne dass sie begründen können, warum sie so gehandelt haben, und Menschen handeln sogar – von einer übergeordneten Ebene betrachtet – gegen ihre Interessen. Genau hierauf reagiert der Poststrukturalismus und kritisiert das Subjekt als Substanz oder vorgängige Bedeutungseinheit zugunsten der Vorstellung vom Subjekt als Effekt von Differenzen (Derrida) oder Wissens-Macht-Strukturen (Foucault). Nimmt man diesen Perspektivwechsel ernst, dann ist das Subjekt in seinem historischen Handeln nicht absolut autonom, denn es wird als Subjekt erst geschaffen und hat nicht bereits qua Existenz Sinn bzw. darf nicht als Bedeutungseinheit und Handlungszentrum aufgefasst werden. Dies bedeutet jedoch keine Zurückweisung eines verantwortlich handelnden Subjekts, wie es oft interpretiert wurde.
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Diskursanalyse
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Verabschiedet wird lediglich eine substanzontologische Vorstellung vom Subjekt, die Form und Inhalt gleichsetzt (vgl. Allolio-Näcke 2007, S.55ff.) bzw. dialektisch aufzuheben versucht (vgl. Butler 2003, S.58). Das Subjekt aber ist „keine Substanz. Es ist eine Form, und diese Form ist weder vor allem noch immer mit sich selbst identisch“ (Foucault 1985, S.18). Insofern kann Foucaults Denken nicht dem (sozialen) Konstruktivismus zugeordnet werden (siehe dazu im Band den Beitrag von Winter), wie es gern getan wird, wenn „eindeutig ein Nebeneinander von Diskurs und Wirklichkeit“ bzw. ein „Dualismus zwischen Diskurs und Wirklichkeit“ postuliert wird (vgl. Jäger 2006, S.91f.; ähnlich Keller 2006, S.126; Willig 2001, S.119). Es kommt Judith Butler (2003) zu, den Foucaultschen Ansatz dahingehend erläutert zu haben, dass es sich bei Diskurs und Wirklichkeit nicht um zwei getrennte Modi handelt, sondern beide ineinander fallen: Diskurs ist für Foucault nicht Wirklichkeit, sondern handfeste Realität. Eine solche nicht-substanzontologische, nicht-dialektische Subjektphilosophie entlastet nicht nur von der Idee, der einzelne Mensch sei vollständig für seine und die Existenz seiner Mitmenschen – und damit auch für Missstände – verantwortlich, sondern erlaubt auch zu verstehen, warum der Sozialismus die Menschen nicht befreite, sondern sich kapitalistische Formen entwickelten, die sie immer subtiler ausbeuten, ohne sie – wie im Frühkapitalismus – zu verschleißen. Eine solche Philosophie stellt politischen Widerstand auf neue Füße. 1.2 Zentrale Schriften und Ideen In der Rezeption dieser Ideen in den Geistes- und Sozialwissenschaften lässt sich eine eindeutige Präferenz für die Schriften Michel Foucaults und Jaques Derridas feststellen, auch wenn sich ähnliche Analysen z.B. bei Roland Barthes finden. Wurden Derridas Ideen weitgehend von den Sprachwissenschaften unter dem Label Dekonstruktion aufgegriffen, so konzentrierte sich der sozialwissenschaftliche Diskurs auf die Ideen Foucaults unter dem Label Diskursanalyse. Diese Präferenzentwicklung lässt sich damit erklären, dass Derridas bevorzugtes Medium der Text (Zeichen, Text, Schrift) war, während Michel Foucault seine Thesen zur diskursiven Verfasstheit der Wirklichkeit auf soziale Phänomene, sprich Institutionen (z.B. Gefängnisse, Schulen, Kasernen) und Praktiken (z.B. Strafen, Gesundheitspolitik) applizierte, womit er die Grundlage für kultur- und sozialwissenschaftliche Gesellschafts- und Machtanalysen legte. Für die Psychologie ist maßgeblich der letzte Ansatz relevant, weshalb ich mich im Weiteren auf diesen konzentriere. In der „Archäologie des Wissens“ (1973) ging Foucault der Hypostasierung des Subjekts nach. Er suchte mittels seiner als Archäologie bezeichneten Methodologie nachzuzeichnen, wie die Menschen „in einen Prozess der Erkenntnis eines Objektbereichs eintreten und dabei sich selbst gleichzeitig als Subjekt mit einem festen und determinierenden Status konstituieren“ (Foucault 1996, S.52). Foucault verstand die Wissenschaften als Konstituenten einer bestimmten Rationalität und einer bestimmten Vernunft, die dazu beitragen, das Subjekt als Objekt zu erschaffen (vgl. Foucault 1994a, S.275). Hiernach ist wissenschaftliche Praxis „eine bestimmte Art, Diskurse zu regeln und zu konstruieren, die einen bestimmten Objektbereich definieren und zugleich den Platz des idealen Subjekts festlegen, das diese Objekte erkennen soll und kann“ (Foucault 1996, S.71). Diese Einsicht führte ihn dazu, genau diese wissenschaftli-
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chen Erkenntnisse in ihrer Relativität wahrzunehmen und deren Veränderbarkeit durch „Erfahrung“ zu postulieren (vgl. a.a.O., S.24): „Nicht, was die Menschen sind, sondern was sie sein könnten, wie sie anders leben, handeln, denken, ihre sozialen Beziehungen gestalten könnten“ (Marti 1988, S.2), war sein Thema. Ausgehend von den archäologischen Analysen gelangte Foucault zur Analytik der Macht. Denn „die Anwendungen, die Produktion, die Akkumulation des Wissens sind nicht zu trennen von den Mechanismen der Macht […]. Bereits die Frankfurter Schule stellte fest, daß die Formulierung der großen Wissenssysteme auch Unterwerfungseffekte hatte und Herrschaftsfunktionen ausübte“ (Foucault 1996, S.111). Foucaults Programmatik wurde infolge der 1968er Bewegung schnell in die Geistesund Sozialwissenschaften aufgenommen. Statt aber den Begriff der Archäologie aufzugreifen, wurden „Diskurs“ bzw. „DA“ zu Schlagwörtern der Stunde. Dabei störte es wenig, dass Foucaults Erläuterungen zur methodischen Vorgehensweise in der „Archäologie“ nur vage blieben, sie war der ausschließliche Referenzrahmen (vgl. Diaz-Bone 2006a, Abs. 68) und wurde als oft zitierte „Werkzeugkiste“ benutzt. „Die Ordnung des Diskurses“ (Foucault 2003), die viel konkreter hinsichtlich der Methodologie und Methode ist, wurde hingegen kaum rezipiert. Diese theoretische Unterbestimmtheit, die auch offen zugegeben wird (vgl. Diaz-Bone 2006b, Abs. 12 u. 18), lässt sich in allen Formen der DA finden. Insofern muss man sagen, dass es an sich keine Foucaultsche DA gibt, sondern sich aus diesen Ideen zahlreiche verschiedene Ansätze entwickelt haben, die mehr oder weniger stark auf Foucault zurückgreifen. Dies hat zu einer unüberschaubaren Fülle an Konkretisierungen geführt, für die mit Recht die Fragen aufgeworfen werden können, „ob es sich bei der Diskursanalyse um eine Methode sensu strictu […] handelt“ (Köhnen 2007, S.425) und inwieweit hierbei noch von Foucaultscher DA gesprochen werden kann. 1.3 Aktuelle Ansätze für die und in der Psychologie In der Psychologie ist die DA bis in die 1990er Jahre kaum rezipiert worden. Deutschsprachige relevante Umsetzungen finden sich vor allem verbunden mit den Namen Jürgen Link und Siegfried Jäger in der Literaturwissenschaft. Jürgen Link hat als erster die DA aufgegriffen und nach Deutschland importiert: Mit seiner Habilitationsschrift legte er 1975 einen ersten Entwurf vor, den er im Zusammenhang mit der Bochumer Diskurswerkstatt bis heute zur sogenannten „Interdiskursanalyse“ (vgl. Link 1983, 1997, 1999) weiter ausgebaut hat. Dass er Foucaults „Werkzeugkiste“ ausgeschlachtet habe (vgl. Diaz-Bone 2006b, Abs. 10), kann wörtlich genommen werden, da die Interdiskursanalyse eine stark im Strukturalismus verankerte Variante ist. Die Interdiskursanalyse setzt auf dem Dreiklang „Diskurs“ (Spezialdiskurse – Interdiskurse – Elementardiskurse), „Kollektivsymbolik“ und „Normalismus“ auf. Dabei stellen die kollektiv verankerten Symbole Scharniere oder „Siebe“ dar, durch die Wissen von einem auf einen anderen Diskurs übergeht. Wenn Wissen aus Spezialdiskursen (z.B. Biologie, Medizin, Psychologie) in Interdiskurse (z.B. Populärwissenschaft, -philosophie, -geschichte oder Literatur) oder Elementardiskurse (z.B. Liebe, Familie) übergeht, bildet dieses Wissen normative Wirkung aus (vgl. a.a.O., Abs. 22ff.). Inspiriert durch die Linksche DA und im Wesentlichen verbunden mit dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) hat der Historiker und Germanist Siegfried Jäger die „Kritische Diskursanalyse“ (1999a) vorgelegt: Jägers DA ist weniger strukturalis-
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tisch als pragmatisch orientiert und richtet das analytische Augenmerk nicht auf die Form, sondern auf inhaltliche Themen wie z.B. Rechtsextremismus, Migration etc. Hinzu kommen zwei weitere Inspirationsquellen: das Buch von Utz Maas „Als der Geist der Gemeinschaft eine Sprache fand“ (1984) – hier übernimmt Jäger die Argumentationsanalyse – sowie die Leontjewsche Tätigkeitspsychologie (vgl. Leontjew 1982 und den Beitrag von Kölbl in diesem Band). Auch Jäger verwendet das Foucaultsche Œuvre als „Werkzeugkiste“. Link (2006) und Jäger (2006) haben sich einander sukzessive angenähert: ersterer verweist auf die Methodenschritte der Feinanalyse Jägers, letzterer greift auf Links Interdiskurstheorie zurück und übernimmt dessen Kategorien. Diese speziell deutsche Variante ist zuweilen in der Psychologie aufgegriffen worden (vgl. Allolio-Näcke 2007), hat sich jedoch nicht durchgesetzt, da das Subjekt als kritisches Element der Analyse „angehängt“ oder nur als Forscher/innensubjekt thematisiert wird. Dass jedoch über diese Diskurse auch Subjektivitäten bestimmt werden, bleibt unterreflektiert. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die DA für die Psychologie erst über den Umweg des englischsprachigen Raumes fruchtbar gemacht wurde. Im englischsprachigen Bereich lassen sich zahlreiche Ansätze finden, die sich als (critical) discourse analysis oder disc(o)ursive psychology bezeichnen. Allerdings gilt es hier stark zu differenzieren: 1. Was in den USA als discourse analysis bezeichnet wird, meint in Europa in aller Regel Gesprächs- oder Konversationsanalyse (KA; vgl. den Beitrag von Deppermann in diesem Band). Aber auch im deutschsprachigen Raum besteht nicht immer Trennschärfe, hatte sich die linguistische Sprechakttheorie in den 1990er Jahren selbst als „Diskursanalyse“ bezeichnet (vgl. Ehlich 1994) und stiftet damit bis in die heutigen Tage Verwirrung (vgl. bspw. Hausendorf & Quasthoff 2005). 2. Auch wenn es sich in anderen Fällen nicht um KA handelt, dürfen bestimmte Ansätze (vgl. Edwards 1997; Edwards & Potter 1992; Potter 1996; Potter & Wetherell 1987) dennoch nicht als DA klassifiziert werden, auch wenn sie in diesem Kontext auftauchen (vgl. Potter 2006): Denn diese Ansätze sind stark am linguistischen Paradigma orientiert und tendieren zu einer Synthese mit der KA. Zudem basieren sie auf dem (sozial-) konstruktivistischem Paradigma (vgl. Winter in diesem Band) und operieren ausschließlich auf Verhaltensniveau, womit sie die Besonderheit des Foucaultschen Ansatzes, die Subjektivierung, verfehlen (vgl. Näcke & Park 2000). Ein handelndes Subjekt und daraus resultierende Subjektivität wird von Vertreter/innen der disc(o)ursive psychology zurückgewiesen (vgl. Zielke 2007, S.109). In den Mittelpunkt werden situationsorientierte Praktiken gestellt, aus denen dann Effekte hervorgehen, die Kognition oder Subjektivität genannt werden. Oder anders ausgedrückt: Menschen handeln zuerst und schreiben dann diesen Handlungen Sinn zu. Z.B. hat Alexa Hepburn (2004) aus dieser Perspektive das Weinen in Alltagssituationen untersucht und findet spezifische Elemente, die Weinen auszeichnen: zitternde Stimme, Naselaufen, Schluchzen etc. Anhand dieser Elemente zeigt sie, wie diese mit spezifischen Handlungen verbunden sind (z.B. Trauer), und dass „Emotionen“ als interaktional und relational, gemeinsam konstruiert und „gemanagt“ verstanden werden müssen, statt sie als individuelle mentale Phänomene zu begreifen. 3. Dennoch lassen sich Ansätze finden, die mit Recht als DA bezeichnet werden können (vgl. Burman, Aitken & Alldred 1996; Henriques, Hollway, Urwin, Venn & Walkerdine 1998; Parker 1992). Um diese besonders zu kennzeichnen und von der disc(o)ursive psychology abzugrenzen hat sich die Bezeichnung Foucauldian studies oder Foucauldian discourse analysis eingebürgert; selbst nutzen sie oft das Label critical discourse analysis.
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Im Mittelpunkt der Foucauldian discourse analysis steht das Verhältnis von Sprache und Subjektivität und die daraus resultierende Frage für die Psychologie, wie diese untersucht bzw. das Subjekt begriffen werden solle (vgl. Willig 2001, S.106). Das Subjekt wird als vom Nicht-Diskursiven beeinflusst konzipiert und deshalb werden vor allem Institutionen und soziale (Macht-) Beziehungen untersucht. Letztere haben Auswirkungen auf das Subjekt, indem sie Handlungen ermöglichen oder unterdrücken. Dem Foucaultschen Denken verpflichtet, wird nicht das Subjekt an sich verabschiedet, sondern nur eine bestimmte Vorstellung desselben. Statt von Subjekt sprechen die Vertreter/innen deshalb von „Subjektpositionen“ (Parker 1994, S.245) oder vom positioning (Harré & Van Langenhove 1999). Das heißt z.B. für das Problem der Emotionen, dass diese als Internalisierungen von in Diskursen verhandelten Subjektpositionen und Verhaltensweisen zu begreifen sind. Es heißt aber nicht, dass hier ein Determinationsverhältnis angenommen wird, ganz im Gegenteil, dem Subjekt wird ein „Sich-Verhalten-Zu“ zugestanden.
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Theoretische und methodologische Prämissen
2.1 Die Ontologie des Diskurses Vielfach wird betont, es sei irreführend, den Begriff „Diskurs“ zu verwenden, denn er bezeichne „eine Praxis und nicht […] ein Objekt“ (Bublitz 1999, S.23). Link betont, dass der Begriff lediglich eine Abkürzung für „Diskursive Formation“ sei und damit auf eine Praxis ziele (vgl. Link 1999, S.151), und diese definiere den Bereich des Wahren bzw. dessen, was als wahr, als existent wahrgenommen wird. Für Foucault selbst gibt es eine ontische Seite dieser diskursiven Formationen: Er „geht […] stets von einem bestimmten und endlichen Corpus aus […], von gesprochenen Worten und von Texten […], deren ‚Aussageregelmäßigkeiten‘ er herausarbeiten möchte“ (Deleuze 1992, S.80). Vernachlässigt wird hierbei aber die produktive Seite, die Handlungsebene von Sinnstiftung durch Sprechen/Schreiben und durch Lesen/Wieder- bzw. Neuerzählen, denn der Diskurs wird so auf Aussagen als (manifeste) Texte reduziert. Aus dem Blick gerät, dass sich Sinn nur in einem diskursiven Raum erschließt – also außerhalb des Textes (vgl. Bublitz 1999, S.23). Diese Ausblendung findet sich fast durchgängig. So ist es beispielsweise irreführend, wenn Jäger (1999a) vorschlägt, im bestmöglichen Falle alle verfügbaren Dokumente zu sichten, um möglichst den Diskurs zu erfassen, auch wenn er an anderer Stelle rät, sich aufgrund der „riesigen Materialfülle“ einzuschränken (Jäger 1999b, S.136f.). Er erliegt damit einem „ontologischen Trugschluss“ (Brockmeier & Harré 2005, S.42), denn er suggeriert, der Diskurs wäre als positivum erfassbar, er sei etwas Vorgängiges, das es der Welt zu „entreißen“, das es „abzulesen“ gilt – die Regeln dafür, wie gelesen werden soll, erscheinen so dem Diskurs immanent zu sein. Einer solchen Sichtweise hat sich Foucault jedoch verwehrt (vgl. Foucault 2003, S.32f.). Dennoch gibt es für Foucault einen ontischen Diskurs, der aber nicht fassbar sei: „Der Diskurs ist ihnen [den Kontrollen und Prozeduren – LAN] ausgeliefert, aber […] in dieser seiner Spezifität existiert er auch gar nicht ohne sie“ (Foucault 2003, S.79). Das heißt, es ist nicht möglich, den Diskurs darzustellen, ohne ihn erst zu erschaffen. Erst indem ein bestimmter Diskurs benannt und durch Zusammenstellung erkannt wird, wird dieser zu einer wahrnehmbaren Entität. Foucault benennt mehrere Prozeduren
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und Kontrollmechanismen, die das Wesen des (ontischen) Diskurses verändern und bestimmen: Prozeduren der Ausschließung (z.B. das verbotene Wort, Grenzziehung zwischen Wahrem und Falschen, zwischen Vernunft und Wahnsinn), Prozeduren der Kontrolle und Einschränkung (z.B. Kommentar, Autor/infunktion, Organisation der Disziplinen) und der Verknappung der sprechenden Subjekte (Festlegung von Ritualen und Doktrinen in und für Diskursgemeinschaften). 2.2 Die Verknappung des Diskurses durch den Autor/die Autorin – die Diskursposition Die wichtigste dieser Prozeduren ist die verknappende Funktion des Autors/der Autorin. Er/Sie bestimmt, was als Diskurs wahrgenommen werden kann – und zwar 1. durch die Gruppierung von Texten, 2. durch die Sinnstiftung und Bedeutungsgebung und 3. durch die Begründung der Einheit zwischen den verschiedenen Textfragmenten (vgl. Foucault 2003, S.20). 1.
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3.
Bereits die Gruppierung von Texten bedeutet eine erste Verknappung des Diskurses: es werden bestimmte Texte aus einer endlichen Anzahl von Einzeldokumenten unter einer spezifischen thematischen Fokussierung ausgewählt, andere ausgeschlossen. Das erscheint legitim, denn es ist zum einen unmöglich, alle geschriebenen und sprachlichen Äußerungen zu sichten und zu berücksichtigen. Zum anderen handeln Forscher/innen, die gleichzeitig Autor/innen sind, immer und notwendigerweise interessengeleitet – und dies schlägt sich in der Art und Weise der Hypothesenbildung, der Theorieprüfung, im Umgang mit dem empirischen Material usw. nieder. Da der Diskurs eine Form – also an sich bedeutungsleer – ist, kommt es dem Autor/der Autorin zu, die aufgefundenen Äußerungen (Diskursfragmente) zu interpretieren, ihnen Sinn zu verleihen und übergreifend eine bestimmte Bedeutung zuzuschreiben. Auf diese Weise werden Autor/innen als sinnstiftendes und bedeutungsgebendes Prinzip erneut verknappend wirksam. Im dritten Schritt der Verknappung versucht er/sie, einen Ursprung der verschiedenen Einzeläußerungen zu definieren. Dies muss er/sie tun, um zu begründen, dass jede Einzeläußerung einem bestimmten Prinzip folgt und somit Teil eines Diskurses ist: „Der Diskurs verliert so seine Realität, indem er sich der Ordnung des Signifikanten unterwirft“ (a.a.O., S.33).
Dies hat weitreichende Konsequenzen: Erst durch das Benennen einer bestimmten Bedeutung des Diskurses wird der Diskurs samt seiner Wirksamkeit inauguriert. Und erst durch dieses Benennen erhält das Subjekt die Möglichkeit, sich zur Welt zu verhalten. Diskurs ist somit nicht Sein, sondern Fiktion – er reiht sich ein in die Welt der Bedeutungen, in der Menschen leben und handeln. Ontischer und fiktionaler Diskurs sind zwei verschiedene Dinge – und doch sind sie nicht ohne einander zu denken. Jeder ist Garant der Existenz des anderen. Während der unzugängliche ontische Diskurs einen Möglichkeitsrahmen bildet, ist der fiktionale Diskurs dessen partielle, interessengeleitete und subjektive Konkretion, die sich wiederum in den ontischen Diskurs eingruppiert. DA produziert also Fiktionen, die mehr oder weniger glaubhaft und nachvollziehbar sind. Erst wenn sie mittels Rückbindung an nicht-diskursive Strategien als „gemeinschaft-
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lich geteilte Bedeutungen“ (Bruner 1997, S.31) glaubhaft und nachvollziehbar (gemacht) werden, können subjektiv gewonnene Ergebnisse als wahr gelten. Diese Strategien sind „Evidenzbeweise“, denn sie bilden den sichtbaren Bereich des Wissens: ein Gefängnis, eine Schule, ein Ehering etc. Sie sind der eigentliche Ausgangspunkt einer DA. Nicht der Text steht am Anfang einer solchen, sondern ein sozial „sichtbares“ Phänomen oder eine persönliche Erfahrung (vgl. Foucault 1996, S.28f.). Allerdings „geht der theoretisch-analytische Akt nicht in einer neutralen, ‚objektiven‘ Beschreibung auf. Vielmehr ist er selbst […] eine gesellschaftliche Praxis“ (Bublitz, Bührmann, Hanke & Seier 1999, S.16). Dies ist auch der Grund, warum es für die DA kein anderes Objektivitätskriterium als die Nachvollziehbarkeit geben kann, denn „Wissen ist nur ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ im Lichte der Perspektive, die wir gewählt haben. Solche Urteile über richtig und falsch […] summieren sich nicht zu absoluten Wahrheiten und Falschheiten“ (Bruner 1997, S.43). Auch hinsichtlich der Validität der Aussagen kann nur das Kriterium der Plausibilität gelten, denn der Diskurs ist lediglich eine Form, die an sich keine Bedeutung enthält. 2.3 Macht und ihre produktiven Wirkungen Die wohl prägnanteste Stelle, an der Foucault Macht definiert, lautet: „‚Die Macht‘ […] ist dadurch gekennzeichnet, daß sie Verhältnisse zwischen Individuen oder Gruppen ins Spiel bringt“ (1994b, S.251); sie ist ein „Verhältnis von ‚Partnern‘“ (a.a.O.), sie ist eine Qualität interaktiver Verhältnisse. Der Begriff Macht dient Foucault demnach als Metapher für die produktive Wirkung von Handlungen. Es geht also nicht (nur) um Macht als Herrschaft, ganz im Gegenteil. Appliziert auf den Diskurs und das (forschende) Subjekt bedeutet dies: Jeder Akt des Sprechens, jede Handlung, die als bedeutungsvolle verstanden werden kann, übt Machtwirkungen aus. Diskurse sind machtvolle und mächtige Gebilde, die das Denken, Sprechen und Handeln der Einzelnen beeinflussen. Da Forschung aber kein der gesellschaftlichen Praxis enthobener Bereich ist, gilt dies analog auch für sie und für Diskursanalytiker/innen: Sie haben an den Machtwirkungen teil und üben Macht aus, indem sie sich gegen bestimmte Diskursinhalte stellen, andere forcieren und unterstützen sowie einen bestimmten Blickwinkel einnehmen.
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Methodisches Vorgehen
In der Psychologie haben sich vor allem Ian Parkers (1992, S.6-20) und Carla Willigs (2001, S.108-112) Methode durchgesetzt. Beide Vorgehensweisen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Leitfragen zur Erschließung von Text und Kontext formulieren, die sich an Foucaults Methodologie orientieren. Parker geht über Willig insofern hinaus, als er nicht nur auf einen konkreten Text bezogen fragt (s.u., Fragen 1-7), sondern darüber hinaus kontextualisierende, auf den übergreifenden Diskurs bezogene Fragen integriert (s.u. Fragen, 812). Ich schlage insbesondere für Anfänger/innen eine Kombination aus der Jägerschen Vorgehensweise (1999a, S.140 und 2006, S.105ff.) und den spezifisch psychologischen Fragestellungen der englischsprachigen Kolleg/innen vor, wie ich sie hier vorstelle. Die Feinanalyse nach Jäger vorzunehmen, empfiehlt sich deshalb, da sie elementar schult, auf
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bestimmte „Hinweise“ zu achten, reflexiv zu werden, statt bereits Texte in „Schubladen“ einzuordnen, und sie entspricht dem „deutschen“ Bedürfnis nach einer exakten Beschreibung der Methodenschritte, während im englischsprachigen Bereich eher explorativ statt explikativ vorgegangen wird. Folgende sieben Fragen können an einen konkreten Text gerichtet werden: 1. 2.
3.
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Diskursive Konstruktionen: Welche Objekte werden diskursiv her- und vorgestellt? Welche Objekte vor Augen treten, hängt zudem von der Forschungsfrage ab. Der Gegenstand ist und wird somit hergestellt. Materialität des Diskurses: Welche Textart liegt vor? Ist es ein Bericht, eine Erzählung, ein Gespräch (vgl. Harré 1997), oder handelt es sich um eine Kampagne oder rituelle Praktiken? Grundsätzlich eignet sich alles, dem Bedeutung zugeschrieben wird, als zu analysierender Text (vgl. Parker 1992, S.7). Diskurse: Sind alle Textstellen markiert, die zur Konstruktion des diskursiven Objekts beitragen, richtet sich der Blick auf die Unterschiede zwischen den Einzelaussagen, denn was auf den ersten Blick als ein und dasselbe Objekt erscheint, kann auf vielfältige Weise diskursiv hergestellt werden. Handlungsorientierung: Wer stellt den Text her, an wen richtet er sich und wer hat zu ihm Zugang? Was wird mit der diskursiven Konstruktion des Objekts bezweckt? Warum wird gerade an dieser Stelle des Textes das Objekt ein- bzw. angeführt? Welche Funktion hat es generell und in Beziehung zu anderen Objekten, die im Text benannt werden? Für Anfänger/innen bieten sich hier diejenigen Einzelschritte der Jägerschen Feinanalyse an, die nach Kontext, Text-„Oberfläche“ und sprachlich-rhetorischen Mitteln fragen. Positionierungen: Welche Subjektpositionen („a location for persons within the structure of rights and duties“; Davies & Harré 1999, S.35) werden im Text angeboten? Welches Menschenbild wird vorausgesetzt bzw. vermittelt? Praktiken: Welche Handlungsmöglichkeiten werden angeboten, eröffnet oder verweigert? Subjektivität: Welche Perspektiven auf die Welt werden eröffnet? Welche Möglichkeiten von In-der-Welt-sein werden angeboten?
Die entsprechenden Antworten und Hinsichten sind im Anschluss zu einem argumentativen Text zusammenzufassen, der in psychologischen Zusammenhängen insbesondere auf die Punkte 5 bis 7 fokussieren sollte. Über diese auf einen konkreten Text beschränkten Fragestellungen hinaus lassen sich übergreifende Fragen formulieren, die von Parker als „Hilfskriterien“ bezeichnet, jedoch damit unterschätzt werden, da sie erst eine Sicht auf einen Diskurs ermöglichen, also ein über das Einzeldokument hinausgehendes diskursives Gewebe erkennen lassen. Leider, aber oft, unterbleibt diese weiterführende Reflektion, was mit dem enormen Arbeitsaufwand begründet wird. 8. 9.
Historizität: Wo und wie taucht der Diskurs auf und wie verändert(e) er sich? Institutionelle Verankerung: Welche Institutionen werden gestärkt, welche werden attackiert oder unterlaufen, wenn ein Diskurs benutzt wird? Welche Institutionen sind Träger des Diskurses?
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10. Inklusion und Exklusion: Welche Machtpraktiken sind mit den Diskursen verbunden, sprich: Welche Personen gewinnen oder verlieren im Spiel des Diskurses? Wer befördert den Diskurs und wer würde ihn gern eliminieren? 11. Interdiskursivität: Wie ist der Diskurs mit anderen Diskursen verbunden, insbesondere mit solchen, die sanktionieren oder unterdrücken? 12. Diskursgemeinschaft: Und welchen dominanten Gruppen und auf welche Weise ermöglicht ein Diskurs „ihre“ Geschichte zu erzählen und damit die aktuelle Realität zu rechtfertigen? Welche anderen Gruppen werden so ausgeschlossen, ihre Perspektiven auf Welt in den Diskurs einzubringen?
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Anwendungsgebiete in der Psychologie
Wie die Foucaultschen Analysen selbst zeigen, bietet sich die DA für historische Prozesse an, z.B. wenn die Entstehung bestimmter psychologischer Ideen und Gegenstände untersucht werden soll. Doch auch für aktuelle psychologische Fragen lässt sich die DA fruchtbar machen. Grundsätzlich gilt: Es gibt keinen psychologischen Gegenstand, der nicht mittels DA untersucht werden kann. Das betrifft die eher „klassischen“ individualpsychologischen Gegenstände wie Motivation, Emotion, Bewusstsein ebenso wie jüngst hinzugekommene wie Körper, Geschlecht und Alter, aber auch sozialpsychologische wie Eifersucht, Freundschaft etc. Auch übergreifende Kategorien wie Entwicklung, Persönlichkeit etc. sind hiervon nicht auszuschließen. Aber auch für die Gegenstände der angewandten Psychologie lässt sich die DA fruchtbar anwenden, z.B. bei der Bewältigung und Entstehung von Stress, beim Aufkommen von psychischen Störungen etc. Dabei ist nicht nur an die Analyse von Textkorpora wie Zeitungs- oder wissenschaftlichen Artikeln etc. gedacht, die eher das Aufkommen von Ideen (Wissen) abbilden, als vielmehr auch an konkrete Einzel-, Gruppen- oder serielle Interviews (Interviewreihen), an denen sich zeigen lässt, wie sich diese Wissensproduktionen im individuellen Leben niederschlagen, wie Menschen sie erleiden, damit umgehen oder zu diesen Wissensproduktionen beitragen.
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Stärken, Schwächen und Desiderata
Die größte Stärke der DA liegt darin, dass sie ermöglicht, menschliches Handeln und Entscheiden anders zu verstehen als aus einer individualpsychologischen oder neurowissenschaftlichen/kognitivistischen Perspektive. Natürlich können Menschen für ihr Handeln allein verantwortlich gemacht werden, allerdings gibt es ebenso gute Argumente dafür, dass Menschen nicht vollständig autonom handeln. Insofern bildet eine individualpsychologische Interpretation nur einen kleinen Möglichkeitshorizont des Menschen ab. Die konsequente Alternative, den menschlichen Willen gänzlich zu eliminieren, findet sich in der neurowissenschaftlich inspirierten Psychologie. Doch auch hier zeigt sich, dass mit dem Willen als Störfaktor immer zu rechnen ist (vgl. Bungard 1988). Die DA bietet – wenn sie auf dem Foucaultschen Fundament aufsetzt – die Möglichkeit, den Menschen als „ein gedoppeltes Subjekt“ zu begreifen, also eines, „das unterworfen und frei zugleich ist“ (Rüb 1990, S.199). Damit lassen sich menschliche Denk- und Handlungsweisen nicht in eine der beiden Richtungen wegdrängen; die DA erlaubt vielmehr, den
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Menschen dennoch als ein verantwortlich handelndes Wesen zu verstehen. Und dies gilt nicht nur für Alltagshandeln: Gerade sozial induzierte psychische Störungen lassen sich so – ohne einseitige Stigmatisierung der Betroffenen – herausarbeiten und verständlich machen und dadurch, ganz im therapeutischen Sinne, im besten Falle verändern. Dieser Fokus auf den handelnden Menschen ist denn auch der Hauptunterschied zwischen DA und Gesprächs- oder Konversationsanalyse (KA) – und nicht das Material, wie oft behauptet (vgl. Keller, Hirseland & Schneider 2006, S.9f.). Zwar kann man sagen, dass bei der KA eher „natürliche“ Texte, also konkrete gesprochene Kommunikationssequenzen, zugrunde gelegt werden (vgl. den Beitrag von Deppermann in diesem Band) und dass bei der DA öfter mit Texten gearbeitet wird, die von der einzelnen Äußerung abstrahieren, weil sie als Teil größerer Textkorpora analysiert werden. Dennoch können auch Gespräche und Interviews einer DA unterzogen bzw. umgekehrt geschriebene Text mithilfe der KA bearbeitet werden. Das eigentliche Unterscheidungsmerkmal liegt vielmehr im Zugriff auf die durch bzw. im Text ausgedrückten Dinge. Die KA ist an Sprache orientiert, d.h. ihre Logik ist textimmanent, sie sucht nach einer geschlossenen Sinnstruktur des Einzeltextes bzw. der Konversation. Diskursanalytiker/innen sind nicht hauptsächlich an Sprache, sondern an dem, was mit Sprache vermittelt oder durch sie repräsentiert wird, interessiert, d.h. sie sehen Texte als Teil eines Kontexts. Erstere arbeiten eher auf der Sprachoberfläche, Diskursanalytiker/innen wollen hinter die Sprache zur sozialen Praxis gelangen. Eine ebenso ausführliche wie eindrückliche Liste von Problemen, die sich mit der DA ergeben, findet sich bei Parker und Burman (1993). Hier werden 32 methodische, epistemologische und politische Probleme angesprochen und ausführlich erläutert. Zu den sechs methodischen Kernproblemen zählen sie: 1. Zeit- und Arbeitsintensivität; 2. Schwierigkeit der Bestimmung, ab wann ein Diskurs als ein diskretes Ereignis von einem anderen unterschieden werden kann oder ob er nur deshalb als solches erscheint, weil er in bestimmten Kontexten in einer bestimmten Form vorkommt; 3. Schwierigkeit, vom Einzeldokument zu einem höheren kontextuellen Aggregat zu gelangen (Frage der Verallgemeinerung); 4. notwendiger Reduktionismus auf einen begrenzten (meist fachspezifischen) Textkorpus; 5. Ambivalenz und Polyvalenz der Ergebnisse (es gibt nicht eine richtige Interpretation des Textes) und 6. die Machtfunktion des Forscher/innen, also Teil dessen zu sein, was in einer kritischen DA zum Gegenstand wird. Neben diesen allgemeinen Problemen, die viele qualitative Methoden betreffen, lassen sich für die DA zwei zentrale Schwächen anführen. Zum einen bleibt mit der DA immer das Problem der Bedeutung im Raum: Eine DA ist immer standortgebunden, von Forschenden erzeugt und kann somit nie behaupten, dass sie den Diskurs abbildet. Was aber ist eine (ge-) wichtige Interpretation? Wenn es nicht die Wahrheit gibt, sind dann alle diskursanalytischen Aussagen gleich wichtig, gleich wahr? Oder was privilegiert einen Diskurs vor dem anderen? Eventuell nur, dass er einen befreienden Anspruch hat? Und was ist eigentlich ein Diskurs? Kann jeder Alltagsgegenstand zum Diskurs werden? Ist es demnach das gleiche über Familie, Mutterschaft und Kindheit zu sprechen wie über Stofftiere oder Hausarbeit? Die zweite Problematik ist die der Stellvertretung bzw. das Repräsentationsproblem. Wer spricht wie über wen und mit welcher Legitimation? Und warum wird eine bestimmte Gruppe (z.B. Psychotiker/innen, Schwule, Schwarze) als marginalisiert wahrgenommen, die dann mittels DA in die Lage versetzt werden soll, sich zu positionieren, die eigenen
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gesellschaftlichen Zwänge zu erkennen und sich aus diesen zu lösen? Was heißt es – mit allen politischen wie wissenschaftlichen Friktionen – als jemand zu sprechen? Oder schließt sich dies nicht gegenseitig aus? Als Desiderat halte ich für wichtig, die konstatierte Kluft zwischen aktuellen Varianten der DA, dem damit verbundenen konkurrierenden Vokabular (vgl. a.a.O., S.158) und der theoretischen Basis Foucaults zu überwinden: So böte es sich einerseits an, den theoretischen Rekurs auf Foucault zu streichen und damit dem Vorwurf zu entgehen, etwas vorzulegen, was fast nichts mit Foucault zu tun hat. In diese Richtung verstehe ich den Vorschlag Kellers (2007), der auf den Begriff DA verzichten und eher von „Diskursforschung“ sprechen möchte. Dies wäre unbedenklich und konsequent, allerdings wäre darauf zu achten, wen und welche Wissenschaften man in dieses Label einbindet, damit es innerhalb der qualitativen Sozialforschung erkennbar und nutzbar bleibt. Andererseits wäre zu überlegen, den guten methodischen Vorgaben auch ein angemessenes Foucaultsches Fundament unterzulegen. Damit müssten zwar liebgewonnene Selbstverständlichkeiten (z.B. Jägers philosophisch inkompatibler Verweis auf die Tätigkeitstheorie) verabschiedet werden, es würde aber eine höhere theoretische Konsistenz gewonnen. Schließlich würden durch eine solche Fundierung Fragen obsolet, wie z.B. die zum Verhältnis von Hermeneutik und DA (vgl. Reichertz 2005) oder zum Verhältnis von Realität und Diskurs (vgl. Willig 2001, S.119f.), die immer wieder im Kontext der DA auftauchen. Weiterführende Literatur Burman, Erica & Parker, Ian (Hrsg.) (1993). Discourse analytic research: Repertoires and readings of texts in action. London: Routledge. Jäger, Siegfried (1999). Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Duisburg: DISS-Verlag. Parker, Ian (1992). Discourse dynamics: Critical analysis for social and individual psychology. London: Routledge.
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Entstehungsgeschichte
Metaphern waren schon vor der Entstehung einer qualitativ forschenden Metaphernanalyse ein Thema der Psychologie (Schmitt 2001a). Die erste umfängliche Thematisierung findet sich in Bühlers Sprachpsychologie (1934): Er begriff die Metapher nicht als schmückendes Beiwerk, sondern als unverzichtbares Phänomen der Sprache; wer erst einmal angefangen habe, darauf zu achten, „dem erscheint die menschliche Rede bald ebenso aufgebaut aus Metaphern wie der Schwarzwald aus Bäumen“ (Bühler 1934, S.342). Bühler wies der metaphorischen Sprache vier Funktionen zu, die wir heute weitgehend als „kognitive“ fassen würden: Metaphern ermöglichen es 1., neue Sachverhalte zu beschreiben und 2. andere drastisch zu charakterisieren; sie erleichtern 3., Unbekanntes durch Bekanntes darzustellen und sie helfen 4., tabuisierte und anstößige Themen auf eine „verhüllende Weise“ anzusprechen (a.a.O., S.342, 352f.). Solche Wertschätzung fand die Metapher in der Psychologie dann lange nicht mehr; sie kam nicht vor oder störte. Als Störung eines wörtlichen Sprachverständnisses – genauer: als „semantische Anomalie“ – ist sie vor allem in Hörmanns Sprachpsychologie (1972) lebendig, die unkonventionelle Metaphern als Problem der generativen Semantik diskutierte. Daneben finden sich aber auch entwicklungspsychologische, quantitativ vorgehende Studien zum Erwerb des Metaphernverständnisses, die sich auf Piaget oder Wygotski stützen (eine Übersicht findet sich in Schmitt 2005). Dieses sporadische Interesse der psychologischen Forschung an der Metapher zerstreute sich jedoch auch hier in heterogenen theoretischen Konzepten mit geringer Reichweite und unterschiedlichen Operationalisierungen metaphorischer Sprache; die experimentelle Psychologie imponierte durch kunstvolle Prozeduren der Messung der Verstehensgeschwindigkeit von Metaphern unter ebenso kunstvollen Begleitumständen (vgl. Herrmann 1995). Ortony wies allerdings der Metapher zu diesem Zeitpunkt in seinem interdisziplinären Band mit dem programmatischen Titel „Metaphor and Thought“ bereits einen systematischen Stellenwert in der kognitiven Psychologie zu (Ortony 1993, siehe auch Ortony 1979). Der wichtigste Anstoß für eine erneute Beschäftigung mit dem Phänomen der Metapher kam von außen: Die kognitive Metapherntheorie des Linguisten George Lakoff und des Sprachphilosophen Mark Johnson (Lakoff & Johnson 1998 [Orig 1980], 1999; Lakoff 1987; Johnson 1987) hat in verschiedenen Teilbereichen der Psychologie interessante Folgestudien angeregt. Gibbs (1993) hat die von diesen Autoren entwickelten Begriffe des metaphorischen Konzepts und des kinästhetischen Schemas genutzt, um nicht nur die in 1
Für hilfreiche Anmerkungen danke ich Maja Opfermann, Susanne Michulitz und dem Promotionskolloquium der Fakultät Sozialwissenschaften der Hochschule Zittau/Görlitz.
G. Mey K. Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie, DOI: 978-3-531-92052-8_47, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Metaphernanalyse
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Metaphern, sondern auch in anderen Formen figurativer Sprache (Ironie, Metonymie, Übertreibung, Untertreibung, Sprichworte) enthaltenen kognitiven Schemata zu rekonstruieren. Er hat besonders in zwei neueren Publikationen (Gibbs 2002, 2006) betont, dass die von früheren Psycholog/innen experimentell gemessenen unterschiedlichen Verstehensgeschwindigkeiten von (neuer) Metaphorik und „wörtlicher“ Sprache sehr kontextabhängig seien und von einem verkürzten Verständnis der Metapher ausgingen. In seinen Experimenten zeigt er, dass Metaphern in der Regel nicht als Abweichung vom üblichen Sprachgebrauch verstanden werden können. Daher seien die genuin psychologischen Theorien der Metapher (Übersicht in Gibbs 2002, S.239ff.) für eine Metaphernanalyse wenig hilfreich, welche den Sinngehalt alltäglichen bildlichen Sprechens rekonstruiert. Die Synthese von psychologischen Fragestellungen und kognitiver Linguistik hat sich als eigenständige qualitative Forschungstradition in der deutschsprachigen Psychologie entwickelt. Es lassen sich drei kurz aufeinander folgende Generationen von Metaphernanalytiker/innen nennen:
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Die erste Generation (Straub & Sichler 1989; von Kleist 1987) versuchte die Auswertung von einzelnen Metaphern in Interviews bzw. Therapietranskripten und entwickelte daran erste methodische Hinweise zur Metaphernanalyse. Die zweite Generation knüpfte daran an, stützte sich jedoch bereits auf die kognitive Linguistik und entwickelte systematischere Vorgehensweisen in Verbindung mit psychoanalytischen und ethnomethodologischen Ansätzen (Buchholz 1996; Buchholz & v. Kleist 1997) oder als eigenständige qualitative Forschungsmethode (Schmitt 1995, 2003, 2005, 2009). Die dritte Generation von Metaphernforscher/innen nutzte diese Entwicklungen vor allem inhaltlich: Schachtner (1999) kombinierte Metaphernanalysen mit der Grounded-Theory-Methodologie, um metaphorische Muster ärztlichen Handelns zu rekonstruieren. Moser (2000) verband den Ansatz von Lakoff und Johnson mit quantitativen Methoden, um unterschiedliche Selbstkonzepte von Hochschulabsolvent/ innen zu beschreiben. Böttger (2003) synthetisierte die vorhandenen Formen der Metaphernanalyse mit Ansätzen der Foucaultschen Diskursanalyse.
Grundannahmen
Die kognitive Linguistik trug entscheidend zur Klärung des Begriffs der Metapher bei: Lakoff und Johnson erweiterten klassische Definitionen der Metapher, postulierten gemeinsame Muster von einzelnen Metaphern und sondierten deren Rolle im individuellen Denken, indem sie den Zusammenhang von Bildsprache und Leiblichkeit berücksichtigten und Metaphern als Elemente der Kultur sahen.
2.1 Begriff der Metapher Überraschend ist zunächst eine radikale Einfachheit der Definition: „Das Wesen der Metapher besteht darin, daß wir durch sie eine Sache oder einen Vorgang in Begriffen einer anderen Sache bzw. eines anderen Vorgangs verstehen und erfahren können“ (Lakoff & John-
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son 1998, S.13). Eine Metapher überträgt also Bedeutungen von einem Bereich auf einen anderen. Ein Vorzug dieser Definition besteht darin, dass alltägliche Metaphern erfasst werden können, wie die folgenden Beispiele aus einer Studie zu alltäglichem Alkoholkonsum zeigen (Schmitt 2002): „Es war wie als würde man durch eine dicke Nebelwand durchgucken“ oder „Du kannst nicht mehr richtig klar denken.“ Diese kursiv gesetzten Redewendungen enthalten drei Elemente einer weiten Definition von Metaphern nach Lakoff und Johnson (1998, S.20-26): 1.
2. 3.
Es lässt sich ein Quellbereich der Metapher, d.h. eine für die Befragten konkretsinnliche Erfahrungsbasis rekonstruieren: „Nebelwand“ und „nicht klar denken“ verweisen auf visuelle Sinneseindrücke und das Vermögen, Helligkeit, Dunkelheit sowie Grade dazwischen zu unterscheiden. Die Formulierungen beziehen sich zudem auf ein komplexes Ziel, nämlich den Zustand nach einer Intoxikation mit Alkohol. Sie übertragen dabei einen bildlichen Gehalt von einer konkreten semantischen Quelle (unscharfes Sehen) auf ein abstrakteres Ziel (Erleben der Intoxikation).
Alle Redewendungen, in denen Bedeutungen von einer Bild-Quelle auf ein Bild-Ziel übertragen werden, galten für Lakoff und Johnson als Metapher. Diese weite Definition ebnete Differenzierungen wie Symbol, Chiffre, Vergleich und Allegorie, wie sie in traditionellen sprachwissenschaftlichen Überlegungen üblich waren, ein; sie fokussierte nur auf den Prozess der Übertragung von Mustern der Wahrnehmung von einem Phänomen auf ein anderes. Diese Übertragung dient gleichermaßen der individuellen Versprachlichung des Phänomens wie der sozial geteilten Sinnstiftung.
2.2 Metaphorische Konzepte Die wesentliche Neuerung der kognitiven Metapherntheorie bestand in der Erkenntnis, dass Metaphern in der Regel nicht ohne Zusammenhang auftreten, sondern sich bündeln lassen wie z.B. in den folgenden Redewendungen von jugendlichen Nikotinkonsument/innen (Schmitt & Köhler 2006): Der Einstieg in den Konsum ist ein „Kosten“, bevor die Zigarette tatsächlich „schmeckt“; bei einer Erkrankung ist sie einem Befragten „nicht mehr bekommen“, später kam der „Appetit“ wieder. Das gemeinsame Denkmuster in diesen Versprachlichungen lässt sich als das metaphorische Konzept „Rauchen ist Essen“ zusammenfassen. Es naturalisiert den Konsum eines potenziell tödlichen Suchtmittels zur alltäglichsten Essensaufnahme. Abstinenz kann in dieser Bildlichkeit nur als fehlender Hunger oder Appetitlosigkeit gedacht werden. Eine Alternative zu diesem metaphorischen Deutungsmuster geben die folgenden Formulierungen: Das „Probieren“ wird als Lernprozess nach der Überzeugung „Übung macht den Meister“ gedeutet, die Rauchenden erscheinen in der Rangskala der Peer Group als „Anfänger/innen“ und „Professionelle“, als „geschult“. Auch diese Redewendungen lassen sich als Konzept fassen: „Rauchen ist Lernen für das Leben.“ Das problematische Verhalten wird normalisiert und positiv gedeutet: Abhängige erscheinen als „Könner/innen“. Lakoff und Johnson (1999, S.50ff.) gaben Übersichtslisten wichtiger metaphorischer Konzepte vor. Sie benutzten dabei eine Rhetorik, als seien metaphorische Konzepte wie
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Gegenstände oder naturwissenschaftliche Konstanten „zu entdecken“. Sie explizierten den Prozess des „Findens“ nicht und übersahen, dass sie unreflektiert hermeneutisch operierten. Die systematische Metaphernanalyse (siehe Abschnitt 3) ergänzt die Annahmen der beiden Autoren um regelgeleitete Praktiken zu einer nachvollziehbaren qualitativen Forschungsmethode. Metaphorische Konzepte sind in diesem Verständnis das Resultat einer hermeneutischen Bemühung, den gemeinsamen Sinn von mehreren Metaphern zu erschließen. Wie bei jeder hermeneutischen Anstrengung sind sie unabgeschlossene und weiter zu verfeinernde (Re-) Konstruktionen.
2.3 Metapherngenerierende Schemata Neben der Unterscheidung von metaphorischen Redewendungen und metaphorischen Konzepten führten Lakoff und Johnson in ihren Publikationen von 1987 einen dritten Schlüsselbegriff ein, den der „Schemata“. Sie beschreiben diese kinaesthetic image schemas als einfache, präverbale und gestalthafte Erfahrungen, die selbst noch keine Bildqualität haben, aber als basale Muster hinter den Metaphern zu finden sind. Räumliche Schemata wurden bereits im ersten Buch von 1980 als orientational metaphors gefasst: sich „obenauf“ zu fühlen, eine „Hochstimmung“ zu erleben und die Gegensätze dazu, also „gesunkene“ Stimmungen und sich „down“ fühlen, „hohen“ moralischen Standards zu folgen oder „niederträchtige“ Handlungen auszuüben usw. Lakoff und Johnson fassten die moralischen Implikationen dieses kulturell üblichen Schemas in einem Konzept „gut ist oben“ (1998, S.22f.) zusammen, das das Verhältnis von Redewendung, Konzept und Schema zeigt: Alltägliche metaphorische Redewendungen lassen sich zu metaphorischen Konzepten bündeln, die ihrerseits von wenigen Schemata (wie „oben/unten“, „vorne/hinten“) organisiert werden. Bedeutete die Annahme von räumlichen Schemata schon eine Ausdehnung des traditionellen Metaphernverständnisses, so überschritt die Annahme weiterer bildgenerierender Schemata den bis dahin üblichen Begriff der Metapher endgültig:
Metaphorische Vergegenständlichungen konstruieren abstrakte Phänomene als quantifizierbare Substanzen: „viel Einfluss“, „wenig Liebe“. Vor allem Mengenangaben („mehr“, „weniger“) kennzeichnen diese ikonische Substanzialisierung. Eine zweite Vergegenständlichung nutzt das Gefäß-Schema z.B. für die Wahrnehmung: Wenn etwas „im“ Gespräch gesagt wird oder „außerhalb“ desselben, dann konstruieren die Präpositionen „in“ und „außer“ das Gespräch als Gefäß. Wenn wir von „der Inflation“ reden, dann geben wir einem diffusen Geschehen aus ökonomischen und sozialen Einzelphänomenen eine metaphorische Ganzheit, die es erlaubt, sie als kausal wirksames Objekt zu attribuieren: „Die Inflation bewirkt, dass ...“ Hier wird das Schema eines singulären handelnden Akteurs auf eine komplexe wirtschaftliche Erscheinung übertragen – eine komplexitätsreduzierende Konstruktion.
Lakoff und Johnson begriffen also die Vergegenständlichung komplexer psychischer oder sozialer Phänomene als Ergebnis eines metaphorischen Prozesses – das war die radikalste und am schwersten zu vermittelnde Ausdehnung des Metaphernbegriffs. Johnson (1987) versuchte, diese zentralen Schemata im Rückgriff auf Kant als kognitive Universalien zu
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formulieren und mit Bezug auf Piaget ihre körperliche, sensomotorische Fundierung zu erklären. Er begriff sie phänomenologisch als nicht weiter hintergehbare, einfachste Grundmuster der Wahrnehmung und des Denkens. Die Kenntnis der hier genannten metapherngenerierenden Schemata hilft, Metaphern zu erkennen. Für die qualitative Forschung sind jedoch metaphorische Konzepte am ertragreichsten, denn in ihnen bündeln sich komplexere Muster des Denkens, der Wahrnehmung, der affektiven Empfindung und des Handelns.
2.4 Metaphorische Kognition Psychologische Untersuchungen zum Problemlösungsverhalten verweisen auf einen engen Zusammenhang von metaphorischer Kognition und Handlungsplanung (Moser 2001; Gibbs 2006). Metaphern prägen unser Denken und Handeln durch die beiden kognitiven Mechanismen des highlighting und hiding: Sie heben bestimmte Aspekte heraus und vernachlässigen andere bzw. verhindern sogar deren Wahrnehmung. So fokussiert beispielsweise in der Debatte um Einwanderung die Metapher, dass „das Boot voll“ sei, ein räumliches Bedrängtheitsgefühl und eine Knappheit an Ressourcen. In der Metapher verschwindet, dass Einwanderung nichts mit räumlicher Enge zu tun hat, Ressourcen im Vergleich zu den Ausgangsländern der Einwanderung reichlich vorhanden sind und Integration etwas anderes ist als das einmalige Klettern über einen Bootsrand. Metaphern konstruieren, beleuchten und verdunkeln Zusammenhänge: So leiten sie Denken, Handeln und Fühlen an.
2.5 Embodiment: Metaphern und Körper Bereits oben wurde formuliert, dass Schemata einfache Strukturen aus einfachen und gestalthaften Erfahrungen (z.B. Höhe und Tiefe, Behälter) darstellen, die sich metaphorisch auf komplexe, tabuisierte oder neue Sachverhalte übertragen lassen. Als Quelle der Schemata dienen oft körperlich erfahrbare Dimensionen oder einfache Handlungsabläufe, die als elementare Muster des Verstehens abstrakter Zielphänomene genutzt werden. So verweist das Schema eines Wegs mit Anfang und Ziel auf ein früh erlebtes Handlungsmuster seit dem ersten Krabbelversuch, das eine Vielzahl von Metaphern des „Lebenslaufs“ generiert und uns von „Fortschritt“, „Rückschritt“ und „Zielen“ reden lässt. Die Fundierung der Metaphorik in der körperlichen Erfahrung wurde bereits im ersten Buch immer wieder behauptet (Lakoff & Johnson 1998, S.70ff.), aber erst in der Publikation von 1999 mit einigen empirischen Studien unterlegt, die z.B. die Entwicklung der Metapher des Sehens für kognitive Vorgänge („Einsicht“, „Klarheit“) in entwicklungspsychologischen Studien rekonstruierten (Lakoff & Johnson 1999, S.46ff.).
2.6 Metaphern und Kultur Um die kulturelle Strukturierung unserer Erfahrung vom Standpunkt der kognitiven Linguistik zu fassen, führten Lakoff und Johnson (1998, S.31-34) den Begriff der Kohärenz ein: Wir leben in einer Kultur, in welcher Glück, Tugend, Macht, Status, Gesundheit etc. in der
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Regel recht kohärent mit Metaphern der Höhe bedacht werden, die gegenteiligen Begriffe werden metaphorisch mit Tiefe assoziiert: „Unterlegenheit“, sozialer „Abstieg“, in der Achtung von jemand „sinken“ etc. Das gilt auch für soziale Gruppen mit abweichenden Werten: Lakoff und Johnson postulierten, dass elementare Werte einer Kultur auch in deren Subkulturen mit ihren zentralen metaphorischen Strukturierungen konvergieren. So wird selbst in religiösen Minderheiten unserer Kultur das metaphorische Konzept „gut ist oben“ gebraucht – vom „geistigen Wachstum“ bis zum Himmel als Ort „höchster“ Autoritäten. Die Strukturierung der Erfahrung durch die kulturellen Schemata wurde von Lakoff (1987) mit Analysen der Sprache der australischen Ureinwohner/innen und Japans untermauert; ihm sind Anthropolog/innen (Quinn 1987; Kimmel 2004) gefolgt. – Gibbs (1997, S.146) hat darauf hingewiesen, dass die Überlegung, ob denn Metaphern aus einem individuellkognitiven, körperlichen oder kulturellen Ursprung abzuleiten sind, das Erlebte unzulässig zerreißt, weil sie gerade diese Ebenen verbinden. Er plädiert dafür, Metaphern als emergentes Phänomen des Austausches von Körper, Welt und individuellem Geist zu deuten.
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Vorgehensweise
Die Vorgehensweisen bei Metaphernanalysen unterscheiden sich darin, in welchem Ausmaß auf die Theorie der kognitiven Linguistik zurückgegriffen wird. In der deutschen Diskussion ist neben dem weiter unten vorgestellten Ansatz das metaphernanalytische Vorgehen von Buchholz und von Kleist (1995) bei der Analyse therapeutischer Gespräche bekannt, die zunächst sieben methodische Schritte einer Metaphernanalyse formulierten, die Buchholz (1996, S.90-101) zu vier aufeinanderfolgenden Auswertungsregeln zusammenfasste:
Konstruktion eines metaphorischen Prototyps über die Vorstellung zum Therapieprozess aus den ersten ein bis zwei längeren Patient/innenäußerungen auf die Frage, mit welchen Erwartungen der/die Betroffene die Therapie begann; Untersuchung der Implikationen des Prototyps der Prozessvorstellung bzgl. der Rolle, die dem Therapeut bzw. der Therapeutin und sich selbst zugewiesen wird; Suche nach weiteren Beispielen für die Prozessphantasie; Rekonstruktion der Beeinflussung der konkreten Interaktion durch die metaphorisch konstruierte Erwartung an den Therapieprozess.
Auf die Kritik, dass mit dieser Form der Analyse vor allem auffällige Metaphern fokussiert und andere Metaphern übersehen würden, auch sei die Übertragbarkeit der Methode auf andere Bereiche nicht gewährleistet, antworteten Buchholz und von Kleist (1997), dass metaphernanalytische Untersuchungen nur den „rules of the thumb“ (a.a.O., S.295) gehorchten, also ohne feste Regeln verfahren könnten. Der kulturpsychologische Ansatz einer Metaphernanalyse von Straub und Seitz (1998) bezieht sich nur kursorisch auf Lakoff und Johnson und stärker auf ältere Metaphernbegriffe, fokussiert „resonante“, d.h. für Interpret/innen auffällige Metaphern und legt keinen Wert auf alltägliche oder scheinbar „tote“ Metaphern (wie z.B. „Fortschritt“). Dieses Verfahren provoziert ebenso wie der Vorschlag von Buchholz und von Kleist das Risiko einer willkürlichen und selektiven Überdeutung der hervorstechenden Metaphern Eine ähnliche Kritik wäre zu formulieren für das Vorgehen in Seitz (2004, S.274f.).
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Metaphernanalysen nach Lakoff und Johnson rekonstruieren nicht einzelne Metaphern, sondern metaphorische Konzepte und deren Implikationen für Fühlen, Denken und Handeln sowie den Grad der Dominanz eines metaphorischen Konzepts im jeweiligen Diskurs, und sie versuchen, Bruchstellen und Widersprüche zwischen unterschiedlichen metaphorischen Konzeptualisierungen eines Phänomens zu finden. Die folgende Skizze zeigt das Ablaufschema einer systematischen Metaphernanalyse (Schmitt 2003):
3.1 Zielbereiche identifizieren Welche Phänomene stehen im Fokus der Forschungsfrage und sollten als Zielbereiche einer Metaphorisierung untersucht werden (z.B. Alkoholabhängigkeit, Abstinenz)?
3.2 Sammlung der kulturellen Hintergrundmetaphern der Zielbereiche, Eigenanalyse
Um die kulturell übliche Metaphorisierung eines Themas zu erfassen, wird ein Horizont von möglichen Metaphernfeldern zu den Zielbereichen aus heterogenen Materialien (Lexika, Broschüren, Zeitungen, Protokolle, Publikationen) gesammelt (kultureller Vergleichshorizont). Die eigenen Metaphern der Interpretierenden für das Thema werden erhoben, da sie sonst als gegeben hingenommen und übersehen werden (Reflexion der Standortgebundenheit).
3.3 Erhebung des Materials Da die Metaphernanalyse durchaus aufwendig ist, wird ein sparsames Sampling (theoretical sampling sensu Grounded-Theory-Methodologie, Glaser & Strauss 1998 [1967]) oder eine maximale Variation der Perspektive (Kleining 1995) vorgeschlagen. Metaphernanalysen können alle schriftlichen Dokumente (Interviews, Internetkommunikation, theoretische Literatur u.a.) nutzen.
3.4 Systematische Analyse einer Gruppe bzw. eines Einzelfalls
Die Texte werden in ihre metaphorischen Bestandteile zergliedert; alle metaphorischen Wendungen samt ihres unmittelbaren Kontextes werden in einer separaten Liste erfasst. Kulturelle bzw. individuelle metaphorische Konzepte werden aus dieser Liste durch systematischen Vergleich rekonstruiert.
Diese zentralen hermeneutischen Schritte identifizieren die in einem Text vorkommenden metaphorischen Denkmuster. Sie sind getrennt und nacheinander durchzuführen, um vorschnelle und über-interpretierende Deutungen zu vermeiden; je nach Forschungsfrage erfolgen sie einzelfall- oder gruppenbezogen.
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3.5 Interpretation mithilfe einer Heuristik Die Rekonstruktion der in den metaphorischen Konzepten verdichteten Sinnstrukturen bedient sich einer Heuristik, die Ausgangspunkte von möglichen Interpretationen versammelt: der Vergleich metaphorischer Konzepte untereinander, die Analyse von hiding und highlighting des jeweiligen metaphorischen Musters, die Rekonstruktion der davon bezeichneten Handlungen, Einstellungen und Emotionen, das Fehlen von Konzepten u.a.
3.6 Triangulation, Gütekriterien Die Notwendigkeit einer Auswertungsmethoden-Triangulation ist von der Forschungsfrage abhängig: Zielt die Frage über Phänomene hinaus, die von der Metaphernanalyse rekonstruiert werden können, ist die Einbeziehung anderer Methoden sinnvoll; so z.B. bei einer Analyse von Gesprächsabläufen die Kontrastierung mit der Konversationsanalyse (Beispiele in Schmitt 2003). Gütekriterien einer Metaphernanalyse werden in Anlehnung an die neuere Diskussion von Gütekriterien in qualitativer Forschung in Schmitt (2005) diskutiert (u.a. Ausdifferenziertheit der gefundenen metaphorischen Konzepte, Ausmaß ihrer Sättigung mit Material, Ausführlichkeit der Rekonstruktion ihrer Implikationen; siehe allgemein zu Gütekriterien auch Flick in diesem Band).
3.7 Darstellung Möglich sind narrative, tabellarische und visuelle Darstellungen typischer metaphorischer Konzepte, die Entfaltung ihrer (konkurrierenden) Sinngehalte und die Diskussion der im Vergleich zum kulturellen Hintergrund fehlenden Metaphorik.
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Zentrale Themen
Der folgende Überblick fokussiert zunächst auf Psychotherapie und Beratung, da hier ein Schwerpunkt der Rezeption von Metapherntheorien festzustellen ist, bevor Studien in weiteren Arbeits- und Teilgebieten der Psychologie skizziert werden.
4.1 Klinische Psychologie, Psychotherapie und Beratung 4.1.1 Psychoanalyse Die Psychoanalyse hat sich mehrfach mit Metaphern beschäftigt; eine Übersicht über Einzeluntersuchungen gibt Buchholz (1993, S.321ff.). Buchholz (1993) und Carveth (1993) rekonstruierten, dass die psychoanalytische Theorie u.a. Metaphern der Energie, der Hydraulik, der Chirurgie und des detektivischen Unterfangens nutzt. Buchholz (1996) knüpfte an diese Überlegungen mit dem Vorschlag einer „Psychoanalyse der Psychoanalyse“ an, die zeigen könne, dass psychoanalytische Begriffe (Trieb, Unbewusstes, Ich etc.) zwar metapho-
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rische Konstruktionen sind, aber offene Horizonte für Behandlungserfahrung und Selbststeuerung bieten, auch wenn sie ebenso dogmatisch versteinern könnten (a.a.O., S.13ff.). Buchholz und von Kleist (1997) rekonstruierten mit einer psychoanalytisch inspirierten Metaphernanalyse, die um Elemente der Konversationsanalyse ergänzt wurde, die Deutungsmuster, in denen „Kontakt“ in der Psychotherapie wahrgenommen wird. Buchholz, Lamott und Mörtl (2008) beschreiben metaphorische Denkmuster von Sexualstraftätern. 4.1.2 Beratungs- und Psychotherapieforschung Schmitt (1995) rekonstruierte die Konzepte psychosozialer Hilfe in offenen Settings der sozialpädagogischen Einzelfall- und Familienhilfe. Die gegenseitige Steuerung der Kommunizierenden durch Metaphern in therapeutischen Settings belegte Angus (1996); weitere Studien finden sich zu Depression (Kronberger 1999; Angus & Korman 2002). Die Metaphorik des Alkoholkonsums (Schmitt 2002) war wie die des Nikotinkonsums (Schmitt & Köhler 2006) Gegenstand eigener Untersuchungen. Oberlechner (2005) diskutiert die Wichtigkeit von Metaphern in der Gesprächspsychotherapie nach Rogers. Ziegler (2008) untersuchte in ihrer Studie die Sprachbilder für Schizophrenie von Betroffenen und Angehörigen und widerlegte die in älteren Arbeiten geäußerte Annahme, dass die Betroffenen keine Sprachbilder zur Beschreibung ihrer Verfassung zur Verfügung hätten.
4.2 Weitere psychologische Arbeitsgebiete Metaphern in der Perspektive von Lakoff und Johnson sind nicht nur ein Thema der Sprachpsychologie, sondern auch der kognitiven Psychologie, der Sozial- und der Entwicklungspsychologie. Einige Autor/innen wie z.B. Gibbs (2002, 2006) sind in verschiedenen Bereichen präsent, und so mag die Einteilung überscharfe Grenzen stiften und manchen Forschenden nicht ganz gerecht werden; sie soll aber eine erste Orientierung in diesen Feldern ermöglichen. 4.2.1 Allgemeine Psychologie Die Arbeiten, die sich der Allgemeinen Psychologie zurechnen lassen, berühren unterschiedliche Bereiche: Die Emotionspsychologie kann auf die Vorarbeit von Lakoff (1987) mit seiner Fallstudie zur metaphorischen Konzeptualisierung von „Wut“ zurückgreifen. Die unverzichtbare Rolle bildhafter Sprache in der Äußerung, aber auch der Wahrnehmung von Emotionen anderer Menschen diskutieren Gibbs, Leggitt und Turner (2002) mit experimentellen Befunden. Für die Frage, wie psychologische Theorien durch Metaphern motiviert sein könnten, nennt Boyd (1993) das Beispiel des mind as a machine-Paradigma: Der menschliche Geist funktioniere wie die Informationsverarbeitung eines Computers. Dieser Befund leitet zur kognitiven Psychologie über, die, wie Moser (2001) umfangreich belegt hat, der Bereich ist, in dem Lakoff und Johnson am nachhaltigsten in der akademischen Psychologie gewirkt haben. Metaphern zeigten sich als Problem der künstlichen Intelligenz und führten zur Einsicht, dass es gerade die leibgebundene Metaphorik ist, die Menschen von der Maschine unterscheidet (Radman 1996). Wenn Metaphern als handlungsleitende Kognitionen ernst genommen werden können, dann gelingt dies nicht im Rahmen hierar-
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chisch-sequenzieller Vorstellungen der bisherigen Handlungstheorien (Schachtner 1999, S.27f.), denn Metaphern implizieren vielfältige Organisationsweisen des Denkens, von denen die mit der Metapher der Hierarchie bezeichnete nur eine darstellt. Die umfangreichste Übersicht über die experimentellen Befunde zu kognitiven Implikationen der linguistischen Theorie enthält die bereits erwähnte Publikation von Gibbs (2006). Darin setzt er die These des embodiment – dass alle kognitiven Funktionen sich aus einem körperlichen Funktionieren in einer sinnvollen Umwelt heraus entwickeln und sich davon nicht ablösen lassen – in schärfsten Gegensatz zu einer meist impliziten Grundannahme aller cognitive sciences, dass geistige Funktionen als algorithmisches Prozessieren von Symbolen begriffen werden könnten. – Schließlich lässt sich diskutieren, dass Metaphern Ausdrucksformen von tacit knowledge im Sinne von Polányi sind, also jenem Handlungswissen, das schwierig zu explizieren ist und das nicht in propositionalen Äußerungen vermittelt werden kann (Moser 2001). 4.2.2 Entwicklungspsychologie In der Entwicklungspsychologie finden sich viele experimentelle Studien zur Entwicklung des Verständnisses von Metaphern mit älteren Definitionen derselben (Übersicht in Schmitt 2005). Ferner lässt sich zeigen, dass die Entwicklungspsychologie einen ihrer wichtigsten Gegenstände, das Kind und dessen Entwicklung, selbst nur in Metaphern fassen kann (von der „Prägung“ bis zum „Prozess“). Die Analyse einer Metapher zur Kritik des entwicklungspsychologischen Experimentierens nutzte Smith (1997): „Wissen“ wird hiernach in einer auch wissenschaftsüblichen Metapher als „Stoff“ gesehen, den man „hat“ oder „erwirbt“ – eine verdinglichende Metaphorik, als deren Schattenseite sich in der Forschung die Nichtwahrnehmung von Kontext und Interaktion beim Wissenserwerb zeigt. Lakoff und Johnson (1999, S.48f.) stützten sich auf empirisch-entwicklungspsychologische Belege, wie sich das metaphorische Konzept „Wissen ist Sehen“ in Metaphern wie „Übersicht“, „Einsicht“ etc. entwickelt: In einer ersten Phase sei das Sehen eines Gegenstands auch gleichzeitig das Wissen um den Gegenstand, die dabei entstehenden neuronalen Verknüpfungen erlaubten es später, Sehen als „Bildspender“ für Wissensphänomene zu nutzen. Gibbs (2006) hat in einem Kapitel (S.208-238) den jetzigen Stand der Entwicklungspsychologie in kognitiv-linguistischer Perspektive diskutiert. Vor allem die Hinweise auf die verzögerte Bildung verschiedener Konzepte bei Kindern mit angeborenen Einschränkungen oder beim Aufwachsen in Situationen sozialer Deprivation sind für qualitative Forschung relevant. 4.2.3 Sozialpsychologie Auch die Sozialpsychologie hat sich durch die Einsicht, dass in metaphorischen Konzepten Normen, Werte und Einstellungen verdichtet sind, neu inspirieren lassen. So untersuchte Moser (2001) die Rolle der symbolischen Umwelt in metaphorischen Selbstkonstruktionen von Hochschulabsolvent/innen. Die Theorie der „sozialen Repräsentationen“ nach Moscovici und ihre Annahmen von „bildhaften Kernen“ oder „figurativen Schemata“ des alltäglichen Denkens lassen sich mit der kognitiven Metapherntheorie verbinden (F. Wagner 1997; Kronberger 1999; W. Wagner & Hayes 2005). Ebenfalls der Sozialpsychologie zuzurechnen ist Schachtners Verknüpfung von Metaphernanalyse mit dem Begriff des Habitus nach
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Bourdieu (Schachtner 1999): Sie untersuchte die metaphorische Strukturierung des Diagnostizierens, des ärztlich-therapeutischen Intervenierens sowie die von Sprachbildern geprägten Arzt-Patient-Beziehungen und rekonstruierte daraus habituelle Kontinuitäten der metaphorischen Konstruktion von ärztlicher Lebensgeschichte und Handeln. 4.2.4 Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie Die Metaphorik der Geldmärkte ist Gegenstand der Arbeit von Oberlechner, Slunecko und Kronberger (2004). Diese Märkte erschienen den Befragten als Basar, Maschine, Jagd, Sport und Krieg, aber auch als lebendes Wesen oder als Ozean. Die Autor/innen folgern, dass diese Metaphern dazu dienen, das unberechenbare Gegenüber sowohl der Handelspartner wie des Marktes selbst verständlich zu machen und in unterschiedlichen Formen die Möglichkeit der Vorhersagbarkeit zu suggerieren. 4.2.5 Alltagspsychologie Schon im ersten gemeinsamen Buch von Lakoff und Johnson (1998) nahmen metaphernanalytische Erklärungen dessen, wie wir im Alltag uns selbst und die Mitwelt verstehen, eine prominente Rolle ein. Sog. folk models (alltagssprachlich verankerte psychologische Annahmen) wurden bei Lakoff (1987, S.380-415) diskutiert. Im vorerst letzten gemeinsamen Werk beider Autoren (1999, S.235-289) sind in zwei dichten Kapiteln die metaphernanalytischen Befunde zum alltäglich-metaphorischen Verständnis von mind und self zusammengefasst. Schmitt und Köhler (2006) knüpften daran und an die Theorien der Alltagspsychologie nach Heider und Bruner an und schlugen metaphorische Konzepte als zentrale Analyseeinheit der Alltagspsychologie vor. 4.2.6 Kulturpsychologie Für die Kulturpsychologie haben Straub und Seitz (1998) Metaphern erhoben, um eine vergleichende Typik im Erleben und in der Beschreibung historischer Umbrüche zu entwickeln. Sich nicht an der kognitiven Metapherntheorie orientierend, verkürzten die Autoren das Geschehen auf wenige Metaphern als „Einverleibung“ und als „Aufspringen auf einen fahrenden Zug“. Im Kontext der Kulturpsychologie ist auch Koenigsberg (2005) zu erwähnen: Aus psychoanalytischer Perspektive rekonstruierte er in Texten von Hitler u.a. leitende metaphorische Denkmuster: Hitler habe das Volk als Körper identifiziert, in dem die einzelnen Bestandteile (Zellen wie Organe) eine dem Ganzen dienende Funktion (und damit keine Freiheit) hatten. Juden und Jüdinnen seien als „Bakterien“ begriffen worden, die der Zersetzung dienten; die „Endlösung“ sei als „Reinigung“ bzw. „Desinfektion“ verstanden worden. Koenigsberg geht allerdings nicht auf die erheblich breiteren Studien zur Metaphorik des Faschismus aus der deutschsprachigen Pragmalinguistik (z.B. Nieraad 1977) ein, die weitere Metaphern des Faschismus (u.a. Licht-Metaphorik) beschrieben hat. 4.2.7 Geschichte der Psychologie Draaisma (1999) schrieb eine Geschichte der Psychologie des Gedächtnisses als Geschichte ihrer jeweils bestimmenden Metaphern, jedoch ohne Bezug zu Lakoff und Johnson. Der
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Autor beginnt in der griechischen Philosophie mit Bildern für das Gedächtnis als Wachstafel, als Taubenschlag, als Lagerraum, Keller, Höhle und Schatzkammer. Das Mittelalter habe das Buch als Metapher des Gedächtnisses gesehen; zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts habe die durch den Buchdruck ermöglichte Fülle von Büchern auch das innere Chaos versinnbildlicht. Wie bereits bei den antiken Beispielen rekonstruierte Draaisma konkrete Lebensbezüge als Hintergrund der Metaphorisierung. Ein Befund kehrt immer wieder: Die äußeren Techniken der Speicherung von Wissen (Schrift, Bibliothek, später Fotografie, Edisons Phonograf, Computer, Holografie) finden sich gleichnishaft in den zeitgenössischen theoretischen Beschreibungen des Gedächtnisses. Der Sammelband von Leary (2000) bietet Beiträge zur Metapherngeschichte fast aller psychologischen Subdisziplinen. Nur Danziger (2000) soll hier erwähnt werden: Ihm ging es nicht um einzelne Metaphern der Psychologie, sondern um eine kritische Wendung gegen einen Naturalismus, demzufolge sich die Psychologie mit quasi gegenständlichen Objekten befasst (Wille, Motiv, Kognition, Emotion etc.). Anhand der Geschichte mechanischer Metaphern zeigte er die Verschleierung der lebensweltlichen Quellen einer metaphorischen Konstruktion psychologischer „Sachverhalte“ und ihre künstlichen Einteilungen.
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Beispiel: Jugendlicher Nikotinkonsum
Im Abschnitt 2.2 wurden bereits zwei metaphorische Konzepte des jugendlichen Nikotinkonsums aus einer Studie von Schmitt und Köhler (2006) beschrieben: „Rauchen als Essen“ und „Rauchen als Lernen für das Leben“. Hier sollen zwei weitere aus den dort vorgestellten zwölf metaphorischen Modellen vorgestellt werden.
5.1 Rauchen als ökonomisches Tauschgeschäft In einer Kultur, in der die Metaphorik von „Geben“, „Nehmen“ und „Haben“ Facetten eines zentralen Denkmodells sozialer Selbstpräsentation darstellt, wundert es nicht, dass Rauchen real und metaphorisch als Geben und Nehmen inszeniert wird: Zigaretten werden „angeboten“ oder man „nimmt sie mit“ (mit den Randunschärfen unlauteren Besitzerwerbs durch „Schnorren“). Rauchen wird als Geldanlage („kleines Vermögen“) „verbucht“, das Rauchbedürfnis als elementar-ökonomischer Mangelzustand („ich brauch das“) erlebt, seine Aufhebung als Gewinn: „zur Lebensbereicherung ab und zu mal gelegentlich wieder zu rauchen“. Abstinenz figuriert in ökonomischen Verneinungen – ein Indiz für einen prekären Zustand des Nicht-Habens: „nicht mehr brauchen“, als „Reduzieren“ des Konsums, wenn nicht gleich vermutet wird, dass Abstinenz „nichts bringt“.
5.2 Rauchen ist ein Freiheitskampf, Abstinenz auch Eine umfangreiche Gruppe von Metaphern lässt das Rauchen als vielfältigen Kampfplatz erscheinen. Rauchen ist eine Heldentat, „aufregend“, man raucht „tapfer“ mit, kann seinen „Mann stehen“, es gibt „Verfechter“ des Rauchens und „Gegner“. Nikotin kann unange-
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Rudolf Schmitt
nehme Gefühle „abtöten“. Diejenigen, die in der Clique beginnen, sind „Vorreiter“, das Rauchen ist auch ein „Selbstschutz“. Das Heldentum schließt die Stilisierung des Konsums zum sträflichen Vergehen nicht aus: man darf sich „nicht erwischen lassen“. Rauchen ist die „große Freiheit“. Abstinenz erschien hingegen nur einmal in den Interviews als „Freiheit“. Dass Abstinenz als „Kampf“ bebildert wird, legten eher die Inhalte als der Menge der Stichworte nahe („militanter Nichtraucher“): Abstinenz braucht „Kraft“ und „Nervenstärke“, ist „Selbstbeherrschung“, und ein Rückfall ist „Schwäche“. Alle vier metaphorischen Konzepte (Rauchen ist Essen, Lernen, Tauschgeschäft, Kampf) dienen der Bagatellisierung des selbstschädigenden Verhaltens. Die Alternative, das Nichtrauchen, wird in der Logik dieser Bilder meistens defizitär etikettiert. In einigen Konzepten sind Umdeutungen möglich, die Entwicklungsmöglichkeiten aus der Abhängigkeit heraus zulassen (Abstinenz als Lernen, als Freiheitskampf). Beratung und Prävention, so lässt sich ableiten, müssen die Dekonstruktion abhängigkeitsfördernder Konzepte, ihre Umdeutung oder die Entwicklung selbstermächtigender Bilder fördern.
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Stärken, Schwächen und Desiderata
Die skizzierten qualitativen Studien haben gezeigt, dass sich Metaphernanalysen dazu eignen, jene Deutungen zu rekonstruieren, in denen die Gegenstände des Alltags und der Wissenschaften gefasst werden. Daher überschneidet sich der Begriff des metaphorischen Konzepts mit dem des tacit knowledge, des Habitus, des Deutungsmusters, der sozialen Repräsentation und einigen Theoremen der Alltagspsychologie. Grenzen der bisherigen Studien ergaben sich daraus, dass aus der Fülle gelebter Metaphern nur wenige überpointierend herausgehoben wurden und andere unentdeckt blieben. Beides kann mit der Orientierung am sehr weit gefassten Begriff der Metapher nach Lakoff und Johnson und einer Methodik, die Prüfschritte beinhaltet und Vollständigkeit verlangt, behoben werden (Schmitt 2005). Ganz im Gegensatz zur englischsprachigen Psychologie, in der die kognitive Metapherntheorie sogar die experimentelle Psychologie stimuliert hat (Übersicht in Gibbs 2006), hat die Tatsache, dass außer der veralteten Publikation von 1980 die weiteren Texte der Begründer der kognitiven Metapherntheorie noch nicht auf Deutsch vorliegen, zu empfindlichen Verkürzungen der Wahrnehmung des Ansatzes geführt. Ungeklärt ist darüber hinaus das Verhältnis von qualitativen und quantitativen Metaphernanalysen, da die Bedeutung eines metaphorischen Konzepts nicht aus seiner Häufigkeit erschlossen werden kann, dennoch können Häufigkeiten Hinweise für die Interpretation ergeben (Schmitt 2001b). Als relativ aufwendige Methode scheinen Metaphernanalysen zur Analyse größerer Korpora nur begrenzt geeignet. Die gestiegene Zahl der Publikationen, die im engeren Sinn zur systematischen Metaphernanalyse und im weiteren zu einer Rekonstruktion des Sinns von Sprachbildern beitragen, verdeutlicht jedoch, dass nach den Anfängen bei Bühler die Renaissance der Beschäftigung mit Metaphern auch in der Psychologie begonnen hat.
Metaphernanalyse
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Herbert Fitzek
Herbert Fitzek
Morphologische Beschreibung 1
Entstehungsgeschichte und Anknüpfungspunkte
Das wissenschaftliche Konzept der „Morphologie“ wurde vor zweihundert Jahren von keinem Geringeren entwickelt als von Johann Wolfgang von Goethe. Heute ist kaum mehr bekannt, dass Goethe seine Beiträge zur Naturwissenschaft genauso wichtig nahm wie seine dichterischen Leistungen. Dabei richtete er seine „Formenlehre“ nicht an (fertigen) Gestalten aus, sondern an der „Bildung und Umbildung“ organischer Einheiten. Für Goethe war eine Gestaltenlehre immer auch „Verwandlungslehre“. Gestalt und Verwandlung beobachtete er zunächst an Pflanzen, Knochengebilden und optischen Erscheinungen, von denen aus er in einer allgemeinen Morphologie auch zur Darstellung von Kultivierungsprozessen übergehen wollte – wie die Kulturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts, die Goethe mit seiner Morphologie inspirierte: Nietzsche, Freud, Dilthey, später Spengler und die frühen Ganzheits- und Gestaltpsychologen (vgl. Fitzek 1994). Entscheidend waren für Goethe aber nicht die Gegenstände der Morphologie, sondern es war ihre Eigenart als Methode, die „selbst so beweglich und bildsam“ (zit.n. Fitzek 1994, S.45) konzipiert werden müsse wie die Gestaltbildungen, denen sie beschreibend und rekonstruierend folgen solle. Wenn Goethe von „naturgemäßer Methode“ sprach, dann meinte er damit ein wissenschaftliches Vorgehen, das sich den Metamorphosen seines Gegenstandes „identisch macht“, indem es sich „versatil“ in Drehungen und Wendungen mitbewegt (S.42f.; vgl. auch Käfer 1982). Das Experiment der Wissenschaft definierte er nicht im Hinblick auf eine (über Abstraktion und Formalisierung) vom Forschungssubjekt weg zu verlagernde „Objektivität“, vielmehr sah er den wissenschaftlichen „Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt“ (Goethe 1949 [1833]). „Mitbewegung“ statt „Stilllegung“ lautet das methodische Programm, mit dem Wilhelm Salber Goethes Metamorphosenkonzept Mitte des 20. Jahrhunderts in die Psychologie einführt. „Der psychische Gegenstand“ (Salber 1988 [1959]) rekapituliert zunächst einmal das Haften der zeitgenössischen Psychologie an der naturwissenschaftlichen Erklärungsmethode. Die „Morphologie des seelischen Geschehens“ (Salber 2009 [1965]) überschreitet die Denkbarrieren der Rationalität und Kausalität im Hinblick auf Diltheys Entwurf einer „beschreibenden und zergliedernden Psychologie“ (Dilthey 1957 [1894]). Diese soll vom erlebten Zusammenhang des Seelischen ausgehen, der sich im Verstehen (selbst) ein Organ der Selbstbeobachtung schafft. Für Salber ist das wissenschaftliche Verstehen eine „Metamorphose“ der alltäglichen Verständigung über Wirklichkeit, die aus der Kasuistik der Alltagslogik über gezielte methodische „Versionen“ zu kulturwissenschaftlich gesichertem Wissen gelangt. Als Kulturwissenschaft steht die morphologische Psychologie von vornherein in unmittelbarer Nähe zu Kulturgeschichte und Kulturkritik. Statt als Naturwissenschaft konsti-
G. Mey K. Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie, DOI: 978-3-531-92052-8_48, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Morphologische Beschreibung
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tuiert sie eine Psychologie auf kulturwissenschaftlicher Grundlage – ähnlich wie die kulturpsychologischen Ansätze von Bruner, Goffman, Boesch und die tiefenpsychologischen Kulturkonzepte von Devereux und Lorenzer (siehe hierzu Fitzek 2008). Die Kultivierungsperspektive richtet die Aufmerksamkeit der Psychologie auf Fragen nach dem „Wie“ der Wirklichkeitsbehandlung. Erleben und Handeln verweisen darauf, wie seelische Wirklichkeit jeweils konkret eingerichtet, ausgestaltet, modifiziert und instrumentalisiert wird. Die Metamorphose der Wirklichkeitsbehandlung findet ihren Niederschlag in den Geschichten, Bildern und Symbolen des Kultivierungsprozesses. Sie zeigt sich in Redensarten, Bräuchen und Ritualen vergangener wie aktueller Lebenswelten. Da die seelische Formenbildung immer durch das Nadelöhr des Alltags hindurch muss, starten morphologische Untersuchungen mit einer ungefilterten Sammlung der Bilder, Geschichten und Motive, in denen sich seelisches Geschehen verfasst. Wenn sich die Erlebenswirklichkeit, wie Schapp (1953) es schon vor mehr als einem halben Jahrhundert formulierte und neue narrative Konzepte belegen (Geertz 1987; Polkinghorne 1998), „in Geschichten verstrickt“, hat der methodische Zugang über Geschichten und Erzählungen der Menschen empirische Priorität – und bleibt doch nie beim So-Gesagten (Gemeinten) stehen (dazu im Band die Beiträge von Straub sowie Lucius-Hoene). Der Glättungstendenz von Gestaltbildungen wirkt die psychologische Methode entgegen: durch Dehnen, Strapazieren, Erweitern, Aufbrechen der Erzählfassung von Erlebnissen und Ereignissen (vgl. Fitzek 1999). Das Zuspitzen, Verdichten und Aufbrechen der Erzählungen rückt die morphologische Methode von vornherein in die Nähe der Tiefenpsychologie und lenkt den Blick über den alltagsüblichen Erfahrungsrahmen hinaus – nicht zuletzt auf die Befindlichkeiten, Besetzungen, Bedenken und Nebenabsichten der Forschenden. Diltheys Formel „Die Natur erklären wir – das Seelenleben verstehen wir“ bindet die psychologische Analyse an die Metamorphosen von Geschichtlichkeit, die sich von Fall zu Fall einstellen. Doch ist der alltägliche (Selbst-) Verständigungsprozess von Kurzschlüssen und Beschwichtigungen überlagert. „Mitbewegung“ geht von daher über Nachvollzug hinaus. Ihr Ziel ist die Überwindung des vorwissenschaftlichen Als-Ob-Verstehens im Hinblick auf wissenschaftlich gesicherte Erfahrung. Jenseits von vordergründiger Plausibilität dringen morphologische Analysen zu Überdeterminationen, Gegenläufen und Paradoxien der Alltagslogik vor. Damit greifen sie Freuds „Ratschläge“ für eine tiefenpsychologische Methode auf (Freud 1943 [1912]), die den Zugang zu unbewussten, aber wirksamen Bedeutungsfeldern über eine kunstvolle Zerdehnung der seelischen Ausdrucksbildung eröffnen. Freud (1942 [1905]) war es, der die tiefenpsychologische Methode als „Kunst“ definierte, die ihren Gegenstand nicht wie die Malerei durch „Aufhäufen“ von Material (via di porre), sondern wie die Bildhauerei durch „Herausarbeiten“ aus dem Stein (via di levare) modelliert. Das komplette Material ist gleichsam mit dem Beginn der wissenschaftlichen Arbeit gegeben – es muss dann aber in einem sorgfältigen und aufwändigen Formenbildungsprozess so bearbeitet werden, dass ein (psychologisches) Profil sichtbar wird.
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Gegenstandskriterien sind Methodenkriterien
In der psychologischen Morphologie sind Gegenstand und Methode untrennbar miteinander verbunden. Der Beschreibungsmethode entsprechend geht die morphologische Kulturpsychologie vom erlebten Wirkungszusammenhang aus, der sich in Erfahrungen, Einfällen
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Herbert Fitzek
oder Erinnerungen ausdrückt und abbildet. Ihr Erkenntnisziel sind die konkreten Erlebensund Erfahrungshorizonte der Lebenswelt – die Tätigkeiten, Gegenstände, Medien und Unterhaltungsangebote, die den Tageslauf kultivieren.
2.1 Gegenstand Um den Selbstverständigungsprozess des Erlebens und Handelns zu erforschen, benötigt die Morphologie kein personales Aktionszentrum („Selbst“, „Person“, „Individuum“) mit einer davon unterscheidbaren innerseelischen Funktionalität („Wahrnehmung“, „Kognition“, „Gedächtnis“, „Motivation“). Ihre Untersuchungen starten vielmehr direkt bei den Erfahrungsgegenständen der gelebten Wirklichkeit – bei den Beschäftigungen im Tageslauf, den Inszenierungen und Requisiten der Lebenswelt, bei den Tätigkeiten der Arbeit und den Medienangeboten der Freizeit, bei den Werken von Kunst und Literatur. Sie sind die „Subjekte“ des seelischen Geschehens als (apersonale) Wirkungszentren, die sich nach Gesetzen von Gestalt und Verwandlung organisieren. In ihnen verfasst (oder „behandelt“) sich die seelische Wirklichkeit als konkrete Alltagskultur. Wenn die Fragestellungen der Psychologie wie in der Morphologie nicht auf Aspekte, Bereiche oder Funktionen eines seelischen Apparates ausgerichtet sind, sondern auf die Chancen und Notwendigkeiten von (Alltags-) Kultivierung, heißt das für die empirische Analyse, dass sie ihren Untersuchungsgegenstand aus der Vielfalt der Lebensbezüge von Fall zu Fall herausgestalten muss; die morphologische Psychologie spricht im Zusammenhang der Präzisierung ihres Untersuchungsobjekts ausdrücklich von „Gegenstandsbildung“ (Salber 1988 [1959]). Was psychologisch zum Gegenstand wird, ist nicht etwa im deskriptiven Zugriff verfügbar, sondern bedarf der methodischen Zubereitung. Die Gegenstandsbildung ist insofern natürlich, als sie zum Gegenstand macht, was sich im Erleben zu einer Einheit zusammenschließt; sie ist andererseits künstlich, weil jeweils eingekreist werden muss, aus welcher Kultivierungsperspektive ein Wirkungszusammenhang betrachtet wird. Den Gegenstand morphologischer Untersuchungen definiert die Morphologie als „Wirkungseinheit“ (Salber 2006 [1969]). Wirkungseinheiten sind relativ autonome Erlebenseinheiten, die methodisch als Gestaltbildungen der Kultivierung von seelischer Wirklichkeit gefasst werden: als „Fälle“ von Werbung, Beeinflussung, Unterricht, Selbsterfahrung, Kunst oder auch von psychologischer Beratung und Behandlung. Vom Zuschnitt der Wirkungseinheiten her lassen sich verschiedene Forschungsprogramme kennzeichnen, die um aktuelle Abläufe („Handlungseinheiten“), um überdauernde Wirkungszusammenhänge („Produkt“-, „Bild“- oder „Filmwirkungseinheiten“, vgl. Melchers 1993; Blothner 1999) oder um die Einbettung von Handlungen und Ereignissen in die aktuelle Zeitkultur („Kulturanalysen“, vgl. Fitzek & Ley 1998; Grünewald 2006) zentriert sind. Ein und derselbe psychologische Sachverhalt – eine Werbung oder ein Film – kann mit unterschiedlichem Ergebnis nach seinem unmittelbaren Ablauf, seiner Attraktivität als (Kino-) Ereignis oder seinem Stellenwert in der Gegenwartskultur befragt werden. Das Forschungsprogramm „Alltagsfigurationen“ (Fitzek & Ley 1998; Fitzek 2000) modelliert den kulturanalytischen Aspekt der Wirkungseinheiten im Hinblick auf die aktuelle Gegenwartskultur. Dem liegt die Hypothese zugrunde, diese habe selbst ein psychologisches Profil und lasse sich demzufolge aus dem psychologischen Charakter zeittypischer Phänomene erschließen. In der Untersuchung aktueller Freizeit-, Arbeits- oder Medienkul-
Morphologische Beschreibung
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turen konnten mithilfe morphologischer Methoden gemeinsame Kennzeichen von Manifestationen der Gegenwartskultur herausgearbeitet werden – wie Bildinflation, Auskuppeln, Überformalisierung, Aufgehen in Schachtelwelten und Mutproben (vgl. auch Salber 1993; Grünewald 1996; Fitzek & Ley 2003). Als kunstanaloge Methode ist die Morphologie nie losgelöst vom Material darzustellen, sondern nur bezogen auf konkrete Gegenstände. Ihr Ablauf wird im Folgenden entlang einer unveröffentlichten Untersuchung aus dem Forschungsprogramm „Alltagsfigurationen“ vorgestellt, die Studierende einer mit der morphologischen Methode arbeitenden Wirtschaftshochschule durchgeführt haben. Sie gingen der Frage nach, inwieweit das bewusste oder unbewusste Aufgreifen der strukturellen Kennzeichen der Gegenwartskultur für den Erfolg aktueller Medienprogramme verantwortlich zu machen ist, und wählten als Untersuchungseinheit die Rezeption beliebter, aus den USA übernommener TVSerien: „Desperate Housewives“, „Dr. House“, „Grey’s Anatomy“ und „24“. Auf die Untersuchung bezogene Textteile werden zur besseren Unterscheidbarkeit eingerückt.
2.2 Methode Die Reflexion auf konkrete Alltagskulturen und ihre Überführung in Untersuchungseinheiten sind erste Schritte morphologischer Untersuchungen, in denen Untersuchungsplanung, Datenerhebung, Datenauswertung und Qualitätskontrolle nicht voneinander trennbar sind. Als hermeneutische Methode geht die Morphologie durchaus nicht zirkulär zwischen Erfahrungs- und Darstellungsebene hin und her, sie ist vielmehr nach Goethe als „Spirale“ konzipiert, die von einer möglichst vorurteilslosen Bestandsaufnahme des um ein jeweiliges Wirkungszentrum zentrierten Materials („Wirkungseinheit“) über konstante methodische Wendungen („Versionen“) allmählich zur wissenschaftlichen Erklärung voranschreitet (vgl. Salber 2006 [1969]; Fitzek 2008). Der Zugang zu den Wirkungseinheiten erfolgt immer über Erlebenszusammenhänge. Zur Erkundung eigener (behindernder oder auch verzerrender) Deutungsmuster gehen morphologische Analysen von der Selbstreflexion der Forschenden (in „Erlebensprotokollen“) aus; diese markiert den Ausgangspunkt für intensive zwei- bis dreistündige Befragungen („Tiefeninterviews“ unter Einsatz von anbindenden, nachfassenden, rangierenden und projektiven Fragetechniken), deren wesentliche Aussagen in ausführlichen strukturierten Auswertungen zusammengefasst werden („Interviewbeschreibungen“ als Anordnung der Aussagen im Hinblick auf gestalthafte Dichte, Analogie, Ergänzung, auf Gegenlauf, Kontrast, Paradoxie). Nach dem gleichen Verfahren gestalthafter Zuordnung wird eine Folge von zehn bis zwanzig Interviews im Hinblick auf durchgehende Erlebenszüge aller Interviews vereinheitlicht („Vereinheitlichende Beschreibung“). Dem allmählichen Generieren von (gemeinsamen) Bedeutungsmustern entsprechend geht auch die Auswahl der Befragten vom Allgemeinen zum Besonderen voran und entspricht damit weitgehend dem in der qualitativen Methodologie verbreiteten theoretical sampling (siehe dazu den Beitrag von Schreier in diesem Band). Durch die Ausrichtung auf „Gestalthaftes“ (Zusammenwirken, Kontrastieren, Umwenden von Sinnrichtungen) ist in die Beschreibungslinie bereits ein konstruktives Moment eingefügt; umgekehrt bleiben die Erklärungsleistungen der morphologischen Analyse durchgängig auf die Ausgangsbeschreibungen bezogen. Wenn Beschreibung und Erklärung somit
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methodisch von vornherein zusammenlaufen, erübrigt sich eine Auftrennung von Datenerhebung und Datenauswertung. Als konzeptuell geprägte Befragung ist die Datenerhebung Teil des Auswertungsverfahrens, andererseits ist die Datenanalyse bis zum Schluss an konkretes Material zurückgebunden. Alle Untersuchungen starten mit der Sensibilität für erste und (scheinbar) flüchtige Eindrücke und bleiben durch die fortlaufende Erhebung und Auswertung von Interviewmaterial bis zum Schluss der Analyse modellierbar und revidierbar.
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Vielfältige Anwendungen und einheitliches Vorgehen: Entwicklungsgang in vier Versionen
Das Grundlagenkonzept der morphologischen Gegenstandsbildung wurde von Salber vor einem halben Jahrhundert für die Analyse von Handlungsverläufen, für Unterricht und Werbung, für die Rezeptionsprozesse von Kunst und Film entwickelt. Mit der Erweiterung auf übergreifende Wirkungszusammenhänge gerieten zunehmend komplexe Fragestellungen der Diagnose und Beratung von Persönlichkeiten und Organisationen in den Blick. Heute wird die Morphologie überwiegend als Psychotherapie („Analytische Intensivberatung“; vgl. Ahren & Wagner 1984; Salber 1999) und als Wirtschafts- und Kulturpsychologie praktiziert (vgl. Fitzek & Schulte 1993; Melchers 1993; Grünewald 2006; Lönneker 2007). In der qualitativen Marktforschung werden ihre Auseinandersetzung mit den Grundlagen wissenschaftlicher Tätigkeit und ihre Praxistauglichkeit geschätzt (Kühn 2005). Der „schräge“ Blick auf die Tiefgründigkeit und die Alltagskultur findet in der Öffentlichkeit einige Beachtung und wird gelegentlich auch in Übersee positiv rezipiert (vgl. Arens 1996; Schirmacher & Nebelung 2001). So breit die Anwendungen der Methode aufgefächert sind, so eindeutig ist ihr Entwicklungsgang auf die konstante Abfolge von vier „Versionen“ morphologischer Beschreibung in jeder untersuchten Wirkungseinheit festgelegt: Alle Untersuchungen folgen mehr oder weniger explizit der Abfolge der Gegenstandsbildung über die Erarbeitung von Gestaltlogik, Gestalttransformation, Gestaltkonstruktion und Gestaltparadoxie. Als methodischer Kern bilden die vier Versionen einen konstanten Analyseschlüssel und damit das vereinheitlichende Moment der morphologischen Auswertung (vgl. Salber 2006 [1969]; Fitzek 2008).
3.1 Gestaltlogik: Grundqualitäten In einer ersten Wendung der Beschreibung präsentiert die morphologische Methode ihren Gegenstand im Hinblick auf grundlegende, durchgängige, zugleich aber vorgestaltliche Qualitäten. Mit der Gestaltlogik von Wirkungseinheiten greift die Morphologie die Beobachtung der Ganzheits- und Gestaltpsychologie auf, dass sich früh und dauerhaft komplexe „Qualitäten“ einstellen, die für die Ausrichtung und den Zusammenhalt des Erlebens eine hohe funktionale Bedeutung haben, aber in der alltäglichen Selbstbeobachtung schnell verlassen werden oder – aufgrund ihrer Sperrigkeit und Ambivalenz – der narrativen Glättung anheimfallen (vgl. Fitzek & Salber 1996). Die morphologische Auswertung beginnt mit der Suche nach übergreifenden Bildern für das Ganze der untersuchten Wirkungseinheit, die die phänomenale Breite ihrer Manifes-
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tationen auf einen Blick verfügbar machen. Häufig finden sich in frühen Phasen der Untersuchung Vorentwürfe, Geschichten oder sinnliche Formeln, deren funktionale Dominanz für das Ganze der Wirkungseinheit sich oft erst im Fortschritt der Untersuchung offenbart. Gegenüber der verbreiteten Vorsicht vor übereilten Einordnungen betont die morphologische Analyse die Berechtigung früher, bestimmender Eindrücke, die aufgrund ihrer Komplexität und Mehrdeutigkeit oft als unbequem erlebt und (deshalb) frühzeitig aufgegeben werden. Gemäß der morphologischen Seherfahrung, dass die Sinnzusammenhänge der seelischen Wirklichkeit prinzipiell durch Vielschichtigkeit und Überdetermination geprägt sind, sind die aus den Erzählungen und Erfahrungen der Befragten gewonnenen Grundqualitäten in ihrer Vielschichtigkeit von entscheidender funktionaler Bedeutung für die innere und äußere Organisation der untersuchten Wirkungseinheiten. Grundqualitäten deuten sich in unserem Untersuchungsbeispiel schon in der seltsamen Hermetik von Spielhandlung (Krankenhaus, Straßenzeile) und Rezeptionsverfassung (gern allein oder mit Freund/innen mit behaglicher Decke und Knabberzeug) an: Wie „Seifenblasen“ erscheinen die erzählten Geschichten selbst serientreuen Befragten hohl und aufgeblasen, locken aber auf der anderen Seite durch ihren „Glanz“ und ihr „Schillern“. Die Metaphorik von Beschreibungssprache und Fachjargon verweist auf eine Spielhandlung und Erlebenseindruck übergreifende Grundqualität des „Aufschäumens“: Erinnerungen, Erfahrungen, Erlebnisse werden spürbar, ohne dass die Tages- (oder Abend-) Verfassung des Unterhaltungsfernsehens dauerhaft beeinträchtigt würde. Die Sendungen machen ein szenisches Angebot, eigene Tagesreste oder Beunruhigungen in der (geschützten) Stundenwelt der Serienhandlung kurzzeitig und ohne weitere Folgen zu beleben („aufzuschäumen“). Das wird am deutlichsten in den Äußerungen zu „Grey’s Anatomy“, in denen sich die Akteure mit gleichsam traumwandlerischer Sicherheit durch „Himmel und Hölle“ des Krankenhausalltags bewegen. In einer Atmosphäre größter kultureller Herausforderung („hier geht’s sprichwörtlich um Leben und Tod“) breitet sich ganz unverhohlen das Gemisch alltäglicher (damit auch eigener) Irrungen und Wirrungen, Vorlieben und Abneigungen aus. „Desparate Housewives“ entfaltet seine Wirkung demgegenüber durch das „Schillern“ einer perfekten Welt, von der man sich einerseits gerne bezaubern lässt, um zugleich auf die unübersehbaren Risse zu lauern, die den Glanz der Schönen, Reichen und Berühmten durchziehen und das Unperfekte des eigenen Alltags am Scheitern der großen Entwürfe wachsen lassen.
3.2 Gestalttransformation: Wirkungsraum Die in der ersten Version des Entwicklungsgangs herausgestellte Grundqualität wird in einer zweiten methodischen Wendung im Hinblick auf durchgängige Wirkungstendenzen vertieft. Dazu werden die Interviewbeschreibungen im Hinblick auf durchgängige Sinnrichtungen transformiert, die sich im Ganzen der untersuchten Wirkungseinheit gegenseitig herausfordern, abstützen und ergänzen. Dominante Wirkungszüge werden vielfach in einer „Hauptfiguration“, hintergründig Entgegenwirkendes in einer „Nebenfiguration“ zusammengefasst (Salber 1999; Fitzek 2008). Goethe hatte die „Grundeigenschaften der lebendigen Bildung“ zuerst in der Pflanzenmetamorphose entdeckt und als Einheit von Bildung und Umbildung, d.h. von Gestalt und Verwandlung (Ausdehnung und Zusammenziehung, von Tun und Leiden, Wirken und
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Widerstreben) kategorisiert (vgl. Fitzek 1994, S.48). Analog geht die morphologische Psychologie von seelischen Wirkungsverhältnissen aus, die in einem Gegenlauf sich polar kontrastierender und ergänzender Produktionsrichtungen von Gestalt und Verwandlung dargestellt werden: In allen Wirkungseinheiten stehen sich eine Tendenz des Habens und Haltens („Aneignung“) und eine Tendenz zum Anders-Werden („Umbildung“) gegenüber, Tun und Machen („Einwirkung“) laufen einem Eingliedern und Kategorisieren („Anordnung“) entgegen, Wünschen und Wollen („Ausbreitung“) der Wirkungsrichtung des Könnens und Sicherns („Ausrüstung“). In der zweiten Version der Darstellung von Wirkungseinheiten werden die beschriebenen Sachverhalte im Wirkungsspektrum der sechs Orientierungsrichtungen aufgespannt. Die paarweise Gegenüberstellung der Wirkungstendenzen (oder Faktoren) ergibt im Ganzen ein erlernbares und praktikables Such- und Vergleichsraster für alle morphologischen Analysen. Die Flächenlogik des Suchrasters (Hexagramm) wird durch die gegenstandsspezifische Benennung der einzelnen Züge und deren Zuordnung zu vordergründigen und hintergründigen Sinngruppierungen (Haupt- und Nebenfiguration) weiter differenziert (vgl. dazu im Einzelnen Salber 2006 [1969]; Fitzek 2008). In der Untersuchung ordneten die Studierenden die Kennzeichen der Blasenwelt einer Hauptfiguration zu, die um Züge von „Aneignung“ (Halt finden in überschaubaren Spielhandlungen), „Einwirkung“ (Teilnahme über Spielzüge von Mittun und Mitleiden) und „Anordnung“ (der Spielfiguren in der Skala von Nähe, Bedeutung, Beliebtheit) zentriert ist – während die Faktoren der Nebenfiguration zurücktreten durch das Kleinhalten von „Ausbreitung“ (nichts darf aus dem Rahmen fallen), von „Ausrüstung“ (nichts ist unverrückbar) und erst recht von „Umbildung“ (es ereignen sich letztlich endlose Wiederholungen unter gelegentlicher Variation der Rahmenhandlung). „Desparate Housewives“ bewerkstelligt das, indem Tendenzen zum Ausbrechen aus Handlungsabläufen und Sehgewohnheiten fortlaufend abgewendet werden. Blothner und Conrad (2008) haben in einer morphologischen Untersuchung den „Dreh“ als durchgehendes Formkennzeichen dieses Formats identifiziert, mit dem riskante und nachhaltige Entwicklungen verhindert werden. Bei „24“ oszilliert das Geschehen geisterhaft zwischen Realismus und Absurdität. Das Zuschauen gerät in den Strudel einer undurchschaubaren Geschichte, die fesselt, ohne eine Ausrichtung anzubieten. Hier verlagert sich das psychologische Wirkungsgefüge stärker in Richtung der Nebenfiguration, die durch die Wirkungsfaktoren von „Ausbreitung“ (paradiesischer Veränderungssehnsüchte) und „Ausrüstung“ (durch die mitlaufende Uhr) repräsentiert ist: Aushalten heißt „Leiden-Können“ im doppelten Sinne von Anstrengung und Lieb-Gewinnen. In Fortführung der ersten Version („Aufschäumen“) erfüllt die zweite Version („An- und Abdrehen“) den Sinn, anlaufende Auf- und Ausbrüche aus dem Format abzuwenden. Ihren Unterhaltungswert gewinnen die Formate somit durch das Auspolstern latenter Aufbruchstendenzen im Tageslauf: „Grey’s Anatomy“ macht es sich in der herausfordernden Wirklichkeit von Leben und Tod behaglich; „Desperate Housewives“ feiert das geheime Besserwissen der zu kurz Gekommenen, „24“ wirbt für das Durchhalten des Eigenen gegen alle äußere Anfechtungen, während „Dr. House“ die Lösbarkeit aller Probleme gegen jede (bessere) Vernunft propagiert (vgl. dazu Domke 1998). Für die Praxis der morphologischen Markt- und Medienwirkungsforschung reicht es vielfach aus, die Kultivierungsleistung von Grundqualität und Wirkungsraum in eine psychologisierende Fragestellung zu transformieren. Sie kann im Fall der zitierten Medienuntersuchung in die Frage gekleidet werden, wie das Aufkommen reizvoller, aber bedrohlicher Tagesreste (Ausbreitungen,
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Verwandlungssehnsüchte) in der vermeintlich sicheren Deckung überschaubarer Wirkungsverhältnisse (Haltsuche, einfache Verrechnungen von Tun und Erleiden, schematische Charaktere) bewerkstelligt wird. Als Antwort legt sich von den beschriebenen Figurationen her das Einschreiben von Entwicklungsforderungen in eine besänftigende Tageslosung nahe: „Bleib dir treu!“ „Versuch’s mal anders!“ „Der Schein trügt!“ „Nimm dir nur das vor, was du leisten kannst!“ „Alles wird gut!“ Von ihrer Wirkung her passen die TV-Formate daher eher zu Sprüchen oder Tageshoroskopen als zur Wirkung anderer (etwa kunstvoller) Medienereignisse.
Die morphologische Analyse kommt mit der Formulierung der psychologisierenden Fragestellung zu einem ersten Abschluss, der die Analyse von Wirkungseinheiten in die Kultivierung (= Selbstbehandlung) des Alltags integriert, aber überschritten werden muss, wenn darüber hinaus auf Wandel und Veränderung abgezielt wird. Eingriff und Beratung setzen voraus, dass die Spirale der psychologischen Beschreibung (mindestens) eine weitere Wendung nimmt und das Geschehen als Ausdruck umfassender Kultivierungsmuster darstellt. Da die hier gestellte Frage nach der Einpassung der Unterhaltungsprogramme in das Profil der Gegenwartskultur in diese Richtung zielt, ist es nötig, die Untersuchung in eine dritte Version der morphologischen Methode weiterzubewegen.
3.3 Gestaltkonstruktion: Verwandlungsmuster Die dritte Version verdichtet die Analyse von Wirkungseinheiten im Hinblick auf die Gestaltkonstruktion von Kultivierungsprozessen, wie sie insbesondere in der tiefenpsychologischen Tradition aufgewiesen wurden. Die Tiefenpsychologie hat die Probleme des seelischen Gesamtgeschehens mit den (paradoxen) Ansprüchen der nie restlos gelingenden Kultivierungsaufgabe zusammengebracht. Ähnlich wie Freud („Ödipus“) und Jung („Archetypen“) gewinnt Salber die Ortung der Konstruktionsprobleme und ihrer ungefähren Lösungen aus den Narrationen der Kultivierungsgeschichte. Anders als dort werden sie in der Morphologie aber ausdrücklich mit der Konstruktion von Verwandlung zusammengebracht und als Verwandlungssorten oder Verwandlungsmuster kategorisiert. Im Zentrum des Analysekonzepts der Wirkungseinheiten steht die Kultivierung vor untrennbaren, aber widersprüchlichen Formansprüchen: Bindung und Lösung, Einheit und Vielfalt, Konsequenz und Brechung. Das Stichwort „Verwandlung“ macht auf das Zusammenfallen von Extremen aufmerksam, wie es bei Goethe im „Gegensinn der Urworte“, bei Nietzsche in der „Umkehrung aller Werte“ und bei Freud in der Bemerkung zum Ausdruck kommt, im Unbewussten sei der Widerspruch aufgehoben. Morphologisch gesehen sind Gestalt und Verwandlung prinzipiell in eine gemeinsame Drehfigur eingebunden: „Was sich hier als wirksam zeigt, ist in eigentümlicher Weise miteinander verbunden – Etwas-Sein und Anders-Werden, Verrückung und Gestalt-Werden, Bleibendes und Umbildung“ (Salber 1999, S.137). In den 1990er Jahren hat Salber die ambivalenten Verhältnisse von Gestalt und Verwandlung um charakteristische Problemkerne verdichtet, die auf historisch entwickelte Gesamtkulturen zurückgeführt werden können und von den Alltagskulturen der Gegenwart aufgerufen und (weiter-) behandelt werden (Salber 1993). Die moderne Lebenswelt greift demnach auf Vorbilder zurück, die gleichsam in säkularisierter Form in den Alltags-, Marken- und Medienwelten der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen erhalten geblieben sind – als Entwürfe, nach denen sich das Erleben und Handeln von Fall zu Fall unterschiedlich
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organisiert. Hiernach hat „Rauchen“ etwas mit Revierkämpfen der frühen Kulturen zu tun; „Putzen“ kann als Fortsetzung von Säuberungsritualen gesehen werden; der „Fitness“-Kult setzt etwas von den Maßhaltewerken des Mittelalters fort. Das gleiche gilt (erst recht) für die feudalistischen, aufklärerischen oder restaurativen Varianten der Unternehmenskultur (vgl. Fitzek & Ley 1998). In den Analysen des Forschungsprogramms „Alltagsfigurationen“ haben wir die Spirale von Beschreibung und Erklärung bis zu einem Punkt geschraubt, an dem die Wirkungseinheiten ein gegenwartstypisches Verwandlungsmuster erkennen lassen, das die untersuchten Alltagsgegenstände einheitlich prägt. Wenn erfolgreiche Serienformate die Problematik der aktuellen Kultur, wie angenommen, in besonderer Weise repräsentieren („behandeln“), dann muss ihr psychologisches Profil in besonderer Weise auf das Verwandlungsmuster der Gegenwartskultur verweisen. Die eingangs formulierte Hypothese kann bestätigt (oder erhärtet) werden, indem die genannten Beschreibungszüge der Medienrezeption passgerecht dem Muster zugeordnet werden, das für die Kultivierungserscheinungen der Gegenwart charakteristisch ist. Das in der Kultur von heute vorherrschende Verwandlungsmuster ist in einer Vielzahl von Untersuchungen zu aktuellen Zeiterscheinungen und den Trends der Alltags- und Jugendkultur differenziert erarbeitet worden (vgl. Salber 1993; Grünewald 1996; Fitzek & Ley 1998, 2003) und vereinfachend durch die Grundspannung zwischen einem weit verbreiteten Offenhalten gegenüber Angeboten aller Art (Erfahrung von „Gleichgültigkeit“) und einer drängenden Suche nach Fixpunkten der Lebensgestaltung und -bewältigung gekennzeichnet (Suche nach „Konsequenz“). Die Kultivierungsform der Gegenwart sucht die Fülle der Lebensmöglichkeiten dadurch zu erhalten, dass Ansprüche und Freiheiten gleichberechtigt und scheinbar konsequenzenlos nebeneinander gelebt und miteinander kombiniert werden („Gleichgültigkeit“ im doppelten Sinn von Freiheit und Folgenlosigkeit); daran nagt die Sehnsucht nach verlässlichen Lebensentwürfen, die das beliebige „Ein- und Auskuppeln“ des jederzeit Möglichen im Gegenzug auf Festes und Unverrückbares verpflichten (vgl. Salber 1993, S.184ff.). Für eine Bestätigung der Hypothese, nach der sich die TV-Serien passgerecht in das Spannungsfeld von Gleichgültigkeit und Konsequenz einfügen, spricht außer der geläufigen Benennung als „Seifenopern“ das „Schäumen“ und „Schillern“ der Blasenwelt, ihr „Oszillieren“ zwischen Fiktion und Realität ebenso wie die offensichtliche (Klein-) Dramatik von Liebe und Verrat, Sehnsucht und Enttäuschung. Das Aufschäumen von Ausbreitungen und Verwandlungssehnsüchten setzt als Gegenlauf eine nebenbildliche Richtungssuche in Gang, die nach unverbrüchlichen Sicherheiten fragt: in „24“ als Durchhalten und Leiden-Können von Entwicklung, bei „Dr. House“ als Suche nach einem Weg, der aus den unverbindlichen Spielen der Erwachsenen herausführt und eine noch unverstandene, aber erreichbare Lösung anbietet. Aus dem festgefahrenen „Alles ist möglich“ führen allerdings hier wie dort keine glatten Lösungen heraus; das versinnlicht sich im gesichtslosen Weitermachen des „24“-Helden Jack Bauer wie in der „behinderten“ Genialität des Dr. House.
3.4 Gestaltparadox: Lösungstypen Die morphologische Datenauswertung ist geprägt durch eine zunehmend konstruktive Verdichtung von Beschreibungsmomenten im Hinblick auf die Herausarbeitung eines grundlegenden Verwandlungsmusters. Bewegt sich die Erfassung der wesentlichen Grundqualitä-
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ten noch nah an der phänomenalen Breite der Wirkungseinheiten und stellt der Wirkungsraum das Spektrum des Erlebten noch ausdrücklich vom Interviewmaterial aus dar, so zentriert die Verdichtungsleistung der dritten Version die Analyse im Hinblick auf die erwähnten historischen (und aktuellen) Problemkerne, von denen Beratung oder Therapie ihre entscheidenden Impulse erhalten (vgl. Salber 1993, 1999). Mit der Identifizierung eines Verwandlungsmusters erreicht die morphologische Rekonstruktion eine Erklärungsdichte, wie sie ansonsten in kulturhistorischen Gesamtentwürfen zu finden ist. Von einem kulturanthropologischen Standpunkt her würde es sich zweifellos lohnen, die aus den TV-Soaps abgeleitete Grundqualität des „Aufschäumens“ und ihre Repräsentation im Wirkungsraum mit der „Schaum“-Metapher abzugleichen, die beispielsweise im Sphären-Konzept Peter Sloterdijks (2004) als anthropologischer Charakter der Gegenwartskultur verfolgt wird. Als empirische Methode ist die morphologische Analyse allerdings gehalten, vom konstruktiven Moment der Mustererkennung (und -benennung) methodisch zum Ausgangsmaterial zurückzufinden. Nach drei Versionen in Richtung Verdichtung kehrt die morphologische Analyse folgerichtig – in einer vierten Version – von der Erklärungsebene zur Fülle der anschaulichen Wirklichkeit zurück. In der Version der Gestaltparadoxie findet das für die jeweilige Kultivierungsform (Wirkungseinheit) gefundene Verwandlungsmuster ausdrücklich Anschluss an die Anschaulichkeit des Ausgangsmaterials. Die Rückkehr zu den Phänomenen auf neuer Ebene („Spiralmethode“) geschieht mithilfe einer Typisierung, die individuelle Lösungsformen des Umgangs mit dem herausgestellten Verwandlungsmuster identifiziert. Entsprechend der nie vollständig zu erfüllenden Aufgabe des Verwandlungsmusters sind die individuellen (durchaus nicht zwingend personengebundenen) Lösungen immer provisorisch, doppeldeutig, paradox – dadurch wirken sie im naiven Verständnis vielfach merkwürdig oder auch komisch. Das Passen ins Muster der Gegenwartskultur erklärt noch nicht ausreichend, welche Fassung das Konstruktionsproblem von Gleichgültigkeit und Entschiedenheit in der konkreten Kultivierungsleistung des TV-Soap-Erlebens gewinnt. Obschon die Serien das Problem der Gegenwartskultur gemeinsam repräsentieren, so lassen sie doch in ihrer Wirkungsstruktur Unterschiede erkennen, die auf verschiedene Typen des Umgangs mit dem Verhältnis von Gleichgültigkeit und Entschiedenheit schließen lassen. Methodisch sind die Beschreibungen von daher abschließend noch einmal im Hinblick auf typische Lösungsformen für die Bewältigung des paradoxen Konstruktionsproblems zu durchmustern. Für die Kategorisierung des Materials nach Lösungstypen stellen die vier Serien gleichsam Behandlungsformen des unterschiedlichen Umgangs mit dem für die Gegenwartskultur charakteristischen Problem von Konsequenz und Verfließen dar. Die Gleichgültigkeit (des Auskuppelns, der Freiheit, Konsequenzenlosigkeit) ist in allen Formaten (über-) repräsentiert, während die gegenläufige Suche nach Konsequenz und Entschiedenheit unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Es zeigte sich, dass die in der Selbstdarstellung der Medien als „Soaps“ klassifizierten Formate („Grey’s Anatomy“ und „Desperate Housewives“) sowohl durch das Haften an Gleichförmigkeiten wie auch durch ein beliebiges Ein- und Auskuppeln von Perspektiven und Schicksalen geprägt sind, während die in den Medien als „Dramen“ charakterisierten Formate („24“ und „Dr. House“) einen deutlich breiteren Entwicklungsspielraum für die Konsequenz der Ereignisse freigeben.
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Die morphologische Kulturpsychologie beruht auf einer beschreibenden Perspektive der Wirkungseinheiten des Alltags und der Kultur in ihrem Eigenrecht. Aus der Beschreibung ergibt sich ein kritischer Blick auf das Profil der Kulturen im Allgemeinen wie auch auf die Erscheinungen der modernen Lebenswelt. Der universale Gegenlauf von sichernder Hauptfiguration und herausfordernder Nebenfiguration legt eine Stellungnahme gegen die Dominanz des Einfachen und Bewährten und für die Entwicklungschancen von Verwandlung und Metamorphose nahe. Morphologische Untersuchungen nehmen Partei gegen das betonierte Aufrechterhalten des Selbstverständlichen und das Aufrichten von Drehgrenzen gegen Neugier und Kreativität.
3.5 Gütekriterien: Märchenanalyse und gegenständliche Relevanz Angesichts der in den letzten Jahrzehnten verstärkt aufkommenden Diskussion um Gütekriterien in der qualitativen Forschung soll hier abschließend nach der internen und externen Sicherung des Versionengangs psychologischer Beschreibung in der morphologischen Auswertung gefragt werden. Angesichts des spiraligen (hermeneutischen) Charakters der „Gegenstandsbildung“ erübrigen sich Anleihen an szientistischen Gütekriterien. Im Sinne einer internen Homogenität der Methode ist vielmehr neben der Konstanz des Verfahrens (von Version zu Version) die Stimmigkeit der Ergebnisse im Ganzen des Entwicklungsgangs zu nennen. Daneben lassen sich zwei Außenkriterien benennen, über die sich die Qualität morphologischer Beschreibungen bestimmen lässt: 1. Sicherung über Märchenanalyse: Wie dargestellt, erreichen morphologische Untersuchungen ihre größte konstruktive Dichte durch die Zuordnung zu einem kulturell entwickelten Verwandlungsmuster. Als Kriterium für das Passen von Beschreibungsmaterial und Konstruktionsmodell kann ausgenutzt werden, dass die historischen Muster – nach dem Konzept der morphologischen Kulturpsychologie – narrative Repräsentationen ausgebildet haben, die um den strukturellen Kern der ewigen Kultivierungsprobleme einen jeweils spezifischen Erzählrahmen legen. Die in Geschichten gefassten Problematiken lassen sich dementsprechend von der Vielzahl der Märchenerzählungen her kategorial sortieren; dazu analysiert Salber (1999) in seiner psychologischen Märchenanalyse etwa zwei Dutzend der von den Brüdern Grimm gesammelten Märchen. Die Zuordnung der Kultivierungsprobleme zu bestimmten Verwandlungsmustern der Märchen erlaubt eine Überprüfung der Analyse von Wirkungseinheiten mithilfe der jeweils passenden Märchenerzählung. Das geschieht praktisch durch die Passung von Analysematerial und Märchenmotiven sowie durch den Vergleich verschiedener Analysen über das gemeinsame (Märchen-) Muster (vgl. dazu Fitzek 2008). Im Fall der Gegenwartskultur kommen für dieses Verfahren die Märchen vom „Tischlein deck dich – Esel streck dich – Knüppel aus dem Sack“, „Rapunzel“ und „Krautesel“ in Frage. So geht es im Rapunzel-Märchen, unbesehen der dabei verfolgten Figuren, Motive und Intentionen, um eine unstillbare Gier nach Unerreichbarem und die damit erkauften („bösen“) Blicke der Umgebung. Alles drängt aus dem Salatbeet des täglichen Einerleis hinaus in den Turm der schönen An- und Aussichten. Das geht aber nur solange gut, wie Lug und Trug, List und Tücke uns mit den Grundbedürfnissen des Lebens versorgen und scheitert, wenn Konsequenzen unübersehbar werden (in der Urversion wird das schöne Kind
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schwanger). Rapunzel steht morphologisch für die unstillbaren Träume (und „Schäume“), die sich in der Gegenwartskultur über dem als grau erlebten Alltag auftürmen, für den Reiz des schönen Scheins, einer Freiheit, die Alles-Werden-Können verspricht und (häufig) mit Rat- und Perspektivenlosigkeit endet. Wie alle Märchen zeigt auch Rapunzel eine andere Seite (Nebenbild), die einen Ausweg – vergleichbar der oben angesprochenen Gegenläufe in den TV-Dramen – im konsequenten (aber gleichsam „behinderten“) Durchmachen und Durchleiden von Durststrecken („Wüsteneien“) weist. Gerade die Typisierungsleistung der vierten Version gewinnt durch die Märchenanalyse ein Instrument für eine externe Validierung (vgl. Fitzek 2008). In symbolischer Art stellen Märchenhandlungen oder -figuren unterschiedliche Varianten des Umgangs mit dem zentralen Konstruktionsproblem (Verwandlungsmuster) der untersuchten Wirkungseinheit dar. Das wären vom Hauptbild unserer Medienanalyse her beispielsweise bei Desperate Housewives die Rapunzel-„Türme“ der Wisteria Lane, im Nebenbild die „blinden“ Jagden eines Jack Bauer in 24 und die „behinderten“ Visionen eines Dr. House.
2. Sicherung über die gegenständliche Relevanz des Forschens: Neben der Überprüfung durch das Außenkriterium von Narrationen ergibt sich eine zweite Validierungsleistung aus der subjektwissenschaftlichen Forschungslogik morphologischer Analysen. Wie erwähnt, geht die Morphologie methodologisch nicht von der Unterscheidbarkeit des Begründungsund Entdeckungszusammenhangs der Forschung aus. Wie bei Goethe wird das Forschen als Ausdruck und Fortsetzung des Forschungsgegenstandes gesehen. Georges Devereux (1975 [1967]) hat dieses Methodenkriterium erstmalig ausdrücklich in einer psychologischen Methodologie berücksichtigt und gefolgert, dass die Gegenständlichkeit des Forschungsprozesses – aufgrund der damit verbundenen „Angst“ und „Scham“ seitens der Forschenden – nicht etwa überwunden werden muss (und auch gar nicht überwunden werden kann). Die Spiegelung von Gegenstandsmomenten im Forschungsprozess kann vielmehr genutzt werden, um Lücken im Aufschluss über die psychologischen Kennzeichen des Forschungsgegenstandes zu ergänzen (vgl. auch Fitzek 2005. Die gegenständliche Relevanz des Forschens haben unsere Studierenden durch die Reflexion auf die psychologische Eigenart der Forschungsverläufe erfahren, die immer auch Ausdruck der gegenständlichen Qualitäten waren. Insbesondere konnten die Eigenarten der Gruppenarbeit in einem abschließenden methodischen Schritt sehr klar als Hineingeraten in die spezifische „Logik“ der Serien verstanden werden: „Pubertäres“ (Grey’s Anatomy), „Kreiseln“ (Desperate Housewives), „Geheimnistuerei“ (24) und „Detektivisches“ (Dr. House).
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Stärken, Schwächen und Desiderata
Angesichts der breit gefächerten Anwendungen bildet das Konzept der „naturgemäßen Methode“ und seine Umsetzung in die Analysepraxis der vier Versionen das Rückgrat aller morphologischer Untersuchungen. Es befähigt morphologisch ausgebildete Forscherinnen und Forscher zu einem unmittelbaren (beschreibenden) Zugang zur psychologischen Wirklichkeit und zu einer „entschieden psychologischen“ Haltung jeder erdenklichen Sachfrage gegenüber (vgl. Blothner & Endres 1993; Fitzek & Schulte 1993).
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Mit der Nähe zum erlebten und gelebten Alltag treffen die morphologischen Beschreibungen nicht immer die Sympathie, aber doch zumindest vielfach das Interesse von Auftraggebern und Öffentlichkeit. Die Kritik an den Zwängen der (natur-) wissenschaftlichen Methodologie erscheint nachvollziehbar, der Wegfall von Standardisierungen und Formalisierungen zugunsten anschaulicher Beschreibungen und hintergründiger Konstruktionen erfrischend. Das Vorgehen bleibt dem Gegenstand durchgängig angepasst und erhält sein konkretes methodisches Profil (gegenstandsangemessen) im Verlauf der jeweiligen Untersuchung. Standardisierte Abläufe reduzieren sich in der Datenerhebung wie in der Datenauswertung auf die Permanenz der vier Versionen. Das eröffnet Entwicklungsspielräume für die Ausgestaltung des Forschungsgeschehens, erschwert andererseits aber den Vergleich morphologischer Untersuchungen untereinander. Ein unmittelbarer Einblick in das morphologische Forschungsgeschehen ist methodologisch ohnehin nicht ohne Einübung in die Gegenständlichkeit der jeweiligen Untersuchung und ohne das Vertraut-Werden mit den Tätigkeiten von Beschreibung und Rekonstruktion zu gewinnen. Hinter solchen pragmatischen Zugangsproblemen verbirgt sich eine eher grundsätzliche Zumutung jeder hermeneutischen Methode: Aufgrund des spiraligen Charakters morphologischer Analysen sind die in der klassischen Wissenschaftstheorie geforderte Trennung von Datenerhebung und Datenauswertung, externe Überprüfbarkeit, Formalisierbarkeit der Operationen und die Orientierung an szientistischen Gütekriterien nur begrenzt applizierbar. Bei aller nötigen Vereinheitlichung sperrt sich die Methode gegen Universalien und bleibt inhaltlich und strukturell bezogen auf spezifische Gegenstände und deren Drehungen und Wendungen. Die Diskussion der methodologischen Position der Morphologie macht somit nur Sinn, wenn der naturwissenschaftlich-nomothetische Methodenstatus der Psychologie ausgesetzt wird. Sie bezieht mit dem Anschluss an die Konzepte Diltheys, Freuds und der Gestaltpsychologie selbst in der (offenen) Diskussion der qualitativen Forschung eine exponierte Position. Kerngedanke der morphologischen Methodologie ist die These, dass die Einordnung kulturwissenschaftlicher Methoden als „Kunstverfahren“ nicht ein (behebbarer) Mangel, sondern das wesentliche Erkennungszeichen einer kulturwissenschaftlich fundierten, qualitativen, auch tiefenpsychologischen Methodologie darstellt (vgl. Blothner & Endres 1993; Fitzek 2008). In der morphologischen Methode wird die wissenschaftliche Modellierung von Wirklichkeit selbst als Gestaltungsprozess definiert („Gegenstandsbildung“), dessen Abläufe nicht linear, Schritt für Schritt, aber doch vollständig und konsequent durchlaufen werden müssen, um den Ansprüchen wissenschaftlicher Methodik zu entsprechen. Neuerdings gibt es in der qualitativen Methodendiskussion Anzeichen dafür, dass die Entscheidung, Wissenschaft und Kunst als gegenläufige Zugänge zur Darstellung von Wirklichkeit auseinanderzuhalten, von ähnlichen Gedankengängen her neu aufgerollt und revidiert wird (zu einer subjekt- bzw. kulturwissenschaftlichen Psychologie vgl. z.B. Bergold & Breuer 1987; Allesch 2000).
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Weiterführende Literatur Fitzek, Herbert (2008). Inhalt und Form von Ausdrucksbildungen als Zugangswege zur seelischen Wirklichkeit. Ein Vergleich von Inhaltsanalyse und Morphologie als Methodenkonzepten der qualitativen Sozialforschung. Lengerich: Pabst. Fitzek, Herbert & Schulte, Armin (Hrsg.) (1993). Wirklichkeit als Ereignis. Das Spektrum einer Psychologie von Alltag und Kultur (Zwischenschritte 12). Bonn: Bouvier. Salber, Wilhelm (2009). Morphologie des seelischen Geschehens. Bonn: Bouvier. [Orig. 1965]
Literatur Ahren, Yizhak & Wagner, Werner (Hrsg.) (1984). Analytische Intensivberatung. Köln: Arbeitskreis Morphologische Psychologie. Allesch, Christian G. (2000). Kulturpsychologie: Portrait einer Disziplin. In Werner Heinrichs & Armin Klein (Hrsg.), Deutsches Jahrbuch für Kulturmanagement 1999, Bd. 3 (S.99-116). Baden-Baden: Nomos. Arens, Katherine (1996). Wilhelm Salber: Seelenrevolution. Komische Geschichte des Seelischen und der Psychologie. Journal of the History of Behavioral Sciences, 32, 210-211. Bergold, Jarg B. & Breuer, Franz (1987). Methodologische und methodische Probleme bei der Erforschung der Sicht des Subjekts. In Jarg B. Bergold & Uwe Flick (Hrsg.), Ein-Sichten: Zugänge zur Sicht des Subjekts mittels qualitativer Forschung (S.20-52). Tübingen: DGVT. Blothner, Dirk (1999). Erlebniswelt Kino. Über die unbewußte Wirkung des Films. BergischGladbach: Bastei. Blothner, Dirk & Conrad, Marc (2008). Invasion! TV-Weltmuster erobern den Fernsehmarkt. Bonn: Bouvier. Blothner, Dirk & Endres, Norbert (Hrsg.) (1993). entschieden psychologisch. Festschrift für Wilhelm Salber. Bonn: Bouvier. Devereux, Georges (1975). Angst und Methode in der Verhaltenswissenschaft. Frankfurt/M.: Suhrkamp. [Orig. 1967] Dilthey, Wilhelm (1957). Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie. In Wilhelm Dilthey. Gesammelte Schriften, Bd. 5 (S.139-240). Stuttgart: Teubner. [Orig. 1894] Domke, Andrea (1998). Gute Zeiten, schlechte Zeiten: Eine Daily Soap als Sammlungsritual. Zwischenschritte, 17(2), 125-137. Fitzek, Herbert (1994). Der Fall Morphologie. Biographie einer Wissenschaft. Bonn: Bouvier. Fitzek, Herbert (1999). Beschreibung und Interview. Entwicklungen von Selbstbeobachtung in der morphologischen Psychologie. Journal für Psychologie, 7(2), 19-26. Fitzek, Herbert (2000). Alltagsfigurationen – ein kulturpsychologisches Forschungsprogramm. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(2), Art. 8, http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs000289. Fitzek, Herbert (2005). Gestaltpsychologie als Grundlage einer Methodologie der qualitativen Forschung – dargestellt am Gütekriterium „gegenständliche Relevanz“. Journal für Psychologie, 13(4), 372-402. Fitzek, Herbert (2008). Inhalt und Form von Ausdrucksbildungen als Zugangswege zur seelischen Wirklichkeit. Ein Vergleich von Inhaltsanalyse und Morphologie als Methodenkonzepten der qualitativen Sozialforschung. Lengerich: Pabst. Fitzek, Herbert & Ley, Michael (Hrsg.) (1998). Alltags-Figurationen. Grundlinien einer psychologischen Kulturtheorie (Zwischenschritte 17, Heft 2). Bonn: Bouvier. Fitzek, Herbert & Ley, Michael (Hrsg.) (2003). Alltag im Aufbruch. Ein psychologisches Profil der Gegenwartskultur (Zwischenschritte 21). Gießen: psycho-sozial.
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Herbert Fitzek
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Auswertung von Zeichnungen
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Elfriede Billmann-Mahecha
Auswertung von Zeichnungen 1
Entstehungsgeschichte, historische Relevanz und (sub-) disziplinäre Einordnung
1.1 Zeichnungen als Teil der frühesten Kulturdokumente des Menschen Zeichnungen gehören zu den ältesten kulturellen Dokumenten. Die bis heute entdeckten, frühesten bildhaften Darstellungen in Form von Felszeichnungen und Höhlenmalereien werden auf ein Alter von etwa 32.000 Jahren geschätzt (zu Techniken der Datierung vgl. Hallier 2007). Lange zuvor aber wurde bereits in Knochen und Steine geritzt, ohne dass wir genau wissen, welche Funktion diese ersten „Zeichen“ gehabt haben könnten. Mit der Auswertung der frühen kulturellen Dokumente befassen sich Prähistoriker/innen und Kulturanthropolog/innen auf der Basis ihres Wissens über das Leben und die Kultformen der damaligen Menschen. Umgekehrt dienen die erhaltenen Zeichnungen dem Aufschluss über das Leben in einem bestimmten Zeitraum und an einem bestimmten Ort. Die Enträtselung prähistorischer Bilddokumente kann als ein hermeneutischer Zirkel zwischen den Zeichnungen und den Informationen zum kulturellen Hintergrund der Entstehungszeit aufgefasst werden, der zu immer neuen kulturgeschichtlichen Aufschlüssen führt (für Beispiele vgl. z.B. Haarmann 1990, Kap. 1). In der Psychologie beschäftigt sich vor allem die Jungsche Schule mit diesen frühesten Zeugnissen bildnerischen Schaffens. Entsprechend der zugrunde liegenden Jungschen Theorie identifiziert sie in ihnen die ersten manifesten Ausdrucksformen zeitloser, archetypischer Symbolik, die auch das heutige künstlerische Schaffen trotz aller Wandlungen mit präge (vgl. z.B. Jaffé 1968). Die akademische Psychologie schenkt demgegenüber – mit Ausnahme weniger kunstpsychologischer Arbeiten – bislang nur am Rande der Auswertung von Zeichnungen Aufmerksamkeit, bedient sich aber dieses Mediums, z.B. zu illustrativen Zwecken oder auch, um komplexe theoretische oder empirische Modelle zu visualisieren. Wissenschaftlich umstritten ist die Anwendung von Zeichentests in der psychologischen Diagnostik und Therapie, weil die üblichen Testgütekriterien sehr zu wünschen übrig lassen (vgl. z.B. Cox 2005; eher moderat äußert sich Wichelhaus 2008; zur Geschichte vgl. Sehringer 2005a). Eine lange, interdisziplinär geprägte Tradition weist die Befassung speziell mit Kinderzeichnungen auf. Deshalb wird die Auswertung von Kinderzeichnungen in exemplarischer Absicht einen vergleichsweisen breiten Raum in diesem Beitrag einnehmen (vgl. auch Billmann-Mahecha 2005). Innerhalb der qualitativen Forschung erhält die Auswertung visuellen Materials erst seit Kurzem verstärkt Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt steht dabei die Auswertung von Foto- und Videomaterial. Auch wenn es Überschneidungen gibt, wird zu zeigen sein, dass
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die Auswertung von Zeichnungen, insbesondere solche von Laien und Kindern, zum Teil einer eigenen Zugangsweise bedarf. 1.2 Zur Geschichte der wissenschaftlichen Befassung mit Kinderzeichnungen Der Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Kinderzeichnungen wird vielfach in den Untersuchungen des italienischen Kunsthistorikers Corrado Ricci gesehen („L’arte dei bambini“, 1906 [1887]). Er hat mit seinem Bildmaterial eine Reihe von Phänomenen beschrieben, die heute noch Gültigkeit besitzen, z.B. die ersten Menschdarstellungen als Kopffüßler. Eine erste psychologische Gesamtdarstellung zur Kinderzeichnung wurde von James Sully 1895 in seinem Buch „Studies of Childhood“ vorgenommen. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand eine Fülle von Arbeiten zur Kinderzeichnung; etliche Forscher/innen legten umfangreiche, internationale Sammlungen an (z.B. Karl Lamprecht am kunsthistorischen Seminar in Leipzig). 1905 erschienen zwei große Tafelwerke, eines von Siegfried Levinstein, Doktorand bei Lamprecht, und ein zweites von dem Münchner Pädagogen Georg Kerschensteiner. Das große Interesse an Kinderzeichnungen zu jener Zeit ist zum einen im Kontext der „Kunsterziehungsbewegung“ zu sehen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Anfang nahm und insbesondere durch die Arbeiten von Alfred Lichtwark (1996) und Gustav Hartlaub (1930) geprägt war. Die Kunsterziehungsbewegung gilt als Versuch, der bis dahin vernachlässigten ästhetischen Erziehung die gleiche Bedeutung wie der moralischen und intellektuellen Erziehung beizumessen. Zum anderen steht das Interesse an Kinderzeichnungen im Kontext des allgemeinen Höhepunktes der Kinderforschung um die Jahrhundertwende. In der Psychologie sind für die Anfangsjahre insbesondere die Arbeiten von David Katz (1906), Clara und Willliam Stern (1910) und Karl Bühler (1918) zu nennen. Durch genaue Beobachtungen des Zeichenprozesses und durch Bezugnahme auf die allgemeine kindliche Entwicklung wollten sie die bis dahin beschriebenen Besonderheiten von Kinderzeichnungen, wie z.B. Kopffüßler, falsche Rechtwinkligkeit und Röntgenbilder, psychologisch erklären. Pädagog/innen und Psycholog/innen haben in der Anfangszeit der Erforschung der Kinderzeichnung häufig aufeinander Bezug genommen. So arbeitete zum Beispiel der französische Kunstpädagoge Luquet ab 1913 eine Stufenfolge zeichnerischer Entwicklung aus (vgl. Luquet 1913, 1927), die später Piaget und Inhelder als Grundlage für ihre Analyse des räumlichen Denkens diente. Die von Luquet (1923) und anderen behauptete Parallelität zwischen prähistorischen Zeichnungen und Kinderzeichnungen kann allerdings nicht aufrecht erhalten werden (vgl. Cox 2005, S.162ff.). In der kinderpsychologischen Praxis dienten Kinderzeichnungen schon bald als diagnostisches Hilfsmittel zum Verstehen kindlicher Problemlagen und Befindlichkeiten. Hierfür wurden zum einen teilstandardisierte zeichnerische Verfahren entwickelt (für einen Überblick vgl. Sehringer 1999), z.B. der Test „Familie in Tieren“ (Brem-Gräser 2001 [1957]), zum anderen freie Kinderzeichnungen meist tiefenpsychologisch interpretiert. In der therapeutischen Praxis wiederum werden Malen und Zeichnen wie andere spielerische oder künstlerische Verfahren zur Unterstützung therapeutischer Prozesse eingesetzt (für einen Überblick vgl. z.B. Schuster 2003; Franzen 2009).
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Theoretische und methodologische Prämissen und Grundannahmen
2.1 Was wird interpretiert? Zeichnungen als Teilbereich visueller Daten Wenn davon die Rede ist, dass sich die qualitative Forschung zunehmend auch der Auswertung visueller Daten widme, so stellt sich die Frage, was visuelle Daten sind. Elaborierte Auswertungsvorschläge liegen insbesondere für Foto- und Film- bzw. Videomaterialien vor, die wiederum v.a. Personen und Szenen mit menschlichen Interaktionen zum Gegenstand haben (vgl. z.B. Marotzki & Niesyto 2006; Bohnsack 2009; speziell zur tiefenhermeneutischen Methodik vgl. König 2001). Weitere visuelle Materialien, die Gegenstand qualitativer Analyse sein können, sind etwa Malerei, Skulpturen, Bauwerke und vieles mehr (vgl. z.B. die klassische psychoanalytische Interpretation des Moses von Michelangelo von Freud 1982 [1914]). Zeichnungen erscheinen in ihrer Zweidimensionalität und Bildhaftigkeit zwar ähnlich wie Fotos, aber es gibt für die Interpretation nicht unbedeutende Unterschiede: 1. Sie entstehen nicht „in einem Schuss“, sondern in einem längeren Prozess. Zwar sind auch Fotos häufig geplant und langwierig „gestellt“, aber das Bilddokument als solches entsteht letztlich in einem Augenblick. 2. Bildgegenstände eines Fotos werden auf- bzw. ausgesucht und ggf. arrangiert, während sie bei Zeichnungen gleichzeitig mit dem Bilddokument erst geschaffen werden. Zwar gibt es in der professionellen Malerei die Stilrichtung des Fotorealismus und entsprechende Versuche von Laien, das ändert aber nichts daran, dass die Abbildung in einer komplexen Handlungskette (vgl. hierzu bereits Meumann 1914, S.392ff.) hergestellt wird, die sich als solche wesentlich vom Fotografieren unterscheidet. Die Herausforderung, beim Zeichnen dreidimensionale Vorlagen oder mentale Vorstellungsgehalte auf ein zweidimensionales Blatt zu bringen, wurde insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der Kinderzeichnung untersucht. Die von Schuster (2000) aus kognitiver Perspektive vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Gegenstandswissen, Abbildungswissen und Ausführungswissen ist auch für die Analyse von Zeichnungen erwachsener Laien von Bedeutung, weil nicht unbesehen von einer eventuell unbeholfenen grafischen Realisierung (z.B. hinsichtlich Perspektive, Raumaufteilung) auf zugrunde liegende kognitive oder emotionale Gehalte geschlossen werden kann. Obwohl also Zeichnungen prinzipiell von anderem Produktionscharakter als Fotos sind, ist auch Zeichnung nicht gleich Zeichnung. Erstens sind die Grenzen zur Malerei auf der einen und zur (Computer-) Grafik bis hin zu Graffiti auf der anderen Seite fließend. Zweitens ist zu unterscheiden, für welchen Zweck eine Zeichnung angefertigt wurde, ob von Professionellen oder von Laien und ob frei Hand oder mit Computerunterstützung, bei der man sich fertiger Zeichenelemente und -modi bedienen kann. Professionelle Zeichnungen werden zum Beispiel erstellt: ! !
in künstlerischer, kultureller oder anderer gestaltender Absicht, wie z.B. Werke bildender Kunst, Buchillustrationen oder Karikaturen; in wissenschaftlichen oder didaktischen Arbeitszusammenhängen (auch computerunterstützt), wie z.B. Visualisierung wissenschaftlicher Modelle, Illustration von Lehrbüchern, Tafelbilder im Unterricht, Erstellung von Bauplänen in der Architektur oder im Ingenieurswesen;
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in alltagspraktischer Absicht (auch computerunterstützt), wie z.B. visualisierte Bastelanleitungen, Möbel-Aufbauanleitungen oder Hinweisschilder mit Bildsymbolen (Piktogramme).
Zeichnungen von Laien und Kindern werden zum Beispiel erstellt: ! ! ! !
zur „Ablenkung“, wie z.B. Telefonkritzeleien oder Kritzeleien auf Seminarunterlagen; im Rahmen von Freizeitgestaltung, wie z.B. Laienkunst oder freie Kinderzeichnungen; in Schule und Ausbildung, wie z.B. im Kunst-, Biologie- oder Geografieunterricht; in alltagspraktischer Absicht (teilweise verbunden mit Text), wie z.B. Mindmaps oder Wegbeschreibungs-Zeichnungen.
Für die Interpretation ist deshalb in einem ersten Schritt unerlässlich zu klären, um welchen Typ von Zeichnung es sich handelt und von wem sie zu welchem Zweck angefertigt wurde. So kann allein die „Gattung bildliche Unterweisung“ (Gombrich 1989) wiederum in vielfältige Teilbereiche mit je eigenen Problemstellungen aufgeteilt werden. Ähnliches gilt für alle anderen hier genannten Typen von Zeichnungen. 2.2 Interpretationsziele und mögliche Forschungsfragen Wie man Zeichnungen auswertet, hängt ganz wesentlich von den Interpretationszielen ab, die verfolgt werden. Nicht bei allen Forschungsfragen ist es Ziel, latente Sinnstrukturen oder Orientierungsmuster zu entschlüsseln, auch wenn das ein zentrales Ziel qualitativer Sozialforschung ist. In Anlehnung an Umberto Ecos Unterscheidung zwischen intentio auctoris, intentio operis und intentio lectoris (Eco 1995 [1990], S.35ff.) und der in der Literaturwissenschaft diskutierten Unterschiede zwischen Produktionsästhetik, Werkästhetik und Rezeptionsästhetik (vgl. z.B. Breuer 1997) können auch verschiedene Ziele der Interpretation von Zeichnungen differenziert werden, die mit unterschiedlichen Forschungsfragen einhergehen. Als Interpretationsziele werden dabei 1. die von den Zeichnenden bewusst oder unbewusst intendierten Sinngehalte (intentio auctoris), 2. Zeichnungen als Repräsentanten einer bestimmten (Sub-) Kultur (intentio operis) und 3. die von den Betrachtenden zugeschriebenen ästhetischen Qualitäten und Sinngehalte (intentio lectoris) unterschieden. Auch wenn es selbstverständlich erscheinen mag, so muss aufgrund manch abenteuerlich anmutender Interpretation von Zeichnungen, die wir gelegentlich in der Literatur finden, darauf verwiesen werden, dass vom Eindruck der Betrachtenden, der sich auf je eigene alltagskulturelle oder theoretische Signifikationssysteme bezieht, nicht unmittelbar auf die Intentionen der Zeichnenden geschlossen werden kann. Deshalb sind auch Symbol- und Metapherndeutungen im ersten Schritt immer rezeptionsästhetischer Natur. Rezipient/innen können zum Beispiel in Zeichnungen Symbole „erkennen“, die mit dem bewusst oder auch unbewusst intendierten Sinngehalt der oder des Zeichnenden nichts zu tun haben müssen. Auf entsprechende Gefahren – wenn von der Rezeption unbesehen auf die (latente) Intention der Produktion geschlossen wird – hat z.B. DiLeo (1992) anhand von klinischen Fallbeispielen aufmerksam gemacht. Umgekehrt kann nicht selbstverständlich unterstellt werden, dass im Produktionsprozess intendierte Symbolisierungen oder auf Werkebene in einem bestimmten kulturellen Referenzsystem dargestellte Symbole von den Rezipierenden auch
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so „gesehen“ und verstanden werden. Dies ist auch von alltagspraktischem Interesse zum Beispiel bei der Frage, wie Laien gezeichnete Hinweise verstehen (visuelle Bastel- und Bauanleitungen, Hinweisschilder, die sich vermeintlich allgemein verständlicher Symbole bedienen etc.). Auf der Basis der Unterscheidung zwischen Produktions-, Werk- und Rezeptionsästhetik werden im Folgenden einige wichtige psychologische Fragestellungen zur Analyse von Zeichnungen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aufgeführt. In konkreten Forschungsprojekten sind selbstverständlich Kombinationen dieser Fragestellungen zu finden. Interpretationsziel Produktionsästhetik: !
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Analysen der Zusammenhänge zwischen kognitiven Schemata, grafomotorischen Kompetenzen und zeichnerischem Ausdruck (für Kinderzeichnungen vgl. z.B. van Sommers 1984; für den Vergleich zwischen Erwachsenen und Kindern vgl. bereits Meumann 1914; für eine kognitionswissenschaftlich orientierte, computerunterstützte Analyse von Freihandzeichnungen von Architekt/innen vgl. Pasternak o.J.); Analysen komplexer mentaler Vorstellungsgehalte mithilfe von Zeichnungen zu bestimmten Themenbereichen („thematisches Zeichnen“), wie z.B. Analysen kindlicher Vorstellungen vom Träumen (ein Fallbeispiel findet sich bereits bei Piaget 1980, S.97ff.; vgl. auch Billmann-Mahecha 2005, S.446ff.) oder kindlicher Vorstellungen vom Tod (vgl. z.B. Bürgin 1981); Analysen von emotionalen Befindlichkeiten und subjektiven Bewertungen (vgl. z.B. Kearney & Hyle 2004, die u.a. mithilfe von Zeichnungen das Befinden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach tiefgreifenden strukturellen Veränderungen der Arbeitsorganisation untersucht haben); Zeichenprozessanalysen (für Kinderzeichnungen vgl. bereits Clara und William Stern 1910; für entsprechende Analysen mit Hilfe der Videografie vgl. z.B. Koeppe-Lokai 1996); Analysen im Rahmen der psychologischen Diagnostik – im klinischen Anwendungsfeld oder zur „Messung“ der Kreativität – mithilfe teilstandardisierter Zeichentests (vgl. dazu Sehringer 1999) oder auf der Basis freier Zeichnungen (für eine tiefenpsychologische Interpretation vgl. z.B. Holderegger 2007); Analysen von zeichnerischen Begabungen (vgl. z.B. Schulz 2007); Analysen von Klient/innenzeichnungen, um den Fortgang therapeutischer Prozesse einzuschätzen (vgl. z.B. Herzka Bollinger 2008; Wichelhaus 2008).
Interpretationsziel Werkästhetik: ! Vergleichende Analysen von Zeichnungen v.a. im Hinblick auf Formmerkmale zur Erstellung oder Überprüfung von Entwicklungstypiken, wie wir sie in den Phasenmodellen zur zeichnerischen Entwicklung finden (vgl. dazu Abschnitt 2.3); ! vergleichende Analysen von Zeichnungen im Hinblick auf Stil- und Formmerkmale sowie der dargestellten Inhalte, um Fragen nach der Historizität und Kulturalität von Zeichnungen zu untersuchen (vgl. ebenfalls Abschnitt 2.3); ! vergleichende Analysen von Zeichnungen in kinder- und jugendkulturellen Studien (vgl. z.B. Keul 1991, der Zukunftsvorstellungen österreichischer Kinder und Jugendlicher u.a. anhand von Zeichnungen zum Thema „Wohnen in der Zukunft“ analysiert hat);
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vergleichende Analysen von Zeichnungen, um die Verarbeitung kollektiver Traumata in Bildern zu untersuchen (vgl. z.B. Schultz 1992).
Interpretationsziel Rezeptionsästhetik: ! !
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Analysen zur Entwicklung des ästhetischen Urteils (in Bezug auf die Ontogenese vgl. Parsons 1987, in Bezug auf die Aktualgenese bei Erwachsenen vgl. Leder, Belke, Oeberst & Augustin 2004); vergleichende Analysen der Interpretationen von Zeichnungen durch Vertreter/innen verschiedener Herkunftskulturen (z.B. untersuchten Rübeling et al., wie afrikanische und deutsche Interpret/innen afrikanische und deutsche Kinderzeichnungen beurteilen; noch nicht publiziert, persönliche Mitteilung); Analysen der Prozesse des Verstehens von Zeichnungen, die in didaktischer Absicht erstellt wurden etc.
2.3 Zur Interpretation von Kinderzeichnungen Bis heute gibt es nur wenige methodische Vorschläge, wie man Kinderzeichnungen interpretieren kann (für die kinderpsychologische Praxis vgl. Seidel 2007; für die Diagnostik von Gefühlen vgl. Sehringer 2005b). Die Folge ist, dass auf diesem Gebiet zum Teil „Wildwuchs“ herrscht, der in praktischen Anwendungsfällen bis zum Missbrauch von Kinderzeichnungen gehen kann. Die aktuelle Ratgeber- und Sachbuchliteratur ist voll mit Rezepten, wie man die „geheime Sprache“ der Kinder in ihren Zeichnungen verstehen kann. Da lesen wir dann ohne jegliche theoretische oder methodologische Begründung – um ein beliebig herausgegriffenes Beispiel zu zitieren –, dass ein langer Hals bei Menschdarstellungen „Wissbegierde und Forschergeist“ ausdrücke und dass das Kind, das die abgebildete Zeichnung verfertigt hat, eine eindeutige Neigung habe, „‚abzuheben‘ und den Boden der Tatsachen zu verlassen“ (Crotti & Magni 1999, S.86). Angesichts eines solchen Umgangs mit Kinderzeichnungen scheint es geraten, dass sich die qualitative Forschung stärker mit der Frage befasst, wie Kinderzeichnungen methodisch kontrolliert interpretiert werden können. Vor dem Hintergrund dieser Problemlage wird eine interpretative Annäherung vorgeschlagen, die v.a. auf die Kontextualität von Kinderzeichnungen abhebt. Gemeint sind hiermit Entwicklungskontexte, situative Entstehungskontexte sowie familiäre und (sub-) kulturelle Lebenskontexte, deren Einbezug oder Vernachlässigung sich je nach Interpretationsziel auf die Reichweite der Interpretationshypothesen und deren Validierungsmöglichkeiten auswirkt. 2.3.1 Notwendiges Basis-Kontextwissen zur Auswertung von Kinderzeichnungen Die zeichnerische Entwicklung Zur Entwicklung und zu den Besonderheiten des kindlichen Zeichnens gibt es inzwischen eine Fülle von Untersuchungen (für einen umfassenden Überblick vgl. die Standardwerke von Cox 2005; Golomb 1992; Richter 1987; Schuster 2000) und mehrere Phasenmodelle. Diese Phasenlehren weisen – auch wenn sie mit unterschiedlichen Begriffen arbeiten und in den Altersangaben schwanken – große Ähnlichkeiten auf. Schuster (2000, S.15ff.) be-
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schreibt die Entwicklung in drei großen Phasen: Kritzelphase, Schemaphase und Versuche der visuell-realistischen Darstellung. Solche Phasenmodelle können aber nur eine erste Orientierung geben, weil sich Kinder unterschiedlich entwickeln und es zudem auch individuelle Stile in Kinderzeichnungen gibt, die oft sehr lange beibehalten werden. Zweifel an den in der Entwicklungspsychologie allgemein anerkannten Phasenbeschreibungen äußern z.B. Richter (1987) und Cox (2005). Vor diesem Hintergrund sind Kenntnisse über historische, (sub-) kulturelle, soziale und situationale Einflüsse auf Kinderzeichnungen unerlässlich. Zeitgeschichtliche, kulturelle, soziale und situationale Einflüsse auf Kinderzeichnungen Dass sich Kinderzeichnungen im historischen Verlauf inhaltlich verändern, lässt sich z.B. mit einem Blick auf die von Ricci 1887 [1906] publizierten Kinderbilder leicht erkennen. So finden wir heute kaum noch Hut und Pfeife, um eine Figur als männlich zu kennzeichnen. Inwieweit sich auch strukturelle Unterschiede im historischen Verlauf zeigen, kann schwerer beurteilt werden, weil es kaum weiter zurückliegende Dokumente gibt. Zu vermuten ist aber, dass bei der zeichnerischen Entwicklung – ebenso wie bei der musikalischen – die Gelegenheit zum Tun und das zur Verfügung stehende Material eine wichtige Rolle spielen. Gerade auf diesem Gebiet haben sich im letzten Jahrhundert beträchtliche Veränderungen ergeben. Die Frage nach Zusammenhängen zwischen Kinderzeichnung und Kultur wurde schon von Levinstein (1905) und Kerschensteiner (1905) angeschnitten, allerdings ohne empirische Untersuchungen dazu vorlegen zu können. Kerschensteiner etwa vermutete, dass ein Kind, das in einer fremden Kultur aufwächst, ganz im Stile des Gastlandes zeichnen würde. Inzwischen liegen solche Untersuchungen vor, z.B. von Meili-Dworetzki (1981, 1982) zu japanischen und türkischen im Vergleich zu schweizerischen Kindern, von Schütz (1999) zu Kindern auf Bali und Madagaskar sowie von Wolter (2007) und Rübeling et al. (im Druck) zum Vergleich afrikanischer mit deutschen Kindern. Alle diese Studien belegen kulturspezifische Besonderheiten in Kinderzeichnungen, die hier nicht im Einzelnen aufgeführt werden können. Insbesondere die sehr elaborierten Zeichnungen japanischer Kinder bestätigen die Skepsis gegenüber universalistisch formulierten Phasenmodellen. MeiliDworetzki konnte darüber hinaus zeigen, inwiefern bei Migrantenkindern eine gewisse, wenn auch nicht vollständige Annäherung an die Zeichenkonventionen der neuen kulturellen Umgebung stattfindet. Ein Ignorieren solcher kultureller Besonderheiten kann zu gravierenden Fehlinterpretationen führen. Die soziale Beeinflussung von Kinderzeichnungen wurde z.B. von Schuster und Jezek (1992) untersucht. Sie konnten zeigen, wie sich die Bilder von engen Freundinnen und Freunden in vielen Einzelaspekten ähneln und sich signifikant von beliebigen Klassenkamerad/innen unterscheiden. Schließlich sind noch situationale Einflüsse zu nennen, die in nicht unerheblichem Maße die Motivwahl und die Art der Ausführung beeinflussen. 2.3.2 Ein Interpretationsschema Das folgende Interpretationsschema ist keine Neuentwicklung, sondern der Versuch, die in der neueren wissenschaftlichen Literatur zur Kinderzeichnung formulierten Möglichkeiten, Probleme und Grenzen der Interpretation von Kinderzeichnungen in Form einer Synopse methodisch handhabbar zu integrieren. Es ist durch die Unterscheidung verschiedener Be-
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zugsebenen als Hilfsmittel zu verstehen, um „einen Anfang zu machen“ und um sich im Interpretationsprozess Rechenschaft abzulegen über die Art und die Quelle der zur Verfügung stehenden Daten, auf die sich die Interpretationshypothesen stützen. Sinngemäß eignet sich das Schema auch für die Interpretation von Zeichnungen erwachsener Laien. Vor allem wenn die Produktionsästhetik im Mittelpunkt steht, sind für die Interpretation einer Zeichnung Kontextinformationen unerlässlich: verbale Äußerungen des Kindes zu der Zeichnung, situative Entstehungskontexte und familiär-biografische Kontexte. Haben wir solche Informationen nicht oder nur sehr spärlich zur Verfügung (wie z.B. bei der Sammlung von Zeichnungen in Schulklassen), so verbietet es sich, weitreichende psychologische Aussagen über das einzelne Kind zu machen. Gelingt es, sich mit dem Kind ausführlich über den Sinngehalt der Zeichnung zu verständigen, so kann das in vielen Fällen für die Interpretation bereits ausreichen. Ist eine solche Verständigung hingegen nicht möglich oder ist es Ziel der Interpretation, auch dem Kind nicht bewusste Sinngehalte der Zeichnung zu erschließen, so können wir unsere Deutungen nur über eine kritische Bezugnahme auf weitere zur Verfügung stehende Kontextinformationen absichern. Dies gilt auch für Rückgriffe auf psychoanalytische Symbole, auf Raum- und Farbsymboliken, auf Bildmetaphern oder auf statistische Befunde zu bestimmten „Merkmalen“ in Kinderzeichnungen. Die verschiedenen Bezugsebenen bei der Aufstellung und Absicherung von Interpretationshypothesen sind in folgendem Schema zusammengestellt. Die Pfeile verweisen dabei auf die Reichweite der entsprechenden Interpretationshypothesen. Tabelle 1: Schema zur Generierung und Absicherung von Interpretationshypothesen Bezugsebenen bei der Interpretation von Kinderzeichnungen 1. Das Bild selbst: vergleichende Analyse - Gesamteindruck - Vergleich mit anderen Zeichnungen des Kindes - Vergleich mit Zeichnungen anderer Kinder ! formale und/oder ästhetische Aspekte, Inhalte, Auffälligkeiten etc. 2. Aussagen des Kindes - beiläufige Kommentare - Befragung des Kindes ! der vom Kind gemeinte Sinn, Darstellungsabsichten etc. 3. situative Entstehungskontexte - Beobachtung des Zeichenprozesses - Beschreibung/Erzählung der Rahmensituation ! weiterreichende Bedeutungszusammenhänge situativer Art 4. verschiedene familiär-biografische Kontexte, z.B.: - Lebensform der Familie - Erfahrungswelt des Kindes (Kindergarten etc.) ! weiterreichende Bedeutungszusammenhänge individuell-biografischer Art, sowie klinisch-psychologische Deutungen 5. verschiedene soziokulturelle Kontexte, z.B.: - (sub-) kulturelle und historische Besonderheiten in Kinderzeichnungen - kultur-historisch gewachsene Symbol- und Metaphernverständnisse - kinderkulturelle Lebensformen ! überindividuelle Deutungen, Typologien etc.
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Zwei Beispiele
Anhand von zwei Beispielen wird – in der gebotenen Kürze – die Verwendung des vorgeschlagenen Interpretationsschemas im Hinblick auf verschiedene Interpretationsziele veranschaulicht. Beim ersten Beispiel handelt es sich um eine am individuellen Kind ansetzende Interpretation (Produktionsästhetik), beim zweiten Beispiel um eine vergleichende Interpretation von Zeichnungen verschiedener Kinder (Werkästhetik). 3.1 Ein unangenehmes Erlebnis Abbildung 1:
Ein unangenehmes Erlebnis
Der junge Zeichner dieses Bildes (aus Billmann-Mahecha 1994) ist dreieinhalb Jahre alt. Wir sehen drei sogenannte Kopffüßler, nicht untypisch für einen Dreijährigen. Aufgrund der Anordnung und Größenverhältnisse stellt sich der Eindruck ein, dass inhaltlich Vater, Mutter und Kind dargestellt sein könnten (das Kind in der Mitte). Diese ersten Deutungen bewegen sich auf der Ebene der Bildbeschreibung (Bezugsebene 1). Interessant an diesem Bild sind aber seine Entstehungsgeschichte und ein Kommentar des Kindes (Kontextinformationen auf den Bezugsebenen 2 und 3): Die Mutter fuhr mit ihrem Jungen zu einer Freundin. Da er fest schlief, ließ sie ihn im nicht abgeschlossenen Auto und schaute alle zehn Minuten nach ihm. Als der Junge aufwachte und sich alleine im Auto fand, stieg er
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aus und lief weinend ins Haus zu seiner Mutter. Nachdem er sich beruhigt hatte, zeichnete er dieses Bild, allerdings nur mit der oberen Linie des Mundes bei der Figur in der Mitte. Zwei Stunden später – er hatte sich nun vollständig beruhigt – nahm er sein Bild nochmals zur Hand und zeichnete die untere Linie hinein mit dem Kommentar „Jetzt lacht er wieder“. Die Entstehungsgeschichte des Bildes „erzählt“ uns also, wie sich der Junge erst traurig und dann wieder froh fühlte. Erkennen können wir das an dem fertigen Bild nicht. Wir benötigen hierfür Information zum situativen Entstehungskontext und den Kommentar des Kindes. Erst aufgrund dieser Kontextinformation können wir den narrativen Charakter erschließen (zur narrativen und erlebnisverarbeitenden Funktion, die Kinderzeichnungen haben können, vgl. Richter 1987, S.92ff.). Durch die Aussage und die nachträgliche Ergänzung des Bildes wissen wir auch, dass die Figur in der Mitte den Zeichner selbst darstellen soll. Ob die beiden größeren Figuren rechts und links tatsächlich, wie vermutet, Elternfiguren – eventuell sogar „schützende“ Elternfiguren – darstellen, kann nicht mit Sicherheit interpretiert werden. Diese „Lesart“ ließe sich erst mithilfe weiterer Kontextinformationen zu den familiären Bedingungen (Bezugsebene 4) erhärten oder zurückweisen. 3.2 Kindliche Vorstellungen von Zahlen und Rechenoperationen Abbildung 2:
„Die Zahl Null“
Zum Entstehungskontext dieser Zeichnung wissen wir Folgendes (Strehl 2002): Im Rahmen einer mathematikdidaktischen Lehrveranstaltung haben Studierende in ersten Klassen
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hospitiert und die Kinder gebeten, Bilder zu malen, und zwar zur Zahl 7, zur Zahl 0, zur Aufgabe 7 + 6 und zur Aufgabe 6 – 2. Die Zeichnungen wurden vergleichend unter der Fragestellung analysiert, welcher Zahlbegriff dem jeweils Dargestellten zugrunde liegt. Auf der hier ausgewählten Zeichnung erkennen wir einen schematisch gezeichneten Hasen von hinten, was inhaltlich zunächst nichts mit Zahlen zu tun hat (Bezugsebene 1). Mit der Kontextinformation, dass das Kind die Zahl 0 darstellen sollte (Bezugsebene 3) und dem geschriebenen Kommentar des Kindes (Bezugsebene 2) wird das Bild verständlich: Null ist, wenn erst etwas da ist und dann nicht mehr. Was heißt das nun für den Zahlbegriff? Strehl interpretiert unter Bezugnahme aller Zeichnungen zur Zahl Null: „Das Kind denkt an die Kardinalzahl 0. Die Null als Anfang einer Zählreihe oder als Anfang einer Skala kommt nicht in Betracht. Die leere Menge ist es, die sich nicht darstellen lässt. Darstellbar ist nur ein Vorgang, bei dem nichts bleibt, also 2 – 2 = 0. In Bezug auf eine solche Gleichung greifen die üblichen Möglichkeiten für die Darstellung einer Subtraktion: Zwei Blumen werden durchgestrichen. Ein Kind zeichnet einen Osterhasen und – wiederum norddeutsch – schreibt dazu ‚zorerst ein Osterhase – den höpft wech‘“ (a.a.O., S.6).
Mit Hinweis auf die Konvention des Wegstreichens, um das „Nichts“ darzustellen, interpretiert der Autor (Bezugsebene 5), dass Kinder, die diese Form der Darstellung wählen, wozu auch der weghüpfende Osterhase gehört, die Null als Kardinalzahl auffassen. Aus mathematikdidaktischer Sicht ist nach Strehl noch anzumerken, welche Darstellungsmöglichkeiten in den Zeichnungen der untersuchten Kinder nicht vorkommen: „das Weitergehen oder Zurückgehen auf dem Zahlenstrahl oder der Längenvergleich als Möglichkeit der Subtraktion“ (a.a.O., S.5). An diesem Beispiel sehen wir, dass Zeichnungen wertvolle Hinweise auf Vorstellungsgehalte von Kindern (als Kollektiv auf der Basis von Werkanalysen) geben können. Ohne weitere Informationen stößt die Interpretation in Bezug auf das einzelne Kind allerdings an ihre Grenzen. Für weiterreichende mathematikdidaktische Überlegungen wiederum wären präzisere Kontextinformationen zum vorangegangenen Mathematikunterricht vonnöten.
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Zentrale Diskussionen
Der aktuelle Stellenwert der Analyse visuellen Materials wird in der qualitativen Forschung mit Verweis auf die zunehmend visuell geprägte Alltagspraxis begründet. Dabei wird immer wieder hervorgehoben, dass visuelles Material die interpretative Forschung insofern vor eine besondere Herausforderung stelle, als es sich nicht um Textdokumente im gewohnten Sinne handle, die mit bekannten texthermeneutischen Methoden sequenziell erschlossen werden können, sondern um visuelle Formen, die ihre Bestandteile nicht nacheinander, sondern gleichzeitig darbieten. Gegen die „Sprachlichkeit“ von Bildern argumentierte bereits Susanne Langer in ihrem 1942 erstmals erschienen, vielbeachteten Werk „Philosophie auf neuem Wege“: „Der radikalste Unterschied ist der, daß visuelle Formen nicht diskursiv sind. Sie bieten ihre Bestandteile nicht nacheinander, sondern gleichzeitig dar“ (Langer 1984 [1942], S.99). Für Zeichnungen gilt dies aber nur dann, wenn wir – wie insbesondere bei den prähistorischen Felszeichnungen oder bei Werken der bildenden Kunst – bereits fertige Zeichnungen auswerten. Heute können wir bei entsprechenden Fragestellun-
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gen den Zeichenprozess z.B. mithilfe von Videografien beobachten und auf diese Weise den Bildaufbau nachvollziehen. Dies gilt sowohl bei Freihandzeichnungen als auch – obwohl technisch etwas anspruchsvoller – bei computerunterstützten Zeichnungen. Die an den kunstwissenschaftlichen Diskurs anschließende Frage, ob Bilder ähnlich wie Texte zu interpretieren seien oder eines eigenen, bildimmanenten Zugriffs bedürfen (vgl. Müller-Dohm 1993), wird derzeit v.a. in Bezug auf die Fotoanalyse diskutiert (für die verschiedenen Positionen vgl. den aufschlussreichen Band von Marotzki & Niesyto 2006). Während z.B. Bohnsack (2009, S.13) dafür eintritt, der „Eigenlogik des Ikonischen“ gerecht zu werden und hierfür auf der Basis der dokumentarischen Methode unter Bezugnahme auf Panofsky und Imdahl ein dezidiertes Vorgehen begründet, argumentiert Niesyto (2006) u.a. mit Bezug auf Prosser (1998) sehr überzeugend für den Einbezug von Kontextwissen. Diese Position wird für die Auswertung von Zeichnungen auch hier vertreten. Positionen, die von der visuellen Eigenqualität eines Bildes ausgehen, postulieren ein Evidenzerleben im Deutungsprozess, das nicht vollständig in einen Text übertragen werden kann, und einen Sinnüberschuss im Bild, der z.B. über eigene assoziative Bilder in seiner Tiefendimension erschließbar wird. Hinzu kommt, dass bereits die Bildwahrnehmung als ein kognitiver Strukturierungsprozess und damit als eine erste Stufe der unmittelbaren Bilddeutung angesehen werden kann, die uns als solche gar nicht vollständig bewusst sein muss. Nun leugnen aber auch Vertreter/innen, die die Sprachlichkeit von Bildern hervorheben, keineswegs kognitive Konstruktionsprozesse bei der Bildwahrnehmung und auch nicht die Möglichkeit von Evidenzerlebnissen. Der relevante methodologische Unterschied liegt vielmehr darin, dieses unmittelbare Erleben nicht als wissenschaftlich verhandelbare Deutungsarbeit anzusehen. Akzeptieren wir die Nicht-Diskursivität visueller Darstellungen und damit der primären Wahrnehmungsorganisation einerseits und die Notwendigkeit der Versprachlichung von Bilddeutungen in wissenschaftlicher Absicht andererseits, so sind die Möglichkeiten und Grenzen der Interpretation von Zeichnungen markiert. Die wissenschaftliche Grenze ist dort erreicht, wo Bilddeutungen nicht mehr sprachlich begründbar sind. Alternative Bilddeutungen und damit die Möglichkeit der Kritik an vorgetragenen Deutungen ergeben sich nicht aus dem Bild an sich, sondern aus alternativen sprachlichen Formulierungen (alternative „Lesarten“) mit Bezug auf das Bild bzw. auf ausgewählte Bildelemente oder mit Bezug auf weiteres Kontextwissen. Wenn die Interpretation einer Zeichnung analog zu Prozessen der Textinterpretation aufgefasst wird, so impliziert das nicht, die Zeichnung selbst als Text aufzufassen. Vielmehr ist damit das methodische Ziel formuliert, Deutungen auf wissenschaftlich vermittelbare Grundlagen zu stellen. Etwas anderes ist es selbstverständlich, wenn Zeichnungen nicht in wissenschaftlicher, sondern in rein künstlerischer Absicht interpretiert werden, wie z.B. von Yeondoo Jung, der Kinderzeichungen in Fotos „übersetzt“ hat (vgl. Jung 2005).
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Stärken, Schwächen und Desiderata
In diesem Beitrag sollten die methodischen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Interpretation von (Kinder-) Zeichnungen aus der Perspektive der qualitativen Forschung aufgezeigt werden. Nicht eigens angesprochen wurden die Prinzipien qualitativer Forschung, von denen – je nach Fragestellung – insbesondere die Prinzipien Offenheit, Kom-
Auswertung von Zeichnungen
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munikation, Prozessualität und Reflexivität selbstverständlich auch für Projekte, in denen Zeichnungen interpretiert werden, von Bedeutung sind. Da die Gefahr der „Überinterpretation“ gerade bei Bildmaterial, das ein „unmittelbares Evidenzerleben“ hervorrufen kann, groß ist, und die einschlägige Populärliteratur dem auch reichlich Vorschub leistet, ist es mehr denn je geboten, Interpretationshypothesen zu Zeichnungen durch eine umfassende Explikation der Deutungsarbeit zu begründen und die Reichweite der Interpretation offen zu legen. Für die psychologische Forschung besteht das Desiderat, Fragen der Bildhermeneutik theoretisch und methodisch stärker innerhalb der wissenschaftlichen Psychologie zu vernetzen. Verbindungen zur Wahrnehmungspsychologie ergeben sich beispielsweise über die klassischen Arbeiten von Arnheim (2000), Verbindungen zur Sozialpsychologie über die Thematik der Kommunikation, da Bilder, Zeichnungen und anderes visuelles Material selbstverständlich auch kommunikativen Charakter haben (vgl. z.B. Schuster & Woschek 1989). Ähnliches gilt für die weiteren Teildisziplinen wie etwa die Psychotherapie (vgl. z.B. Mayer 2008). Wie die exemplarische Auflistung möglicher Forschungsfragestellungen in Abschnitt 2.2 gezeigt hat, spielt die Auswertung von Zeichnungen potenziell in allen Teildisziplinen der Psychologie eine Rolle – bis hin zur Arbeits- und Organisationspsychologie (vgl. z.B. Nossiter & Biberman 1990). Leider stehen dabei aber Arbeiten, die mit quantitativen Methoden arbeiten (z.B. Rübeling et al. im Druck) bislang meist unverbunden neben solchen, die mit tiefenhermeneutischen oder anderen qualitativen Methoden arbeiten. Für die künftige Forschung könnte es sich als fruchtbar erweisen, bei komplexen Fragestellungen die qualitative Analyse von Zeichnungen nicht nur mit weiteren qualitativen Verfahren zu verbinden (wie z.B. Darbyshire, MacDougall & Schiller 2005), sondern auch mit MixedMethods-Designs (vgl. Teddlie & Tashakkori 2009 und Schreier & Oda" in diesem Band) zu arbeiten, also Forschungsdesigns, in denen bei der Auswertung von Zeichnungen qualitative und quantitative Auswertungsverfahren miteinander kombiniert werden. Weiterführende Literatur Bohnsack, Ralf (2009). Qualitative Bild- und Videointerpretation. Opladen: Barbara Budrich. Cox, Maureen (2005). The pictorial world of the child. Cambridge, NY: Cambridge University Press. Marotzki, Winfried & Niesyto, Horst (Hrsg.) (2006). Bildinterpretation und Bildverstehen. Methodische Ansätze aus sozialwissenschaftlicher, kunst- und medienpädagogischer Perspektive. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
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Transkription
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Transkription 1
Entstehungsgeschichte und Relevanz
Transkription, im Sinne einer Abschrift von Gesprächen, wird schon seit langer Zeit praktiziert. Bereits in der Antike wurde der Verlauf von Gerichtsprozessen in Griechenland und Ägypten in schriftlichen Protokollen festgehalten (Palme 2002). Für eine wissenschaftliche Analyse von Gesprächsinhalten reichen jedoch in der Regel keine Zusammenfassungen. Es werden möglichst exakte Sprachdaten benötigt. Daher ist die Verwendung von Transkriptionen als empirisches Datenmaterial erst mit der Verfügbarkeit von (mobilen) Aufnahmegeräten möglich geworden. Das flüchtige Gespräch konnte erst durch die Aufzeichnung festgehalten und einer exakten Verschriftlichung und sorgsamen Analyse zugänglich gemacht werden. Carl Rogers nahm 1942 erste Tonaufnahmen von Psychotherapie-Sitzungen vor und transkribierte diese anschließend für die Analyse der so nachvollziehbar gewordenen Sitzungen. Weitere Transkriptionen im klinischen Bereich folgten bald. Bei Transkription geht es zunächst darum, „die flüchtige und flüssige Gestalt von Gesprächen und Diskursen dauerhaft in graphische Repräsentationen [zu] verwandeln“ (Dittmar 2004, S.9). Ziel einer Transkription ist es, dass als Audio- oder Videoaufnahme aufgezeichnete Ereignisse so dokumentiert werden, dass sie sowohl für Auswertungsverfahren genutzt als auch den Lesenden der wissenschaftlichen Auswertung zugänglich gemacht werden können (vgl. Breuer 2009, S.65). Den Prozess der Verschriftlichung beschreiben Kowal und O’Connell (2007, S.438) als „graphische Darstellung ausgewählter Verhaltensaspekte von Personen, die an einem Gespräch teilnehmen“. Wenn Kowal und O’Connell von „ausgewählten“ Verhaltensaspekten sprechen wird deutlich, dass es sich bei der Transkription nicht um eine passive Wiedergabe oder triviale Abschrift eines Sachverhalts, sondern um eine durch die Transkribierenden gesteuerte, aktive Herangehensweise an das aufgezeichnete Ereignis handelt. In vielen psychologischen Handbüchern sucht man leider zumeist vergeblich nach dem Begriff der Transkription. Und selbst in Bänden wie „Qualitative Psychology“ (Smith 2008), „Qualitative Research Methods for Psychologists“ (Fisher 2006) oder dem „Handbook of Qualitative Research in Psychology“ (Richardson 1996) bleibt es bei oberflächlichen Hinweisen, ohne den Prozess der Transkription genauer zu definieren. Bei Murray heißt es beispielsweise lapidar, Transkriptionen sollten soweit möglich Ausrufe, Pausen und Betonungen berücksichtigen (Murray 2008, S.120). Howitt und Cramer (2008, S.365) empfehlen, dass die Erstellung eines Transkripts idealerweise frei von Erwartungshaltungen des Forschenden erfolgen solle; ein Anspruch der, wie wir zeigen werden, so nicht erfüllt werden kann. Für ein wissenschaftliches Vorgehen bei der Transkription ist es unabdingbar, transparent zu machen, wie das jeweilige Transkript entstanden ist. Die Kriterien der Auswahl und
G. Mey K. Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie, DOI: 978-3-531-92052-8_50, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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die genutzten Notationszeichen1 werden in sogenannten Transkriptionsregeln zusammengefasst. Diese machen den Entstehungsprozess nachvollziehbar und diskutierbar. Seit den 1970er Jahren gibt es Ansätze für übergreifende Systeme zur Transkription (Ehrlich & Switalla 1976). Im angloamerikanischen Bereich wurde als erster allgemeinerer Ansatz die transaktionsanalytische Transkriptionsnotation (Jefferson 1972; Psathas & Anderson 1990), im deutschsprachigen Raum die halbinterpretative Arbeitstranskription (HIAT) entwickelt (Ehrlich & Rehbein 1976; vgl. Kowal & O’Connell 2007, S.439). Ein aktueller Überblick über verbreitete Transkriptionsregelsysteme findet sich in Dittmar 2004 (beachte dazu: Koch 2006 und Brünner 2002).
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Prämissen, Grundannahmen und Debatten
Die Transkription ist ein für die spätere Analyse sehr bedeutsamer und beeinflussender Transformationsprozess einer Audio- oder Videoaufzeichnung in eine Schriftform. Eine Transkription liefert kein vollständiges Abbild der aufgezeichneten Situation, sondern bedeutet immer eine Reduktion. Den Grad der Reduktion gilt es abzuwägen und geeignet zu bestimmen. Die Reduktion betrifft dabei mehrere Bereiche. Eine deutliche Reduktion stellt die Teil-Transkription des Materials dar. Diese Reduktion wird meist arbeitsökonomisch begründet. Es werden nach Hören des gesamten Materials lediglich jene Stellen komplett verschriftlicht, die für die Fragestellung als sinntragend eingeschätzt werden. Andere Teile des Materials werden thematisch zusammengefasst. Dieses Vorgehen kann jedoch aus mehreren Gründen als problematisch angesehen werden. Die Entscheidung für das Auslassen von Passagen setzt nämlich eigentlich schon einen Analysevorgang voraus; die Relevanz der Inhalte ist noch nicht bekannt. Denn die Selektion hängt vom (impliziten) Vorverständnis der Forschenden ab. Mit Blick auf die späteren Forschungsergebnisse bleibt unklar, auf welcher Grundlage die Reduktion des Materials vorgenommen wurde, und es mangelt an Nachvollziehbarkeit. Eine Teil-Transkription wäre dagegen dann angemessen, wenn man bestehende Erkenntnisse mit Beispielen unterlegen möchte. Für die Entwicklung einer im Datenmaterial begründeten Theorie ist die Eignung einer Teil-Transkription jedoch fraglich. Weitere Reduktionen erwachsen aus Entscheidungen über die Darstellung von Äußerungsmerkmalen. Dies bezieht sich nicht nur auf verbale Merkmale, sondern auch auf prosodische und paraverbale Äußerungsmerkmale wie den Stimmverlauf, Pausen, Zögerungslaute oder auf außersprachliche Merkmale wie Lachen oder Husten. Muss ein Räuspern abgetippt werden oder nicht? Werden Dialekte wiedergegeben? Wie wird die Betonung gekennzeichnet? Und welche Aspekte dürfen ausgelassen werden? Nach Kowal und O’Connell (2007, S.438) können prinzipiell folgende Aspekte festgehalten werden: Wortfolgen, lautliche Gestaltung (Tonhöhe, Lautstärke, prosodische Merkmale) und nichtsprachliches Verhalten (Lachen, Räuspern). Dafür ein Beispiel: Ein Klient wird befragt, ob er Angst vor der Arbeitslosigkeit empfinde. Er überlegt eine ganze Weile, schaut etwas betreten auf den Boden und antwortet ohne direkten Blickkontakt mit einem recht leisen „Nöö“. Eine rein inhaltliche Abschrift würde die Frage und die Antwort „Nein“ festhalten. Eine 1 Notationszeichen werden genutzt, um nicht-sprachliche Elemente wie Akzent, Betonung oder Pausen abzubilden. So kann beispielsweise eine Pause mit drei Punkten (...) oder mit einer Zeitangabe gekennzeichnet (2.5) werden. Die Betonung eines Wortes kann durch Unterstreichung, Fettschrift oder Großschrift symbolisiert werden.
Transkription
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Abschrift, die Pausen, Betonung und Verhalten berücksichtigt, enthält hingegen mehr Informationen. Dadurch wird offensichtlich, dass eine Transkription, die nur Wortinhalte verschriftlicht, weniger Kontextinformationen einbezieht. Gerade diese Kontextinformationen können bei der späteren Analyse und Interpretation als wichtige Unterstützung hinzugezogen werden. Nicht-sprachliche Elemente können notwendige Details zur Verständlichkeit des Textes liefern. Allerdings muss auch hier abgewogen werden, wie detailgenau nicht-sprachliche Elemente erfasst werden sollen. In dieser Abwägung spielt nicht nur der Arbeitsaufwand beim Erstellen der Transkripte eine Rolle, sondern auch die spätere Lesbarkeit, und damit deren Verwendbarkeit für die spätere Analyse. Während es sich bei den bisher erwähnten Reduktionen um weitgehend bewusste und methodisch begründbare Abwägungen handelt, sind bei der Transkription jedoch auch impliziten Prinzipien wirksam. Erst die Kenntnis dieser Prinzipien ermöglicht es, die Stärken und Schwächen des Terziärmaterials „Transkript“ einzuschätzen. So resultieren weitere Reduktionen in Abhängigkeit vom Erkenntnisinteresse und den impliziten Theorien der Forschenden sowie aus der prinzipiellen Sprachfixierung2 von Transkripten. Elinor Ochs (1979, S.44) prägte den oft zitierten Begriff von transcription as theory: Sie wies darauf hin, dass Transkription immer eine theoriegeleitete Selektion darstelle, die bestimmte Aspekte ausblende und weit über eine reine Dokumentation hinausgehe. Dadurch, dass die Selektion vor einem (zu bestimmenden) theoretischen Hintergrund geschehe, entstehe das Transkript nicht als reine Abbildung der Wirklichkeit, sondern als theoriegeleitete ReKonstruktion. Daher muss die Transkription nach Ochs selbst schon als Teil der Analyse angesehen werden. Die Transkription z.B. einer Tagesschau-Sendung würde sich, von Linguist/innen angefertigt, wahrscheinlich deutlich von einem sozialpsychologischen Transkript oder dem von Zeitungsreporter/innen unterscheiden. Neben dem Erkenntnisinteresse haben auch die impliziten Annahmen und Sprachgewohnheiten der Transkribierenden (also nicht unbedingt der Forschenden) einen maßgeblichen Einfluss auf das Transkript. Dies zeigt sich in einer Studie von Isabella Chiari (2006, 2007), die die Produktion von Fehlern in Transkripten genauer untersuchte und (jenseits von Rechtschreibfehlern) Einblick in die Art und Häufigkeit von Fehlern gibt: In einem Testtranskript mit 400 Aussagen wurde von den 20 nicht trainierten Proband/innen in nahezu jeder Aussage ein Fehler produziert. Am häufigsten handelt es sich hierbei um Ersetzungen (45%) und Auslassungen (43%). Bei Ersetzungen wurde beispielsweise die Aussage „profondo cambiamento“ (tiefgehende Veränderung) transkribiert als „grande cambiamento“ (große Veränderung). Bei Auslassungen wurde vor allem Funktionswörter (Artikel, Pronomen, Präposition, Konjunktion) nicht transkribiert. Eher selten waren Fehler durch Hinzufügung oder Verschiebung von Wörtern. Insgesamt wurde der Sachinhalt durch 46% der Fehler nicht verändert. Aber immerhin 37% der Fehler produzierten inhaltlich falsche Aussagen. Die Untersuchung zeigt, dass der gehörte Text nicht einfach eins zu eins übertragen, sondern von den Transkribierenden entlang eigener Wahrnehmungsmuster und Sprachgewohnheiten (re-) konstruiert wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tendenz, dass ein Fehler meist weitere Fehler nach sich ziehen kann, um die Kohärenz des Geschriebenen zu erhalten. Bei einem fälschlich als Singular erkannten Subjekt werden 2 Auch wenn Ansätze zur systematischen bildhaften Transkription visueller Daten existieren (Moritz 2009, Corsten, Krug, Moritz, 2010)), sind Transkriptionen in der Regel auf die Darstellung der Sprache und einiger nonverbaler Äußerungen „limitiert“.
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meist auch die darauf bezogenen Verben fälschlich im Singular konjugiert. Diese lexikalischen Ersetzungen lassen sich nach Chiari nicht durch schlechtes Zuhören erklären, sondern zeigen sich als schlüssige Konsequenz dessen, was die Transkribierenden wahrgenommen und verstanden haben (vgl. Voss 1984; Bond 1999). Insgesamt sei somit beim Transkribieren die Tendenz erkennbar, den gehörten Text anzupassen. Dies geschieht zur Reproduktion eines kohärenten Textes, zur Einhaltung schriftlicher Konventionen, zur Korrektur von Fehlern in den Aussagen der aufgenommenen Personen oder als Reaktion auf die logische Sprunghaftigkeit der spontanen Sprache (vgl. Chiari 2006, S.3). Diese Tendenz zur kohärenten Rekonstruktion des Gehörten untermauert den Appell von Bird (2005), eigene Transkripte sehr kritisch zu kontrollieren, die produzierten semantischen Fehler zu reflektieren und als Hinweise auf eigene Denkmuster und implizite theoretische Annahmen zu nutzen. Um dieser Problematik zu begegnen, ist es sinnvoll, die Reflektion in einer Forschungsgruppe vorzunehmen. Volpert (1996) spitzte diese Problematik weiter zu. Er machte deutlich, dass nicht nur implizite Annahmen das Transkript beeinflussen, sondern auch die Schwierigkeit, auf das Medium Text begrenzt zu sein. Dies erfordere einen hohen Abstraktionsgrad, der bei „normalen“ Transkripten nicht bewusst sei. Volpert begegnete diesem Problem bei der Transkription eines Interviews mit einer Person, die aufgrund ihrer Schwerhörigkeit eine phonologisch, syntaktisch und semantisch fehlerhafte Sprache nutzte. Die Aussagen wurden nur unter der Beachtung von Mimik und Gestik verständlich. Volpert wurde deutlich, dass dem normalen Verständnis von Sprache viele implizite Annahmen zugrunde liegen, die sich nur schwer schriftlich abbilden lassen. „Das soziale Geschehen ist Voraussetzung für den Text, ist aber nicht eindeutig rückübersetzbar (man stelle sich vor, Schauspieler würden beauftragt, den Text interaktiv-handelnd wiederzubeleben). Die Verschriftlichung ist eine weitgehende Abstraktion und Konstruktion des Geschehens. Der Abstraktionsgrad mag unterschiedlich ausgeprägt sein, je nach Situation und gewähltem Notationsverfahren. Das So-tun-als-ob der Gleichsetzung des Textes mit dem ursprünglichen Geschehen erweist sich nur zu leicht als illusionäres Unterfangen. Es scheint angemessen, das Transkript als eine Heuristik zur Generierung von Les- und Verstehensarten aufzufassen, dessen Relativität als konstitutiven Bestandteil aller Schritte des Forschungsprozesses anzuerkennen“ (Volpert 1996, S.137).
Transkription ist und bleibt immer eine Informationsreduktion. Es ist nicht möglich, die aufgezeichnete Situation vollständig in eine schriftliche Form zu überführen. Aber egal, für welchen Genauigkeitsgrad man sich nun entscheidet, das Transkribieren ist ein zeitaufwändiger Prozess (vgl. Kuckartz, Dresing, Rädiker & Stefer 2008, S.29), der je nach Form durchaus das sechs- bis 20-fache der eigentlichen Aufzeichnungsdauer beanspruchen kann. Daher wird „diese Teiltätigkeit der wissenschaftlichen Beschäftigung mit sozialen Interaktionen vor allem als lästig, weil zeitraubend und anstrengend, beurteilt. Man sieht die Notwendigkeit zwar ein, versucht aber, diese Bürde so schnell wie möglich hinter sich zu bringen“ (Volpert 1996, S.135). Vor diesem Hintergrund stellt sich bei einer Transkription immer die Frage, ob diese von den Forschenden selbst vorgenommen wird oder ob es angemessen ist, die Transkription von (angelernten) Dritten durchführen zu lassen. Für eine externe Transkription sprechen in Anbetracht des Zeitaufwandes vor allem forschungsökonomische Gründe. Für eine selbst durchgeführte Transkription spricht der Erkenntnisgewinn aus der direkten Auseinandersetzung mit dem Material und der Reflektion der impli-
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ziten Annahmen. In diese Richtung argumentiert auch Bird (2005), die in ihrem Artikel mit dem vielsagenden Titel „How I Stopped Dreading and Learned to Love Transcription“ die Erfahrung beschreibt, dass die Transkription wichtige Einblicke in den Text liefere und dass der Transkriptionsprozess die interpretativen, analytischen und theoretischen Muster der Transkribierenden sichtbar mache (Bird 2005). Transkription ist also bereits Teil des Verstehensprozesses und damit Teil der Analyse und Auswertung. Durch die Reflexion des Transkriptionsprozesses lassen sich eigene, implizite theoretische und analytische Grundannahmen aufdecken. Forschende, die selbst transkribieren, erhalten somit ein deutlich tieferes Verständnis des Materials.
3
(Anforderungen an) Transkriptionssysteme
Die Gesamtheit der Entscheidungen, welche Aspekte festgehalten werden, bezeichnet man als Transkriptionssystem oder auch Transkriptionsregel. Diese müssen bestimmt, festgehalten und dadurch transparent gemacht werden. Folgende Merkmale, sollten bei der Entwicklung eines Transkriptionssystems abgewogen werden (vgl. Dittmar 2004, S.86ff.): 1.
2. 3.
4. 5.
Grundlegendes Design3 Zeitliche Ordnung: Werden die Redebeiträge sequenziell, zeilenweise abwechselnd (wie in einem Theater-Skript) oder mit je einer Zeile pro Sprecher/in wie in einem Notenblatt angeordnet (Partiturschreibweise). Transkriptionskopf: Welche Information wird in den ersten Zeilen, noch vor dem Transkriptionstext, festgehalten? Zum Beispiel: Interviewer/in, Befragte/r, Ort, Datum, Dauer, Name der Audio-Datei, Datum der Transkription, Lektor/in, Besonderheiten, Gedächtnisprotokoll u.v.m. Abbildung des Redebeitrags Verbale Elemente: Wie werden Sprecher/innen gekennzeichnet (z.B. Interviewer/in oder TN1m)? Wie werden Sprecher/innenwechsel gekennzeichnet? Wie werden Wortoder Satzabbrüche und Unterbrechungen gekennzeichnet? Wie werden Passagen gekennzeichnet, in denen mehrere Personen gleichzeitig sprechen? Wie werden Wörter segmentiert, wird z.B. ein dialektisches „kannse“ als schriftdeutsches „kann sie“ geschrieben? Werden Rezeptionssignale und Fülllaute („hm“, „äm“) transkribiert? Prosodische Phänomene: Wie werden Tonhöhe, Akzente, Betonung, Dehnung, Lautstärke, Sprechtempo, Pausen berücksichtigt? Nonverbale Ereignisse: Wie werden Husten, Seufzen, hörbares Atmen, Weinen, Telefonklingeln und andere (akustische) Ereignisse während der Aufnahme gekennzeichnet?
Aus diesen vielfältigen Kriterien sollte nach Kowal und O’Connell (2007) entlang von fünf zentralen Überlegungen ausgewählt bzw. festgelegt werden
3 Die Frage nach der Transliteration, also dem Zeichensystem, wird hier vernachlässigt, da eine phonetische Transkription in der Regel nur im linguistischen Fachkontext wichtig ist.
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die zu transkribierenden Verhaltensmerkmale (diese werden vom spezifischen Forschungsobjekt bestimmt); die Notationszeichen (abgewogen vor dem Hintergrund der verfügbaren Zeichen und der Lesbarkeit des Transkripts); das Transkriptformat für die räumliche Anordnung der zeitlichen Abfolge von Gesprächsbeiträgen (also die Entscheidung zwischen der gut les- und druckbaren Zeilenschreibweise oder der Partiturschreibweise, die die Abfolge und Überlagerung von Redebeiträgen abbilden kann); die Fähigkeiten, die die Anwendung des Transkriptionssystems von den Transkribierenden erfordert (hier müssen die zeitlichen und personellen Ressourcen des Forschungsteams mit der benötigten Detailgenauigkeit abgeglichen werden) und die Fähigkeiten, die das Lesen der Transkripte bei verschiedenen Lesenden (z.B. Laie/Laiin, Linguist/innen, Anthropolog/innen) voraussetzt.
Und auch wenn die 1. Überlegung, also die Frage nach dem jeweiligen Forschungsgegenstand für die Entwicklung eines geeigneten Transkriptionssystems zentral ist, nennt auch Ehrlich (1993) weitere Grundsätze für die Entwicklung von Transkriptionssystemen wie Einfachheit und Validität, gute Lesbarkeit und Korrigierbarkeit sowie geringer Trainingsaufwand für Transkribierende und Transkript-Benutzende. Kowal und O’Connell (2003) empfehlen zudem, im Transkript nur die Elemente zu berücksichtigen, die auch tatsächlich in der Auswertung genutzt werden, denn: je genauer ein Transkript abgefasst wird, desto problematischer wird es bezüglich der intra- und intersubjektiven Reliabilität. Reliabilität erreicht man eher durch einfache, „flache“ Transkription (vgl. Breuer 2009, S.253). Auch Ochs (1979, S.44) plädiert für eine selektive Transkription des Materials. Dem Anspruch auf Lesbarkeit und Einfachheit des Transkripts steht jedoch der Anspruch entgegen, die aufgezeichnete Situation möglichst umfassend darzustellen und somit keine potenziell wichtigen Details unter den Tisch fallen zu lassen: „In praktischer Hinsicht sind einfache Lesbarkeit auf für Laien und schnelle Erlernbarkeit ... wünschenswert, aus gegenstandsbezogen-theoretischen Gründen wünscht man sich dagegen Umfassendheit, Präzision und Repräsentation formbezogener Parameter, die das akustische Geschehen möglichst interpretationsarm und isomorph wiedergeben“ (Deppermann 2008, S.41). Im Bereich der qualitativen Sozialforschung hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte eine Reihe von Transkriptionssystemen etabliert.4 Diese können sehr detailreich sein und in den Transkripten auch mikrosprachliche Details, nonverbale Äußerungen und Sprecher/innenüberlappungen festhalten, wie bspw. bei HIAT, der Gesprächsanalytische Arbeitstranskription (GAT) oder nach der Diskursdatenbank (DIDA). GAT beispielsweise stellt ein Zeicheninventar für Pausen, Intonation, Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit, Akzente, Rhythmus und nonvokale Phänomene zur Verfügung.5 Die Detailgenauigkeit lässt sich hierbei über die Differenzierung zwischen Grob- und Feintranskripten variieren. Folgende Notationszeichen werden unter anderem genutzt (vgl. Selting u.a. 1998):
4
In Dittmar (2004) findet sich dazu ein guter Überblick. Ein interaktives Tutorial zu GAT (in Arbeit) von Pia Bergmann und Christine Mertzlufft findet sich unter http://paul.igl.uni-freiburg.de/GAT-TO/. 5
Transkription
(.) (-), (--), (---) :, ::, ::: äh, öh, etc. akZENT ak!ZENT! , -
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Mikropause kurze, mittlere, längere bis ca. 1 Sek. Dehnung, je nach Dauer Verzögerungssignale, sog. „gefüllte Pausen“ Primär- bzw. Hauptakzent extra starker Akzent mittel steigende Tonhöhenbewegung (Einheitenende) gleichbleibende Tonhöhenbewegung (Einheitenende)
Ein Basistranskript nach GAT könnte (unter Verzicht auf einen Transkriptionskopf) folgende Darstellung haben (entnommen aus Egle 2009, S.1): 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11
S1: ja:; (.) die VIERziger generation so;= =das=s: !WA:HN!sinnig viele die sich da ham [SCHEIden S2: [ja; S1: lasse[n.= S2: [hm, S1: =oder scheiden lassen ÜBERhaupt. S2: hm, (--) S1: heute noch(2.1) s=is der UMbruch.
Kuckartz et al. (2009, S.27) formulieren dagegen „bewusst einfache und schnell erlernbare Transkriptionsregeln“, die die Sprache deutlich „glätten“ und den Fokus auf den Inhalt des Redebeitrages setzen. Ein Transkript nach diesem Regelsystem hätte folgendes Erscheinungsbild (S.28): „B7: Ich habe also, ich habe eine Lerngruppe mit einem Freund. Das heißt, ich erkläre ihm alles zweimal und dann sitzt es bei mir auch. Und dann noch, ja, habe ich mich noch mal mit, mit einem aus meiner Arbeitsgruppe da von Statistik getroffen I: Und wie fühlst du dich dabei? Also, hast du positive oder negative Einstellungen gegenüber der Statistik oder (...) B7: Ich mag das ganz gerne. Hätte ich am Anfang auch nicht gedacht, aber ich mochte auf Mathe, und deshalb finde ich das ganz okay.“
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Technische Hinweise für die Durchführung
Eine wichtige Vorbereitung zur Transkription findet noch vor der Durchführung der Interviews bzw. des Gesprächs statt: die Wahl eines geeigneten Aufnahmegerätes und Datenformates. Früher gab es Kassettenrekorder, dann die MiniDisc mit externem Mikrofon, und heute sind es digitale Aufzeichnungsgeräte. Hier ist zwischen Diktiergeräten und Aufnahmegeräten zu unterscheiden: Digitale Diktiergeräte und das damit verbundenen DSS Daten-
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format (in Mono)6 sind nicht zu empfehlen, da die Qualität und Verständlichkeit der Aufnahmen deutlich reduziert ist. Hingegen gibt es mittlerweile viele digitale Aufnahmegeräte verschiedener Hersteller, die sich für Einzel- und Gruppeninterviews sehr gut eignen. 7 Ist die Aufnahme dann erstellt, wird sie auf den Computer übertragen. Zum Abhören wird neben dem Kopfhörer natürlich auch eine Abspielsoftware benötigt. Standard-Player wie der Windows-Mediaplayer oder Quicktime sind aber ungeeignet, da ihnen wichtige Funktionen zur Transkription fehlen. Bei der Transkription am Computer unterstützt daher eine spezielle Transkriptionssoftware den Prozess des Abtippens. Sie ermöglicht die Verlangsamung der Wiedergabegeschwindigkeit und besitzt ein automatisches Rückspulintervall, das die Aufnahme um einige Sekunden zurückgespult, um beim Wiedereinstieg ein gutes Anknüpfen an das vorher Gehörte zu ermöglichen. Schließlich ist mit ihr auch die Bedienung über systemübergreifende Tastenkürzel oder Fußschalter möglich, und das erspart im Gegensatz zur Nutzung mit der Maus einiges an Zeit. Eine weitere neue Funktionalität, die Transkriptionssoftware anbieten kann, ist die Möglichkeit, den transkribierten Text mit Zeitmarken zu versehen und mit dem Audio- oder Videomaterial zu synchronisieren. Das bedeutet, dass im Transkript Zeitinformationen eingefügt werden, deren Anklicken ein sofortiges Abspielen der Originalaufnahme bewirkt; so gelingt in wichtigen Passagen eine leichte Überprüfung anhand des Originalmaterials. Die Bedienung von Transkriptionsprogrammen ist in der Regel sehr einfach, im Fall der Software f48 reicht die Nutzung der Taste „F4“, um die Wiedergabe zu starten, zu pausieren oder kurz zurückzuspulen. Bei einer Transkription am Computer liegt die Frage nach der Nutzung von Spracherkennungssoftware nahe. Grundsätzlich soll Spracherkennungssoftware gesprochene Sprache automatisiert in Schriftform überführen. Sie muss vor der ersten Nutzung aber in der Regel zunächst auf die Stimme einer Person trainiert werden, um einigermaßen akzeptable Ergebnisse zu liefern. Problematisch wird es, wenn mehr als eine Person oder unbekannte Personen auf der Aufnahme zu hören sind. Hier kann Spracherkennung nicht zwischen mehreren Sprechenden differenzieren. Zudem ist Spracherkennungssoftware auf eine hochdeutsche und exakte Aussprache angewiesen und nicht auf Dialekt, gleichzeitiges Sprechen oder zögerliches Sprechen mit Planungspausen angepasst. Und leider ist es ihr auch nicht möglich, bestimmte Annotationen für nonverbale Elemente wie Husten oder Lächeln oder besondere Betonung zu übernehmen. Kurz gesagt: Spracherkennung hilft nur eingeschränkt bzw. unter sehr spezifischen Bedingungen bei der Transkription von Interviews und Gesprächen (siehe dazu eine Studie von Dresing, Pehl & Lombardo 2008). Nach dem DelphiReport des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung wird Spracherkennungssoftware, die Nutzende auch ohne Training erkennen kann und dabei eine Trefferquote von mehr als 90 Prozent erreicht, frühestens ab 2016 einsatzfähig sein (Cuhls & Kimpeler 2008, S.11).
6 Der „Digital Speech Standard“ (DSS) ist ein Dateiformat mit Fokus auf Diktate mit einer kleinen Dateigröße, vorrangig zum einfachen E-Mail-Versand. Durch die damit verbundene Komprimierung wird leider auch die Wiedergabequalität minimiert. 7 Im Preisbereich von 80 bis 200 Euro sind viele Angebote erhältlich, eine umfassende Übersicht und Beschreibung findet sich auf http://www.audiotranskription.de/. 8 Die Autoren haben die kostenfreie Transkriptionssoftware f4 entwickelt, die genau diese Funktionen anbietet. Der Download ist auf http://www.audiotranskription.de/ möglich. Einen weiteren Überblick über aktuelle Transkriptionsprogramme gibt das Gesprächsanalytische Informationssystem des Institutes für Deutsche Sprache in Mannheim, siehe http://prowiki.ids-mannheim.de/bin/view/GAIS/TranskriptionEditoren.
Transkription
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Stärken, Schwächen und Desiderata
Die Vorzüge einer Transkription sind offensichtlich, und eine Verschriftlichung herzustellen ist mittlerweile eine – mehr oder weniger unhinterfragte – Selbstverständlichkeit in der qualitativen Forschung. Der schnelle Zugriff, die gemeinsame Arbeit an einem Transkript, der Rückbezug von vergebenen Kodes zu Textstellen (die Nutzung entsprechender Auswertungsprogramme vorausgesetzt) sind alltagspraktisch; und ganz wichtig: sie dienen der Transparenz für die Auswertung und damit der Güte der gesamten Forschungsarbeit. Die zuweilen unhinterfragte Omnipräsenz von Transkripten lässt vergessen, dass sie auch reflexionsbedürftige Artefakte sind, die nicht mit den dahinterstehenden Aufzeichnungen (dem Gesprochenen in Interviews oder Gruppendiskussionen, ebenfalls Artefakten) gleichgesetzt werden dürfen; beide verweisen nur auf die leibgebundenen Interaktionen, auf die sich letztlich unsere Auswertungen beziehen. Es wäre notwendig, den Umgang mit Transkripten im Forschungsalltag viel häufiger zur Gegenstand der Reflexion zu machen als es gemeinhin in der Forschungspraxis passiert. Entsprechend lassen sich einige Fragen herausheben, die Forschungsbedarf beinhalten: Welcher Detailgrad ist bei welchen Forschungsvorhaben wirklich notwendig, und welche Inhalte können unbedenklich ausgelassen werden? Haben Transkripte, die nach unterschiedlichen Regelsystemen erstellt wurden, einen wesentlichen Einfluss auf das Forschungsergebnis? Welche Unterschiede ergeben sich, wenn man selbst transkribiert oder diese Arbeit durch Projektfremde durchführen lässt? Wann wäre es vertretbar (oder wie technisch realisierbar), auf ein Transkript komplett zu verzichten und nur mit den Audiooder Videodaten zu arbeiten, oder bietet die Kombination aus schriftlichem Transkript und sofort verfügbarer „Originalquelle“ eine praktikable Verbesserung der Validität?
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Udo Kuckartz & Stefan Rädiker
Udo Kuckartz & Stefan Rädiker
Computergestützte Analyse (CAQDAS) 1
Entstehungsgeschichte, historische Relevanz und disziplinäre Einordnung
Mitte der 1980er Jahre, als mit der Entwicklung des Personal Computers völlig neue technische Möglichkeiten entstanden, haben Computer auch Einzug in den Forschungsalltag von qualitativ Forschenden gehalten. Die Schnelligkeit von Computern und die Fähigkeit, nahezu unbegrenzt Daten speichern und sehr effektiv organisieren zu können, machte die Nutzung von Computersoftware auch für die qualitative Forschung attraktiv. Unter dem Stichwort CAQDAS (Computer Assisted Qualitative Analysis Software) entstand ein äußerst kreatives neues Forschungs- und Entwicklungsfeld: Weltweit wurde Software für die Auswertung qualitativer Daten entwickelt, wie z.B. Aquad, Atlas.ti, GABEK/WinRelan, Hyper Research, The Ethnograph, MAXQDA/Winmax, NVivo/Nudist (vgl. Fielding & Lee 1998; Weitzman & Miles 1995).1 Diese Programme, für die sich inzwischen die Bezeichnung „QDA-Software“ eingebürgert hat, fanden nach und nach Eingang in die Praxis und gehören heute quasi zu den Standardwerkzeugen qualitativ-empirischer Forschung. Wurde QDA-Software noch in den 1990er Jahren überwiegend in der Soziologie und der Erziehungswissenschaft eingesetzt, so gehören mittlerweile auch immer mehr Psychologinnen und Psychologen zu den Anwender/innen. Denn dort, wo qualitative, psychologische Forschung stattfindet (vgl. z.B. die zahlreichen Artikel aus der Psychologie in der Open-Access-Zeitschrift FQS2), kann auch QDA-Software gewinnbringend eingesetzt werden. QDA-Software selbst hat im Verlauf des mittlerweile zwanzig Jahre umfassenden Entwicklungszeitraums einen großen Veränderungsprozess durchgemacht. Waren es in den Anfängen noch sehr einfache Verfahren des Kategorisierens und Wiederfindens (code and retrieve), die sich mit den ersten Programmen wie The Ethnograph, MAX, Textbase Alpha oder Atlas.ti realisieren ließen (vgl. Kelle 1995), so sind im Laufe der Zeit immer komplexere Funktionen hinzugekommen bis hin zur grafischen Modellbildung, zur Visualisierung von Analyseergebnissen und zur synchronen Betrachtung von Transkriptionen und Videobzw. Audioaufnahmen. Zunehmend haben einerseits informationswissenschaftliche Techniken (z.B. Boolesche Algebra zum Wiederfinden von Textstellen, automatische Kodierung, komplexe Suche nach Überschneidungen von Codes, komplexere Datenformate, Audio- und Video) Eingang in die Software gefunden, andererseits auch sozialwissenschaftliche Methoden, die von der 1 Abschnitt 7 enthält eine Übersicht über die derzeit gebräuchlichen QDA-Programme, von denen größtenteils auch Demoversionen verfügbar sind, sodass man sie bei Interesse auf Funktionalität und Eignung testen kann. 2 http://www.qualitative-research.net/
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Computergestützte Analyse (CAQDAS)
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Grounded-Theory-Methodologie über die qualitative Inhaltsanalyse und Diskursanalyse bis zur Typenbildung reichen (Kuckartz 2009; Kuckartz, Grunenberg & Dresing 2007). Die Leistungsfähigkeit heutiger QDA-Programme ist sehr unterschiedlich. Aufgrund des in diesem Bereich bestehenden hohen Innovationstempos ist es aber wenig sinnvoll, an dieser Stelle Vergleiche vorzunehmen, wären diese doch bei Drucklegung des Handbuchs wahrscheinlich schon veraltet. Ein relativ aktueller Überblick findet sich bei Lewins und Silver (2009), ältere Vergleiche bei Creswell und Maietta (2002) sowie Alexa und Züll (1999). Weltweit führend sind derzeit die Programme Atlas.ti, MAXQDA und NVivo, die ein breites Spektrum von Funktionen beinhalten. Alle drei Programme sind für WindowsBetriebssysteme konzipiert und in verschiedenen Sprachversionen (deutsch, englisch, spanisch, japanisch etc.) verfügbar. Es existieren auch einige kostenfreie Programme, die aber ein deutlich reduziertes Funktionsspektrum aufweisen, Open-Source-Software im eigentlichen Sinn eines von vielen getragenen Entwicklungsprojektes mit offen vorliegendem Quelltext gibt es bislang nicht.
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CAQDAS: Eigenständige Methode oder neutrales Werkzeug?
Für die klassische Inhaltsanalyse formulierte Berelson den Satz: „Die Inhaltsanalyse steht und fällt mit ihren Kategorien“ (Berelson 1952, S.147). Ähnliches lässt sich auch für die computerunterstützte Analyse qualitativer Daten formulieren: Sie steht und fällt mit dem Prinzip der Segmentierung und Kategorisierung von Texten bzw. Textabschnitten. Basierend auf diesem Grundprinzip haben sich im letzten Jahrzehnt sehr vielfältige Techniken und Verfahren entwickelt, ganz ähnlich wie in der sozialwissenschaftlichen Statistik, wo die Ideen von Mittelwert und Varianz als Bezugsgrößen und des linearen Zusammenhangs von Variablen zwar zentral sind, aber ein sehr vielfältiges Bild von unterschiedlichen Verfahren darauf aufbaut. Anders als bei Statistik-Software, wo die Software die Analyse durchführt und die Forschenden nur noch die Aufgabe haben, die errechneten Parameter und Koeffizienten zu interpretieren, sind es bei QDA-Software weiterhin die Forschenden, die die Daten analysieren. Die QDA-Software analysiert nicht selbsttätig und automatisch, sondern erbringt vornehmlich eine Unterstützungs- und Systematisierungsleistung. Seit längerem existiert ein Diskurs um den methodischen Stellenwert von CAQDAS, konkreter: Handelt es sich hierbei um eine eigenständige Methodik oder „lediglich“ um ein neutrales Werkzeug? Die „Werkzeug-Position“ betont die Qualitätsverbesserung und die neuen analytischen Möglichkeiten durch QDA-Software (Gibbs, Friese & Mangabeira 2002; Morison & Moir 1998; Richards & Richards 1994) und verweist darauf, dass die Software die Nutzenden keineswegs auf ein bestimmtes methodisches Paradigma festlege (vgl. Weitzman 2000, S.803). Man könne die Software so oder so benutzen, ja sogar als Literaturverwaltungsprogramm zweckentfremden. Die Kritiker/innen der Werkzeug-Position bezweifeln den Zuwachs an Analysemöglichkeiten auch gar nicht, befassen sich aber nicht mit der Mikroebene der Analyse im einzelnen Forschungsprojekt, sondern wechseln mit ihrer Argumentation auf eine andere Ebene, nämlich auf die einer Art Gesamtsicht qualitativer Forschung. Sie hegen vor allem die Befürchtung einer Verengung des Methodenspektrums durch den Softwareeinsatz (Agar 1991; Coffey, Holbrook & Atkinson 1996; Seidel 1991): Der Charakter eines neutralen
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Udo Kuckartz & Stefan Rädiker
Werkzeugs sei nur bei oberflächlicher Betrachtung gegeben, in Wirklichkeit beinhalte QDA-Software eine Art hidden curriculum, das die Forschenden, von ihnen selbst weitgehend unbemerkt, in eine bestimmte Richtung führe (Brown 2002; Coffey et al. 1996; Seidel 1991). Solche Warnungen vor vermeintlichen Gefahren des Arbeitens mit QDA-Software wurden vor allem in den 1990er Jahren recht häufig diskutiert (vgl. Coffey et al. 1996; Lee & Fielding, 1996; Kelle 1997), mittlerweile ist die Diskussion etwas abgeflaut. Grundsätzlicher ist die Position von Glaser (2003) sowie Roberts und Wilson (2002). Sie sehen prinzipielle Gegensätze zwischen der Logik des Computers und qualitativer Forschung: „Computer techniques of logic and precise rules are not compatible with the unstructured, ambiguous nature of qualitative data and so it may distort or weaken data ... or stifle creativity“ (Roberts & Wilson 2002, Abs.21). Entgegen allen Befürchtungen (Barry 1998; Coffey et al. 1996; Hinchcliffe, Crang, Reimer & Hudson 1997) hat aber bis heute keine Homogenisierung qualitativer Methoden durch QDA-Software stattgefunden. Zwar korrespondiert die Logik von CAQDAS möglicherweise besser mit solchen Formen der qualitativen Datenanalyse, die auf Kodierung abstellen, aber auch sequenzanalytische Vorgehensweisen können gewinnbringend computerunterstützt umgesetzt werden.
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Analysemöglichkeiten heutiger QDA-Software
QDA-Software gibt Forschenden der Psychologie eine Vielzahl an Funktionen an die Hand, die baukastenartig miteinander kombiniert werden können, um eine der jeweiligen Forschungsfrage angemessene Analyse zu ermöglichen. An dieser Stelle sollen die für die qualitative Psychologie wichtigsten Funktionen vorgestellt werden; einen umfassenden Einblick in die gesamte Bandbreite des Funktionsangebots von QDA-Software bietet Kuckartz (2009). Datenmanagement: In QDA-Software lassen sich verschiedene Datenarten importieren. Standardmäßig können Texte im Rich-Text-Format gelesen werden, einige Programmpakete können auch Word- und PDF-Dateien verarbeiten, sodass beliebige Formatierungen der Texte wie unterschiedliche Schriftarten und Zeilenabstände, aber auch Tabellen in den Texten für die Analyse erhalten bleiben. Zunehmend mehr Softwarepakete ermöglichen, Bilder zu importieren, und es lassen sich ganze Grafiken oder Bildbereiche mit Schlagwörtern versehen und in die Analyse integrieren. Programme wie INTERACT, Studiocode oder Transana sind speziell für die Bearbeitung von Videomaterial konzipiert, sodass auch der computergestützten Analyse der Gestik in Berater/innen-Klient/innengesprächen heutzutage nichts mehr im Wege steht.3 Es gibt mehrere Möglichkeiten, vorhandene Daten in die QDA-Software zu übertragen. Neben dem einfachen Import vorhandener Dateien per Drag-and-drop mit der Maus lassen sich auch Texte von Webseiten über die Zwischenablage in die Software hineinkopieren. Zudem können strukturierte Excel-Dateien z.B. mit den offenen Antworten aus einer standardisierten Befragung eingelesen werden. 3 Die Funktionalität der genannten Programme ist im Wesentlichen nur auf die Bearbeitung von Videos ausgerichtet, dieser Beitrag fokussiert jedoch Programme, deren Schwerpunkt auf der Textanalyse liegt. Für weitere Informationen zu den Videoanalyse-Programmen sei an dieser auf deren Internetseiten verwiesen: http://www. mangold-international.com/, http://www.studiocodegroup.com/, http://www.transana.org/.
Computergestützte Analyse (CAQDAS)
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Die verschiedenen Daten können nach dem Import mithilfe der QDA-Software verwaltet werden, d.h. sie lassen sich gruppieren, sortieren und löschen, und einzelne Texte können jederzeit im Analyseprozess editiert werden. Meist sind die Daten übersichtlich in einer Baumstruktur angeordnet, die vom Aussehen und von der Funktionalität her dem Windows Explorer und dem Macintosh Finder ähnelt. Mit einfachem Doppelklick auf ein Textdokument, ein Bild oder ein Video wird dieses geöffnet und steht so in Sekundenschnelle für die Analyse zur Verfügung – ohne dass man lange auf der Festplatte nach der gewünschten Datei suchen muss. Kategorienmanagement: Kategorien stellen ein zentrales analytisches Mittel in zahlreichen sozialwissenschaftlichen Analysestilen wie etwa der Grounded-Theory-Methodologie oder der qualitativen Inhaltsanalyse dar (vgl. die entsprechenden Kapitel in diesem Buch). Gemeinsam ist den verschiedenen kategorienbasierten Vorgehen, dass ein Text durch Strukturierung und Segmentierung der Analyse zugänglich gemacht wird. Praktisch sieht die Arbeit mit einer QDA-Software in der Regel so aus, dass die Forschenden eine ausgewählte Textstelle mit der Maus markieren, die markierte Textstelle mit der Maus auf eine Kategorie ziehen und dieser dadurch zuordnen. Die QDA-Software visualisiert die vorgenommene Kodierung dann am Rand des Textes. Alternativ kann man den Text auch mit einem elektronischen Textmarker einfärben und auf diese Weise einer Kategorie zuordnen. Die Kategorien werden in QDA-Programmen meist als Codes bezeichnet und den Vorgang, eine Textstelle einem Code zuzuordnen bzw. einen Code für eine Textstelle zu generieren, nennt man dementsprechend kodieren. Ihren großen Vorteil kann die computergestützte Analyse ausspielen, wenn es nun darum geht, die zu einem Code zugeordneten Textstellen wiederzufinden und anzuzeigen. Während man in einem Text auf einem „realen“ Papier lange suchen müsste, bis man alle zugehörigen Passagen einer Kategorie zusammengestellt hat, präsentiert die QDA-Software die Ergebnisse nach wenigen Mausklicks und offeriert bspw. für eine Interviewstudie mit 20 Teilnehmenden alle dem Code „Risikobereitschaft“ zugeordneten Textstellen übersichtlich in einer Liste. QDA-Software erlaubt neben diesem sogenannten einfachen TextRetrieval auch komplexe Text-Retrievals, die ein sehr hohes analytisches Potenzial besitzen. So lassen sich etwa Überschneidungen von Kodierungen aufspüren oder es können nur die Kodierungen angezeigt werden, die wahlweise innerhalb, außerhalb oder in der Nähe einer Kodierung mit einem ausgesuchten Code liegen. In der QDA-Software können die Codes als Liste mit verschiedenen Hierarchieebenen, in einigen Programmen auch als Netzwerkstruktur, angelegt werden. Das Kategoriensystem kann dynamisch während der Analyse angepasst werden, und ähnlich wie die Texte lassen sich auch die Codes gruppieren, ausdifferenzieren oder von einem Projekt in das nächste übernehmen. Memos: Neben den Kategorien stellen Memos ein weiteres zentrales Hilfsmittel dar, das von vielen Forschenden sehr häufig genutzt wird und insbesondere in der GroundedTheory-Methodologie einen zentralen Stellenwert besitzt (vgl. Corbin & Strauss 2008, S.117ff.). Wie kleine Post-it-Zettel kann man Memos in der QDA-Software an beliebige Textgruppen, Texte, Textpassagen oder auch Codes anheften. In Form eines formatierten Textes können Forschende in den Memos ihre Notizen, Ideen und Theorieentwürfe festhalten, eine Zusammenfassung eines Falls speichern oder auch Widersprüche im Datenmaterial kennzeichnen. Die Memos sind jederzeit abrufbar, können ergänzt und verändert werden. Es lassen sich zahlreiche verschiedene Memotypen unterscheiden, z.B. Theorie-Memos für
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erste Theorieentwürfe oder Code-Memos für Kategoriendefinitionen und entsprechende Ankerbeispiele. Memos übernehmen also eine analytische oder eine Gedächtnis-Funktion und es besteht sogar die Möglichkeit, für eine bessere Übersicht unterschiedlichen MemoTypen unterschiedliche Symbole zuzuordnen. Die Memos können verschoben, kopiert, durchsucht und tabellarisch dargestellt werden, sodass sie bei Bedarf als eigenständiges Datenmaterial für Analysen bereitstehen. Suchfunktionen: QDA-Programme stellen zahlreiche Möglichkeiten der informationswissenschaftlichen Exploration des Datenmaterials zur Verfügung, die vor dem ComputerZeitalter gar nicht denkbar schienen. Forschende können heutzutage in Texten und bei Bedarf auch in Memos nach beliebigen Zeichenketten, Worten oder auch Wortkombinationen verknüpft durch Boolesche Operatoren suchen. Dabei spielt es aufgrund der fortschreitenden Leistungsfähigkeit der Computer kaum eine Rolle, ob in zehn oder 1.000 Texten gesucht wird. Als Ergebnis der Suche präsentiert die QDA-Software eine Liste der Fundstellen, die per Mausklick angezeigt werden. Alternativ eröffnet die computergestützte Analyse die Option, eine sogenannte Keyword-in-Context-Liste zu erstellen, die für einen Suchbegriff alle Fundstellen und den sie umgebenden Text in vordefinierter Länge enthält und so ermöglicht, das semantische Umfeld eines ausgewählten Begriffs zu explorieren. Für die vertiefende Analyse besonders interessant ist zudem die Funktion, die Suchergebnisse und wahlweise auch den umgebenen Satz oder Absatz automatisch einem Code zuzuordnen. Im Sinne eines „Text Mining“ kann man mit dieser Funktion gestufte Analysen durchführen und zunächst relevante Begriffe wie etwa „Angst“ oder „Entspannung“ festlegen, dann mit der automatischen Kodierung jeweils alle Absätze, in denen der Begriff vorkommt, identifizieren und einem geeigneten Code zuordnen und schließlich die kodierten Absätze einer detaillierten Analyse unterziehen. Variablen: QDA-Programme erlauben es, zu jedem Fall (also zu jedem Text, jedem Bild etc.) standardisierte Informationen in einem Datensatz von Variablen zu speichern. Viele standardisierbare Angaben liegen bereits vor Beginn einer Analyse vor und können zusammen mit den Fällen in die QDA-Software importiert werden. Wurde im Rahmen eines qualitativen Interviews auch ein Kurzfragebogen ausgefüllt (vgl. Kuckartz, Dresing, Rädiker & Stefer 2008; Witzel 2000) oder ein psychologischer Test durchgeführt, so kann der einzelne Fall um zahlreiche Hintergrundinformationen aus diesen Datenquellen angereichert werden, wie etwa Alter und Geschlecht, aber auch Wert auf einer Stress-Skala. Die QDA-Software kann die gespeicherten Variablen nun verwenden, um gezielt Fälle auszuwählen oder zu kontrastieren, z.B. nur die Aussagen von Männern anzuzeigen oder die Aussagen von Menschen mit niedrigen Stresswerten getrennt von denen mit hohen Stresswerten zu präsentieren. QDA-Software erlaubt es aber auch, standardisierbare Informationen, die erst im Verlauf der Analyse des Datenmaterials entstehen, in Variablen zu speichern und für weitere Analyseschritte zu nutzen. Zu diesen Informationen zählt etwa, ob und wie oft Aussagen einer Person die Kategorie „Selbstattribution“ zugeordnet wurde. Interne und externe Links: Wer zwei Textstellen miteinander verbinden möchte, z.B. um widersprüchliche Aussagen in einem Interview zu markieren, kann die beiden Textstellen mit einem internen Link im QDA-Programm verbinden, sodass ein Klick auf die eine „gelinkte“ Textstelle – wie ein Hyperlink im Internet – zur anderen Textstelle führt und umgekehrt. Diese Funktion ist nützlich, wenn widersprüchliche Aussagen von Befragten in einem Interview oder aber auch zusammengehörige Informationen aus verschiedenen Interviews sichtbar gemacht werden sollen. Mithilfe externer Links kann durch einfachen
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Mausklick eine beliebige Webseite im Internet oder eine Datei auf der eigenen Festplatte angesprungen werden. Liegt ein Interview in digitaler Form vor, spielt ein Klick auf eine Zeitmarke im QDA-Programm das Interview an der entsprechenden Stelle ab. Teamwork: Für alle Fälle, in denen mehrere Forschende am gleichen Datenmaterial arbeiten, hält QDA-Software zahlreiche Teamworkfunktionen bereit. Die Kodierungen einzelner Texte, Textgruppen oder ganzer Projekte lassen sich austauschen; Projekte können zusammengeführt werden und es ist möglich, unterschiedliche Rechte für unterschiedliche Nutzer/innen zu vergeben. Für die Qualitätssteigerung der Datenanalyse sind zudem alle Funktionen bedeutsam, die es erlauben, die Intercoder-Reliabilität zu erhöhen. So kann eine Forscherin während der Kodierarbeit an einem Text die von ihrem Kollegen am gleichen Text vorgenommenen Kodierungen vorübergehend ausblenden und für Vergleichszwecke später einblenden. Einige Programme offerieren zusätzlich die Berechnung von Cohens Kappa und anderen statistischen Maßen für die Übereinstimmung von zwei Kodierer/innen (vgl. Bortz 2005, S.581; Diekmann 2008, S.593). Wortbasierte Häufigkeitsauswertungen: In mehreren QDA-Programmen stehen Funktionen für das Zählen von Wörtern bereit, die im Rahmen einer qualitativen Analyse insbesondere zu heuristischen und explorativen Zwecken genutzt werden können. Die QDASoftware listet alle unterschiedlichen Wörter eines Projekts oder Textes auf und gibt an, wie häufig das Wort vorkommt, berechnet sogar die Type-Token-Ratio (Quotient aus Anzahl aller Wörter eines Textes und Anzahl unterschiedlicher Wörter) als Maß für den Wortschatz. Diese Funktionen sind für die Psychologie insofern bedeutsam, als dass auf diese Weise Listen mit relevanten Begriffen zu einem ausgewählten Thema erstellt werden können, etwa mit Begriffen, die Angst oder Freude ausdrücken und die bei Bedarf nach verschiedenen Kategorien aufgegliedert sein können und in einem sogenannten Diktionär festgehalten werden. Ein erstelltes Diktionär kann nun dazu dienen, andere Texte hinsichtlich der enthaltenen Kategorien auszuzählen, um bspw. automatisiert den „Angst-Wert“ oder „Freude-Wert“ eines Textes zu bestimmen.
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Konkrete Fragen zur Praxis computergestützter Analyse
Wie findet nun eine Auswertung mit QDA-Software genau statt, was muss unbedingt beachtet werden und welche Entscheidungen sind seitens der Forschenden zu fällen? Im Folgenden werden einige entscheidende Punkte computergestützter Auswertung fokussiert, und zwar auf dem Hintergrund eines inhaltsanalytischen Auswertungsprozesses: Teilweise orientieren sich die Forschenden an formalisierten Vorgehensweisen (vgl. Mayring in diesem Band), teilweise sind sie an einem bestimmten theoretischen Rahmen orientiert (vgl. Hopf, Rieker, Sanden-Marcus & Schmidt 1995), folgen formalen Verfahren wie der Leitbildanalyse (Kuckartz 1996) oder entwickeln neue, ihren Daten speziell angemessene Analysevarianten. All diesen Vorgehensweisen ist die systematische Methode der Auswertung gemeinsam, d.h., das gesamte Material wird durchgearbeitet, auf der Basis eines Kategoriensystems kodiert und analysiert. Im Folgenden werden sechs wichtige Punkte eines solchen Auswertungsprozesses näher betrachtet.
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4.1 Transkription Sofern die Daten von den Forschenden selbst erhoben wurden, stellen sich noch vor der eigentlichen Auswertung viele Fragen rund um die Transkription des als Audio- oder Videodatei vorliegenden Materials (siehe ausführlich Dresing & Pehl in diesem Band). In der Regel wird man sich für eine vollständige Transkription entscheiden und diese mithilfe einer speziellen Transkriptionssoftware (z.B. mit der kostenlosen Software f44) vornehmen. Die gängigen Transkriptionsregeln werden von QDA-Software problemlos unterstützt. Das gilt allerdings nicht für die spezielle Form von Partiturtranskriptionen, die sich mit QDASoftware nur schwierig verarbeiten lassen. Bei der Transkription, insbesondere von paraverbalen Gegebenheiten, sollte man berücksichtigen, wie die Suchfunktionen von QDA-Software arbeiten. So lassen sich später ohne weiteres Textstellen finden, bei denen lautes Sprechen durch Sonderzeichen (etwa „$$“) eingerahmt ist, während nach Fettdruck – dem häufig für lautes Sprechen vorgesehenen Transkriptionsformat – nicht gesucht werden kann. Die neueste Generation von QDA-Software ermöglicht den simultanen Rückgriff auf den Originalton, vorausgesetzt, dass beim Transkribieren Zeitmarkierungen gesetzt wurden, durch die Verbindungen zwischen Text und Originalton hergestellt werden. Hier muss also bereits vor dem Transkribieren entschieden werden, ob ein solcher Rückgriff auf das Originalmaterial zu einem späteren Zeitpunkt der Analyse notwendig und sinnvoll ist. Hinsichtlich der Anzahl und Größe der gleichzeitig auswertbaren Texte gibt es keine relevanten Begrenzungen, jedenfalls so lange nicht, wie man sich im Rahmen der in der qualitativen Forschung üblichen Samplegrößen bewegt. Feldstudien mit mehreren hundert Feldnotizen oder Beobachtungsprotokollen lassen sich ebenso bearbeiten wie Interviewstudien üblicher Größenordnung mit ca. 20 bis 80 Interviews. Erst dann, wenn das Material wesentlich umfänglicher ist, empfiehlt sich eine Prüfung, ob die QDA-Software der Wahl mit dieser Materialfülle auch zurechtkommt. 4.2 Beginn der computergestützten Analyse Mit welchen Schritten startet der eigentliche computergestützte Auswertungsprozess? Computernutzung hin oder her, qualitative Datenauswertung verlangt intensive Textarbeit. Der Auswertungsprozess beginnt deshalb mit der sorgfältigen Lektüre der Texte – und zwar möglichst durch mehrere Mitglieder des Forschungsteams. QDA-Software kann hier insofern unterstützend sein, als mit der Erstellung eines zeilennummerierten oder absatznummerierten Ausdrucks ein gemeinsames Referenzsystem geschaffen wird, auf das man sich bei der Interpretation eines Textes beziehen kann. Die Absatznummerierung ist normalerweise der Zeilennummerierung wegen der größeren Flexibilität vorzuziehen, denn der Text lässt sich in diesem Fall ähnlich wie bei einem Textverarbeitungssystem beliebig der Fensterbzw. Bildschirmbreite anpassen. Andererseits hat eine Zeilennummerierung den Vorteil der genaueren Referenzierung. Schon bei der ersten Lektüre eines Textes sollte man Auffälligkeiten festhalten, weiterführende Ideen niederschreiben und Widersprüche in den Texten kenntlich machen. 4
Verfügbar unter http://www.audiotranskription.de/.
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QDA-Software unterstützt die Textarbeit sehr wirksam: Erste Vermutungen und Hypothesen lassen sich direkt am Text in Form von Memos festhalten. Auffällige Textstellen werden ähnlich wie mit einem Textmarker so markiert, dass sich die Hintergrundfarbe verändert. Schließlich kann man in den Texten nach bestimmten Begriffen suchen, Textstellen miteinander durch Links verbinden oder Bezüge zu anderen Texten oder Dokumenten außerhalb der Software herstellen. Gegen Ende des ersten Materialdurchlaufs erweist es sich insbesondere bei fallbezogenem Material wie offenen Interviews als nützlich, wenn eine erste Fallzusammenfassung (case summary), d.h. eine systematisch ordnende, zusammenfassende Darstellung der Charakteristika des Einzelfalls mit Hinblick auf die Forschungsfrage angefertigt wird. Solche Falldarstellungen sollen kurz und prägnant sein, auch stichwortartige Darstellungen sind durchaus zielführend (vgl. Kuckartz et al. 2008). Case summarys lassen sich in der QDASoftware in Form von Memos an die jeweiligen Texte anheften, sodass bei der weiteren Analyse jederzeit auf sie zurückgegriffen werden kann. Bei größeren Stichproben, wenn nicht jedes Team-Mitglied jeden Text intensiv gelesen hat, geben diese Fallzusammenfassungen einen schnellen Einblick in die Charakteristik der einzelnen Proband/innen/Informant/innen. 4.3 Bildung von Kategorien Der nächste Schritt systematischer Auswertung besteht in der Bildung von Kategorien. Woher kommen diese? Wie gelangt man zu den „richtigen“ Kategorien? Hinsichtlich der Bildung von Kategorien lassen sich idealtypisch zwei Varianten unterscheiden: deduktive und induktive Kategorienbildung. Bei der deduktiven Kategorienbildung werden vorab festgelegte, aus der Theorie stammende kategoriale Vorstrukturierungen an das Material herangetragen (vgl. Hopf et al. 1995) und in der Software vorab definiert. Umgekehrt werden beim induktiven Vorgehen die Kategorien aus dem Text generiert, zum Beispiel mithilfe eines paraphrasierenden Verfahrens (vgl. Mayring 2007, S.59ff.). Auch beim deduktiven Vorgehen ist es aber durchaus möglich, dass beim Kodieren der Texte neue thematische Aspekte identifiziert und entsprechende Codes definiert werden. Bei der Arbeit mit QDA-Software lassen sich differenzierte und vielschichtige Kategoriensysteme bilden. Um dabei die Intercoder- und die Intracoderreliabilität zu gewährleisten, aber auch für die spätere Dokumentation sollten die jeweiligen Kategoriendefinitionen in der QDA-Software festgehalten werden, die dort leicht modifiziert und mit Kodierbeispielen versehen werden können. Solche „Ankerbeispiele“ lassen sich durch einfaches Copy-and-paste vom Text in ein Code-Memo übertragen und sollten mit einer Quellenangabe versehen werden, etwa in der Form „(Interview 1, Absatz 14)“. Wie in Abschnitt 3 oben beschrieben, geschieht das Kodieren mit QDA-Software so, dass Textstellen ein existierender oder neu generierter Code zugeordnet wird. Dieser erste Kodierprozess lässt sich auch als „Grobkodierung“ bezeichnen: Die Kategorien dienen zunächst dazu, die für die Forschungsfrage relevanten Stellen in den Interviews zu identifizieren. Bei der Wahl des Umfangs der Segmentkodierung sollte man nach der Maxime „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ verfahren. Da die Textstellen im weiteren Analyse-
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prozess „dekontextualisiert“, d.h. außerhalb ihres Kontextes verwendet werden, lautet die wichtigste Regel, soviel Text zu kodieren, dass Segmente auch außerhalb des ursprünglichen Kontextes noch verständlich bleiben. Der Auswertungsprozess lässt sich in dieser Phase gut arbeitsteilig organisieren, etwa so, dass die Mitglieder des Teams verschiedene inhaltliche Bereiche bearbeiten. Die Schnelligkeit des Computers erleichtert das dynamische Arbeiten mit den Kategorien, d.h. das Ordnen, Ausdifferenzieren und Integrieren zu abstrakteren Kategorien, und das Wiederfinden von thematisch interessanten und relevanten Textstellen. Vor Beginn der Kodierung ist festzulegen, wie mit dem mehrfachen Auftauchen der gleichen Information zu verfahren ist. Wenn in einer Studie mit Reha-Patient/innen eine Kategorie „Reha-Vorerfahrungen“ definiert wurde, so wird man die gleiche Information („Dies ist jetzt meine dritte Reha“) normalerweise nur einmal kodieren. Dies gilt natürlich nicht für thematische Kategorien, die jede Erwähnung eines Themas erfassen sollen und ebenso wenig, wenn man dem mehrfachen Auftauchen der gleichen Information eine inhaltliche Bedeutung beimisst. 4.4 Kodierung und Weiterentwicklung von Codes Auf der Basis der Grobkodierung lassen sich bereits kategorienbasierte Auswertungen vornehmen, d.h. das Material wird kategorienbezogen zusammengestellt. Diese Zusammenstellungen von allen Textstellen eines bestimmten Codes dienen als Grundlage für eine eventuelle Ausdifferenzierung oder Integration von Kategorien. Nicht jede thematische Kategorie muss ausdifferenziert und verfeinert werden, doch für die zentralen Kategorien einer Studie ist dies in der Regel sinnvoll und notwendig. Aufgrund der kategorienbezogenen Auswertungen identifiziert man die relevanten Dimensionen und bildet neue Subkategorien („Dimensionsanalyse“) (vgl. Kuckartz & Rädiker 2010). Mit diesen differenzierteren Kategorien führt man eine Feinkodierung durch, d.h. für jedes kodierte Segment der betreffenden Kategorie wird entschieden, welche der aufgrund der Dimensionsanalyse neu gebildeten Subkategorien zugeordnet werden sollte. Als Beispiel mag man sich eine Kategorie „Verbesserung im Sozialverhalten“ vorstellen, bei der aufgrund der Dimensionsanalyse verschiedene Arten der Verbesserung unterschieden werden können. Diese werden dann als Subkategorien neu definiert und kodiert. Ebenfalls ist in dieser Phase der Analyse eine Integration von thematisch zusammenhängenden Kategorien zu komplexeren und abstrakteren Konzepten möglich (bspw. Grundhaltungen, Leitbilder, Orientierungsmuster und Ähnliches mehr). Dieser Schritt der Feinkodierung stellt viel Arbeit dar und wird deshalb am besten, soweit möglich, arbeitsteilig durchgeführt, indem die Bearbeitung einzelner Oberkategorien auf die Teammitglieder aufgeteilt wird. Im Grunde setzt diese Form des Arbeitens mit Kategorien die Unterstützung von QDA-Software voraus, denn hier werden selektiv die jeweiligen Segmente präsentiert und von den Forschenden durch Anklicken der zutreffenden Subkategorie neu zugeordnet, eine Technik, die bei manueller konventioneller Arbeitsweise völlig undenkbar wäre bzw. Monate oder Jahre in Anspruch nehmen würde. CAQDAS-Benutzer/innen stellen häufig die Frage, wie viele Codes man denn eigentlich optimalerweise braucht. Dies hängt natürlich von der Forschungsfrage und der gewählten Methode ab. Verallgemeinernd lässt sich allerdings sagen, dass 20 bis 40 ein Erfah-
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rungswert für die Phase der Grobkodierung sind (vgl. auch Creswell 2007, S.150ff.). Durch Ausdifferenzierung und Dimensionalisierung kann sich die Zahl dann leicht verdoppeln oder verdreifachen. Mehr als drei Hierarchieebenen zu unterscheiden dürfte nur in Ausnahmefällen zu empfehlen sein, schließlich muss man auch berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Kodierer/innen mit der Komplexität des Kategoriensystems überproportional anwachsen. Möglicherweise verführt CAQDAS durch die technischen Möglichkeiten dazu, sehr viele Codes zu bilden und im Kategoriensystem viele Hierarchieebenen vorzusehen. Beides sollte man vermeiden, denn das Ziel der Kategorienbildung ist es schließlich, eine systematische Ordnung in das Material zu bringen und nicht eine neue Unübersichtlichkeit zu erzeugen. 4.5 Kategorienbasierte Auswertung Auf der Basis von ausgearbeiteten Kategorien und der entsprechenden Kodierung des Materials lassen sich die Beziehungen zwischen den Kategorien und Subkategorien untersuchen. Ausgangspunkt ist die Zusammenstellung der entsprechenden Textstellen, entweder am Bildschirm oder in Form eines Ausdrucks. Man kann diese Textsammlung – im übertragenen Sinn – vor sich ausbreiten, analysieren und die Auswertungsergebnisse zu Papier bringen. Textbeispiele stehen immer auf einen Klick zur Verfügung und können gleich in den Forschungsbericht eingefügt werden. An dieser entscheidenden Stelle des Auswertungsprozesses gilt es natürlich aufzupassen, dass man nicht in Materialzusammenstellungen erstickt. Die Schnelligkeit der Computertechnik erlaubt es schließlich, nahezu unbegrenzt Teile des Datenmaterials nach bestimmten Kriterien auszuwählen und zusammenzustellen, sodass die Gefahr besteht, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Oberstes Ziel ist es also, die Übersicht zu behalten. Dazu kann bspw. auch das Erstellen einer Themenmatrix oder das Anfertigen der von Schmidt (1997) beschriebenen Kreuztabellen gehören. Der Schritt der Feinkodierung macht es möglich, systematisch Hypothesen zu formulieren und am vorhandenen Material zu überprüfen. In ihrer sozialpsychologischen Studie über das Verhältnis von innerfamilialen sozialen Erfahrungen, Persönlichkeitsentwicklung und politischen Orientierungen haben Hopf und Schmidt bspw. mit Hilfe von Übersichtstabellen die Zusammenhänge von Bindungserfahrung und politischer Orientierung für ihr Sample übersichtlich dargestellt (vgl. Schmidt 1997). Solche Übersichten in Tabellenform zu erstellen ist von Vorteil, weil so die Beantwortung von Fragen, die man an das Material stellt, wesentlich leichter und gültiger möglich ist. Tabellenübersichten mit quantitativen Daten, etwa den Kategorienhäufigkeiten, lassen sich in der QDA-Software direkt erzeugen. Eine Tabellenübersicht mit qualitativen Informationen legt man hingegen in einem Textverarbeitungsprogramm an, um sie dort mit den Ergebnissen der Feinkodierung zu füllen. In einem Evaluationsprojekt, in dem eine universitäre Lehrveranstaltung zur sozialwissenschaftlichen Statistik mithilfe leitfadenbasierter Interviews und eines ergänzenden Kurzfragebogens evaluiert wurde (vgl. Kuckartz et al. 2008), bestand bspw. die Vermutung, dass in den Interviews hauptsächlich solche Studierende für mehr Ruhe in der Lehrveranstaltung plädierten, die Probleme mit dem Stoff und eine schlechte Mathematiknote in der Schule hatten. Diese Vermutung lässt sich wesentlich leichter überprüfen, wenn der
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Schritt der Feinkodierung ausgeführt wurde, als wenn die gleiche Fragestellung nur auf der Basis der relativ unspezifisch mit der thematischen Kategorie „Verbesserungsvorschläge“ kodierten Segmente untersucht würde. Dann wäre es nämlich jeweils notwendig, erneut den Text zu lesen, diesen zu verstehen und die Aussage einer analytischen Dimension, etwa „organisatorische Verbesserungen“, zuzuordnen. 4.6 Arbeit mit Memos Die Arbeit mit Memos begleitet den gesamten Prozess der computergestützten Analyse. Vor allem die Protagonisten der Grounded-Theory-Methodologie, bspw. Juliet Corbin in der Neuauflage des Lehrbuchs „Basics of Qualitative Research (Corbin & Strauss 2008), haben vehement für das regelmäßige Schreiben von Memos, beginnend mit den ersten Phasen des Auswertungsprozesses, plädiert. CAQDAS macht es leicht, dieses analytische Instrument zu nutzen und vor allem den Überblick über die eigenen Memos und die Memos der anderen Mitglieder des Forschungsteams zu behalten. Dem Vorbild der GroundedTheory-Methodologie entsprechend sollte man jedem Memo einen Titel geben und den Autor bzw. die Autorin und das Entstehungsdatum vermerken. Nützlich ist es auch, zwischen verschiedenen Memotypen zu unterscheiden, z.B. „Theorie-Memos“, „MethodenMemos“, „Code-Memos“ etc. Ähnlich wie mit Codes sollte man auch mit Memos einen inflationären Umgang vermeiden. Im Verlauf des Analyseprozesses sollte vornehmlich ein qualitatives Wachstum von Memos stattfinden, d.h. diese sollten integrativer und theoretischer werden, aber nicht unbedingt immer mehr an Zahl zunehmen.
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Aktuelle Weiterentwicklungen von CAQDAS
CAQDAS hat sich im letzten Jahrzehnt mit rasantem Tempo weiterentwickelt und gehört weiterhin zu den innovativen Feldern der Methodenentwicklung. Im Folgenden werden vier Gebiete der Entwicklung näher beleuchtet, in denen in besonderem Maße Entwicklungen stattfinden bzw. zu erwarten sind. 5.1 Daten-Display und Möglichkeiten zur Visualisierung Das Thema „Visualisierung“ wird in der qualitativen Methodenliteratur bislang eher vernachlässigt, lediglich einige Autoren wie Miles und Huberman (1995) haben sich mit der grafischen Darstellung qualitativer Daten befasst. Mit der computergestützten Analyse steigen die Möglichkeiten der Visualisierung enorm. QDA-Software enthält Zeichenprogramme, die es erlauben, qualitative modeling (Kuckartz 2009) zu betreiben, d.h. Grafiken zu erstellen, in denen Konzepte, Kategorien und Hypothesen in Zusammenhang gebracht werden. Auf diese Weise lassen sich Verbindungen, Ursachen und Wirkungen, die Gruppierung von Faktoren sowie Bestandteile von Daten sichtbar machen. Die integrierten Zeichenprogramme sind sicherlich Stand-Alone-Programmen zur Visualisierung im Funktionsumfang unterlegen, bestechen aber durch einen zentralen Vorteil: Die Grafikelemente
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bleiben dynamisch mit den Daten verbunden, d.h. durch einen Klick auf einen visualisierten Code gelangt man bspw. zu einer Liste mit den Textstellen, die diesem Code zugeordnet sind. Einige QDA-Programme stellen zudem grafische Darstellungen der Kodierungen zur Verfügung, die eine gezielte Erkundung, Hypothesenentwicklung und -überprüfung sowie detaillierte Auswertungen erlauben. Visualisierungen dieser Art können entweder aus den Daten eines Falls oder fallübergreifend konstruiert werden. Die chronologische Abfolge von Kodierungen eines Falls lässt sich bspw. als codeline darstellen, wobei auf der XAchse die einzelnen Absätze des Textes und auf der Y-Achse die Codes aufgetragen werden. In der codeline einer Therapiesitzung können – bei entsprechender Kodierung – Therapeut/in und Klient/in jeweils in einer Zeile visualisiert werden, sodass auf einen Blick die Sprecher/innenanteile ablesbar sind. Auch die Häufigkeiten von Kategoriezuordnungen können in Form einer Tabelle visualisiert werden, die auf der X-Achse ausgewählte Fälle (=Interviews) und auf der Y-Achse ausgewählte Codes enthält (vgl. Abb. 1). Mithilfe einer solchen Darstellung lassen sich wichtige Themen, aber vor allem Kodier-Auffälligkeiten einzelner Fälle, unschwer identifizieren. Abbildung 1:
Code-Matrix-Browser in MAXQDA
5.2 Multimedia Integration Waren QDA-Programme in ihren Anfängen ausschließlich Programme zur Auswertung von Texten (im Nur-Text-Format), so hatte sich dieses bereits Anfang der 2000er Jahre durch die Verbreitung des RTF-Formats als Standard-Datenformat von QDA-Software verändert. Nun ließen sich auch in den Daten enthaltene Tabellen, Bilder, Grafiken und andere „Objekte“ bearbeiten. Neuere Entwicklungen gehen erheblich weiter. Die generelle Tendenz der Softwareentwicklung zur Integration von Multimedia hat nun auch die QDASoftware erreicht. Neben der direkten Bearbeitung von Audio- und Videodateien ist insbesondere die Verzahnung von Text-Transkripten und Original-Audio- bzw. Videodateien für die Forschung hoch interessant. So können bspw. Text und Audio synchron dargestellt werden: Ähnlich wie die Untertitel eines Films werden die zu einer Audio-Sequenz gehörenden Transkriptionsabsätze „abgespielt“. Dies ermöglicht gerade für die Psychologie
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einen völlig neuen Zugang zu den vorher allenfalls mühevoll transkribierten paraverbalen und non-verbalen Aspekten eines Interviews oder bspw. eines Klient/innengesprächs. 5.3 Mixed Methods Während sich QDA-Programme lange Zeit in ihrer Funktionalität ausschließlich auf die qualitative Datenanalyse konzentrierten, nehmen in den letzten Jahren die Möglichkeiten zur Kombination und Integration qualitativer und quantitativer Daten immer weiter zu. Zum einen können innerhalb der QDA-Programme zahlreiche quantitative Informationen angefordert und ausgewertet werden. Hierzu zählen zum Beispiel: ! ! !
die Anzahl der Segmente, die einem Code zugeordnet wurden, bei Bedarf aufgeteilt auf ausgewählte Fälle oder präsentiert in einer Kreuztabelle zum Vergleich von zwei Gruppen, etwa von Männern und Frauen; der relative Anteil eines Codes als Maß für seine (quantitative) Bedeutung und die Anzahl der zu einem Fall gehörenden Verknüpfungen, Memos und Codes.
Zum anderen besteht die Möglichkeit, die quantifizierbaren Ergebnisse der qualitativen Datenanalyse zu exportieren und statistisch weiterzuverarbeiten, z.B. die Codehäufigkeiten einer Cluster- oder Faktorenanalyse zu unterziehen (Anwendungsbeispiel bei Korte, Waldschmidt, Dalman-Eken & Klein 2007; vgl. Kuckartz 2009). Ergebnisse solcher Analysen, z.B. die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Cluster, können wiederum in die QDASoftware transferiert werden und so einen Hintergrund für qualitativ-interpretative Analysen bilden. Diese Funktionen unterstützen also auf vielfältige Weise Triangulationsstrategien, insbesondere solche der Daten- und Methodentriangulation (siehe auch Flick in diesem Band zu Triangulation sowie Schreier und Oda! zu Mixed Methods). 5.4 Geo-Referencing Seit neuestem sind in einigen Programmen sogenannte Geolinks, eine besondere Form von externen Links, verfügbar. In einem Geolink werden geografische Koordinaten gespeichert, sodass ein Klick auf den Link ein Geo-Programm wie Google Earth öffnet und die Koordinaten in einer Karte dargestellt und – sofern verfügbar – ein Foto der Gegend visualisiert wird. Diese innovative Funktion ist überall dort in der Psychologie von großem Nutzen, wo ein Raumbezug von Interesse ist, das gilt ebenso für die Umweltpsychologie, denn der Wohnort stellt sicherlich eine wichtige Einflussgröße z.B. für die Risikowahrnehmung dar, wie für die Sozial- und Gemeindepsychologie.
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Stärken und Grenzen von CAQDAS
Wie jedes andere methodische Werkzeug besitzt CAQDAS Grenzen und Beschränkungen hinsichtlich der Anwendung und des sinnvollen Einsatzes. Von Schwächen im eigentlichen
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Sinn lässt sich ebenso wenig sprechen, wie man von Schwächen der Faktorenanalyse oder Schwächen der Hermeneutik sprechen kann. Die Sinnhaftigkeit der Nutzung von QDASoftware lässt sich nur auf dem Hintergrund der Forschungsfrage und der angestrebten Analyse entscheiden. Verfahren, die wie die objektive Hermeneutik sehr stark mit der Exegese einzelner Textstellen arbeiten, profitieren nur relativ wenig von CAQDAS. Allerdings ist es auch schwer vorstellbar, wie für diese extensiv hermeneutisch arbeitenden Analyseverfahren eine bessere CAQDAS-Unterstützung konzipiert werden könnte. Hier sind computergestützte Verfahren einfach weniger angemessen als im Falle von kategorienbasierten, zusammenfassenden Verfahren. Bei der Diskussion der Benefits und Schwächen von CAQDAS erscheint es hilfreich, mit dem an der Medizin und Therapie orientierten Indikationskonzept von Flick (2007, S.511ff.) zu arbeiten. Diesem zufolge ist eine bestimmte Behandlung oder ein bestimmtes Medikament nicht per se sinnvoll, sondern es sind zunächst die vorliegenden Bedingungen auf die Angemessenheit der Methode hin zu untersuchen. Liegen diese vor, so kann CAQDAS zu einer erheblichen Qualitätsverbesserung qualitativer Forschung beitragen. Der Einsatz von Computertechnik kann eine beträchtliche „digitale Dividende“ abwerfen, wobei diese auf verschiedenen Ebenen ausgezahlt wird. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit lassen sich die folgenden zehn Punkte anführen: 1. 2. 3. 4. 5.
Tempo, Schnelligkeit und Effektivität der Auswertungsprozesse Umfang der bearbeitbaren Daten bzw. des Samples Integration unterschiedlicher Datenarten (Text, Audio, Video etc.) Organisation und Strukturierung des Datenmaterials Multimediale Verknüpfungsmöglichkeiten von Daten (z.B. durch Links, Geolinks, Synchronisierung von Transkript und Originalton) 6. Unterstützung von Mixed-Methods-Ansätzen und Triangulation 7. Visualisierung als Form der Darstellung analytischer Befunde und als analytisches Hilfsmittel 8. Unterstützung von Teamwork und Schwarm-Intelligenz (vgl. Gloor 2006) 9. Kosten-Nutzen-Verhältnis 10. Dokumentation, Nachvollziehbarkeit und Qualität Die Aufstellung zeigt, dass die Benefits von CAQDAS quantitativ und qualitativ umfangreich sein können. Überall dort, wo Daten bereits digitalisiert vorliegen oder ohne größeren Aufwand digitalisiert werden können, verspricht der Einsatz computerunterstützter Verfahren beträchtliche Vorteile. Diese sind umso größer, je mehr Systematisierung und Zusammenfassung die Ziele der Auswertung sind. Die große Nähe zu den Daten, die Möglichkeit, zu jedem Zeitpunkt von der generierten Theorie zu deren empirischer Basis zurückzukehren, macht CAQDAS für zahlreiche Analyseformen interessant.
7
Übersicht über QDA-Softwarepakete
In der folgenden Tabelle sind die derzeit gebräuchlichsten Programme für die Analyse qualitativer Daten aufgelistet (ohne Programme, die speziell für die Videoanalyse entwickelt wurden). Auf den Webseiten der Hersteller können zum Test der Funktionalität Demoversionen heruntergeladen werden, deren Einschränkungen in der letzten Spalte be-
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schrieben sind. Alle Programme stehen für das Betriebssystem Windows zur Verfügung, lediglich HyperResearch bietet eine native MAC-Version an. Name
Version
Webseite
Demoversion
AQUAD
6
www.aquad.de
45 Tage; Anzahl der Fälle begrenzt
ATLAS.ti
6
www.atlasti.de
Anzahl der Fälle, Codes etc. begrenzt
GABEK/WinRelan
5.8
www.gabek.com
Rücksprache mit dem Entwickler erforderlich
HyperResearch
2.8
www.researchware.com
Anzahl der Fälle, Codes etc. begrenzt
Kwalitan
5
www.kwalitan.nl
Anzahl der Fälle begrenzt
MAXQDA
10
www.maxqda.de
30 Tage lauffähig; volle Funktionalität
NVivo
8
www.qsrinternational.com
30 Tage lauffähig; volle Funktionalität
QDA Miner
3.2
www.provalisresearch.com
Anzahl der Fälle, Codes etc. begrenzt
QUALRUS
2.1
www.qualrus.com
volle Funktionalität; kein speichern
The Ethnograph
6
www.qualisresearch.com
Anzahl der Projekte, Fälle etc. begrenzt
Weiterführende Literatur Kuckartz, Udo (2009). Einführung in die computergestützte Analyse qualitativer Daten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Kuckartz, Udo; Grunenberg, Heiko & Dresing, Thorsten (Hrsg.) (2007). Qualitative Datenanalyse: computergestützt. Methodische Hintergründe und Beispiele aus der Forschungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Lewins, Ann & Silver, Christina (2009). Choosing a CAQDAS package. A working paper (6. Aufl.), http://caqdas.soc.surrey.ac.uk/PDF/2009ChoosingaCAQDASPackage.pdf.
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Computergestützte Analyse (CAQDAS)
Teil 5: Ausgewählte Anwendungsfelder
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Entwicklungspsychologie
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Entwicklungspsychologie 1
Entstehungsgeschichte und historische Relevanz
Qualitativen Methoden kommt gerade in dem Beginn der Fachgeschichte und der auf die frühe Kindheit ausgerichteten Forschung eine wichtige Rolle zu, allerdings ohne dass diese als solche bezeichnet wurden. Insbesondere in den sogenannten „Vater-Tagebüchern“ wurde der Versuch unternommen, möglichst viele detailgetreue Beschreibungen von Entwicklungsprozessen zusammenzustellen (siehe Schmid 2001 für einen Überblick). Hier sind in der Entwicklungspsychologie beispielsweise die frühen Arbeiten von Darwin oder Preyer Ende des 19. Jahrhunderts zu nennen, die akribische Beschreibungen der ersten Lebensjahre ihrer Kinder leisteten. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts waren es die vornehmlich von Clara Stern verfassten Tagebuchaufzeichnungen des Forschungsehepaares Stern (z.B. 1965 [1907]), in denen diese die Entwicklung ihrer drei Kinder (bis zum 18. Geburtstag, wobei über die ersten drei Lebensjahre sehr umfangreich) festhielten. Im Unterschied zu den ersten Bemühungen um reine Datensammlungen war die Arbeit der Sterns bereits dadurch gekennzeichnet, dass die Forschungen in ein theoretisches Rahmenkonzept (den „Personalismus“) eingebettet und damit theorieorientiert waren. So wichtig diese Arbeiten und die in ihnen enthaltenen methodischen Überlegungen zu Beobachtung und Aufzeichnung auch für die Fachgeschichte waren (siehe dazu z.B. Hoppe-Graff & Kim 2007 und Kochinka in diesem Band), so wurden sie doch bald kritisiert und in der Folge (und zum Teil bis heute) in vielen Lehrbuchdarstellungen vor allem dazu genutzt, um aufzuzeigen, wie entwicklungspsychologische Forschung nicht zu betreiben sei. Kritisiert wurden und werden der Einzelfallbezug und die mangelnde Generalisierung, die Nähe der Forschenden zu ihren Forschungssubjekten und die damit verbundene Voreingenommenheit. Es macht den Anschein, so Hoppe-Graff (1998), der seit Ende der 1980er Jahre für eine Wiedereinführung von Tagebuchstudien als Längsschnittmethode plädierte, dass solche Daten und Methoden schon bald nicht mehr in das Bild einer sich naturwissenschaftlich verstehenden Entwicklungspsychologie passten; eine Haltung, die fast die gesamte Auseinandersetzung in Methodenfragen und im Umgang mit qualitativer Forschung im letzten Jahrhundert prägte. In der Frühphase der Entwicklungspsychologie findet sich – neben dem Anspruch detaillierter, akribischer Einzelfallstudien – noch eine weitere Besonderheit, nämlich die Bemühung, gegenstandsbezogene Methoden zu entwickeln, statt lediglich auf den allgemein sich anbietenden Methodenkanon (dazu gehörten schon damals insbesondere Tests und Experimente) zurückzugreifen. Hierfür stehen etwa die Arbeiten von Bühler (z.B. 1922) oder Bernfeld (1978 [1931]), die Analysen von Tagebüchern Jugendlicher für einen sensitiven Zugang zum Seelenleben und eine angemessene Rekonstruktion von adoleszenten Entwicklungsphänomenen nutzten (dazu Kochinka 2008). Beide Forschende maßen qualitativer Methodik eine hohe Relevanz bei; Bühler eher in einem phänomenologischen Theorierah-
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men (verbunden mit inhaltsanalytischen Betrachtungen und einer zuweilen quantifizierenden Logik), Bernfeld im Rahmen eines interpretativen, psychoanalytischen Ansatzes. Innovativ waren auch die Arbeiten Lewins, der den Lebensraum als Entwicklungsrahmen von Kindern in den Vordergrund rückte und dabei schon früh filmdokumentarisch vorging: „Das Kind und seine Welt“, ein Film mit eindringlichen Bildern von spielenden Kindern auf Berliner Hinterhöfen, wurde durch Zufall erst in den 1970er Jahren wiederentdeckt (siehe dazu Thiel 2010). Ähnliches gilt für die methodisch inspirierende Studie von Martha Muchow zum „Lebensraum des Großstadtkindes“, für die sie Beobachtungen, Aufsatzverfahren, Stadtkartenzeichnen u.a.m. kombinierte. Die Studie geriet nach ihrer Veröffentlichung 1935 in Vergessenheit, wurde erst 1978 wiederentdeckt und gelangte auf Umwegen über die USA auch wieder in die deutschsprachige Entwicklungspsychologie (siehe Mey 2001). Auch Piagets Arbeiten aus den 1920er und 1930er Jahren, die erst im Zuge der kognitiven Wende in der Entwicklungspsychologie ab den 1960er Jahren umfassend wahrgenommen wurden, sind durchdrungen von dem Anliegen, gegenstandsnahe Methoden zu entwickeln (dazu Duveen 2000). Hierzu gehört insbesondere seine klinische Methode, eine Interviewform, bei der immer wieder an die Antworten der Kinder angeschlossen wird, um ihnen Explorationshilfen zu geben und Einblicke in ihren Erkenntnisbildungsprozess zu erlangen. Dazu gehören dann auch deren Weiterentwicklungen als revidierte klinische Methode, bei der Kinder selbst in die Untersuchungssituationen eingreifen konnten. Mit letzteren Arbeiten hat Piaget schon früh den Grundstein in der Entwicklungspsychologie für Formen des qualitativen Experiments gelegt (dazu Burkart in diesem Band). Wygotskis Arbeiten, die sich wie die von Piaget vor allem den Phänomenbereichen Erkenntnis, Denken, Sprache und Spiel widmeten, lassen sich im Sinne einer hermeneutischen Entwicklungspsychologie verstehen (dazu Kölbl in diesem Band). Auch Wygotski gelangte erst mit großem Zeitverzug und über den Umweg einer sich kritisch verstehenden und an kulturpsychologischen Fragenstellungen interessierten nordamerikanischen Forschung wieder ins Bewusstsein deutschsprachiger Entwicklungspsycholog/innen (van der Veer & Valsiner 1991). Der Nationalsozialismus bedeutete für die die Frühphase der Faches bestimmenden Arbeiten in Deutschland eine Zäsur, nicht zuletzt, weil die meisten Forschenden gezwungen waren zu emigrieren (so die Sterns, Bühler und Lewin, aber auch alle bedeutenden Vertreterinnen und Vertreter der Psychoanalyse, aus der wichtige Impulse für eine an der Biografie orientierte Entwicklungspsychologie stammten, z.B. Erikson); Martha Muchow beging Suizid. In der dann folgenden, behavioristischen (Entwicklungs-) Psychologie hatten qualitative Herangehensweisen keinen Platz, wie zuvor skizziert gerieten z.T. erst ab den späten 1970er Jahren wieder Arbeiten ins Sichtfeld der Disziplin, die sich durch ein „anderes“ Methodenverständnis auszeichneten. Unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg wurden nur sehr vereinzelt offene Verfahren verwandt. Hier sind besonders die frühen Bemühungen von Thomae (1952) hervorzuheben, die biografische Methode und Biografie als Thema der Entwicklungspsychologie hoffähig zu machen (siehe Schulze in diesem Band), eine Perspektive, die er dann gemeinsam mit Ursula Lehr in der Alternspsychologie intensivierte, die aber bis dato in der Entwicklungspsychologie noch wenig Beachtung gefunden hat (siehe dazu kritisch Straub 1989). Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund einer sich eher interdisziplinär verstehenden Gerontologie ist dann innerhalb der Entwicklungspsychologie ein Bereich entstanden, der sich von Beginn an durch einen selbstverständlicheren Einbezug qualitativer Methoden
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ausgezeichnet hat (Mayring 2001). Andere Lebensaltersbereiche weisen dagegen weit weniger qualitative Zugänge auf; allerdings werden zunehmend für einzelne Forschungsfelder und -themen die Potenziale offener Methoden erkannt. Zuvorderst erwähnt seien hier Arbeiten in Anschluss an Kohlberg, ein Schüler Piagets, der auch mit Robert K. Merton und Anselm L. Strauss Kontakt hatte und der mit dem Struktur-Dilemma-Interview das in der Moralforschung lange Zeit wichtigste Instrument entwarf, auf dessen Grundlage die Phasen der moralischen Entwicklung skizziert wurden (dazu Garz 2008). Ein weiterer zentraler Bereich, in dem offene Erhebungsverfahren Anwendung finden und zudem immer neue methodische Zugänge entwickelt wurden und werden, ist die in der Tradition von Bowlby stehende Bindungsforschung (Gloger-Tippelt 2001). Hier existiert eine Fülle an Verfahren („Aduld Attachment-Interview“; Geschichte zu Ende erzählen etc.), und die so erhobenen Daten werden dann per Manual theoriegeleitet ausgewertet. Ein solches Vorgehen, bei dem nach einer offenen Erhebung kategorial entlang von Manualen mit vermeintlich klaren Auswertungsvorgaben gearbeitet wird, ist insgesamt in der Entwicklungspsychologie vergleichsweise häufig anzutreffen, sofern eine Affinität zu qualitativer Forschung besteht, so beispielsweise in der Moralforschung, bei Thomae und in der an Erikson anschließenden Identitätsforschung sensu Marcia; siehe Watzlawik & Born 2007). Schließlich ist noch mit Blick auf die Methodendiskussion in der Entwicklungspsychologie die Kontroverse um den „rekonstruierten“ vs. „beobachteten Säugling“ zu erwähnen, bei der der traditionellen psychoanalytischen Vorgehensweise vorgeworfen wurde, aufgrund der eingenommenen „retrospektiv-pathomorphen“ und „adultzentrischen“ Perspektive zu einer defizitären Konstruktion von Kindheit zu gelangen (siehe zusammenfassend Seiffge-Krenke 2010). Dem wurde eine experimentelle Säuglingsforschung entgegengestellt, an deren Ende die Geburt des „kompetenten Säuglings“ stand; im Nachhinein ist festzuhalten, dass beide Perspektiven zusammengehen und vielfältige Einsichten für die Kleinkindforschung bieten können. Doch trotz einzelner sich durch einen qualitativen Methodeneinsatz auszeichnender Bereiche lässt sich für die Entwicklungspsychologie noch kein übergeordnetes Programm einer qualitativen Forschungsorientierung erkennen. Als sich Ende der 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre eine Renaissance qualitativer Forschung in den Sozialwissenschaften abzuzeichnen begann, wurden zwar die Grenzen für methodische Alternativen durchlässiger, aber diese Prozesse erfolgten weitgehend ohne Beteiligung der Psychologie und fanden damit auch keinen Niederschlag in der Entwicklungspsychologie: Lehrbücher hatten bis Ende des 20. Jahrhunderts keine eigenen Kapitel zu qualitativen Methoden, überwiegend wurden diese nicht einmal erwähnt bzw. weit unter ihren genuinen Potenzialen maximal als hypothesengenerierend deklariert. Auch zentrale Bemühungen um eine Neudefinition der Entwicklungspsychologie, wie sie in der Kritik Bronfenbrenners (1977) an der gängigen experimentellen Forschungspraxis zum Ausdruck kamen und in dem darauf aufbauenden Programm eines sozialökologischen Ansatzes, der für Alltagsnähe und Berücksichtigung der Lebenswelten plädiert, mündeten nicht in ein neues und breit geteiltes Methodenverständnis. Ebenso fanden die theoretische Konzeption eines selbstreflexiven Subjekts und von „Individuals as Producers of their Development“ (Lerner & Busch-Rossnagel 1981) oder die dialektische Position von Riegel (1978) zwar rasch Beachtung in der Disziplin. Es dauerte aber noch lange, bis die z.B. von Eckensberger (1979) vorgebrachte Mahnung Gehör fand, dies erfordere auch methodische Konsequenzen, nämlich auf interpretative Ansät-
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ze zu rekurrieren, die für die Untersuchung von selbstreflexiven Subjekten, die ihre (Um-) Welt interpretierend ko-konstruieren, angemessen sind (s. auch Mey 2000; Valsiner 2000a).
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Aktueller Stellenwert und zentrale Diskussionen
Erst in der letzten Dekade finden sich erstmals aussagekräftige Abhandlungen zu qualitativer Forschung in den einschlägigen Lehr- und Handbüchern (siehe Hoppe-Graff 1998; Mey 2003a, 2003b, 2010a; Smith & Dunworth 2003); zudem widmet sich ein umfangreiches Handbuch (Mey 2005) der Grundlegung einer qualitativen Entwicklungspsychologie, bündelt hierzu relevante Ansätze und Methoden und benennt Desiderata. In einigen Übersichtskapiteln werden nun auch qualitative und quantitative Zugänge zunehmend gleichberechtigt nebeneinander vorgestellt (Deutsch & Lohaus 2006). Diese Ausbreitung qualitativer Forschung ist – neben der generell zu verzeichnenden Zunahme an qualitativen Studien aufgrund wachsender Akzeptanz auch bei Forschungsförderungseinrichtungen und vermehrter Publikationsmöglichkeiten – besonders sichtbar in einigen spezifischen Feldern. Hierzu gehört die Etablierung von Arbeitsschwerpunkten wie „Kultur und Entwicklung“, bei denen unter einer kulturpsychologischen Perspektive qualitative Methoden favorisiert werden (Demuth 2010; Straub & Chakkarath in diesem Band). Auch hat, durchaus in Nähe zur cultural developmental psychology (Valsiner 2000b) eine narrative Entwicklungspsychologie zunehmend an Raum gewonnen, zumeist in Auseinandersetzung mit Fragen von Identitätsbildungsprozessen (siehe die Beiträge von Deppermann und von Lucius-Hoene sowie von Straub zur narrativen Psychologie in diesem Band). Insbesondere narrative Ansätze werden aber auch viel breiter umgesetzt, etwa in der schon als klassisch zu bezeichnenden Studie von Nelson (1989) zu „Narratives from the Crib“ oder als „Narrative Developmental Approach“ zur Rekonstruktion von Mutter-KindInteraktionen und zu emotionalen Entwicklungsprozessen (Pantoja 2001). Anhaltend prominent ist die Verwendung von qualitativen Methoden in der entwicklungspsychologischen Alternspsychologie. Biografische Ansätze – zunehmend auch als narrative Gerontologie konzipiert – bilden hier nach wie vor einen wichtigen Bereich (Kruse 2005; Mayring 2001); ethnografische Arbeiten (sei es in Seniorenheimen) oder Gruppendiskussionen zur Relevanz von Kommunikationsprozessen in Altengruppen oder zum intergenerationalen Austausch bieten viele wichtige Anknüpfungspunkte für theoretische und anwendungsbezogene Fragen (z.B. Thimm 1997). In der entwicklungspsychologischen (Klein-) Kindforschung ist, auch begünstigst durch die „klassischen“ Arbeiten der Frühphase und die Kritik der sog. childhood studies an normalen Ansätzen, zumindest wieder eine deutlichere Hinwendung auch zu qualitativen Verfahren und eine Diskussion ihrer Anwendungsmöglichkeiten aufgrund der spezifischen Verbalisierungsmöglichkeiten dieser Altersstufe zu finden (Demuth 2010; Mey 2003a, 2010a). Innerhalb der Jugendforschung werden vermehrt ebenfalls qualitative Methoden (vor allem Interviews) eingesetzt, insbesondere jene zur Identitätsentwicklung. Allerdings hat sich hier trotz der erwähnten Pionierarbeiten, verglichen mit der Kleinkind- oder Alternsforschung, bislang kein eigenes qualitatives Profil herausbilden können. Ebenso fehlen weiterhin zumeist Berührungen zwischen der entwicklungspsychologischen Adoleszenzforschung und der sozialwissenschaftlichen Jugendforschung, für die eine deutliche qualitative Positionierung kennzeichnend ist (Mey 1999).
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Auch jenseits der Bereiche, in denen qualitative Methoden und eine qualitative Forschungsorientierung eine (zunehmend) wichtige Rolle spielen, finden sich heute in der mittlerweile als life-span developmental psychology konzipierten Disziplin zu jedem Lebensalter, zu jedem Entwicklungsthema und für die Erforschung diverser Entwicklungskontexte bereits vereinzelt qualitative Forschungsansätze bzw. es wird auf einzelne qualitative Methoden rückgegriffen. Hierbei kommen aufgrund der lange Zeit marginalen Position qualitativer Methoden nicht nur die wenigen entwicklungspsychologischen Verfahren zum Einsatz, sondern auch Importe aus anderen Fachrichtungen, insbesondere aus der Soziologie (Ethnografie, Expert/inneninterviews, narratives Interview u.v.a.m.) und der Sprachwissenschaft (Konversations-, Metaphern- und Narrationsanalyse etc.; siehe zu den Verfahren die entsprechenden Kapitel in diesem Handbuch von Thomas, Mey & Mruck, Deppermann und Schmitt). Eine zuweilen gering wirkende Profilierung scheint hier vor allem auch darin begründet, dass viele Forschende die Öffnung für qualitative Verfahren unmittelbar an diverse Mixed-Methods-Varianten koppeln, ohne die Potenziale qualitativer Forschung und deren Beitrag insbesondere für die Theoriebildung zu erkennen. Insoweit bildet ein alleiniges Arbeiten mit qualitativen Methoden, abgesehen von einigen zuvor benannten Schwerpunkten, nach wie vor die Ausnahme in der gegenwärtigen Entwicklungspsychologie (s. auch Mey 2010b).
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Herausforderungen und Desiderata
Qualitative Methoden eignen sich für viele entwicklungspsychologische Fragen – das ist mittlerweile unstrittig, auch wenn sich an den Dominanzverhältnissen noch nicht viel geändert hat. Sie erlauben informationsreiche Datensammlungen und bieten Auswertungsstrategien, die die Komplexität von Entwicklungsthemen und -kontexten berücksichtigen helfen. In der konkreten Forschungspraxis werden zunehmend Mixed-Methods-Vorgehensweisen favorisiert (dazu Schreier & Oda! in diesem Band), die helfen sollen, den Forschungsgegenstand mehrperspektivisch zu erschließen. Zumeist verbleibt aber die Kombination auf die Verwendung von traditionellen Befragungs- und Beobachtungsmethoden beschränkt. Insgesamt fällt bei dem Rückgriff auf qualitative Methoden wie Interviews oder Gruppendiskussionen auf, dass diese oft als „Abfrageinstrumente“ genutzt, aber nur selten mit Blick z.B. auf ihr narrationstheoretisches, konversationsanalytisches oder diskursives Potenzial eingesetzt werden. Qualitative Forschung eröffnet aber gerade, sich dem Gegenstand der Entwicklungspsychologie – nämlich Prozessen von individueller Veränderung und Transformation – angemessen anzunähern: mit Gruppendiskussionen kann verfolgt werden, wie sich Meinungen herausbilden, ändern, verfestigen; in Interviews können Sequenzen nacheinander sich vollziehender (Entwicklungs-) Abläufe abgebildet und rekonstruiert werden; in Erzählungen sind die relevanten Positionierungen, Akteure oder Schauplätze eingebettet und können entwicklungslogisch aufeinander bezogen werden; ethnografisches Forschen erlaubt, Handlungsvollzüge in verschiedenen Kontexten alltagsnah nachzuzeichnen. Eine solche Prozessperspektive und die Rekonstruktion von Entwicklungsabläufen setzt aber voraus, die Erhebungssituationen und noch mehr die Auswertung so zu gestalten, dass Entwicklung als Transformation und sequenzieller Verlauf überhaupt fassbar wird, statt
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sich weiter mit non developmental psychology-Designs und -Methodenanwendungen zu bescheiden (s. Valsiner 2000b). Hier sind Konversations- und Narrationsanalysen sowie rekonstruktive Verfahren induziert, die in einer ganzheitlichen Perspektive zugleich sequenzanalytisches Vorgehen und Auswertungsschritte beinhalten. Die hier kurz skizzierten Potenziale sind in der entwicklungspsychologischen Forschungspraxis bei weitem nicht ausgeschöpft bzw. es fehlt an Arbeiten, die systematischer versuchen, Bezüge zwischen Gegenstandsverständnis und Methode zu explorieren. Eine besondere Herausforderung und Chance liegt darin, dass es aufgrund der langen Marginalisierung qualitativer Forschung notwendig ist, Verfahren aus anderen Disziplinen zu importieren. Dieser Transport aus anderen Anwendungs- und Theoriekontexten eröffnet und erfordert die Explikation sowohl des Gegenstandsverständnisses als auch der methodischen Vorgehensweisen. Dies gilt es zu nutzen für eine Entwicklungspsychologie, die Methoden nicht nur als Tools in einem Werkzeugkasten versteht, sondern reflektiert, dass Methoden Gegenstände erzeugen. Weiterführende Literatur Hoppe-Graff, Siegfried (1998). Tagebücher, Gespräche und Erzählungen: Zugänge zum Verstehen von Kindern und Jugendlichen. In Heidi Keller (Hrsg.), Lehrbuch Entwicklungspsychologie (S.261-294). Bern: Huber. Mey, Günter (Hrsg.) (2005). Handbuch Qualitative Entwicklungspsychologie. Köln: Kölner Studien Verlag. Mey, G. (2010). Qualitative developmental psychology. In Aaro Toomela & Jaan Valsiner (Hrsg.), Methodological thinking in psychology: 60 years gone astray? (S.209-230). Charlotte, NC: Information Age Publishers.
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Sozialpsychologie 1
Sozialpsychologie als Disziplin
Die Sozialpsychologie widmet sich der wissenschaftlichen Untersuchung des Zusammenspiels von sozialer Interaktion, Sozialstruktur sowie individuellem Handeln und Erleben (vgl. Troyer & Youngreen 2004). Als Teildisziplin der Psychologie steht die Erforschung der Gesetzmäßigkeiten menschlichen Erlebens und Verhaltens im Zentrum ihres Interesses, jedoch richtet sie ihr Augenmerk insbesondere auf die Bedeutung des sozialen Kontextes. Auf der Ebene des Individuums untersucht sie Verhalten in Dyaden- oder Gruppenkontexten, die Wirkung sozialen Einflusses und die Verarbeitung von sozialer Information (Fachgruppe Sozialpsychologie 2009). Auf der Ebene von Kollektiven beschäftigt sie sich vorwiegend mit der Struktur von sozialen Gruppen und ihrem Verhalten (a.a.O., 2009). Als empirische Wissenschaft bedient sie sich dem in der Psychologie etablierten Repertoire an quantitativen, aber auch qualitativen Methoden. Neben ihrem Beitrag zum Verständnis grundlegender Prozesse des Erlebens und Verhaltens wendet sie ihre Erkenntnisse auf konkrete soziale Fragestellungen an und überprüft die Wirksamkeit ihrer Interventionen im sozialen Kontext.
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Entstehungsgeschichte
Neben Anfängen sozialpsychologischen Denkens ohne empirisches Forschungsprogramm in Europa etwa in Gestalt von Gustave Le Bons „Massenpsychologie“ (1895) und Wilhelm Wundts „Völkerpsychologie“ (1900-1920) entwickelten sich in Amerika zur selben Zeit Ansätze zu einer natural sociology, die sich vor allem mit Problemen von Integration, Migration, Verstädterung etc. beschäftigten und das später als „Chicago School“ etikettierte Paradigma einer auf Beobachtung und Interviews beruhenden phänomennahen Forschung prägten. Besonders wichtig für die Entwicklung eines qualitativen Forschungsstils war die im Hauptteil auf einer Autobiografie beruhende Studie „The Polish Peasant in Europe and America: A Classic Work in Immigration History“ von Thomas und Znaniecki (1996 [1918-1921]) sowie der theoretische Beitrag von William I. Thomas, dass es insbesondere die subjektiven Wahrnehmungen und Deutungen objektiver Bedingungen seien, die Menschen zu Handlungen veranlassen, woraus die Notwendigkeit resultiere, Methoden zu entwickeln, die geeignet sind, subjektive Weltsichten zu rekonstruieren. Dieses Paradigma ist prägend geblieben für eine nie abgebrochene Tradition der Forschung, die von William F. Whytes „Street Corner Society“ (1993 [1943]) über die Gruppenstrukturen in einem Slum bis zu den Studien von Erving Goffman zu totalen Institutionen (1961) oder zur Alltagsperformanz (1956) reicht. Als theoretisch wichtiger Urheber dieses Zweigs der Sozialpsycho-
G. Mey K. Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie, DOI: 978-3-531-92052-8_53, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
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logie kann George Herbert Mead gelten, der mit seiner Subjekttheorie, die die Ontogenese in der Interaktion verankert (1934), sowohl dem „Symbolischen Interaktionismus“ (Blumer 1973) als auch der Ethnomethodologie (Garfinkel 1967) den theoretischen Boden bereitet hat: Beide Forschungsrichtungen befassen sich mit der Frage, wie mittels Interaktionsprozessen soziale Wirklichkeiten konstituiert werden bzw. welche (unbewussten) Regeln diesen Konstitutionsprozessen zugrunde liegen. Die „Krisenexperimente“ Garfinkels etwa, spontane Brechungen von Alltagskonventionen (beispielsweise die Verringerung des Gesichtsabstands beim Sprechen), stellen eine unaufwendige Methode dar, Regeln des Alltagshandelns ex negativo zu identifizieren und zu beschreiben. Im deutschen Sprachbereich wurde diese Tradition naturalistischer, mit qualitativen Methoden arbeitender Sozialpsychologie vor allem über einen von Heinz Steinert (1973) herausgegebenen Sammelband bekannt gemacht, in einer Zeit, in der der sozialpsychologische Mainstream vor allem im Experiment die via regia der Forschung sah. Die zeitweilige Monokultur des Experiments wiederum geht auf einen zweiten Strang der amerikanischen Entwicklung der Sozialpsychologie zurück. Zentral für eine methodisch dezidiert experimentell ausgerichtete Sozialpsychologie war der vom Behaviorismus geprägte Floyd Allport, der ein einflussreiches Lehrbuch („Social Psychology“, 1924) verfasst hatte. Darüber hinaus verhalf die stetige Entwicklung von Erhebungs- und Auswertungsverfahren wie auch die Übernahme von statistischen Prozeduren (z.B. von Quetelet, Galton, Pearson und Fisher) der Sozialpsychologie zu ihrer Anerkennung als akademisches Fach. Gerade das im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts von Sozialpsycholog/innen formulierte Konzept der „Einstellung“ profitierte von diesen Entwicklungen: Anfangs noch mit dem Vorwurf konfrontiert, „mentalistisch“ und rein spekulativ zu sein, wurde die Untersuchung und Messung von Einstellungen dank der Skalierungsansätze von Thurstone (1928) innerhalb weniger Jahre zu dem zentralen Forschungsgegenstand der Sozialpsychologie. Die dominante Stellung des Experiments wurde durch die „Experimental Social Psychology“ von Gardner Murphy und Lois Murphy (1931) weiter untermauert. Im Zuge des Zweiten Weltkrieges mussten zahlreiche Wissenschaftler/innen verschiedenster Ansätze psychologisch orientierter Forschung aus Deutschland (z.B. Fromm, Lewin) und Österreich (Heider, Ichheiser, Jahoda, Lazarsfeld) ihre Wirkungsstätten verlassen und emigrierten nach Amerika, um ihre Arbeit an dortigen Universitäten fortzusetzen, was zu einer nachhaltigen Schwächung des Faches in Deutschland bis in das erste Nachkriegsjahrzehnt führte. Ausgehend von Nordamerika wurden aber im Verlauf der 1950er Jahre Anstrengungen unternommen, den Aufbau von Ausbildungsinstituten in Europa zu unterstützen und meist isoliert voneinander arbeitende Sozialpsycholog/innen zu vernetzen (zum Beispiel mit der ersten europäischen Konferenz für experimentelle Sozialpsychologie in Sorrento 1963, während der auch die Gründungsidee für eine von den Vereinigten Staaten unterstützte „European Association of Experimental Social Psychology“ entstand). Daneben hatte sich eine an die Arbeiten der Frankfurter Schule anknüpfende analytische Sozialpsychologie etabliert, die durch Vertreter/innen wie Erich Fromm (1980 [1929]) oder Alexander und Margarete Mitscherlich (1967) Aufmerksamkeit weit über die Wissenschaft hinaus erfuhr. Die aktive Förderung der Institutionalisierung der Sozialpsychologie in Europa durch nordamerikanische Forschende führte aber dazu, dass sich die Forschungsagenda der europäischen akademischen Sozialpsychologie bis in die Mitte der 1970er Jahre inhaltlich und methodisch weitgehend am nordamerikanischen Modell orientierte.
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In den Vereinigten Staaten setzte spätestens 1972 mit „The Explanation of Social Behaviour“ von Harré und Secord die Kritik einer allzu mechanistischen Ausrichtung der Sozialpsychologie, ihres Menschenbilds und der damit verbundenen Position gegenüber „Versuchspersonen“ ein. Der von Israel und Tajfel edierte Band „The Context of Social Psychology“ (1972) artikulierte die Forderung, neue Forschungsmethoden neben dem sozialpsychologischen Experiment etablieren zu müssen. Auch Kenneth Gergen, Vertreter einer konstruktionistischen Sozialpsychologie, argumentierte 1973 in „Social Psychology as History“ gegen die Alleinstellung des Experiments als Weg sozialpsychologischer Erkenntnisbildung (siehe auch Gergen im Gespräch mit Mattes & Schraube 2004).
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Beispiele qualitativ orientierter Studien
Die Untersuchung „Die Arbeitslosen von Marienthal“ (Jahoda, Lazarsfeld & Zeisel 1933) kann als Paradebeispiel der Kombination unterschiedlichster Methoden von der teilnehmenden Beobachtung über das Interview, die Erhebung von Inventaren und Tagebüchern, projektiven Methoden bis hin zur Messung der Gehgeschwindigkeit der Dorfbewohner/innen gelten. Bemerkenswerterweise gilt diese Studie zu den psychologischen Folgen der Arbeitslosigkeit bis heute in einigen ihrer Befunde als keineswegs überholt. John Dollard (1937) untersuchte im Rahmen einer qualitativen Feldstudie, welchen Einfluss die soziale Stellung auf die Rassenbeziehungen in der Kleinstadt Southerntown hatte. Sein besonderes Interesse galt der Erfassung und Beschreibung der emotionalen Struktur von Afroamerikaner/innen in Relation zu der sozialen Struktur der Gemeinschaft, die er mit teilnehmender Beobachtung und Interviews untersuchte. Muzafer und Carolin Sherif analysierten in den 1950er Jahren Rivalitäten zwischen sozialen Gruppen. Das 1954 veröffentlichte „Robber’s Cave Experiment“ (Sherif, Harvey, White, Hood & Sherif 1954) sollte Aufschluss über die Entstehung und den Verlauf von Gruppenkonflikten geben. Neben der Beobachtung verbalen und nonverbalen Verhaltens der Gruppenmitglieder wurden Beurteilungsverfahren und soziometrische Techniken eingesetzt. Auf diese Weise sollte die Außenperspektive der beobachtenden Wissenschaftler/innen mit der subjektiven Perspektive der Gruppenmitglieder trianguliert werden. In der Studie „When Prophecy Fails“ dokumentierten Festinger, Riecken und Schachter (1956) den Fall der Anhänger/innen eines kultischen Glaubens in Wisconsin, die all ihre Habe veräußerten, weil ihrer Anführerin prophezeit worden war, dass der Weltuntergang in Form einer gewaltigen Überschwemmung unmittelbar bevorstehe. Der Umstand, dass die Welt entgegen der Prophezeiung nicht untergegangen war, ließ die Sektenmitglieder nun nicht an ihrem Glauben zweifeln, sondern sie betrachteten die fehlgeschlagene Prophezeiung als Prüfung der Festigkeit ihres Glaubens. Die Theorie der kognitiven Dissonanz, die an diesem Fall entwickelt wurde, geht auf Beobachtungen und Interviews im Rahmen eines „natürlichen Feldexperiments“ zurück. Weit über die Disziplin hinaus bekannt geworden sind die Anfang der 1960er Jahre von Stanley Milgram durchgeführten Experimente zur Gehorsamsbereitschaft (Milgram 2004 [1974]). Hier wurde Versuchsteilnehmenden mitgeteilt, sie würden als „Lehrer“ an einem Versuch über die Wirkung von Strafe auf die Lernfähigkeit von „Schülern“, die allerdings ebenso wie die Versuchsleiter/innen Teil des Aufbaus waren, partizipieren. Sie teilten also bei falschen Antworten vermeintlich Stromstöße bis zu einer Höhe von 450
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Volt aus. Zu Milgrams Überraschung brach lediglich ein Drittel den Versuch vorzeitig ab. In insgesamt 18 Variationen des Experiments wurde gezeigt, wie die sozialen Beziehungen zwischen den Beteiligten Autorität und Gehorsam moderierten. Im Zusammenhang der Untersuchung von Interaktionen unter den Bedingungen des Sterbens in Krankenhäusern ist die Grounded-Theory-Methodologie (Glaser & Strauss 1967) entwickelt worden, die in der Kombination unterschiedlicher Einzelmethoden und durch den Verzicht auf einen ex ante ausgearbeiteten Forschungsplan besonders geeignet ist, Theorien mittlerer Reichweite über bis dato noch kaum explorierte Phänomenbereiche zu generieren. Im deutschen Sprachbereich einflussreich für die Entwicklung qualitativer Zugänge zu Lebenswelten waren die psychoanalytisch inspirierten Arbeiten von Leithäuser und Volmerg (1988), die besonders hinsichtlich des verwendeten Methodenmixes (es wurden Interviews, Gruppendiskussionen, Beobachtungen und projektive Verfahren wie die Erstellung von Zeichnungen kombiniert, um betriebliche Lebenswelten zu rekonstruieren) äußerst innovativ waren. Als stilbildend können auch die Arbeiten Heiner Keupps etwa zu sozialen Netzwerken (Keupp & Röhrle 1987) sowie zur Patchwork-Identität betrachtet werden. Ein auf die Untersuchung von Texten fokussierter Ansatz ist die sozialpsychologische Rekonstruktion, die sich inhaltsanalytischer Verfahren bedient und qualitative und quantitative Ansätze kombiniert (Kempf, Baros & Regener 2000). Die Gruppe um Harald Welzer (2005; Welzer, Moller & Tschuggnall 2002; Welzer, Montau & Plaß 1997) hat im Kontext von Mehrgenerationendesigns zur Wahrnehmung und Deutung der NS-Vergangenheit ein eigenes Paradigma der Tradierungsforschung mit einem Verfahren der induktiven Kategorienbildung auf der Grundlage einer hermeneutischen Dialoganalyse entwickelt (Jensen 2000; Jensen & Welzer 2003). Profitiert haben solche Ansätze vor allem auch durch die Entwicklung der qualitativen Inhaltsanalyse im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeitsstudien der Gruppe um Dieter Ulich (Ulich et al. 1985; Strehmel 1989; Mayring 2000 [1983]; siehe auch Mayring in diesem Band) sowie durch computergestützte qualitative Analyseverfahren (siehe Kuckartz & Rädiker in diesem Band)].
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Die Kombination qualitativer und quantitativer Methoden
Werden qualitative und quantitative Methoden in der sozialpsychologischen Forschung miteinander kombiniert, kommt qualitativen Methoden häufig eine explorative Funktion in noch wenig erschlossenen Themengebieten zu. Eine gleichgewichtige Kombination ist wesentlich weniger verbreitet. Cialdini (1980) schlägt für die Sozialpsychologie eine zyklische Vorgehensweise vor (full cycle research), die ihren Ausgangspunkt in der qualitativen Beobachtung von Umweltphänomenen nimmt. Die durch die Beobachtung formulierten Hypothesen sollten dann anhand von Laborexperimenten überprüft werden, um eine hohe internale Validität zu gewährleisten. Fine und Elsbach (2000) unterscheiden zwei Möglichkeiten der Kombination von qualitativen und quantitativen Daten, die insbesondere der Formulierung von Theorien dienen sollen. Während sich bei der „sequentiellen Taktik“ (sequential tactics) qualitative und quantitative Methoden abwechseln, erfolgt bei der „fusionierten Taktik“ (merged tactics) eine Kombination beider Datenquellen. Als Beispiele für die letzte Strategie werden die Kombination qualitativer und quantitativer Daten aus künstlichen Experimentalsituatio-
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nen, die Kombination von quantitativen und qualitativen Daten von Teilnehmenden aus offenen Feldexperimenten und die Kombination von beiden Datenquellen aus „natürlichen“ Feldexperimenten angeführt. Für den Bereich der sequentiellen Taktiken werden die teilnehmende Beobachtung mit anschließenden Experimenten durch dieselben Versuchleiter/innen (z.B. Cialdini & Schroeder 1976), Tiefeninterviews mit von anderen Versuchsleiter/innen durchgeführten, anschließenden Experimenten (z.B. Schein 1956) und Experimente mit anschließender nicht-teilnehmender Beobachtung durch dieselben Versuchsleiter/innen genannt.
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Stärken, Schwächen und Desiderata
Insgesamt ist nach einer langen Phase relativer methodischer und inhaltlicher Sterilität der Sozialpsychologie seit den 1970er Jahren eine wachsende Diversifizierung der Ansätze und Methoden zu verzeichnen, die für einen größeren Realismus und eine höhere ökologische Validität der Befunde sorgen. Dennoch sind Experiment und Feldstudie die dominierenden Methoden, rein qualitative Studien bilden für deutlich weniger als zehn Prozent der Publikationen deutscher Sozialpsychologinnen und Sozialpsychologen die Grundlage (Krampen 2009). In Zukunft dürften qualitativ-sozialpsychologische Ansätze vor allem aus zwei Gründen an Prominenz gewinnen. Zum einen stellen sich mit den vermehrten gesellschaftlichen Veränderungsnotwendigkeiten angesichts des Klimawandels neue Fragen nach den Vermittlungen zwischen Wissen und Handeln, aber auch nach den Bedingungen für kulturelle Wandlungsprozesse, zum anderen sind klassische rational choice-Ansätze sowohl in den Sozial- wie in den Wirtschaftswissenschaften auf dem Rückzug, was höheren Forschungsbedarf etwa in Bezug auf sozial gebundene Entscheidungsprozesse impliziert. Es wäre zu hoffen, dass die Sozialpsychologie im Zuge der Veränderung und Neuformulierung realgesellschaftlicher Problemlagen etwas mehr von jener methodischen Kreativität und jenem methodologischen Pragmatismus zurückgewinnt, der ihre Fruchtbarkeit im ersten Drittel sowie in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts gewährleistete.
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Michael Dick, Hartmut Schulze & Theo Wehner
Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie 1
Disziplinäre Einordnung und Entstehungsgeschichte
Die Arbeits- und Organisationspsychologie (AO-Psychologie, früher zusammen mit der Betriebs- oder Ingenieurspsychologie, heute zunehmend mit der Wirtschaftspsychologie) ist ein Sammelbegriff für verschiedene überlappende Felder der Angewandten Psychologie, die sich mit der Situation und Rolle des Menschen im Arbeits- und Wirtschaftsleben befassen. Sie lässt sich von psychologischen Teildisziplinen abgrenzen, die sich auf andere Funktionssysteme der Gesellschaft richten (Verkehr, Umwelt, Recht, Bildung, Gesundheit, Gemeinde, Medien). Subsumierte Bereiche sind die Personal-, Markt-, Finanz- oder Berufspsychologie. Wichtigste Nachbardisziplinen sind die Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften, die Industriesoziologie und die Managementforschung. Gemeinsam mit technischen, informatischen und medizinischen Subdisziplinen bildet sie die Arbeitswissenschaften. Die AO-Psychologie wurzelt in einer Absetzbewegung von der Psychologie als experimenteller Wissenschaft, wie sie sich Anfang des 20. Jahrhunderts akademisch etablierte. Schüler von Wilhelm Wundt strebten einen stärkeren gesellschaftlichen Nutzen der psychologischen Forschung an: „Für sich allein genommen ist die ganze kausale Behandlung des seelischen Lebens doch eine recht künstliche und unfruchtbare Betrachtungsart. Das Seelenleben ist Geist und will in seinem Sinn verstanden werden“, knüpft Münsterberg (1913, zit. nach Lück 2004, S.32) an die geisteswissenschaftliche Tradition des Faches an. Der aus heutiger Sicht verwirrende Begriff Psychotechnik wurde in Analogie zu den Technikwissenschaften verwendet, die zu den Naturwissenschaften im gleichen Verhältnis standen wie die Psychotechnik zur experimentellen Grundlagenpsychologie. Anwendungs- und Kontextbezug verbanden sich mit einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. Aber auch die Laborexperimente in dieser frühen Phase wären mit dem Etikett „quantitativ“ unzutreffend bezeichnet, wurden sie doch mit wenigen erfahrenen Versuchspersonen durchgeführt. Die umwälzenden Zeitstudien in realer Arbeitsumgebung, die Frederic Taylor durchführte, würde man heute als systematische Beobachtungsverfahren im natürlichen Kontext einordnen, dessen Einführung neuer Organisationsstrukturen (Leistungslohn, Arbeitszeitverkürzung) als Interventionsstudie oder Aktionsforschung. Münsterberg sprach von „praktischen Experimenten der wissenschaftlichen Betriebsführung“ (1997 [1912], S.95). Bis 1918 entstanden 250 psychologische Labore, in denen diagnostische Untersuchungen zur Sicherheit in der Bedienung technischer Anlagen durchgeführt wurden (Kanning 2007). Die Potenzierung technischer Leistungsfähigkeit zu jener Zeit führte an die Grenzen der menschlichen Beherrschungskapazität. Personalauswahl, Eignungsdiagnostik und Arbeitsgestaltung waren die ersten Felder, die der AO-Psychologie zur Geltung verhalfen.
G. Mey K. Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie, DOI: 978-3-531-92052-8_54, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie
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Die besondere Bedeutung qualitativer Forschung für die Entstehung der Arbeitspsychologie
Die gestalterische Aufgabe der AO-Psychologie lenkt die Aufmerksamkeit auf die Reichhaltigkeit des Kontextes menschlicher Arbeit und die Betrachtung psychischer Prozesse in ihrer Ganzheit. Diese qualitative Perspektive brachte einflussreiche Konzepte wie Organisationsentwicklung, soziotechnische Systemgestaltung oder die Arbeitsanalyse hervor. Die durch die „Österreichische Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle“ durchgeführte Studie über die Arbeitslosen von Marienthal beruhte auf teilnehmender Beobachtung und Handlungsforschung (Jahoda, Lazarsfeld & Zeisel 2009 [1933]). Die neun Forscherinnen und sechs Forscher wohnten zeitweise vor Ort, organisierten Hilfsangebote für die Gemeinde und nutzten vielfältiges Datenmaterial von der örtlichen Einwohnerstatistik bis zum Schulaufsatz. Erstmals wurden die psychischen und sozialen Folgen der Arbeitslosigkeit – Resignation, Passivität, Überforderung – ausführlich dokumentiert und präzise beschrieben, wodurch das damals vorherrschende Bild einer politisch aktiven und revolutionären Arbeiterschaft infrage gestellt war. Den Ursprung qualitativer Arbeitsforschung bildeten die Feldstudien der soziologischen Chicagoer Schule (Winter in diesem Band). In deren Tradition führte Anselm Strauss wegweisende Studien zur Veränderung der Arbeitsorganisation und -verteilung im Krankenhaus durch (Strauss, Fagerhaugh, Suczek & Wiener 1985). Dabei entstand das Konzept des Arbeitsbogens (arc of work), der die Gesamtheit aller Komponenten von Arbeit beschreibt. Organisationsentwicklung als Neuordnung einzelner oder aller Komponenten der Arbeitsbögen geschieht durch reflexive Artikulationsarbeit. Unter dem Sammelbegriff studies of work bzw. workplace studies rekonstruieren Forschende Arbeitsprozesse aus der Perspektive der Beteiligten und in der Gesamtheit ihrer Voraussetzungen, Bedingungen und Folgen (Bergmann 2005). Kurt Lewin kombinierte als Begründer der Organisationsentwicklung sozialpsychologische Forschung mit Unternehmensberatung. Im Rahmen seiner Feldtheorie beschreibt er geplanten Wandel auf Gruppenebene im Dreischritt „unfreezing, moving and freezing of group standards“ (Lewin 1947, S.34). In dieser Tradition entwickelten sich die bis heute gültigen Stadien eines Organisationsentwicklungsprozesses. Die Verbindung aus Praxis und Theorie sowie die Beteiligung der Akteure im Feld zu deren Nutzen und um deren Expertise fruchtbar zu machen, sind als Aktionsforschung ebenfalls grundlegend (Cassell & Johnson 2006). Der soziotechnische Systemansatz leitet sich aus einer detaillierten Analyse der Technologien, der Arbeitsabläufe und der sozialen Prozesse ab, die als Feldstudien unter Tage im englischen Kohlebergbau oder in der indischen Textilindustrie durchgeführt wurden. Hunderte weitere Studien folgten (Pasmore, Francis, Haldeman & Shani 1982). Kernaussage dieses Ansatzes ist die Interdependenz technischer und sozialer Teilsysteme.
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Michael Dick, Hartmut Schulze & Theo Wehner
Aktuelle Themen und Diskussionen qualitativer Forschung in der AOPsychologie
In der aktuellen Forschungslandschaft sind qualitative Methoden zwar verbreitet, jedoch finden nur wenige Arbeiten breite Aufmerksamkeit oder Eingang in größere Forschungszusammenhänge. Qualitativ wird vor allem auf der Ebene von Abschlussarbeiten und Dissertationen geforscht, wobei es kaum thematische Eingrenzungen gibt. Ein wesentlicher Befund der qualitativen Arbeits- und Organisationsforschung ist die Einbettung menschlichen Wissens und Handelns in den Gesamtkontext der Arbeit. Wegweisend sind hier Studien zur Mensch-Maschine-Interaktion (Suchman 1987), zur Entwicklung von Tätigkeitssystemen (Engeström, Miettinen & Punamaeki 1999), zum situierten Lernen in Praxisgemeinschaften (Lave & Wenger 1991) oder zur Bedeutung von Erfahrung und spontaner Improvisation in der Arbeit (Orr 1996; Fischer 2000; Schulze, Witt & Rose 2001). Das entdeckende Potenzial der qualitativen Sozialforschung entfaltet sich besonders dort, wo die Dimension des Impliziten theoretisch und praktisch an Bedeutung gewinnt: im Wissensmanagement und im organisationalen Lernen als tacit knowledge (Dick 2006), in der Karriereforschung (Craig 2009) und mit dem Konzept des psychologischen Vertrags (Raeder 2007), in der Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung am Phänomen des Widerstands und der Abwehr (Bennett & Durkin 2000) oder in der Entwicklung, Stabilisierung und Änderung gemeinschaftlicher Routinen (Edmondson, Bohmer & Pisano 2001). Etabliert sind in der Psychologie biografische Ansätze. Aktuelle Untersuchungen hierzu betreffen Berufsverläufe und Alltagsgestaltung bei Menschen mit stark arbeitszentrierten und entgrenzten Lebensformen (Ewers, Hoff, Geffers, Petersen & Schraps 2006) oder die berufliche Sozialisation entlang von Statuspassagen (Heinz, Kelle, Witzel & Zinn 1998). Arbeiten zur subjektiven Aneignung und sozialen Konstruktion technischer Entwicklungen (Flick 1996) und über Gesundheitsvorstellungen von Ärzt/innen und Pflegekräften (Flick, Walter, Fischer, Neuber & Schwarz 2004) greifen auf den Ansatz der sozialen Repräsentationen zurück. Als besondere Form sozial geteilten Wissens sind diese über episodische Interviews rekonstruierbar. Dresdner Arbeitspsycholog/innen beschäftigen sich auf methodisch vielfältige Weise mit kognitiven Strukturierungsprozessen in der Planungstätigkeit von Ingenieuren/innen (Sachse 2001; Hacker 2002; Starker & von der Weth 2008). Hier werden Interviews, Beobachtungsverfahren oder Gruppendiskussionen miteinander verknüpft, häufig im Rahmen natürlicher Experimente. Diese Arbeiten nehmen Bezug auf die Anreicherung von Arbeitstätigkeiten durch Wissen und Informationen. Der Begriff Wissensarbeit bezeichnet eine Entwicklung, die nach Einschätzung Vieler die Erwerbsarbeit grundlegend verändern kann (Frenkel, Korczynski, Donoghue & Shire 1995; Wehner & Dick 2001). Ethnografische Studien sind geeignet, diese Arbeitsformen besser zu verstehen und das Ausmaß der Veränderungen im Verhältnis zur Industriearbeit einzuschätzen (Schultze 2003). Neben dem klassischen narrativen oder dem leitfadengestützten Interview sind in der Angewandten Psychologie auch andere Verfahren etabliert und weiterentwickelt worden. Interaktionsanalysen, soziale Netzwerkanalysen, Strukturlegetechniken (Groeben & Scheele in diesem Band) und das Repertory Grid (Fromm in diesem Band) nutzen systematische Heuristiken für die explorative und interpretative Analyse. Seit den 1950er Jahren ist die Interaktionsanalyse auf Beobachtungsbasis bekannt. Das Instrument zur Kodierung von
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Diskussionen (IKD) wurde jüngst im organisationspsychologischen Kontext vorgestellt. Es erlaubt die Dokumentation von Beobachtungen sowohl standardisiert als auch offen und qualitativ, wobei nonverbales Verhalten, emotionale Ausdrücke und die Beziehungsebene einbezogen werden (Schermuly, Schröder, Nachtwei & Scholl akzeptiert). Aus dem klinischen Kontext adaptiert hilft das Repertory-Grid-Interview dabei, die subjektive Sicht von Akteuren auf komplexe soziale Zusammenhänge abzubilden, so bei Veränderungsprozessen in Organisationen (Cassell, Close, Duberley & Johnson 2000), beim Umgang mit Wissen in Organisationen (Clases 2004), in der Bilanzierung und Kapitalisierung von Kompetenzen (Jankowicz 2001) oder in der Mobilitätsforschung zur Synchronisierung verschiedener Lebensbereiche (Deubel 2009). Das Triadengespräch ist eine Erweiterung des narrativen Interviews zur Rekonstruktion erfahrungsbasierten Wissens, bei dem die Zuhörerschaft auf einen Nvizen und einen Laien verteilt wird (Dick 2006). Im gut erforschten Feld der Personalauswahl spielt neben den seit Langem bewährten psychologischen Instrumenten Subjektivität weiterhin eine große Rolle. Eine Interviewstudie mit Personalverantwortlichen zeigte, dass in Einstellungsinterviews unbewusste Faktoren und Intuition wesentlich sind (Kolominski 2009). Ähnlich verhält es sich auf dem Tätigkeitsfeld der Organisationsberatung. Während sich die Forschung um Bedingungen für Produktivität, Leistung, Gesundheit oder Zufriedenheit, also um die Ergebnisebene kümmert, orientieren sich die Praktiker/innen am Beratungsprozess. Die dabei wirksamen Regeln wurden auf Basis von Erfahrungsberichten vorgestellt. Erste Forschungsprojekte zur Praxis der Unternehmensberatung wurden an den Universitäten Osnabrück und Hamburg durchgeführt.
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Bewertung: Stellenwert, Stärken, Schwächen, Desiderata
In den Lehr- und Handbüchern der AO-Psychologie kommt die qualitative Forschungsmethodik so gut wie gar nicht vor. In der umfassenden und soeben neu erschienenen arbeitspsychologischen Enzyklopädie werden als grundlegende methodische Ansätze Quer- und Längsschnittstudien, Metaanalysen sowie Evaluation und Arbeitsanalysen behandelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der statistischen Modellierung, in der Arbeitsanalyse decken Befragungen und Beobachtungen zusammen knapp zwei Seiten ab (Kleinbeck & Schmidt 2010). Die Möglichkeit kausaler Schlussfolgerungen und die Generalisierbarkeit von Forschungsergebnissen seien die Ziele, an denen sich die Versuchsplanung auszurichten habe (Freund & Holling 2007, S.78). Kontextbedingungen werden als eine die Güte von Forschung gefährdende und zu kontrollierende Größe gesehen, nicht aber als Ausgangspunkt und Bewährungsinstanz von Forschung. Weinert (2004) findet zwar kritische Worte für die derzeitige Forschungsmethodik, wie viele andere Autor/innen verspricht er sich Fortschritte jedoch vornehmlich von Metaanalysen. Korrelative Fragebogenstudien und sozialpsychologische Laborexperimente sind als Grundlage von Metaanalysen allerdings die nahezu ausschließliche Basis des derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstandes in der AOPsychologie. Einer eigenen Erhebung zufolge sind in 30 führenden internationalen Zeitschriften der AO-Psychologie unter den empirischen Beiträgen etwa zehn Prozent qualitativen Ursprungs (Dick, Riesen, Schulze & Wehner 2010). Die Streuung ist allerdings erheblich: Während in Zeitschriften mit explizit psychologischem Fokus (z.B. Organizational Beha-
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vior and Human Decision Processes, Journal of Organizational Behavior) zwischen 0 und 2,5% qualitative Artikel erscheinen, ist das Verhältnis bei soziologisch ausgerichteten Journalen (z.B. Organization Studies, Gender Work and Organization) eher ausgeglichen. Auf dieser Ebene des wissenschaftlichen Austausches fällt die Psychologie in der Anwendung qualitativer Forschungsmethoden hinter die Nachbardisziplinen der Management- und Wirtschaftswissenschaften sowie der Industrie- und Organisationssoziologie deutlich zurück. Dies bestätigt sich in den Reviews über Forschungsmethoden in der AO-Psychologie (Scandura & Williams 2000). Die Unzufriedenheit darüber wird zunehmend deutlich artikuliert. Lutz von Rosenstiel bemerkt, dass „arbeits- und organisationspsychologische Erkenntnisse meist nur innerhalb eines stabilen Kontextes gültig sind und dementsprechend häufig bereits nach kurzer Zeit ihre Nützlichkeit für die Praxis verlieren“ (2007, S.19). Diese Argumentation spricht gegen die Strategie der Metaanalysen, die nur über einen langen Zeitraum zu realisieren sind. Der fehlende Kontextbezug und die Distanz der Grundlagenforschung zu den praktischen Herausforderungen der Arbeitswelt münden in die Forderung nach mehr Vielfalt in der Methodenlandschaft (Kanning et al. 2007). Die Bedeutung qualitativer Strategien wird in einem Review des wichtigsten Periodikums der Organisationswissenschaften untermauert. Die Hälfte der 25 dort meist zitierten Artikel weist auf die Notwendigkeit qualitativer Designs hin, vor allem werden Fallstudien, (teilnehmende) Beobachtungen und Interviews gefordert (Aguinis, Pierce, Bosco & Muslin 2008, S.105). Im Academy of Management Journal haben immer wieder qualitative Arbeiten den Best Paper Award erhalten (Gephart 2004). Einige Handbücher zur qualitativen Organisationsforschung dokumentieren internationale Aktivitäten (Symon 2000; Elsbach & Bechky 2009a). Häufig sind narrative Ansätze zur Rekonstruktion von Praxis und sozialer Wirklichkeit in Organisationen zu finden (Boudens 2005; Hjorth & Steyaert 2004). Eine Übersicht über qualitative Methoden der AO-Psychologie im deutschen Sprachraum liefern Kühl, Strodtholz und Taffertshofer (2009). Aufgrund der einseitigen Orientierung an quantitativen Verfahren haben sich in der AO-Psychologie kaum geteilte Standards für die Erhebung qualitativer Daten entwickeln können, verglichen mit den deutlichen Fortschritten bei der quantitativen Auswertung. So werden Potenziale verschenkt, die vor allem in der Kombination verschiedener Methoden liegen (Flick in diesem Band). Es wäre etwa möglich, ein Thema vergleichend aus verschiedenen Perspektiven und in verschiedenen Kontexten zu untersuchen (Elsbach & Bechky 2009b). Auch Entwicklungsverläufe von und in Organisationen über längere Zeit, die ein vertieftes Verständnis etwa von Innovations- und Veränderungsprozessen ermöglichen würden, sind bislang kaum erforscht. Die Fallstudie findet in der AO-Psychologie als Forschungsstrategie neben experimentellen und korrelativen Designs im europäischen Raum wieder mehr Akzeptanz (Chmiel 2008), eine ermutigende Bilanz des Entwicklungsstandes legen Pongratz und Trinczek (2010) vor. In Fallstudien können Daten kontextbezogen, auf verschiedenen Ebenen und Niveaus erhoben und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Das Design ist systematisch und dennoch flexibel (Scholz & Tietje 2002). Mit den heute vorliegenden leistungsfähigen und zuverlässigen Methoden kann an die Tradition der Fallstudie in der Arbeitsforschung angeknüpft werden, um der zunehmenden Geschwindigkeit, Vielschichtigkeit und gegenseitigen Überlagerung von Entwicklungsprozessen gerecht zu werden.
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Jörg Frommer & Julia Lange
Jörg Frommer & Julia Lange
Psychotherapieforschung 1
Entstehungsgeschichte und heutige Bedeutung
In den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann in Psychiatrie, Psychosomatischer Medizin und Klinischer Psychologie die zunehmend systematische Erforschung von Effekten und Wirkweisen psychotherapeutischer Behandlungen. Bis in die achtziger Jahre dominierten dabei quantitative Forschungsdesigns. Qualitative Psychotherapieforschung konnte sich dennoch durch das unmittelbare Anknüpfen an Forschungstraditionen der interaktionistisch ausgerichteten Soziologie, namentlich der Verstehenden Soziologie, der Sozialphilosophie und dem symbolischen Interaktionismus, entwickeln (Strauss 1991). Hier wurden gesellschaftliche Mikroprozesse sowie subtile Phänomene des sozialen Alltags als Ergebnis aufeinander bezogenen Handelns (der Interaktion) von Akteuren verstanden (Frommer & Streeck 2003). Die meisten Datengewinnungs- und Datenanalysemethoden der qualitativen Psychotherapieforschung gehen daher neben sprachwissenschaftlichen auf soziologische Ansätze zurück (Buchholz & Streeck 1999), so z.B. Konversations- und Kontextanalyse, Grounded-Theory-Methodologie, sprachanalytische Verfahren, hermeneutische Verfahren, Metaphern- und Erzählanalyse, das Konzept der komparativen Fallstudie, das Konzept der Idealtypen sowie die qualitative Inhaltsanalyse (Faller & Frommer 1994). Trotz des Widerstandes der Forscher/innengemeinschaft nahmen das Interesse an und die Zahl von qualitativen Psychotherapiestudien im deutschen und angloamerikanischen Sprachraum seit den frühen neunziger Jahren stetig zu (Rennie 2004; Frommer, Langenbach & Streeck 2004). Mittlerweile wurden zahlreiche Buchbeiträge und Monografien verfasst (z.B. McLeod 2001), Symposien und Konferenzen organisiert (z.B. „International Conference on Qualitative Research in Psychotherapy“, 1996 in Düsseldorf und 2003 in Magdeburg) und Fachzeitschriften gegründet (z.B. „Psychotherapie & Sozialwissenschaft. Zeitschrift für Qualitative Forschung und klinische Praxis“ oder „Counselling and Psychotherapy Research“).
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Ausgewählte Themen und Ergebnisse empirischer Forschung
Die Themenschwerpunkte deutschsprachiger qualitativer Psychotherapiestudien umfassen Erstinterview und Diagnostik, psychosomatische Störungen, Verlauf von Psychotherapie, Patient/in-Therapeut/in-Interaktion und Erfahrungen der Therapeut/innen hinsichtlich des Behandlungsprozesses sowie Katamnese (Frommer et al. 2004). Arbeiten zu Erstinterviews beschäftigten sich u.a. mit Familientherapien (z.B. Martens-Schmid 2000), Reaktionen auf therapeutische Interventionen (z.B. Wilke 1992) und Themenwechsel in der Initialphase der Therapie (Saladin & Grimmer 2009). In der psychosomatischen Medizin, in der ärztlichem
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Psychotherapieforschung
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Erkennen und Handeln ein Biografiebezug implizit ist (Frommer 2006), finden sich zahlreiche Arbeiten zu subjektiven Coping-Strategien und/oder Krankheitstheorien z.B. bei Morbus Crohn- (Küchenhoff 1993; Perleberg, Schütze & Heine 2006) oder Tumorpatient/innen (Faller, Lang & Schilling 1994; Koehler et al. 2006). In der Transplantationsmedizin wurden die Motivation von Organspender/innen, ihr Einfluss auf die Spender/in-Empfänger/inBeziehung sowie Veränderungen im Anschluss an die Transplantation untersucht (Langenbach & Köhle 1999). Zudem wurden fünf Bewältigungsformen einer Herztransplantation differenziert (Langenbach 2006) und es konnte gezeigt werden, dass die Entscheidung zur Leberlebendspende unter hohem psychosozialen, moralischen und situativen Druck erfolgt; ebenso waren Determinanten für psychosoziale Schwierigkeiten identifizierbar (Papachristou, Walter, Klapp & Frommer 2006). Des Weiteren zeigten kontrastive typologische Vergleiche der Arzt-Patient-Kommunikation vor und nach Teilnahme an Balint-Gruppen deren Wirksamkeit (Koerfer, Köhle & Obliers 2000). Um 1990 erfolgte in der deutschsprachigen Psychotherapieforschung ein Paradigmenwechsel von Outcome- zu Prozessforschung. Im ambulanten Psychotherapiesetting war die „Psychotherapeutische Einzelfallforschung (PEP)“ der kooperierenden Arbeitsgruppen um Kächele (Ulm) und Grawe (Bern) maßgeblich, auch wenn im Rahmen dieses Projekts entstandene Studien bis heute unpubliziert sind. Im stationären Setting wurden z.B. störungsspezifische Verlaufstypologien untersucht (Ruff & Leikert 1999). Bezüglich der Patient/in-Therapeut/in-Interaktion wendet die Arbeitsgruppe um Streeck Konversations- und Kontextanalysen an, welche der durchgängigen Interaktivität therapeutischer Situationen und Phänomenen wie Widerstand, Übertragung oder projektive Identifizierung angemessen erscheinen (z.B. Buchholz & Streeck 1999; Streeck 1995, 2009). Mikroanalysen von Therapiesitzungen zeigten, dass nonverbales Verhalten wesentlich zur Regulierung der therapeutischen Beziehung beiträgt (z.B. Streeck 2000). Andere Studien fokussierten Metaphern zur Beziehungsbeschreibung und ihren Zusammenhang mit Therapieverlauf und -ergebnis (z.B. Buchholz & von Kleist 1997). Katamnestische Untersuchungen psychotherapeutischer Erfahrungen mit qualitativ-inhaltsanalytischer Ausrichtung wiesen auf die Verbindung zwischen positivem Verlauf stationärer Psychotherapie und positiver Beziehungserfahrung hin (Therapeut/innen als Expert/innen und Partner/innen, z.B. Senf & Heuft 1994). Zudem wurden fallübergreifende Typologien hinsichtlich biografischer Konstruktionsmuster zwei Jahre nach Therapieabschluss berichtet (Überlastungs-, Devianz-, Defizit-, Entwicklungsstörungstypus; Kühnlein 1993) und idealtypische Modelle des Therapeuten/der Therapeutin aus Patient/innensicht nach ambulanter Kurzzeittherapie untersucht (Stuhr & Wachholz 2006). Die qualitative Psychotherapieforschung ist neben dem deutschen insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum beheimatet. Dort werden 1. Studien zu Verbalberichten und 2. Studien, die Transkripte der Psychotherapieeinheiten analysieren, unterschieden (Rennie 2004). Erstere verwenden häufig aufdeckende, offene Methoden sowie zum Teil Interpersonal Process Recall (IPR, Kagan 1984; Erinnerungen werden durch Präsentationen der audio- oder videoaufgezeichneten Therapieeinheiten unterstützt). Letztere haben entweder Theorieprüfungen oder funktionale Analysen des therapeutischen Diskurses zum Ziel. Thematisch stehen der Therapieprozess und die psychotherapeutische Beziehung im Mittelpunkt. Mithilfe von Interviews (ohne IPR) ermittelte Howe (1989, 1996) bei Mitgliedern von 22 Familien vier Kategorien des Erlebens einer Familientherapiesitzung: Verweigerer/innen, frühzeitige Abbrecher/innen, Ambivalente und Entspannte/Zufriedene. Darüber hinaus wurden z.B. Nutzung und Wirkung transitionaler Objekte als therapeutische
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Hilfe aus Therapeut/innen- und Klient/innensicht analysiert (Arthern & Madill 1999, 2002) oder mittels konsensueller Forschung Gegenübertragungserlebnisse von Therapeut/innen betrachtet (Hayes, McCracken, McClananhan & Hill 1998) sowie eine positive EmotionsExplorations-Spirale infolge beziehungsrelevanter Ereignisse zu Therapiebeginn beschrieben (Fitzpatrick, Janzen, Chamodraka & Park 2006). Anhand von IPR-basierten Interviews und Narrationsanalysen ermittelten Grafanaki und McLeod (1999) drei Hauptkategorien von Erfahrungen hilfreicher und hinderlicher Therapieereignisse aus Klient/innen- und Therapeut/innensicht: Therapeut/in als Zuhörer/in, Aushandlung einer neuen Handlung, Ko-Konstruktion der Therapiegeschichte. Darauf folgend zeigten sie, dass Kongruenz nicht notwendigerweise mit hilfreichen und Inkongruenz mit hinderlichen therapeutischen Ereignissen assoziiert sein muss (Grafanaki & McLeod 2002). Andere Arbeiten widmeten sich z.B. dem Erleben von Pausen (Levitt z.B. 2002) oder Traurigkeit im Rahmen der Psychotherapie (Henretty, Levitt & Mathews 2008). Diskursive Studien untersuchen meist Einzelfälle z.B. hinsichtlich der interpretierten Machtdynamik zwischen Klient/innen und ihren Therapeut/innen. Vom Therapeuten eingebrachte maskulin geprägte Werte der Unabhängigkeit und des Selbstbewusstseins interferierten mit Einstellungen der Klientinnen, sodass eine Trennung der therapeutischen Beziehung (Madill & Doherty 1994) oder mangelndes Verständnis für die Klientin (McLeod & Lynch 2000) resultierten. Des Weiteren zeigte McMullen (1989), dass die Nutzung von Metaphern bei Klient/innen und Therapeut/innen erfolgreiche von erfolglosen Fällen unterscheiden konnte, und Stiles und Kolleg/innen (z.B. Stiles & Angus 2006) demonstrierten die Belastbarkeit ihres generischen siebenstufigen Therapiemodells der graduellen Assimilation von abgewehrten, tief beunruhigenden Erlebnissen.
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Beispiel: Das „Düsseldorfer Erstinterviewprojekt“
Ein für die Psychotherapie- und Diagnostikforschung bedeutsames, umfassendes Forschungsprojekt ist das erst in Düsseldorf, dann in Magdeburg angesiedelte Erstinterviewprojekt von Frommer und Kolleg/innen. Es befasste sich mit dem Desiderat einer qualitativen Diagnostikforschung (z.B. Faller & Frommer 1994), welches psychotherapeutische Diagnosen als historisch gewachsene, auf Konventionen von Kliniker/innen und Forschenden beruhende und aus präkonzeptuellen Typisierungen hervorgehende idealtypische Modellvorstellungen versteht – ein Ansatz, der in der gängigen operationalen Diagnostik und in der Diagnostikforschung weitgehend außer Acht gelassen wird (Frommer et al. 1997). Die Forscher/innen widmeten sich Fragestellungen im Zusammenhang mit subjektiven Theorien psychisch und psychosomatisch Erkrankter. Anhand von 82 Erstinterviews wurden Patient/innen mit Endometriose, Depression, Phobien und Angststörungen, Bulimie und Borderline-Persönlichkeitsstörung untersucht (Literaturauflistung bei Frommer et al. 2004). Qualitative Inhaltsanalyse, Grounded-Theory-Methodologie, komparative Kasuistik und Idealtypenkonzept kamen zum Einsatz (ebenfalls ausführlich in Frommer et al. 2004). Konzeptualisierte Idealtypen erlaubten interessante Vergleiche z.B. hinsichtlich der subjektiven Beschreibungen von Beschwerden, Biografie und Persönlichkeit (Frommer et al. 1997). Ein Vergleich von Ost- und Westdeutschen unterstrich den Einfluss kultureller Unterschiede auf die Gestaltung von Narrationen in der Psychotherapie (z.B. Frommer 2000). Zudem konnte ein zweidimensionales Modell für das Verständnis von Neurosen und Per-
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sönlichkeitsstörungen, welche als spezifische Probleme der persönlichen Identität konzeptualisiert wurden, entwickelt werden: Die erste Dimension beschreibt die Symptomatik zwischen den Polen Angst und Depression, die zweite die Integration der persönlichen Identität und differenziert zwischen reifer Persönlichkeitsorganisation und schwerer Persönlichkeitsstörung (Frommer 1996a, 1996b).
4
Kritische Anmerkungen und Desiderata
Qualitative Psychotherapieforschung ist jung und nach wie vor in reger Entwicklung. Ihre Ansätze stellen eine valide und zunehmend anerkannte Ergänzung quantitativer Methoden dar (Frommer & Rennie 2006a). Bestehende qualitative Methoden wurden an das Forschungsfeld angepasst, neue wurden etabliert oder waren (wie das psychoanalytische Interview) bereits verfügbar, wurden aber nicht als Forschungsmethode wahrgenommen (Frommer & Rennie 2006b). Im Fokus stehen therapeutische Diskursausschnitte, die sich über Einzelereignisse einer Psychotherapiesitzung bis zum gesamten Behandlungsverlauf erstrecken können (Frommer & Rennie 2006b). Mit Zunahme qualitativer Psychotherapiestudien stieg die Wertschätzung der intersubjektiven Erfahrung und Interaktion sowie der Patient/innenperspektive und die dem Erlebens- und Verhaltenskontext entgegengebrachte Aufmerksamkeit; Machtdynamiken der therapeutischen Beziehung werden beleuchtet und Zugänge zum Verständnis der häufig nicht ausgedrückten persönlichen Erfahrungen eröffnet (Rennie 2004; Frommer & Streeck 2003). Gerade für Psychotherapeut/innen ist eine enge Verzahnung von therapeutischer Praxis und Forschungsbestrebungen möglich: beide eint ihre hermeneutische Natur, Erkenntnisse können direkt in die Behandlungen einfließen, und ethische Prinzipien qualitativer Ansätze gehen mit denen einer guten therapeutischen Beziehung einher (Frommer & Rennie 2006b). Wahrnehmung und Akzeptanz derartiger Arbeiten in der Psychotherapie-Forschungsgemeinschaft sind jedoch noch immer steigerungsfähig. Qualitativ Forschende bilden eine Minderheit, und Publikationen in führenden Fachzeitschriften gelingen nach wie vor selten. Darüber hinaus besteht ein Problem der Singularität (McLeod 2001): Studien bauen selten aufeinander auf und Forscher/innen verfolgen ihre Arbeiten nicht weiter, wodurch ein Polyglott zusammenhangsloser Untersuchungen entsteht. Hieraus erwachsen ernsthafte Sorgen hinsichtlich der Nützlichkeit qualitativer Forschung (Frommer & Rennie 2006a). Zukünftig wären Bestrebungen zur Entfaltung biografischer Forschungsmethoden wünschenswert, da Diagnostik, Indikation und Prognose psychischer Störungen von typologischen Konzepten abhängig sind, die die Verwebungen von Biografie, Persönlichkeit und Symptomatik abbilden (Frommer & Langenbach 2006). Weiterführende Literatur Frommer, Jörg; Langenbach, Michael & Streeck, Ulrich (2004). Qualitative psychotherapy research in German-speaking countries. Psychotherapy Research, 14(1), 57-75. Frommer, Jörg & Rennie, David L. (Hrsg.) (2006b). Qualitative psychotherapy research: Methods and methodology (2. Aufl.). Lengerich: Pabst. Rennie, David L. (2004). Anglo-North American qualitative counselling and psychotherapy research. Psychotherapy Research, 14(1), 37-55.
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Rehabilitation
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Ernst von Kardorff
Rehabilitation 1
Aufgaben
Übergreifendes Ziel der Rehabilitation ist die gesellschaftliche Inklusion1 aller Menschen mit Behinderung trotz und wegen ihres „Andersseins“. Rehabilitation ist Bestandteil einer umfassenden Strategie zur Herstellung von Partizipation und Chancengleichheit. Politisch wird damit die Entwicklung einer Kultur der Anerkennung von Vielfalt (diversity)2 als conditio humana und eine Ablehnung von Diskriminierung angestrebt, wissenschaftlich ein Abschied von Defizitmodellen vollzogen sowie die Aufmerksamkeit auf die gesellschaftliche Konstruktion von Behinderung und auf das aktiv handelnde und reflexive Subjekt und seine Lebenswelt gelenkt. In der Rehabilitationspraxis geht es sowohl um die Förderung und Assistenz betroffener Menschen und ihrer Familien als auch um den Abbau gesellschaftlicher Barrieren, seien sie materieller oder immaterieller Natur. Die Wahrung der Menschenwürde und die uneingeschränkte Anerkennung von Menschen- und Bürgerrechten, insbesondere des Rechts auf Selbstbestimmung3, bilden zusammen mit dem Leistungsrecht den gesetzlichen und normativen Rahmen für Politik, Versorgungssystem, professionelle Praxis und wissenschaftliche Konzeptbildung (wie Enablement, Empowerment, shared decision making, Assistenz etc.). Bei der individuellen Förderung ist darüber hinaus die „Expertise der Betroffenen in eigener Sache“, individuell und seitens der Interessenvertretungen behinderter Menschen, Ausgangspunkt für professionelles Handeln. Damit gewinnen Sichtweisen, Eigenaktivität, Kompetenz und Beteiligung betroffener Menschen und ihrer Angehörigen einen herausgehobenen Stellenwert – Aspekte, deren Bedeutung für Rehabilitationserfolg und Salutogenese besonders durch qualitative Forschung belegt wurde. Die Zielgruppen der Rehabilitation sind Menschen in der gesamten Lebensspanne und mit ganz unterschiedlichen Formen und Graden der Beeinträchtigung: Personen, die von Geburt an, aufgrund eines Unfalls, einer chronischen Krankheit oder altersbedingt in ihrer Lebensführung und Leistungsfähigkeit körperlich, geistig oder seelisch so stark beeinträchtigt sind, dass sie phasenweise oder dauerhaft auf Förderung, Therapie, Assistenz, Pflege oder materielle Hilfen angewiesen sind, um ihr Leben im Alltag zu gestalten, beruflichen Anforderungen gerecht zu werden und am sozialen Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen (vgl. SGB IX). 1
Zur aktuellen Inklusionsdebatte und zur Differenz zum Konzept der sozialen Integration vgl. Hinz (2003). Vgl. Albrecht, Seelman und Bury (2001), Dederich (2007), Waldschmidt und Schneider (2007). 3 Dazu dienen allgemeine gesetzliche Normen: das Benachteiligungsverbot (Art 3, Abs. 3 GG), das Bundesgleichstellungsgesetz (BGG), das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und die Ratifizierung der UNKonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Hinzu kommen die einschlägigen Bestimmungen der Sozialgesetzbücher (vor allem das SGB IX), in denen die individuellen Anspruchsgrundlagen für die Leistungsgewährung, Inhalte, Umfang und Art der Leistungserbringung sowie Rechte und Pflichten der Leistungsempfänger/innen und Leistungserbringer festgelegt sind. 2
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Die Heterogenität der Zielgruppen, das breite Spektrum an Einrichtungen und die Vielzahl beteiligter Disziplinen und Berufsgruppen bilden ein herausforderndes und ein aufgrund der demografischen Entwicklung wachsendes Arbeitsfeld für die Rehabilitationspsychologie mit vielfältigen Spezialisierungsmöglichkeiten.
2
Disziplinäre Einordnung
Lern-, Entwicklungs- und Neuropsychologie haben sich schon früh mit Behinderung, z.B. mit Sinnesbehinderungen und Verhaltensstörungen, auseinandergesetzt. Dies gilt gleichermaßen für Diagnostik, Grundlagenforschung, Förderung und Therapie. Während diagnostisch orientierte Forschung u.a. auf die empirische Ermittlung statistischer Durchschnittswerte zur Gewinnung von Entwicklungsnormen anhand repräsentativer Vergleichsdaten zielt, richtet sich die Grundlagenforschung darauf, anhand auffälliger Entwicklungen oder beeinträchtigter Formen des Wahrnehmens, Denkens, Erlebens und Gedächtnisses grundlegende Strukturen und Mechanismen der emotionalen, kognitiven und handlungsregulierenden menschlichen Entwicklung zu erhellen. Historisch zeigen sich dabei enge wechselseitige Bezüge zwischen Allgemeiner, Klinischer, Sozialpsychologie und Rehabilitationspsychologie. Viele Erkenntnisse wurden an kleinen Fallzahlen, in natürlichen Experimenten oder auch anhand idiografischer Berichte gewonnen. Exemplarisch für interessante und genau dokumentierte Fallstudien seien die Beiträge John Watsons und Rosalie Rayners (1920) zur Angstentstehung, Alexander Lurias (1991 [1968]) zur Neuropsychologie, Gordon Allports (1971) zu biografischen Anpassungsleistungen an Stigmata oder Sigmund Freuds zur Entstehung von Neurosen (2000 [1909]) genannt – eine Tradition, die bis auf psychotherapeutische Fallberichte in der Rehabilitationspsychologie nur wenig weitergeführt und erst mit der narrativen Wende (siehe Straub in diesem Band) in neuer Form aufgegriffen wurde. In der mit Rehabilitation befassten Psychologie haben sich historisch drei Arbeitsrichtungen mit unterschiedlichen Diskursen und Behandlungsformen in meist institutionell getrennten Behandlungssettings ausdifferenziert: !
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eine vor allem an Problemen von Geburt an behinderter Menschen orientierte „Psychologie der Behinderten“, die sich z.B. mit der Diagnostik und Entwicklungsförderung behinderter Menschen im Lebenslauf, mit der Therapie von Teilleistungsstörungen, mit der Beratung von Eltern behinderter Kinder, mit Vorurteilen gegenüber behinderten Menschen, Stigmatisierungsprozessen und dem Abbau von Diskriminierung usw. befasst (vgl. Gorecny 1995; Frank, Rosenthal & Caplan 2009; Borchert 2000; von Kardorff 2010). Ihre Ansätze finden sich etwa in Institutionen der Frühförderung und in sonderpädagogischen Bildungs-, Wohn- und Freizeiteinrichtungen; eine eher klinisch-psychologisch ausgerichtete und überwiegend im Medizinsystem verankerte Rehabilitationspsychologie (vgl. Koch, Lucius-Hoene & Stegie 1988; Bengel & Koch 2000) befasst sich mit Ursachen und Folgen von Stress und kritischen Lebensereignissen, mit Fragen der Krankheitsbewältigung (coping), mit subjektiven Krankheitstheorien, mit Kompetenzerleben und den biografischen Bedingungen von Vulnerabilität und Resilienz, mit Lebens- und Behandlungszufriedenheit, mit Gesundheitsförderung und der Veränderung gesundheitsschädigender Lebensweisen, mit so-
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zialer Unterstützung sowie mit psychosozialer Beratung (z.B. Filipp 1995; TeschRömer, Salewski & Schwarz 1997; Weitkunat, Haisch & Kessler 1997; Franke 2006). Ihre Ansätze finden sich in Rehakliniken sowie in Einrichtungen der ambulanten Therapie und Nachsorge; eine auf Fragen der beruflichen Rehabilitation spezialisierte Psychologie, die enge Bezüge zur Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie aufweist; dort stehen Fragen der Arbeitsbelastung, des Eingliederungsmanagements im Betrieb, der Arbeitsmotivation, des Arbeitsverhaltens, der Arbeitszufriedenheit und des Arbeitsklimas, der Auswirkungen von Arbeitsverdichtung, der Ursachen für Burn-out, der Folgen von Arbeitslosigkeit sowie der Passung zwischen individueller Beeinträchtigung und Arbeitsplatz im Vordergrund (vgl. z.B. Mecklenburg & Storck 2008; Heitzmann 2007). Ihre Ansätze finden sich u.a. in Betrieben und Spezialeinrichtungen wie Berufsbildungswerken, Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Integrationsprojekten oder bei der unterstützten Beschäftigung.
Diese Übersicht verweist auf die große Differenzierung und Spezialisierung der Psychologie in der Rehabilitation und verdeutlicht, dass viele ihrer Themen einen qualitativen Zugang in der Forschung nahelegen. Hier hat sich mit der „narrativen Wende“ in der Psychologie, mit Theorien des reflexiven Subjekts (Groeben & Scheele in diesem Band) und sozialer Repräsentationen (Gudehus, Keller & Welzer in diesem Band) sowie den psychologischen Spielarten der Diskursanalyse (Allolio-Näcke in diesem Band) ein eigenständiger theoriegeleiteter Rahmen für interpretative Studien in der Psychologie entwickelt, der in der Rehabilitations- und Gesundheitspsychologie bislang nur teilweise rezipiert wurde. Darüber hinaus haben der Gesundheitsbegriff der WHO und die 1986 verabschiedete OttawaCharta4 den Blick für Rolle und Bedeutung subjektiver Sichtweisen im Umgang mit chronischer Krankheit und Behinderung und für eine nachhaltige Gesundheitsförderung geschärft und entsprechende psychologische Studien angeregt. Die besondere Qualität qualitativer Studien zeigt sich in der präzisen Rekonstruktion des inneren Erlebens der Betroffenen, ihrer Deutungen von Krankheit und Behinderung und ihrer Folgen, in der Analyse biografisch verankerter Deutungsmuster und Handlungsstrategien, in der Beobachtung der Kommunikation Betroffener mit ihrem Umfeld, Fachkräften und dem Versorgungssystem oder in der Inanspruchnahme von Hilfen. Damit besteht zugleich die Chance, Patient/innen und Behinderte aus dem Status von „Objekten“ zu befreien und ihnen eine eigene Stimme zu geben, sei es, um vermittels passender Gesprächsformate Patient/innenbedürfnisse besser zu erfassen, als dies mit standardisierten Checklisten gelingt, sei es, um mittels wissenschaftlicher Deutungsangebote Betroffenen neue Handlungsspielräume jenseits eingefahrener Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster zu eröffnen.
3
Relevante Fragestellungen
Eine Gemeinsamkeit der unterschiedlichen, unter der Überschrift Qualitative Forschung zusammengefassten Ansätze, Methoden und Auswertungsverfahren liegt in einem offenen und sinnverstehenden Zugang zu den als gesellschaftlich konstruiert gedachten sozialen 4
http://www.euro.who.int/AboutWHO/Policy/20010827_2?language=German
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Wirklichkeiten, in der Datenerhebung in natürlichen Settings und in der Einbeziehung von Kontextvariablen sowie in der Annahme aktiver und reflexiver Handlungssubjekte. In der Rehabilitation sind es bislang vor allem Studien zu chronischen Krankheiten, zu subjektiven Krankheitstheorien, zur Stigmatisierung und zu „Karrieren“ von Menschen mit Behinderungen, zu den Auswirkungen stationärer Unterbringung oder zur Expert/innenLai/innen-Interaktion, die mit qualitativen Forschungsmethoden durchgeführt wurden und werden (vgl. von Kardorff 2000). Ein Großteil der Konzepte und Untersuchungsverfahren stammt aus der Tradition qualitativer Medizinsoziologie (von Irving Zola über Erving Goffman, Thomas Scheff und Anselm Strauss bis zu Michael Bury und Kathy Charmaz), und neuerdings vor allem im Bereich Behinderung aus sozialkonstruktivistischen Forschungsansätzen der Disability Studies (Barnes & Mercer 1997; Waldschmidt & Schneider 2007). Diese Ansätze eignen sich besonders auch für die Klärung psychologischer Fragestellungen in der Rehabilitation: Wie beeinflussen chronische Krankheit und Pflegebedürftigkeit familiäre und außerfamiliäre Beziehungen? Wie verändern sich Identitätskonstruktionen bei chronischer Krankheit und Behinderung? Wie beeinflussen subjektive Krankheitstheorien Behandlungsentscheidungen? Wie prägen biografische Erfahrungen Stile der Krisenbewältigung? Und welche Rolle spielen Geschlecht, Herkunft und Bildungsstand in der Rehabilitation? Welche Gefühle werden durch Stigmatisierung ausgelöst und wie kann Entstigmatisierung gelingen? Unter welchen Bedingungen wird eine gesundheitsschädliche Lebensweise aufgegeben? Wie sehen die Bedürfnisse von Rehabilitand/innen aus? Wie erleben und bewerten Menschen mit Behinderung ihre Lebensqualität? Wie kann eine Transformation der Lebensführung nach kritischen Lebensereignissen gelingen? Wie verändert das Internet die Beziehung zwischen Psychologen/innen und Klient/innen? Rehabilitationspsychologisch relevante Fragestellungen wurden in klassischen qualitativen Studien bearbeitet, die mehrheitlich aus der Soziologie stammen und heute weiter spezifiziert werden, z.B.: !
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Erving Goffman (1975 [1963]) hat in seiner Untersuchung über Stigma auf der Basis von Dokumenten, Selbstzeugnissen und Beobachtungen gezeigt, in welcher Weise Menschen mit einer Behinderung oder anderen diskreditierbaren Eigenschaften in alltäglichen Interaktionssituationen mit gesellschaftliche Erwartungen – einer virtuellen sozialen Identität – in einer Weise konfrontiert werden, dass davon ihre persönliche Identität und die Entwicklung ihres Selbst (Ich-Identität) erheblich beeinflusst werden. Zugleich verdeutlichte Goffman, wie die betroffenen Menschen durch aktives Handeln ihr Stigma managen können und damit nicht zwangsläufig als Opfer oder nur „Leidende“ betrachtet werden müssen (siehe zu neueren Entwicklungen der StigmaDiskussion in der Nachfolge Goffmans von Kardorff 2009). In einer weiteren Studie mit psychisch kranken Menschen hat Goffman die Folgen von Stigmatisierungs- und Etikettierungsprozessen für institutionalisierte abwärtsgerichtete Krankenkarrieren beschrieben (Goffman 1972). Damit hat er die Grundlage für ein soziales Modell der Behinderung geschaffen, das bis heute etwa in den Disability Studies nachwirkt. Auch die auf Beobachtung und Gesprächen beruhende Studie Asyle von Goffman (1972 [1961]) über die Wirkungen totaler Institutionen wie psychiatrische Kliniken und Heime auf die Identität und das Verhalten von Insassen und Personal für die Rehabilitation hat einen paradigmatischen Charakter: sie hat nicht nur die Kritik an stationärer Unterbringung und die Enthospitalisierungsbewegung inspiriert, sondern auch
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grundlegende Mechanismen identifiziert, die zu sozialer Degradierung, zu Depersonalisation und zu erlernter Hilflosigkeit (Seligman 1979) z.B. von Heimbewohner/innen beitragen (vgl. exemplarisch Koch-Straube 1997). Im Unterschied zu dem in der Rehabilitation dominanten kognitiv-behavioralen StressBewertungs-Bewältigungsparadigma (Lazarus & Folkman 1984) kann der qualitative Ansatz zur Krankheitsbewältigung (besser: der biografischen Transformation, Hildenbrand 2009) zeigen, wie und unter welchen Bedingungen es Betroffenen und ihren Familien gelingen kann, das Leben wieder zu einem „Ganzen“ zusammenzusetzen und zu einer neuen Normalität zu gelangen. In Fallstudien auf der Basis der GroundedTheory-Methodologie haben Corbin und Strauss (2003 [1988]) die Konzepte „Verlaufskurve“ (trajectory) und „Arbeit“ aus dem Material gewonnen: dabei wird deutlich, welche Aufgaben etwa bei einer abwärtsgerichteten Verlaufskurve (z.B. Multiple Sklerose) zu bearbeiten sind, und welche Formen von biografischer Arbeit, Alltagsarbeit, Krankheitsarbeit usw. zu leisten sind, um Dominoeffekte zu verhindern oder als Angehörige/r stabil zu bleiben (zu neueren Entwicklungen: Schaeffer 2009). Subjektive Krankheitsverläufe lassen sich methodisch aber nicht nur mit narrativen und familienbiografischen Interviews, sondern auch mit Hilfe von Tagebüchern erfassen (Wilz & Brähler 1997). Welches fördernde oder begrenzende Bedingungen sind und auf welche Emotionen, Erfahrungen und Überlegungen Betroffene zurückgreifen, welche Haltungen und Widerstandspotenziale sie entwickeln, wie und welche Ressourcen sie mobilisieren, lässt sich aus Krankheitserzählungen rekonstruieren (vgl. Lucius-Hoene 1997). In den illness narratives (vgl. Frank 1995) werden Verlaufskurven (vgl. Schütze 1999) in langer Sicht und damit lebensgeschichtlich gestaltete Anpassungs- und Transformationsprozesse erkennbar, die für die Gestaltung der Nachsorge im Kontext medizinischer und psychologischer Behandlungsregimes genutzt werden können (Schönberger & von Kardorff 2004). Zur Erhebungs- und Interpretationsmethodik liegen hier inzwischen differenzierte Konzepte vor (vgl. Lucius-Hoene 2007; Lucius-Hoene & Deppermann 2004).
Sozialpsychologische Anknüpfungspunkte für die Behandlung rehabilitationspsychologischer Fragestellungen folgen z.B. aus dem auf Serge Moscovici zurückgehenden Konzept der sozialen Repräsentationen (vgl. Gudehus et al. in diesem Band): Es erlaubt die Rekonstruktion kulturell geteilter kollektiver Deutungsmuster z.B. von Krankheit, Gesundheit und Behinderung und liefert eine Erklärung für lebensweltlich verankerte Vorbehalte gegenüber Integrationsbemühungen. Subjektive Theorien (Groeben & Scheele in diesem Band) erschließen die für Behandlungsmotivation und Rehabilitationsverläufe oft entscheidenden subjektiven Deutungen und die Sicht auf Krankheit oder Behinderung seitens Betroffener (vgl. Fillipp & Aymanns 1997); daraus gewonnene Erkenntnisse können an psychologische Konstrukte wie health beliefs, Kontrollüberzeugung und Vulnerabilität anknüpfen. Das Vorhandensein und die Inanspruchnahme sozialer Unterstützung und ihre Funktionen als Puffer oder als Begleitschutz sind für Menschen, die auf dauerhafte Unterstützung angewiesen sind, ein zentrales Thema der Rehabilitation. Hier haben qualitative Studien zur Rolle von Lai/innen (Nestmann 1995), zu sozialen Netzwerken (vgl. von Kardorff 2010) und zur Netzwerkintervention (Röhrle, Sommer & Nestmann 1998) gezeigt, wie soziale Unterstützung „funktioniert“, wie Selbsthilfe zur Gesundheitsförderung beiträgt und wie bürgerschaftliches Engagement unterstützt werden kann.
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Die an Foucault anknüpfende Diskursanalyse (vgl. Allolio-Näcke in diesem Band) zeigt, wie durch psychologische Klassifikationen und psychodiagnostische Verfahren auf der Basis repräsentativer Durchschnittsnormen Platzierungsentscheidungen getroffen und z.B. Behindertenkarrieren eingeleitet werden. Damit werden Variations- und Verhaltensspielräume begrenzt und beständig neue, zu korrigierende Abweichungen produziert. Diese Überlegungen werden insbesondere in den Disability Studies aufgegriffen und zeigen, wie statistische Normalität in neue gesellschaftliche Normen transformiert wird.
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Desiderata
Die erkenntnisfördernden und praxisrelevanten Potenziale qualitativer Studien für die Rehabilitation sind von der Psychologie erst ansatzweise aufgegriffen worden. Positive Beispiele sind etwa die Verknüpfung fallrekonstruktiver Forschung in der soziologischen Tradition mit Ansätzen aus der systemischen Familientherapie und der Genogrammanalyse z.B. für Resilienz und Salutogenese (z.B. Welter-Enderlin & Hildenbrand 2006; Hildenbrand 2005; Schaeffer 2009), qualitative Studien zur psychotherapeutischen Behandlung im Lebenslauf (z.B. Kühnlein 2002) sowie biografische Studien zu Krankheitsverläufen und zum Krankheitserleben (z.B. Lucius-Hoene 1997), Studien zu den Gesundheitsvorstellungen kranker und behinderter Menschen (z.B. Flick 1998), Studien zur Arzt-PatientInteraktion (z.B. Vogd 2002; Götz 2005) oder zur Konstruktion von Behinderung in alltäglichen Interaktionen in den Disability Studies (Barnes & Mercer 1997; Waldschmidt & Schneider 2007). Ein besonderes Potenzial qualitativ angelegter psychologischer Untersuchungen in der Rehabilitation besteht darin, ausgehend vom Erleben und den Bedürfnissen Betroffener passgerechte, akzeptierte, nachhaltige und lebensweltlich fundierte Formen rehabilitativer Angebote zu entwickeln, die nicht alleine den gängigen ökonomischen oder versorgungssystembedingten Imperativen der Effizienz und Effektivität oder expertendefinierten Kriterien folgen. Im Sinne von Partizipation und Selbstbestimmung, aber auch für ein umfassenderes wissenschaftliches Verständnis ist deshalb den interaktiven und kommunikativen Aspekten des Rehabilitationsprozesses durch qualitativ orientierte, psychologische Rehabilitationsforschung stärker Rechnung zu tragen. Weiterführende Literatur Frank, Robert G.; Rosenthal, Mitchell & Caplan, Bruce (Hrsg.) (2009). Handbook of rehabilitation psychology. Washington: APA. Kardorff, Ernst von (2000). Qualitative Forschung in der Rehabilitation. In Jürgen Bengel & Uwe Koch (Hrsg.), Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften (S.409-428). Berlin: Springer. Schaeffer, Doris (Hrsg.) (2009). Bewältigung chronischer Krankheit im Lebenslauf. Bern: Huber.
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Rehabilitation
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Entstehungsgeschichte und Forschungsschwerpunkte
Medienpsychologie beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten von Individuen im Umgang mit Medien (im Überblick: Batinic & Appel 2008; Mangold, Vorderer & Bente 2004; Schwan, Unz, Suckfüll & Krämer 2008; Winterhoff-Spurk 2004). Die Anfänge der Medienpsychologie liegen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts: Im Kontext der Entstehung und Verbreitung von – damals – neuen Medien wie Stummfilm und Radio entwickelte sich zunehmend auch ein Interesse an der Rezeption, Verarbeitung und Wirkung der Medienprodukte. Vorangetrieben wurde die Etablierung der Medienpsychologie dann vor allem in drei Forschungsfeldern: der Film-, der Fernseh- und der Radioforschung; der Nutzung und Wirkung von Printmedien wurde vergleichsweise weniger Beachtung geschenkt. Angestoßen durch die Fernsehforschung setzte ein regelrechter Forschungsboom zu medienpsychologischen Fragen Ende der 1970er Jahre ein, und spätestens seit den 1980er Jahren kann das Fach als eigenständige Teildisziplin gelten (zur Geschichte der Medienpsychologie: Trepte 2004). Zu den klassischen medienpsychologischen Gegenstandsbereichen (s. ebenfalls Trepte 2004) zählen vor allem Fragen nach Bedingungen von Medienauswahl und -nutzung, nach kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Medienwirkungen (mit einem Schwerpunkt auf den Auswirkungen gewalthaltiger und damit potenziell aggressionsfördernder Medienprodukte), nach Zusammenhängen zwischen Persönlichkeitsmerkmalen einerseits und Mediennutzung und -wirkung andererseits sowie nach Medienwirkungen auf Kinder und Jugendliche. Seit den 1990er Jahren haben zunehmend Fragen nach dem Rezeptionserleben an Bedeutung gewonnen, etwa zur parasozialen Interaktion mit Medienfiguren oder zum Unterhaltungserleben. Ein weiterer aktueller Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung des Umgangs mit computergestützten Medien. Im Mittelpunkt stehen hier die Nutzung des Internet, die Auswirkungen von Computerspielen sowie Formen des Lehrens und Lernens mit computergestützten Medien. Insbesondere in der wirkungsorientierten Medienpsychologie dominiert seit jeher die quantitative Forschungstradition (Jensen 2002a). Qualitativ-medienpsychologische Untersuchungen wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunächst nur vereinzelt durchgeführt, haben seit den 1980er Jahren jedoch zunehmend an Bedeutung gewonnen (z.B. Charlton & Schneider 1997; im Überblick: Jensen 2002b). Charakteristisch für die qualitative Medienpsychologie ist die Annahme, dass Rezipient/innen sich aktiv mit Medienprodukten auseinandersetzen; außerdem wird Mediennutzung stärker als in der quantitativen Medienpsychologie im Rahmen anderer Handlungs- und Interaktionskontexte gesehen und untersucht (vgl. Charlton 1997; Theunert 1994). Aufgrund des holistischen Charakters qualitativer Forschungsmethoden und ihrer Eignung zur Erfassung subjektiver Erfahrungen
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und Bedeutungen finden sich qualitativ-medienpsychologische Verfahren vor allem bei der differenzierten Erfassung der alltäglichen Kontexte, in denen sich Mediennutzung vollzieht; bei der Untersuchung des Rezeptionserlebens und der je individuellen Interpretationen von Medienprodukten; und bei der Beschreibung der Potenziale von Medien als Ressourcen zur persönlichen Lebensbewältigung (im Überblick Jensen 2002b). Im Vergleich zur quantitativen muss die qualitative Medienpsychologie jedoch weiterhin als randständig gelten. Dies manifestiert sich auch darin, dass wichtige Impulse aus benachbarten Disziplinen stammen bzw. einschlägige Untersuchungen in Nachbardisziplinen durchgeführt werden. Aus der handlungsorientierten Medienpädagogik stammt beispielsweise der sozialökologische Ansatz, in dem Kinder und Jugendliche als aktive Nutzer/innen von Medien konzipiert sind und die Mediennutzung eingebettet in diverse alltägliche Kontexte und Räume untersucht wird (Baacke 1997). Für die Cultural Studies britischer Prägung ist die Annahme der Interpretationsvariabilität von medialen Texten konstitutiv, und das Untersuchungsinteresse gilt der Art und Weise, wie Rezipient/innen Medienprodukte für sich als Ressource zur Alltagsbewältigung nutzbar machen, gerade auch in „widerständiger“ Weise, d.h. entgegen solchen Bedeutungen, die den Produkten von der Produzent/innen- oder Autor/innenseite möglicherweise „eingeschrieben“ sind (Winter 2006). Auch die Empirische Literaturwissenschaft geht von der Annahme aus, dass Texte grundsätzlich multi-interpretabel bzw. polyvalent sind und untersucht u.a. individuelle Formen der Textrezeption (Groeben 1980). Aus der angewandten Sprachwissenschaft stammt das Interesse an der Analyse medienbezogener Kommunikation und Anschlusskommunikation im Alltag (z.B. Ulmer & Bergmann 1993), die derzeit vielfach bei der Analyse von Interaktionen im Internet eingesetzt wird (s. unten). Die Kommunikationswissenschaft schließlich befasst sich nicht nur mit der Analyse von Medienprodukten, sondern auch mit deren Rezeption, und auch hier ist seit den 1980er Jahren eine vermehrte Zuwendung zu qualitativen Methoden und Ansätzen zu beobachten (vgl. Ayaß 2006; Mikos & Wegener 2005). Bei der folgenden Darstellung ausgewählter qualitativer Methoden in der Medienpsychologie unterscheiden wir bei den Untersuchungsbeispielen nicht zwischen Untersuchungen aus der Medienpsychologie im engeren und Untersuchungen aus angrenzenden Disziplinen im weiteren Sinn, solange die Untersuchungen selbst in den Gegenstandsbereich der Medienpsychologie fallen.
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Wichtige Themen
2.1 Ethnografie Ethnografische Studien haben in der Medienpsychologie eine lange Tradition (im Überblick Ayaß 2006). Typischerweise tauchen die Forschenden dabei jedoch nicht über einen längeren Zeitraum in eine (fremde) Kultur ein, sondern nähern sich einer Subkultur, die sich über eine bestimmte Medienpraxis definiert, mit einer Mischung von Verfahren, darunter insbesondere (teilnehmende) Beobachtung, Interview (zum Interview s. unten) und Dokumentenanalyse (Bachmann & Wittel 2006). Erste einschlägige Untersuchungen stammen aus der Tradition der Chicagoer Schule aus der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts, so z.B. Robert Parks Studie zur „Immigrant Press“ amerikanischer Großstädte (1922). Solche ethnografischen Untersuchungen medialer Produktionskontexte werden auch weiterhin
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durchgeführt, es kommt ihnen jedoch eher eine mediensoziologische als eine genuin medienpsychologische Bedeutung zu (z.B. Tuchman 1978). Für die Medienpsychologie einschlägiger sind ethnografische Untersuchungen von Rezeptionspraktiken. Als klassisch können heute die Studien von Lull (1990) gelten, der in den 1980er Jahren die familialen Fernsehinteraktionen von mehr als 300 amerikanischen Familien untersuchte. Für jeweils drei bis sieben Tage lebten die Forschenden in den Familien, beobachteten die Fernsehinteraktionen und führten anschließend Einzelinterviews durch. Lull konnte zeigen, dass das Fernsehen in den Familien eine Reihe sozialer Funktionen erfüllt – beispielsweise relationale Funktionen zur Kontaktaufnahme mit oder Abwendung von bestimmten Bezugspersonen oder individuelle Funktionen wie die Bestätigung persönlicher Werte. Ethnografische Studien im Kontext der Cultural Studies haben sich ebenfalls vielfach mit der Bedeutung des Fernsehens oder der Rezeption ausgewählter Fernsehserien befasst (siehe zur Schichtspezifik des Fernsehens Morley 1980; zu familialen Fernsehinteraktionen Morley 1986; zur Serienrezeption Mikos 1994). Zentrale Erhebungsmethode ist dabei meist das Interview, ergänzt um die Beobachtung von medienbezogenen Interaktionen. Ebenfalls in der Tradition der Cultural Studies steht die Untersuchung von Fans und Fangemeinden (zu „Fandom“ im Allgemeinen: Lewis 1992; jugendliche Videocliquen: Vogelgesang 1991). Auch andere Medien und medienbezogene Interaktionen sind Gegenstand ethnografischer Studien geworden (im Überblick: Bachmann & Wittel 2006), wie beispielsweise die weibliche Kultur des Telefonierens (Rakov 1992) oder die Internetnutzung von Kindern (Livingstone & Bovill 2001). Solche ethnografischen Studien zur Nutzung computergestützter Medien sind abzugrenzen von sogenannten virtuellen Ethnografien, in denen die Beobachtung von Interaktionen im Cyberspace selbst im Mittelpunkt steht (zur Methode: Hine 2000; im Internet: Markham 1998; in Second Life: Boellstorff 2008). 2.2 Interviewstudien Interviews zählen zu den in der Medienpsychologie am häufigsten verwendeten qualitativen Verfahren der Datenerhebung (z.B. Jensen 2002b), wobei typischerweise das Leitfadeninterview Anwendung findet, das aufgrund seiner Systematik den Vergleich zwischen Personen erlaubt, zugleich aber hinreichend Spielraum für Ad hoc-Fragen lässt (Schreier 2004). Interviews dienen dabei meist der Erfassung der inneren Sicht der Mediennutzer/innen bei der Medienrezeption: Anhand der in qualitativen Interviews üblichen offenen Fragen wird (meistens im Anschluss an die Rezeption) erhoben, was der erforschten Person während der Rezeption „durch den Kopf gegangen“ ist bzw. was sie währenddessen erlebt hat. Der Fokus liegt dabei in der Regel auf den subjektiven Bedeutungen der rezipierten Inhalte für die Rezipient/innen selbst. Bereits einige der ersten medienpsychologischen Untersuchungen wurden als Interviewstudien durchgeführt. Dabei standen zunächst bis in die 1990er Jahre Unterhaltungsformate im Vordergrund, später wurde zunehmend auch die Rezeption von Informationsprodukten untersucht (zusammenfassend Martin 2008). Zu den klassischen Interviewstudien zählen beispielsweise Cantrils Studie mit Hörer/innen des Hörspiels „War of the Worlds“ von Orson Welles über eine Invasion der Erde durch Marsianer, nach dessen Ausstrahlung in den USA – angeblich – eine Panik ausgebrochen war (Cantril, Gaudet & Her-
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zog 1940) oder Herzogs Untersuchung der Gründe für das Hören von Radio Daytime Serials, den Vorläufern der Fernseh-„Soaps“ (1944). Aus den Ergebnissen dieser Untersuchung entwickelte Herzog den Begriff der gratifications, der in der Folge im Rahmen des einflussreichen uses-and-gratifications-Ansatz weiterentwickelt wurde (zu diesem Ansatz s. Blumler & Katz 1974). Auch in Untersuchungen in der Tradition der Cultural Studies fand das Interview Verwendung, so unter anderem in Radways Studie der Rezeption von „Romances“ (1984) sowie in einer Vielzahl von Studien zur Rezeption von Serien und Soaps (z.B. Katz & Liebes 1990; Mikos 1994). Im Zuge der Ausbreitung computergestützter Medien wurden in den vergangenen Jahren zunehmend auch Interviewstudien zu deren Nutzung durchgeführt (zur Nutzung von Online-Kommunikationsforen und von social network sites vgl. Kyung-Hee & Haejin 2007; zur Nutzung von Computerspielen: Wan & Chiou 2006; im Überblick Douglas et al. 2008). Eine für die Medienpsychologie adaptierte Variante des (narrativen) Interviews ist das medienbiografische Interview, das vor allem im deutschsprachigen Raum Anwendung findet (im Überblick: Sander & Lange 2005). Es gibt Aufschluss über die Bedeutung von Medien und Medienprodukten in bestimmten Lebensabschnitten, über Veränderungen in der Nutzung bestimmter Medien über das Leben hinweg sowie über gruppenspezifische Bedeutungen von Medien. Hickethier (1980) zeigte z.B. in einer medienbiografischen Untersuchung Unterschiede in der Bedeutung des Fernsehens für verschiedene „Mediengenerationen“ auf. In anderen Studien liegt der Schwerpunkt auf der Rekonstruktion des aktuellen Medienhandelns und -erlebens vor dem Hintergrund der je individuellen Medienbiografie (Luca 1993; Schulte-Berger, Schoett & Garbe 2002). Eine Variante des mündlichen Interviews ist das schriftliche, computergestützte Interview – beispielsweise über E-Mails oder Chatrooms – das im Hinblick auf schwer erreichbare Gruppen von Rezipient/innen besonders hilfreich sein kann (Hamilton & Bowers 2006). Zur Untersuchung der internen sozialen Strukturen sogenannter „Spieler-Gilden“ im Computerspiel „World of Warcraft“ haben Williams et. al (2006) beispielsweise 48 teilstrukturierte Online-Interviews durchgeführt. 2.3 Fokusgruppen, lautes Denken, Inhaltsanalyse Neben Ethnografie und Interview kommen in der qualitativen Medienpsychologie eine Reihe anderer Methoden zur Anwendung. Eng verwandt mit dem Interview ist die Gruppendiskussion bzw. Fokusgruppe (abgeleitet aus dem englischen focus group), die insbesondere in Studien zur Rezeption von Filmen eingesetzt werden (siehe zu Gruppendiskussion im Handbuch den Beitrag von Przyborski & Riegler). In einer viel zitierten Studie von Katz, Liebes und Berko (1992) wurden Fokusgruppen beispielsweise im Anschluss an eine gemeinsam rezipierte Folge der Serie „Dallas“ im vertrauten Wohnzimmer durchgeführt. Typisch für die Anwendung der Gruppendiskussion in der Medienpsychologie ist die Homogenität der untersuchten Nutzer/innengruppen (z.B. Gruppen ethnischer Minderheiten bei Park, Gabbadon & Chernin 2006) sowie die Fokussierung auf ausgewählte Produktaspekte. Die ursprünglich aus der Kognitionspsychologie stammende Methode des Lauten Denkens wird im Rahmen medienpsychologischer Untersuchungen vor allem dann eingesetzt, wenn kognitive Prozesse bei der Rezeption von Medienprodukten erfasst werden
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sollen wie etwa Gedächtnisprozesse, Denken und Sprachverstehen (Richter 2008; siehe den Beitrag von Konrad in diesem Band). Klassische Anwendungsfelder für die Methode des lauten Denkens in der Medienpsychologie sind Untersuchungen zur Analyse von Verarbeitungsprozessen beim Umgang mit Hypertexten (z.B. Richter, Naumann, Brunner & Christmann 2005), Usability-Studien (Nielsen & Tahir 2002) sowie die Textverstehensforschung (Überblick in Pressley & Afflerbach 1995; in der Inferenzforschung: Özyürek & Trabasso 1997). Für die Auswertung wird in der Medienpsychologie das gesamte Spektrum qualitativer Analyseverfahren herangezogen. Eine zentrale Stellung kommt dabei insbesondere der qualitativen Inhaltsanalyse zu (Mayring 2008; Rustemeyer 1992) als einem Verfahren, das in der Kommunikationswissenschaft (in seiner quantitativen Variante) traditionell zur Analyse von Medienprodukten eingesetzt wird. In der Medienpsychologie wird die qualitative Inhaltsanalyse darüber hinaus vielfach für die Auswertung von verbalen Daten nutzbar gemacht (z.B. Protokolle Lauten Denkens: Coté, Goldman & Saul 1998; Interviewtranskripte: Millhous 2004; Online-Daten: Zhu 2006). Anwendungen beschränken sich in der Regel entweder auf die Produkt- oder die Rezeptionsseite – Untersuchungen, in denen beide Seiten inhaltsanalytisch ausgewertet und aufeinander bezogen werden, sind dagegen rar (Beispiele: Neuman, Just & Crigler 1992; Oda! 2007).
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Stärken, Schwächen und Desiderata
Die besondere Stärke der qualitativen Medienpsychologie liegt darin, dass sie den Blick von der allzu engen Fokussierung auf Medienwirkungen hin zu dem gesamten Rezeptionsprozess und seinem Kontext lenkt. Qualitative Verfahren sind somit einschlägig für die Untersuchung von Gegenstandsbereichen wie parasoziale Interaktion, Spannungserleben oder Involviertheit, wie sie derzeit in der Medienpsychologie an Bedeutung gewinnen. Angesichts der Ausrichtung des Faches insgesamt am quantitativen Mainstream besteht allerdings die Gefahr, dass relevante Untersuchungen nicht in der Medienpsychologie durchgeführt werden, sondern – wie auch bereits in der Vergangenheit – in Nachbardisziplinen wie Kommunikationswissenschaft und Pädagogik; auch fehlen weitgehend Überblickstexte oder Sammelbände zum Thema. Zentrales Desideratum ist somit die vermehrte Entwicklung und stärkere Sichtbarkeit einer genuin qualitativen Medienpsychologie. Weiterführende Literatur Charlton, Michael & Schneider, Silvia (Hrsg.) (1997). Rezeptionsforschung: Theorien und Untersuchungen zum Umgang mit Massenmedien. Opladen: Westdeutscher Verlag. Mikos, Lothar & Wegener, Claudia (Hrsg.) (2005). Qualitative Medienforschung. Ein Handbuch. Konstanz: UVK. Schreier, Margrit (2004). Qualitative Methoden. In Roland Mangold, Peter Vorderer & Gary Bente (Hrsg.), Lehrbuch der Medienpsychologie (S.377-399). Göttingen: Hogrefe.
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Religionspsychologie
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Ulrike Popp-Baier
Religionspsychologie 1
Disziplinäre Einordnung und historische Bedeutung
Eine Religionsforschung, die sich selbst ausdrücklich als „psychologisch“ begreift, hat sich im Kontext theologischer, religionswissenschaftlicher und psychologischer Forschung herausgebildet und kann institutionell auch in diesen Kontexten verortet werden. Während in den Vereinigten Staaten die Religionspsychologie innerhalb der akademischen Psychologie etabliert ist, ist sie in vielen Ländern Europas vor allem an theologischen und religionswissenschaftlichen Fakultäten oder Instituten zu finden (vgl. z.B. Hood, Hill & Spilka 2009; Murken 2002; Wikström 1993). Religion bezeichnet dabei keinen Gegenstand, sondern deutet einen Diskurs an, an dem psychologische Forschung beteiligt ist.1 In diesem Diskurs werden buddhistische, jüdische, christliche, islamische, hinduistische u.a. Traditionen immer wieder auch als Religionen bezeichnet. Psychologische Forschung richtet sich in diesem Kontext auf individuelles und kollektives Orientieren, Handeln und Erfahren, das substantiell oder funktional auch auf derartige Traditionen bezogen werden kann (vgl. z.B. Popp-Baier 2006). In diesem Sinn ist es dann auch möglich, von einer Religionspsychologie zu sprechen, ihrer Geschichte, ihren Forschungsthemen und ihren methodologischen Debatten. In der Geschichte religionspsychologischer Forschung sind vor allem drei qualitative Forschungsansätze von Bedeutung: die phänomenologische Analyse, das qualitative Experiment und die psychoanalytische Textinterpretation. Im Hinblick auf den phänomenologischen Ansatz muss berücksichtigt werden, dass der Terminus „Phänomenologie“ im Kontext der Religionsforschung in vielfältiger Hinsicht gebraucht wird und Zusammenhänge zwischen der zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstehenden Religionsphänomenologie und phänomenologischen Ansätzen innerhalb der Religionspsychologie (oder der Religionssoziologie) historisch zwar vorhanden, aber sehr komplex sind. Als eine phänomenologische Studie aus den Anfängen der Religionspsychologie, die auch bereits die Bezeichnung qualitative empirische Forschung verdient, kann William James’ Klassiker „Die Vielfalt religiöser Erfahrung“ (1997 [1902]) gelten. Darin werden vor allem persönliche Dokumente, in denen Bekehrungserfahrungen, mystische Erfahrungen und die Folgen derartiger Erfahrungen zum Ausdruck gebracht werden, deskriptiv-vergleichend analysiert und entsprechend typisiert. In diesem Zusammenhang entstanden auch seine bekannten persönlichkeitspsychologischen Unterscheidungen zwischen den „einmal Geborenen“ und den „zweimal Geborenen“, der Religiosität der healthy minded und der Religiosität der sick soul, und es werden vier Charakteristika mystischer 1 Empfehlenswert ist die Homepage der Arbeitsgruppe Religionspsychologie des Forschungszentrums für Psychobiologie und Psychosomatik der Universität Trier mit vielen Informationen und Links zum Thema Religionspsychologie: http://www.psychology-of-religion.de.
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Ulrike Popp-Baier
Erfahrungen (Unaussprechlichkeit, noetische Qualität, Flüchtigkeit und Passivität) formuliert. Darüber hinaus nahm James religiöse Erfahrungen zum methodischen Ausgangspunkt für eine Theorie der Religion (Joas 1997), wobei seine Methode des konstanten Vergleichens dieser Erfahrungen in ihren verschiedenen Spielarten bereits Aspekte der Auswertungsstrategie der Grounded-Theory-Methodologie vorwegnahm. Für Religionspsycholog/innen zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es mehr oder weniger selbstverständlich, dass ihr Forschungsgegenstand aus religiösen Erlebnissen bzw. Erfahrungen bestand (vgl. Wulff 1995). Auch aufgrund methodischer Kritik an den Datenquellen in der Studie von James wollte eine Gruppe von Forschenden dieses Thema mittels der Methode der experimentellen Introspektion und damit mittels „qualitativer Experimente“ (Kleining 1986; Burkart in diesem Band) erschließen. Die Dorpater Schule der Religionspsychologie (unter der Leitung von Karl Girgensohn) übernahm dieses von der Würzburger Schule der Denkpsychologie (unter ihrem Leiter Oskar Külpe) entwickelte Verfahren und adaptierte es für die psychologische Analyse religiösen Erlebens (vgl. Girgensohn 1921; Wulff 1997). Dazu wurden zwischen 1911 und 1913 in einer Reihe von Laborexperimenten 14 Forschungspartner/innen zu ihren Erlebnissen beim Lesen religiöser Gedichte und Hymnen befragt, zu ihren freien Assoziationen zu diesen Texten, zu weiteren Reflexionen zum Thema „Vertrauen“ und zum „Denken“ relevanter Begriffe (z.B. des Gottesbegriffs). Dabei kam Girgensohn zu dem Ergebnis, dass das religiöse Erleben eine duale Struktur kenne, und zwar ein gefühlsmäßiges oder intuitives Denken mit einem wesentlichen Ich-Bezug. Es handele sich, so Girgensohn (1921), um einen „undifferenzierten Gefühlszustand[...], der Gedanke und Ichfunktion auf einmal ist“ (S.492). Diese Experimente werden gegenwärtig kaum mehr rezipiert, obwohl die methodische wie auch inhaltliche Nähe zu den entsprechenden aktuellen neuropsychologischen Experimenten und ihren Ergebnissen bemerkenswert ist (vgl. z.B. Azari, Missimer & Seitz 2005). Die klassische sozialpsychologische Feldstudie von Festinger, Riecken und Schachter (1956) zu den Verhaltensweisen der Anhänger/innen eines Ufo-Kultes, als sich deren zentrale Endzeitprophezeiung (aus der Außenperspektive) als „falsch“ herausstellte, könnte ebenfalls als qualitatives Experiment rekonstruiert werden, wenn dabei nicht nur die dissonanztheoretische Interpretation der Autoren berücksichtigt wird, sondern auch die späteren Diskussionen um den Einfluss der sogenannten teilnehmenden Beobachter/innen auf das Geschehen und die angemessene Rekonstruktion der unterschiedlichen Perspektiven der Handelnden in diesem Kontext. Psychoanalytische und tiefenpsychologische Textinterpretationen im weiteren Sinn können ebenfalls zu den qualitativen Studien in der Religionspsychologie gerechnet werden. Dazu gehören psychobiografische Studien, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts einige Resonanz fanden (z.B. Oskar Pfisters Studie zur Frömmigkeit des Grafen Zinzendorf) und in den 1950er Jahren sogar zu Bestsellern wurden (z.B. Erik H. Eriksons Studie zu den Identitätsproblemen des jungen Martin Luther), aber auch Literaturinterpretationen (z.B. von biblischen Texten) oder Interpretationen von Ritualen (vgl. zu diesen Studien z.B. Wulff 1997). Als einen Beitrag zur qualitativen Forschung können auch relevante theoretischmethodologische Arbeiten gerechnet werden wie zum Beispiel Gordon Allports (1950) Studie zur individuellen Religion, in der er den Idealtypus einer reifen Religiosität als begriffliches Mittel zur Darstellung der Vielfalt individueller religiöser Orientierungen entwickelte. Im Unterschied zu seinen persönlichkeitspsychologischen Arbeiten hat Allport in
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der Religionspsychologie allerdings empirisch nur quantitative Studien durchgeführt. Im Hinblick auf methodische Diskussionen in den Anfängen der Religionspsychologie wäre hier noch die Studie von Wilhelm Koepp (1920) zu nennen, die explizit der Methode einer geisteswissenschaftlichen Religionspsychologie gewidmet war. Koepp (1920), der sowohl jegliche Form des Experiments als auch das psychoanalytische Vorgehen in der Religionspsychologie ablehnte, bestimmte die Religionspsychologie als eine rein empirisch-induktiv vorgehende Geisteswissenschaft zur Erfassung „der empirischen Wirklichkeit der Religion und des frommen Lebens in all seinen Erscheinungen, Spielarten und Verzweigungen“ in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart (S.96). Deren Methode müsse phänomenologische Deskription, kausale und teleologische psychologische Analyse, komparative Typenbildung und Interpretation umfassen. Dabei wurden neben James’ Arbeit auch Edwin Starbucks Studien zur Konversion und zur religiösen Entwicklung, Wilhelm Wundts völkerpsychologischer Ansatz, Rudolf Ottos psychologische Analyse des Heiligen und Friedrich Heilers Typologie der Gebetsformen einer knappen methodenkritischen Evaluation unterzogen (zu einer kurzen Darstellung dieser Studien vgl. Wulff 1997).
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Aktueller Stellenwert
Mehr als hundert Jahre nach der klassischen Studie von William James sind Religionspsycholog/innen eher geneigt, religiöse Erfahrungen in ihrem sozialen und kulturellen Kontext zu analysieren, und nicht wie James die „einzelnen Menschen in ihrer Abgeschiedenheit“ (1997 [1902], S.64) zum Ausgangspunkt zu nehmen. Dabei wird allerdings gerade von qualitativ Forschenden noch viel stärker die „Vielfalt“ betont, die sich auch unter dem Einfluss von Globalisierungs-, Individualisierungs- und Medialisierungsprozessen quasi potenziert hat. Es kann nun besser von den vielfältigen individuellen und kollektiven Positionierungen im Zusammenhang mit dem Thema „Religion“ ausgegangen werden, den möglichen Beziehungen zwischen vielfältigen Erfahrungen, Identitätskonstruktionen und mannigfaltigen „religiösen“ Traditionen, wobei in diesem Zusammenhang auch der Einfluss der diversen Medien nicht vergessen werden sollte. Dazu gehören dann auch die vielfältigen Formen des Zweifels, der Ablehnung oder auch des religiösen Desinteresses (vgl. dazu z.B. Murken 2008). Im Hinblick auf die Vielfalt der qualitativen Studien ist zunächst noch stets der Einfluss phänomenologischer Methoden zu konstatieren. Qualitative religionspsychologische Studien werden z.B. im Umkreis von Amedeo Giorgis phänomenologischer Psychologie durchgeführt. Zu nennen wäre etwa Christoph Aanstoos’ (1992) Analyse einer spirituellen Erfahrung in einer Krisensituation, eine Fallstudie, die der Autor als ersten Schritt zu einer Taxonomie spiritueller Erfahrungen begreift. Phänomenologische Studien finden sich auch zu religiösen Gruppierungen, die aufgrund ihrer ungewöhnlichen Orientierungen und Handlungen häufig pathologisiert oder zumindest als exotisch ausgegrenzt werden. So haben Paul Williamson, Howard Pollio und Ralph Hood (z.B. 2000) phänomenologische Studien zu einer Gruppierung innerhalb der Pfingstbewegung durchgeführt, zu deren religiösen Praktiken es gehört, während des Gottesdienstes bisweilen giftige Schlangen in die Hand zu nehmen, deren Bisse tödlich sein können. Die bevorzugte Methode dieser Forschungsgruppe ist eine Kombination aus teilnehmender Beobachtung und der thematischen Analyse von sogenannten phänomenologischen Interviews, wobei sie sich an der existentialistisch-
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phänomenologischen Variante des phänomenologischen Ansatzes von Pollio, Henley und Thompson (1997) orientieren. Zu erwähnen sind hier auch noch empirische Studien, die explizit eine phänomenologische Analyse ihrer Daten als ersten Schritt der qualitativen Datenauswertung begreifen. Ein Beispiel ist Benny Shanons (2002) Studie zu den sogenannten Ayahuasca-Erfahrungen, den religiösen oder spirituellen Erfahrungen, die im Zusammenhang mit dem rituellen Gebrauch einer Droge berichtet werden. Dabei unterscheidet Shanon vor allem zwischen einer ersten deskriptiven Analyse, einer Phänomenologie der Ayahuasca-Erfahrungen, und einer theoretisch orientierten kognitionspsychologischen Analyse dieser Erfahrungen. Psychoanalytische Studien haben noch immer einen gewissen Stellenwert in der Religionspsychologie, vor allem im Zusammenhang mit biografischen Studien. Bei diesen theoriegeleiteten biografischen Analysen werden neben psychoanalytischen Perspektiven z.T. auch andere kulturpsychologische Theorien eingesetzt (vgl. z.B. Belzen & Geels 2008; Belzen 2008). Zu erwähnen sind auch noch Ana-Maria Rizuttos Studien zu „Gottesbildern“, in denen die Psychoanalytikerin mittels teilstrukturierter Fragebögen, qualitativer Interviews und Zeichnungen die Gottesrepräsentationen von (gläubigen und nicht gläubigen) christlichen und jüdischen psychiatrischen Patient/innen im biografischen Kontext analysiert. In ihren Fallstudien verdeutlicht die Autorin die komplexe Dynamik der jeweiligen Gottesrepräsentation, in welche die Beziehungserfahrungen mit den realen Eltern, aber auch Wunschbilder, gefürchtete Elternimagos und weitere Beziehungen zu relevanten Anderen mit eingehen (vgl. z.B. Rizutto 1979). Einen entscheidenden Beitrag zu narrativen Studien in der Religionspsychologie hat Hjalmar Sundén (1966) geleistet, der die individuelle Vertrautheit mit religiösen Traditionen, insbesondere mit Erzählungen und Ritualen, als notwendige Voraussetzung für religiöse Wahrnehmungen und Erfahrungen betonte und dabei diesen Erfahrungsprozess psychologisch als Rollenaneignung analysierte, als Identifikation mit einer weltlichen Person in einer religiösen Erzählung, verbunden mit der Antizipation des Handelns des göttlichen oder übernatürlichen Protagonisten. Während Sundén selbst seine Rollentheorie vor allem an historischem Material illustrierte, u.a. an Visionen und Auditionen von Mystiker/innen, an Marienerscheinungen und an Biografien aus der Religionsgeschichte, hat sein Ansatz auch verschiedene empirische Studien angeregt, u.a. zu Erfahrungen der Besessenheit, des Zungenredens in der Pfingstbewegung oder des religiösen Erlebens von älteren Menschen (vgl. zu einer Übersicht z.B. Wulff 1997, zu einer neueren narrativen Einzelfallstudie zu einer Christus-Vision Lundmark 2010). In der sogenannten Konversionsforschung haben narrativ-biografische Ansätze auch zu einer Neukonzeptualisierung des Gegenstandsfeldes beigetragen. Während in der „traditionellen“ sozialwissenschaftlichen Konversionsforschung die Erzählungen der Konvertit/innen als Repräsentationen eines Ereignisses der Bekehrung aufgefasst werden, wird in der eher linguistisch orientierten Forschung Konversion als Selbsttransformation begriffen und die biografische Rekonstruktion in der Konversionserzählung als die Methode, mit der die Konvertit/innen diese Selbsttransformation vollziehen (vgl. Staples & Mauss 1987). Eine entsprechende narrativ-biografische Konversionsforschung in der Religionspsychologie konzeptualisiert Konversionserzählungen als spezifische lebensgeschichtliche Erzählungen, die durch das kommunikative Modell der Bekehrung als plot so strukturiert werden, dass sie einen Wandel des „erzählten Ich“ zum Thema haben. Psychologische Analysen können dann u.a. zeigen, welche Ereignisse, Handlungen, Konflikte, Problemlösungen oder
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Deutungsmuster „sinnvoll“ im Rahmen einer Lebensgeschichte artikuliert und so aufeinander bezogen werden, dass ein biografischer Wandel thematisiert werden kann (vgl. dazu z.B. Popp-Baier 1998, 2002; Lindgren 2004). Das Zusammenspiel von religiösen Geschichten und Lebensgeschichten und die Biografiebezogenheit gelebter Religion bilden auch einen Forschungsschwerpunkt am Bielefelder Zentrum für Religion und Biografie. Das narrative Interview und eine an der Grounded-Theory-Methodologie orientierte biografisch-rekonstruktive Analysemethodik prägen eine Reihe der Bielefelder Forschungsprojekte, u.a. die kulturvergleichende Studie zu Dekonversionsprozessen. In dieser wurde die Trennung von einer Vielfalt von religiösen Orientierungen und Mitgliedschaften in den Vereinigten Staaten und in Deutschland mit quantitativen und qualitativen Methoden untersucht, wobei in der qualitativen Studie vier typische biografische Dekonversionsverläufe unterschieden werden konnten (vgl. Streib, Hood, Keller, Csöff & Silver 2009). Daneben haben inzwischen auch Persönlichkeitspsycholog/innen, die sowohl quantitativ wie auch qualitativ forschen, qualitative religionspsychologische Studien vorgelegt (vgl. z.B. McAdams & Albaugh 2008; zu einer außergewöhnlichen longitudinalen Lebenslaufstudie, die qualitative Daten allerdings nur zur Illustration verwendet, siehe Dillon & Wink 2007). Einem narrativen Ansatz sind auch verschiedene Studien Ruard Ganzevoorts verpflichtet, z.B. seine Studien zu dem Einfluss sexuellen Missbrauchs auf die individuelle Religiosität von Männern (vgl. z.B. Ganzevoort 2000). James Day hat in verschiedenen Fallstudien (z.B. 1993) vor allem den performativen Charakter der religiösen Sprache in Erzählungen betont und darauf hingewiesen, dass derartige Erzählungen (im Alltag) vor allem auch in ihrem situativ-pragmatischen Kontext verstanden werden müssen, in dem sie produziert werden. Zu nennen wären noch die kulturanalytischen Forschungsprojekte von Valerie de Marinis im postsäkularen Schweden. De Marinis (2009), die inzwischen auch selbst qualitative Studien im Bereich der Gesundheitspsychologie durchgeführt hat, diskutiert die Rolle der Religionspsychologie im Zusammenhang mit Public-Health-Forschungsthemen in Schweden und plädiert dabei für eine Kombination qualitativer mit quantitativen Methoden. Andere qualitative Studien zum Thema „Religion und Gesundheit“ im weiteren Sinn beruhen meist auf teilstrukturierten Interviews, die einer computerunterstützten qualitativen Inhaltanalyse unterzogen werden (vgl. z.B. Siegel & Schrimshaw 2002). Theoretisch-methodologische Studien zu einem kulturpsychologischen Ansatz in der Religionspsychologie hat Jacob A. Belzen (z.B. 2010) publiziert.
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Herausforderungen und Desiderata
Qualitative Forschung nimmt trotz der zuvor genannten Arbeiten gegenwärtig nur einen marginalen Platz in der Religionspsychologie ein (vgl. z.B. Hood et al. 2009, Paloutzian & Park 2005). Obwohl interessante Publikationen zu methodologischen Überlegungen im Hinblick auf eine kulturwissenschaftliche religionspsychologische Forschung vorliegen, fehlt oft die Ausbuchstabierung dieser Überlegungen auf der methodischen Ebene. Es gibt immer noch zu viele empirische Studien mit einem essayistischen Charakter, die keineswegs uninteressant sind, aber im Hinblick auf ihre Informationen zur Datengewinnung, Datenaufbereitung und Datenanalyse keinerlei Gütekriterien für empirische qualitative Forschung genügen, weshalb sie auch nicht zur qualitativen Forschung in der Religionspsy-
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Ulrike Popp-Baier
chologie im engeren Sinne gerechnet werden dürfen. Gefordert ist also eine stärkere Rezeption der verschiedenen qualitativ-methodischen Ansätze in der religionspsychologischen Forschung und eine stärkere Partizipation von Religionspsycholog/innen an den entsprechenden methodischen Debatten. Dabei stellt sich auch die Frage, ob im Zusammenhang mit einer qualitativen Forschungspraxis disziplinäre Begrenzungen noch sinnvoll sind und ob nicht besser auf eine transdisziplinäre qualitative Religionsforschung hingearbeitet werden sollte. Weiterführende Literatur Kippenberg, Hans G. & Stuckrad, Kocku von (2003). Einführung in die Religionswissenschaft. München: C.H. Beck. Knoblauch, Hubert (2003). Qualitative Religionsforschung. Paderborn: Schöningh. Popp-Baier, Ulrike (2003). Qualitative Methoden in der Religionspsychologie. In Christian Henning, Sebastian Murken & Erich Nestler (Hrsg.), Einführung in die Religionspsychologie (S.184-229). Paderborn: Schöningh.
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Religionspsychologie
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Ina Hunger
Ina Hunger
Sportpsychologie 1
Disziplinäre Einordnung
Die Sportpsychologie kann sowohl als ein Teilgebiet der Psychologie als auch der Sportwissenschaft verstanden werden (vgl. Tietjens & Strauß 2006, S.8f.).1 Als Referenzwissenschaft gilt die Psychologie; aus ihr bezieht die Sportpsychologie vorwiegend ihre Leitfragen, Theorieansätze und Forschungsmethoden (Schlicht 2009, S.7f.). Ihrem Selbstverständnis nach will die Sportpsychologie „das Wissen um die Bedingungen von sportlichem Verhalten systematisieren und erweitern ... und ... Wissen um die effektive und effiziente Veränderung von Verhalten bereitstellen“ (S.4). Klassische Fragestellungen richten sich u.a. auf die Bereiche Motivation, Emotion, Kognition, Informationsverarbeitung, Entwicklung, Identität und Persönlichkeit – auch damit folgt die Sportpsychologie der traditionellen Ordnung der Psychologie. Typische Anwendungsfelder sind u.a. Leistungssport, Schulsport, Gesundheitssport, Breitensport und Rehabilitationssport (Tietjens & Strauß 2006). Institutionell als Teildisziplin verankert ist die Sportpsychologie an deutschen Universitätsstandorten ausschließlich im Gebiet der Sportwissenschaft. Die Sportwissenschaft, eine vergleichsweise junge „Querschnittsdisziplin“, gilt als multiparadigmatisch. Sie setzt sich im Wesentlichen aus verschiedenen Teildisziplinen wie z.B. Sportpädagogik, Trainingswissenschaft, Bewegungswissenschaft, Sportmedizin, Sportsoziologie und Sportpsychologie zusammen und ist an den meisten deutschen Universitäten als Studienfach vertreten (Haag & Strauß 2003). Aufgrund der teilweise begrenzten personellen Kapazitäten sportwissenschaftlicher Einrichtungen werden mehrere Teildisziplinen oftmals an einem Lehrstuhl zusammengefasst. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere Nachwuchswissenschaftler/innen kleiner Teildisziplinen, wie etwa der Sportpsychologie, gehalten, thematisch eine Nähe zu sportwissenschaftlichen Nachbardisziplinen zu suchen, um die, was die Stellensituation betrifft, oftmals erforderliche Breite vorzuweisen. Viele sportpsychologische Arbeiten finden sich somit an disziplinären Schnittstellen wieder, und es ist aufgrund der Durchlässigkeit der Fachgrenzen manchmal schwer auszumachen, auf welchem Gebiet die Arbeiten primär disziplinär eingeordnet werden können.
1 Die Sportpsychologie ist international sehr unterschiedlich organisiert und differiert in der Folge auch hinsichtlich ihrer Positionsbestimmungen etc. So ist zum Beispiel die Verankerung der deutschen Sportpsychologie in der psychologischen Fachgesellschaft – im Vergleich zu anderen Ländern – noch nicht erfolgt. Da dieser Umstand nicht zuletzt „Konsequenzen für das Selbstverständnis der sportpsychologischen Akteure haben“ dürfte (Schlicht 2009, S.2), stellt der folgende Beitrag die Situation der deutschen Sportpsychologie in den Fokus.
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Sportpsychologie
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Entstehungsgeschichte: Sportwissenschaft und qualitative Forschung
Qualitative Forschungsansätze finden in der Sportwissenschaft seit Mitte der 1980er Jahre zunehmend Berücksichtigung in sozial- und erziehungswissenschaftlich orientierten Teildisziplinen und sind dort mittlerweile zu einem wichtigen methodologischen Standbein geworden. In sportpsychologisch ausgerichteten Arbeiten überwiegt indes nach wie vor der quantitative Ansatz bzw. die empirisch-experimentelle Forschung; die Zahl qualitativ angelegter Arbeiten – bzw. qualitative Verfahren einbeziehender Arbeiten – ist jedoch in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Die Gründe für die Nutzung qualitativer Verfahren im Rahmen sportwissenschaftlicher Disziplinen sind zunächst im untrennbaren Zusammenhang mit den (Theorie-) Entwicklungen der jeweiligen Mutterdisziplinen zu sehen. Im Bereich der sozial- und erziehungswissenschaftlichen Disziplinen steht hierfür sicherlich die sogenannte „Alltagswende“ (vgl. z.B. Geulen 1981) mit den damit verbundenen theoretischen Implikationen und methodologischen Entwicklungen; im Bereich der Sportpsychologie führten vor allem neue entwicklungstheoretische Konzeptionen (z.B. Entwicklungspsychologie der Lebensspanne von Baltes 1979) zu Konsequenzen auf der Methodenebene. Die Gründe für die Heranziehung und Erprobung qualitativer Verfahren verweisen aber auch auf die spezifische Situation der sich universitär etablierenden Sportwissenschaft, die Mitte der 1980er Jahre im Zuge einer (ersten kritischen) Selbstvergewisserung einen Perspektivenwechsel im Hinblick auf unterschiedliche Handlungsfelder vornahm. Stand in den 1970er Jahren – der sogenannten Auf- und Ausbauphase sportwissenschaftlicher Institute an Universitäten – z.B. unter normativen Gesichtspunkten die Entwicklung neuer „Schulsport-Konzepte“ im Vordergrund, so wurden Anfang der 1980er Jahre kritische Stimmen laut, die auf die Gefahr der zunehmenden Entfremdung zwischen normativen Entwürfen und der Praxis hinwiesen (vgl. Lange 1984, S.78ff.). Gefordert wurde eine fundierte empirische Auseinandersetzung mit den an der Schulwirklichkeit Beteiligten und auf der methodologischen Ebene eine Hinwendung zu den Subjekten, deren Wissen, Handeln und Erleben. Auch im Rahmen außerschulischer Handlungsfelder war der Ruf nach einem anderen Blickwinkel und einer Erweiterung des Methodenspektrums vernehmbar; die interessierenden Phänomene sollten nicht mehr nur empirisch-korrelativ, sondern auch sinnhaftzusammenhängend untersucht werden. So wurde zum einen im Zuge der sich in den 1980er Jahren in der Sportwissenschaft formierenden „Geschlechterforschung“ die inhaltliche Angemessenheit deduktiver Forschung infrage gestellt, da „gerade im Sport ... im Gefolge dieser Forschungsperspektive Frauen völlig unzulässige ‚wissenschaftliche‘ Erklärungskonzepte und in der Sportpraxis unzulängliche Trainingskonzepte und Spieltaktiken übergestülpt“ (Klein 1983, S.16) würden. Zum anderen suchte man im Kontext der damals emotional gefärbten, kontroversen Diskussion über den Kinder- und Jugendhochleistungssport nach einem „anderen Zugang“, der differenzierteren Aufschluss über subjektive Denkmuster, Strukturen in den sozialen Feldern, den latenten Sinn von Handlungen etc. zuließ. Die seit den 1990er Jahren zu konstatierende Zunahme von qualitativen Arbeiten kann u.a. im Zusammenhang mit dem Entstehen neuer Bewegungskulturen und „sportlicher Phänomene“ gesehen werden: So legten z.B. neue bewegungsorientierte Jugendkulturen wie Techno, Trendsportarten oder die Etablierung neuer Sinnorientierungen im Kontext
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von Sport (z.B. Suche nach Risiko und Grenzerfahrungen) explorative Annäherungsversuche nahe. Der Anstieg erweist sich andererseits aber auch als „hausgemacht“. Angesprochen ist hiermit die an vielen Instituten praktizierte „Weitergabe“ von Methoden und Forschungsdesigns an den (zumeist lehrstuhlgebundenen) sportwissenschaftlichen Nachwuchs, der seit Anfang der 1990er Jahre systematisch(er) gefördert werden sollte.
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Methodische Rahmungen
In vielen qualitativ-sportpsychologischen Arbeiten werden quantitative und qualitative Verfahren kombiniert. Die qualitativen Methoden haben dabei oftmals ergänzenden Charakter: sie dienen der ersten explorativen Annäherung an das Feld und haben „Zubringerfunktion“ bei der Erstellung von Fragebögen. Rein qualitative Arbeiten sind im Kontext der Sportpsychologie zurzeit noch in der Minderheit (z.B. Kleinert 2003; Marlovits 2002; Stelter 1996). Bei den Erhebungsmethoden dominieren Verfahren, die auf verbale Äußerungen abzielen. Hier finden sich neben Rekonstruktionsmethoden wie Lautem Denken (z.B. Schulz 1995; siehe auch Konrad in diesem Band) und Struktur-Lege-Techniken (siehe Scheele & Groeben in diesem Band) vor allem Interviewformen, die durch offene, themenzentrierte Fragen mehr oder weniger (vor-) strukturiert werden. Die Methoden erscheinen auf den ersten Blick variantenreich (teilstrukturierte, problemzentrierte, episodische, fokussierte, intensive, unstrukturierte, halb-offene, freie, kontrolliert-explorative, leitfadengestützte, lebensgeschichtlich angelegte oder schlicht „qualitative“ Interviews; siehe Mey & Mruck in diesem Band). Bei näherer Betrachtung der Arbeiten zeigen sich jedoch in der Regel weniger Varianten der Datenerhebung, als es die Termini nahe legen. (Teilnehmende) Beobachtungen (z.B. Stelter 1996; siehe Kochinka in diesem Band) und (offene) videografische Verfahren (z.B. Schulz 1995) werden nur in Einzelfällen als (ergänzende) Erhebungsmethoden angegeben. Die Strategien der Datenauswertung können nicht immer eindeutig zugeordnet werden. Zurückgegriffen wird auf allgemein bekannte Auswertungsverfahren; formal dominiert die qualitative Inhaltsanalyse (z.B. Quinten 1994; Mayring in diesem Band). Die Analyse der Daten reicht von der einfachen Darstellung untersuchter Einzelfälle bis hin zu einer Typenbildung (siehe Kuckartz in diesem Band), die das übergreifende Allgemeine in der spezifischen Konstellation aufzuzeigen versucht. Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich die Arbeiten in der Regel an etablierten Verfahren der Datenerhebung und -auswertung orientieren, auch wenn selbstverständlich in Abhängigkeit von den Fragestellungen, vom vorliegenden Datenmaterial etc. Variationen vorgenommen werden. „Genrespezifische“ Methoden oder den Kanon der im Kontext der Sportwissenschaft üblichen Verfahren erweiternde Ansätze sind bislang die Ausnahme (z.B. Marlovits 2003).
Sportpsychologie
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Themen
Obwohl sich in den letzten Jahren die sportlichen Handlungsfelder enorm ausdifferenziert haben (Adressat/innen, sportliche Phänomene, Sinnrichtungen des Sports, institutionelle Rahmungen, gesellschaftliche Kontextbedingungen etc.), sind sportpsychologische Themenfelder, für deren Untersuchung qualitative Verfahren genutzt werden, zurzeit noch relativ überschaubar. Auffällig häufig fokussiert man – nach wie vor – auf die im Leistungssport tätigen Akteure und Akteurinnen (vgl. Abschnitt 4.1). Die Dominanz der Bezüge zum Leistungssport lässt sich u.U. durch die potenziellen psychologischen Interventionsmöglichkeiten in diesem Kontext erklären (Schlicht 2009, S.21f.). Sie verweisen aber auch auf die Tradition der Sportpsychologie, die zu Beginn ihrer Institutionalisierung vorwiegend im Rahmen des Leistungssports Grundlagenforschung zu Themen wie Motivation und Emotion betrieben und Strategien zur Optimierung von Spitzenleistungen erarbeitet hat. Von diesem Kontext abgesehen sind die Handlungsfelder, in denen qualitative Methoden zum Einsatz kommen, äußerst heterogen. Thematisch lässt sich – quer zu den Handlungsfeldern – der Bereich „Bewegungslernen und -handeln“ konturieren (vgl. Abschnitt 4.2). Darüber hinaus sind die Arbeiten aufgrund ihrer spezifischen Fragestellungen nur schwer zu ordnen. Zwar liegen mehrere Arbeiten zu ähnlichen (Gegenstands-) Bereichen vor – beispielsweise „Selbstkonzept und Sportart“ (z.B. Stelter 1996; Quinten 1994), „Erleben von Sport“ (z.B. Marlovitz 2001) und „Gesundheit(-sverständnis)“ (z.B. Baur & Burrmann 2008) – von thematischen Forschungsschwerpunkten unter qualitativ-sportpsychologischem Zugriff kann hier jedoch (noch) nicht gesprochen werden. 4.1 Fokus: Akteure und Akteurinnen im Leistungssport Im Kontext des Handlungsfeldes Leistungssport interessiert vor allem die Person des Athleten bzw. der Athletin; nur vereinzelt sind Trainer/innen (z.B. Schliermann 2005 zur „Burnoutprävention bei Fußballtrainern“), Schiedsrichter/innen (z.B. Brand 2002a, 2002b zu „Stress und Stressbewältigung“) oder Zuschauer/innen (z.B. Marlovits 2002 zur „PsychoAnalyse des Stadionbesuchs“) Gegenstand sportpsychologischer Untersuchungen. Der Athlet/die Athletin wird an unterschiedlichen Stationen seines/ihres Karriereweges ins Blickfeld gerückt: als Kind (z.B. Richartz, Hoffmann & Sallen 2009 zum Thema „Chronische Belastungen und protektive Ressourcen“; Rose 1991 zu den „Lebensgeschichten junger Kunstturnerinnen“), als Jugendliche/r (Richartz & Brettschneider 1996 zur „Doppelbelastung von Schule und Leistungssport“), am Ende der Karriere (z.B. Franke, Böttcher & Vitzthum 1998 zum „Erleben und Verarbeiten des Endes der Sportkarriere“) bzw. nach der aktiven Laufbahn (z.B. Wippert 2002 zu „Karriereende und Krise“). Die Fragestellungen und gegenstandsbezogenen Konzeptualisierungen sind dabei ausdifferenziert. Von besonderem Interesse sind die psychischen und kognitiven (Leistungs-) Voraussetzungen (z.B. Heiss, Engbert, Gröpel & Beckmann 2009 zu „Selbstführungsstrategien“) sowie die Stress- und Schmerzbewältigungsstrategien in Wettkampf und Trainingsalltag (z.B. Marahrens & Keil 2004 zu „Versagen im Wettkampf“; Kleinert 2003 zum Thema „Handlungsregulierende Funktionen von Selbstgesprächen in Schmerzsituationen während des Marathonlaufes“). Ferner wird vielfach auf die Identität und Persönlichkeit im
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Ina Hunger
Kontext der jeweiligen Sportart abgehoben (z.B. Conzelmann, Gabler & Nagel 2001 zu den „Auswirkungen des hochleistungssportlichen Engagements auf den Lebensweg und die Persönlichkeitsentwicklung“), und schließlich werden die Merkmale Behinderung (z.B. Kemper & Teipel 2008 zur „Kooperation zwischen sehbehinderten Athleten und Guides“) und Geschlecht (z.B. Kleinert, Jüngling & Schmidt 2006 zum Thema „Eishockeykarrieren – geschlechtsbezogene Unterschiede im Hinblick auf das Tragen von Schutzkleidung im Eishockey“) untersucht. 4.2 Fokus: Menschen als Bewegungshandelnde und -lernende Arbeiten in diesem Themenfeld beziehen sich größtenteils auf spezielle Bewegungsabläufe und ausgewählte Sport(spiel)situationen. Im theoretischen Fokus stehen die eine Bewegungshandlung begleitenden kognitiven Prozesse, die psychische Bewegungsorganisation und die mentale Instruktionsverarbeitung. Von besonderem Interesse sind dabei Fragen nach kognitiv-motorischen Repräsentationen von Bewegungen sowie Informationsverarbeitung, Bewegungs- und Entscheidungshandeln, Bedingungen der Vorsatzrealisierung oder Wirksamkeitsüberprüfungen (z.B. Munzert, Dültgen, Möllmann 1996; Schulz 1995). Die Arbeiten verweisen vielfach auf den Bereich Motorikforschung, der auch als Teil der Sportpsychologie verstanden wird, und können an der Schnittstelle zu den Nachbardisziplinen Trainings- und Bewegungswissenschaft verortet werden.
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Stärken, Schwächen und Desiderata
Auch wenn qualitative Methoden immer häufiger bei Arbeiten von Nachwuchswissenschaftler/innen berücksichtigt werden und vor allem im Kontext multimethodaler Forschungsdesigns zu finden sind, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Sportpsychologie nach wie vor ein naturwissenschaftlich-experimentelles Verständnis und das Vertrauen in mathematisch-statistische Modellierungen vorherrscht, nicht selten auch Skepsis hinsichtlich der Wissenschaftlichkeit qualitativer Forschung besteht. Damit ähnelt die Teildisziplin sicherlich der Referenzwissenschaft Psychologie, um deren volle Anerkennung sie ringt (Schlicht 2009, S.11f.). Der Wunsch nach forschungsmethodischer Öffnung wird derzeit allerdings vernehmbarer und richtet sich vor allem auch an Publikationsorgane und Berufungskommissionen. Eine stärkere Berücksichtigung qualitativer Verfahren wird vornehmlich im Kontext der sachproblemorientierten Theorieentwicklung gewünscht – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Kritik, dass die Sportpsychologie oftmals zu stark auf Theorien der Psychologie zurückgreife und damit zentrale Fragestellungen aus dem Praxisfeld Sport vernachlässige (Willimczik 2006, S.19). Perspektivisch ist zu hoffen, dass nicht nur eine zunehmende Akzeptanz des qualitativen Paradigmas innerhalb der Scientific Community erreicht wird, sondern dass im Hinblick auf die (potenziell) spezifischen Gegenstandsbezüge im Kontext von Sport und Bewegung auch die methodischen Designs kreativ weiterentwickelt werden. Diesbezüglich ist eine qualitative Methodendiskussionen – innerhalb der eigenen Teildisziplin, aber auch darüber hinaus – notwendig.
Sportpsychologie
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Ina Hunger
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Verkehrspsychologie
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Heinz Jürgen Kaiser
Verkehrspsychologie 1
Entstehungsgeschichte
Die Erfindung und Ausbreitung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert, vor allem aber die Anfang des 20. Jahrhunderts einsetzende massenhafte Motorisierung rief die Psychologie auf den Plan, sich um die Voraussetzungen und Folgen der neuen Formen der Mobilität der Bevölkerung in Forschung und Praxis zu kümmern. Für die Menschen, die Teil des sich neu bildenden Systems „Straßenverkehr“ waren, bedeutete es eine anspruchsvolle Aufgabe, sich auf die veränderten Verhältnisse bei der Befriedigung ihrer Mobilitätsbedürfnisse einzustellen. Bisher nicht gestellte Ansprüche an ihre Leistungsfähigkeit, an ihr Verantwortungsbewusstsein, an ihre Bereitschaft zur Befolgung von Regeln etc. mussten erfüllt werden. Die sich rasch entwickelnde Verkehrspsychologie setzte sich zum Ziel, die Mobilität der Menschen unter den sich verändernden Bedingungen als eine möglichst sichere Bewegung in deren Lebensraum zu unterstützen. Aber nicht nur die Sicherheit, auch die Nachhaltigkeit der Mobilität und die Zufriedenheit mit ihr werden heute als Erkenntnisziele der Verkehrspsychologie genannt (Kroj & Holte 2006), die deswegen längst keine „Psychologie des Autofahrers“ mehr ist. Alle Formen der Mobilität gehören zum Gegenstandsbereich der Verkehrspsychologie. Historisch gesehen gaben jene Personen den Anstoß zur Entwicklung einer neuen psychologischen Disziplin, die im Rahmen ihrer Berufsausübung die Aufgabe hatten, motorgetriebene Fahrzeuge zu führen, Straßenbahnfahrer, Lastautomobil-Lenker oder auch Lokomotivführer beispielsweise. Die rasche Motorisierung der Bevölkerung durch das bald am Fließband produzierte Automobil ermöglichte dann vielen den Zugriff auf eine Art der Mobilität, in der eine hohe kinetische Energie entwickelt wurde. Es lag deshalb nahe, die Beherrschung dieser Energie als von leistungspsychologischen und persönlichkeitspsychologischen Voraussetzungen abhängig zu sehen, deren Vorliegen zu überprüfen, und sie der Schulung zugänglich zu machen. Da die qualitative Veränderung des Transportwesens auf der Straße durch den Einsatz von Maschinen vollzogen wurde, drängte sich ferner die Untersuchung der Interaktion zwischen Mensch und Maschine als weitere Thematik auf. Im Kontext dieser Art der Realisation von Mobilität schien die Konzipierung einer Reiz-ReaktionsPsychologie gegenstandsangemessen, in der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Reaktionsgeschwindigkeit und -sicherheit und ihre personalen und außerpersonalen Bedingungen bzw. „Determinanten“ zentrale Themen waren. Weil Mobilität im Straßenverkehr und anderswo aber immer auch eine Begegnung mit anderen Menschen, die Notwendigkeit der Abstimmung mit ihnen, sogar die Lösung interpersonaler Konflikte nötig macht, lässt sich eine solch einfache oder „reduktionistische“ Perspektive nicht aufrecht erhalten. Mobilitätsbezogenes Verhalten umschließt auch komplexes soziales Handeln, und das „Reiz-Reaktionsgeschehen“ ist eingebettet in größere Zusammenhänge der Handlungsplanung und Hand-
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lungsausführung. Deshalb liegt es nahe, nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Forschungsansätze für den Bereich der Verkehrspsychologie für sinnvoll zu erachten.
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Themen und methodische Ausrichtung
Dass quantitative Methoden nach wie vor die entscheidende Rolle in der verkehrspsychologischen Forschung spielen, legen bereits Überblicke über die von der Verkehrspsychologie heute behandelten Gegenstände und Themen nahe. Groeger und Rothengatter (1998) oder Schlag (1999) unterscheiden sechs Bereiche moderner Verkehrspsychologie: ! ! ! ! ! !
die verkehrspsychologische Diagnostik als Eignungsdiagnostik, Beratung, Rehabilitation und Nachschulung, Verkehrssicherheits- und Unfallforschung (häufig zielgruppenspezifisch), Verhaltensbeeinflussung durch Ausbildung und Aufklärung, Teilnahme an Verkehrsplanungsprozessen, Planung der Verkehrsumwelt und Mensch-Maschine-Interaktion, einschließlich Fragen der Ergonomie.
Bahn- und Flugpsychologie werden als weitere Entwicklungsfelder beschrieben. Die Forschungslandschaft, die sich diesen Bereichen zuordnen lässt, ist außerordentlich vielfältig und ob ihrer Spezifität nur noch schwer zu überblicken. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Psychologie mit Medizin, Ingenieurwesen, Rechtswissenschaft, Pädagogik usw. ist bei einer solchen Spannweite der Themen längst selbstverständlich geworden (vgl. Kroj 1997). Die qualitative Forschung fristet hier eher ein Schattendasein. Denn leistungspsychologische Eignungsparameter, Analyse von Fahraufgaben und ihre Bewältigung durch die Fahrer/innen, Lernprozesse in der Fahrausbildung, Reaktionszeituntersuchungen, wahrnehmungspsychologische Fragestellungen, ergonomische Beurteilungen, Verkehrsplanung und Verkehrsraumgestaltung, Rekonstruktionen von Unfallhergängen etc. verlangen nach quantifizierbaren Aussagen, setzen die Existenz von (statistischen) Beurteilungsnormen voraus oder finden im Experiment ein adäquates Analysemittel. Auch unter dem Siegel der „kognitiven“ Psychologie realisierte Forschung ist nahezu ausschließlich an quantitativen Methoden orientiert, wie u.a. die Monografie „Understanding Driving“ (Groeger 2000) zeigt. Sofern allerdings die Untersuchung verkehrsbezogenen Verhaltens komplexes soziales Handeln (vgl. Barthelmess 2002) oder die verkehrspsychologische Eignungsdiagnostik neben leistungspsychologischen Aspekten auch individuell-persönliche Einstellungen, Motive und biografisch verankerte Wertüberzeugungen im Blick hat, ist der Einsatz qualitativer Verfahren (z.B. biografischer Interviews) notwendig Auch die stärker pädagogisch ausgerichteten Arbeitsfelder der Beratung, Rehabilitation, Nachschulung oder Verkehrsaufklärung könnten insbesondere im Rahmen von Evaluationen von qualitativen Methoden profitieren. Es gibt also durchaus Aufgabenbereiche für den Einsatz qualitativer Forschung in der Verkehrspsychologie.
Verkehrspsychologie
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Ansätze für qualitative Forschung in der Verkehrspsychologie
Während in der heutigen Verkehrspsychologie im Rahmen eines verhaltenstheoretischen Blickes auf Mobilität und Verkehr Gegenstandsfestlegungen stattfinden, die den Einsatz von quantitativen Forschungsmethoden zur Folge haben, finden sich im umfassenderen Kontext der Mobilitätsforschung, auf die sich die moderne Verkehrspsychologie bezieht (s. Schlag & Schade 2007), aber häufiger Forschungsbeiträge, die qualitativ-methodische Ansätze nutzen und mit Tiefeninterviews, biografischen Interviews, Mobilitätstagebüchern oder mit Diskussionen in Fokusgruppen arbeiten. So wurden von Hildebrandt, Deubel und Dick (2001) explorative Interviews eingesetzt, um das Alltagsverständnis des Begriffes „Mobilität“ zu erkunden. Phänomenologische und andere qualitative Studien finden sich auch bei Dick (2001 und vor allem 2009). Sie sollen Leser/innen unter anderem einen verstehenden Zugang zur „subjektiven Welt des Fahrens“ (Dick 2001, S.15) eröffnen. Beispiele für die Kombination von qualitativer und quantitativer Mobilitätsforschung stellen EU-Forschungsprojekte zur Mobilität im Alter dar, etwa KEM („Keeping the Elderly Mobile“; Mollenkopf, Marcellini & Ruoppila 1998) oder SIZE („Life Quality of Senior Citizens in Relation to Mobility Conditions“, z.B. Kaiser & Kraus 2005). Auch im Forschungsprojekt ANBINDUNG („Anforderungen Älterer an eine benutzergerechte Vernetzung individueller und gemeinschaftlich genutzter Verkehrsmittel“, Engeln & Schlag 2001), in dem es um Mobilitätsmanagement im Sinne einer flexiblen Wahl von Verkehrsmitteln ging, kamen Gruppendiskussionen, Tagebuchaufzeichnungen und Interviews zum Einsatz, um die persönliche Bedeutung der Mobilität oder Mobilitätserfahrungen der Forschungsteilnehmenden zu erheben. Ein Beispiel für eine einzelne Untersuchung mit einem „typischen“ qualitativen Forschungsinstrument ist die Arbeit von Dick (2000), in der die Anwendung narrativer Gridinterviews in der psychologischen Mobilitätsforschung dargestellt und begründet wird (siehe zu Grid auch Fromm in diesem Band). 3.1 Phänomenologisch-typisierende Modellbildung Abseits einer messenden Verhaltenswissenschaft fand bereits früh in der Geschichte der Verkehrspsychologie das typenbildende Vorgehen als Methode der Strukturierung und Ordnung des Gegenstandsfeldes Anwendung. Die Suche nach Typen von Verkehrsteilnehmenden mit bestimmten Merkmalen und daraus resultierendem „typischem“ Verhalten auf der Straße macht vor dem Hintergrund bemerkenswerter Beobachtungen Sinn, wie ein historisches Beispiel zeigt: Bei der Sichtung versicherungsstatistischen Materials war Marbe (1926) aufgefallen, dass bestimmte Menschen häufiger in Unfälle verwickelt sind als andere. Gibt es, so fragte er, vielleicht eine „Unfällerpersönlichkeit“ (oder den Typus des „Unfällers“), deren Unfallverwicklung systematisch, also überzufällig ist? Die Tatsache, dass viele Menschen keinen Unfall, manche Menschen aber mehrere Unfälle erleiden, könnte in der Tat Ausdruck eines Typus sein und keine Klassifikation, da die Abgrenzung zum „Nicht-Unfäller“ keineswegs ein sicheres Indiz für systematische Tendenzen ist. Poppelreuther (1929) hatte ebenfalls stärker persönlichkeitspsychologische Ansätze aufgegriffen, nämlich eine typologische Ordnung der „Autofahrerpersönlichkeit“, was in jüngerer Zeit wieder neu belebt wurde (Hürlimann & Hebenstreit 1996). Poppelreuther unterschied den „Drauflos-Typ“, den „Ängstlich-Sorgfältigen“ und den „Differenzierend-
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Sorgsamen“, letzteren als ein Vorbild für andere. Hürlimann und Hebenstreit haben aus einer Fülle von Daten, die sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz erhoben wurden, Typologien von unterschiedlichen Verkehrsteilnehmenden entwickelt, von Autofahrer/ innen, Fahrradfahrer/innen und Fußgänger/innen. Darüber hinaus wurden auch Typen von Lehrveranstaltungen (einschließlich der Lehrpersonen) aus dem Bereich der Verkehrserziehung erstellt. Das Ausgangsmaterial für diese qualitativ-typenbildende Arbeit war sehr heterogen: systematische Verhaltensbeobachtung, Messdaten des Fahrverhaltens, Interviewaussagen, soziodemografische und verkehrsbiografische Angaben usw.; quantitative und qualitative Forschung schließen einander also auch in diesem Bereich nicht aus, sondern können sich ergänzen. Interessant, weil plausibel und als Heuristik für Verkehrssicherheitskampagnen brauchbar, ist ihre Typisierung von „Autolenkern“: Hürlimann und Hebenstreit unterscheiden ruhig-ausgeglichene, aktiv-dynamische, sportlich ambitionierte, affektiv unausgewogene, unsicher unausgewogene und aggressive Typen. Fragt man nach dem Sinn einer solchen Forschung, ist die Antwort am ehesten im Bereich der psychologischen und pädagogischen Beeinflussung der Verkehrsteilnehmenden zu suchen: Die Konfrontation mit einer bestimmten Typenbeschreibung soll die Adressat/innen (beispielsweise Jugendliche) auf mögliche Risiken aufmerksam und sie zur Einstellungs- und Verhaltensänderung bereit machen (vgl. etwa Schulze 1996). Weitere Typenbildungen finden sich im Bereich der Unfallforschung. Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) hält eine Typenübersicht von Unfällen bereit, die bei der Unfallursachenforschung berücksichtigt wird (vgl. z.B. Vollrath & Briest 2008, S.147). Auch die Unterscheidung verschiedener Milieus als Distinktionskategorien zur Darstellung dominierender Erlebniskategorien, welche Menschen mit ihrem Auto verbinden, könnte einer phänomenologisch orientierten qualitativen Forschung zugerechnet werden. Franzpötter (1999) etwa beschreibt als solche den Autokauf und das Fahrverhalten beeinflussende gruppenspezifische Einstellungen, die auf „subjektive Wünsche, Emotionen und Lebensentwürfe“ (S.41) verweisen, für die das Auto das „Projektionsmedium“ darstellt. Der hier verwendete Begriff der „Projektion“ verweist auf eine tiefenpsychologischpsychoanalytische Interpretation des Mobilitätsverhaltens. Tatsächlich haben sich auch Psychoanalytiker/innen mit der Materie befasst. Aus Einzelfallanalysen stammende, tiefenpsychologische Interpretationen finden sich vor allem in der Frühzeit der Verkehrspsychologie, ab etwa Ende der 1920er Jahre. Psychoanalytische Studien zur Erklärung von Unfallereignissen wurden von Osman aber auch später noch diskutiert (zit. nach Echterhoff 1990a, S.100). 3.2 Die Erfassung subjektiver Bedingungen verkehrsbezogenen Verhaltens Bereits die frühe Unfallforschung hat gezeigt, dass häufig nicht objektive Umweltbedingungen Auslöser schwerwiegender Verkehrskonflikte und Unfälle sind, sondern die subjektiven Sichtweisen und Überzeugungen der Fahrer/innen, die sich im Rahmen qualitativer Forschungsmethoden besonders gut darstellen lassen. So fand N. Ach bei der statistischen Analyse der Unfälle von Lastkraftfahrer/innen der Jahre 1926 und 1927 in Berlin Hinweise auf Zusammenhänge, die von einer mechanistisch-physikalischen Interpretation des Zustandekommens von Unfällen wegführten: 90 Prozent der Unfälle führte er auf Rücksichts-
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losigkeit und Vorschriftswidrigkeit des Verhaltens zurück (Ach 1929, S.90; zit. n. Echterhoff 1990b, S.100). Folgerichtig argumentierte Ach in seiner Analyse gegen eine Überbetonung der Straßenverhältnisse als Unfallursachen und für eine stärkere Beachtung des regelverletzenden Handelns der Fahrer/innen. Eine solche Betonung der Persönlichkeitskomponente kann man durchaus als moderne Sichtweise der Verkehrspsychologie bezeichnen, die qualitative Forschung anregen kann. Um die durch Interviews erfahrbaren Einstellungen von Kraftfahrer/innen geht es bei der Aufklärung des Verhaltens und seiner Ursachen und Gründe in der besonders unfallträchtigen objektiven Fahrbedingung „Nebel“. Nach Richter und Schlag (1999) erwiesen sich in einer groß angelegten Untersuchung mit 1.789 aktiven Kraftfahrer/innen u.a. kognitive (Gefahrenantizipation), emotionale (Angst und Unsicherheit) und sinnesphysiologische Prozesse und Bedingungen verantwortlich für das erhöhte Unfallrisiko bei Nebel. In ihren Interviews ermittelten die Autoren ein entscheidendes subjektives Dilemma, in das sich etwa die Hälfte der befragten Fahrer/innen gedrängt sehen, wenn sie im Nebel unterwegs sind: Einerseits möchten sie wegen der schlechten Sicht einen möglichst großen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug halten, andererseits sind sie bestrebt, dem hinter ihnen fahrenden Fahrzeug zu entkommen, das dicht aufschließt, wohl, weil dessen Fahrer/in wiederum Sichtkontakt halten möchte, um der eigenen Wahrnehmungsunsicherheit zu entgehen. Eine Erhebung subjektiver Bedingungen verkehrsbezogenen Handelns dieser Art ist demnach geeignet, falsche Interpretationen von Verkehrsverhalten (und damit falsche Konsequenzen) zu vermeiden oder zu korrigieren. 3.3 Handlungspsychologie als Ausgangspunkt qualitativer Forschung Die Handlungspsychologie hat mittlerweile ausdrücklich Eingang in die Verkehrspsychologie gefunden, d.h., dass das Verhalten von Menschen im Straßenverkehr nicht immer, aber auch als komplexes (soziales) Handeln verstanden wird, keineswegs nur als ReizReaktionsgeschehen. Eine handlungspsychologische Forschungsgrundlage erhellt am ehesten, anders als das oben geschilderte phänomenologisch-typisierende Vorgehen qualitativer Forschung, „von außen“, was „in den Köpfen“ der Verkehrsteilnehmenden „vor sich geht“. Diesbezüglich findet sich auch eine sehr brauchbare Modellbildung, brauchbar nicht zuletzt für Planungs- und Beratungsprozesse. Das Risiko-Homöostase-Modell von Wilde (1978) beispielsweise macht Kraftfahrer/innenverhalten verständlich, indem es potenzielle Urteils- und Entscheidungsprozesse, die ihm zugrunde liegen, annimmt. Das Modell postuliert, dass Autofahrer/innen ein bestimmtes, je individuelles Risikoniveau akzeptieren, es zum aktuell wahrgenommenen Risiko in Beziehung setzen und entsprechend dem Vergleichsergebnis ein riskanteres oder weniger riskantes Verhalten verwirklichen. Empirische Studien haben dieses Modell allerdings nicht bestätigen können, d.h. es gibt keine (statistisch überprüfbaren und überprüften) Gesetzmäßigkeit wieder (Kroj & Holte 2006, S.852). Gleichwohl dürfte es für den Umgang mit Einzelfällen (z.B. im Rahmen von Beratungsprozessen) heuristisch wertvoll sein. Im Bereich der Studien über Risikoverhalten im Straßenverkehr gibt es eine ganze Reihe weiterer Verhaltensadaptationsmodelle, die als brauchbare Heuristiken für die Konzipierung qualitativer Studien eingeschätzt werden dürften. Einen Überblick über diese
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Modelle gibt Schlag (2006). In einem allgemeineren Modell über Handlungsregulationsprozesse (vor allem beim Autofahren), das von Michon (1985) vorgelegt wurde, werden drei Entscheidungsebenen unterschieden (s. auch Schlag & Schade 2007): ! ! !
die strategische Ebene (hier finden Entscheidungen noch vor dem eigentlichen Fahren statt, beispielsweise welches Verkehrsmittel gewählt, welche Zeit eingeplant und welche Fahrstrecke genommen werden sollen), die taktische Ebene oder „Manöverebene“ (Entscheidungen in realen Fahrsituationen, z.B. über Einhaltung der Geschwindigkeit oder des Abstandes) und die operatorische oder „Kontrollebene“ (das eigentliche kurzfristige und schnelle Reagieren abseits der bewussten Entscheidungsbildung).
Erfahrungen und Entscheidungen auf diesen Ebenen beeinflussen die nächst folgenden, wie die Entscheidungen und Erfahrungen dort auf die vorangegangene Ebene zurückwirken. Dieses Handlungsschema lässt sich selbstverständlich nicht nur auf das Autofahren beziehen, sondern auch auf das Fahrradfahren oder die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Hilfreich ist auch dieses Handlungsmodell im Sinne einer Heuristik, wie sich an einem Beispiel gut erläutern lässt: Im Laufe der Entwicklung eines Menschen werden Kompetenzen aufgebaut und Leistungen verbessern sich, aber es kommen z.B. mit dem Altern auch gegenläufige Prozesse vor. In solchen Fällen ist Autofahren u.U. nur noch dann möglich, wenn die Leistungsminderungen durch geeignetes Handeln kompensiert werden. Das Modell kann das Auffinden von Kompensationsmöglichkeiten im individuellen Fall anleiten, d.h. dass die Orientierung an qualitativen Modellen in der Verkehrspsychologie vor allem bei der inhaltlichen Konzipierung von Beratungsansätzen sinnvoll sein dürfte. Aber eine handlungspsychologische Modellbildung kann auch zu Erkenntnissen führen, die für verkehrspolitische Entscheidungen wichtig sind. Mobilität gehört wie der demografische Wandel oder die Ökologie zu den gesellschaftlich sensiblen Themen (und ist nicht unabhängig von diesen zu behandeln). Wie sich die Mobilität in einer „alternden“ Gesellschaft und unter ökologischer Perspektive gestalten lässt, bedeutet auch eine Herausforderung für die Verkehrspsychologie. Die hat aus dieser Sicht unter anderem die Aufgabe, die Vorbereitung auf die zukünftige Mobilitäts- und Verkehrswelt zu unterstützen, beispielsweise dadurch, dass sie Einblick gibt in die Interessen, Einstellungen, Lebensentwürfe etc. von Menschen, die in diese zukünftige Verkehrswelt hineinwachsen. Qualitative Forschung könnte helfen, die Entstehungszusammenhänge zu rekonstruieren, die für die Entwicklung solcher für die Mobilität relevanten Orientierungen der Menschen maßgeblich sind. Das könnte dazu beitragen, Wege zu finden, die Rationalität des Handelns im Straßenverkehr, besonders im Rahmen des Autofahrens zu erhöhen, denn schließlich werden gerade in diesem Zusammenhang Defizite beklagt (vgl. Hilgers 1992; Herzberg 2004).
4
Stärken, Schwächen und Desiderata
Die moderne Verkehrspsychologie ist sich bewusst, dass ihr Hauptthema, die Sicherheit der Mobilität der Menschen in ihren modernen Gesellschaften, sich nicht allein durch Einblick in psychomotorische Fähigkeiten von Verkehrsteilnehmenden und spezifische Elemente der
Verkehrspsychologie
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Verkehrsumwelt (der „Verkehrssituation“) fördern lässt. Die Gefühle, Wünsche, Begehrungen, Ziele, Gewohnheiten usw. der im Rahmen ihrer Mobilität handelnden Personen stellen letztlich die ausschlaggebenden Faktoren für das Miteinander der Menschen in ihrer je unterschiedlichen Mobilität dar. Als handlungsleitende Orientierungen können sie risikoerhöhendes, aber auch risikosenkendes Agieren im Bereich der Mobilität anstoßen. Deswegen fordert Summala (2001, S.356), die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit, Lebensstil, Fahrstil und Entscheidungen für normabweichendes Verkehrsverhalten intensiver zu untersuchen, gerade auch im Hinblick auf die Möglichkeiten der Einwirkung auf diese Faktoren. Er ist der Meinung, dass die Verkehrspsychologie sich um den Aufbau von „guten“ Theorien bemühen müsste, nämlich von solchen, die in der Lage sind, lebenspraktische Entscheidungen anzuleiten. Soweit es um die theoretische und diagnostische Erfassung leistungspsychologischer Aspekte der Mobilität als Verkehrsteilnahme geht, ist das mittlerweile sicher auch gelungen. Das differenziert ausgebaute Berufsfeld der Fahreignungsdiagnostik kann als Beispiel dafür stehen. Für die Aufklärung über persönlichkeitsspezifische und soziale Aspekte von Mobilität und Verkehrsteilnahme aber sollte mehr Initiative entwickelt werden. – Und genau damit öffnet sich ein weites Feld für qualitative Forschung in der Verkehrspsychologie. Weiterführende Literatur Dick, Michael (2009). Mobilität als Tätigkeit. Lengerich: Pabst. Groeger, John A. (2000). Understanding driving. Applying cognitive psychology to a complex everyday task. Hove: Psychology Press. Klebelsberg, Dieter (1982). Verkehrspsychologie. Berlin: Springer. Schlag, Bernhard (Hrsg.) (1999). Empirische Verkehrspsychologie. Lengerich: Pabst.
Literatur Barthelmess, Wolfgang (2002). Auto fahren als Sozialverhalten. Zeitschrift für Verkehrssicherheit, 2, 106-108. Dick, Michael (2000). Die Anwendung narrativer Gridinterviews in der psychologischen Mobilitätsforschung. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(2), Art. 6, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs000262. Dick, Michael (2001). Die Situation des Fahrens. Phänomenologische und ökologische Perspektiven der Psychologie. Harburger Beiträge zur Psychologie und Soziologie der Arbeit, Sonderband 3. Dissertation an der Technischen Universität Hamburg-Harburg, http://psydok.sulb.unisaarland.de/volltexte/2005/482/pdf/sb03.pdf. Dick, Michael (2009). Mobilität als Tätigkeit. Lengerich: Pabst. Echterhoff, Winfried (1990a). Geschichte der Verkehrspsychologie Teil 2. Zeitschrift für Verkehrssicherheit, 36(3), 98-112. Echterhoff, Winfried (1990b). Geschichte der Verkehrspsychologie Teil 1. Zeitschrift für Verkehrssicherheit, 36(2), 50-70. Engeln, Arnd & Schlag, Bernhard (2001). Abschlussbericht zum Forschungsprojekt ANBINDUNG. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Band 196. Stuttgart: Kohlhammer.
820
Heinz Jürgen Kaiser
Franzpötter, Reiner (1999). Der Sinn fürs Auto und die Lust an der Unterscheidung — Zur Praxeologie des Automobils in der Erlebnisgesellschaft. In Gert Schmidt (Hrsg.), Technik und Gesellschaft. Jahrbuch 10: Automobil und Automobilismus (S.41-61). Frankfurt/M.: Campus. Groeger, John A. (2000). Understanding driving. Applying cognitive psychology to a complex everyday task. Hove: Psychology Press. Groeger, John A. & Rothengatter, John A. (1998). Traffic psychology and behaviour. Transportation Research, F(1), 1-9. Herzberg, Philipp York (2004). Aggression im Straßenverkehr. In Bernhard Schlag (Hrsg.), Verkehrspsychologie. Mobilität – Sicherheit – Fahrerassistenz (S.177-196). Lengerich: Pabst. Hildebrandt, Nikolaus; Deubel, Katja & Dick, Michael (2001). „Mobilität“ – Ein multidisziplinärer Begriff im Alltagsverständnis. Harburger Beiträge zur Psychologie und Soziologie der Arbeit. Hamburg-Harburg: Technische Universität. Hilgers, Micha (1992). Total abgefahren. Psychoanalyse des Autofahrens. Freiburg: Herder. Hürlimann, Fred W. & Hebenstreit, Benedikt von (1996). Typologie und Verkehr. Verkehrssicherheit in der Praxis II. Zürich: Vogel. Kaiser Heinz Jürgen & Kraus, Bertram (2005). Die Mobilität Älterer ist gesellschaftlicher Auftrag. Ergebnisse der Europäischen Studie SIZE. Alternative Kommunalpolitik, 26(5), 49-50. Kroj, Günter (1997). Verkehrspsychologie in Deutschland. In Bernhard Schlag (Hrsg.), Fortschritte der Verkehrspsychologie 1996. 36. BDP-Kongress für Verkehrspsychologie (S.13-20). Bonn: BDP-Verlag. Kroj, Günter & Holte, Hardy (2006). Verkehrspsychologie. In Kurt Pawlik (Hrsg.), Handbuch Psychologie. Wissenschaft, Anwendung, Berufsfelder (S.851-858). Heidelberg: Springer. Marbe, Karl (1926). Praktische Psychologie der Unfälle und Betriebsschäden. München: Oldenbourg. Michon, John A. (1985). A critical review of driver behaviour models: what do we know, what should we do? In Leonard Evans & Richard C. Schwing (Hrsg.), Human behaviour and traffic safety (S.487-525). New York: Plenum Press. Mollenkopf, Heidrun; Marcellini, Fiorella & Ruoppila, Isto (1998). The outdoor mobility of elderly people – A comparative study in three European countries. In Jan Graafmans, Vappu Taipale & Neil Charness (Hrsg.), Gerontechnology (S.204-211). Amsterdam: IOS Press. Poppelreuter, Walther (1929). Beitrag zur Analyse der Fahrer-Lenktätigkeit und deren Begutachtung. Psychotechnische Zeitschrift, 4(3), 54-64. Richter, Susann & Schlag, Bernhard (1999). Wahrnehmung und Interaktion von Kraftfahrern bei Nebel. In Bernhard Schlag (Hrsg.), Empirische Verkehrspsychologie (S.9-28). Lengerich: Pabst. Schlag, Bernhard (1999) Einführung. In Bernhard Schlag (Hrsg.) Empirische Verkehrspsychologie (S.5-8). Lengerich: Pabst. Schlag, Bernhard (2006). Risikoverhalten im Straßenverkehr. Wissenschaftliche Zeitschrift der TU Dresden, 55(3-4), 35-40. Schlag, Bernhard & Schade, Jens (2007). Psychologie des Mobilitätsverhaltens. Aus Politik und Zeitgeschichte, 29-30, 27-32. Schulze, Horst (1996). Lebensstil und Verkehrsverhalten junger Fahrer und Fahrerinnen. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft M 56. Summala, Heikki (2001). Conclusion. Traffic psychology for the 2000’ s: Profession and science. In Pierre-Emmanuel Barjonet (Hrsg), Traffic psychology today (S.353-364). Boston: Kluwer. Vollrath, Mark & Briest, Susanne (2008). „Ich hab den einfach nicht gesehen“ – Ursachen für menschliche Fehler bei Autounfällen. In Arnd Engeln & Bernhard Schlag (Hrsg.), Fortschritte der Verkehrspsychologie. Beiträge vom 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (S.143-154). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wilde, Gerald J.S. (1978). Theorie der Risikokompensation der Unfallverursachung und praktische Folgerungen für die Unfallverhütung. Hefte zur Unfallheilkunde, 130, 134-156.
Autorinnen und Autoren
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Autorinnen und Autoren
Adams, Tony, Dr.; Assistant Professor Department of Communication, Media & Theatre, Northeastern Illinois University; E-Mail: [email protected] Allolio-Näcke, Lars, Dr.; Wiss. Mitarbeiter in den Projekten Plattform Anthropologie und Anthropologie der Religion am Lehrstuhl für Altes Testament II, Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg; E-Mail: [email protected] Batinic, Bernad, Dr.; Leiter des Instituts für Pädagogik und Psychologie, Universität Linz; Aufsichtsrat Globalpark AG und Respondi AG; E-Mail: [email protected] Bergold, Jarg, Dr.; Professor em. für Klinische Psychologie und Gemeindepsychologie, Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Arbeitsbereich Klinische Psychologie und Gemeindepsychologie, Freie Universität Berlin; E-Mail: [email protected] Billmann-Mahecha, Elfriede, Dr.; Professorin für Psychologie am Institut für Pädagogische Psychologie, Leibniz Universität Hannover; E-Mail: [email protected] Bochner, Arthur, Dr.: Distinguished University Professor; Professor of Communication, University of South Florida; Co-Director Institute for Interpretive Human Studies; E-Mail: [email protected] Breuer, Franz, Dr.; Professor für Psychologie, Arbeitsgebiete Pädagogische, Entwicklungspsychologie und sozialwissenschaftliche Methodologie, Universität Münster; E-Mail: [email protected] Burkart, Thomas, Dr.; Psychologischer Psychotherapeut, in eigener Praxis in Hamburg; Mitglied der Hamburger Forschungswerkstatt; E-Mail: [email protected] Chakkarath, Pradeep, Dr.; Wiss. Mitarbeiter an der Sektion Sozialpsychologie und Sozialanthropologie, Ruhr-Universität Bochum; Fellow am Exzellenzzentrum Kulturelle Grundlagen von Integration, Universität Konstanz; E-Mail: [email protected] Deppermann, Arnulf, Dr; Leiter der Abteilung Pragmatik, Institut für Deutsche Sprache; Professor für Germanistische Linguistik, Universität Mannheim; E-Mail: [email protected] Dick, Michael, Dr.; Professor für Weiterbildung, Hochschule für Angewandte Psychologie, FH Nordwestschweiz, Olten/CH; E-Mail: [email protected]
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Autorinnen und Autoren
Dresing, Thorsten, Dr.; Diplom-Pädagoge; Geschäftsführer audiotranskription.de; E-Mail: [email protected] Ellis, Carolyn; Dr.; Professor of Communication and Sociology, University of South Florida; Co-Director Institute for Interpretive Human Studies; E-Mail: [email protected] Fitzek, Herbert, Dr.; Professor für Wirtschafts- und Kulturpsychologie, Business School Potsdam; Privatdozent für Psychologie, Universität zu Köln; E-Mail: [email protected] Flick, Uwe, Dr.; Professor für Qualitative Forschung, Alice Salomon Hochschule Berlin; E-Mail: [email protected] Fromm, Martin, Dr.; Professor für Allgemeine Pädagogik, Universität Stuttgart; E-Mail: [email protected] Frommer, Jörg, Dr. med; M.A.; Professor für Psychosomatische Medizin; Direktor der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum der Ottovon-Guericke-Universität Magdeburg; E-Mail: [email protected] Gergen, Kenneth J.; Research Professor, Swarthmore College; President The Taos Institute; E-Mail: [email protected] Gergen, Mary; Professor em.; Penn State University; Board Member The Taos Institute; E-Mail: [email protected] Gnambs, Timo; Mag.; Wiss. Mitarbeiter am Institut für Pädagogik und Psychologie, Universität Linz; E-Mail: [email protected] Groeben, Norbert, Dr.; Univ.-Professor (a.D.) für Allgemeine Psychologie und Kulturpsychologie, Universität zu Köln; Hon.Prof. für Allgemeine und Empirische Literaturwissenschaft, Universität Mannheim; E-Mail: [email protected] Gudehus, Christian, Dr.; Wiss. Geschäftsführer des Center for Interdisciplinary Memory Research, Kulturwissenschaftliches Institut Essen; E-Mail: [email protected] Hunger, Ina, Dr.; Professorin für Sportpädagogik und -didaktik an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Georg-August-Universität Göttingen; Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Sportwissenschaften; E-Mail: [email protected] Kaiser, Heinz Jürgen, Dr.; Professor für Psychologie und Akademischer Direktor am Institut für Psychogerontologie, Universität Erlangen-Nürnberg; E-Mail: [email protected] Keller, David; Dipl. Psych.; Freier Mitarbeiter des Center for Interdisciplinary Memory Research, Kulturwissenschaftliches Institut Essen; E-Mail: [email protected]
Autorinnen und Autoren
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Kiegelmann, Mechthild, Dr.; PD; Vertretung des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie und Angewandte Entwicklungspsychologie im Psychologischen Institut, Universität Trier; Präsidentin Center for Qualitative Psychology e.V.; E-Mail: [email protected] Kleining, Gerhard, Dr.; Professor für Allgemeine Soziologie, Universität Hamburg (im Ruhestand); E-Mail: [email protected] Kochinka, Alexander, Dr.; PD; Wiss. Mitarbeiter am Institut für Pädagogische Psychologie, Leibniz Universität Hannover; E-Mail: [email protected] Kölbl, Carlos, Dr.; PD; Wiss. Mitarbeiter am Institut für Pädagogische Psychologie, Leibniz Universität Hannover; E-Mail: [email protected] Konrad, Klaus, Dr.; Professor für Pädagogische Psychologie an der Fakultät I, Pädagogische Hochschule Weingarten; Geschäftsführer Zentrum für Schulentwicklung und Professionalisierung; E-Mail: [email protected] Kuckartz, Udo, Dr.; Professor für empirische Pädagogik und Methoden der Sozialforschung am Institut für Erziehungswissenschaft, Philipps-Universität Marburg; Leiter Marburger Arbeitsgruppe für Methoden & Evaluation; E-Mail: [email protected] Lange, Julia; Dipl.-Psych.; Wiss. Mitarbeiterin der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg; E-Mail: [email protected] Lucius-Hoene, Gabriele, Dr.; apl. Professorin an der Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie, Institut für Psychologie, Universität Freiburg; E-Mail: [email protected] Markard, Morus, Dr.; apl. Professor für Psychologie, Freie Universität Berlin; E-Mail: [email protected] Mayring, Philipp, Dr.; Professor für psychologische Methodenlehre, Universität Klagenfurt; Leiter Institut für Psychologie und Zentrum für Evaluation und Forschungsberatung der Universität; E-Mail: [email protected] Medjedovi!, Irena; Dipl.-Psych.; Wiss. Mitarbeiterin, Archiv für Lebenslaufforschung, Bremen International Graduate School of Social Sciences, Universität Bremen; E-Mail: [email protected] Mey, Günter, Dr.; Professor für Entwicklungspsychologie und Qualitative Methoden am Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften, Hochschule Magdeburg-Stendal; Direktor Institut für Qualitative Forschung, Internationale Akademie an der Freien Universität Berlin; E-Mail: [email protected]
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Autorinnen und Autoren
Mruck, Katja, Dr.; Direktorin Institut für Qualitative Forschung, Internationale Akademie (INA) an der Freien Universität Berlin; Vizepräsidentin INA; Leitung Arbeitsbereich Open Access, Center für Digitale Systeme, Freie Universität Berlin; E-Mail: [email protected] Oda", Özen, Dr.; University Lecturer für empirische Forschungsmethoden, Jacobs University Bremen; Koordinatorin Methodenzentrum, Bremen International Graduate School of Social Sciences; E-Mail: [email protected] Pehl, Thorsten; Dipl. päd.; Geschäftsführer audiotranskription.de; E-Mail: [email protected] Popp-Baier, Ulrike, Dr.; Associate Professor für Religionspsychologie, Fakultät der Geisteswissenschaften, Universität von Amsterdam; E-Mail: [email protected] Przyborski, Aglaja, Dr.; Psychotherapeutin; Projektleitung Iconic Communication, Institut für psychologische Grundlagenforschung, Universität Wien; Wissenschaftliche Leitung ikus (Institut für Kulturpsychologie und Qualitative Sozialforschung); Gesellschafterin AfpE (Akademie für persönliche Entwicklung); E-Mail: [email protected] Rädiker, Stefan; Wiss. Mitarbeiter Marburger Arbeitsgruppe für Methoden & Evaluation, Philipps-Universität Marburg; E-Mail: [email protected] Riegler, Julia; Mag.; Stipendiatin Österreichische Akademie der Wissenschaften; Projektmitarbeiterin Institut für Psychologische Grundlagenforschung; Universität Wien; E-Mail: [email protected] Scheele, Brigitte, Dr.; apl. Professorin (i.R.) für Allgemeine Psychologie und Qualitative Methoden; E-Mail: [email protected] Schmitt, Rudolf, Dr.; Professor für Beratung, psychische Erkrankungen, Sucht und empirische Forschungsmethoden, Fakultät Sozialwissenschaften, Hochschule Zittau/Görlitz; E-Mail: [email protected] Schönberger, Christine, Dr.; Professorin für Empirische Sozialforschung und Evaluation, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, Hochschule München; E-Mail: [email protected] Schreier, Margrit, Dr.; Professorin für Empirische Methoden, School of Humanities and Social Sciences, Jacobs University Bremen; E-Mail: [email protected] Schulze, Hartmut, Dr.; Professor und Leiter Institut für Kooperationsforschung und -entwicklung, Hochschule für Angewandte Psychologie, FH Nordwestschweiz; E-Mail: [email protected]
Autorinnen und Autoren
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Schulze, Heidrun, Dr.; Professorin für Qualitative Forschung und Methoden in der Sozialen Arbeit, Fachbereich Sozialwesen, Hochschule RheinMain Wiesbaden; Sprecherin Netzwerk Rekonstruktive Forschung in der Sozialen Arbeit; E-Mail: [email protected] Sichler, Ralph, Dr.; Fachbereichsleiter Management-, Organisations- und Personalberatung, Fachhochschule Wiener Neustadt; Prof. für Sozial- und Angewandte Psychologie, Sigmund Freud PrivatUniversität Wien; E-Mail: [email protected] Sieben, Anna; Doktorandin und Lehrbeauftragte, Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie, Ruhr-Universität Bochum; E-Mail: [email protected] Slunecko, Thomas, Dr.; Professor am Institut für Psychologische Grundlagenforschung, Fakultät für Psychologie, Universität Wien; Wiss. Leiter Institut für Kulturpsychologie und qualitative Sozialforschung, Wien; E-Mail: [email protected] Stahlke, Iris, Dr.; Lehrbeauftragte für Sozialpsychologie und Arbeits- und Organisationspsychologie, Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften; Universität Bremen; E-Mail: [email protected] Straub, Jürgen, Dr.; Professor für Sozialtheorie und Sozialpsychologie, Fakultät für Sozialwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum; Mitglied des Vorstands des Research Department Centrum für Religionswissenschaftliche Studien; E-Mail: [email protected] Thomas, Stefan, Dr.; Forschungs- und Lehrtätigkeit an der Freien Universität Berlin; Gastprofessor für Theorien und Methoden Sozialer Arbeit, Alice-Salomon-Hochschule Berlin; E-Mail: [email protected] von Kardorff, Ernst, Dr.; Professor für Soziologie der Rehabilitation, Berufliche Rehabilitation und Rehabilitationsrecht am Institut für Rehabilitationswissenschaften, HumboldtUniversität zu Berlin; E-Mail: [email protected] Wehner, Theo, Dr.; Professor und Leiter Zentrum für Organisations- und Arbeitswissenschaften, Forschungsgruppe Psychologie der Arbeit in Organisation und Gesellschaft, ETH Zürich; E-Mail: [email protected] Welzer, Harald, Dr.; Professor für Sozialpsychologie an den Universitäten Hannover und Witten/Herdecke; Direktor des Centers for Interdisciplinary Memory Research, Essen; Leitung des Forschungsschwerpunktes KlimaKultur, Kulturwissenschaftliches Institut Essen; E-Mail: [email protected] Winter, Rainer, Dr.; Professor für Medien- und Kulturtheorie, Alpen Adria-Universität Klagenfurt; E-Mail: [email protected]
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Autorinnen und Autoren
Witt, Harald, Dr.; Professor am Fachbereich Psychologie, Arbeitsbereich Arbeits-, Betriebs- und Umweltpsychologie, Universität Hamburg (seit 2003 im Ruhestand); E-mail: [email protected] Witzel, Andreas, Dr.; Archiv für Lebenslaufforschung (Leiter im Ruhestand), Universität Bremen; E-Mail: [email protected]; [email protected]
Sachregister
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Sachregister
100%-Regel 68, 73, 74, 257, 259 Abduktion 39, 619 Abstraktion 68ff Affekt 145 Aktionsforschung 98, 101, 158, 235, 252, 333ff, 368, 373ff, 391, 769 Akzeptanz 367, 520, 531 Allgemeine Psychologie 142, 156f, 190, 684 Alltag 37, 41, 45, 65, 67, 82, 108f, 129, 178, 333, 336f, 340, 462, 466, 468, 472, 476, 570f, 694, 699f, 776, 783 Alltagspsychologie 151, 156, 160, 509, 686 Alltagstheorie 160, 514 Alltagswelt 38ff, 88, 99, 465, 472, 656 Alltagswissen 282, 333, 396 Alternspsychologie 756 Ambiguitätstoleranz 409, 411 Analytische Induktion 190, 241, 243, 244 Analytische Philosophie 61, 138 Androzentrismus 212, 215 Anonymität 178, 329, 351, 384, 387 Arbeits- und Organisationspsychologie 99, 104, 192, 263, 374, 377, 391, 465, 543, 548, 553, 562, 685, 696, 768ff, 785 Arbeitspsychologie ! Arbeits- und Organisationspsychologie Archivierung 312f, 591 Artificial Intelligence ! künstliche Intelligenz Assoziation 491, 494, 500 atheoretisches Wissen 630 Atlas.ti 615, 734, 478 Attribution 204, 655 Aufmerksamkeit 458, 493, 495, 502f Aufnahmegerät 729 Auftragsforschung 404 Aufzeichnung 431, 454f, 586 Ausdruck ! Äußerung Äußerung 50ff, 61 Auswertung von Zeichnungen 707ff Autoethnografie 45, 86, 131, 345ff, 360, 391, 415 Autonomie 114
Bedeutung 41, 50, 54, 136, 138, 143ff, 169, 196, 201, 457, 471, 667 Bedeutungsanalyse 170, 175f Beforschte 382, 386, 390 Begleitforschung 372, 546 Behaviorismus 90, 108f, 114, 151, 160, 450, 477, 506 Beobachtung 39, 44, 69, 73, 84, 154, 449ff, 606, 610, 630, 753, 770 teilnehmende Beobachtung 37, 85, 90, 232, 286f, 346, 453f, 465, 467, 544, 769 Beobachtungsformen 453ff Beobachtungsprotokolle 545 Beobachtungssprache 40 Standardisierte Beobachtung 398 Beratung 683, 688 Beschreibung 43, 45, 115, 119, 230, 242, 247f, 337, 348, 463, 471, 587f, 594, 692, 701 Bild 707, 709, 714, 717f Bildhermeneutik 719 Bindungsforschung 204f, 455, 755 Biografie 85, 296, 345f, 569, 570f, 589ff, 778, 803 Biografieforschung 16, 139, 235, 403, 565, 570f, 590 Biografische Fallrekonstruktion 569ff Biografische Forschungsmethode 84, 88, 770, 779 biografisches Interview ! Interview CAQDAS ! computergestützte Analyse Chicagoer Schule 82, 84, 452, 463, 553, 571, 761, 769, 792 Code/s 41, 299, 486, 603f, 609, 619, 621f, 736f, 741f Community narratives 377 Computergestützte Analyse (CAQDAS) 299f, 305, 604, 734ff Cultural Studies 86f, 132, 792ff Curriculum ! Lehren qualitativer Methodik Data Sharing 312f Daten 36ff, 85, 306, 408f, 414, 584ff, 590ff, 647ff, 735 Datenschutz 292f, 311f, 328
!"#$%'"#$()*+#,-(./"01#!"#$%&'()*&"+,-"-,./)0123'(),#)$/2)536'(1+14,/1#2345#6789:9;:<96=>;=981## ?#@A#@%(BC/#DE(#AFGHCBIH..%J.*KCDL%J#M#AN(HJ/%(#OC*KP%QH%J#RH%.SCQ%J#!PS-#=><>#
828 Datensorte 281ff Deduktion 38f, 604f Dekonstruktion 61, 126, 128, 215ff, 663 Denken 97, 145, 186ff, 491ff ! Lautes Denken Denkpsychologie 61, 94, 477, 491, 800 Design 225ff, 391 Designtriangulation 235 deskriptives Design 231ff experimentelles Untersuchungsdesign ! Experiment exploratives Design 233 Deskription ! Beschreibung Deutung ! Interpretation Deutungsmuster 688 Diagnostik 562, 776ff Dialog 66ff, 125, 130, 257, 500 Dialog-Hermeneutik 161 dialogical self 590 Dialogische Introspektion 495, 501, 502 Dialog-Konsens 154, 398, 506ff Dichte Beschreibung ! Beschreibung Didaktik 411, 414f, 417 Differenzielle Psychologie 562 Disability Studies 786, 788 Diskurs 36, 51, 60f, 126, 129, 215, 219, 662ff, 779 Diskursanalyse 126, 215f, 218, 403f, 412, 416, 657, 662ff, 735, 777, 785, 788 Diskurstheorie 43, 665 Diskursive Psychologie 129f, 190, 203, 590, 592, 643ff, 778 Diskussionsforum ! Neue Medien Dokumentarische Methode 438, 440, 442, 627ff Dokumentenanalyse 84, 190, 235, 573, 792 Einstellung/en 410, 412, 414, 762, 817f Einzelfall ! Fall Einzelfallanalyse ! Fallanalyse E-Mail-Interview 430 Embodiment 680 Emergenz 42, 439 Emisch/etisch 116, 147, 198, 204 Emotion 44f, 145, 203, 499, 543, 655, 670 Emplotment 144, 586 Empowerment 132, 334 Enkulturation 185, 204 Entscheidung 44, 46, 111ff, 383, 388, 481 Entwicklung 35, 44, 46f, 185, 186, 708, 711 Entwicklungspsychologie 142, 191, 202, 255, 272, 279, 290, 296, 389, 465, 685, 753ff episodisches Interview ! Interview
Sachregister Erfahrung 40f, 79, 85, 90, 123, 174 Erinnerung ! Gedächtnis Erklärung 39, 115, 119, 138, 152ff, 198, 471 Erleben 54, 56, 59, 492, 493ff, 585 Erstinterview 776, 778f Erzählung 86ff, 117f, 127, 131, 136ff, 143, 282, 347, 349, 424, 572, 585, 757, 803 Erzählanalyse ! Narrationsanalyse Erzähltheorie 136ff Ethik 107, 261, 311f, 327, 350, 382ff, 415, 417 Ethikkommission 382, 389, 390 Ethnografie 82, 85f, 88, 89, 202, 233, 279, 286, 324, 345, 348, 349, 412, 415, 462ff, 602, 650, 657, 757, 792, 793 Ethnografisches Interview ! Interview Ethnologie 82, 452 Ethnomethodologie 125, 129, 255, 283, 643, 762 Ethnopsychoanalyse 203 Evaluation 144, 230, 335, 367ff, 585, 586, 743 Experiment 45, 69, 71, 73, 95, 110f, 166, 230, 235, 328, 451, 452, 462, 762ff qualitatives Experiment 235, 241, 252ff, 799, 800 Expert/inneninterview ! Interview explanative Validierung ! Validierung Exploration 225, 230ff, 270, 480, 487 exploratives Design ! Design Extremgruppen-Sampling ! Fallauswahl f4 730, 740 Fall 573, 741 Fallanalyse 230ff, 243, 248, 777 Fallstruktur 573, 577, 578 Fallstudie 239, 242, 246, 247, 283 Fallauswahl 238ff Extremgruppen-Sampling 68, 69, 72, 257 Feld 38, 42, 44, 94, 98, 339, 575f Feldforschung 37, 99, 230ff, 415, 452, 455, 463, 465, 763 Falsifikation 36 Feminismus 88, 210ff, 334, 350, 464 Fokusgruppe ! Gruppendiskussion Fokussierungsmetapher 440 Formen der Beobachtung ! Beobachtungsformen Forschende 36, 38, 39, 41f, 44, 45 Forschungsbeziehung 384, 386 Forschungsethik ! Ethik Forschungsprogramm Subjektive Theorien 116, 151ff, 271, 396, 398, 506 ! Subjektive Theorien
Sachregister Forschungsprozess 333, 338f, 385 Forschungsstil 410, 412, 414, 416f Forschungstagebuch ! Tagebücher Forschungswerkstatt 41, 408, 410, 413, 414, 417 Fragebogen 225, 430, 606 Frankfurter Schule 128, 664, 762 Freiheit 114f Freiwilligkeit 385 Fremdheit 466 Ganzheitspsychologie 94, 96, 256, 260, 692, 696 GAT 647, 728 Gedächtnis 140, 142, 145, 184, 188f, 281, 478, 479 Gegenstand 333 Gegenstandsangemessenheit 45, 467, 472, 704 gegenstandsbezogene Theoriebildung ! Grounded-Theory-Methodologie Geisteswissenschaft 35, 51, 53, 56ff, 584, 768 Gemeindepsychologie 334, 371, 377, 465, 746 Gender 86, 210ff Generalisierung ! Verallgemeinerung Geschichte/n ! Narrationen Geschichte der Psychologie 686 Geschlechterforschung 188, 211, 359, 807 Gesprächsanalyse 593, 643, 644 Gestalt 692, 696, 697, 699, 700 Gestaltpsychologie 65, 94ff, 254, 572, 692, 696, 704 Gesundheitspsychologie 562f Glaubwürdigkeit 400f going native 390, 468, 470 Grounded-Theory-Methodologie 42, 202, 231, 241, 244, 248, 341, 371, 403, 412, 415, 416, 602f, 611, 614ff, 735, 737, 744, 764, 787, 800, 803 Grundgesamtheit 239, 240 Gruppe 495ff, 541, 556 Gruppendiskussion 187, 412, 436ff, 443, 606, 757, 794 Gruppenmeinung 437 Gruppenprozess 338, 543, 548 Gruppendynamik 98, 541 Gültigkeit 259, 293, 396 Gütekriterien 74, 84, 161, 225, 259, 279, 341, 351, 363, 373, 383, 388, 395ff, 480, 503, 520, 526, 564, 565, 603, 683, 702ff Halbstrukturiertes Interview ! Interview
829 Handlung 43ff, 50ff, 107, 111, 114, 127, 199, 200f, 457, 466, 468, 508, 511, 645, 817ff Handlungserklärung 115f Handlungsfähigkeit 151, 169, 342 Handlungsforschung ! Aktionsforschung Handlungsmöglichkeit 170, 178 Handlungspraxis 441, 445 Handlungspsychologie 55, 60, 97, 109, 111, 817, 818 Handlungstheorie 107ff, 142, 198, 199, 200, 202, 662 soziales Handeln 813f, 817 Hermeneutik 36, 38, 41, 50ff, 110ff, 184, 186, 196, 202f, 229, 506, 507, 541, 577,588, 695, 704 hermeneutischer Zirkel 41, 58, 59 Heteronormativität 217 Heuristik 38, 39, 65ff, 112, 157, 592, 683 qualitative Heuristik 65ff, 257, 495, 504 Horizontverschmelzung 61, 62 Hypothese/n 225, 525, 574, 575 Hypothesentesten 247, 480 Idealtyp ! Typenbildung Identität 82, 108, 113, 129f, 146, 156, 200, 203, 306, 472, 539, 585, 592ff, 653f, 779, 786 narrative Identität 592f soziale Identität 653f Idiografisch 156 Indigene Psychologie 189, 197, 202, 204f Individuozentrismus 108f Induktion 36, 39, 40, 232, 604f Informationsverarbeitung 478f informierte Einwilligung 384f Inhaltsanalyse 111, 412, 533, 545, 587, 601ff, 735, 737, 795, 803 Inszenierung 589, 594 Intention 107f,112, 118, 138, 151, 153 Interaktion 79, 82, 83, 107, 124f, 127, 129, 131, 338, 466, 589ff, 776 Forschungsinteraktion 38, 42ff Interaktionsprozessanalyse 456 Interaktionstheorie 590 Intercoder-Reliabilität 739, 741 Interdisziplinarität 158, 384, 389, 414ff Internet ! Neue Medien Interpretation 38, 40ff, 50ff, 79, 82ff, 111ff, 338, 409, 410, 412, 457, 458f, 463, 590, 602, 709f formulierende Interpretation 634 reflektierende Interpretation 634
830 interpretative Sozialforschung 51, 54, 370, 416, 472 Intersubjektivität 70, 108, 507f, 520, 546, 648 Interview 84f, 155, 205, 225, 296, 322, 340, 398, 409, 416, 423ff, 512f, 585f, 588ff, 601, 603, 606, 647, 754, 757, 770, 793, 815 episodisches Interview 281, 286f, 426, 770 ethnografisches Interview 424 Expert/inneninterview 268f, 427 fokussiertes Interview 425 Grid-Interview 771 halbstrukturiertes Interview 398, 426, 509, 524 interaktives Interview 349 Interview-Leitfaden 509 Interviewmethodik 412 Interviewverfahren 423ff interaktives Interview 349 Leitfaden-Interview 398, 430, 510, 563 narratives Interview 397, 424f, 432, 445, 563, 574, 794, 814f offenes Interview 233 problemzentriertes Interview 425, 563 reflexives Interview 348 rezeptives Interview 348 Struktur-Dilemma-Interview 427, 755 systemisches Interview 424 Telefoninterview 430 themenzentriertes Interview 426 Tiefeninterview 101, 695 Introspektion 66, 82, 84, 178, 260, ff, 476f, 491ff In-vivo-Codes 620, 622 Katamnese 776, 777 Kategorie/n 39, 42, 168, 169, 472, 603ff, 622, 735, 741, 742 deduktive Kategorienbildung 741 induktive Kategorienbildung 741 Kausalanalyse 230f, 235 Kinderzeichnungen 708, 711ff Kindheitsforschung 756 klinische Psychoanalyse 283, 391 Klinische Psychologie 142, 156, 192, 218, 391, 572 Kodieren ! Code Kognition 152ff, 203, 479ff, 508f, 512f, 543, 644, 655, 657, 680 kognitive Linguistik 677, 680 kognitive Psychologie 109, 480, 508, 655 kognitive Wende 108, 152, 160, 196, 525 Kollektivität 630, 632
Sachregister Kommunikative Validierung ! Validierung Komparative Analyse 636 Komparative Kasuistik 242, 554f, 565 Komparativer Ansatz 198 Konfrontationsinterview 427 Konjunktiver Erfahrungsraum 438, 439, 630, 631 Konstrukt 40, 126 persönliche Konstrukte 151, 153, 524, 526, 527 Konstruktion 124, 140f, 432, 592, 594, 669, 699 Konstruktivismus 36, 43, 226, 525 Kontext 110, 310 Kontingenz 145 Konversationsanalyse 125, 242, 283, 545, 585, 590, 592f, 602, 643ff, 665, 671 Konzept-Indikator-Modell 619 Korrelationsstudie 230 Krankenkarriere 786 Krankheit 596, 777ff Kreativität 39, 107, 117ff Kritik 71, 87, 123, 128, 692 kritische Diskursanalyse 130 Kritische Psychologie 133, 166ff, 190, 213, 218, 390, 570 Kritischer Rationalismus 36, 38 Kultur 41, 46f, 114, 196, 199f, 333, 346, 387, 391, 443, 462, 466, 680, 700, 713 kulturelle Dokumente 707 Kulturpsychologie 55, 60f, 99, 108f, 142, 189, 195ff, 256, 686, 693, 696, 702, 756, 803 kulturvergleichende Psychologie 187, 196f, 234 Kulturhistorische Schule 108, 167, 182ff, 195 Kulturwissenschaft 35, 37, 47, 53ff, 416 Kunst 39, 41, 45, 50, 52f, 55, 61, 358, 361, 363, 410 Künstliche Intelligenz 160, 478 Längsschnitt 234, 290, 291, 292, 753 Längsschnittdesign, Anwendung 294 Längsschnittdesign, Beispiel 296 Längsschnittdesign, prospektiv 292 Längsschnittdesign, Variationen 293 Lautes Denken 111, 159, 190, 254, 476, 477, 478, 494, 500, 794 Lebenswelt ! Alltag Lehren qualitativer Methodik 19, 408ff Leitfaden ! Interview Lernen 97, 408ff, 482, 483, 484 Linguistik 59, 125, 141 Logischer Empirismus 36
Sachregister Macht 129, 130, 210, 336, 390, 664 Mainstream 35, 37, 47, 98, 124, 160, 204, 213, 214, 220, 264, 273, 408, 416, 508, 525 Marienthal-Studie 263, 278, 465, 553, 763 Maximale strukturelle Variation 68, 74, 241, 243, 244, 257 MAXQDA 734, 735, 748 Medien 260, 443, 585, 606, 791, 792 ! Neue Medien Medienpsychologie 259, 444, 482, 562, 791ff Memo 616 Menschenbild 38, 45, 151, 336, 506, 525 Mensch-Maschine-Interaktion 770, 814 Mentoring 413 Merkmalsraum 557, 559, 563 Metaphernanalyse 283, 676ff Methodeninversion 16 Methodenlehre 38, 43, 51, 273, 408ff Methodologie 35ff, 51, 54ff, 59f, 65ff, 84f, 90, 107, 116, 139, 183, 257, 285, 306, 308, 412, 415ff, 465, 480 Mixed Methods 19, 40, 227, 233, 235, 263ff, 296, 270, 280, 284f, 596, 746, 757, 764 Mobilität 771, 813ff Monomethods 264f Moralentwicklung 203, 389 Moralforschung 427 Morphologische Beschreibung 99, 692ff Motivation 145, 670 Multitrait-Multimethod 264, 267, 279 Multiuser-Umgebung 325 Narration 103, 117f, 131, 136ff, 201, 432, 573, 584, 586ff, 702, 778, 803 Narrative Analyse 584ff, 654 Narrative Forschung 415, 802 Narrative Psychologie 87, 127, 161, 584 Narrative Wende 139, 141, 584, 785 Narratives Interview ! Interview Natural sociology 761 Natürliches Experiment 770 Naturwissenschaft 35, 46, 50, 57, 59f, 67, 76, 94, 109, 123, 227, 253, 254, 408 Neue Medien 320, 323, 327, 794 Nikotinkonsum 678, 687 Nomothetisch 35, 42, 156, 171, 363 Normen 117, 541 Objektive Hermeneutik 242, 283, 602, 646, 657 Objektivität 42, 110, 124, 137, 128, 131, 226, 388, 396, 480, 520, 604, 668
831 offenes Interview ! Interview Offenheit 38, 40, 44, 46, 58, 61, 68, 71, 125, 225, 257, 409 Online-Forschung 414, 320ff Online-Interview 794 Operationalisierung 40, 233, 235 Organisation 100, 101, 124, 771 Organisationspsychologie ! Arbeits- und Organisationspsychologie Outcomeforschung 777 Pädagogische Psychologie 157f, 191, 374, 391 Panelmortalität 292, 297 Paradigma 264, 266, 267, 410 Partizipative Forschung 46, 174, 176, 219, 333ff, 783, 788 performative Ethnografie 87 Performative Forschung 39, 127, 132, 334, 358ff, 389ff, 398 Persönlichkeit 98, 129, 264, 540 Persönlichkeitspsychologie 104, 142, 191, 524, 526, 535, 543, 554, 562 Personzentriertes Interview 426 Perspektive 36, 42f, 46, 68, 70, 74, 89, 124f, 281, 409, 584f, 590, 594ff Phänomenologie 59, 81, 114, 132, 203, 233, 242, 271, 508, 643, 799, 801f Polyvalenz 119, 201, 792 Positionierung 593f, 654 Positivismus 36, 80, 123, 129, 264, 412, 415 postkolonial 210 Postmoderne 61f, 86f, 125, 345 postmoderne Ethnografie 86 Poststrukturalismus 86f, 90, 125, 132, 662 Pragmatismus 51, 81, 89, 107, 198, 266f, 273 Praxis 53, 56, 107, 199, 333, 466 Praxisforschung 171, 177, 334 Praxisrelevanz 158 Prinzip der Offenheit ! Offenheit Problemlöseforschung 482, 486 Problemzentriertes Interview ! Interview Prozessforschung 777 Prozessstruktur 445 Pseudoempirie 172 Psychoanalyse 16, 98, 153, 182, 203, 214, 218, 464, 506, 584f, 591, 683, 799ff Psychodrama 538, 541 Psychotherapie 104, 124, 142, 502, 541, 584f, 591, 595, 655, 683, 696 Psychotherapieforschung 239, 246, 562, 585, 684, 776ff
832 QDA-Software 734, 735, 736 Q-Sort-Prozedur 271, 272, 456, 524, 530 Qualität 313, 338, 395, 702, 747 qualitatives Experiment ! Experiment Qualitative Inhaltsanalyse ! Inhaltsanalyse Queere Perspektiven 210ff Querschnittswissenschaft 806 Radikaler Konstruktivismus 126, 127 Rational choice 765 Rationalität 114, 151, 153, 162, 378, 506, 818 Reaktivität 468, 473, 486, 495, 503 Reanalyse 306 Reflexion ! Reflexivität Reflexivität 38, 41, 44f, 82, 131, 151f, 162, 174, 176, 178, 210, 219, 230, 388, 411, 414, 432, 485, 493f, 500, 513, 541, 595, 785 Regel/n 39, 41, 116, 138, 199, 225, 409, 410, 510, 603 Rehabilitationspsychologie 783ff Reifizierung 628 Reiz-Reaktions-Psychologie 813, 817 Rekonstruktion 111f, 128, 157, 399, 510, 591, 592 Rekonstruktionsadäquanz 154, 399, 512, 520 Reliabilität 42, 74, 351, 396, 397, 398, 480, 520, 603, 604 Religionspsychologie 189, 799ff Repertory Grid 524ff Repräsentation 139, 141, 145, 203, 248, 464 Repräsentativität 239, 240, 241, 242, 300 Researcher bias 383 Responsivität 370 Retrospektion 294, 477, 481, 493, 494ff, 502 Rolle 36, 38, 44, 45, 84, 334, 469 Rollenspiel 538ff Sampling ! Fallauswahl Schneeballverfahren 243 Schreiben 86, 88f, 131, 346, 352, 361f Schreiben, therapeutisches 189, 350 Sekundäranalyse 299, 304ff Selbst 81ff, 112f, 123f, 131, 203, 585 Selbstbeobachtung 111, 178, 477, 493f, 496, 498, 692 Selbstreflexion ! Reflexivität Sensibilisierende Konzepte 370 Sequenzanalyse 648, 649, 650, 736 Sinn 45, 50ff, 54ff, 112, 145, 151ff, 186, 187, 196, 201, 457, 472, 662, 667 Sinngehalt 438, 442 Sozialanthropologie 107, 354, 462ff, 506
Sachregister Soziale Repräsentation 688, 785, 787 Soziale Wirklichkeit 79, 85, 89, 468 Sozialer Konstruktionismus 87, 90, 123ff, 190, 203, 215f, 361, 592 Sozialisation 38, 306, 410f, 417 Sozialpsychologie 79, 82, 98, 104, 116, 142, 156, 167, 190, 216, 296, 465, 543, 546, 548, 553, 685, 761ff Sozialwissenschaft 35, 37f, 39, 41ff, 50, 53ff, 416, 417, 464, 584 Soziologie 79, 116, 126, 138, 279, 569, 571, 579, 776 Sportpsychologie 806ff Sprache 44, 54, 61, 79, 109, 124ff, 139, 184ff, 191, 215 Ideale Sprechsituation 508 Spracherkennung 730 sprachlich-symbolisch 50ff, 54, 55, 56 Standardisierung 397, 401f, 530 Stichprobe 239f, 297 Stichprobenziehung ! Fallauswahl Stigma 784, 786 Strukturalismus 126, 662, 664 Strukturelle Analyse 588 Strukturfunktionalismus 80 Struktur-Lege-Leitfaden 155, 511 Struktur-Lege-Verfahren 156, 159, 398, 427, 510, 515, 531, 770 Subjektive Theorien 152, 372, 396, 399, 509, 510, 514, 787 ! Forschungsprogramm Subjektive Theorien Subjektivierung 113, 472, 665 Subjektivität 42f, 110, 126, 662, 666 Subjektmodell 151, 153, 156, 506 Supervision 410, 413, 417 Symbol 50f 54, 56, 79, 107, 112, 200, 201 Symbolischer Interaktionismus 79ff, 125, 132, 170, 762 Systemisches Interview 426 Tabakabhängigkeit ! Nikotinkonsum Tacit knowledge 470, 527, 685, 688 Tagebücher 470, 753, 787 Forschungstagebuch 232, 414, 607 Täuschung 384, 386 teilnehmende Beobachtung ! Beobachtung teilstandardisiertes Interview ! halbstrukturiertes Interview Telefoninterview ! Tandeminterview Text 51, 53ff, 88, 575, 587, 590ff, 602, 663, 666f, 735 Textanalyse 71ff, 259, 588, 592f, 601ff, 736f
Sachregister Textinterpretation 54, 62, 486, 800 Textsorte 51, 424, 588, 589 Theater 341, 361 Themenzentriertes Interview 426 Theoretisches Sampling 241, 243ff, 578, 616f, 649, 695 Theorieentwicklung/-entdeckung 36ff, 113, 307, 372 Theorien-Prüfung 172 Therapie ! Psychotherapie Tiefenhermeneutik 61, 62, 203, 545 ! Hermeneutik Tiefeninterview ! Interview Transkription 398, 586, 647, 648, 723ff, 740 Transkriptionsregeln 272, 278ff einfache Transkriptionsregeln 729 selektive Transkription 728 Transkriptionssoftware 730, 74 Transkriptionssysteme 727ff Triangulation 42, 198, 264, 265ff, 278, 280, 397, 401, 445, 466, 683, 746 Typenbildung 242, 553ff, 578, 637, 701, 801, 816 Idealtyp 555f, 562, 777f, 800 Umweltpsychologie 562f, 746 Untersuchungseinheit 239f Untersuchungsplan ! Design Urteilen 145 Usability 482f Validierung 264ff, 279, 284, 307, 398, 399 explanative Validierung 154, 156, 157, 158, 520 kommunikative Validierung 42, 154f, 161, 177, 390, 398ff, 507, 509, 520 Validität 74, 84, 131, 225, 351, 396, 397, 399, 400, 415, 480, 520, 546, 668
833 Verallgemeinerung 36ff, 173, 238ff, 247f, 307, 351, 373, 563, 606 Vergangenheit 138, 140f Vergleich 67, 307, 554, 621 Verkehrspsychologie 546, 562, 813ff Verstehen 38, 41f, 50ff, 89, 107, 112, 114f, 154, 155, 471, 692 Versuchsperson 166 Videoanalyse 644 Videomaterial 544f, 604, 730, 724, 736 Visualisierung 718, 744 visuelle Daten 412, 709, 717, 719 Völkerpsychologie 82, 160, 195, 464 Vorstellung 491, 492 Vorurteil 41, 57f, 61, 213, 216, 260 Wahrheit 36, 39, 43, 54, 85, 154 Wahrnehmungspsychologie 94ff, 104, 187 Wert 100, 102, 117, 152, 392, 389, 511 Wirklichkeit 587 Wirtschaftspsychologie ! Arbeits- und Organisationspsychologie Wissen 111, 115, 123, 125, 663, 664 Wissenschaftstheorie 35ff, 704 Würzburger Schule 248ff Zeit 117, 137, 138, 145, 585f, 588f, 593 Zeitaufwand 520 Zeitmarke 730 Ziel 111, 115, 510 Zielbildung 112 Zielgerichtetes Handeln 115 Zirkularität 399 Zone der proximalen Entwicklung 185 Zusammenhangsanalyse 230f, 234
834
Personenregister
Personenregister
Aanstoos, Christopher M. 801, 804 Abbey, Emily 96, 104 Abel, Günter 56, 62 Abma, Tineke A. 373, 375, 379 Abreu, Nico de 317 Ach, Narziss 495, 504, 816 Adamopoulos, John 196, 206 Adams, Tony E. 6, 24, 45, 86, 131, 334, 345, 347, 349, 350, 351, 353, 357, 360, 391, 464, 821 Adler, Patricia 85, 86, 91 Adler, Peter 85, 86, 91 Adorno, Theodor W. 16, 27, 65, 76, 437 Aebli, Hans 486, 487 Afflerbach, Peter 479, 480, 482, 487, 488, 489, 795, 797 Agar, Michael H. 471, 473, 735, 748 Aguinis, Herman 772, 773 Ahmed, Sarah 211, 220 Ahren, Yizhak 696, 705 Ainsworth, Mary D.S. 455, 460 Aitken, Campbell K. 324, 331, 665, 673 Albaugh, Michelle 803, 805 Albrecht, Gary L. 783, 788 Alexa, Melina 735, 748 Alldred, Pam 665, 673 Allesch, Christian G. 704, 705 Allolio-Näcke, Lars 8, 25, 130, 215, 404, 590, 662, 663, 665, 672, 785, 788, 821 Allport, Floyd Henry 762, 766 Allport, Gordon 788, 800, 804 Al-Saggaf, Yeslam 329, 330 Altheide 609 Altheide, David L. 612 Althof, Wolfgang 389, 393 Althoff, Martina 219, 220 Altrichter, Herbert 333, 343 Álvarez, Amelia 189, 193 Amann, Klaus 40, 47 Amman, Klaus 466, 474 Anderson, Leon 352, 354 Anderson, Timothy 724, 733 Angehrn, Emil 138, 148 Angermeyer, Matthias C. 465, 473
Angus, Lynne E. 585, 595, 596, 684, 689, 778, 782 Antaki, Charles 592, 596, 653, 655, 657, 660 Antons, Klaus 542, 549 Apel, Karl-Otto 508, 521 Apitzsch, Ursula 578, 580 Appel, Markus 791, 796 Appelsmeyer, Heide 453, 460 Arber, Sara 311, 316 Arens, Katherine 696, 705 Argyris, Chris 334, 343 Aristoteles 52, 107, 120, 553 Arnheim, Rudolf 359, 364, 719 Arnold, Maik 136, 148 Arnstein, Sherry 337, 343 Aronson-Fontes, Lisa 414, 417, 418 Arthern, Jenny 778, 780 Asbrand, Barbara 443, 446 Asch, Solomon E. 498, 504, 543, 549 Aschenbach, Günter 16, 27, 114, 120 Ash, Mitchell G. 15, 27, 95, 97, 99, 104 Atkinson, John Maxwell 647, 652, 657 Atkinson, Paul 80, 90, 91, 280, 288, 346, 352, 354, 463, 465, 473, 474, 735, 749 Atkinson, Robert 350, 354 Atteslander, Peter 453, 460 Auer, Peter 590, 596, 644, 651, 657, 661, 733 Austin, John L. 364 Ayaß, Ruth 792, 796 Azari, Nina P. 800, 804 Baacke, Dieter 792, 796 Bacher, Johann 564, 566 Bachmann, Götz 141, 792, 793, 796 Bachmann-Medick, Doris 141, 148 Bachtin, Michail M. 127, 133, 590 Backett-Milburn, Kathryn 304, 318 Backlund, Lars 482, 488 Baer, Alejandro 26, 30 Bales, Robert Freed 456, 460 Ballard, James David 411, 416, 417, 418 Ballstaedt, Steffen-Peter 520, 522 Baltes, Paul B. 807, 811 Balzer, Eva 11, 31
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Personenregister Bamberg, Michael 142, 148, 443, 447, 589, 592, 595, 597, 654, 657 Bammé, Arno 227, 236 Bampton, Roberta 323, 330, 430, 433 Banks, Curtis 255, 262 Bannert, Maria 479, 481, 488 Bannister, Don 524, 536 Barker, Roger G. 99, 457, 460 Barnard, Yvonne 477, 490 Barnes, Oliver 786, 788, 789 Baros, Wassilios 764, 766 Barry, Christine A. 736, 748 Barth, Anne-Rose 157, 162 Barthelmess, Wolfgang 814, 819 Barthels, Marc 157, 162 Barthes, Roland 88, 91, 136, 148, 345, 354, 663 Barth-Weingarten, Dagmar 661 Bartlett, Frederic C. 140, 148 Barton, Allen H. 60, 62 Bassok, Miriam 487 Batinic, Bernad 6, 23, 320, 331, 430, 791, 796, 821 Bauer, Martin 418 Baur, Jürgen 809, 811 Beaulieu, Anne 28, 331 Bechky Bechky, Beth A. 772, 773, 774 Beck, Erwin 482, 483, 488 Beck, Isabel 489 Beck, Klaus 313, 319 Becker, Howard S. 86, 88, 91, 240, 249, 369, 379, 463, 473 Becker, Tabea 589, 596, 599 Beckmann, Jürgen 111, 121, 809 Beckurts, K. Tobias 563, 567 Beelmann, Gert 562, 563, 566 Beerlage, Irmtraud 334, 343 Behnke, Cornelia 443, 446 Behrens, Ulrike 177, 179 Belke, Benno 712, 721 Belkin, Aaron 261, 262 Bell, Michael M. 590, 597 Bell, Richard 536, 524, 533, 536 Bellah, Robert N. 371, 379 Belsey, Catherine 132, 133 Belzen, Jacob A. 802, 803, 804 Bem, Sandra 214, 220 Bengel, Jürgen 304, 316, 784, 789 Benjamin, Jessica 221 Bennett, Haydn 770, 773 Bensman, Joseph 350, 357 Benwell, Bethan 653, 657
835 Berelson, Bernhard 601, 612, 735, 749 Bereswill, Mechthild 219, 220 Berg, Bruce L. 609, 612 Berg, Eberhard 45, 47, 464, 473 Berger, Peter L. 125, 133, 525, 536 Bergland, Martha M. 247, 249 Bergman, Manfred Max 316263, 267, 269, 274, 304, 311, Bergmann, Jörg R. 242, 249, 273, 644, 645, 646, 647, 657, 658, 661, 728, 769, 773, 792, 798 Bergold, Jarg 18, 24, 27, 37, 46, 49, 98, 333, 334, 338, 339, 343, 359, 374, 377, 391, 409, 419, 704, 705, 821 Berne, Eric 359, 364 Bernfeld, Siegfried 753, 758 Berry, John 189, 193, 208 Berry, Keith 346, 349, 354 Bersoff, Donald N. 203, 207 Betz, Nancy 218, 221 Beywl, Wolfgang 369, 379, 381 Biberman, Gerald 719, 721 Bibouche, Seddik 177, 179 Biggs, Stanley F. 486, 488 Billig, Michael 166, 179, 327, 330 Billmann-Mahecha, Elfriede 8, 15, 16, 26, 27, 28, 443, 446, 707, 711, 715, 719, 821 Bird, Cindy M. 356, 726, 727, 731 Birkhan, Georg 520, 521 Birkner, Karin 652, 658 Bishop, Libby 304, 309, 310, 315, 316 Blank, Grant 320, 331 Blehar, Mary C. 455, 460 Block, Martina 335, 344 Blothner, Dirk 694, 698, 703, 704, 705 Bluck, Susan 146, 148 Blumer, Herbert 66, 76, 80, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 90, 91, 370, 379, 465, 473, 618, 762, 766 Blumler, Jay 794, 796 Boal, Augusto 359, 364, 542, 549 Bobbert, Monika 385, 393 Bochner, Arthur P. 24, 45, 86, 131, 133, 334, 345, 346, 347, 349, 350, 351, 352, 353, 354, 355, 360, 364, 365, 391, 464, 821 Bock, Karin 11, 28 Boehnke, Klaus 241, 249 Boellstorff, Tom 793, 796 Boesch, Ernst E. 18, 28, 99, 105, 108, 109, 111, 119, 120, 136, 148, 196, 198, 199, 201, 202, 206, 693 Bogard, Kimber 409, 418 Bohan, Janis 359, 366
836 Böhm, Andreas 625 Böhme, Jeanette 465, 474 Bohmer, Richard M. 770, 773 Bohnsack, Ralf 401, 402, 406, 438, 439, 440, 441, 442, 443, 445, 446, 627, 628, 629, 630, 632, 633, 634, 635, 636, 637, 638, 639, 640, 641, 709, 718, 719 Boivine, Micheline 613 Bolten, Jürgen 59, 62 Boman, Jeanette 369, 379 Bond, Zinny S. 726, 731 Bonner, Ann 618, 626 Boog, Benn W. 336, 343 Boothe, Brigitte 144, 148, 591, 597 Borchard, Kurt 346, 354 Borchert, Johann 784, 789 Boria, Eric 326, 332 Boring, Edwin 97, 99, 105, 504 Born, Aristi 428, 435, 755, 760 Bortz, Jürgen 18, 28, 231, 236, 284, 288, 327, 330, 369, 379, 382, 393, 397, 406, 408, 418, 603, 612, 739, 749 Böttcher, Robert 809, 811 Böttger, Andreas 295, 302, 677, 689 Boudens, Connie J. 772, 773 Boudewijnse, Geert J. 95, 105 Boueke, Dietrich 146, 148 Bourdieu, Perre 169, 179, 629, 640, 686 Bovill, Moira 793, 796 Bowers, Barbara J. 794, 796 Boyd, Richard 684, 689 Boylorn, Robin M. 347, 354 Bradbury, Hilary 333, 334, 343, 344, 359, 365, 373, 380 Brady, Henry E. 227, 236 Brähler, Elmar 787, 790 Brand, Ralf 809, 811 Brandtstädter, Jochen 173, 179 Breidenbach, Paul 326, 332 Bremer, Helmut 443, 446 Brem-Gräser, Luitgart 708, 720 Brentano, Franz 66, 76, 491, 493, 504 Brettschneider, Wolf-Dietrich 809, 812 Breuer, Franz 11, 12, 13, 18, 23, 24, 28, 31, 35, 36, 37, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 47, 48, 49, 59, 62, 244, 249, 264, 274, 388, 394, 408, 409, 410, 418, 419, 427, 433, 476, 481, 488, 615, 616, 625, 629, 640, 704, 705, 710, 720, 723, 728, 731, 821 Brezing, Hermann 378, 379 Briest, Susanne 816, 820 Brinker-Gabler, Gisela 211, 221
Personenregister Brockmeier, Jens 146, 148, 203, 206, 586, 596, 597, 598, 666, 672 Bromley, David G. 146, 248, 249 Bronfenbrenner, Urie 99, 255, 256, 261, 758 Bronner, Augusta F. 250 Brooks, Kevin 486, 489 Brown, David 749 Brown, John S. 410, 418, 483, 488 Brown, Steven D. 736, 765 Brown, Steven R. 272, 274 Bruner, Jerome S. 18, 28, 108, 109, 111, 112, 119, 120, 127, 133, 139, 148, 161, 162, 191, 193, 196, 197, 206, 281, 288, 346, 354, 584, 597, 668, 672, 686, 693 Brunner Brunner, Eva 193, 603, 605, 608, 612, 613, 795 Brünner, Gisela 596, 597, 724, 731 Bryant, Fred B. 304, 316, 615, 617, 618, 619, 625 Bryman, Alan 264, 268, 269, 274, 284, 285, 288 Buber, Renate 11, 28, 476, 485, 488 Bublitz, Hannelore 666, 668, 672 Buchholz, Michael B. 25, 28, 283, 288, 677, 681, 683, 689, 776, 777, 780 Buchtel, Emma E. 203, 207 Bücker, Jörg 595, 598 Bude, Heinz 138, 148, 424, 433 Buechel, Carmen 215, 221 Bühler, Charlotte 65, 255, 261, 423, 433, 436, 753, 754, 758 Bühler, Karl 14, 15, 25, 28, 65, 254, 260, 261, 436, 491, 492, 493, 504, 521, 676, 688, 689, 708, 720 Bühler-Niederberger, Doris 190, 193 Bührmann, Andrea D. 25, 28, 668, 672 Buhse, Heike 317 Bungard, Walter 167, 179, 670, 672 Burawoy, Michael 471, 473 Burger, Jerry M. 451, 460 Bürger, Peter 190, 336, 377, 494, 504, 576 Burgess, Robert G. 463, 469, 473, 474 Burkart, Thomas 23, 66, 69, 76, 235, 252, 255, 258, 260, 261, 494, 500, 501, 502, 503, 504, 505, 754, 800, 821 Burke, Lisa A. 430, 433 Burke, Peter 200, 206 Burman, Erica 216, 218, 221, 665, 671, 672, 673, 674 Burmeister, Hans Jörg 543, 550 Burr, Vibien 123, 132, 133 Burrmann, Ulrike 809, 811 Burstein, Leigh 314, 316
Personenregister Büscher, Hartmut 146, 148 Busch-Rossnagel, Nacy A. 755, 759 Butler, Judith 214, 221, 359, 364, 663, 673 Buzard, James 346, 352, 354 Bzdel, Lana 312, 319 Calvert, Sandra L. 326, 331 Camic, Paul M. 20, 28, 37, 48, 409, 418 Campbell, Donald T. 264, 267, 274, 279, 288, 289, 411 Cantril, Hadley 793, 796 Caplan, Bruce 784, 788, 789 Capps, Lisa 586, 590, 596, 599 Caracelli, Valerie J. 267, 274 Carbaugh, Donald 146, 148, 586, 597 Carey, James 87, 91 Carlson, Marvin 358, 359, 364 Carveth, Donald L. 683, 689 Casey, Mary Anne 436, 446, 447 Caspari, Alexandra 335, 337, 342, 343 Cassell, Carolin 404, 406, 769, 771, 773 Caulley, Darrel N. 347, 354 Chakkarath, Pradeep 23, 99, 108, 189, 195, 198, 201, 203, 204, 205, 206, 756, 821 Chamberlain, Kerry 369, 379 Chambers, Robert 341, 343 Chaney, Michael P. 329, 330 Chang, Heenwon 45, 48 Chapin, Stuart F. 252, 261 Chappell, Darren 326, 330 Charlton, Michael 791, 795, 796 Charmaz, Kathy 349, 354, 470, 474, 615, 616, 618, 623, 625, 786 Charon, Rita 595, 597 Chelimski, Eleanor 379 Chen, Huey-Tsyh 371, 379 Cherry, Roger D. 482, 490 Chi, Micheline T.H. 272, 487 Chiari, Isabella 725, 726, 732 Chiou, Wen-Bin 794, 798 Chmiel, Nik 772, 773 Chodorow, Nancy 214, 221 Christmann, Ursula 510, 522, 795 Cialdini, Robert B. 764, 766 Cicourel, Aaron V. 462, 465, 474 Clandinin, D. Jean 584, 597 Clarke, David 264, 274, 277 Clarke, Victoria 217, 218, 221 Clases, Christoph 771, 773 Clayman, Steven 652, 658, 659 Clegg, Joshua W. 256, 261 Clifford, James 86, 91, 474, 462, 464
837 Close, Paul 771, 773 Clough, Patricia T. 88, 91 Coffey, Amanda 463, 473, 735, 736, 749 Cohen, Allan D. 480, 488 Cohn 442, 446 Cole, Michael 183, 193, 196, 202, 208 Collier, David 227, 236 Collins, Allan 410, 418, 483, 488 Combs, Gene 147, 148 Conquergood, Dwight 345, 354, 358, 364 Conrad, Marc 698, 705 Conzelmann, Achim 810, 811 Cook-Gumperz, Jenny 632, 640 Cooley, Charles H. 81, 91 Copp, Martha 409, 419 Corbin, Juliet 372, 379, 564, 615, 617, 618, 619, 621, 622, 623, 624, 625, 626, 737, 744, 749, 787, 789 Cornwall, Andrea 336, 344 Corsten, Fritz 725, 732 Corti, Louise 304, 309, 315, 316 Coté, Nathalie 795, 796 Couch, Carl 84, 91 Couper-Kuhlen, Elizabeth 644, 650, 658, 661 Couser, G. Thomas 347, 354 Cowton 323, 330, 430 Cowton, Christopher J. 433 Cox, Maureen 707, 708, 712, 713, 719, 720 Coxon, Anthony P.M. 311, 316 Craig, Elisabeth 770, 773 Cramer, Duncan 18, 29, 723, 732 Cranach, Mario von 108, 120 Crang, Mike 736, 749 Crawford, Mary 212, 216, 219, 220, 221, 222 Crawley, Sara L. 350, 354 Cressfield, John 271, 276 Creswell, John 268, 269, 270, 274, 275, 276, 285, 288, 735, 743, 749 Cromby, John 123, 124, 133, 134, 135 Cronbach, Lee J. 248, 249 Crossley, Michele L. 595, 597 Crotti, Evi 712, 720 Cuhls, Kerstin 730, 732 Czarniawska, Barbara 584 597 D’Andrade, Roy Goodwin 464, 474 Dale, Angela 222, 311, 316 Dann, Hanns-Dietrich 162, 521 Danto, Athur C. 118, 120, 138, 148 Danziger, Kurt 687, 689 Darbyshire, Philip 719, 720 Dare-Winters, Kate 392, 394
838 David, Daniel 249 Davies, Bronwyn 130, 134, 654, 658, 669, 673 Davies, Mark 326, 330 Davis, Amira M. 346, 354 Davydov, Vladimir V. 183, 193 Day, James M. 803, 804 de Argaez, Enrique 326, 331 De Beauvoir, Simone 211, 221 de Certeau, Michel 345, 354 De Fina, Anna 597 De Groot, Adriaan 486, 488 de Rond, Mark 359, 364 Deane, Kathleen E. 456, 461 Dechmann, Manfred D. 456, 460 Dederich, Markus 783, 789 del Río, Pablo 189, 193 Delamont, Sara 346, 352, 354, 463, 473 Delany, Samuel R. 346, 355 Deleuze, Gilles 666, 673 DeMarinis, Valerie 804 Demuth, Carolin 756, 758 Denzin, Norman K. 20, 28, 79, 80, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 131, 132, 134, 226, 236, 264, 267, 274, 279, 280, 281, 285, 288, 334, 343, 346, 347, 348, 350, 351, 355, 360, 391, 393, 463, 464, 474, 580 Deppermann, Arnulf 25, 143, 149, 242, 545, 549, 585, 586, 587, 588, 589, 590, 592, 593, 595, 596, 597, 598, 599, 643, 644, 646, 647, 648, 649, 650, 653, 654, 657, 658, 659, 660, 665, 671, 728, 732, 756, 757, 787, 821 Derrida, Jacques 61, 87, 126, 134, 345, 355, 662 Deterding, Sebastian 500, 504 Dettmer, Susanne 562, 566 Deubel, Katja 771, 773, 815, 820 Deutsch, Werner 756, 758 Devereux, George 43, 44, 47, 48, 429, 433, 452, 460, 464, 468, 474, 693, 703, 705 Devich-Navarro, Monica 276 Dew, Brian J. 329, 330 Dewey, John 81, 82, 85, 87, 92, 107 Dexter, Lewis Anthony 427, 433 Diaz-Bone, Rainer 28, 664, 673 Dick, Michael 26, 429, 433, 768, 770, 771, 773, 775, 815, 819, 820, 821 Dickens, David 86, 87, 92 Dickson, William J. 263, 276, 465, 475 Didion, Joan 347, 355 Dieckmann, Andreas 239, 249 Diederich, Adele 251 Diedrich, Markus 157, 163 Diegritz, Theodor 157, 158, 162
Personenregister Diekmann, Andreas 739, 749 DiLeo, Joseph H. 710, 720 Diller, Hans 382, 393 Dillon, Lucy 373, 381 Dillon, Michelle 803, 804 Dilthey, Wilhelm 51, 55, 56, 57, 60, 63, 94, 96, 253, 553, 692, 705 Diriwächter, Rainer 14, 28, 96, 104, 105, 256, 260, 261, 262 Dittmar, Norbert 723, 724, 727, 731, 732 Ditz, Susanne 652, 660 Dixit, Jay 327, 331 Dobrin, David 480, 488 Doherty, Kathy 778, 781 Doherty, Martin J. 160, 162 Doi, Takeo 205, 207 Dollard, John 239, 763, 766 Domínguez, Daniel 23, 28, 321, 331 Domke, Andrea 698, 705 Döring, Nicola 18, 28, 231, 236, 284, 288, 327, 330, 369, 379, 382, 393, 397, 406, 408, 418, 603, 612 Dörner, Dietrich 477, 488 Dornes, Martin 455, 460 Douglas, Alecia C. 794, 796 Douglass, Mark 328, 332 Dowswell, George 370, 379 Draaisma, Douwe 686, 689 Dreier, Ole 213, 221 Dreitzel, Hans Peter 540, 549 Dresing, Thorsten 26, 320, 369, 380, 387, 398, 586, 634, 648, 723, 726, 730, 732, 735, 738, 740, 748, 749, 750, 822 Drew, Paul 643, 652, 653, 655, 657, 658 Droogsma, Rachel A. 346, 355 Ducheneaut, Nicolas 798 Dültgen, Katrin 810, 812 Duncker, Karl 254, 262, 494, 505 Duncombe, Jean 387, 393 Dunn, Judy 294, 301 Dunwoody, Sharon 482, 488 Dunworth, Fraser 756, 760 Duranti, Alessandro 309, 317 Durkin, Mark 770, 773 Duveen, Gerard 754, 758 Dykins Callahan, Sara B. 346, 355 Dzeyk, Waldemar 520, 521 Eagly, Alice 214, 222 Easterby-Smith, Mark 773 Eatough, Virginia E. 326, 330
Personenregister Ebbinghaus, Herrmann 13, 14, 28, 239, 242, 249, 253 Ebeling, Smilla 220, 221 Eberle, Thomas S. 304, 316 Ecarius, Jutta 280, 288, 554, 565, 566 Echterhoff, Gerald 19, 30, 139, 142, 143, 144, 148, 408, 419, 584, 597, 816, 817, 819 Eckensberger, Lutz 179, 202, 203, 207, 755, 758 Eckert, Christa 513, 521 Eco, Umberto 62, 710, 720 Edmondson, Amy C. 770, 773 Edwards, Derek 658, 644, 653, 655, 658, 660, 665, 673 Edwards, Rosalind 309, 319, 316 Egbert, Maria 652, 658 Egle, Gert 729, 732 Ehlers, Konrad 59, 63 Ehlich, Konrad 665, 673 Ehrenfels, Christian v. 95, 96, 105 Ehrlich, Klaus 724, 732 Ehrlich, Konrad 728, 732 Eibl-Eibesfeldt, Irenäus 460 Eichinger, Ulrike 178, 179 Eisenhower, Donna 294, 300 Eissler, Kurt R. 15, 28 Elam, Gillian 238, 250 Elder, Glen H. jr. 291, 300, 307, 316 Elford, Jonathan 329, 330, 331 Elias, Norbert 570, 580 Ellingson, Laura 347,355 Elliott, Jane 292, 300 Ellis, Carolyn 24, 45, 48, 86, 131, 133, 334, 345, 346, 347, 348, 349, 350, 351, 352, 353, 354, 355, 360, 364, 365, 391, 411, 415, 418, 464, 822 Elsbach, Kimberly D. 764, 766, 772, 773, 774 Emerson, Robert M. 470, 473, 474 Endres, Norbert 703, 704, 705 Enfield, Nick 653, 658 Engbert, Kai 809, 811 Engeln, Arnd 815, 819 Engeström, Yrjö 183, 192, 193, 770, 774 Enriquez, Virgilio 205, 207 Epskamp, Heinrich 292, 301 Erb, Egon 110, 120, 160, 162 Erdheim, Mario 203, 464, 474 Erdogan, Gülten 323, 331 Ericsson, K. Anders 476, 477, 478, 479, 480, 486, 487, 488, 520, 521, 609, 612 Erikson, Erik H. 306, 316, 754, 755
839 Erzberger, Christian 265, 274, 275, 280, 284, 289 Espinoza, Guadelupe 321, 332 Estalella, Adolfo 28, 331 Evans, Alison 329, 330, 331 Eveland, William P. 482, 488 Ewers, Eyko 563, 566, 770, 774 Fabian, Carlo 381 Fagerhaugh, Shizuko 769, 775 Fahrenberg, Jochen 14, 18, 28, 29, 37, 48, 60, 63, 412, 418 Faller, Hermann 18, 29, 776, 777, 778, 780 Fals Borda, Orlando 334, 343 Farberman, Harvey A. 93 Faßnacht, Gerhard 453, 457, 458, 460 Fehre, Eva-Maria 334, 343 Felt, Ulrike 36, 48 Ferster, Charles B. 451, 460 Festinger, Leon 763, 766, 800, 804 Fetterman, David M. 335, 343, 368, 378, 379 Fielding, Jane L. 274, 280, 288 Fielding, Nigel G. 20, 29, 265, 267, 274, 276, 280, 288, 308, 314, 316, 320, 331, 734, 736, 749, 750 Fietkau, Hans-Joachim 543, 549 Filer, Ann 294, 302 Filipp, Sigrun-Heide 785, 789 Fine, Gary A. 352, 355, 764, 766 Finlay, Linda 44, 48 Fischer, Andreas W. 562, 567 Fischer, Claudia 282, 288, 770, 774 Fischer, Martin 299, 300, 306, 316, 770, 774 Fischer, Wolfram 577, 580 Fischer-Rosenthal, Wolfram 569, 572, 573, 574, 580, 583, 591, 597 Fisher, Constance T. 20, 29, 732, 355, 723, 762 Fiske, Donald W. 264, 267, 274, 279, 288 Fiske, Marion 65, 77 Fiske, Marjorie 293, 301, 436, 447 Fisseni, Herrmann-Josef 246, 249 Fitzek, Herbert 23, 25, 94, 96, 99, 100, 104, 105, 255, 692, 693, 694, 695, 696, 697, 698, 700, 702, 703, 704, 705, 706, 822 Fitzgerald, Louise 218, 221, 363 Fitzpatrick, Marilyn R. 778, 780 Fivush, Robyn 587, 599 Flick, Uwe 11, 18, 24, 27, 29, 37, 42, 48, 126, 134, 154, 157, 162, 163, 225, 227, 228, 230, 235, 236, 238, 243, 248, 249, 259, 265, 267, 274, 278, 280, 281, 282, 283, 286, 287, 288, 294, 300, 305, 316, 341, 369, 373, 374, 378,
840 379, 383, 385, 388, 393, 395, 397, 400, 401, 404, 405, 406, 411, 418, 426, 433, 538, 550, 623, 625, 683, 746, 747, 749, 770, 772, 774, 788, 789, 822 Fludernik, Monika 588, 597 Folkman, Susan 787, 789 Fonagy, Peter 373, 379 Fontana, Andrea 85, 86, 87, 91, 92, 423, 433 Ford, Cecilia E. 644, 658 Foster, Elissa 346, 355 Foster, John M. 292, 301 Foucault, Michel 126, 130, 134, 662, 663, 664, 666, 667, 668, 672, 673, 788 Frank, Arthur W. 347, 350, 355, 787, 789 Frank, Robert G. 784, 788, 789 Franke, Alexa 218, 221, 785, 789 Franke, Reinhard 809, 811 Franklin, Raymond A. 327, 331 Fransella, Fay 524, 532, 536 Franzen, Georg 708, 720 Franzen, Ulf 486, 488 Franzpötter, Reiner 816, 820 Freedman, Jill 147, 148 Freeman, Mark 346, 355, 592, 597 Frenkel, Steve 65, 76, 770, 774 Frenkel-Brunswik, Elke 65, 76 Fretz, Rachel I. 470, 474 Freud, Sigmund 15, 16, 113, 214, 239, 242, 247, 249, 569, 692, 693, 699, 706, 709, 720, 789, 825 Freund, Philipp Alexander 82, 178, 317, 350, 697, 729, 771, 774 Frey, James H. 423, 433 Friebel, Harry 292, 301 Friebertshäuser, Barbara 11, 29 Fried, Barbara 176, 179 Friedan, Betty 350, 355 Friese, Susanne 735, 749 Fritzsche, Bettina 441, 443, 446 Fromm, Erich 762, 766 Fromm, Martin 25, 524, 525, 528, 529, 530, 531, 536, 770, 815, 822 Frommer, Jörg 18, 26, 29, 239, 246, 249, 776, 778, 779, 780, 822 Froschauer, Ulrike 374, 379 Früh, Werner 481, 489 Fuchs, Martin 45, 47, 464, 473 Fuchs-Heinritz, Werner 569, 571, 580 Funke, Joachim 482, 483, 485, 486, 489 Fürstenau 519, 521 Gabler, Hartmut 810, 811
Personenregister Gadamer, Hans-Georg 51, 53, 56, 57, 58, 61, 62, 63 Gahleitner, Silke 388, 391, 393 Galanter, Eugene 525, 536 Galbraith, Peter 484, 485, 489 Galperin, Pjotr J. 193 Gans, Herbert J. 352, 355 Ganzevoort, Ruard R. 803, 804 Gardiner, Michael 590, 597 Garfinkel, Harold 125, 134, 255, 262, 309, 316, 643, 647, 658, 659, 762, 766 Garz, Detlef 755, 758 Gaudet, Hazel 793, 796 Gauert, Stefanie 482, 490 Gauld, Alan 108, 120 Gaventa, John 336, 344 Geels, Antoon 802, 804 Geer, Blanche 463, 473 Geertz, Clifford 24, 29, 45, 47, 48, 103, 105, 248, 249, 346, 348, 356, 462, 464, 471, 474, 693, 706 Geffers, Johannes 173, 179, 770, 774 Geise, Wolfgang 158, 163 Genette, Gérard 588, 597 Georgakopoulou, Alexandra 590, 592, 597, 654, 657, 659 George, Carol 433 Gephart, Robert 772, 774 Gerber, Gerold 114, 121 Gerber, Sue 326, 331 Gerbner, George 601, 612 Gerdes, KLaus 456, 460 Gergen, Kenneth 36, 37, 43, 48, 123, 124, 125, 127, 128, 130, 131, 132, 133, 134, 193, 190, 198, 204, 207, 215, 216, 219, 220, 221, 334, 336, 341, 344, 364, 365, 590, 597, 763, 766 Gergen, Mary 21, 24, 29, 30, 92, 123, 124, 125, 127, 128, 130, 131, 132, 133, 134, 215, 216, 219, 220, 221, 226, 334, 336, 341, 344, 358, 364, 365, 822 Gerhardt, Uta 242, 555, 562, 563, 566 Gerth, Hans 539, 550 Geulen, Dieter 807, 811 Geuter, Ulfried 15, 27 Gibbs, Raymond W. jr. 676, 680, 681, 684, 685, 688, 689, 690, 735, 749 Giddens, Anthony 112, 120 Gillies, Val 309, 316 Gilligan, Carol 213, 221, 389, 393, 427, 433, 434 Gingrich-Philbrook, Craig 353, 356 Girgensohn, Karl 800, 804
Personenregister Girtler, Roland 232, 236, 425, 433, 456, 460, 463, 469, 473, 474 Gläser, Jochen 427, 430, 433, 610, 612 Glaser, Barney 20, 29, 66, 77, 244, 249, 304, 316, 372, 379, 397, 406, 487, 578, 580, 614, 615, 616, 617, 618, 619, 620, 621, 623, 624, 625, 626, 649, 659, 682, 690, 736, 749, 764, 766 Glaser, Jack 327, 328, 331 Glasersfeld, Ernst von 126, 134 Gläser-Zikuda, Michaela 604, 609, 612, 613 Glave, Thomas 348, 356 Glesne, Corinne 409, 411, 414, 417, 418 Glick, Peter 216, 222 Gloger-Tippelt, Gabriele 755, 759 Gloor, Peter A. 747, 749 Gnambs, Timo 320 Gobo, Giampietro 238, 240, 249, 250, 465, 467, 474 Godfrey, Barry S. 312, 318 Goethe, Johann Wolfgang von 94, 96, 692, 695, 697, 699, 703, 706 Goffman, Erving 88, 92, 358, 365, 372, 379, 465, 474, 540, 550, 594, 595, 597, 598, 643, 644, 659, 693, 761, 766, 786, 789 Gold, Raymond L. 468, 474 Golden-Biddle, Karen 312, 319, 773 Goldman, Susan 795, 796 Golomb, Claire 712, 720 Gombrich, Ernst 710, 720 Goodall, Bud H.L. 346, 347, 348, 350, 356 Goodall, Jane 356, 460 Goodwin, Charles 309, 317, 474 Goos, Merrilyn 484, 485, 489 Gorecny, Anthony 784, 789 Gostomski von, Christian Babka 301 Götz, Katja 788, 789 Götze, Herbert 235, 236 Gough, Brendan 44, 48, 264, 273, 275 Grafanaki, Soti 778, 780 Graumann, Carl F. 16, 29, 203, 449, 460, 508, 522, 594, 598 Grawe, Klaus 246, 250, 777 Green, Donald P. 327, 331 Green, Melanie C. 142, 148 Greenberg, David F. 293, 301 Greene, Jennifer C. 263, 264, 266, 267, 268, 269, 271, 274, 285, 288 Greenfield, Patricia M. 198, 201, 202, 207 Greve, Werner 110, 120, 458, 459, 460 Griffiths, Mark D. 326, 330 Grimmer, Bernhard 776, 781
841 Groeben, Norbert 12, 17, 18, 22, 23, 25, 29, 40, 42, 45, 48, 60, 63, 104, 105, 110, 116, 120, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 160, 161, 162, 163, 219, 264, 271, 274, 382, 393, 396, 398, 399, 400, 406, 407, 426, 434, 506, 507, 509, 510, 511, 512, 514, 520, 521, 522, 531, 537, 610, 612, 770, 785, 787, 792, 796, 808, 822 Groeger, John A. 814, 819, 820 Groenke, Susan L. 386, 394 Grondin, Jean 51, 52, 53, 56, 57, 58, 60, 61, 63 Groß, Matthias 252, 262 Grotjahn, Rüdiger 158, 163 Grunenberg, Heiko 735, 748, 749 Grünewald, Stefan 694, 695, 696, 700, 706 Grütz, Doris 486, 489 Gstettner, Peter 333, 343 Guajardo, Miguel A. 360, 366 Guba, Egon G. 248, 249, 250, 266, 275, 284, 285, 289, 339, 344, 367, 374, 379, 398, 400, 401, 406 Gubrium, Jaber F. 87, 92, 123, 134, 291, 301, 310, 317, 409, 418, 423, 433, 434, 587, 592, 598 Gudehus, Christian 761 Guldimann, Titus 483, 488 Gulerce, Aydan 198, 207 Gülich, Elisabeth 588, 590, 596, 597, 598 Gumperz, John J. 632, 640, 644, 659 Günthner, Susanne 594, 595, 598, 635, 640, 644, 659 Gurwitsch, Aron 439, 446 Haag, Herbert 806, 811 Haan de, Gerhard 554, 565, 566 Haarmann, Harald 707, 720 Habermas, Jürgen 27, 54, 61, 63, 108, 114, 120, 128, 134, 398, 406, 507, 521, 522 Habermas, Tilmann 146, 148, 183, 193 Hacker, Winfried 192, 193, 770, 774 Hacking, Ian 140, 148 Haejin, Yun 794, 796 Hagemann, Otmar 67, 77 Hager, Willi 252, 262, 378, 379 Hagger-Johnson, Gareth 30 Haidt, Jonathan 203, 208 Haisch, Jochen 785, 790 Halbwachs, Maurice 295, 301 Hall, Stuart 87, 92 Hallebone, Erica L. 294, 301 Hallier, Ulrich 707, 720 Hamera, Judith 358, 364, 365
842 Hamilton, Rebekah J. 794, 796 Hammersley, Martin 266, 267, 275, 280, 288, 304, 306, 317, 410, 418, 465, 474, 619, 626 Handel, Gerald 65, 77 Haney, Craig 255, 262 Hannerz, Ulf 463, 474 Hansen, Hilke 608, 612 Hanson, William E. 264, 275 Haraway, Donna 215, 221 Harding, Sandra 334, 344 Hark, Sabine 219, 221 Harkness, Sara 204, 209 Harlos, Karen P. 411, 415, 418 Harré, Rom 20, 32, 108, 120, 130, 134, 595, 598, 654, 658, 666, 669, 672, 673, 763, 766 Harrington, Anne 96, 97, 99, 105 Hartlaub, Gustav Friedrich 708, 720 Hartmann, Josef 294, 301 Hartmuth, Gerhard 563, 567 Harvey, O. J. 269, 276, 763, 767 Harwood, Robin L. 203, 207 Haubrich, Karin 335, 344 Haug, Frigga 211, 213, 214, 221 Hausendorf, Heiko 588, 598, 665, 673 Hauser, Kornelia 211, 221 Haußer, Karl 303, 613, 767 Haustein, Sonja 563, 566 Hawpe, Linda 282, 289 Hayes, Nicky 685, 691 Hayes, Susanna 111, 121, 778, 780 Healey, William 239, 250 Hearn, Jeff 370, 379 Heath, Christian 644, 659 Heaton, Janet 304, 305, 307, 311, 315, 317 Hebenstreit, Benedikt von 815, 820 Heckhausen, Heinz 111, 120 Heckhausen, Jutta 111, 120 Hegarty, Peter 215, 221 Heidbrink, Horst 59, 63 Heidegger, Martin 51, 56, 57, 63 Heiman, Rachel 201, 207 Hein, Serge F. 409, 414, 418 Heine, Lena 476, 477, 482, 489 Heine, Steven J. 203, 207 Heine, Viktoria 777, 781 Heiner, Maya 17, 334, 344, 391, 393, 615, 764 Heinz, Walter R. 301, 774 Heiss, Christian 809, 811 Heitmeyer, Wilhelm 306, 317 Heitzmann, Berit 785, 789 Held, Josef 177, 179, 390, 393 Helfferich, Cornelia 430, 433, 434
Personenregister Helle, Horst Jürgen 81,92 Helsper, Werner 465, 474 Hempel, Carl Gustav 553, 555, 557, 566 Henderson, Karla A. 290, 301, 409, 419 Henley, Tracy 802, 805 Henretty, Jennifer R. 778, 781 Henriques, Julian 665, 673 Henwood, Karen L. 616, 626 Hepburn, Alexa 665, 673 Herdt, Gilbert 206 Heritage, John 643, 645, 647, 651, 652, 653, 655, 657, 658, 659 Hermann, Anja 253, 339, 343, 546, 547 Hermans, Hubert J.M. 191, 193, 590, 598 Hermans-Jansen, Els 191, 193 Herodot 195, 207 Herring, Susan C. 324, 331 Herrmann, Angela 550 Herrmann, Theo 17, 29, 115, 120, 676, 690 Hertlein, Katherine 443, 448 Herzberg, Philipp York 818, 820 Herzka Bollinger, Ruth 711, 720 Herzog, Herta 65, 77, 794, 796 Herzog, Max 508, 522 Herzog, Silvio 608, 612 Hess, Robert D. 65, 77 Heuft, Gereon 777, 782 Hickethier, Knut 794, 796 Hildebrandt, Nikolaus 815, 820 Hildenbrand, Bruno 241, 250, 573, 577, 581, 626, 617, 787, 788, 789, 790 Hilgers, Micha 818, 820 Hill, Peter C. 270, 277, 778, 780, 799, 804 Hilliard, Russel B. 242, 244, 248, 250 Hinchcliffe, Steve 736, 749 Hinds, Pamela 304, 311, 317 Hine, Christine 329, 330, 331, 793, 796 Hinkle, Dennis N. 525, 532, 536 Hinz, Andreas 783, 789 Hirschauer, Stefan 36, 40, 47, 48, 369, 378, 380, 466, 474 Hitz, Arnold 608, 612 Hitzler, Ronald 12, 13, 22, 29, 37, 48, 305, 317, 409, 418, 463, 474 Hjorth, Daniel 772, 774 Hofacker, Thomas 481, 489 Hoff, Ernst-H. 429, 434, 562, 563, 566, 770, 774 Hoffmann, Karen 809, 812 Hoffmann-Riem, Christa 61, 63, 225, 236, 252, 262, 310, 317, 615 Hofmann, Stefan G. 247, 250
Personenregister Hofstätter, Peter R. 15, 29 Hogg, Margaret K. 411, 418 Holbrook, Beverley 735, 749 Holderegger, Hans 711, 720 Holland, Janet 290, 300, 301, 522 Holling, Heinz 771, 774 Hollway, Wendy 665, 673 Holman Jones, Stacy 345, 353, 356 Holstein, James A. 86, 92, 123, 134, 291, 301, 310, 317, 409, 418, 423, 433, 434, 587, 592, 598 Holsti, Ole R. 601, 612 Holte, Hardy 813, 817, 820 Holtz, Peter 320, 327, 328, 331 Holzkamp, Klaus 16, 18, 29, 45, 48, 108, 115, 120, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 179, 180, 190, 193, 570, 581 Holzman, Lois 358, 360, 365 Holzmüller, Hartmut H. 11, 28, 488 Honer, Anne 37, 48, 409, 418, 464, 474 Hood, Ralph W. 269, 276, 763, 767, 799, 801, 803, 804, 805 Hooks, Bell 348, 356 Hookway, Nicholas 327, 331 Hopf 16, 29, 311, 317, 387, 392, 393, 430, 434, 739, 741, 743, 749 Hopkinson, Gillian C. 411, 418 Hoppe-Graff, Siegfried 292, 753, 756, 758, 759 Hörmann, Hans 690 Hornstein, Walter 627, 640 Horster, Detlef 443, 446 Housley, William 80, 90, 91 Houston, Muir 430, 434 Houtkoop-Steenstra, Haneke 314, 319 Howe, David 777, 781 Howitt, Dennis 18, 29, 723, 732 Høybye, Mette T. 326, 331 Huber, Anne 271, 275 Huber, Günter L. 235, 236, 276, 480, 489, 508, 522 Huberman, Michael 401, 406, 744, 750 Huck, Lorenz 176, 177, 180 Hucks-Gil Lopez, Elke 780 Huffaker, David A. 326, 331 Hughes, Claire 294, 301 Hughes, Everett C. 463, 473 Humpert, Winfried 521 Hunecke, Marcel 563, 566 Hünersdorf, Bettina 465, 474 Hunger, Ina 26, 172, 678, 806, 811, 822 Hürlimann, Fred W. 815, 820 Hurrelmann, Klaus 291, 301
843 Hurst, Alfred 607, 613 Husserl, Edmund 631, 640, 643 Hussy, Walter 19, 30, 408, 419 Hutchby, Ian 657, 659 Hutto, Daniel D. 160, 163 Hwang, Kwan-Kuo 195, 205, 207 Hydén, Lars C. 596, 598 Hyle, Adreinne 711, 720 Hyman, Herbert H. 304, 317 Irigaray, Luce 214, 221 Israel, Joachim 763, 766 Jacklin, Carol 214, 222 Jackson, Peter H. 372, 380 Jaffé, Aniela 707, 720 Jäger, Siegfried 663, 664, 665, 666, 668, 672, 673 Jahoda, Gustav 196, 203, 207 Jahoda, Marie 65, 77, 263, 275, 278, 279, 289, 415, 419, 450, 460, 465, 474, 553, 560, 566, 762, 763, 766, 769, 774 James, Jaquelyn B. 312, 317 James, William 81, 92, 107, 799, 800, 801, 804 Janesick, Valerie J. 411, 414, 415, 416, 419 Janetzko, Dietmar 271, 275 Jankowicz, Devi 532, 536, 771, 774 Janneck, Monique 307, 317 Janzen, Jennifer 778, 780 Jefferson, Gail 647, 648, 652, 660, 724, 732 Jensen, Klaus Bruhn 791, 793, 796 Jensen, Olaf 611, 612, 764, 766 Jensen, Vickie 411, 416, 417, 418 Jessop, Julie 387, 393 Jevne, Ronna 379 Jezek, Ulrike 713, 722 Jick, Thomas 265, 267, 275, 279, 289 Joas, Hans 81, 92, 107, 108, 117, 121, 539, 550, 800, 804 Johansen, Christoffer 326, 331 Johnson, Burke 263, 264, 265, 266, 271, 275 Johnson, Eric J. 487 Johnson, Jeffrey C. 246, 250 Johnson, Katherine 218, 221 Johnson, Mark 676, 677, 678, 679, 680, 681, 682, 684, 685, 686, 688, 689, 690 Johnson, Phil 769, 771, 773 Johnston, Peter H. 487 Jones, Kip 24, 30, 87, 92, 132, 134, 341, 344, 360, 362, 364, 365 Jordan, Abbie 397, 407 Jorgenson, Jane 348, 356
844 Josselson, Ruthellen 410, 415, 418, 419 Judge, Ann B. 270, 277 Julius, Henri 236 Jung, Matthias 50, 51, 52, 53, 54, 55, 57, 58, 60, 62, 63 Jung, Yeondoo 699, 718, 720 Junge, Kai 114, 121 Jüngling, Sabine 810, 811 Jurkat, Harald B. 608, 612 Just, Marion R. 795, 797 Jüttemann, Gerd 14, 16, 18, 30, 59, 63, 195, 207, 242, 250, 403, 406, 554, 555, 565, 566, 569581 Kaas, Klaus 481, 489 Kaase, Max 313, 317 Kächele, Horst 305, 318, 319, 777 Kaerger, Hanna 157, 163 Kaerger-Sommerfeld, Hanna 157, 163 Käfer, Dieter 254, 692, 706 Kaftarian, Shakeh 368, 379 Kagan, Norman 777, 781 Kaindl, Christina 176, 180 Kaiser, Heinz Jürgen 26, 569, 570, 581, 813, 815, 820, 822 Kallenbach, Christiane 158, 163 Kallmeyer, Werner 575, 581, 585, 591, 594, 598, 644, 645, 646, 659 Kalpein, Jochen 177, 180 Kals, Elisabeth 524, 537 Kaltenborn, Karl-Franz 564, 566 Kamins, Michael A. 311, 318 Kämmerer, Annette 218, 221 Kanning, Uwe Peter 768, 772, 774 Kant, Immanuel 12, 22, 30, 383, 394, 492, 679 Kaplan, Nancy 428, 433 Kapp, Frieder 156, 164, 518, 522 Kardorff, Ernst von 11, 24, 26, 29, 37, 48, 294, 300, 335, 367, 380, 538, 550, 783, 786, 787, 788, 789, 790, 825 Kästl, Rainer 104, 105 Katovich, Michael A. 84, 91 Katz, David 708, 720 Katz, Elihu 443, 444, 447, 794, 796 Kearney, Kerri S. 711, 720 Kebeck, Günther 104, 105 Keen, Steven 364, 365 Keil, Jan-Gerrit 106, 809, 812 Keiler, Peter 192, 193 Kelle, Udo 19, 30, 169, 180, 241, 245, 250, 265, 267, 268, 269, 273, 275, 280, 284, 289, 296,
Personenregister 301, 371, 380, 555, 566, 571, 581, 618, 620, 621, 622, 626, 734, 736, 749, 770, 774 Keller, Barbara 803, 805 Keller, David 761, 822 Keller, Evelyn F. 352, 356 Keller, Heidi 721 Keller, Reiner 663, 671, 673, 674 Kelly, George 126, 127, 151, 164, 359, 365 Kelly, George A. 135, 524, 525, 526, 531, 532, 536 Kelly, George R. 406 Kemmis, Stephen 335, 338, 343, 344 Kempen, Harry J.G. 191, 193, 203, 590, 598 Kemper, Reinhild 810, 811 Kempf, Wilhelm 19, 30, 59, 64, 426, 434, 764, 766 Kendall, Patricia L. 65, 77, 425, 434, 436, 447 Keohane, Robert O. 227, 236 Kerschensteiner, Georg 708, 713, 720 Kessler, Manfred 785, 790 Kessler, Ronald C. 293, 301 Keul, Alexander 711, 720 Keupp, Heiner 11, 17, 29, 55030, 538, 569, 570, 572, 581, 764, 766 Kiegelmann, Mechthild 24, 235, 264, 276, 292, 311, 334, 382, 384, 388, 389, 391, 393, 427, 434, 457, 823 Kiesinger, Christine E. 349, 350, 355, 356 Kilby, Jane 211, 220 Kim, Hye-On 753, 759 Kim, Uichol 195, 205, 207 Kimmel, Ellen 219, 220, 221, 681, 690 Kimpeler, Simone 730, 732 King, Alison 481, 489 King, Gary 227, 236 Kinsella, Elizabeth Anne 62, 63 Kippenberg, Hans G. 804 Kirk, Jerome 396, 406 Kitayama, Shinobu 201, 203, 207 Kitzinger, Celia 216, 217, 218, 221, 222 Klaus, Konrad 7, 25, 476, 489 Klebelsberg, Dieter 819 Klein, Michael 746, 807, 811 Kleinbeck, Uwe 771, 774 Kleinert, Jens 808, 809, 811 Kleining, Gerhard 15, 23, 30, 37, 39, 48, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 76, 77, 235, 252, 253, 254, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 334, 338, 344, 424, 425, 434, 495, 499, 500, 501, 503, 504, 505, 682, 690, 800, 805, 823 Kleinman, Sherryl 414, 419
Personenregister Kleist, Cornelia von 677, 681, 684, 689, 691, 777, 780 Klement, Carmen 299, 301 Klingemann, Hans D. 304, 308, 317 Klose, Rainer 375, 380 Kluge, Susann 169, 180, 241, 245, 250, 304, 312, 316, 317, 555, 565, 566, 567 Knoblauch, Hubert 26, 30, 404, 406, 464, 475, 635, 640, 644, 659, 804 Knobloch, Brigitte 292, 301 Knorr-Cetina, Karin 36, 48, 125, 135 Knowles, Eric D. 204, 207 Koch, Katja 724, 732 Koch, Uwe 784, 787, 789 Kochinka, Alexander 24, 143, 148, 232, 449, 452, 453, 458, 460, 461, 753, 759, 808, 823 Koch-Straube, Ursula 789 Koehler, Katharina 777, 781 Koehler, Michael 777, 781 Koenigsberg, Richard 686, 690 Koepp, Wilhelm 801, 805 Koeppe-Lokai, Gabriele 711, 720 Koerfer, Armin 777, 781 Koffka, Kurt 95, 97, 105 Kögler, Hans-Herbert 62, 63 Kohlbacher, Florian 611, 612 Kohlberg, Lawrence 389, 393, 427, 434, 755 Köhle, Karl 157, 163, 777, 781 Köhler, Bettina 678, 684, 686, 687, 691 Köhler, Wolfgang 15, 94, 95, 96, 97, 99, 103, 104, 105, 254, 262, 333 Kohli, Martin 571, 581 Köhnen, Ralph M. 664, 674 Kölbl, Carlos 11, 23, 108, 140, 148, 167, 182, 186, 193, 196, 239, 443, 446, 665, 754, 823 Kolominski, Stephan 377, 380, 771, 774 König, Eckard 160, 164 König, Hans-Dieter 203, 306, 317, 709, 720 Konrad, Klaus 489, 823 Korczynski, Marek 770, 774 Korman, Yifaht 684, 689 Kornadt, Hans-Joachim 206 Kornek, Cornelia 546, 550 Korobov, Neill 443, 447 Korte, Miguel Tamayo 746, 749 Kowal, Sabine 398, 406, 723, 724, 727, 728, 731, 732 Kraimer, Klaus 572, 573, 581 Krampen, Günter 765, 766 Kraus, Bertram 815, 820 Kraus, Wolfgang 294, 301, 585, 592, 596, 598 Krause, Frank 157, 162, 521
845 Krauth, Josef 157, 165, 511, 523 Krauth, Jürgen 398, 407 Kreitz, Robert 556, 567 Kretzer, Susanne 304, 315, 319 Kreutzmann, Nicole 781 Kreuzig, Heinz W. 477, 488 Krewer, Bernd 196, 202, 207 Krippendorff, Klaus 601, 611, 612 Kriz, Jürgen 59, 63 Krohn, Wolfgang 252, 262 Kroj, Günter 813, 814, 817, 820 Kroman Myers, Karen 268, 270, 275 Kronberger, Nicole 684, 685, 686, 690 Krotz, Friedrich 66, 67, 77, 500, 505 Krueger, Richard 94, 96, 99, 436, 446, 447 Krug, Melanie 725, 732 Krüger, Heinz-Hermann 639, 640 Kruse, Andreas 756, 759 Kucan, Linda 482, 489 Küchenhoff, Joachim 777, 781 Kuckartz, Udo 25, 242, 293, 300, 305, 320, 369, 380, 553, 555, 564, 567, 604, 630, 636, 726, 729, 732, 735, 736, 738, 739, 741, 742, 734, 744, 746, 748, 749, 750, 764, 808, 823 Kuehnlein, Irene 563, 567 Kügelgen, Til von 521 Kuhl, Julius 110, 111, 121 Kühl, Stefan 375, 380, 772, 773, 774 Kuhn, Manford H. 84, 92 Kuhn, Thomas S. 36, 48, 125, 135, 267, 345, 356 Kühn, Thomas 296, 298, 299, 301, 303, 696, 706 Kühne, Adelheid 247, 250 Kühnlein, Irene 777, 781, 788, 789 Kuiken, Don 271, 275 Kuipers, Herman 368, 380 Kurt, Ronald 49 Kushner, Saville 378, 380 Küsters, Yvonne 591, 598 Kutscher, Nadja 639, 641 Kvale, Steinar 397, 406, 423, 426, 434 Kyung-Hee, Kim 794, 796 Labov, William 144, 149, 588, 598 Lacan, Jacques 132, 135 Laisney, Oona 178, 180 Lakoff, George 676, 677, 678, 679, 680, 681, 682, 684, 685, 686, 688, 689, 690 Lamnek, Siegfried 37, 49, 55, 59, 63, 248, 250, 453, 461, 555, 567, 610, 612 Lamott, Anne 347, 356, 684, 689
846 Landfield, Alvin W. 532, 536 Lang, Herrmann 777, 780 Langdridge, Darren 19, 30 Lange, Andreas 794, 797 Lange, Julia 26, 563, 776, 823 Lange, Jürgen 807, 811 Langellier, Kristin M. 585, 589, 598 Langenbach, Michael 239, 246, 249, 563, 567, 776, 777, 779, 780, 781 Langenohl, Andreas 44, 49 Langer, Susanne 11, 29, 112, 121, 717, 721 Lantermann, Ernst-Dieter 554, 563, 565, 566, 567, 568 Lather, Patti 388, 393 Laucken, Uwe 18, 30, 45, 49, 115, 121, 160, 164 Laudel, Grit 427, 430, 433, 610, 612 Lave, Jean 191, 193, 770, 774 Lawler, John 370, 379 Lazarsfeld, Paul Felix 60, 62, 65, 77, 263, 275, 278, 279, 289, 293, 301, 415, 419, 436, 447, 450, 460, 465, 474, 553, 555, 558, 559, 566, 567, 618, 762, 763, 766, 769, 774 Lazarus, Arnold A. 195, 787, 789 Le Bon, Gustave 766 Leary, David E. 687, 689, 690 Leder, Helmut 712, 721 Lee, Raymond M. 65, 320, 331, 391, 393, 734, 736, 749, 750 Legewie, Heiner 17, 30, 37, 49, 59, 63, 295, 302, 305, 317, 398, 406, 409, 419, 581, 452, 461, 465, 475, 573, 615 Leggitt, John S. 684, 690 Lehmann, Albrecht 295, 302 Lehmann-Grube, Sabine K. 157, 164 Lehr, Ursula 17, 19, 21, 24, 158, 183, 191, 290, 302, 303, 410, 411, 413, 433, 484, 754, 756, 771 Leikert, Sebastian 562, 567, 777, 781 Leiman, Mikael 191, 193 Leithäuser, Thomas 16, 30, 44, 49, 438, 439, 442, 447, 448, 542, 545, 546, 549, 550, 764, 766 Lemmermöhle, Doris 294, 302 Lempert, Wolfgang 294, 302 Lempp, Reinhart 627, 640 Lenk, Hans 62, 110, 121, 152, 164 Lenz, Ilse 210, 211, 221 Leonhart, Rainer 228, 236 Leont’ev, Aleksej A. 108, 182, 183, 184, 194 Leontjew, Alexej N. 182, 184, 194, 195, 665, 674
Personenregister Lerner, Richard M. 755, 759 Lettau, Antje 44, 49, 418 Leuzinger-Bohleber, Marianne 563, 568 Levinson, Stephen C. 65, 76, 650, 657, 659 Levinstein, Siegfried 708, 713, 721 Lévi-Strauss, Claude 475 Levitt, Heidi 778, 781 Lewin, Kurt 15, 30, 94, 96, 97, 98, 99, 100, 103, 104, 105, 106, 108, 158, 164, 252, 262, 333, 344, 374, 380, 391, 393, 465, 569, 570, 571, 578, 581, 754, 762, 769, 775 Lewins, Ann 98, 99, 100, 103, 735, 748, 750, 754 Lewis, Jane 238, 250, 293, 302, 373, 381 Lewis, Lisa A. 793, 796 Lewis, Matthew 433, 487 Ley, Michael 694, 700, 705 Liamputtong, Pranee 341, 344 Lichtwark, Alfred 708, 721 Liebes, Tamar 443, 444, 447, 794, 796 Liebig, Brigitte 443, 447 Lieblich, Amia 410, 418,419, 588, 598 Lietz, Petra 241, 249, 251 Lim, Megan S.C: 324, 331 Lincoln, Yvonna S. 20, 28, 80, 87, 90, 92, 131, 134, 226, 236, 248, 249, 250, 266, 275, 284, 285, 289, 334, 339, 343, 344, 346, 348, 355, 367, 374, 379, 398, 400, 401, 406, 463, 464, 474 Linde, Charlotte 586, 598 Lindemann, Ulla 176, 181 Lindgren, Thomas 803, 805 Lindner, Rolf 463, 475, 555, 562, 563, 567 Lindquist, Julie 346, 356 Lindsey, Richard 386, 393 Linell, Per 590, 598 Link, Jürgen 664, 665, 666, 674 Linneweber, Volker 554, 563, 565, 566, 567 Lippens, Volker 157, 164 Littig, Beate 427, 434 Livingstone, Sonia 793, 796 Loch, Ulrike 573, 576, 581, 583 Löchel, Elfriede 546, 550 Locke, Abigail 253, 765, 773 Lockford, Lisa 359, 365 Lofland, John 86, 92, 356, 463, 473 Lohaus, Arnold 529, 536, 756, 758 Lombardo, Claudia 730, 732 Lompscher, Joachim 183, 193 Longabaugh, Richard 455, 461 Longino, Helen 220, 221 Lönneker, Jens 696, 706
Personenregister Lonner, Walt J. 111, 121, 196, 197, 206, 208 Loomis, Diane 269, 270, 273, 275, 382, 393 Loos, Peter 437, 438, 440, 441, 443, 446, 447, 628, 640 Lopez, Shane J. 160, 164 Lorde, Audre 347, 356 Lorenzer, Alfred 16, 62, 63, 203, 306, 317, 693 Lovering, Kathryn 218, 222 Luca, Renate 794, 797 Lucius-Hoene, Gabriele 25, 131, 137, 139, 143, 146, 149, 283, 575, 577, 581, 584, 586, 587, 588, 589, 593, 595, 596, 598, 599, 654, 659, 660, 693, 756, 784, 787, 788, 789, 790, 823 Lück, Helmut E. 59, 63, 98, 104, 106, 768, 775 Luckmann, Thomas 125, 133, 295, 302, 525, 536, 644 Luder, Max 305, 318 Lüders, Christian 232, 236, 369, 380, 397, 401, 404, 406, 407 Lueger, Manfred 374, 379, 454, 461 Lüer, Gerd 477, 489 Luhmann, Niklas 627, 641 Lull, James 793, 797 Lundmark, Mikael 802, 805 Luquet, Georges Henri 708, 721 Lurija, Alexander R. 108, 182, 183, 187, 188, 192, 193, 194, 195, 239, 250, 790 Lurse, Kristin 562, 566 Lutticke, Jürgen 608, 612 Lux, Vanessa 168, 180 Lynch, Gordon 778, 781 Lynd, Helen Merrell 475 Lynd, Robert S. 475 Lyons, William 21, 30, 504 Lyotard, Jean- François 61, 63, 87, 345, 356 Maas, Utz 665, 674 Maccoby, Eleonor 214, 222 MacDougall, Colin 719, 720 Mach, Ernst 66, 67, 76, 77, 252, 253, 254, 262 Macnaghten, Phil 436, 444, 447 Madge, Clare 329, 331 Madill, Anna 264, 273, 275, 397, 407, 778, 780, 781 Madison, D. Soyini 352, 356, 358, 364, 365 Madsen, Richard 371, 379 Maeder, Christoph 404, 406, 465, 474 Magni, Alberto 712, 720 Maiers, Wolfgang 16, 31, 168, 180 Maietta, Ray C. 735, 749 Main, Mary 433 Mair, Miller 533, 536
847 Makagon, Daniel 346, 356 Malinowski, Bronislaw Kasper 461, 464, 466, 475 Mandl, Heinz 480, 489, 508, 520, 522 Mandler, Jean M. 144, 149 Mangabeira, Wilma C. 735, 749 Mangold, Roland 791, 797 Mangold, Werner 437, 438, 447, 627, 628,641 Mann, Chris 23, 31, 329, 330, 331 Mannheim, Karl 125, 135, 438, 447, 627, 629, 630, 631, 632, 641, 730 Marahrens, Lea 809, 812 Marbe, Karl 495, 505, 815, 820 Marcellini, Fiorella 815, 820 Marcus, George E. 86, 91, 358, 365, 464, 474 Marecek, Jeanne 216, 222, 765 Markard, Morus 11, 16, 23, 31, 166, 167, 169, 170, 171, 173, 174, 175, 176, 177, 179, 180, 190, 211, 334, 390, 570, 823 Markham, Annette 793, 797 Markova, Aelita K. 183, 193, 203 Markus, Hazel 201, 203, 207 Marlovits, Andreas M. 808, 809, 812 Marotzki, Winfried 640, 709, 718, 719, 721 Marquard, Odo 61, 63 Marrow, Alfred J. 98, 106 Martens-Schmid, Karin 776, 781 Marti, Urs 664, 674 Martin, Vivian B. 793, 797 Martinez, Matias 588, 599 Martini, Mareike 652, 660 Marx, Karl 70, 77 Maschewsky, Werner 167, 180, 253, 262 Maso, Ilja 346, 356 Mason, Jennifer 238, 250, 273, 275 Mathiowetz, Naney A. 294, 300 Matlin, Margaret 213, 222 Matsumoto, David 197, 206, 207 Matsuta, Ken 486, 489 Mattes, Peter 21, 31, 37, 49, 763, 767 Maturana, Humberto 126, 135 Mauer, Reiner 102, 305, 312, 318 Mauss, Armand L. 802, 805 Mauthner, Natascha S. 304, 308, 313, 318, 392 Maxwell, Joseph A. 228, 236, 269, 270, 273, 275, 382, 388, 393 Mayer, Christian 719, 721 Mayer, Peter 497, 505 Mayring, Philipp 18, 23, 25, 31, 111, 225, 226, 229, 230, 231, 235, 236, 264, 265, 271, 276, 303, 545, 550, 601, 602, 603, 604, 605, 606, 607, 608, 609, 610, 611, 612, 613, 739, 741,
848 750, 755, 756, 759, 764, 767, 795, 797, 808, 823 McAdams, Dan P. 146, 418, 149, 572, 581, 584, 599, 803, 805 McCall, George J. 360, 365, 395, 407, 463, 474, 475 McCauley, Stephen 348, 356 McCloskey, Diedre 359, 365 McCracken, Janet E. 778, 780 McKeown, Susanne 264, 274, 277 McLeod, John 585, 595, 596, 776, 778, 779, 780, 781 McLeod, Julie 298, 302 McMullen, Linda M. 78, 781 McQuillan, Martin 142, 149 McRae, Chris 351, 357 McTaggart, Robin 335, 338, 343, 344 Mead, George Herberg 80, 81, 82, 83, 84, 85, 92, 107, 108, 539, 550, 572, 582, 762, 767 Mead, Margarete 464, 475 Mecacci, Luciano 194 Mecklenburg, Hermann 785, 790 Medjedovi", Irena 23, 298, 300, 304, 306, 310, 312, 313, 315, 318, 319, 823 Meier, Augustine 609, 613 Meili-Dworetzki, Gertrud 713, 721 Melchers, Chritoph B. 694, 696, 706 Menz, Wolfgang 377, 380 Mercer, Geof 786, 788, 789 Mergenthaler, Erhard 305, 318 Merkens, Hans 238, 241, 248, 250 Merten, Klaus 601, 613 Mertens, Wolfgang 167, 181 Merton, Robert K. 65, 77, 425, 434, 436, 447, 755 Merz, Ferdinand 486, 488 Métraux, Alexandre 16, 29, 31, 183, 194 Metschke, Rainer 311, 318 Metz-Göckel, Helmuth 104, 106 Meumann, Ernst 709, 711, 721 Meuser, Michael 427, 434, 441, 443, 446, 447 Meuter, Norbert 592, 599 Mey, Günter 11, 12, 17, 18, 19, 20, 21, 24, 25, 26, 31, 37, 42, 45, 49, 69, 110, 121, 138, 202, 225, 232, 239, 250, 255, 259, 279, 283, 289, 290, 292, 294, 295, 302, 305, 308, 315, 318, 338, 344, 403, 410, 413, 414, 419, 423, 425, 426, 428, 429, 432, 434, 435, 465, 475, 572, 578, 579, 580, 582, 585, 593, 614, 615, 616, 623, 624, 625, 626, 753, 754, 756, 757, 758, 759, 808, 823 Meyer, Michael 602, 613
Personenregister Meyer, Wolfgang 369, 381, 460 Meyerhuber, Sylke 549 Miall, David S. 271, 275 Michaelis, Wolfgang 17, 31 Michel, Burkhard 443, 447 Michon, John A. 818, 820 Middleton, David 192, 193 Mieth, Dietmar 388, 392, 394 Miethe, Ingrid 11, 28, 280, 288, 578, 582 Miettinen, Reijo 770, 774 Mihalas, Stephanie 264, 276 Mikos, Lothar 11, 31, 792, 793, 794, 795, 797 Miles, Matthew B. 401, 406, 734, 744, 750 Milgram, Stanley 394, 461, 767 Miller, Dale 216, 222 Miller, Georg A. 525, 536 Miller, Joan G. 196, 203, 204, 207 Miller, Marc L. 396, 406 Miller, Monica K. 430, 433 Millhous, Lisa M. 795, 797 Mills, Charles Wright 539, 550 Mills, Jane 618, 626 Mills, Juline E. 796 Millstein, Kathleen Hanningan 392, 394 Mishler, Elliot 588, 599 Misra, Girihwar 198, 204, 207 Missimer, John 800, 804 Mitchell, Juliet 214, 222 Mitchell, Richard G. 470, 474 Mitscherlich, Alexander 762, 767 Mitscherlich, Margarete 762, 767 Mittal, Banwari 481, 489 Mochmann, Ekkehard 304, 308, 317 Moir, Jim 735, 750 Mollenkopf, Heidrun 815, 820 Moller, Sabine 764, 767 Mondada, Lorenza 651, 660 Mönnich, Ingo 298, 302 Montag, Stefanie 292, 301 Montau, Robert 764, 767 Moore, Harriett 65 Moore, Niamh 304, 308, 318 Morelli, Gilda 204, 208 Moreno, Jakob Levy 333, 359, 365, 538, 541, 550 Morgan, David 436, 447 Morgan, David L. 266, 276 Morganstein, David 294, 300 Morison, Moya 735, 750 Moritz, Christine 732 Morley, David 437, 447, 793, 797 Moro, Pamela 353, 356
Personenregister Morse, Janice M. 265, 269, 276, 397, 407, 615, 626 Moser, Heinz 158, 164, 336, 344, 373, 380, 677, 680 Moser, Karin S. 684, 685, 690 Mruck, Katja 11, 12, 17, 20, 22, 24, 25, 28, 31, 37, 42, 45, 48, 49, 69, 110, 121, 138, 202, 225, 232, 259, 304, 305, 315, 316, 318, 338, 344, 388, 394, 403, 409, 410, 414, 419, 423, 429, 434, 572, 578, 580, 582, 585, 593, 614, 615, 616, 623, 624, 625, 626, 757, 808, 824 Muchow, Hans Heinrich 461, 475 Muchow, Martha 461, 475 Müller, Burkhard 465, 474 Müller, Florian H. 524, 537 Müller, Georg Elias 253 Müller-Doohm, Stefan 718, 721 Müller-Mundt, Gabriele 404, 407 Mullins, Carolyn J. 80, 92 Mullins, Nicolas C. 80, 92 Münsterberg, Hugo 768, 775 Munzert, Jörn 810, 812 Mureck, Jörg 398, 407 Mureck, Jürgen 157, 165, 511, 523 Murken, Sebastian 799, 801, 805 Murphy, Gardener 762, 767 Murphy, Lois B. 762, 767 Murphy, Susan O. 294, 302 Murray, Henry A. 238, 239, 250, 312, 723, 732 Musch, Jochen 320, 331 Mutzeck, Wolfgang 158, 164 Myers, Greg 437, 444, 447 Näcke, Lars 665, 674 Naderer, Gabriele 11, 31 Nadig, Maya 203, 464, 475 Nagel, Siegfried 810, 811 Nagel, Ulrike 427, 434 Nagler, Brigitte 538, 543, 548, 550 Naumann, Johannes 795, 797 Navarro, Virginia 273, 411, 417, 419 Nebelung, Sven 696, 706 Neimeyer, Robert A. 532, 537, 595, 599 Neises, Mechthild 652, 660 Neisser, Ulric 587, 599 Nelson, Kathrine 756, 759 Nentwig-Gesemann, Iris 443, 446, 447, 638, 639, 640, 641 Nerlich, Brigitte 264, 273, 274, 276, 277, 765 Nespor, Jan 386, 394 Nestmann, Frank 377, 380, 787, 790 Neuendorf, Kimberly A. 609, 613
849 Neukom, Marius 305, 318 Neuman, W. Russel 795, 797 Neumann, Mark 346, 356 Newell, Allan 477, 489 Newman, Bruce 481, 483, 489 Newman, Fred 358, 360, 365 Newman, Susan E. 410, 418, 488 Nicholas, Cheryl L. 346, 356 Niederer, Elisabeth 87, 91, 93, 132, 135 Nielsen, Jakob 795, 797 Nieraad, Jürgen 686, 690 Nießen, Manfred 438, 448 Niesyto, Horst 709, 718, 719, 721 Nightingale, David J. 123, 133, 135 Nisbett, Richard E. 203, 207, 459, 461, 519, 522 Nitzschke, Berndt 16, 31 Noam, Gil 389, 393 Nohl, Arnd-Michael 633, 636, 637, 639, 641 Nossiter, Vivian 719, 721 Nothdurft, Werner 652, 660 Nowotny, Helga 36, 48 Nünning, Ansgar 142, 147, 149 Nünning, Vera 142, 147, 149 Nyden, Phil 411, 419 O’Connell, Daniel 723, 724, 727, 728, 731, 732 O’Connell, Donald C. 398, 406 O’Connor, Henrietta 309, 317, 329, 331 O’Rand, Angela M. 291, 300 Oberlechner, Thomas 684, 686, 690 Obliers, Rainer 156, 157, 163, 164, 520, 522, 777, 781 Ochs, Elinor 586, 590, 596, 599, 725, 728, 731, 732 Oda#, Özen 24, 26, 227, 235, 263, 273, 276, 719, 746, 757, 791, 795, 797, 824 Oerter, Rolf 191, 194 Oeste, Katja 574, 582 Oetzel, John G. 268, 270, 275 Oevermann, Ulrich 572, 573, 574, 577, 582, 610, 613, 636, 641 Ohlsson, Stellan 486, 489 Oldenbürger, Hartmut 161, 164, 519, 521, 522 Olos, Luiza 562, 566 Onwuegbuzie, Anthony J. 263, 264, 275, 276 Opdenakker, Raymond 430, 435 Opitz, Diane 304, 305, 312, 316, 317, 318 Oppenheim, Paul 5553, 555, 557, 66 Orr, Julian Edgerton 770, 775 Ortony, Andrew 676, 690 Oser, Fritz 389, 393 Osgood, Charles E. 524, 537
850 Osterkamp, Ute 176, 181 Ottmar, Kariin 414, 419 Overlach, Fabian 596, 599 Özyürek, Asli 795, 797 Paechter, Manuela 276 Page, Reba N. 411, 415, 419 Palme, Bernhard 491, 723, 733 Paloutzian, Raymond F. 803, 805 Pantoja, Andréa P.F. 756, 759 Papachristou, Christina 777, 781 Pappritz, Thomas 170, 181 Park, Crystal L. 803, 805 Park, Eri 665, 674 Park, Ji Hoon 797 Park, Robert E. 82, 463, 778, 794, 797 Parker, Ian 665, 668, 669, 671, 672, 674 Parry, Odette 304, 313, 318 Parsons, Michael J. 74, 80, 712721 Paschelke, Sarah 536 Pasmore, William 769, 775 Pasternak, Boris 711, 721 Patry, Jean-Luc 232, 236, 378, 379 Patton, Michael 368, 373, 375, 378, 380 Pauli, Christine 482, 489 Paulson, Susan 346, 356 Pawlik, Kurt 733 Pawson, Ray 378, 380 Peel, Elizabeth 217, 218, 221 Pehl, Thorsten 26, 320, 387, 398, 586, 634, 648, 723, 730, 732, 740, 824 Pelias, Ronald J. 350, 353, 356, 360, 365 Peng, Kaiping 203, 204, 207 Pe-Pua, Rogelia 205, 207 Peräkylä, Anssi 655, 660 Perleberg, Katrin 777, 781 Perry, Chad 436, 442, 448 Petermann, Christine 608, 613 Peterson, Erik E. 460, 585, 589, 598 Petska, Kelly 275 Petzold, Hilarion 194 Pfaff, Holger 608, 612, 639, 640 Philipsen, Gerry 346, 356 Phinney, Jean S. 273, 276 Piaget, Jean 75, 239, 242, 250, 255, 258, 260, 262, 389, 394, 676, 680, 708, 711, 721, 754 Pidgeon, Nick F. 616, 626 Pierce, Charles A. 772, 773 Piercy, Fred F. 414, 417, 418, 443, 448 Pike, Kenneth L. 198, 208 Pinna, Baingio 104, 106
Personenregister Plano Clark, Vicki L. 263, 264, 265, 268, 269, 270, 274, 275, 276 Plaß, Christine 764, 767 Plummer, Ken 352, 356 Plumridge, Libby 295, 302 Polkinghorne, Donald E. 103, 106, 139, 149, 584, 599, 693, 706 Pollard, Andrew 294, 302 Pollio, Howard R. 801, 805 Pollock, Friedrich 437, 448 Pomerantz, Anita 651, 660 Pongratz, Ludwig J. 59, 63, 772, 775 Poole, Zoe Fitzgerald 363, 365 Poortinga, Ype H. 189, 193, 197, 208 Popp, Danielle 216, 222 Popp-Baier, Ulrike 799, 803, 804, 805, 824 Poppelreuter, Walther 820 Popper, Karl R. 27, 36, 49, 66, 77, 231, 237 Post, Jerrald M. 247, 250, 264, 266, 269, 737 Potter, Jonathan 125, 129, 135, 436, 448, 594, 599, 644, 653, 655, 658, 660, 661, 665, 673, 674 Poulin, Karen L. 409, 410, 411, 414, 415, 419 Poulos, Christopher N. 350, 357 Powell, Heather 264, 269, 271, 273, 276 Prengel, Annedore 11, 29 Prentice, Deborah 216, 222 Preskill, Hallie 368, 380 Pressley, Michael 479, 480, 489, 795, 797 Preyer, Wilhelm Thierry 450, 461, 753, 759 Pribram, Karl H. 525, 536 Pritchard, Robert 482, 489 Prosser, Jon 718, 721 Prus, Robert 90, 92 Przyborski, Aglaja 24, 25, 232, 436, 438, 439, 440, 441, 442, 443, 444, 445, 446, 448, 591, 599, 627, 628, 630, 633, 634, 635, 636, 637, 638, 639, 640, 641, 794, 824 Psathas, George 648, 660, 724, 733 Puchta, Claudia 436, 448 Quasthoff, Uta M. 146, 149, 586, 589, 596, 599, 665, 673 Quinn Patton, Michael 238, 241, 243, 246, 249, 250, 269, 276 Quinn, Naomi 681, 690 Quinten, Susanne 808, 809, 812 Rädiker Rädiker, Stefan 320, 369, 380, 604, 726, 732, 734, 738, 742, 749, 750, 764, 824 Radman, Zdravko 684, 691
Personenregister Radway, Janice A. 345, 357, 797 Raeder, Sabine 770, 775 Ragin, Charles 241, 250 Rainwater, Lee 65, 77 Rakov, Lena 793, 797 Rappaport, Julian 377, 380 Ratcliffe, Matthew 160, 163 Ratner, Carl 12, 28, 37, 48, 202, 203, 208 Ravenette, Tom 533, 537 Raymond, Geoffrey 655, 659 Rayner, Rosalie 451, 461, 784, 790 Reason, Peter 333, 334, 343, 344, 359, 365, 373, 380 Redwood, Sabi 388, 394 Reed-Danahay, Deborah E. 353 Regener, Irena 764, 766 Rehbein, Jochen 724, 732 Reich, Stephanie M. 140, 321, 332, 334, 344 Reichertz, Jo 12, 18, 31, 39, 49, 242, 250, 313, 318, 384, 394, 397, 403, 407, 610, 613, 619, 626, 672, 674 Reichmayr, Johannes 464, 475 Reid, Donna J. 322, 331 Reid, Fraser J.M. 322, 331 Reimann, Peter 487 Reimer, Christian 608, 612 Reimer, Suzanne 736, 749 Reinders, Heinz 429, 433, 435 Reiners, Annette 542, 550 Reitemeier, Ulrich 652, 660 Reither, Franz 477, 488 Rendtel, Ulrich 293, 302 Rennie, David L. 616, 626, 776, 777, 779, 780, 781 Renshaw, Peter 484, 489 Reusswig, Fritz 554, 565, 566 Rhodes, Jean E. 20, 28, 37, 48, 409, 418 Ricci, Corrado 708, 713, 721 Richards, Lyn 735, 750 Richards, Tom 735, 750 Richardson, Jane C. 312, 318 Richardson, John T.E. 723, 733 Richardson, Laurel 86, 89, 92, 350, 357, 360, 365 Richardson, Rudy 368, 380 Richartz, Alfred 809, 812 Richter, Hans-Günther 712, 713, 716, 721 Richter, Susann 817, 820 Richter, Tobias 795, 797 Ricœur, Paul 54, 62, 63, 108, 121, 141, 146, 149, 592, 599 Riecken, Henry W. 763, 766, 800, 804
851 Riedel, Jens 158, 164 Riedmann, Agnes 345, 357 Riegel, Klaus F. 755, 759 Riegler, Julia 24, 436, 441, 443, 448, 628, 638, 641, 794, 824 Riegraf, Birgit 219, 220 Rieker, Peter 739, 749 Riemann, Gerhard 572, 582, 615 Riemer, Mauel 334, 344 Riesen, Christa 771, 773 Riessman, Catherine Kohler 585, 588, 589, 590, 596, 599 Rijsman, John 20, 31 Rimele, Wolfgang 521 Rinckens, Stephan 562, 567 Rist, Ray C. 410, 415, 419 Ritchie, Jane 238, 250, 373, 381 Ritivoi, Andreea 592, 599 Ritsert, Jürgen 602, 613 Rizutto, Ana-Maria 802, 805 Robben, Antonius C. G. M. 463, 475 Roberts, Kathryn A. 736, 750 Robinson, John A. 282, 289 Rock, Paul 81, 92 Roer, Dorothee 213, 222 Roethlisberger, Fritz Jules 263, 276, 465, 475 Rogers, Amy 409, 410, 411, 415, 417, 419 Rogers, Carl R. 15, 31, 723, 733 Rogoff, Barbara 183, 191, 194, 203 Röhnsch, Gundula 286, 288 Röhrle, Bernd 377, 380, 764, 766, 787, 790 Rommelspacher, Birgit 213, 222 Ronai, Carol R. 347, 349, 357, 359, 365 Rorty, Richard 125, 135, 140, 149, 345, 346, 353, 357 Rose, Lotte 809, 812 Rose, Nikolas 123, 135, 770, 775 Rosenbusch, Heinz 157, 158, 162 Rosenstiel, Lutz von 11, 29, 377, 380, 538, 550, 772, 774, 775 Rosenthal, Gabriele 572, 573, 574, 575, 577, 578, 579, 580, 582, 583, 587, 591, 597, 599 Rosenthal, Mitchell 788, 789 Rosman, Andrew J. 486, 488 Ross, Andrew 226, 237 Ross, Gray 365 Rossman, Gretchen B. 267, 276 Roth, Anthony 373, 379 Roth, Wolff-Michael 382, 394, 410, 415, 419 Rothbaum, Fred 204, 208 Rothmund, Jutta 215, 222 Rüb, Matthias 670, 674
852 Rübeling, Hartmut 712, 713, 719, 721 Rubinstein, Sergej L. 194 Ruckdeschel, Roy 410, 415, 420 Rudman, Laurie 216, 222 Ruff, Wilfried 562, 567, 777, 781 Rumbold, Jean 341, 344 Ruppert, Franz 543, 550 Rüsen, Jörn 149 Ruspini, Elisabetta 290, 302 Russell, Glenda 250, 359, 366 Russo, Joseph E. 487 Rustemeyer, Ruth 214, 222, 610, 612, 795, 797 Rutter, Jason 329, 331 Ryder, Norman B. 292, 302 Saar, Martin 215, 222 Sachse, Pierre 770, 775 Sacks, Harvey 441, 448, 643, 646, 647, 648, 650, 651, 653, 659, 660 Sacks, Oliver 239, 250 Sacks-Davis, Rachel 324, 331 Sader, Manfred 104, 105, 106, 540, 543, 550 Saladin, Rebecca 776, 781 Salber, Wilhelm 94, 96, 99, 103, 104, 105, 106, 692, 694, 695, 696, 697, 698, 699, 700, 701, 702, 705, 706 Saldaña, Johnny 360, 366 Salewski, Christel 785, 790 Salje, Gunther 438, 447 Sandberg, Jacobijn A.C. 477, 490 Sandelowski, Margarete 276 Sanden-Marcus, Martina 739, 749 Sander, Ekkehard 794, 797 Sander, Friedrich 94, 96, 99, 106 Sanders, James R. 107, 373, 380 Sarason, Seymour 377, 380 Sarbin, Theodore R. 127, 131, 135, 139, 149, 584, 599 Sargis, Edward 326, 332 Sasaki, Tomomi 479, 481, 489 Saul, Elizabeth 795, 796 Saville-Troike, Muriel 644, 660 Saxton, Stanley L. 84, 91 Scandura, Terri 772, 775 Schaarschmidt, Uwe 562, 567 Schachter, Stanley 451, 455, 461, 763, 766, 800, 804 Schachtner, Christina 677, 685, 686, 691 Schaeffer, Doris 404, 407, 787, 788, 790 Schaeper, Hilde 299, 301, 302 Schäfer, Thomas 232, 237
Personenregister Schäffer, Burkhard 437, 438, 440, 441, 443, 446, 447, 448, 554, 565, 566, 628, 638,640, 641 Schaller, Roger 543, 550 Schapp, Wilhelm 693, 706 Schatzman, Leonard 86, 93 Schechner, Richard 358, 366 Scheele, Brigitte 23, 25, 42, 45, 48, 110, 116, 151, 152, 153, 154, 156, 157, 161, 162, 163, 164, 215, 219, 222, 271, 396, 398, 399, 400, 406, 407, 426, 434, 506, 507, 509, 510, 511, 513, 518, 519, 521, 522, 523, 531, 537, 770, 785, 787, 808, 824 Scheffel, Michael 588, 599 Schegloff, Emanuel A. 644, 645, 646, 648, 650, 651, 653, 660 Schein, Edgar H. 100, 103, 106, 337, 699, 765, 767 Scheiring, Herrmann 156, 164 Scherer, Brigitte 546, 550 Schermuly, Carsten 771, 775 Scheuch, Erwin K. 304, 318 Scheurich, James J. 360, 366 Schiffrin, Deborah 592, 597 Schiller, Wendy 719, 720 Schilling, Stefan 777, 780 Schirmacher, Wolfgang 696, 706 Schlag, Bernhard 814, 815, 817, 818, 819, 820 Schlee, Joachim 151, 157, 158, 162, 163, 164, 165, 398, 407, 507, 511, 521, 522, 523 Schleiermacher, Friedrich 51, 58, 59, 63 Schlicht, Wolfgang 806, 809, 810, 811, 812 Schlichter, Annette 210, 222 Schliermann, Rainer 809, 812 Schlippe, Arist von 426, 435 Schlosser, Ralf W. 235, 236 Schmalstieg, Catharina 176, 181 Schmid, Pia 156, 164, 753, 759 Schmid-Furstoss, Ulrich 156, 164 Schmidt, Bettina 810, 811 Schmidt, Christiane 739, 743, 750 Schmidt, Klaus Helmut 771, 774 Schmidt, Nicole D. 60, 63 Schmitt, Reinhold 466, 475, 644, 646, 651, 658, 660 Schmitt, Rudolf 676, 677, 678, 682, 683, 684, 685, 686, 687, 688, 689, 691, 757, 824 Schmitz, Sigrid 220, 221 Schmitz-Justen, Felix 251 Schneewind, Klaus A. 59, 64 Schneider, Gert 16, 29 Schneider, Silvia 795, 796
Personenregister Schneider, Werner 671, 673, 783, 786, 788, 790 Schnettler, Bernt 26, 47 Schoett, Silja 794, 797 Scholz, Gerold 454, 461 Scholz, Julia 210, 220 Scholz, Roland W. 772, 775 Schön, Donald A. 334, 343 Schönberger, Christine 24, 367, 787, 790, 824 Schöndienst, Martin 596, 598 Schönpflug, Wolfgang 59, 64 Schooler, Jonathan 486, 489 Schorn, Ariane 426, 435 Schottmayer, Michael 549 Schramm, Karen 476, 477, 482, 489 Schraube, Ernst 21, 31, 37, 49, 763, 767 Schreier, Margrit 11, 13, 19, 20, 23, 24, 26, 29, 30, 31, 40, 41, 156, 161, 164, 235, 238, 241, 243, 245, 246, 249, 251, 263, 265, 274, 276, 280, 284, 296, 315, 408, 410, 418, 419, 433, 519, 523, 561, 616, 695, 719, 746, 757, 791, 793, 795, 797, 824 Schrimshaw, Eric W. 803, 805 Schröder, Peter 652, 660 Schröder, Tobias 771, 775 Schroeder, David A. 765, 766 Schroeder, Ralph 326, 332 Schülein, Frieder 146, 148 Schulte, Armin 696, 703705, 706 Schulte-Berger, Gerlind 794, 797 Schultz, Magdalena 712, 721 Schultze, Ulrike 770, 775 Schulz, Nina 711, 722 Schulz, Rolf 808, 810, 812 Schulze, Hartmut 26, 500, 501, 505, 768, 770, 771, 773, 775, 824 Schulze, Heidrun 25, 569, 573, 576, 580, 581, 583, 825 Schulze, Horst 816, 820 Schurig, Volker 167, 180 Schuster, Kai 563, 568 Schuster, Martin 708, 709, 712, 713, 719, 722 Schütte, Wilfried 647, 658 Schütz, Alfred 295, 302, 370, 380, 553, 554, 643, 660 Schütz, Norbert 713, 721 Schütze, Fritz 138, 149, 403, 407, 424, 425, 435, 438, 448, 572, 573, 575, 581, 583, 585, 589, 590, 591, 598, 599, 615, 644, 659, 777, 781, 787, 790 Schwan, Stefan 791, 798 Schwandt, Thomas A. 368, 378, 380 Schweitzer, Jochen 426, 435
853 Schweizer, Karin 271, 276 Schwinger, Thomas 543, 550 Scribner, Sylvia 91, 196, 202, 208 Scripture, Edward W. 491, 505 Seale, Clive 248, 251, 395, 398, 405, 407, 561, 568 Searle, John R. 116, 121, 651, 660 Seel, Hans-Jürgen 17, 32 Seelman, Katherine 783, 788 Segall, Marshall H. 189, 193, 197, 208 Sehringer, Wolfgang 707, 708, 711, 712, 722 Seidel, Christa 712, 722 Seidel, John 735, 750 Seidler, Victor 218, 222 Seidman, Edward 380 Seiffge-Krenke, Ingrid 755, 760 Seitz, Hartmut 142, 146, 149, 587, 599, 681, 686, 691 Seitz, Rüdiger J. 800, 804 Seligman, Martin P. 372, 381 Seligmann, Martin E. 787, 790 Selting, Margret 644, 647, 650, 661, 728, 733 Selvini Palazzoli, Mara 339, 344 Senf, Wolfgang 777, 782 Senghaas-Knobloch, Eva 438, 448 Sergenian, Gail K. 486, 488 Shadish, William 368, 379 Shailor, Jonathan 366 Shank, Gary 273, 276 Shanon, Benny 802, 805 Sharkey, Siobhan 375, 381 Sharples, Anne 375, 381 Shaw, Ian 369, 381, 410, 415, 420 Shaw, Linda L. 470, 474 Shaw-Barnes, Kelly 214, 222 Sherif, Muzafer 269, 271, 276, 763, 767 Sheth, Jagdish 481, 489 Shimada, Shingo 121, 199, 208 Shirley, Caroline 397, 407 Shotter, John 108, 120, 130, 135 Shweder, Richard A. 203, 206, 208 Sichler, Ralph 23, 41, 50, 62, 64, 104, 105, 107, 677, 691, 825 Sieben, Anna 23, 210, 220, 391, 825 Siegel, Karolynn 39, 803, 805, 814 Silberer, Günter 487, 489 Silver, Christina 735, 748, 750, 803 Silverman, David 382, 394 Simmel, Georg 73, 78, 85, 553, 555 Simon, Herbert A. 488, 489, 521, 612 Simons, John 395, 407 Sinding, Christina 359, 365
854 Sines, Marilyn C. 264, 271, 272, 273, 277 Singer, Jerome E. 451, 455, 461 Sinha, Durganand 205, 08 Skånér, Ylva 482, 488 Skinner, Burrhus Frederic 15, 31, 450, 460 Skitka, Linda J. 326, 332 Sloterdijk, Peter 706 Sluka, Jeffrey A. 463, 475 Slunecko, Thomas 25, 439, 441, 442, 443, 444, 448, 627, 628, 629, 637, 638, 641, 686, 690, 825 Smagorinsky, Peter 482, 490 Smedslund, Jan 172, 181, 203 Smith, Dennis 82, 92 Smith, Greg W. 329, 331 Smith, Jonathan 20, 32, 59, 64, 242, 251, 723, 733, 756, 760 Smith, Linda B. 685, 691 Smith, Linda T. 348, 355 Snyder, Charles Richard 160, 164 Soeffner, Hans-Geord 50, 55, 64 Sommer, Gerd 377, 380, 787, 790 Sonntag, Michael 14, 30, 239, 775 Sørensen, Annemette 303, 312, 317 Sparkes, Andrew 811 Spencer, Liz 373, 381 Spering, Miriam 482, 483, 485, 486, 489 Spöhring, Walter 432, 435 Spradley, James P. 425, 435, 467, 475 Spranz-Fogasy, Thomas 652, 660 Spry, Tami 345, 357 Stach, Heike 638, 641 Städtler, Klaus 441, 446, 628, 640 Städtler, Thomas 494, 505 Stagl, Justin 452, 461 Stahlke, Iris 25, 538, 546, 547, 550, 825 Stahlmann, Michael 377, 381 Stainton-Rogers, Wendy 20, 32, 37, 49, 409, 420 Stake, Robert E. 238, 240, 242, 248, 251, 370, 381 Standen, Penny 124, 134 Staples, Clifford L. 802, 805 Starker, Ulrike von 770, 775 Stauber, Helena Y. 270, 277 Stäudel, Thea 477, 488 Stearns, Carol Z. 203, 208 Stearns, Peter N. 203, 208 Stebler, Rita 482, 486, 490 Stefer, Claus 369, 380, 726, 732, 738, 750 Stegie, Reiner 784, 789 Stegmüller, Wolfgang 61, 64
Personenregister Steigleder, Sandra 610, 613 Steinert, Heinz 762, 767 Steinke, Ines 29, 37, 48, 225, 237, 294, 300, 310, 318, 341, 344, 395, 396, 405, 407 Stelter, Reinhard 808, 809, 811, 812 Stemberger, Gerhard 104, 105 Stephens, Debra L. 487 Stephenson, William 524, 537 Stern, Clara 238, 251, 465, 708, 711, 722, 753, 760 Stern, Phyllis 615 Stern, William 15, 238, 251, 461, 465, 708, 711, 722, 760 Stewart, David W. 311, 318 Stewart, Fiona 31, 329, 330, 331 Steyaert, Chris 772, 774 Stiefel, Britta 314, 319 Stierle, Karl-Heinz 136, 140, 149 Stigler, James W. 206 Stiles, William B. 778, 782 Stippel, Dirk 563, 567 Stivers, Tanya 653, 658 Stockmann, Reinhard 369, 374, 381 Stokoe, Elisabeth H. 653, 657 Stone, Gregory P. 85, 93 Stone, Phillip J. 601, 609, 613 Storck, Joachim 785, 790 Stössel, Angelika 519, 523 Strang, Vicki R. 304, 319, 604, 762 Stratkötter, Andreas 244, 251 Straub, Jürgen 11, 16, 18, 23, 27, 32, 54, 56, 57, 59, 60, 61, 62, 64, 99, 106, 107, 108, 109, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 121, 122, 127, 131, 136, 138, 139, 140, 142, 143, 144, 145, 146, 148, 149, 150, 161, 164, 189, 195, 196, 198, 199, 200, 202, 203, 206, 208, 209, 452, 453, 460, 461, 569, 572, 573, 583, 584, 587, 589, 592, 596, 597, 599, 677, 681, 686, 691, 693, 706, 754, 756, 760, 784, 825 Strauß, Bernd 806, 811, 812 Strauss, Anselm L. 20, 66, 77, 86, 93, 225, 237, 244, 249, 304, 372, 379, 397, 406, 411, 415, 420, 462, 463, 473, 564, 578, 580, 611, 614, 615, 616, 617, 618, 619, 621, 622, 623, 624, 625, 626, 649, 659, 682, 690, 737, 744, 749, 755, 764, 766, 769, 775, 776, 782, 786, 787, 789 Streeck, Ulrich 656, 661, 776, 777, 779, 780, 782 Strehl, Reinhard 716, 717, 722 Strehmel, Petra 303, 613, 764, 767 Streib, Heinz 803, 805
Personenregister Strobl, Rainer 295, 302 Strodtholz, Petra 375, 380, 772, 773, 774 Stroebe, Wolfgang 20, 31 Strube, Gerhard 140, 150, 281, 289 Strübing, Jörg 47, 618, 626 Stuckrad, Kocku von 804 Stufflebeam, Daniel L. 373, 381 Stuhr, Ulrich 555, 562, 563, 567, 568, 777, 782 Šuber, Daniel 114, 121 Subrahmanyam, Kaveri 321, 332 Suchman, Lucy A. 770, 775 Suci, George J. 524, 537 Suddaby, Roy 624, 626 Sullivan, Gavin B. 18, 32 Sullivan, Sally 392, 394 Sullivan, William M. 371, 379 Sully, James 708, 722 Summala, Heikki 819, 820 Sundberg, Frederick 104, 106 Sundén, Hjalmar 802, 805 Super, Charles M. 204, 209 Sweeny, Arthur 436, 442, 448 Switalla, Bernd 724, 732 Symon, Gilliam 404, 406, 772, 775 Szabo, Vivian 304, 319 Szalacha, Laura A. 272, 277 Szeminska, Alina 258, 262 Taffertshofer, Andreas 375, 380, 772, 773, 774 Tahir, Marie 795, 797 Tajfel, Henri 653, 661, 763, 766 Tannen, Deborah 590, 600 Tannenbaum Percy H. 524, 537 Taris, Toon 290, 292, 293, 302 Taschwer, Klaus 36, 48 Tashakkori, Abbas 235, 237, 263, 264, 265, 266, 269, 271, 276, 277, 280, 285, 289, 719, 722 te Molder, Hedwig 655, 659, 661 Teddlie, Charles 263, 264, 265, 266, 269, 270, 276, 277, 280, 285, 289, 719, 722 Tedlock, Barbara 348, 357 Teipel, Dieter 810, 811 Temple, Bogusia 309, 319 Tennstädt, Kurt-Christian 521 Terhart, Ewald 398, 400, 407 Tesch-Römer, Clemens 785, 790 Tetlock, Philip E. 261, 262 Theunert, Helga 791, 798 Thiel, Thomas 754, 760 Thierau, Heike 369, 374, 381 Thimm, Caja 756, 760
855 Thomä, Helmut 305, 319 Thomae, Hans 16, 18, 30, 32, 139, 263, 277, 279, 290, 302, 303, 403, 406, 423, 424, 435, 569, 572, 583, 754, 755, 760 Thomann, Bruno 305, 318 Thomas, Alexander 196, 198, 209 Thomas, Kenneth R. 247, 249 Thomas, Stefan 24, 333, 338, 343, 450, 462, 472, 475, 825 Thomas, William I. 82, 93, 761, 767 Thomson, Rachel 290, 295, 300, 301, 302, 312, 319 Thorne, Sally 304, 306, 307, 314, 319 Thurn, Claudia 443, 448 Thurstone, Louis Leon 762, 767 Tietel, Erhard 386, 394, 546, 550 Tietje, Olaf 772, 775 Tietjens, Maike 806, 812 Tilemann, Friederike 538, 543, 549, 550 Tilley, Nicholas 378, 380 Tillmann, Lisa M. 346, 349, 351, 355, 357 Tillmann-Healy, Lisa M. 346, 349, 351, 355, 357 Tippelt, Rudolf 556, 568 Tiryakian, Edward A. 553, 564, 568 Titchener, Edward B. 491, 505 Titscher, Stephan 602, 613 Tjørnhøj-Thomsen, Tine 326, 331 Todd, Zazie 264, 273, 274, 765 Todres, Les 364, 365, 388, 394 Tölle, Marianne 244, 251 Tolman, Deborah L. 272, 277 Tololyan, Khachig 350, 357 Tomasi, Luigi 82, 93 Toth, Stephan 292, 301 Toyosaki Satoshi 349, 357 Trabasso, Tom 795, 797 Tracy, Karen 592, 594, 600 Trahar, Sheila 351, 357 Traxel, Werner 294, 303, 494, 505 Trénel, Matthias 543, 549 Trepte, Sabine 791, 798 Trinczek, Rainer 772, 775 Trojahner, Iris 519, 521 Trommsdorff, Gisela 206 Troyer, Lisa 761, 767 Trujillo, Nick 349, 357 Tschan, Franziska 108, 120 Tschuggnall, Karoline 587, 600, 764, 767 Tuchman, Gaye 793, 798 Tullis Owen, Jillian A. 351, 357 Tulving, Endel 281, 289
856 Turner, Elizabeth A. 263, 275, 684, 690 Turner, Victor 358, 366 Tuval-Mashiach, Rikva 588, 598 Tynes, Brendesha M. 327, 332 Tzavaras Catsambas, Tessi 368, 380 Ulich, Dieter 294, 303, 601, 613, 764, 767 Ulmer, Bernd 318, 792, 798 Unger, Hella von 335, 343, 344 Unger, Rhoda 212, 219, 222 Unz, Dagmar 791, 798 Valenzuela, Angela 346, 357 Valsiner, Jaan 14, 28, 96, 105, 186, 193, 194, 202, 203, 208, 256, 262, 629, 642, 754, 756, 758, 760 Van den Berg, Harry 304, 309, 310, 314, 319 Van der Veer, René 186, 193, 194, 754, 760 Van Langenhove, Luk 32, 135, 598, 666, 673 Van Maanen, John 349, 357, 773 Van Someren, Maarten W. 490 van Sommers, Peter 711, 722 Vande Berg, Leah 349, 357 Varela, Francesco 109, 122 Veenman, Marcel V.J. 486, 490 Verba, Sidney 227, 236 Vidich, Arthur 350, 357 Villers, Jürgen 17, 32 Vogd, Werner 639, 642, 788, 790 Vogel, Ralph 304, 317 Vogelgesang, Waldemar 793, 798 Volkelt, Hans 96, 106 Vollmers, Burkhard 254, 261, 262 Vollmert, Christian 608, 612 Vollrath, Mark 816, 820 Volmerg, Birgit 16, 17, 32, 44, 49, 438, 439, 442, 447, 448, 550, 542, 545, 764, 766 Volmerg, Ute 438, 439, 442, 447, 448, 550 Volpert, Christoph 192, 726, 733 von der Weth, Rüdiger 770, 775 von Wolffersdorf-Ehlert, Christian 456, 460 von Wyl, Agnes 597 Vopel, Klaus 542, 550 Vorderer, Peter 791, 795, 797 Voss, Bernd 726, 733 Vygotskij, Lev S. 108, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 192, 194, 256, 482, 490, 760 Wachholz, Sylvia 562, 563, 568, 777, 782 Wadensjö, Cecilia 652, 661 Wadsworth, Yolanda 339, 340, 344 Waechter, Natialia 321, 332
Personenregister Waern, Yvonne 486, 490 Wagner, Angelika 481, 482, 490 Wagner, Franc 685, 691 Wagner, Gert 313, 319, 320 Wagner, Petra 181 Wagner, Rudi 157, 164 Wagner, W. 685 Wagner, Werner 696, 705 Wagner, Wolfgang 331, 691 Wagner-Willi, Monika 639, 642 Wahl, Diethelm 162, 163, 164, 165, 407, 490, 521, 522, 523 Walach, Harald 59, 64 Waldenfels, Bernhard 112, 114, 117, 118, 122 Waldmann, Michael R. 110, 111, 121 Waldschmidt, Anne 746, 749, 783, 786, 788, 790 Waletzky, Joshua 144, 149, 588, 598 Walkerdine, Valerie 133, 135, 665 Walter, Marc 777, 781 Walter, Ulla 282, 288, 770, 774 Wan, Chin-Sheng 794, 798 Wandersman, Abraham 368, 378, 379 Warner, W. Lloyd 65, 78 Waskul, Dennis 328, 332 Waszak, Cindy 264, 271, 272, 273, 277 Waters, Everett 455, 460, 461 Watson, John Broadus 451, 461, 790 Watson, Rod 653, 659 Watson, Tessa 323, 332 Watzlawick, Paul 525, 537 Watzlawik, Mike 428, 435, 755, 760 Wax, Rosalie 463, 475 Way, Niobe 270, 277 Webb, Rodman 279, 289, 409, 411, 414, 417, 418 Weber, Franz 158, 165 Weber, Kirsten 548, 550 Weber, Max 562, 568 Wegener, Claudia 11, 31, 792, 795, 797 Wehner, Theo 26, 105, 768, 770, 771, 773, 775, 825 Weidemann, Arne 109, 116, 122 Weidemann, Doris 109, 116, 122, 520, 521, 523 Weidenmann, Bernd 271, 276 Weidle, Renate 481, 482, 490 Weinert, Ansfried 771, 775 Weinert, Franz E. 140, 150 Weingarten, Elmar 16, 29 Weischedel, Wilhelm 383, 394 Weitkunat, Rolf 785, 790 Weitzman, Eben A. 734, 735, 750
Personenregister Welch, Sron 388, 394 Wellbrock, Rita 311, 318 Wellek, Albert 15, 32, 94 Weller, Vivian 443, 448 Wellman, Wyatt 325, 332 Welter-Enderlin, Rosemarie 788, 790 Welzer, Harald 26, 629, 761, 764, 766, 767, 785, 825 Wendt-Kleinberg, Walter 377, 381 Wenger, Etienne 191, 193, 770, 774 Wenglorz, Markus 239, 250, 289 Wengraf, Tom 424, 435, 573, 583 Wentura, Dirk 458, 459, 460 Werbik, Hans 16, 27, 59, 64, 107, 108, 122, 202 Wertheimer, Max 15, 94, 95, 96, 97, 99, 103, 106, 254, 260, 262, 333 Wertsch, James V. 183, 190, 194, 202 Wertz, Frederik F. 409, 418 Westhofen, Ralf 158, 163 Westmann, Rainer 252, 262 Wetherell, Margaret 129, 135, 314, 319, 644, 650, 653, 660, 661, 665, 674 White, B. Jack 269, 276, 463, 763, 767 White, Hayden 138, 141, 143, 150 Whyte, William Foote 461, 462, 469, 475, 767 Wichelhaus, Barbara 707, 711, 722 Wickler, Wolfgang 452, 461 Widdershoven, Guy A.M. 373, 375, 379 Widdicombe, Sue 592, 596, 653, 657, 661 Widmer, Thomas 369, 381 Wiedemann, Peter Michael 139, 150, 424, 435, 572, 583, 585, 600, 615, 620, 626 Wiggins, Dick 329, 330, 331 Wikström, Owe 799, 805 Wild, Bodo 441, 446, 628, 640 Wild, Klaus Peter 313, 319 Wilde, Gerald J.S. 817, 820 Wilhelm, Adalbert 249 Wilhem, Thorsten 490 Wilke, Stefanie 776, 782 Wilkinson, Sue 212, 216, 218, 219, 222, 443, 448 Williams, Dmitri 794, 798 Williams, Elizabeth N. 270, 277 Williams, Ethlyn A. 772, 775 Williams, Juanita 213, 222 Williamson, Kirsty 329, 330 Williamson, Paul 801, 805 Willig, Carla 20, 32, 37, 49, 130, 133, 135, 346, 356, 409, 420, 663, 666, 668, 672, 675 Willimczik, Klaus 810, 811, 812 Willis, Paul 87, 93, 437, 448
857 Wils, Elisabeth 443, 448 Wilson, Bruce L. 267, 268, 276 Wilson, Richard W. 736, 750 Wilson, Thomas P. 309, 319, 399, 407 Wilson, Timothy D. 459, 461 Wilson, Tomas Daniel 519, 522 Wilz, Gabriele 787, 790 Winch, Peter 116, 122 Winckelmann, Johannes 555, 568 Wink, Paul 803, 804 Winter, David G. 239, 251 Winter, Rainer 23, 79, 87, 91, 93, 109, 123, 125, 132, 135, 190, 215, 663, 665, 769, 792, 798, 825 Winterhoff-Spurk, Peter 791, 798 Wippert, Pia-Maria 809, 812 Witt, Harald 25, 66, 69, 76, 77, 78, 260, 334, 481, 490, 491, 499, 500, 501, 504, 505, 770, 775, 826 Witte, Stephen P. 482, 490 Wittel, Andreas 792, 793, 796 Wittgenstein, Ludwig 108, 125, 126, 135, 254, 644 Wittig, Monique 214, 222 Wittmann, Werner W. 304, 316, 374, 381 Witzel, Andreas 18, 23, 25, 32, 290, 295, 296, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 306, 310, 312, 315, 316, 318, 319, 425, 426, 435, 738, 750, 770, 774, 826 Woelfer, Claudia 426, 435 Wohlrab-Sahr, Monika 436, 438, 441, 448, 578, 583, 591, 599, 634, 636, 639, 641 Wolff, Stephan 11, 29, 394, 419, 538, 550 Wölfing, Will 482, 490 Wolpe, Joseph 359, 366 Wolter, Heidrun 713, 722 Wood, Julie T. 350, 357 Wooffitt, Robin 645, 653, 654, 657, 659, 661 Wortham, Stanton 589, 592, 600 Wortman, Paul M. 304, 316 Wottawa, Heinrich 369, 374, 381 Wright, Georg H. von 116, 122 Wright, Herbert F. 457, 460 Wright, Michael T. 335, 343 Wright, Talmadge 326, 332 Wulff, David M. 800, 801, 802, 805 Wundt, Wilhelm 14, 32, 66, 96, 185, 195, 253, 254, 262, 464, 491, 492, 493, 505, 553, 555, 767, 768 Würffel, Nicola 480, 490 Wutka, Bernhard 438, 447 Wyatt, Jonahan 350, 357
858 Wygotski, Lew S. 15, 32, 182, 185, 194, 195, 676, 754 Yang, Kuo-Shu 195, 205, 207 Yang, Shu Ching 480, 484, 490 Yardley, Lucy 20, 28, 37, 48, 409, 418 Yardley-Matwiejczuk, Krysia 538, 550 Yates, Lyn 299, 300, 303 Yin, Robert K. 238, 239, 244, 251 Yom, Miriam 482, 483, 490 Youngreen, Reef 761, 767 Zander, Michael 170, 181 Zaner, Richard M. 346, 357 Zaumseil, Manfred 465, 473
Personenregister Zeisel, Hans 65, 77, 278, 289, 415, 419, 450, 460, 465, 474, 553, 566, 763, 766, 769, 774 Zhu, Erping 795, 798 Ziegler, Annette 684, 691 Zielke, Barbara 43, 49, 109, 114, 122, 123, 127, 133, 134, 135, 190, 194, 590, 592, 596, 599, 600, 665, 675 Zilber, Tamar 588, 598 Ziman, John M. 227, 237 Zimbardo, Philip G. 255, 262, 382 Zinn, Jens 296, 301, 770, 774 Znaniecki, Florian 82, 93, 761, 767 Züll, Cornelia 735, 748 Zutavern, Michael 483, 488