Frank Danzinger Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
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Frank Danzinger Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
GABLER RESEARCH Markt- und Unternehmensentwicklung Herausgegeben von Professor Dr. Dres. h.c. Arnold Picot, Professor Dr. Professor h.c. Dr. h.c. Ralf Reichwald, Professor Dr. Egon Franck und Professorin Dr. Kathrin Möslein
Der Wandel von Institutionen, Technologie und Wettbewerb prägt in vielfältiger Weise Entwicklungen im Spannungsfeld von Markt und Unternehmung. Die Schriftenreihe greift diese Fragen auf und stellt neue Erkenntnisse aus Theorie und Praxis sowie anwendungsorientierte Konzepte und Modelle zur Diskussion.
Frank Danzinger
Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten Eine empirische Studie zur Interaktions- und Lernorientierung Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Prof. h. c. Dr. h. c. Ralf Reichwald
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität München, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2124-6
Geleitwort Gegenstand dieser Arbeit sind interaktive Wertschöpfungsprozesse in Industriegütermärkten. Sie werden hervorgerufen durch gravierende Veränderungen in der Unternehmensumwelt und erfordern neue Formen der Arbeitsteilung zwischen Anbietern und Nachfragern. Die Beherrschung des Leistungsaustauschs mit dem zentralen Wertschöpfungspartner „Kunde“ wird zum kritischen Erfolgsfaktor und ergänzt Konzepte der klassischen Industriegüterproduktion. Derartige Veränderungen stellen neue Anforderungen an die Kompetenzprofile von Unternehmen, insbesondere an deren Interaktions- und Lernprozesse. Die typischerweise komplexen Arbeitsaufgaben in Industriegütermärkten erfordern einen hohen Grad der Interaktion mit dem Kunden. Das aktive Management der Kundeninteraktion stellt deshalb für Anbieter von Industriegütern eine Erfolg versprechende Wettbewerbsstrategie dar. Derartige Leistungen eines Unternehmens können als eine besondere organisationale Kompetenz verstanden werden. In der betriebswirtschaftlichen Forschung wird die Bedeutung der Kundeninteraktion für den Innovationsprozess intensiv diskutiert, hingegen findet die Gestaltung alltäglicher Unternehmensprozesse (z. B. Vertriebs- und Marketingaufgaben) im Kontext interaktiver Wertschöpfung nur wenig Beachtung. Diese Thematik bildet einen Schwerpunkt der Untersuchung. Die vorliegende Arbeit von Frank Danzinger greift die Idee einer Kundeninteraktionskompetenz auf. Die Gestaltung einer derartigen Kompetenz wird als eine Aufgabe des strategischen Managements verstanden und theoretisch durch die ressourcenorientierte und systemtheoretische Perspektive fundiert. Kundeninteraktionskompetenz manifestiert sich in der jeweiligen Ausprägung und dem Zusammenspiel von Interaktions- und Lernorientierung. Kundeninteraktionskompetenz – so die These des Autors – umfasst wissensgenerierende und wissensaneignende Werte und Normen, Praktiken und Prozesse. Ein hohes Kompetenzniveau versetzt ein Unternehmen in die Lage, bedarfsgerechte Kundenlösungen anzubieten und sich damit erfolgreich im Wettbewerb zu positionieren. Neben dem wirtschaftlichen Gesamterfolg, wird auch der Kundenbeziehungs- und Neuprodukterfolg positiv durch eine Kundeninteraktionskompetenz beeinflusst. Das Untersuchungsziel der empirischen Analyse ist die Operationalisierung und Messung der Kundeninteraktionskompetenz. Hierzu werden Anbieterunternehmen in vier Branchen untersucht. Die angenommenen Zusammenhänge werden in der Studie aufgedeckt und solide belegt. Zugleich unterstützen die Befunde die Diskussion um eine organisationale Ambidextrie. Aus theoretisch-konzeptioneller Sicht bildet die Arbeit einen systematisierenden Ansatz für die theoretische Erklärung des Zusammenspiels organisationaler Interaktion und organisationalen Lernens im Kontext interaktiver Wertschöpfung. Dabei gelingt es dem Autor, die Brücke
VI
Geleitwort
zwischen den sozialwissenschaftlichen Grundlagen des Themenfeldes und der betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu schlagen. Die Ableitung der Dimensionen einer Kundeninteraktionskompetenz ist ein wesentlicher Beitrag für die theoretische und praktische Durchdringung des Themenfeldes interaktiver Wertschöpfung. Die Ergebnisse dieser empirisch fundierten Arbeit bilden wichtige Bausteine für eine Theorie der Kompetenzentwicklung im Kontext interaktiver Wertschöpfung und deren Anwendung im Kundeninteraktionsprozess. Ich wünsche der Arbeit eine breite Aufnahme in Wissenschaft und Praxis und dem Leser erkenntnisreiche Einblicke in die Welt organisationaler Interaktion und organisationalen Lernens im Rahmen interaktiver Wertschöpfung.
Ralf Reichwald
Vorwort «Le bien est un produit de coopération.» J. Piaget
Eine Vielzahl wissenschaftlicher und praxisorientierter Arbeiten bestätigt die Bedeutung einer Marktorientierung für den Erfolg von Unternehmen. Technologische Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit ermöglichen Unternehmen heute eine sehr viel individuellere Adressierung einzelner Kunden. Diese Adressierung geht über die reine Orientierung auf relevante Märkte hinaus und erlaubt neue Formen des interaktiven Austausches mit dem Kunden. Eben diese Entwicklungen eröffnen ein großes Potenzial zur Verbesserung der Kundenbeziehung und letztlich zur Erhöhung des Unternehmenserfolgs im Sinne des Zitats von Piaget. Vor diesem Hintergrund stellt die vorliegende Arbeit die Frage, wie eine Kundeninteraktionskompetenz von Anbieterunternehmen in Industriegütermärkten gestaltet werden sollte und welche Implikationen sich daraus für den Unternehmenserfolg ergeben. Die vorliegende Dissertationsschrift entstand in den Jahren 2007 bis 2009 am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre – Information, Organisation und Management an der Technischen Universität München. Die Untersuchung wurde inspiriert durch meine Tätigkeit in diversen Forschungsprojekten im Themenkreis interaktiver Wertschöpfung. Die Entstehung dieser Arbeit wurde möglich – ebenfalls ganz im Sinne von Piagets Zitat – durch viele hilfreiche Anregungen und durch die Unterstützung vieler Menschen, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Prof. h. c. Dr. h. c. Ralf Reichwald, in dem ich einen sehr kompetenten und erfahrenen Betreuer hatte, der mir mit Rat immer konstruktiv zur Seite stand. Insbesondere möchte ich ihm für den Freiraum danken, der mich u. a. dazu ermuntert hat, viele sozialwissenschaftliche Lösungsansätze in die Arbeit einzubeziehen. Zugleich möchte ich ihm auch dafür danken, dass er mich an der ein oder anderen Stelle dazu angehalten hat, mich auf Kern der Arbeit zu fokussieren, wodurch der ein oder andere Umweg abgekürzt wurde. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Das empirische Feld dieser Untersuchung stellen Anbieter von Industriegütern dar. Zur Adressierung dieses schwer zugänglichen Felds war die Unterstützung des VDMA von hohem Wert. Hier gilt mein Dank insbesondere Jörn Lehmann und Stefan Prasse. Eine weitere große Hilfe in der Erschließung des empirischen Felds war mein Kollege Ditmar Ihlenburg. Seine Industrieerfahrung und die Bereitschaft diese mit mir zu teilen, haben viele Ideen inspiriert und einige Kontakte gar erst ermöglicht.
VIII
Vorwort
Insbesondere möchte ich mich bedanken bei Dr. Sebastian Bonnemeier, Dr. Jan-Christoph Ihl, Dr. Marcus Kölling und Prof. Dr. Frank Piller, die mir in den einzelnen Phasen der Erstellung meiner Arbeit mit Inspiration, mit Rat sowie als „Sparringspartner“ zur Verfügung standen. Ein herzliches Dankeschön gilt an dieser Stelle auch allen Kollegen am Lehrstuhl für eine durchweg gute Arbeitsatmosphäre und viele Anregungen. In besonderem Maße möchte ich mich bei Katharina Meisel für ihre verlässliche und unkomplizierte Unterstützung in all meinen Projekten und Aufgaben am Lehrstuhl bedanken. Ein ganz besonderes Dankeschön gilt meinen Eltern Brigitte und Herbert Danzinger, die durch ihre stete Förderung und Unterstützung diese Dissertation überhaupt erst ermöglicht haben. Neben meinen Eltern, Großeltern und meiner Schwester Anja haben auch viele meiner Freunde dafür gesorgt, dass ich die Welt neben und nach der Dissertation nicht ganz vergesse. Dafür und für die vielen Freundschaftsdienste im Rahmen meiner „Diss“ möchte ich insbesondere Nina Poggenberg und Uta Renken danken.
Frank Danzinger
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis..................................................................................................... XV Abbildungsverzeichnis................................................................................................... XVII Tabellenverzeichnis .........................................................................................................XIX
1
Einleitung ............................................................................................ 1
1.1 1.2 1.3
Kundeninteraktion in einer „flachen Welt“ ............................................................ 1 Zielsetzung und zentrale Fragestellungen der Untersuchung ...............................7 Standpunkt I: Struktur und Aufbau ...................................................................... 10
2
Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten....................................................................15
2.1 2.1.1 2.1.2
Kundeninteraktion in Industriegütermärkten ...................................................... 15 Charakteristika des Industriegütermarketings ........................................................................17 Aktuelle Entwicklungen: Komplexitätssteigerung, hybride Produkte, Lösungsorientierung, Produktindividualisierung und Consumer Active Paradigm .........22 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten................................... 27 Kompetenzen von Organisationen .........................................................................................27
2.2 2.2.1
2.2.1.1 2.2.1.2 2.2.1.3 2.2.1.3.1 2.2.1.3.2 2.2.1.3.3 2.2.1.3.4
2.2.2
Kompetenzbegriff.................................................................................................................................27 Organisationale Kompetenzen............................................................................................................29 Organisationale Kundeninteraktionskompetenz ..............................................................................37 Begriff, organisationale Ressourcen und Zielgröße Anwendungswissen ......................................37 Organisationale Kundeninteraktionskompetenz und absorptive Kapazität .................................44 Organisationale Kundeninteraktionskompetenz und Wertschaffung/Wertaneignung...............50 Zwischenfazit „Organisationale Kundeninteraktionskompetenz“.................................................53
Interaktions- und Lernorientierung – zwei strategische Orientierungen? .........................56 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.2.2.1 2.2.2.2.2 2.2.2.2.3 2.2.2.3
Typologien strategischer Orientierungen...........................................................................................59 Einordnung der strategischen Interaktions- und Lernorientierung in das Konzept der Entwicklungsphasen strategischer Orientierungen ........................................63 Bindeglied Kundenorientierung und Relationship Marketing.........................................................63 Modifiziertes Modell der Entwicklungsphasen der Unternehmensführung – Einordnung einer Interaktionsorientierung.......................................................................................71 Modifiziertes Modell der Entwicklungsphasen der Unternehmensführung – Einordnung einer Lernorientierung....................................................................................................72 Zwischenfazit „Strategische Orientierungen“ ...................................................................................74
X
2.3 2.3.1
Inhaltsverzeichnis
Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive........................................................................... 78 Unternehmen und Kundeninteraktionskompetenz in einer ressourcenorientierten Betrachtung ..........................................................................78 2.3.1.1 2.3.1.2 2.3.1.3 2.3.1.4
2.3.2
Unternehmen und Kundeninteraktionskompetenz in einer systemtheoretischen Betrachtung ..............................................................................88 2.3.2.1 2.3.2.2 2.3.2.3 2.3.2.4
2.3.3 2.4
Der Resource-Based View (RBV).......................................................................................................80 Der Competence-Based View (CBV).................................................................................................83 Der Resource Dependence View (RDV)...........................................................................................85 Kundeninteraktionskompetenz in einer ressourcenorientierten Betrachtung ..............................87
Konstruktivistisches Denken als Grundlage .....................................................................................89 Charakteristika der Systemtheorie Luhmanns...................................................................................92 Unternehmen in systemtheoretischer Betrachtung ..........................................................................96 Interaktionen und organisationales Lernen in systemtheoretischer Betrachtung.........................97
Zwischenfazit „Unternehmen und Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive“....................................101 Standpunkt II: Bezugsrahmen – Forschungsfrage Ia und Kernhypothesen ..... 102
3
Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung..................................................107
3.1 3.2 3.2.1
Vorgehensweise der Untersuchung .................................................................... 107 Interaktionsorientierung ......................................................................................112 Semantik der Interaktionsorientierung von Unternehmen ................................................112 3.2.1.1 3.2.1.2 3.2.1.3
3.2.2
Grundlegende Interaktionstheorien ......................................................................................121 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3
3.2.3
Interaktion im organisationalen Kauf- und Verkaufsverhalten ................................................... 128 Interaktion in Unternehmensnetzwerken ....................................................................................... 131 Interaktion in der Neuproduktentwicklung.................................................................................... 135
Theoriegeleitete Konzeptualisierung einer Interaktionsorientierung ...............................139 Überprüfung der Konzeptualisierung einer Interaktionsorientierung auf Basis explorativer Experteninterviews ...........................................................................144 3.2.5.1 3.2.5.2 3.2.5.3 3.2.5.4
3.2.6
Die Austausch-/Interaktionstheorie von Homans........................................................................ 121 Theorie der multiplen Perspektiven................................................................................................. 123 Zwischenfazit „Interaktionsorientierung und grundlegende Interaktionstheorien“................. 126
Interaktionsansätze in Investitionsgütermärkten – Stand der Forschung .......................128 3.2.3.1 3.2.3.2 3.2.3.3
3.2.4 3.2.5
Interaktionspartner: Buying und Selling Center............................................................................. 113 Interaktion: Transaktion vs. Beziehung .......................................................................................... 115 Zwischenfazit „Semantik der Interaktionsorientierung von Unternehmen“............................. 119
CPU – Customer Problem Unterstanding/Verständnis für Kundenprobleme......................... 145 IRC – Interaction Response Capacity/Interaktionsfähigkeit ....................................................... 147 CE – Customer Empowerment/Kundenmotivation.................................................................... 149 CVM – Customer Value Management/Kundenwertmanagement.............................................. 151
Zwischenfazit „Konzeptualisierung einer Interaktionsorientierung“...............................152
Inhaltsverzeichnis
3.3 3.3.1 3.3.2
Lernorientierung ................................................................................................. 154 Semantik der Lernorientierung von Unternehmen .............................................................155 Organisationales Lernen – Forschungstraditionen und der Stand der Forschung.........158 3.3.2.1 3.3.2.2 3.3.2.3
3.3.3
DiBella (1995): Normative Perspektive, Entwicklungsperspektive und Fähigkeitsperspektive................................................................................................................. 158 Bell/Whitwell/Lukas (2002): Economic, Developmental, Managerial und Process School ... 161 Zwischenfazit „Forschungstraditionen und Stand der Forschung“............................................ 163
Grundlegende theoretische Ansätze des organisationalen Lernens..................................166 3.3.3.1 3.3.3.2 3.3.3.3 3.3.3.4 3.3.3.5
3.3.4 3.3.5
XI
Kognitive Landkarten und die Kognitionspsychologie Piagets ................................................... 166 Lernen am Modell .............................................................................................................................. 168 Normen des organisationalen Lernens............................................................................................ 169 Organisationales Lernen nach Argyris/Schön (1978) ................................................................... 170 Zwischenfazit „Lernorientierung und grundlegende Ansätze organisationalen Lernens“....... 172
Theoriegeleitete Konzeptualisierung einer Lernorientierung ............................................175 Überprüfung der Konzeptualisierung einer Lernorientierung auf Basis explorativer Experteninterviews ...........................................................................177 3.3.5.1 3.3.5.2 3.3.5.3 3.3.5.4 3.3.5.5
LC – Learning Commitment/Lernausrichtung.............................................................................. 178 SV – Shared Vision/Gemeinsame Vision....................................................................................... 179 EO – Experimentation and Openness/Experimentierfreude und Offenheit ........................... 180 HRP – HR Practises/HR-Praktiken................................................................................................ 181 TIP – Transfer and Integration Processes/Transfer- und Integrationsprozesse ...................... 182
3.3.6 3.4
Zwischenfazit „Konzeptualisierung einer Lernorientierung“............................................184 Standpunkt III: Konzeptualisierung einer Interaktionsund Lernorientierung – Forschungsfrage Ib ...................................................... 185
4
Empirische Validierung einer Interaktionsund Lernorientierung........................................................................193
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3
Grundlegende methodische Aspekte .................................................................. 193 Datenerhebung .........................................................................................................................193 Datengrundlage ........................................................................................................................199 Methodik der quantitativen Analyse......................................................................................201 4.1.3.1 4.1.3.2 4.1.3.2.1 4.1.3.2.2 4.1.3.3
4.1.4
Messphilosophie und Schätzverfahren............................................................................................ 204 Gütebeurteilung auf Ebene der Dimensionen ............................................................................... 207 Gütekriterien der ersten Generation................................................................................................ 207 Gütekriterien der zweiten Generation............................................................................................. 209 Gütebeurteilung auf Ebene der Konstrukte................................................................................... 215
Vorgehensweise bei der Entwicklung der Messmodelle ....................................................220
XII
4.2 4.2.1
Inhaltsverzeichnis
Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung....................... 225 Interaktionsorientierung..........................................................................................................226 4.2.1.1 4.2.1.1.1 4.2.1.1.2 4.2.1.1.3 4.2.1.1.4 4.2.1.2 4.2.1.3
4.2.2
Lernorientierung.......................................................................................................................237 4.2.2.1 4.2.2.1.1 4.2.2.1.2 4.2.2.1.3 4.2.2.1.4 4.2.2.1.5 4.2.2.2 4.2.2.3
4.3 4.4 4.4.1 4.4.2
Analyse auf Ebene der einzelnen Dimensionen (Untersuchungsstufe B).................................. 226 CPU – Customer Problem Understanding/Verständnis für Kundenprobleme........................ 226 IRC – Interaction Response Capacity/Interaktionsfähigkeit ....................................................... 227 CE – Customer Empowerment/Kundenmotivation.................................................................... 228 CVM – Customer Value Management/Kundenwertmanagement.............................................. 229 Analyse auf Ebene aller Dimensionen (Untersuchungsstufe C).................................................. 230 Analyse auf Ebene des gesamten Messmodells (Untersuchungsstufe D) .................................. 233 Analyse auf Ebene der einzelnen Dimensionen (Untersuchungsstufe B).................................. 237 LC – Learning Commitment/Lernausrichtung.............................................................................. 237 SV – Shared Vision/Gemeinsame Vision....................................................................................... 238 EO – Experimentation and Openness/Experimentierfreude und Offenheit ........................... 239 HRP – HR Practises/HR-Praktiken................................................................................................ 240 TIP – Transfer and Integration Processes/Transfer- und Integrationsprozesse ...................... 241 Analyse auf Ebene aller Dimensionen (Untersuchungsstufe C).................................................. 242 Analyse auf Ebene des gesamten Messmodells (Untersuchungsstufe D) .................................. 244
Interaktions- und Lernorientierung – zwei Seiten der Kundeninteraktionskompetenz-Medaille? ................................ 248 Standpunkt IV: Messinstrumente für Interaktionsund Lernorientierung – Forschungsfrage Ic....................................................... 251 Messmodell Interaktionsorientierung....................................................................................252 Messmodell Lernorientierung.................................................................................................255
5
Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung................................................. 259
5.1
Konzeptualisierung, Operationalisierung und Validierung der Erfolgsgrößen ........................................................................... 259 Detaillierung und empirische Überprüfung des Strukturmodells...................... 266 Detaillierung des Strukturmodells..........................................................................................266 Beurteilung des Gesamtmodells.............................................................................................270 Überprüfung der Kernhypothesen ........................................................................................272 Analyse moderierender Effekte: Lösungsorientierung, Wettbewerbsintensität, Unternehmensgröße ..................................................... 274 Lösungsorientierung ................................................................................................................275 Wettbewerbsintensität .............................................................................................................278 Unternehmensgröße ................................................................................................................280
5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3
Inhaltsverzeichnis
5.4 5.4.1 5.4.2
Deskriptive und partielle Analysen ..................................................................... 282 Interaktions- und Lernorientierung – Vorbestimmt oder strategische Handlungsalternativen?....................................................283 Partialmodelle: Interaktions- und Lernorientierung............................................................285 5.4.2.1 5.4.2.2
5.4.3
5.6
Interaktionsorientierung.................................................................................................................... 285 Lernorientierung................................................................................................................................. 287
Deskriptive Analyse einzelner Gestaltungselemente ..........................................................289 5.4.3.1 5.4.3.1.1 5.4.3.1.2 5.4.3.1.3 5.4.3.2 5.4.3.2.1 5.4.3.2.2
5.5
XIII
Interaktionsorientierung.................................................................................................................... 289 CPU – Customer Problem Understanding/Verständnis für Kundenprobleme........................ 289 IRC – Interaction Response Capacity/Interaktionsfähigkeit ....................................................... 291 CE – Customer Empowerment/Kundenmotivation.................................................................... 293 Lernorientierung................................................................................................................................. 294 TIP – Transfer and Integration Processes/Transfer- und Integrationsprozesse ...................... 294 HRP – HR Practises/HR-Praktiken................................................................................................ 296
Modellierung der Wechselwirkungen zwischen Interaktions- und Lernorientierung .................................................................... 297 Standpunkt V: Erfolgswirksamkeit – Beantwortung Forschungsfrage Id ......... 301
6
Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz ....................................................... 305
6.1
Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten – Konsolidierung und Diskussion.......................................................................... 305 Gestaltungselemente einer Kundeninteraktionskompetenz ..............................................307 Erfolgswirkung einer Kundeninteraktionskompetenz – synergetischer Effekt aus Interaktions- und Lernorientierung..........................................310 Implikationen für die Praxis ............................................................................... 314 Kundeninteraktionskompetenz-Matrix – ein Werkzeug des strategischen Managements ....................................................................315
6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1
6.2.1.1 6.2.1.2
6.2.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3
Entwicklung einer Kundeninteraktionskompetenz-Matrix .......................................................... 315 Strategische Handlungsoptionen auf Basis der Kundeninteraktionskompetenz-Matrix.......... 321
Strategische Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von Lern- und Interaktionsorientierung...........................................................324 Implikationen für die Forschung und weiterer Forschungsbedarf .................... 329 Theoretischer Beitrag und Implikationen.............................................................................329 Restriktionen.............................................................................................................................334 Weiterer Forschungsbedarf ....................................................................................................338
Anhang ............................................................................................................................. 341 Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 345 Stichwortverzeichnis ......................................................................................................... 383
Abkürzungsverzeichnis ACAP AGFI AVE AW B2B, B-to-B bzw. CAP CBV CC CE CFI CPU CRM CVM DEV df d. h. dies. ebd. EO et al. etc. F&E gem. GFI ggf. HR HRM HRP i. d. R. IKT IMP IO IRC ITTC k. A. KIK KKV KMO KMU LC LISREL LO lt.
Absorptive Capacity (absorptive Kapazität) Adjusted Goodness-of-Fit-Index Average Variance Extracted Anwendungswissen Business-to-Business beziehungsweise Customer-Active Paradigm Competence-Based View Customer Concept Customer Empowerment Comparative Fit Index Customer Problem Understanding Customer Relationship Management Customer Value Management Durchschnittlich erfasste Varianz Degrees of Freedom das heißt dieselbe/dieselben ebenda Experimentation and Openness et alii et cetera Forschung und Entwicklung (= R&D) gemäß Goodness-of-Fit-Index gegebenenfalls Human Resource Human Resource Management Human Resource Practices in der Regel Informations- und Kommunikationstechnologie International Marketing and Purchasing Interaktionsorientierung Interaction Response Capacity Item-to-Total-Korrelation keine Angabe/keine Angaben (Organisationale) Kundeninteraktionskompetenz Komparativer Konkurrenzvorteil Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium Kleine und mittlere Unternehmen (= SME) Learning Commitment Linear Structural Relationships Lernorientierung laut
XVI MAP med. MIMIC ML MO mod. Mrd. MSA NFI NIH NPS n. s. OL OPERF PACAP PLS R&D RACAP RBV RDT RDV RELPERF RMSEA SFA SME SKA SKM SOR SPECTARIS SR SRMR SV TIP u. a. USP usw. VDMA vgl. VIF vs. z. B. z. T.
Abkürzungsverzeichnis Manufacturer-Active Paradigm mediiert Multiple Indicators and Multiple Causes Maximum-Likelihood Marktorientierung (Market Orientation) moderiert Milliarde/Milliarden Measure of Sampling Adequacy Normed Fit Index Not Invented Here Neuprodukterfolg nicht signifikant Organisationales Lernen Wirtschaftlicher Gesamterfolg Potential Absorptive Capacity Partial Least Squares Research and Development ( = F&E) Realized Absorptive Capacity Resource-Based View Resource Dependence Theory (= RDV) Resource Dependence View (= RDT) Beziehungserfolg Root Mean Square of Approximation Sales Force Administration Small and Medium Enterprises (= KMU) Strategic and Key Accounts Strategisches Kompetenzmanagement Stimulus-Organism-Response Der Deutsche Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien e. V. Stimulus-Response Root Mean Square Residuals Shared Vision Transfer and Integration Processes unter anderem Unique Selling Proposition und so weiter Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. vergleiche Variance Inflation Factor versus zum Beispiel zum Teil
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Abbildung 2 Abbildung 3 Abbildung 4 Abbildung 5 Abbildung 6 Abbildung 7 Abbildung 8 Abbildung 9 Abbildung 10 Abbildung 11 Abbildung 12 Abbildung 13 Abbildung 14 Abbildung 15 Abbildung 16 Abbildung 17 Abbildung 18 Abbildung 19 Abbildung 20 Abbildung 21 Abbildung 22 Abbildung 23 Abbildung 24 Abbildung 25 Abbildung 26 Abbildung 27 Abbildung 28 Abbildung 29 Abbildung 30 Abbildung 31 Abbildung 32 Abbildung 33 Abbildung 35 Abbildung 36 Abbildung 37 Abbildung 38 Abbildung 39
Rahmen der Untersuchung ....................................................................................................10 Aufbau der Untersuchung ......................................................................................................13 Interaktionszyklus ....................................................................................................................16 Systematisierung der Industriegütermärkte..........................................................................20 Kompetenzaufbau durch Lern- und Sozialisationsprozesse in Organisationen (aus Crossan/Lane/White (1999)) ........................................................................................31 Wirkzusammenhang einer Kundeninteraktionskompetenz..............................................39 Austausch von Anwendungswissen in Industriegütermärkten.........................................42 Trichtermodell der absorptiven Kapazität (aus Reichwald/Piller (2009)) ......................47 Prozess der Wertschaffung (aus Bowman/Ambrosini (2000)) ........................................50 Doppelter Wertschaffungs- und Wertaneignungsprozess ................................................51 Organisationale Kundeninteraktionskompetenz ................................................................55 Entwicklungsphasen der Unternehmensführung/strategischer Orientierungen...........62 Relationship Marketing und Unternehmenserfolg .............................................................68 Rollen des Kunden ..................................................................................................................69 Modifiziertes Modell strategischer Orientierungen ............................................................72 Modifiziertes Modell strategischer Orientierungen ............................................................74 Gesamtmodell einer organisationalen Interaktionskompetenz ........................................75 Kausalkette „Strategische Orientierungen“ .........................................................................77 Ursachen, Arten und Wirkungen von Wettbewerbsvorteilen ..........................................79 Erklärungsgehalt des RBV und des CBV für die innere Kausalkette..............................84 Merkmale der Systemtheorie Luhmanns..............................................................................95 Strukturmodell/Kernhypothesen „Kundeninteraktionskompetenz“ ...........................105 Vorgehensweise der Untersuchung.....................................................................................109 Communications Picture aus Sicht des Anbieterunternehmens ....................................114 Typologisierung der Interaktionsansätze ...........................................................................116 Episoden-/Potenzialkonzept von Kirsch/Kutschker/Lutschewitz (1980) .................118 Erweitertes Communications Picture aus Sicht des Anbieterunternehmens ...............120 Theoretische Aspekte der Interaktionsorientierung eines Anbieterunternehmens im erweiterten Communications Picture............................................................................127 Dimensionen und Gestaltung des IO-Konstrukts ...........................................................152 Theoretische Aspekte der Lernorientierung in Anbieterunternehmen.........................174 Dimensionen und Gestaltung des LO-Konstrukts ..........................................................184 Konzeptualisierung Interaktionsorientierung....................................................................188 Konzeptualisierung Lernorientierung.................................................................................190 Vorgehensweise der Entwicklung und empirischen Validierung der Messmodelle....222 MIMIC-Modell des IO-Messmodells .................................................................................234 Messmodell IO nach Untersuchungsstufe D3..................................................................235 MIMIC-Modell des LO-Messmodells ................................................................................245 Messmodell für LO nach Untersuchungsstufe D3 ..........................................................246
XVIII
Abbildung 40 Abbildung 41 Abbildung 42 Abbildung 43 Abbildung 44 Abbildung 45 Abbildung 46 Abbildung 47 Abbildung 48 Abbildung 49 Abbildung 50 Abbildung 51 Abbildung 52 Abbildung 53 Abbildung 54 Abbildung 55 Abbildung 56 Abbildung 57 Abbildung 58 Abbildung 59 Abbildung 60 Abbildung 61 Abbildung 62 Abbildung 63 Abbildung 64
Abbildungsverzeichnis
Erfolgswirkung einer Kundeninteraktionskompetenz.....................................................250 Finales Messmodell „Interaktionsorientierung“ ...............................................................254 Finales Messmodell „Lernorientierung“ ............................................................................257 Erfolgsdimensionen in der Kausalkette „Strategische Orientierungen“.......................261 Detaillierte(s) Strukturmodell/Kernhypothesen „Kundeninteraktionskompetenz“ ..270 Moderatorenmodell ...............................................................................................................274 Verteilung des Grades der Lösungsorientierung ..............................................................276 Verteilung des Grades der Wettbewerbsintensität ...........................................................279 Detaillierte(s) Strukturmodell/Kernhypothesen „Kundeninteraktionskompetenz“ inklusive signifikanter Moderatoren....................................................................................282 Antezedenzen einer IO und LO..........................................................................................284 Partialmodell Interaktionsorientierung...............................................................................285 Partialmodell Lernorientierung............................................................................................288 Deskriptive Analyse des Verständnisses für Kundenprobleme (CPU).........................290 CPU und Lösungsorientierung ............................................................................................291 Deskriptive Analyse der Interaktionsfähigkeit (IRC) .......................................................292 Deskriptive Analyse der Kundenmotivation (CE) ...........................................................293 Deskriptive Analyse der Transfer- und Integrationsprozesse (TIP)..............................294 TIP und Neuprodukterfolg ..................................................................................................295 Deskriptive Analyse der HR-Praktiken (HRP) .................................................................296 Gestaltungselemente einer Kundeninteraktionskompetenz ...........................................308 Erfolgswirkungen einer Kundeninteraktionskompetenz ................................................310 Kundeninteraktionskompetenz-Matrix ..............................................................................315 KIK-Matrix der untersuchten Unternehmen ....................................................................318 Erfolgsunterschiede in der KIK-Matrix.............................................................................319 Normstrategien der KIK-Matrix .........................................................................................323
Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Tabelle 2 Tabelle 3 Tabelle 4 Tabelle 5 Tabelle 6 Tabelle 7 Tabelle 8 Tabelle 9 Tabelle 10 Tabelle 11 Tabelle 12 Tabelle 13 Tabelle 14 Tabelle 15 Tabelle 16 Tabelle 17 Tabelle 18 Tabelle 19 Tabelle 20 Tabelle 21 Tabelle 22 Tabelle 23 Tabelle 24 Tabelle 25 Tabelle 26 Tabelle 27 Tabelle 28 Tabelle 29 Tabelle 30 Tabelle 31 Tabelle 32 Tabelle 33 Tabelle 34 Tabelle 35 Tabelle 36 Tabelle 37 Tabelle 38
Charakteristika des Industriegütermarketings .....................................................................21 Charakteristika und Entwicklungen in Industriegütermärkten.........................................26 Vergleich von Dynamic-Capabilities-Konzepten (aus Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007)) .................................................................................35 Definitionsansätze einer Kundeninteraktionskompetenz .................................................38 Definitionsansätze „Strategische Orientierung“ .................................................................57 Wesentliche Unterschiede der Konzepte „Relationship Marketing“ und „Transactional Marketing“ (aus Hennig-Thurau/Hansen (2000))...........................65 Arten und Eigenschaften von Ressourcen ..........................................................................81 Quellenauswahl zur Erfolgswirkung von IO/LO ............................................................104 Quellenauswahl zum Stand der IO-Forschung I..............................................................130 Quellenauswahl zum Stand der IO-Forschung II ............................................................132 Quellenauswahl zum Stand der IO-Forschung III...........................................................137 Operationalisierung der Dimension Customer Problem Understanding .....................146 Operationalisierung der Dimension Interaction Response Capacity ............................147 Operationalisierung der Dimension Customer Empowerment .....................................150 Operationalisierung der Dimension Customer Value Management..............................152 Typologisierung der Forschungstraditionen des organisationalen Lernens .................164 Quellenauswahl zur Erfolgswirkung von LO/OL ...........................................................165 Operationalisierung der Dimension Learning Commitment..........................................178 Operationalisierung der Dimension Shared Vision..........................................................179 Operationalisierung der Dimension Experimentation and Openness ..........................180 Operationalisierung der Dimension HR Practises............................................................182 Operationalisierung der Dimension Transfer and Integration Processes.....................183 Branchenverteilung................................................................................................................200 Verteilung der Positionen innerhalb der Stichprobe........................................................201 Gütekriterien der ersten Generation...................................................................................209 Überblick über verwendete Gütekriterien .........................................................................210 Gütekriterien der ersten und zweiten Generation ............................................................214 Gütekriterien formativer Messmodelle...............................................................................218 Gütekriterien für Strukturmodelle bei PLS-Verfahren ....................................................220 Ergebnis der exploratorischen Faktorenanalyse über alle exogenen Variablen...........225 Gütekriterien für die CPU-Dimension...............................................................................227 Gütekriterien für die IRC-Dimension ................................................................................228 Gütekriterien für die CE-Dimension..................................................................................229 Gütekriterien für die CVM-Dimension..............................................................................230 Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse der 13 IO-Indikatoren...................231 Gütekriterien auf Ebene aller Dimensionen des IO-Konstrukts...................................232 Multikollinearitätsdiagnose der IO-Dimensionen ............................................................233 Modellvergleich für das IO-Messmodell............................................................................236
XX
Tabelle 39 Tabelle 40 Tabelle 41 Tabelle 42 Tabelle 43 Tabelle 44 Tabelle 45 Tabelle 46 Tabelle 47 Tabelle 48 Tabelle 49 Tabelle 50 Tabelle 51 Tabelle 52 Tabelle 53 Tabelle 54 Tabelle 55 Tabelle 56 Tabelle 57 Tabelle 58 Tabelle 59 Tabelle 60 Tabelle 61 Tabelle 62 Tabelle 63
Tabellenverzeichnis
Gütekriterien für die LC-Dimension ..................................................................................238 Gütekriterien für die SV-Dimension ..................................................................................239 Gütekriterien für die EO-Dimension .................................................................................240 Gütekriterien für die HRP-Dimension...............................................................................241 Gütekriterien für die TIP-Dimension.................................................................................242 Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse der 17 LO-Indikatoren..................243 Gütekriterien auf Ebene aller Dimensionen des LO-Konstrukts..................................243 Multikollinearitätsdiagnose der LO-Dimensionen ...........................................................244 Modellvergleich für das LO-Messmodell...........................................................................247 Exploratorische Faktorenanalyse der manifesten Werte aller neun Dimensionen .....248 Hypothesentest Kundeninteraktionskompetenz ..............................................................251 Hypothesentest der internen Struktur des IO-Konstrukts .............................................255 Hypothesentest der internen Struktur des LO-Konstrukts ............................................258 Empirische Validierung des Erfolgskonstrukts „Beziehungserfolg (RELPERF)“ .....262 Empirische Validierung des Erfolgskonstrukts „Wirtschaftlicher Gesamterfolg (OPERF)“ ......................................................................263 Empirische Validierung des Erfolgskonstrukts „Neuprodukterfolg (NPS)“...............264 Hypothesentest der Struktur der Erfolgskonstrukte RELPERF, NPS und OPERF.............................................................................................265 Gütekriterien des Strukturmodells ......................................................................................270 Hypothesentest der Kernhypothesen .................................................................................272 Direkte und indirekte Effekte ..............................................................................................273 Moderierende Effekte des Grades der Lösungsorientierung..........................................277 Moderierende Effekte des Grades der Wettbewerbsintensität.......................................279 Moderierende Effekte des Grades der Unternehmensgröße..........................................281 Modellvergleich: Zusammenspiel von IO und LO ..........................................................299 KIK-Matrix nach Branchen .................................................................................................320
1
Einleitung
1.1
Kundeninteraktion in einer „flachen Welt“ „To survive and prosper in a competitive marketplace, an organization must strive to respond continuously to opportunities and threats posed by a changing environment.“1
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind Unternehmen mehr denn je ständigen Veränderungen und immer neuen Anforderungen ihrer Umwelt ausgesetzt. FRIEDMAN (2008) führt die aktuellen Herausforderungen auf Entwicklungen zurück, die er als die dreifache Konvergenz bezeichnet und deren Ergebnis er mit der Metapher „der flachen Welt“ verbindet.2 Die erste Konvergenz wird ausgelöst durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologie.3 Deren Nutzung verspricht zahlreiche neue Möglichkeiten für alle Marktteilnehmer und nähert zugleich die Ausgangsbedingungen für alle Marktteilnehmer rund um den Globus aneinander an. Während der nächstbeste Anbieter einer bestimmten Maschine früher nur mit großem Suchaufwand zu finden war, ist er heute oft nur einen Mausklick weit entfernt. Die zugrunde liegenden Entwicklungen der ersten Konvergenz spannen demnach einen (technischen) Möglichkeitenraum auf. Die zweite Konvergenz beschreibt die Entwicklung, dass innerhalb dieses Möglichkeitenraums neue Formen und Methoden wirtschaftlichen Handelns geschaffen werden (z. B. Rapid Prototyping oder Internetvertrieb).4 Diese Entwicklungen nutzen und beschleunigen zugleich die Veränderungsprozesse: Kürzere Produktlebenszyklen erfordern z. B. auch kürzere Innovationszyklen und umgekehrt. Die dritte Konvergenzentwicklung ist auf die Öffnung großer Volkswirtschaften in den letzten Jahrzehnten zurückzuführen (z. B. China). Damit steigt die Zahl der Unternehmen, die Zugang zu dem erweiterten Möglichkeitenraum haben und zugleich die Heterogenität der Voraussetzungen (z. B. durch unterschiedliche Kostenstrukturen). Der Wettbewerb wird so globalisiert und es entsteht die Möglichkeit für Unternehmen neue Kooperationsformen zu einzusetzen (z. B. durch Outsourcing oder Offshoring). Diese Beobachtungen des Wettbewerbsumfelds werfen im Sinne des Zitats von WHITE/VARADARAJAN/DACIN (2003) die Frage auf, welche Wertschöpfungsstrategien, Wettbewerbsstrategien und Kompetenzen Unternehmen entwickeln müssen, um in einer „flachen Welt“ erfolgreich zu sein.5 FRIEDMAN (2008) schließt aus seinen Beobachtungen u. a., dass Unternehmen „vertikale Wert-
schöpfungsprozesse durch stärker horizontal ausgerichtete“6 Wertschöpfungsstrategien ersetzen
1
White/Varadarajan/Dacin (2003), S. 63.
2
Vgl. Friedman (2008), S. 250 ff.
3
Vgl. z. B. Picot/Reichwald/Wigand (2008), S. 5.
4
Vgl. z. B. Picot/Reichwald/Wigand (2008), S. 59.
5
Vgl. Moldaschl (2007), S. 3.
6
Vgl. Friedman (2008), S. 251.
F. Danzinger, Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten doi: 10.1007/978-3-8349-8482-1_1, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
2
1 Einleitung
sollten. Dies bedeutet, dass der Wert von Zusammenarbeit in und zwischen Unternehmen ansteigt.7 Zusammenarbeit als Wettbewerbsstrategie stellt aus einer systemischen Perspektive die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Systems „Unternehmen“ als eine fortwährende Anpassungsleistung dar. Die Anpassungsleistung schafft das Unternehmen durch Interaktion mit seiner Umwelt. Eine Studie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer zeigt einerseits, dass die Unternehmen Strategien ergreifen, um die Umweltdynamik zu bewältigen. Andererseits zeigt sich der hohe Stellenwert der Anpassungsleistung des Unternehmens: Die Strategien „Forcierte Produktinnovation“, „Verstärkte Mitarbeiterqualifikation“ und „Mehr kundenspezifische Problemlösungen“ werden als die drei bedeutendsten Wettbewerbsstrategien bezeichnet.8 Die Interaktion mit dem Kunden, der ein bedeutender Bestandteil der Unternehmensumwelt ist, spielt eine besondere Rolle.9 Die hervorgehobene Stellung des Kunden unterstreicht beispielsweise eine Studie zur Innovationsfähigkeit von Unternehmen: 75 % der Befragten sehen den Kunden als Entwicklungspartner des Unternehmens.10 Ein passives, rein auf Konsum ausgerichtetes Kundenverständnis erscheint nicht mehr zeitgemäß. Die Aktivität des Kunden und die Individualisierung seiner Bedürfnisse zeichnen für viele Märkte ein treffenderes Bild und verdeutlichen die Notwendigkeit der Interaktion mit dem Kunden. 11 In Interaktion mit dem Kunden sind es wiederum die Möglichkeiten der IKT, die neue Formen der Arbeitsteilung zwischen Anbieter und Kunde eröffnen.12 Die neue Art der Arbeitsteilung findet in Theorie und Praxis schwerpunktmäßig im Themenfeld der Innovation Beachtung: Kunden werden direkt als „Lead User“ oder mittels Ideenwettbewerben für die Konzeption völlig neuartiger Lösungen genutzt13 oder sie bestimmen direkt mithilfe von Produktkonfiguratoren selbst individuelle und passgenaue Produkte. Auch im Bereich der alltäglichen Interaktion mit dem Kunden finden sich einige Ansätze in der Literatur. RAMANI/KUMAR (2008) stellen beispielsweise in ihrer Studie eine Umorientierung fest: weg von einer strategischen Marktund hin zu einer strategischen Interaktionsorientierung.14 Angedeutet werden zudem Zusammenhänge zu den Bereichen organisationales Lernen und Innovation.15 Tatsächlich zeigt auch die VDMA-Tendenzbefragung, dass neben kundenindividueller Produktion auch Innovationsaspekte
7
Vgl. Friedman (2008), S. 550 ff.
8
Vgl. Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA), (2008a), S. 12.
9
Vgl. Wildemann (2008), S. 1.
10
Vgl. Mertins/Kohl/Krebs (2008), S. 50. Die Befragung fokussiert nicht ausschließlich auf Industriegüterunternehmen.
11
Vgl. z. B. Reichwald/Piller (2009), S. 135 f.
12
Vgl. z. B. Reichwald/Piller (2009), S. 4.
13
Vgl. v. Hippel (1986) und Walcher (2007).
14
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 41. Im zeitlichen Verlauf sehen Ramani/Kumar (2008) die Evolution von Produktorientierung, Verkaufsorientierung über Marktorientierung bis hin zu Interaktionsorientierung.
15
Ramani/Kumar (2008), S. 40 ff.
1.1 Kundeninteraktion in einer „flachen Welt“
3
und Aspekte der Mitarbeiterqualifikation (also Lernaspekte) hochrelevante Wettbewerbsstrategien in der aktuellen Situation darstellen.16 Das aktive Management der Eigenschaften und Prozesse, die für die Interaktion mit dem Kunden benötigt werden, erscheint eine sinnvolle Strategie, um den Anforderungen einer „flachen Welt“ gerecht zu werden. Diese Untersuchung geht davon aus, dass Unternehmen, die eine derartige Strategie wählen, eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz ausbilden.17 Eine derartige Kompetenz beschäftigt sich mit der Erhaltung und Generierung von Wettbewerbsvorteilen und ist als eine Aufgabe des strategischen Managements zu betrachten.18 Kundeninteraktionskompetenz ist im Verständnis dieser Untersuchung eine Kombination der strategischen Interaktions- und der strategischen Lernorientierung.19 Es ist zu erwarten, dass die Ausprägung einer Kundeninteraktionskompetenz Unternehmen ermöglicht, die Bedürfnisse von (potenziellen) Kunden besser zu identifizieren, Kundenprobleme effizienter und effektiver zu lösen und dadurch die Zufriedenheit des Kunden mit der Geschäftsbeziehung zu steigern.20 Kundeninteraktionskompetenz stellt damit eine horizontale bzw. interaktive Wertschöpfungsstrategie dar und führt zur Erhöhung der sozialen Komplexität zwischen dem Anbieter und dem Kunden sowie innerhalb des Anbieterunternehmens.21 BARNEY (1991) geht davon aus, dass derart komplexe soziale Ressourcen schlecht imitierbar sind und folglich einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil darstellen.22 „Wettbewerbsvorteile wiederum sind [wenn man dem Argumentationsschema der ressourcenorientierten Ansätze folgt,] die Quelle überdurchschnittlicher Gewinne.“23 Kundeninteraktion und Kundeninteraktionskompetenzen werden umso bedeutender, je komplexer die Arbeitsaufgabe und das Umfeld eines Unternehmens sind.24 Besonders komplexe Problemstellungen – und damit einen großen zu erwartenden Effekt einer Kundeninteraktions-
16
Vgl. oben und Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) (2008a), S. 12.
17
Im Weiteren wird vereinfachend auch von „Kundeninteraktionskompetenz (KIK)“ gesprochen.
18
Vgl. Teece/Pisanu/Shuen (1997), S. 509 und Canning/Hanmer-Lloyd (2002), S. 615. Wettbewerbsvorteile definiert Barney (1991), S. 102 wie folgt: „[…] a firm is said to have a sustained competitive advantage when it is implementing a value creating strategy not simultaneously being implemented by any current or potential competitors and when these other firms are unable to duplicate the benefits of this strategy.“
19
Ramani/Kumar (2008), S. 27 bemerken in diesem Kontext: „Firms still need to produce superior products, sell smarter, and understand the markets as a whole, but the ability of firms to orient themselves to interact successfully with their individual customer will differentiate themselves in the future.“ In der Lesart dieser Arbeit kann „understand“ auch als die Kompetenz einer Unternehmung zu lernen begriffen und „orient to interact“ als Kompetenz zur Interaktion mit dem Kunden gedeutet werden.
20
Vgl. Friedman (2008), S. 554.
21
Lt. Barney (1991), S. 110 fallen unter den Begriff der sozialen Komplexität z. B. interpersonale Beziehungen oder die Unternehmenskultur.
22
Vgl. Barney (1991), S. 110 f. und Kogut/Zander (1992), S. 385. In einer weiteren Aussage argumentieren Kogut/Zander (1992), S. 387 ähnlich, verwenden jedoch hierfür nicht Kompetenzen, sondern den entstandenen Wissensbestand als Ursprung des relativen Wettbewerbsvorteils.
23
Bamberger/Wrona (1996), S. 132. Vgl. auch Canning/Hanmer-Lloyd (2002), S. 615.
24
Vgl. Canning/Hanmer-Lloyd (2002), S. 615.
4
1 Einleitung
kompetenz – finden sich auf Industriegütermärkten (vgl. Kapitel 2.1.1). In Anbetracht dieser Tatsache fokussiert sich diese Untersuchung auf Industriegütermärkte. Es ist jedoch anzunehmen, dass wesentliche Aussagen auch auf Konsumgütermärkte übertragbar sind. Die Ausgangsituation dieser Untersuchung lässt sich somit wie folgt zusammenfassen: Ausgangssituation Veränderungen in der Unternehmensumwelt (z. B. technologische Entwicklungen) führen zur Entwicklung neuer Wertschöpfungs- und Wettbewerbsstrategien. Das aktive Management der Eigenschaften und Prozesse, die für die Interaktion mit dem Kunden benötigt werden, stellt eine Erfolg versprechende Strategie dar. Der Aufbau und die Steuerung einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz sind Aufgaben des strategischen Managements. Im nächsten Schritt ergibt sich die Frage, welche Forschungslücken im Bereich einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz existieren. (1) Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit zur Schaffung und Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen und der Erzeugung überdurchschnittlicher Gewinne ist ein wissenschaftlicher Diskurs entstanden, wie eine „Anpassbarkeit“ bzw. die „Fähigkeit zur Anpassbarkeit“ von Unternehmen an Umweltbedingungen gestaltet und messbar gemacht werden kann. MOLDASCHL (2007) attestiert dem bisherigen Ergebnis dieser Diskussion, dass sich daraus ein „Gestrüpp an allgemeiner Kompetenz-, Fähigkeits- und Vermögensbegriffe[n]“25 entwickelt hat. Gemeinsamkeit und Grundgedanke der meisten Modelle ist das Konzept einer Metakompetenz26, das gewährleistet, dass eine Organisation stets veränderungsfähig ist und damit auch wettbewerbsfähig bleibt.27 Problematisch bei derartigen Metakompetenzen ist in der Regel ihre Tauglichkeit im praktischen Einsatz, da die Etablierung und Steuerung nötiger Prozesse schwierig ist bzw. teilweise sogar fraglich erscheint.28 (2) In der wissenschaftlichen Literatur zu den inhaltlich verwandten Konstrukten „Marktorientierung“ und „Kundenorientierung“29 finden sich anerkannte Operationalisierungen (z. B. die MARKOR-Skala) und zahlreiche empirische Untersuchungen.30 Eine umfangreiche Behandlung
25
Moldaschl (2007), S. 5. Zu den weit verbreiteten Konstrukten in dieser Diskussion zählen z. B. „dynamic capabilities“ (Teece/Pisanu/Shuen (1997)) oder „Kernkompetenzen“ (Prahalad/Hamel (1990)). Vgl. auch Anhang 1.
26
„Fast alle Konzepte […] wollen dasselbe fassen, nämlich die Fähigkeit von Organisationen, nein, nur von Unternehmen, sich an wechselnde Umweltbedingungen anzupassen, indem sie selbst Neues kreieren.“ Moldaschl (2007), S. 38.
27
Vgl. Moldaschl (2007), S. 8.
28
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 118 und Moldaschl (2007), S. 3, 38.
29
Laut Homburg (2000), S. 59 basieren die meisten dieser Arbeiten auf den Gedanken von Narver/Slater (1990) und Kohli/Jaworski (1990).
30
Einen Überblick gibt u. a. Homburg (2000), S. 7 ff., 28 ff. Wildemann (2008), S. 1 f. merkt einschränkend an, dass Kundenorientierung zumeist lediglich als Disziplin des Marketings verstanden wird.
1.1 Kundeninteraktion in einer „flachen Welt“
5
des Konstrukts „Interaktionsorientierung“ fehlt hingegen. RAMANI/KUMAR (2008) heben sogar heraus, dass es kein ähnlich umfassendes und anerkanntes Konstrukt „Interaktionsorientierung“ gibt.31 Interaktionsorientierung soll vorerst, im Einklang mit RAMANI/KUMAR (2008) verstanden werden als … „[…] a firm’s ability to interact with its individual customers and to take advantage of information obtained from them through successive interactions to achieve profitable customer relationships.“32
An ein zu konzeptualisierendes Konstrukt muss die Anforderung gestellt werden, dass es a) einer empirischen Überprüfung standhält und b) Implikationen für die Praxis zulässt. (3) Obwohl RAMANI/KUMAR (2008) in ihrem Verständnis von Interaktionsorientierung durch den Passus „take advantage of information obtained“ Lernvorgänge implizit ansprechen, wird der Bereich organisationales Lernen von den Autoren nicht weiter untersucht, jedoch als künftige Forschungsanregung erwähnt. Es existiert demzufolge auch ein Forschungsdefizit, das die Verbindung von organisationaler Interaktion und organisationalem Lernen aus Interaktion betrifft.33 Diese Forschungslücke weist damit eine inhaltliche Nähe zu der Diskussion über den Wirkzusammenhang zwischen Markt- und Lernorientierung auf.34 (4) Sowohl der Trend zur Individualisierung der Nachfrage als auch das Bestreben der Anbieter zu einem Mehr an kundenindividuellen Lösungen legt die Vermutung nahe, dass die traditionelle Trennung zwischen dem alltäglichen Vertrieb von Produkten bzw. Lösungen und der Innovationstätigkeit nicht aufrechterhalten werden kann bzw. sollte. Während zahlreiche Studien den Erfolg und die Gestaltung von Interaktionen in der Neuproduktentwicklung untersuchen,35 wird der Effekt verbesserter „regulärer“ Interaktionen mit Kunden auf den Erfolg der Neuproduktentwicklung vergleichsweise selten betrachtet. Aus den beschriebenen Forschungsdefiziten kann die Problemstellung dieser Arbeit abgeleitet werden:
31
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 27.
32
Ramani/Kumar (2008), S. 27.
33
Das Konstrukt Lernorientierung bzw. organisationales Lernen ist im Vergleich zum Konstrukt Interaktionsorientierung gut erforscht (vgl. z. B. Baker/Sinkula (1999b), Baker/Sinkula (1999a) und Hurley/Hult (1998)).
34
Vgl. z. B. Baker/Sinkula (1999b) und Farrell/Oczkowski (2002), S. 202.
35
Vgl. Kapitel 3.2.3.3.
6
1 Einleitung
Es herrscht ein Defizit an: (1) Konzeptualisierungen, die in der Lage sind, die Schaffung und Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen durch Kundeninteraktionen zu erklären, ohne auf ein Metakonzept zurückgreifen zu müssen. (2a) einer Operationalisierung des Konstrukts „Interaktionsorientierung“, das in Industriegütermärkten einer empirischen Überprüfung standhält. (2b) einer Operationalisierung des Konstrukts „Interaktionsorientierung“, das die Ableitung von Managementimplikationen zulässt (und damit handhabbar erscheint). (3) einer empirischen Überprüfung der Verbindung zwischen organisationalen Interaktionen und organisationalem Lernen im Sinne einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz. (4) Untersuchungen, die die Auswirkungen der Gestaltungselemente regulärer organisationaler Interaktionen auf die Neuproduktentwicklung analysieren. Diese Forschungslücken werden in dieser Untersuchung geschlossen, indem eine Kundeninteraktionskompetenz als das Zusammenspiel der strategischen Ausrichtungen Interaktionsorientierung und Lernorientierung theoretisch fundiert und modelliert wird. Die Konzeptualisierung verspricht ein verbessertes Verständnis einzelner Gestaltungsmerkmale organisationaler Interaktion und organisationalen Lernens. Beide strategischen Orientierungen lassen zudem ein synergetisches Zusammenspiel erwarten, was im Sinne einer Schaffung und Aneignung von Kundeninformationen als organisationale Kundeninteraktionskompetenz zu verstehen ist.
1.2 Zielsetzung und zentrale Fragestellungen der Untersuchung
1.2
7
Zielsetzung und zentrale Fragestellungen der Untersuchung
Aus dem beschriebenen Forschungsdefizit lässt sich das Forschungsziel dieser Arbeit ableiten: Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, Kundeninteraktionskompetenz auf institutioneller Ebene zur Schaffung und Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen als das Zusammenspiel der strategischen Interaktions- und der strategischen Lernorientierung zu operationalisieren. Die Einzelbereiche werden zunächst theoretisch verankert, einzeln modelliert und empirisch validiert. Dem folgt eine empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit und des Zusammenspiels beider strategischer Orientierungen im Sinne einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz. Auf Basis der Forschungsergebnisse werden Implikationen für die weitere Theorieentwicklung und Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet. Das Forschungsziel dieser Arbeit lässt sich in zwei Arten von Zielen aufspalten: Zum einen ein wissenschaftlich-theoretisches Ziel, indem versucht wird, sich den Gegebenheiten der Kundeninteraktion und des organisationalen Lernens aus Kundeninteraktion anzunähern. Zum anderen ein praktisches Ziel, das auf Gestaltungsempfehlungen des organisationalen Lernens aufgrund von Kundeninteraktion gerichtet ist.36 Durch Letzteres schafft diese Arbeit einen praxeologischen Zugang und erfüllt auch die Anforderung, die HEINEN (1991) an die Betriebswirtschaft stellt: „Die Betriebswirtschaftslehre hat […] eine theoretische Erklärungs- und eine praktische Gestaltungsaufgabe zu erfüllen.“37 Das Forschungsziel wird in zwei Hauptforschungsfragen erschlossen. Die erste Forschungsfrage beschäftigt sich mit dem Konstrukt der organisationalen Kundeninteraktionskompetenz. Kundeninteraktionskompetenz wird aufgrund der zentralen Hypothese dieser Untersuchung als das synergetische Zusammenspiel der strategischen Interaktions- und Lernorientierung betrachtet. Forschungsfrage I:
Existiert ein erfolgswirksamer synergetischer Effekt zwischen den strategischen Orientierungen Interaktions- und Lernorientierung im Sinne einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz?
Um diese Forschungsfrage beantworten zu können, müssen zunächst vier Teilfragen (a bis d) beantwortet werden. Die Teilfrage Ia beschäftigt sich mit der theoretischen Einbettung und Verankerung des Zusammenspiels zweier strategischer Orientierungen als Ausdruck einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz.
36
Vgl. Reichwald (1977), S. 231.
37
Heinen (1991), S. 4.
8
1 Einleitung
Forschungsfrage Ia:
Wie kann eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz als Ausdruck der strategischen Orientierungen Interaktions- und Lernorientierung theoretisch verankert werden?
Aufgrund der Absenz eines validen Konstrukts „Interaktionsorientierung“, das speziell die Bedürfnisse von Industriegütermärkten einbezieht, sieht die zweite Teilfrage eine Konzeptualisierung beider strategischer Orientierungen vor.38 Im Anschluss stellt sich die Frage, inwieweit die entwickelten Konzeptualisierungen einer empirischen Validierung standhalten. Forschungsfrage Ib:
Wie lassen sich die strategischen Orientierungen (1) Interaktionsorientierung und (2) Lernorientierung konzeptualisieren?
Forschungsfrage Ic:
Wie sieht ein Messinstrument aus, das (1) die Interaktionsorientierung und (2) die Lernorientierung einer Unternehmung valide und branchenübergreifend messbar macht?
Bereits anhand der vorläufigen Definition der Interaktionsorientierung nach RAMANI/KUMAR (2008) ist anzunehmen, dass aufgrund von Interaktionsprozessen zunächst Informationen entstehen, die die Organisation im weiteren Zeitablauf für ähnliche Problemstellungen nutzen kann. Folgt man dieser Sichtweise, liegt die Vermutung nahe, dass organisationale Lernprozesse zeitlich nachgelagert, maximal jedoch gleichzeitig, eine Wirkung auf den Unternehmenserfolg haben können. Jedoch ist auch der umgekehrte Fall denkbar: Gerade weil ein Unternehmen seine Lernfähigkeiten so weit ausgebaut hat, dass es in der Lage ist, sich bedarfsgerecht Informationen von und über den Kunden zu beschaffen, treten Erfolgsunterschiede im Vergleich zu anderen Unternehmen auf. Das Zusammenspiel der beiden strategischen Orientierungen wird bereits in Forschungsfrage I aufgegriffen. Im Unterschied zur ersten Hauptforschungsfrage untersucht die vierte Teilfrage die Erfolgswirkungen zunächst jeder strategischen Orientierung detaillierter (hinsichtlich Beziehungserfolg, Neuprodukterfolg und wirtschaftlichem Gesamterfolg). Aufgrund dieses Vorgehens können zusätzliche Indizien für die Beantwortung der gesamten Fragestellung gewonnen werden. Forschungsfrage Id:
Wie wirken sich die strategischen Orientierungen (1) Interaktionsorientierung und (2) Lernorientierung auf den Unternehmenserfolg aus?
Die Wirksamkeit einzelner Gestaltungselemente einer Kundeninteraktionskompetenz wirft im Sinne des Forschungsziels die Frage nach den Konsequenzen auf. Einerseits werden wissenschaftliche Aussagen generiert, die dazu beitragen, das Modell der organisationalen Kundeninter-
38
Das Modell von Ramani/Kumar (2008) stellt einen Ansatzpunkt dar, ist jedoch noch nicht speziell auf Industriegütermärkte hin ausgelegt.
1.2 Zielsetzung und zentrale Fragestellungen der Untersuchung
9
aktionskompetenz inklusive Interaktions- und Lernorientierung weiter an die Realität in Unternehmen anzunähern. Andererseits können praxeologische Konsequenzen, d. h. Managementimplikationen, abgeleitet werden. In der Hauptforschungsfrage II werden sowohl praxeologische als auch wissenschaftliche Konsequenzen zusammengefasst: Forschungsfrage II:
Welche praxeologischen Konsequenzen und wissenschaftlichen Aussagen können aus den durchgeführten Untersuchungen abgeleitet werden?
Analog zum Vorgehen bei der ersten Hauptforschungsfrage wird auch die zweite Hauptforschungsfrage weiter detailliert und es werden die folgenden Teilfragen abgeleitet. Forschungsfrage IIa: Welche Implikationen für die Unternehmenspraxis können aus einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz abgeleitet werden? Forschungsfrage IIb: Welche theoretischen Beiträge und Implikationen können aus einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz abgeleitet werden?
10
1 Einleitung
1.3
Standpunkt I: Struktur und Aufbau
„Standpunkte“ finden sich in dieser Arbeit am Ende jedes Kapitels. Einzige Ausnahme stellt das letzte Kapitel dar, das jedoch selbst als ein finaler Standpunkt dieser Untersuchung verstanden werden kann. Standpunkte sind als ein „Innehalten“ zu verstehen und ermöglichen auf einer gesicherten Position einerseits einen Rückblick bzw. eine Zusammenfassung und andererseits einen Ausblick auf das nächste Kapitel. Mit Ausnahme des ersten Kapitels beantwortet jeder Hauptabschnitt eine Haupt- bzw. Teilforschungsfrage. Die Verwendung von Standpunkten verschafft dem Leser eine schnelle Übersicht über die gesamte Untersuchung sowie einzelne Teilschritte. Im Rahmen dieser Arbeit (vgl. Abbildung 1) sind die bisher genannten Aspekte, von der Ausgangssituation über die Problemstellung, das Forschungsziel und die zentralen Forschungsfragen, zusammengefasst. Der Rahmen stellt darüber hinaus die grobe Struktur und die angewandten Methodiken vor.39
Ausgangssituation
Veränderungen in der Unternehmensumwelt (z. B. technologische Entwicklungen) führen zur Entwicklung neuer Wertschöpfungs- und Wettbewerbsstrategien. Das aktive Management der Eigenschaften und Prozesse, die für die Interaktion mit dem Kunden benötigt werden, stellt eine Erfolg versprechende Strategie dar. Der Aufbau und die Steuerung einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz (KIK) sind Aufgaben des strategischen Managements.
Problemstellung
Defizit an: (1) Konzeptualisierungen, die in der Lage sind, die Schaffung und Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen durch Kundeninteraktionen zu erklären, ohne auf ein Metakonzept zurückgreifen zu müssen. (2) Defizit an einer Operationalisierung des Konstrukts „Interaktionsorientierung“ (IO). (3) Defizit an empirischer Überprüfung der Verbindung zwischen organisationalen Interaktionen und organisationalem Lernen im Sinne einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz. (4) Defizit an Untersuchungen, die die Auswirkungen der Gestaltung regulärer organisationaler Interaktionen auf den Erfolg der Neuproduktentwicklung analysieren.
Forschungsziel
(1) (2)
Zentrale Fragestellungen
untersucht in Kapitel
Methodik
Theoretisches Ziel: Wissenschaftlich-theoretische Aussagen bezüglich der Problemstellungen Praktisches Ziel: Praxeologische Konsequenzen und Empfehlungen
(I) Existiert ein erfolgswirksamer synergetischer Effekt zwischen den strategischen Orientierungen Interaktions- und Lernorientierung im Sinne einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz? (a) Theoretische Verankerung einer KIK
(b) Konzeptualisierung von IO/LO
(c) Emp. Validierung der Messmodelle von IO/LO
(d) Erfolgswirkungen einer KIK
(IIa-c) Praxeologische und wissenschaftl. Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Deskriptiv
Deskriptiv/Induktiv
Deduktiv
Deduktiv/Deskriptiv
Deduktiv
Theorie
Theorie/Exploration
Sachlogik
Desk Research
Desk/Field Res.
Field Research
Hypothesentest/ Sachlogik Desk Research
Desk Research
Sachlogik
Abbildung 1 Rahmen der Untersuchung
Ausgehend von der Feststellung, dass zahlreiche Einflüsse die Interaktionen und das Möglichkeitsspektrum für Interaktionen zwischen Anbieter- und Kundenunternehmen stark verändert haben, stellt sich die Frage, wie Unternehmen diese Gegebenheit bestmöglich in Kompetenzen umwandeln, die langfristige Wettbewerbsvorteile generieren. Aufgefasst als eine Fragestellung des
39
Vgl. z. B. Möslein (2000), S. 6 f. und Müller (2007b), S. 10.
1.3 Standpunkt I: Struktur und Aufbau
11
strategischen Managements, wird die Fähigkeit eines Unternehmens, langfristige Wettbewerbsvorteile aus Kundeninteraktionen zu ziehen, als organisationale Kundeninteraktionskompetenz untersucht.40 Während Konstrukte für „Marktorientierung“ oder „Kundenorientierung“ in der Tradition einer „Outside-in“-Perspektive (vgl. hierzu Kapitel 2.2.2.2.1) in der Literatur zu finden sind, finden sich kaum Konzepte einer „Interaktionsorientierung“, die einen echten, bidirektionalen Austausch im Blick haben. Eine Kundeninteraktionskompetenz wird in dieser Arbeit verstanden als die Ausprägung zweier strategischer Orientierungen: Interaktions- und Lernorientierung (im Weiteren auch IO und LO abgekürzt). Zur umfassenden Beantwortung der aufgeworfenen Forschungsfragen wird ein Methodenspektrum genutzt, das von Dokumentenanalyse über qualitative und quantitative Methoden bis hin zu sachlogischen Folgerungen reicht. Das Verständnis, wonach Kundeninteraktionskompetenz durch das Zusammenspiel von Interaktions- und Lernorientierung geprägt ist, erfordert zwei Ebenen innerhalb dieser Untersuchung: Zum einen ist es erforderlich, dass die Kundeninteraktionskompetenz als Ganzes und die entsprechenden Implikationen beschrieben werden (vgl. Kapitel 2, 4.3 und 6). Zum anderen ist die detaillierte Betrachtung der einzelnen strategischen Orientierungen und ihr Zusammenspiel nötig (vgl. Kapitel 3, 4 und 5) Für einen besseren Überblick über die Schritte der Untersuchung werden die wesentlichen Inhalte der einzelnen Kapitel kurz zusammengefasst und in Abbildung 2 dargestellt. In Kapitel 2 wird im Anschluss an diese Einleitung der theoretische Bezugsrahmen aufgebaut. Zunächst wird der Objektbereich der Untersuchung, d. h. Industriegütermärkte und Interaktionen in Industriegütermärkten, charakterisiert. Im Anschluss erfolgt die theoriegeleitete Analyse einer Kundeninteraktionskompetenz, die wiederum aus zwei strategischen Orientierungen zusammengesetzt ist: Interaktions- und Lernorientierung. Beide strategischen Orientierungen werden in die bisher existierende Literatur strategischer Orientierungen eingebettet. Zum Abschluss des Kapitels werden die zugrunde liegenden theoretischen Annahmen über die Generierung von Wettbewerbsvorteilen, Interaktions- und Lernprozessen offengelegt. Ein derartiges Vorgehen soll sicherstellen, dass sich nicht einzelne Gestaltungselemente der zu konzeptualisierenden strategischen Orientierungen letztendlich gegenseitig beeinträchtigen (z. B. aufgrund unterschiedlicher verwendeter Menschenbilder). In Kapitel 3 wird zunächst die kulturelle Perspektive erklärt, die das Zusammenspiel von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen in Unternehmen erklärbar macht und in beiden relevanten Konstrukten, IO und LO, Verwendung findet. Daran schließt sich sequenziell für jede der beiden Orientierungen ein klassischer Konstruktentwicklungsprozess an. Literaturgeleitet erfolgt eine erste Konzeptualisierung, die mittels explorativer Experteninterviews validiert, angepasst und erweitert wird. Der Pre-Test der einzelnen Teildimensionen führt zu den finalen Opera-
40
Eine detaillierte Definition erfolgt in Kapitel 2.2.
12
1 Einleitung
tionalisierungen der anschließenden quantitativen Erhebung. Basierend auf diesen Erkenntnissen wird vermutet, dass die folgenden Dimensionen Facetten des IO-Konstrukts darstellen: Customer Concept, Customer Problem Understanding, Interaction Response Capacity, Strategic and Key Accounts, Customer Empowerment und Customer Value Management. Analog werden Learning Commitment, Shared Vision, Experimentation and Openness, Transfer and Integration Processes und HR Practises als Gestaltungsmerkmale des LO-Konstrukts identifiziert.41 Kapitel 4 umfasst die Untersuchung der Indikatormenge der exogenen Konstrukte IO und LO anhand ihrer Reliabilität und Validität. Ziel des Kapitels ist die Entwicklung eines branchenübergreifenden Messinstruments der organisationalen Kundeninteraktionskompetenz als Ausdruck der strategischen Orientierungen IO und LO. Zunächst erfolgt ein Überblick über die Datenerhebung, Datengrundlage, Methodik und Vorgehensweise. Insgesamt wurden 229 Befragte aus den Industriegüterbranchen Maschinenbau, Anlagenbau, Elektronik/Elektrotechnik und Medizintechnik untersucht. Das Vorgehen in Kapitel 4 lehnt sich an den vorgeschlagenen Verfahren von HOMBURG/GIERING (1996) und GIERE/WIRTZ/SCHILKE (2006) an.42 Die empirische Validierung führt zu zwei validen und reliablen Messmodellen: IO und LO werden jeweils durch vier bzw. fünf Dimensionen dargestellt (13 bzw. 17 Indikatoren). In Kapitel 5 werden die beiden exogenen Konstrukte in einen größeren Zusammenhang eingebettet. Hierzu werden zunächst die Erfolgsdimensionen Beziehungserfolg, Neuprodukterfolg und wirtschaftlicher Gesamterfolg operationalisiert. Im nächsten Schritt werden die Hypothesen des Gesamtmodells geprüft. Zur weiteren Erschließung des Untersuchungsgegenstands werden weitere Analysen durchgeführt (moderierende Wirkungen, deskriptive Auswertungen etc.). Kapitel 6 konsolidiert die Ergebnisse der vier Teilfragen der ersten Hauptforschungsfrage und integriert die Gestaltungsmerkmale einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz (vgl. Forschungsfrage I). Die Untersuchung wird abgeschlossen mit der Darstellung der Implikationen für die Praxis und Forschung (vgl. Forschungsfrage II).
41
Um Missverständnissen durch Übersetzung vorzubeugen, werden in dieser Untersuchung die englischen Dimensionsbegriffe (weiter)verwendet und um die jeweilige Übersetzung ergänzt.
42
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 12 und Giere/Wirtz/Schilke (2006), S. 688.
Kap. 1
1.3 Standpunkt I: Struktur und Aufbau
13
Einleitung
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten 2.3 Kundeninteraktionskompetenz in ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
Theorie
Kapitel 2
2.1 Kundeninteraktion in Industriegütermärkten
3.3 Interaktionsorientierung 3.4 Lernorientierung 3.5 Standpunkt III – Forschungsfrage Ib
tualisierung
3.1 Vorgehens weise der Untersuchung
Konzep-
Kapitel 3
2.4 Standpunkt II – Forschungsfrage Ia
Validierung
4.4 Standpunkt IV – Forschungs frage Ic
Überprüfung
4.3 Interaktions- und Lernorientierung – zwei Seiten der Kundeninteraktionskompetenz -Medaille?
Empirische
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
Empirische
Kapitel 4
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
Kapitel 5
5.1 Konzeptionalisierung, Operationalisierung und Validierung der Erfolgsgrößen 5.2 Detaillierung und empirische Überprüfung des Strukturmodells 5.3 Analyse moderierender Effekte: Lösungsorientierung, Wettbewerbsintensität und Unternehmensgröße 5.4 Deskriptive und partielle Analysen
Abbildung 2
6.1 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten – Konsolidierung und Diskussion 6.2 Implikationen für die Praxis 6.3 Implikationen für die Forschung und weiterer Forschungsbedarf
Aufbau der Untersuchung
Implikationen
Kapitel 6
5.5 Standpunkt V – Forschungsfrage Id
2
Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
In diesem Kapitel wird der Bezugsrahmen einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz aufgespannt. Die Abfolge der einzelnen Teilkapitel ist gekennzeichnet durch einen sich steigernden Abstraktionsgrad der theoretischen Betrachtungsebenen: Zuerst wird der Objektbereich der Untersuchung, die Kundeninteraktion in Industriegütermärkten, analysiert, um ein Verständnis der grundlegenden Begriffe der Kundeninteraktion sowie der Charakteristika von Industriegütermärkten zu entwickeln (vgl. Kapitel 2.1). Der nächste Schritt hat das Ziel, den Gegenstand der Untersuchung, die Kundeninteraktionskompetenz von Anbieterunternehmen, theoretisch zu fundieren (vgl. Kapitel 2.2). Dazu erfolgt zunächst die theoretische Herleitung einer Kundeninteraktionskompetenz sowie die Identifizierung der beiden zentralen Einflussfaktoren Interaktions- und Lernorientierung. Im Anschluss werden beide Orientierungen als Konkretisierung einer Kundeninteraktionskompetenz in den Forschungsstrang des strategischen Managements eingebettet. Die ressourcenorientierte und systemtheoretische Betrachtung stellt zwei wesentliche theoretische Grundgerüste vor (vgl. Kapitel 2.3). Dieses Teilkapitel hat die Aufgabe, eine Kundeninteraktionskompetenz zum einen in einen höheren Theoriezusammenhang einzubetten (nomologisches Netz) und zum anderen die grundlegenden Paradigmen in der Betrachtung von Interaktions- und Lernvorgängen offenzulegen. Abschließend werden die Erkenntnisse im zweiten Standpunkt zusammengefasst und die Kernhypothesen dieser Untersuchung formuliert (vgl. Kapitel 2.4).
2.1
Kundeninteraktion in Industriegütermärkten
Interaktionen zwischen Anbietern und Kunden können als intensiver Informationsaustausch gedeutet werden, der im Rahmen einer gemeinsamen Problemlösungsaufgabe erforderlich ist, um das wechselseitige Informationsdefizit zu decken.43 Damit führen Interaktionen zu „[…] modifications at the individual, group or corporate level which are carried out by one or both parties in an exchange relationship in order to suit new needs or conditions.“44
Interaktion bezeichnet somit im Sinne von MACHARZINA (1970) einen Interaktionszyklus, der durch die Kombination aktiver, reaktiver und (neo-)reaktiver Interaktionen zwischen zwei Beteiligten
43
Vgl. Gemünden (1981), S. 20 und Plinke (2000), S. 92. Als Problem definiert Plinke (2000), S. 18: „[…] eine Aufgabe mit wahrgenommenem Lösungsdruck.“
44
Canning/Hanmer-Lloyd (2002), S. 615.
F. Danzinger, Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten doi: 10.1007/978-3-8349-8482-1_2, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
16
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
(hier sind es Anbieter und Kunde) entsteht (vgl. Abbildung 3).45 Die Interaktion bzw. der Austausch ist dabei nicht Selbstzweck, sondern dient als Vorkehrung von Unternehmen, „[…] um lebenswichtige bzw. auch nur mehr oder weniger notwendige Güter bzw. Ressourcen dauerhaft verfügbar zu haben.“46 Letztlich sichern Interaktionen mit der Umwelt das Überleben von Unternehmen.47 Der Begriff „wechselseitiges Informationsdefizit“ deutet bereits an, dass das zugrunde liegende Problem in unterschiedlichen Facetten bei beiden Interaktionspartnern auftritt (z. B. Modernisierung der Produktionsanlagen vs. Umsatzgenerierung bzw. Generierung von Referenzkunden im Bereich Industrieautomation) und die Interaktion eine „Überbrückungsstrategie“ bzw. „Bridging Strategy“ darstellt, um die jeweiligen Problemstellungen zu lösen.48 Die Existenz unterschiedlicher Facetten und Perspektiven weist zugleich auf Konfliktpotenzial zwischen den Interaktionspartnern hin.
(Neo-)Interaktion
Anbieterunternehmen
aktive Interaktion
Kundenunternehmen
reaktive Interaktion
Abbildung 3
Interaktionszyklus
Um den Begriff der Interaktion49 weiter zu schärfen, ist es nötig, die verwandten Begriffe „Kommunikation“ und „Integration“ abzugrenzen. Dazu eignet sich die Systematisierung von KERSTEN/KERN/ZINK (2006): Während Kommunikation zum Ziel hat, dass Anbieter und Kunde zum richtigen Zeitpunkt relevante Informationen erhalten, geht Interaktion darüber hinaus. Interaktion hat zum Ziel, eine „abgestimmte Zusammenarbeit nach dem AktionsReaktionsprinzip“50 zu realisieren. Integration geht noch einen Schritt weiter und fordert die Etablierung integrierter Gesamtprozesse zwischen Anbieter- und Kundeninteraktion. Aus den bisherigen Erkenntnissen lässt sich Interaktion wie folgt definieren:
45
Vgl. Macharzina (1970), S. 50 f. Macharzina (1970), S. 27 definiert Interaktionen als „[…] wechselseitige Beziehungen, die durch mittelbare oder unmittelbare persönliche Kontakte zwischen zwei oder mehreren Menschen in deren Aktivitäten wirksam werden und stets zu einer gegenseitigen Beeinflussung der jeweiligen Verhaltensweisen führen.“
46
Plinke (2000), S. 5.
47
Vgl. Plinke (2000), S. 7.
48
Vgl. Plinke (2000), S. 9 und Reichwald/Piller (2009), S. 93.
49
Eine Übersicht verschiedener Definitionsansätze zum Begriff Interaktion findet sich bei Möller (2004), S. 11 f.
50
Kersten/Kern/Zink (2006), S. 347.
2.1 Kundeninteraktion in Industriegütermärkten
17
Definition „Kundeninteraktion“ Interaktion ist die Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Kunde, in der ein intensiver Informationsaustausch im Rahmen einer Problemlösungsaufgabe stattfindet. Interaktionen sind geprägt von einem Aktions-Reaktions-Prinzip und begründen eine spezifische Beziehung. Die Definition der Interaktion schränkt den Untersuchungsgegenstand bewusst auf die Kundeninteraktion ein, da dieser Austausch ursächlich für die Begründung eines Unternehmens ist.51 In diesem Kapitel werden Kundeninteraktionen in Industriegütermärkten in zwei Schritten betrachtet: Zunächst geht es darum, generell die Charakteristika des Industriegütermarketings zu ermitteln (vgl. Kapitel 2.1.1). Darauf aufbauend werden aktuelle Entwicklungen in Industriegütermärkten beleuchtet, die ein Konzept einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz berücksichtigen sollte (vgl. Kapitel 2.1.2).
2.1.1
Charakteristika des Industriegütermarketings
Es herrscht ein weitgehender Konsens darüber, dass sich viele Industriegütertransaktionen auf (1) komplexe Probleme und Aufgabenstellungen52 fokussieren und daher stärker als Konsumgütermärkte durch längerfristige Kundenbeziehungen und intensivere Interaktionen mit dem Kunden geprägt sind.53 Die Vermutung liegt demnach nahe, dass Unternehmen in Industriegütermärkten stärker von einer organisationalen Interaktionskompetenz profitieren bzw. diese in stärkerem Maße aufgebaut haben als Unternehmen in Konsumgütermärkten. Der Fokus dieser Studie liegt deshalb nur auf Industriegüterunternehmen. Im Folgenden werden die besonderen Merkmale des Industriegütermarketings zusammengefasst, um das empirische Feld grundsätzlich zu charakterisieren.54 Im allgemeinen Verständnis wird Marketing meist als Konsumgütermarketing begriffen, d. h. die Gesamtheit der Marketingaktivitäten gegenüber dem Endkunden. Industriegütermarketing hingegen, d. h. Verkaufs- und Beschaffungsprozesse zwischen Organisationen mit dem Ziel der aufbauenden weiteren Leistungserstellung, hat jedoch gesamtwirtschaftlich betrachtet die größere 51
Für ein komplexeres Austauschmodell mit weiteren Stakeholdern vgl. Plinke (2000), S. 40.
52
Håkansson/Östberg (1975), S. 118 deuten Komplexität (eher auf individueller Ebene) als: „the number of decision makers, the degree of stability, the amount of unplanned activities, etc.“ Ulrich/Fluri (1995), S. 46 verstehen (eher auf organisationaler Ebene) Komplexität als: „[…] die Vielfalt der Faktoren, die auf die Unternehmung einwirken, und das Ausmaß ihrer gegenseitigen Interdependenzen“. Wildemann (2008), S. 149 ff zeigt entsprechende Strategien des Komplexitäts- und Variantenmanagements.
53
Vgl. z. B. Gemünden (1981), S. 18 und Canning/Hanmer-Lloyd (2002), S. 615. Der Komplexität der Problemstellung folgt demnach die soziale Komplexität in der Problemlösung (im Sinne von Barney (1991), S. 110).
54
Anmerkung: Håkansson/Östberg (1975), S. 113 betonen, das i. d. R. ein unterschiedliches Methodenset im Industriegütermarketing benötigt wird. In wenigen Fällen existieren jedoch auch in Industriegütermärkten Produktgruppen, bei denen Methoden des Konsumgütermarketings Anwendung finden (z. B. bei Standardkomponenten).
18
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Bedeutung.55 BACKHAUS/VOETH (2007) nennen als die beiden wichtigsten Charakteristika für industrielle Kaufentscheidungen (2) Multiorganisationalität und (3) Multipersonalität.56 (2) Auf Industriegütermärkten handeln Organisationen bzw. die Repräsentanten von Organisationen. Zusätzlich zu anbietenden und nachfragenden Organisationen sind oft weitere Organisationen, wie z. B. staatliche oder beratende Organisationen, an einzelnen Transaktionen beteiligt. In Abgrenzung zu dem Begriff des Business-to-Business-Marketings (auch B2B oder B-to-BMarketing) werden im Industriegütermarketing jedoch keine Konsumgüter betrachtet, sondern Güter, mit denen die beschaffende Organisation selbst weitere Leistungen erbringt.57 (3) Transaktionen auf Industriegütermärkten erreichen oft eine hohe Komplexität und/oder strategische Bedeutung für die einzelnen Unternehmen. Durch Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Repräsentanten einer Organisation wird die Komplexität reduziert bzw. die Verantwortung für Entscheidungen verteilt. Folglich steigt die Anzahl der beteiligten Personen bzw. Repräsentanten, was rein dyadische Sichtweisen auf Anbieter- und Nachfragerbeziehungen unmöglich werden lässt. Erschwert wird der wechselseitige Austausch mit dem Kunden jedoch dadurch, dass die organisationale (vgl. Punkt 1) und personale Ebene (vgl. Punkt 2) der Kundeninteraktionen simultan betrachtet werden müssen, obwohl das Verhalten einer Organisation letztendlich durch das Verhalten seiner Individuen bestimmt wird.58 Definition „Industriegütermärkte/Industriegütermarketing“ Industriegütermärkte sind Märkte, auf denen Leistungen von Organisationen beschafft werden, um damit selbst weitere Leistungen zu erstellen.59 Das Marketing für Industriegüter ist insbesondere durch Multiorganisationalität und Multipersonalität der jeweiligen Prozesse und Interaktionen bestimmt. Zusätzlich zu den genannten Merkmalen existieren weitere Aspekte, die jedoch Begleiterscheinungen der Multiorganisationalität und -personalität sind:60 (4) Der Einbezug mehrerer Beteiligter erfordert (intern wie extern) stärker formalisierte Prozesse, um effiziente Ab-
55
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 3 und Statistisches Bundesamt (2006): Die Gesamtleistung der Vorleistungsund Investitionsgüterproduzenten in Deutschland betrug für das Jahr 2006 1.177 Mrd. € gegenüber 317 Mrd. € Umsatz bei Gebrauchs- und Verbrauchsgüterproduzenten.
56
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 10 ff. Eine ähnliche Auflistung von Besonderheiten des Industriegütermarketings findet sich bei Bruhn (2007), S. 34.
57
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 5.
58
Bereits hier sei angemerkt, dass sich diese Untersuchung entsprechend des Ziels dieser Arbeit auf die organisationale Ebene beschränkt. Eine ähnliche Beschränkung findet sich z. B. bei Backhaus et al. (2008), S. 221.
59
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 3.
60
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 9 ff. und Fließ (2000), S. 254 f.
2.1 Kundeninteraktion in Industriegütermärkten
19
stimmungen zu ermöglichen.61 (5) Nachfrager sind auf diesem Markt immer Weiterverkäufer und damit selbst an die Nachfrage ihrer Kunden (Endkunden) gebunden. Man spricht hier von abgeleiteter Nachfrage.62 (6) Aufgrund höherer Komplexität und/oder strategischer Bedeutung der einzelnen Transaktion ist der potenzielle Anbieter- bzw. Kundenkreis kleiner. Dies führt u. a. dazu, dass der gesamte Marketingaufwand auf wenige Kunden gebündelt wird und internationale Transaktionen stärker in Betracht gezogen werden müssen als auf Konsumgütermärkten (inklusive der daraus entstehenden Probleme). (7) Längere Geschäftsbeziehungen und die damit verbundenen Beziehungshistorien sind ebenfalls eine direkte Folge erhöhter strategischer Bedeutung, Komplexität und eines kleineren Anbieter- bzw. Kundenkreises.63 Eine Transaktion muss folglich vor dem Hintergrund der gesamten Geschäftsbeziehung analysiert und bewertet werden. (8) Abschließend führen BACKHAUS/VOETH (2007) den gesteigerten Interaktivitätsgrad zwischen Anbietern und Nachfragern als Merkmal an. Ein erhöhter Interaktivitätsgrad kann als Ableitung zweiten Grades verstanden werden, da (1) bis (7) als Ursachen der erhöhten Interaktivität angesehen werden müssen: Die Komplexität der Aufgabe erfordert beispielsweise verschiedene formale Prozesse beider Organisationen. Die abgeleitete Nachfrage führt hingegen zu einer Erhöhung der Zahl der Abstimmungsschleifen. Konsequenterweise soll deshalb auf den Aspekt des gesteigerten Interaktivitätsgrades noch weiter eingegangen werden. Als Begründung für die Beobachtung einer höheren Interaktivität kann das Zitat von REICHWALD/IHL/SCHALLER (2003) herangezogen werden: „Je nach Komplexität und Unbestimmtheit des gewünschten Leistungsergebnisses kann die interaktive Einflussnahme des Kunden häufiger und intensiver notwendig sein.“64
Die ursprünglich für den Dienstleistungssektor getroffene Aussage hat jedoch auch im Industriegütermarketing Bestand. BACKHAUS/VOETH (2007) stellen fest, dass Industriegüter von einer höheren Komplexität geprägt sind als Konsumgüter (vgl. oben). Damit bestätigen auch die Aussagen von REICHWALD/IHL/SCHALLER (2003) und BACKHAUS/VOETH (2007) die gesteigerte Bedeutung der Kundeninteraktion in Industriegütermärkten. Die präsentierten Aspekte (1) bis (8) charakterisieren Unternehmen in Industriegütermärkten im Allgemeinen. Entsprechend des Unbestimmtheitsgrades des Leistungsergebnisses bzw. der Art der Problemstellung können Industriegütermärkte weiter in typische Geschäftstypen untergliedert werden. So sehen BACKHAUS ET AL. (2008) auf Basis einer institutionenökonomischen Analyse unterschiedliche Quasirenten bei Industriegütertransaktionen und
61
Für eine Übersicht verschiedener Systematisierungen des Beschaffungsprozesses vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 45 und Fließ (2000), S. 256.
62
Bei Plinke (2000), S. 39 und Kleinaltenkamp/Rudolph (2002), S. 287 auch als mehrstufiger Markt bezeichnet.
63
Um die Bedeutung des Managements der Geschäftsbeziehung für das Investitionsgütermarketing herauszustellen, betont Gemünden (1985), S. 01 01: „Investitionsgütermarketing ist Marketing von Geschäftsbeziehungen“.
64
Reichwald/Ihl/Schaller (2003), S. 20.
20
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
unterscheiden vier Geschäftsmodelle bzw. Arten der Industriegütertransaktion: Anlagen-, Zuliefer-, Produkt- und Systemgeschäft (vgl. Abbildung 4).65
Zuliefergeschäft (III)
Systemgeschäft (IV)
Anlagengeschäft (I)
Produktgeschäft (II)
Anonymer Markt Einzelkunde
Abbildung 4
keine Nachfrager QR
Einzeltransaktion
keine Anbieter QR
Nachfrager QR
Kaufverbund
Anbieter QR
QR = Quasirente
Systematisierung der Industriegütermärkte
Ein höherer Interaktivitätsgrad ist demnach nicht nur ein tradiertes Marktverhalten, sondern leitet sich aus der typischen Aufgaben- und Problemstellung in Investitionsgütermärkten (d. h. dem Grad der Komplexität und Unbestimmtheit) ab.66 Neben der – im Vergleich zu Konsumgütermärkten – allgemein höheren Aufgabenkomplexität und damit höheren Bedeutung der Kundeninteraktion in Industriegütermärkten, lässt die vorgestellte Systematisierung der Industriegütermärkte selbst auch unterschiedliche Bedeutungen der Kundeninteraktion in unterschiedlichen Industriegütersegmenten erwarten (vgl. Abbildung 4). Unterschiedliche Interaktivitätsgrade äußern sich jedoch nicht nur auf Basis einzelner Transaktionen, sondern haben auch bei der gesamten Entwicklung der Beziehung beider Transaktionspartner Bedeutung.67 Ein intensiver und häufiger wechselseitiger Austausch zwischen Anbietern und Kunden auf Industriegütermärkten ist somit ein wesentlicher Eckpfeiler des Marketings von Industriegütern (vgl. hierzu auch „Relationship Marketing“ in Kapitel 2.2.2.2.1 oder den integrativen Leistungserstellungsprozess für individualisierte Güter).68
65
Vgl. Backhaus et al. (2008), S. 222 f. Als Grundlage für die Einordnung dienen unterschiedliche Unbestimmtheitsgrade des Leistungsergebnisses bzw. unterschiedliche Unsicherheitsgrade des Kaufs für Anbieter und Nachfrager. Quasirenten entstehen durch spezifische Investitionen eines Geschäftspartners, wodurch ex post (d. h. nach dem Kauf) Anbieter bzw. Nachfrager eine vorteilhafte/ausbeutbare Position erlangen.
66
Vgl. Håkansson/Ford (2002), S. 117.
67
Vgl. Canning/Hanmer-Lloyd (2002), S. 616 und Gemünden (1981), S. 17 in Anlehnung an Schoch (1969).
68
Vgl. Kern (1990), S. 4. Jäger (2004), S. 46 f. stellt die Phasen „individuelle Leistungsspezifikation“, „kundenspezifische Leistungskonstruktion“, „kundenspezifische Leistungserstellung“ und „individuelle Kundenbeziehung“ vor.
2.1 Kundeninteraktion in Industriegütermärkten
21
Welche Konsequenzen lassen sich hieraus für das Marketing von Industriegütern ableiten? KERN (1990) und BACKHAUS/VOETH (2007)69 betonen, dass die zumeist auf SR- und SOR-Paradigmen aufgebauten Modelle des Konsumgütermarketings aufgrund des hohen Bedürfnisses nach Wechselseitigkeit im Industriegütermarketing70 nicht zweckadäquat für die Betrachtung von Industriegütertransaktionen sind. Im Mittelpunkt steht damit nicht primär die Adressierung eines anonymen Marktes, sondern die einzelne Transaktion bzw. die wechselseitige Interaktion. Sowohl KERN (1990) als auch BACKHAUS/VOETH (2007) kommen zu dem Schluss, dass „[…] Absatz- und Beschaffungsentscheidung von Anbietern und Nachfragern simultan in einem Ansatz erfasst werden“71 müssen – einem Interaktionsansatz.72 In den folgenden Abschnitten wird diese Forderung in den Kontext einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz und strategischen Unternehmensausrichtung eingebettet (vgl. Kapitel 2.1.2 und 2.2.2). Tabelle 1 fasst die Charakteristika von Industriegütermärkten bzw. des Industriegütermarketings zusammen. Diese Arbeit beschränkt sich auf Industriegütermärkte. Der Zusatz, dass es sich i. d. R. um komplexe Problemstellungen handelt, wird im Folgenden der Einfachheit halber stillschweigend angenommen. Charakteristika des Industriegütermarketings Charakteristika der Aufgabe Zentrale Charakteristika Abgeleitete Charakteristika
(1) Komplexe Problemstellungen (2) Multiorganisationalität (3) Multipersonalität (4) Formalisierte Beschaffungsprozesse (5) Abgeleitete Nachfrage (6) Hohe Komplexität/Strategische Bedeutung (7) Längere Geschäftsbeziehungen (8) Hoher Interaktivitätsgrad
Tabelle 1 Charakteristika des Industriegütermarketings
Aufgrund der gegebenen Marktstruktur des Betrachtungsobjekts muss an dieser Stelle betont werden, dass in dieser Untersuchung nicht nur reine Investitionsgüter betrachtet werden (vgl. 4.1.1). Es wird gemäß der Definition für Industriegütermärkte auch der Fall zugelassen, dass die zugrunde liegenden Güter Produktionsgüter darstellen, die weiter verbaut, jedoch dabei nicht verbraucht werden.73 Der vorangegangene Abschnitt diente der Analyse der Struktur von Industriegütermärkten. Die Art der typischerweise auftretenden Aufgaben- bzw. Problemstellungen diente als Abgrenzungsund Unterscheidungsmerkmal. Eine vollständige Betrachtung verlangt jedoch auch die Analyse
69
Vgl. Kern (1990), S. 4 und Backhaus/Voeth (2007), S. 12.
70
Vgl. z. B. Reichwald/Ihl/Schaller (2003), S. 36: „Kundeninteraktion bzw. Kundenintegration ist die notwendige Voraussetzung für die Erbringung jeglicher Dienstleistungen und generell für das kundenindividuelle Lösungsgeschäft in B2B-Märkten.“
71
Vgl. Kern (1990), S. 4.
72
Vgl. z. B. Jäger (2004), S. 30.
73
Zum Beispiel Maschinen oder Stationen in einer Anlage. Homburg (2000), S. 58 erweitert den Objektbereich in seiner Studie sogar auf den gesamten Bereich der Produktionsmittel.
22
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
aktueller Veränderungen und Entwicklungen, da diese einerseits zu gravierenden Veränderungen der Marktpositionierung einzelner Unternehmen führen können74 und andererseits maßgeblich den Rahmen mitbestimmen, in dem praktische Konsequenzen einer Kundeninteraktionskompetenz zu betrachten sind.75 Eine derartige Betrachtung erfolgt im nächsten Abschnitt.
2.1.2
Aktuelle Entwicklungen: Komplexitätssteigerung, hybride Produkte, Lösungsorientierung, Produktindividualisierung und Consumer Active Paradigm
Die folgenden aktuellen Entwicklungen sind als Ergebnisse zu verstehen, die aufgrund der strukturellen Marktgegebenheiten entstanden sind, diese jedoch auch maßgeblich prägen. Als zwei wesentliche Treiber für die aktuellen Entwicklungen können identifiziert werden: (1) ein erhöhter Differenzierungsdruck, der wiederum durch technische Entwicklungen und Globalisierung aufgebaut wird, sowie (2) die resultierenden anhaltenden Komplexitätssteigerungen.76 (1) Erhöhter Differenzierungsdruck in Industriegütermärkten: Insbesondere bei Leistungsangeboten mit geringem Innovationsgrad bzw. geringer Spezifität (z. B. einzelne Komponenten) sehen sich Industriegüterunternehmen durch neue Informationsmöglichkeiten durch IKT und globalisierte Märkte einem verschärften Wettbewerb ausgesetzt. Dieser Trend setzt Anbieterunternehmen einem erhöhten Differenzierungsdruck aus (z. B. durch zusätzliche Angebote, Individualisierungen, Services).77 Trotz der Unterschiede der grundsätzlichen Problemstellungen in Konsum- und Industriegütermärkten gleichen sich die Wettbewerbssituationen an, wie der Aussage von MATTMÜLLER/TUNDER (2006) zu entnehmen ist: „Von einer solchen Verteilung [gemeint sind Marketingbudgets für Produkteinführungen in Konsumgütermärkten] ist der Investitionsgüterbereich in der Tat noch einiges entfernt, wenngleich auch dort zu beobachten ist, dass im Zuge der allgemeinen Angleichung von Qualitätsstandards der Differenzierungsdruck von Unternehmen wächst.“78
(2) Es finden sich zahlreiche Belege für Komplexitätssteigerungen in Industriegütermärkten: Beispielsweise berichten SCHUH ET AL. (2004), dass „[…] durchschnittlich bei mehr als 70 % der produzierenden Unternehmen die Anzahl an Produktvarianten über den Produktlebenszyklus signifikant ansteigt“.79 Ähnliche Ergebnisse liefern auch weitere Untersuchungen unterschiedlicher Komplexitätstreiber (z. B. Artikelzahl, Produktvariantenzahl, Produktlebenszyklusver74
Vgl. z. B. Mercer Management Consulting (k. A.).
75
Vgl. Forschungsfrage II.
76
Vgl. z. B. Rauen (2006), S. 22, Schuh et al. (2006), S. 186, Capgemini (2006), S. 4 und WZL RWTH Aachen/IPT Fraunhofer Institut Produktionstechnologie (2007), S. 26, 28.
77
Vgl. z. B. Backhaus/Voeth (2007), S. 208.
78
Mattmüller/Tunder (2006), S. 114.
79
Schuh et al. (2004), S. 8. Ähnliche Beobachtungen finden sich bei Danzinger et al. (2008), S. 11.
2.1 Kundeninteraktion in Industriegütermärkten
23
kürzung, Lieferzeitverkürzung, Verkürzung der Time-to-Market für Innovationen etc.).80 Die beiden vorgestellten Treiber sind in aktuellen Entwicklungen zu finden bzw. sind die Ursache dafür. In der der Betrachtung von Industriegütermärkten darf die Diskussion dieser Entwicklungen nicht fehlen: Mit dem Ziel der Wettbewerbsdifferenzierung und Wertschaffung für Kunden bieten Unternehmen verstärkt hybride Produkte, d. h. Produkt-Dienstleistungsbündel an.81 So tritt beispielsweise anstelle des klassischen Produktverkaufs (z. B. Schaltschrank) ein Nutzungskauf mit Verfügbarkeitsgarantien (z. B. Telefonanlage mit Wartungsvertrag) oder gar der Gesamtbetrieb einer ganzen Anlage (z. B. Betrieb der Telekommunikationsinfrastruktur).82 Ohne es direkt anzusprechen, hebt DRUCKER (1974) bereits drei Jahrzehnte zuvor die Bedeutung hybrider Leistungsbündel hervor: „What the customer thinks he/she is buying, what he/she considers value, is decisive […] what the customer buys and considers value is never a product. It is always utility, that is, what a product or service does for him.“83
Neben der hybriden Leistungserbringung lässt sich aus dem DRUCKER-Zitat auch der Begriff der „Lösungsorientierung“ ableiten.84 Im Sinne einer Lösungsorientierung steht nicht das jeweilige Produkt (z. B. der Verkauf eines einzelnen Telefons) im Vordergrund der Bemühungen eines Anbieterunternehmens, sondern die Lösung eines Kundenproblems (z. B. Sicherstellung der Telefonkommunikation).85 Die Orientierung zur Lösungserstellung für einen Kunden geht dabei einher mit kundenindividueller Produktion. Diese Beobachtungen werden durch die Ergebnisse der VDMA-Tendenzbefragung gestützt, die die Strategie „Mehr an kundenindividuellen Lösungen“ auf Rang vier der Wettbewerbsherausforderungen setzt.86
80
Vgl. z. B. Antioco et al. (2008), S. 337, Backhaus et al. (2008), S. 317, Rauen (2006), S. 22 und Schuh/Schwenk (2001). Die beiden identifizierten Treiber sind nicht als überschneidungsfrei und exklusiv zu werten.
81
„Als hybride Produkte sollen im vorliegenden Zusammenhang hoch integrierte und kundenindividuell zusammengestellte Leistungsangebote aus Sach- und Dienstleistungen bezeichnet werden.“ (Bonnemeier/ Burianek/Reichwald (2008), S. 2 in Anlehnung an Burianek et al. (2007)). Vgl. ebenfalls Antioco et al. (2008), S. 337.
82
Vgl. Bonnemeier/Burianek/Reichwald (2008), S. 1.
83
Drucker (1974), S. 61.
84
Vgl. Antioco et al. (2008), S. 337.
85
Vgl. z. B. Kleinaltenkamp/Jacob (2006), S. 52. Penttinen/Palmer (2007), S. 553: „The degree of completeness of an offering relates to the degree to which customer problems are solved and to the amount of the additional work left to the customer.“ Lösungen können demzufolge mit Stremersch/Wuyts/Frambach (2001), S. 1 verstanden werden als: „[…] comprehensive bundles of products and/or services that fully satisfy the needs and wants of a customer related to a specific event or problem.“
86
Vgl. Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) (2008a), S. 12. Ebenso wurde in einer aktuellen Befragung im deutschen Maschinen- und Anlagenbau neben der „Darstellung von Neuheiten“ auch der „Unternehmensdarstellung als Problemlöser“ eine sehr hohe Bedeutung zugemessen (vgl. Danzinger et al. (2008), S. 11). Die Nähe der Konzepte Komplexität, Problemlösung und kundenindividuelle Produktion wird bereits bei Zörgiebel (1983), S. 188 aufgegriffen, der die Wettbewerbsstrategien im Werkzeugmaschinenmarkt analysiert.
24
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Sofern kundenindividuelle Produktion kein Lippenbekenntnis bleiben soll, bedeutet eine derartige Entscheidung tiefe Eingriffe in die Entwicklungs- und Produktionsprozesse.87 Darüber hinaus ändert sich auch der Interaktions- und Kaufprozess zwischen Anbietern und Kunden bei kundenindividueller Produktion. Gemäß dem Kauf- und Interaktionsprozess von REICHWALD ET 88 AL. (2006) kommt der Interaktionsphase (im engeren Sinne) eine besondere Bedeutung zu. In diesem Schritt geht es „[…] um die Aufnahme der Kundenwünsche sowie um die Spezifikation des Produktes durch den Kunden. Die Produktspezifikation entspricht dabei der konkreten Gestaltung des individualisierten Produktes, vor allem hinsichtlich Funktion, Dimensionierung und Design.“89
Lösungsorientierung und das Angebot hybrider Leistungsbündel sind einerseits als Ursache für die Erhöhung der unternehmensinternen Komplexität betrachtet worden,90 können jedoch auch als Reaktion der Anbieterunternehmen verstanden werden, die eine Reduktion der Komplexität für deren Kunden zum Ziel hat. Durch die Internalisierung von Umweltkomplexität versucht das Anbieterunternehmen, so eine vorteilhafte Wettbewerbsposition zu erreichen (vgl. Kapitel 2.3). In beiden vorgestellten Konzepten bzw. aktuellen Trends (Lösungsorientierung und Angebot hybrider Leistungen) wandelt sich das traditionelle Bild des Kunden („Manufacturer-Active Paradigm“ im Folgenden MAP91). Das Kundenbild äußert sich durch die Ausprägung der Kooperation zwischen Anbieter und Kunde. Zur Einordnung des Kooperationsgrades muss hier nochmals auf die Abgrenzung zwischen Kommunikation, Interaktion und Integration zurückgegriffen werden:92 Während Kommunikation das Ziel hat, zum richtigen Zeitpunkt relevante Informationen zur Verfügung zu stellen, geht es bei Interaktion um eine „abgestimmte
87
Vgl. z. B. Lindemann/Baumberger (2006), S. 9 ff., Kleinaltenkamp/Jacob (2006), S. 46 f. oder v. Hippel (2006), S. 126 f.
88
Vgl. Reichwald et al. (2006), S. 118. Der gesamte Interaktions- und Kaufprozess für kundenindividuelle Produkte umfasst die Phasen: Kommunikationsphase, Angebotssuchphase, Interaktionsphase, Wartezeit und Lieferung, Nachkaufphase und Wiederholungskäufe.
89
Reichwald et al. (2006), S. 120.
90
Vgl. Christopher/Payne/Ballantyne (2002), S. 226.
91
„Der Hersteller ermittelt durch den Einsatz klassischer Marktforschungsinstrumente potenzielle Kundenbedürfnisse, transferiert diese Bedürfnisinformationen der Kunden durch eigene Anstrengungen oder formale Kooperationen mit Partner in Lösungsideen und testet deren Akzeptanz und Potenzial iterativ in den nachfolgenden Innovationsphasen bis zur finalen Markteinführung der Leistung. Der Abnehmer wird als repräsentative statistische Durchschnittsgröße interpretiert. Ihm fällt die Aufgabe zu, Innovationsideen des Herstellers mit eigenen Bedürfnissen abzugleichen und seine individuelle Nutzenfunktion zu artikulieren“ (Reichwald/Piller (2009), S. 135).
92
Vgl. Kersten/Kern/Zink (2006), S. 347.
2.1 Kundeninteraktion in Industriegütermärkten
25
Zusammenarbeit nach dem Aktions-Reaktions-Prinzip“93. Integration fordert darüber hinaus die Etablierung integrierter Gesamtprozesse zwischen den Interaktionspartnern. Aufgrund der angeführten aktuellen Beobachtungen ist für diese Untersuchung die Betrachtung des einzelnen Kunden von zentraler Bedeutung. Ein echter, bidirektionaler Austausch zwischen Anbieter und Kunde bildet dafür die Grundlage. Der zu betrachtende Kooperationsgrad und damit auch der Fokus dieser Untersuchung ist damit die „Interaktion“. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Kooperation mit bestimmten Kundengruppen (z. B. Key Accounts) weiter führen und damit tendenziell eher der Stufe der „Integration“ zugerechnet werden kann. Das MAP kann dem Anspruch einer abgestimmten, aktiven und proaktiven Zusammenarbeit nicht gerecht werden. Demnach bedarf es eines neuen Paradigmas: das Customer-Active Paradigm (im Folgenden CAP)94. Das CAP versteht „den Kunden bzw. Nutzer als Quelle und Initiator des Innovationsprozesses“95 bzw. der relevanten Problem- bzw. Lösungsinformationen. Die Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Nachfrager kann verschiedene Ausmaße annehmen. SHAH (2000) und V. HIPPEL (1998) zeigen Beispiele, bei denen Nutzer gänzlich neue Produktentwicklungen anstoßen und sogar die ersten Schritte selbst unternehmen. Diese Offenheit der Kunden wird von HARHOFF/HENKEL/V. HIPPEL (2003) als „free revealing“ bezeichnet.96 Der Grundgedanke des CAP und die Einbindung von Interaktionspartnern in Innovationsprozesse findet in der Literatur große Resonanz, wie beispielsweise die Literaturübersicht von STOTKO (2005) zeigt.97 Nichtsdestotrotz muss bei aller Begeisterung für die Aktivierung der Nutzer und Kunden der Aufgabencharakter der jeweiligen Problemstellung berücksichtigt werden, um auch innerhalb des CAP Effizienzansprüchen gerecht zu werden.98 Aus Sicht des Anbieters geht es letztendlich darum, zu entscheiden, ob die aktuelle Aufgabenstellung eher mit
93
Kersten/Kern/Zink (2006), S. 347. Der Übergang zwischen den einzelnen Stufen inkludiert die jeweils darunter liegende Stufe und führt auch zu Grauzonen in den jeweiligen Übergängen (beispielsweise kann die Organisation von Kundenworkshops in den Bereich Interaktion oder Integration fallen).
94
„Customer-Active“ deutet nur an, dass der Kunde nicht mehr als passiv angenommen wird. Die Aktivität des Herstellers/Anbieters bleibt natürlich weiterhin bestehen. Um die Bedeutung der Interaktion hervorzuheben, wäre die Benennung „Customer/Manufacturer-Active“ besser. Kersten/Kern/Zink (2006), S. 345 deuten dies an, indem sie als Ergebnis von Komplexitäts- und Kundenindividualitätssteigerungen (vgl. auch Reithofer, S. 835) einen stärkeren Bedarf zur Kollaboration zwischen Kunde und Hersteller sehen. Im Folgenden wird in diesem Sinn jedoch weiterhin der Terminus „Customer-Active“ beibehalten.
95
Reichwald/Piller (2009), S. 138.
96
Der Begriff „free“ erscheint jedoch irreführend, denn Harhoff/Henkel/v. Hippel (2003) nennen folgende Gründe, warum Nutzer offensichtlich ohne direkte Gegenleistung bereit sind, ihr Wissen Unternehmen zu überlassen: eigene Produktnutzung und Produktverbesserungen, Netzeffekte und Standards, niedrige Rivalität zwischen anderen Abnehmern und Reputation. Diese Befunde lassen erwarten, dass zwar die Wissensweitergabe zunächst kostenfrei erfolgt, sich jedoch zumindest langfristig ein Nutzen bei dem Überlassenden einstellt. Vgl. auch v. Hippel (2006), S. 33 ff., 77 ff.
97
Vgl. Stotko (2005), S. 69 ff. oder auch Tabelle 11 in dieser Arbeit.
98
Die Bandbreite der Möglichkeiten und Reaktionen auf Problemstellungen wird bei Jacob (1995), S. 710 und Kleinaltenkamp/Jacob (2006), S. 32 f. gezeigt (Standarderzeugnis, Baureihe, Baukasten, Konstruktion nach festem Prinzip, Variantenkonstruktion, Anpassungskonstruktion, Neukonstruktion).
26
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
routiniertem oder problemlösendem Verhalten bewältigt werden kann.99 Die Ansätze des CAP entfalten ihre stärkste Wirkung in problemlösenden Bereichen bzw. Innovationsprozessen.100 Um eine kundenindividuelle Ausrichtung zu gewährleisten, gibt es in Abhängigkeit der Aufgabe vielschichtige Möglichkeiten, die entsprechend der Kundeneinflussnahme bzw. der Weite des Lösungsraums auf einem Kontinuum angeordnet werden können: Kundenindividuelle Kataloge mit Standardprodukten, Methoden der Mass Customization bis hin zu wirklich offenen Innovationsprozessen.101 Charakteristika des Industriegütermarketings Charakteristika der Aufgabe Zentrale Charakteristika Abgeleitete Charakteristika
Aktuelle Entwicklungen
Tabelle 2
(1) Komplexe Problemstellungen (2) Multiorganisationalität (3) Multipersonalität (4) Formalisierte Beschaffungsprozesse (5) Abgeleitete Nachfrage (6) Hohe Komplexität/Strategische Bedeutung (7) Längere Geschäftsbeziehungen (8) Hoher Interaktivitätsgrad Treiber: x Steigender Differenzierungsdruck x Anhaltende Komplexitätssteigerungen Entwicklungen: x Steigende Verwendung hybrider Leistungsbündel (Kombination von Sachund Dienstleistungen) x Verstärkte Lösungsorientierung x Zunehmende kundenindividuelle Produktion x Paradigmenwechsel: Manufacturer-Active Æ Customer-Active
Charakteristika und Entwicklungen in Industriegütermärkten
Die neue, interaktive Herangehensweise an die Gestaltung der Kundeninteraktion und der Nutzung lokaler („sticky“) Information in Problemlösungsprozessen102 führt dazu, dass sich die Wertschöpfungsperspektive von einer rein transaktionalen Perspektive zu einem interaktiven, relationalen Prozess wandelt.103 Dem Anbieterunternehmen kommt damit eine neue, i. d. R. nicht vertraute Aufgabe zu: die Aktivierung und Steuerung von Kunden und Innovationen.104 Dieser Schluss steht im Einklang mit dem Befund in Kapitel 2.1.1, der der Kundeninteraktion aufgrund der Charakteristika des Objektbereichs eine zentrale Rolle einräumt. Zusammenfassend zeigt Tabelle 2 die Befunde des Kapitels 2.
99
Für eine Definition von „routiniertem“ und „problemlösendem“ Verhalten vgl. Ulrich/Fluri (1995), S. 39.
100
Vgl. v. Hippel (2006), S. 71. Von Hippel (2006), S. 108 hebt hervor, dass die Fehlerquote von Innovationen (entspricht neuen Problemstellungen) durch die Einbindung von Nutzern verringert werden kann.
101
Für Definitionen zu „Mass Customization“ und „Open Innovation“ vgl. Reichwald/Piller (2009), S. 9.
102
Vgl. v. Hippel (1994).
103
Vgl. Bonnemeier/Burianek/Reichwald (2008), S. 2, Reichwald/Piller (2009), S. 15, 153 und Tuli/ Kohli/Bharadwaj (2007).
104
Vgl. Reichwald/Piller (2009), S. 153.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
2.2
27
Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Im Fokus dieser Arbeit steht die organisationale Kundeninteraktionskompetenz in den zuvor charakterisierten Industriegütermärkten. Bereits in Kapitel 1.1 wurden die Forschungslücken in diesem Themenfeld skizziert. In diesem Kapitel wird zunächst das Wesen organisationaler Kompetenzen geklärt, bevor Kundeninteraktionskompetenz als Zusammenspiel zweier strategischer Orientierungen skizziert und theoretisch fundiert wird. Die Bestandsaufnahme der Literatur erfolgt entsprechend der einzelnen Entwicklungsschritte sukzessive für Kundeninteraktionskompetenz (vgl. Kapitel 2.2.1.3), für strategische Orientierungen (vgl. Kapitel 2.2.2) und letztendlich detailliert für Interaktion- und Lernorientierung in Kapitel 3.
2.2.1
Kompetenzen von Organisationen
Zunächst wird in diesem Abschnitt der oft verwendete, jedoch schillernde Begriff der Kompetenz geschärft. Im Folgenden wird untersucht, was eine organisationale Kompetenz im Allgemeinen und eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz im Besonderen ausmacht.
2.2.1.1
Kompetenzbegriff
Zum Begriff der Kompetenz existiert bis heute keine einheitliche Definition bzw. kein einheitliches Verständnis.105 Nicht selten wird der Begriff auch nur mit einer vagen Definition gebraucht.106 Ursprünglich entstammt das Konstrukt Kompetenz dem Erziehungsbereich, wurde jedoch in unterschiedlichste Forschungsrichtungen übernommen und weiter ausgebaut.107 HOFFMANN (1999) stellt in seiner Zusammenschau drei Auffassungen des Kompetenzbegriffs heraus: (1) Kompetenzen als beobachtbare Performanz, (2) Kompetenz als die Qualität des Ergebnisses der Performanz einer Person oder (3) Kompetenz als die zugrunde liegenden Eigenschaften einer Person.108 Unter der Annahme, dass individuelle und organisationale Phänomene vergleichbar sind, ist das Kompetenzverständnis dieser Arbeit hauptsächlich in die letztgenannte Gruppe
105
Vgl. z. B. Müller (2007b), S. 51, v. Rosenstiel (2004), S. 109, Erpenbeck/v. Rosenstiel (2003), S. IX oder Hoffmann (1999), S. 275.
106
Vgl. Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007), S. 914 ff.
107
Vgl. Hoffmann (1999), S. 275, Schreyögg/Kliesch (2003), S. 8 ff. und Schreyögg/Kliesch (2004), S. 7 f. Hoffmann (1999) zeigt eine Liste von Forschungsbereichen, die Kompetenzbegriffe unterschiedlich verwenden (Psychologie, Managementforschung, HRM, Erziehung und Politik). Zusätzlich sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Begriffe „Kompetenz“ und „Competency“ im jeweiligen Sprachgebrauch zwar die jeweils andere Übersetzung liefern, jedoch unterschiedliche Konnotationen tragen können (dieser Befund konnte auch bei Interviews festgestellt werden).
108
Vgl. Hoffmann (1999), S. 276.
28
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
einzuordnen: Kompetenz betont „[…] den ganzheitlichen, den Arrangementcharakter des individuellen Leistungsvermögens“.109 Die statische Betrachtung des Kompetenzbegriffs als Leistungs- bzw. Handlungsvermögen hat hohe Relevanz, wenn es um Fragen der Zielbildung (z. B. Erstellung von Curricula oder Gestaltung von Trainingsprogrammen) oder Messung von Kompetenzen geht. Die Verbindung mit dem dynamischen Kompetenzaspekt, d. h. Aufbau, Erhaltung und Verfall von Kompetenzen, ist für diese Untersuchung von höherer Bedeutung. Folglich muss Lernen bzw. müssen Dispositionsveränderungen (d. h. der Aufbau von Kompetenz) ebenso in den Fokus der Betrachtung gerückt werden:110 „Lernen: Dem Menschen als Subjekt zugesprochene Fähigkeit und Notwendigkeit der Anpassung an wandelnde Umweltbedingungen […], beschreibbar über die Veränderung von Verhaltensdispositionen bzw. den Aufbau von Kompetenz.“111
Kompetenz ist demnach (1) eine personenbezogene Fähigkeit (= Subjektbezug). Sie versorgt Individuen mit dem Vermögen, „[…] wirtschaftliche, technische und sozialkulturelle Probleme und Herausforderungen bewältigen zu können“112 und damit handlungsfähig zu sein/werden. Zur Bewältigung der jeweiligen Probleme stehen dem Individuum sowohl die epistemische als auch eine heuristische Kompetenz zur Verfügung.113 (2) Kompetenzen sind durch Lernen veränderbar (vgl. oben). (3) Letztendlich stellen SLOANE/TWARDY/BUSCHFELD (2004) auch den Objekt- bzw. Umfeldbezug von Kompetenzen heraus. Im Hinblick auf die zu konzeptualisierende Kundeninteraktionskompetenz kommt dem Umfeldbezug eine hohe Bedeutung zu: Der Lebens- und Arbeitsraum eines Individuums prägt typische Handlungssituationen, die den Anwendungs- und Anforderungsbereich für Kompetenzen begründen.114
109
Moldaschl (2007), S. 7. Da Forschungsfrage Id versucht, einen Zusammenhang zwischen der Kompetenz und der Performanz eines Unternehmens herzustellen, können Teile dieser Arbeit im Sinne von (1) gedeutet werden. Die beobachtbare Performanz wird allerdings nicht als hinreichende Begründung einer Kundeninteraktionskompetenz gesehen, da zu vermuten ist, dass viele Performanzaspekte, die aus Interaktionen resultieren, nicht direkt auftreten (z. B. durch Zeitverzögerungen aufgrund der Entwicklung von Neuprodukten).
110
Eine vertiefte Betrachtung des organisationalen Lernens erfolgt in Kapitel 3.3.
111
Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 158.
112
Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 116.
113
Vgl. Müller (2007b), S. 51 in Anlehnung an Jacob (2003), S. 86 und Stäudel (1987), S. 54. Epistemische Kompetenz umfasst formale Ausbildungen, heuristische Kompetenzen bauen auf Erfahrungen und Handlungsfähigkeit auf, die u. a. dafür verantwortlich ist, dass neuartige Situationen bewältigt werden können, für die die existierenden formalen Kompetenzen nicht ausreichen.
114
Vgl. Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 116.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
29
An dieser Stelle sollen zwei Begriffe von dem der Kompetenz abgegrenzt werden: Fähigkeit und Qualifikation. Viele Definitionen sehen Fähigkeiten als Bestandteile von Kompetenzen.115 Die Untersuchung folgt diesem Verständnis.116 Qualifikationsanforderungen117 werden (i. d. R. extern) durch zu erfüllende Arbeitsanforderungen, d. h. durch den Objektbezug (vgl. oben), vorgegeben. Zur Bewältigung einer Problemstellung stellt sich die Frage, ob für die gestellten Qualifikationen bzw. Qualifikationsanforderungen die nötigen Kompetenzen ausgeprägt sind oder ein weiterer Qualifizierungsbedarf besteht.118 Aufgrund der Tatsache, dass Kompetenzen zukunftsgerichteter erscheinen, da sie im Gegensatz zu Qualifikationen nicht direkt an Arbeitsaufgaben gebunden sind, sondern auch Lösungen in unvorhersehbaren Situationen bieten sollen,119 stellt die Fokussierung auf das Kompetenzkonstrukt ein sinnvolles Verfahren dar. Individuelle Kompetenzen sind anhand ihrer Fähigkeit zur Problemlösung und ihren Eigenschaften in verschiedene Klassen unterteilbar (z. B. Fach-/Sachkompetenz, Sozial-/Methodenkompetenz und Personale Kompetenz).120 Da jedoch die Frage aufgeworfen werden kann, inwieweit diese Klassifizierungen auf Organisationen übertragbar sind, werden diese Klassifikationen nicht weiterverfolgt und es wird zunächst auf die Fragestellung eingegangen, inwieweit Organisationen (d. h. auch Unternehmen) überhaupt Träger von Kompetenzen sein können.
2.2.1.2
Organisationale Kompetenzen
Kapitel 2.2.1.1 zeigt Kompetenz als eine Eigenschaft eines Individuums. Auch in der Unternehmensführung ist das Thema Kompetenz seit Langem von Bedeutung.121 Zuallererst stellt sich jedoch die grundlegende Frage, ob auch Organisationen (als handelnde Subjekte)
115
„Für die Beschreibung dessen, was ein Mensch wirklich kann und weiß, hat sich der Begriff Kompetenz eingebürgert. Unter Kompetenzen werden alle Fähigkeiten, Wissensbestände und Denkmethoden verstanden, die ein Mensch in seinem Leben erwirbt und betätigt“ (Weinberg (1996), S. 3).
116
Besonders ist jedoch der Begriff der „Capability“ im englischen Sprachgebrauch hervorzuheben: Obwohl dieser Begriff mit „Fähigkeiten“ übersetzt wird, werden „Capability“-Konzepte – insbesondere in organisationalen Kompetenzkonzepten – auch im Sinne einer Kompetenz in dieser Untersuchung verstanden (vgl. z. B. Teece/Pisanu/Shuen (1997)). Dieser Definitionskonflikt wird in dieser Untersuchung nicht geklärt. Um Missverständlichkeit vorzubeugen, wird primär der Begriff „Kompetenz“ verwendet. Tritt der Fähigkeitsbegriff im Folgenden auf, so ist dieser, je nach Kontext, als „kleiner oder gleich“ dem Kompetenzbegriff zu verstehen.
117
An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass auch zu dem Begriff „Qualifikation“ verschiedene Auffassungen existieren (vgl. Beck (1980)). Müller (2007b), S. 55 stellt beispielsweise fest, dass bei manchen Autoren Kompetenzen und Qualifikationen nicht unterschieden werden.
118
Vgl. Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 108. Hier soll der Vollständigkeit halber auch der Begriff der „Schlüsselqualifikation“ erwähnt werden (vgl. z. B. Tippelt (2002), S. 51), der jedoch in dieser Arbeit keine Verwendung findet.
119
Vgl. v. Rosenstiel (2004), S. 109 und Erpenbeck/v. Rosenstiel (2003), S. XI.
120
Eine Erläuterung zu Kompetenzklassifizierungen findet sich bei Müller (2007b), S. 55 ff. Vgl. auch Erpenbeck/v. Rosenstiel (2003), S. XIII ff.
121
Vgl. z. B. Schreyögg/Kliesch (2003), S. 1.
30
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Träger von Kompetenz(en) sein können. MOLDASCHL (2007) sieht die Übertragung von „menschliche[n] Eigenschaften und Phänomene[n] auf Organisationen und soziale Aggregate (Netzwerke, Regionen, Nationen) […] nicht als das Grundproblem.“122 Demzufolge lässt sich der Kompetenzbegriff auch auf Organisationen übertragen. Eine Übertragung des Begriffs auf eine organisationale Ebene findet sich z. B. bei RITTER (1998): Definition „Organisationale Kompetenz“ „Kompetenz wird definiert als die Fähigkeit eines Unternehmens zur Erreichung spezifischer Ziele. […] Kompetenz erfasst somit nicht nur die Qualifikation, etwas zu tun, sondern auch die Anwendung dieser Qualifikation in Form der Erfüllung von Aufgaben.“123 Kompetenz in Organisationen hat mit der gegebenen Definition sowohl einen Aufgaben- als auch einen Zielbezug. Ersterer wurde bereits als Objekt- und Umfeldbezug in Kapitel 2.2.1.1 bei Individuen angesprochen. Unternehmen entwickeln wünschenswerte Zielvorstellungen und wählen dementsprechend Strategien, um die gesetzten Ziele zu erreichen.124 Folglich kann der letztgenannte Bezug, der Zielbezug, in Unternehmen als die strategische Ausrichtung interpretiert werden (vgl. Kapitel 2.2.2). Die Übertragung des Kompetenzbegriffs auf Organisationen führt zu einer holistisch-organisationalen Perspektive,125 die in dieser Untersuchung beibehalten werden soll. Trotz des organisationalen Fokus soll mit der Definition von NORTH (2005) in einem kurzen Exkurs auch auf den Übergang zwischen individuellen und organisationalen Kompetenzen hingewiesen werden, der u. a. auf Gedankengut des methodologischen Individualismus zurückgeführt werden kann:126 „Kompetenz […] beschreibt […] die Relation zwischen den an eine Person oder Gruppe herangetragenen oder selbstgestalteten Anforderungen und ihren Fähigkeiten bzw.
122
Moldaschl (2007), S. 11. Diese Übertragung individueller Konzepte auf organisationale Phänomene ist nicht kritikfrei, vgl. hierzu die Kritik zu diesem Vorgehen am Ende dieses Abschnitts. Ebenso kritisiert Schüerhoff (2006), S. 1 die Übertragung individueller Konzepte auf organisationale Phänomene ohne entsprechende Anpassungen.
123
Ritter (1998), S. 53, 56.
124
Vgl. Bea/Haas (2005), S. 167.
125
Vgl. Reichwald/Piller (2009), S. 98.
126
Vgl. Müller (2007b), S. 51. Eine derartige Berücksichtigung fordern auch Schreyögg/Kliesch (2003), S. 65: „Die Entwicklung Organisationaler Kompetenz ist mittelbar ohne die Individuen und deren Kompetenz […] nicht sinnvoll vorstellbar“. Auch der methodologische Individualismus, der oft als Grundlage in der Literatur zur Ökonomik und der Neuen Industrieökonomik verwendet wird (vgl. Möller (2004), S. 42), führt Kompetenz auf Individuen zurück (vgl. z. B. Müller (2007b), S. 51) und kann damit als Gegenpol einer holistischen Perspektive verstanden werden. Freiling (2001), S. 24 hingegen argumentiert ebenfalls auf Organisationsebene, bezieht sich aber ausdrücklich auf den methodologischen Individualismus.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
31
Potenzialen, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Kompetenzen sind Dispositionen selbstorganisierten Handelns.“127
Die Definition deutet an, dass innerhalb einer betrachteten Organisation sowohl Gruppen, TeilGruppen als auch Individuen existieren, deren Kompetenzen dazu beitragen, dass eine Organisation (neue) Herausforderungen und Probleme lösen kann. Die Definition erweckt jedoch den Anschein eines additiven bzw. hierarchischen Kompetenzschemas, bei dem die Summe der Individualkompetenzen zur Gruppenkompetenz und die Summe der Gruppenkompetenzen wiederum zur Organisationskompetenz beitragen.
Individual
Group
Organization
Feed forward Intuiting
Individual
Feedback
Group
Interpreting
Integrating
Organization Institutionalizing
Abbildung 5
Kompetenzaufbau durch Lern- und Sozialisationsprozesse in Organisationen (aus Crossan/Lane/White (1999))
Die Realität zeigt sich jedoch komplexer, was dazu führt, dass Lernen bzw. die Ausbildung von Kompetenzen auf einer Ebene nicht unbedingt Auswirkungen auf die nächsthöhere oder -niedrigere Ebene haben muss.128 Die Übertragung von Kompetenzen durch Lernprozesse innerhalb einer Organisation kann sowohl Unklarheiten (Intuiting, Interpretation) als auch Willens- und Könnens-Problematiken (Integration) beinhalten (vgl. Abbildung 5).129 Jeder der betrachteten Übergänge130 in Abbildung 5 stellt einen Sozialisations- und Lernprozess dar, der
127
North (2005), S. 198.
128
Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 100 zeigen einen ähnlichen Effekt bei Individuen und ihrem Lehr-/Lernumfeld. Dort wird gezeigt, dass Lernen in aufgrund von, trotz oder ohne dass gelehrt wurde, entstehen kann. Als Lehrumfeld können im Sinne dieser Untersuchung auch die jeweilige Gruppe oder der Gruppe zugehörige Individuen gelten.
129
Vgl. Crossan/Lane/White (1999), S. 532.
130
Zunächst werden nur die Feed-Forward-Prozesse betrachtet.
32
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
nicht-deterministisch verläuft und dadurch eine einfache additive Zusammenfassung von Kompetenzen nicht zulässt.131 Wird die organisationale Kompetenzentwicklung als Zusammenspiel von Individuum und Organisation betrachtet, bestärkt dies das Argument von BOWMAN/AMBROSINI (2000), wonach außergewöhnliche Renditen bzw. Wettbewerbsvorteile auf den Faktor Arbeit zurückzuführen sind.132 Dieser ressourcenorientierte Gedanke wird in Kapitel 2.3.1 weiter vertieft, zeigt jedoch bereits hier an, dass der Ausbau bedeutender organisationaler Kompetenzen als strategische Aufgabe einer Unternehmung verstanden werden und auch theoretisch dort verankert werden muss:133 innerhalb des strategische Kompetenzmanagements. Diese Untersuchung gilt als eine holistische Kompetenzbetrachtung von Organisationen. Dennoch wird in Anlehnung an diesen Exkurs und im Verständnis von HOFFMANN (1999), die individuelle Perspektive nicht völlig ausgeschlossen, sondern z. B. in der Berücksichtigung von Weiterbildungsmöglichkeiten in Unternehmen berücksichtigt.134 Dieser Abschnitt wurde mit MOLDASCHL (2007) eingeleitet, der die Übertragung individueller Phänomene für zulässig, sogar als Bereicherung betrachtet.135 In Sinne einer konsistenten Argumentation muss jedoch auch die Kritik an der Übertragung des Kompetenzkonzepts thematisiert werden:136 Ein Hauptproblem wird einerseits durch die Tatsache hervorgerufen, dass spezifische Kompetenzen, die in der Zukunft benötigt werden, ungewiss sind, und andererseits, dass auch Kompetenzen veralten und zu Rigidität in Unternehmen führen können.137 Viele der entwickelten Konzepte innerhalb des strategischen Kompetenzmanagements postulieren deshalb dynamische Kompetenzen,138 die wiederum die Kompetenzen einer Unternehmung anpassen, um deren
131
„Der komplexe Charakter der Organisationalen Kompetenz lässt […] eine direkte Planbarkeit nicht zu“ (Schreyögg/Kliesch (2003), S. 50). Ähnliches stellen Probst/Büchel (1998), S. 21 für organisationale Lernprozesse fest.
132
Vgl. Bowman/Ambrosini (2000), S. 6.
133
Vgl. Kapitel 2.2.2.
134
Vgl. Hoffmann (1999), S. 280: „At an individual level, competencies have been described in order to develop training or learning programs. At an organisational level, competencies have been used to describe organisational strengths or unique capabilities. The term "core competencies" has been applied to this use of the term.“
135
Vgl. Moldaschl (2007), S. 11 f.
136
Weitere Kritikpunkte werden bei Schüerhoff (2006), S. 6 im Rahmen der Diskussion individuellen und organisationalen Lernens vorgebracht. Dem hier präsentierten Vorgehen kann die Kritik der zweiten und dritten Vermeidungsstrategie entgegengebracht werden. Im Hinblick auf die aktuellen Forschungsfragen und der Handhabbarkeit des Forschungsdesigns wird diese Kritik zwar berücksichtigt, muss z. T. jedoch in Kauf genommen werden.
137
Vgl. z. B. Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007), S. 916.
138
Vgl. z. B. Teece/Pisanu/Shuen (1997). Eine Zusammenschau ähnlicher Konzepte findet sich in Anhang 1 (Metakompetenz-Konstrukte) sowie bei Schreyögg/Kliesch (2004), S. 6 und Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007), S. 914.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
33
Wettbewerbsposition langfristig sicherzustellen.139 Als Ergebnis konstatiert MOLDASCHL (2007), dass dadurch ein „inhaltsleerer Generalismus“ aufgrund der Entwicklung von Metakompetenzen droht.140 Die Beweisführung für diese Kritik lässt sich anhand einer Beobachtung und eines Gedankenexperiments nachvollziehen: Zum einen existieren Querschnittsstudien über Kernkompetenzen, deren Ergebnisse im Zeitablauf nicht haltbar sind bzw. deren Wirkungen sich im Zeitverlauf sogar ins Gegenteil verkehren. Andererseits muss man sich, soweit man mit einer Metakompetenz argumentiert, die Frage stellen, welche Kompetenz wiederum für die Anpassung der Metakompetenz zuständig ist – eine Meta-Metakompetenz oder Hyperkompetenz?141 Die aufgezeigte Zuspitzung, die MOLDASCHL (2007) in seiner Argumentationslinie vorantreibt, pointiert sicherlich Extreme, beeinflusst jedoch letztendlich Aspekte der Umsetzbarkeit und Messbarkeit der jeweiligen Kompetenzen.142 Die organisationale Kundeninteraktionskompetenz, die im nächsten Abschnitt genauer beleuchtet wird, zielt vereinfacht dargestellt auf die folgende Hypothese ab: Aufgrund der Ausprägung bestimmter Interaktionsfähigkeiten eines Anbieterunternehmens verläuft die Kundeninteraktion effizienter/besser, wodurch eine Organisation die Möglichkeit erhält, zu lernen und damit neue Fähigkeiten bzw. neues Wissen aufzubauen. Durch die Tatsache, dass eine Kundeninteraktionskompetenz zu nachhaltigen Änderungen in einer Organisation führen soll, stellt sich die Frage, ob die aufgezeigte Metakompetenz-Kritik nicht auch in diesem Fall berechtigt ist. Die beiden folgenden Aspekte stellen deshalb wesentliche Anforderungen dar, die bei der Konzeptualisierung einer organisationalen Kompetenz im Allgemeinen und einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz im Besonderen beachtet werden sollten: Anforderungen an organisationale Kompetenzkonstrukte (1) Keine Inhaltsleere/Forderung der Messbarkeit (2) Kein Metakompetenz-Konstrukt (1) Keine Inhaltsleere/Messbarkeitsforderung: Organisationale Kompetenzen haben einen Zielbezug (vgl. oben). Als unternehmerische Mittel zur Zielerreichung finden sich in der Literatur einerseits Wissen und andererseits spezifische Fähigkeiten.143 Fähigkeiten von Unternehmen können als das „Know-how-to“ verstanden werden. Dieses zeigt sich in den Prozessen und
139
Die Literatur zu organisationalen Kompetenzen unterscheidet sich in ihrer Vielfalt nicht von derjenigen zu individuellen Kompetenzkonzepten (vgl. z. B. Erpenbeck/v. Rosenstiel (2003), S. IX).
140
Ähnliche Bedenken äußern z. B. Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007), S. 913 in Bezug auf dynamisierende Konzeptualisierungen.
141
Vgl. Moldaschl (2007), S. 12.
142
Vgl. z. B. Moldaschl (2007), S. 34. Beides sind Anforderungen, die in Ansätzen in Forschungsfrage II (praxeologische Konsequenzen) stecken.
143
Vgl. die Definition der Unternehmenskompetenz bei Day (1994b), S. 38.
34
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Praktiken zur Problembewältigung einer Unternehmung.144 Eben diese konkreten spezifischen Prozesse und Praktiken (im Falle der Interaktionskompetenz im Bereich der Kundeninteraktion) sollten in der Konzeptualisierung einer Kompetenz Berücksichtigung finden, damit diese messund anwendbar ist und damit nicht Gefahr läuft, inhaltsleer zu sein.145 (2) Keine Metakonstrukte: Eine Verbesserung oder Veränderung der zu konzeptualisierenden Kompetenz (hier: KIK) sollte durch das Konstrukt selbst erklärbar sein. Dies bedeutet, dass bei Veränderungen in der Unternehmensumwelt durch eine angelegte „Flexibilität in der Anwendung konkreter, spezifischer Fähigkeiten“146, die dem Konstrukt zugerechnet werden, eine Anpassung der Kompetenz möglich ist. Dabei ist bedeutend, dass durch Anpassungen die jeweilige Kompetenz durch die entsprechenden Veränderungen nicht selbst obsolet gemacht wird.147 Letztendlich folgert sich aus dieser Forderung auch, dass die fokale Kompetenz (hier: KIK) wiederum auch keine eigenen abhängigen Kompetenzen haben sollte. Nachdem die Frage der Übertragbarkeit individueller Konzepte auf organisationale Phänomene nun geklärt ist und entsprechende Anforderungen definiert wurden, soll abschließend eine Einordnung des Verständnisses dieser Untersuchung erfolgen. Bereits die beiden Anforderungen ermöglichen eine Einordnung des organisationalen Kompetenzverständnisses: SCHREYÖGG/KLIESCH-EBERL (2007) ordnen verschiedene dynamische Kompetenzkonstrukte den Kategorien „radicalized dynamization“, „integrated dynamization“ und „routine dynamization“ zu (vgl. Tabelle 3).148 Das bisher vorgestellte organisationale Kompetenzverständnis geht davon aus, dass Prozesse und Praktiken ein Bestandteil organisationaler
144
Vgl. Lundvall/Johnson (1994), S. 28.
145
Vgl. z. B. Moldaschl (2007), S. 16. „[…] was vergleichend beschrieben, qualitativ charakterisiert und wo möglich quantitativ verglichen werden kann, wird wirklich begriffen, bleibt nicht bloß ein Begriff“ (Erpenbeck/v. Rosenstiel (2003), S. IX).
146
Moldaschl (2007), S. 16 f.
147
Beispiel: Wird eine organisationale Kompetenz so eng aufgefasst, dass sie sich zu der „Kernkompetenz im Technologiefeld A“ reduzieren lässt, wird diese obsolet, sofern eine leistungsstärkere Technologie B am Markt etabliert wird. Um die Enge eines Kompetenzkonstrukts zu vermeiden, ist es sinnvoll, dass die jeweilige wünschenswerte Funktion zunächst frei von ihrer Ausgestaltung berücksichtig wird.
148
Vgl. Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007), S. 924.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
35
Kompetenzen sind und dass diese Kompetenz eine strategische Ressource149 ist. Demnach ist diese Untersuchung in den Strang des „integtrated dynamization“-Ansatzes einzuordnen.150 Radicalized dynamization approach
Integrated dynamization approach
Routinized dynamization approach
Dominant learning direction
Experiential (ahistorical) learning
Historical learning within the frame of capabilities
Mechanisms of dynamization Importance of routines
Regimes of ad-hoc problem-solving processes Low: Avoid routines as far as possible Paradigm change: Capability as strategic resource obsolete
Processes internal to capability Medium: Build routines and paths Paradigm modification: Capability as dynamic strategic resource
Historical learning within the frame of innovation routines Processes external to capability High: Build multiple level of routines Paradigm variation: Capability as strategic resource Meta-capabilities as medium for dynamization
Capabilities in the context of RBV
Tabelle 3
Vergleich von Dynamic-Capabilities-Konzepten (aus Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007))
Die ausschließende Argumentationslinie der Einordnung kann ebenfalls geführt werden: Anforderung 2 (vgl. oben) verwehrt sich gegen Metakonstrukte, die im „routinized dynamization“-Ansatz Verwendung finden. Anforderung 1 besteht auf einer Messbarkeit, die bei Ad-hoc-Prozessen (vgl. „radicalized dynamization“-Ansatz) nur beschränkt möglich ist und als Gradmesser einer Untersuchung im Rahmen der alltäglichen Operationen in Industriegütermärkten nur bedingt sinnvoll erscheint.151
149
Kapitel 2.3.1 stellt die ressourcenorientierten Ansätze detailliert dar. Bis dahin soll der Ressourcenbegriff wie folgt verstanden werden: Unternehmen stellen im Verständnis dieser Ansätze Bündel materieller und immaterieller Ressourcen dar, die das Unternehmen zu einer bestimmten Art der Aufgabenerledigung befähigen und letztendlich entscheidend für die Erreichung einer bestimmten Wettbewerbsposition sind (vgl. Bamberger/Wrona (1996), S. 131 und Burr (2007), S. 84).
150
Als Kritik an dieser Kategorie äußern Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007), S. 922 f.: „Ansätze dieser Klasse versuchen widersprüchliche Logiken zu verbinden, einerseits die Replikation zuverlässiger Routinen und kontinuierlicher Wandel. Durch die Konzeptualisierung werden fundamentale organisationale Änderungen unwahrscheinlich, jedoch werden genau diese als zentrale Anforderung dynamischer Fähigkeiten gesehen.“ Diese Kritik hat für diese Untersuchung geringere Bedeutung, da es genau diese grundlegende Eigenschaft von Routinen der Kundeninteraktion und der kundenindividuellen Lösungserstellung ist, dass beides miteinander verbunden wird. Fraglich bleibt an dieser Stelle, wie dieses Wissen auch zur Weiterentwicklung der Organisation genutzt wird. Idealerweise erzeugt eine Kundeninteraktionskompetenz ein Verständnis für Kundenprobleme und -bedürfnisse. Tendenziell erfolgt dies inkrementell und pfadgebunden. Aufgrund der Tatsache, dass die Akzeptanz des Kunden grundlegend für die Existenz von Unternehmen ist, stellt sich die Frage, inwieweit radikale, plötzliche Veränderungen nötig sind, wenn die Bedürfnisse des Kunden ständig im Unternehmen aktuell und präsent sind. Diese Begründung schließt nicht aus, dass es weitere anpassende Fähigkeiten in einem Unternehmen geben muss (z. B. Kompetenz zur Kundensegmentdefinition oder zur Analyse von Kapitalmarktveränderungen), diese erscheinen aber für die Formulierung einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz nicht nötig.
151
Ahistorische Kompetenzentwicklung (im Sinne des „radicalized dynamization“-Ansatzes) soll an dieser Stelle nicht als „ohne Wert“ geltend dargestellt werden. Insbesondere in Innovationsprozessen und bei notwendigen Technologiesprüngen (vgl. S-Kurven-Konzepte) sind derartige Ansätze und Kompetenzkonzepte, bei denen es u. a. um die Durchbrechung von Pfadabhängigkeiten geht, von hohem Wert.
36
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Die Popularität organisationaler Kompetenzen in der betriebswirtschaftlichen Forschung152 führt zu einer großen Anzahl organisationaler Kompetenzkonstrukte. Es lassen sich zwei große Gruppen erkennen: x
Einerseits gibt es Modelle, die das Unternehmen global betrachten und damit versuchen, Kompetenzen für das gesamte Funktionieren einer Unternehmung darzustellen. Diese Aussage trifft die meisten Kompetenz- und Fähigkeitskonzepte, die in Anhang 1 dargestellt werden. Beispielsweise findet sich bei SCHREYÖGG/KLIESCH (2003) ein Modell, das organisationale Kompetenz mit den Ressourcen „organisationales Interpretationsvermögen“, „organisationales Verknüpfungs-Know-how“ und „organisationales Kooperationsvermögen“ sowie den Randbedingungen „Unternehmensstruktur“, „Unternehmenskultur“ und „Organisationales Lernen“ darstellt.153
x
Andererseits existieren Partialmodelle, die auf bestimmte Unternehmensfunktionen bzw. Unternehmensaufgaben fokussieren. MÜLLER (2007B) stellt partiale organisationale Kompetenzmodelle vor, die der Kundeninteraktionskompetenz dieser Untersuchung nahekommen: „Market Knowledge Competence“, „Kompetenzen für individualisierte Leistungserstellungsprozesse“, „Kundeninteraktionskompetenz im Rahmen interaktiver Wertschöpfung“154 sowie „Kooperationskompetenz“ bzw. „Kompetenz im Management komplexer Innovationsnetzwerke“155. Die Liste kann mit „Kundenintegrationskompetenz“ und „Preiskompetenz“ von Unternehmen verlängert werden.156
Das in dieser Untersuchung verwendete organisationale Kompetenzkonstrukt ist in die zweite Gruppe, der Gruppe partialer Kompetenzmodelle, einzuordnen und soll im nächsten Teilabschnitt genauer beleuchtet werden.
152
Vgl. Schreyögg/Kliesch (2003), S. 1.
153
Vgl. Schreyögg/Kliesch (2003), S. 76.
154
Vgl. Müller (2007b), S. 53 f.
155
Vgl. Specht (2004), S. 452, 458.
156
Vgl. Müller (2007b) und Bonnemeier (2009). Die Aufzählung stellt lediglich eine Auswahl an angrenzenden Kompetenzkonstrukten dar.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
2.2.1.3
37
Organisationale Kundeninteraktionskompetenz
Die Bedeutung der Kundeninteraktion in Industriegütermärkten wurde bereits kurz thematisiert. Ergebnis war die folgende Definition, die zu Beginn dieses Abschnitts nochmals in Erinnerung gerufen werden soll (vgl. Kapitel 2.1): Definition „Kundeninteraktion“ Interaktion ist die Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Kunde, in der ein intensiver Informationsaustausch im Rahmen einer Problemlösungsaufgabe stattfindet. Interaktionen sind geprägt von einem Aktions-Reaktions-Prinzip und begründen eine spezifische Beziehung. Eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz ist eine partielle Kompetenz, die die Eigenschaften der Funktion Kundeninteraktion eines Unternehmens beschreibt. In diesem Abschnitt gilt es zunächst, Ansatzpunkte einer Kundeninteraktionskompetenz aufzugreifen und in mehreren Teilschritten eine derartige Kompetenz für Anbieterunternehmen auf Industriegütermärkten zu konzeptualisieren. Der Einfachheit halber wird im Folgenden nur von Interaktion und Kundeninteraktionskompetenz gesprochen, wenn Kundeninteraktion und organisationale Kundeninteraktionskompetenz gemeint sind. 2.2.1.3.1
Begriff, organisationale Ressourcen und Zielgröße Anwendungswissen
Interaktionskompetenz, als die Beschreibung der Fähigkeit zum Austausch mit der Umwelt, wird in den Feldern Psychologie, Soziologie und Pädagogik häufig beschrieben und z. B. in den Arbeiten von HABERMAS (1975), WALLER (1978), KANTER/MASENDORF (1979) und PSATHAS (1990) auch als Interaktionskompetenz bezeichnet.157 Diese Konzepte eint, dass sie meist die individuelle Genese beschreiben und deshalb zwar Ansatzpunkte für die Beschreibung der Entwicklung von Unternehmen liefern können, diese jedoch nur einen geringen Wert für die Beschreibung von Unternehmenseigenschaften und speziell den Austausch von Problem- und Lösungswissen haben. Im Folgenden soll daher ausschließlich auf den Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung in diesem Bereich eingegangen werden. REICHWALD/PILLER (2009) bezeichnen Kundeninteraktion als eine „bewusste, arbeitsteilige Zusammenarbeit zwischen Anbieterunternehmen und externen Akteuren in der Peripherie des
157
Die Konzepte diskutieren die Genese des Individuums in der Pädagogik (vgl. Kanter/Masendorf (1979)), Soziologie (vgl. Habermas (1975) und Psathas (1990)) und Sozialpsychologie (vgl. Waller (1978)). Trotz des individuellen Fokus dieser Konzepte sind hier Ansatzpunkte für eine organisationale Betrachtung erkennbar: „Betrachtet man die zielgerichtete Koordinierung des Interaktionsgeschehens durch die an einer Interaktion beteiligten Akteure als Indikator für deren interaktionale Kompetenz, erfordert diese zum einen die aktualgenetische Generierung situationsangemessener Verhaltenserwartungen und zum anderen eine an eben solchen Verhaltenserwartungen orientierte Verhaltenskontrolle und -planung“ (vgl. Waller (1978), S. 188).
38
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Unternehmens“.158 Die Charakterisierung der Kundeninteraktion als bewusste Zusammenarbeit legt die Vermutung nahe, dass es in einer Organisation Eigenschaften, sozusagen organisationale Artefakte gibt, die als Spuren einer bewussten Zusammenarbeit zu deuten wären und anhand derer man Interaktionskompetenz bestimmen kann. Autoren
Definitionen
Reichwald/Ihl/Schaller (2003)
Kundeninteraktionskompetenz wird verstanden als Aufnahme-, Integrations- und Nutzungskompetenz: „Zunächst einmal sind wichtige Indikatoren für die Existenz einer Kundeninteraktionsfähigkeit die speziell eingesetzten organisationalen Ressourcen, sowie entsprechend qualifizierte Mitarbeiter. Die Generierung bzw. Akquisition fassen wir in der Aufnahmekompetenz von Kundenwissen zusammen […]. Aus Verteilung bzw. Transformation bilden wir die Integrationskompetenz von Kundenwissen in interne Abläufe. Reaktion bzw. Exploitation integrieren wir in der Nutzungskompetenz von Kundenwissen.“ „Interaktionskompetenz bezeichnet die Gesamtheit der Kompetenzen und Fähigkeiten eines Anbieters, um die Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung erfolgreich umzusetzen. Sie konkretisiert sich in den Organisationsstrukturen (interaktionsfördernde Ablaufstrukturen), in Anreizstrukturen (z. B. monetäre Anreize) als auch in den Systemen und Werkzeugen der Information und Kommunikation (z. B. Toolkits, Interaktionsplattformen). Der Erfolg des Unternehmens wird weniger von der Leistungsfähigkeit der vorhandenen Produktionsfaktoren bestimmt als vielmehr von der Verfügbarkeit der knappen Ressource „Anwendungswissen“. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielt ein Unternehmen durch den Aufbau von Interaktionskompetenz.“ „[…] Unternehmen, die die Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung nutzen wollen, müssen Interaktionskompetenz insbesondere auch in Form spezieller Organisations- und Kommunikationsstrukturen vorhalten.“ „We believe that an interaction orientation reflects a firm’s ability to interact with its individual customers and to take advantage of information obtained from them through successive interactions to achieve profitable customer relationships.“
Reichwald/Piller (2009)
Möslein/Kölling (2007)
Ramani/Kumar (2008)
Tabelle 4
Definitionsansätze einer Kundeninteraktionskompetenz
Tabelle 4 zeigt aktuelle Definitionen von Kompetenzen und Orientierungen, in denen einige Gemeinsamkeiten deutlich werden.159 Übereinstimmend zeigen sich in den unterschiedlichen Ansätzen zwei wesentliche Facetten einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz: (1) Organisationale Ressourcen begründen eine Kundeninteraktionskompetenz (Organisationsstrukturen, Anreizstrukturen sowie Informations- und Kommunikationswerkzeuge).160 (2) Die Zielgröße der Kundeninteraktion ist Kundenwissen bzw. Anwendungswissen161 als strategischer Wettbewerbs-
158
Reichwald/Piller (2009), S. 45. Moser (2007), S. 52 ff. zeigt die Bedeutung einer InteraktionskompetenzKomponente im Rahmen der Mass-Customization-Literatur.
159
Kundeninteraktion ist verstärkt im Innovations- und Dienstleistungsbereich relevant. Dementsprechend sind die Definitionsansätze von Reichwald/Ihl/Schaller (2003), Reichwald/Piller (2009), S. 98 und Möslein/Kölling (2007) dem Innovationsbereich zuzuordnen, während Reichwald/Ihl/Schaller (2003) und Möslein/Kölling (2007) zeitgleich in die Dienstleistungsforschung eingeordnet werden können. Der Gedanke der interaktiven Wertschöpfung mit dem Kunden verbindet allerdings alle präsentierten Definitionsansätze. Gemäß Reichwald/Piller (2009), S. 46 und Piller (2004) ist es jedoch möglich, alle Unternehmensaktivitäten im Sinne einer interaktiven Wertschöpfung zu beleuchten.
160
Reichwald/Ihl/Schaller (2003), S. 25: „[…] organisationale Ressourcen, sowie entsprechend qualifizierte Mitarbeiter“; Reichwald/Piller (2009), S. 98: „Organisationsstrukturen, Anreizstrukturen sowie Werkzeuge und Systeme der Kommunikation und Information“; Möslein/Kölling (2007), S. 5 f.: „Organisations- und Kommunikationsstrukturen“. Vgl. auch Schreyögg/Kliesch (2004), S. 7.
161
Der Begriff „Anwendungswissen“ wird als Zielgröße im Folgenden noch detailliert beschrieben.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
39
vorteil bzw. Grundlage profitabler Kundenbeziehungen. Kunden- und Anwendungswissen ist damit auch die Voraussetzung für die Gestaltung einer Kundenbeziehung (z. B. durch Relationship Marketing). Auf Basis dieser Facetten lässt sich der Wirkzusammenhang im Kontext einer Kundeninteraktionskompetenz skizzieren, der in Abbildung 6 verdeutlicht wird.
Anwendungswissen (des Anbieterunternehmens)
Nachhaltige Wettbewerbsvorteile
Unternehmenserfolg
Kundeninteraktionskompetenz von Anbieterunternehmen in Industriegütermärkten
Organisationale Ressourcen
Abbildung 6
Wirkzusammenhang einer Kundeninteraktionskompetenz
(1) Kundeninteraktionskompetenz begründet sich durch die Konfiguration bestimmter organisationaler Ressourcen (= Input).162 Aufgrund der Tatsache, dass Kundeninteraktionskompetenz selbst nicht direkt auftritt und messbar ist (= latentes Konstrukt), kann die Zusammenfassung bestimmter einzelner organisationaler Ressourcenkonfigurationen als eine organisationale Ressource „Kundeninteraktionskompetenz“ verstanden werden. Im Sinne der ressourcenorientierten Ansätze stellt eine Kundeninteraktionskompetenz, gemessen an ihrem strategischen Wert, eine wertvolle Ressource dar, die durch die Generierung knappen Anwendungswissens einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil begründet.163 Da diese Untersuchung anstrebt, Kundeninteraktionskompetenz zu konzeptualisieren,164 stellt sich die Frage, wie die Konfiguration der einzelnen organisationalen Ressourcen (verstanden als Input einer Kundeninteraktionskompetenz) gemessen werden kann. In der umfassendsten Definition von REICHWALD/PILLER (2009) werden die Kategorien „Organisationsstrukturen“, „Anreizstrukturen“ und „Informations- und Kommunikationswerkzeuge“ genannt. RAMANI/KUMAR (2008) nennen für ihre empirische Untersuchung des Konstrukts „Interaktions-
162
Vgl. Schreyögg/Kliesch (2004), S. 8.
163
Vgl. Schreyögg/Kliesch (2004), S. 5. Eine detaillierte Betrachtung der ressourcenorientierten Ansätze erfolgt in Kapitel 2.3.1, in diesem Kapitel genügt die Verwendung der bisherigen Arbeitsdefinition aus Kapitel 2.2.1.2.
164
Vgl. „Anforderungen an organisationale Kompetenzkonstrukte“ in Kapitel 2.2.1.2.
40
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
orientierung“ die Kategorien „Beliefs“, „Practises“ und „Processes“.165 Obwohl auf den ersten Blick unterschiedlich, können beide Strukturierungen als zwei Seiten einer Medaille betrachtet werden. Während REICHWALD/PILLER (2009) Artefakte in einer Organisation benennen, beleuchten RAMANI/KUMAR (2008) mit Ausnahme der „Belief“-Dimenision die jeweiligen Tätigkeits- bzw. Prozessstrukturen in einem Unternehmen. Das Vorgehen von RAMANI/KUMAR (2008) hat gleichermaßen Nach- und Vorteile: Einerseits sind Tätigkeits- und Prozessstrukturen schwieriger direkt messbar als die Existenz und Ausprägung von Artefakten.166 Ein Grund hierfür ist die Tatsache, dass Artefakte i. d. R. einfacher benennbar und den Befragten präsenter sind, während bestimmte Tätigkeiten und Prozesse z. T. unbewusst und unbenannt ablaufen können. Andererseits ist die Untersuchung der Tätigkeiten und Prozesse näher am eigentlichen Untersuchungsobjekt, den interorganisationalen Interaktions- und Austauschprozessen, als die Messung der entstandenen bzw. benötigten Artefakte.167 Darüber hinaus zeigt das Vorgehen von RAMANI/KUMAR (2008) einen weiteren bedeutenden Vorteil: Die Verwendung von Praktiken und Prozessen als Indikator für Kundeninteraktionskompetenz ist flexibler einsetzbar als die Untersuchung organisationaler Artefakte. Beispielsweise ist es denkbar, dass bestimmte ähnliche Prozesse zwar in verschiedenen Bereichen ablaufen, jedoch zu unterschiedlichen Artefakten führen.168 Zusätzlich ist es möglich, dass der Prozess ähnlich ausgeprägt bleibt, jedoch andere Tools verwendet werden. Mit dem Ziel der Konzeptualisierung und Messung der Kundeninteraktionskompetenz erscheinen die Größen „Prozess“ und „Praktiken“ sinnvoller als Strukturen. Die Vorteilhaftigkeit der Orientierung an Prozessen und Praktiken erscheint klar, die Notwendigkeit einer Wert- bzw. Normkategorie (= „Beliefs“) ist hingegen weniger offensichtlich. Versteht man im Sinne ressourcenorientierter Ansätze die Ausprägung von Interaktionsprozessen und -praktiken als strategisches/operatives Kalkül des Unternehmens, muss die Frage
165
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 27. Es muss an dieser Stelle einschränkend festgehalten werden, dass hier eine strategische Orientierung und keine organisationale Kompetenz untersucht wurde. Ramani/Kumar (2008), S. 28 extrahierten aus offenen Interviews zu den Fragen „Is marketing more about interactions with individual customers than before?“ und „What are the capabilities that firms require to offer superior interactions?“ vier Größen, die sie den Kategorien „Belief“, „Practise“ und „Process“ zuordnen. Schreyögg/Kliesch (2004), S. 5 vertreten eine ähnliche Haltung, da sie davon ausgehen, dass Wettbewerbsvorteile „[…] vor allem in den Tiefenstrukturen von Unternehmen, also Praktiken, Routinen, Kulturen usw. [entwickelt werden und so] schließlich – so die These – zu idiosynkratischen Kompetenzen werden (der Ausdruck „idiosynkratische Kompetenzen“ ist angelehnt an Lado/Boyd/Wright (1992), S. 80 f.).
166
Homburg/Pflesser (2000), S. 450: „Artifacts include stories, arrangements, rituals, and language that are created by an organization and have a strong symbolic meaning.“ Im Unterschied zu Tätigkeiten und Prozessen (behavior) kommt der symbolischen Bedeutung bei Artefakten mehr Bedeutung zu als der Funktion.
167
Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007), S. 914 gehen sogar darüber hinaus und geben an, dass „Capabilities are close to action; conceptually they cannot be separated from acting or practising.“
168
Beispiel: Offenheit bzw. Informationsprozesse können in einer Vertriebsabteilung beispielsweise zur Verwendung eines CRM-Systems führen, wohingegen sich die Offenheit von F&E-Abteilungen z. B. in der Anzahl der Konferenzbesuche einzelner Mitarbeiter manifestieren kann.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
41
gestellt werden, welcher Norm dies entspringt.169 Als weiteres Argument für die Notwendigkeit der Betrachtung der Normenebene kann angeführt werden, dass die Wertschätzung für Anwendungswissen im Unternehmen letztendlich zu der entsprechenden Konfiguration organisationaler Ressourcen führt und damit ursächlich für die Ausprägung von Prozessen und Praktiken ist.170 Damit erscheinen auch Werte und Normen als eine bedeutende und notwendigerweise zu erfassende Größe für die Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz (vgl. Kapitel 3.1). (2) Die Ziel- bzw. Outputgröße einer Kundeninteraktionskompetenz stellt entsprechend der vorgestellten Definitionen das Anwendungswissen dar. LUNDVALL/JOHNSON (1994) stellen fest: „Knowledge is abundant, but the ability to use it is scarce.“171 Demnach ist Anwendungswissen im Gegensatz z. B. zu allgemeinem Wissen ein knappes Gut. Als Anwendungswissen bezeichnen LUNDVALL/JOHNSON (1994) die Wissenstypen „Know-who (when and where)“ und „Know-how“ (prozedurales Wissen).172 Beide Wissenstypen kennzeichnet u. a., dass sie nicht einfach in einer für Dritte verständlichen Form kodifizierbar sind, komplexe Lernprozesse benötigen und damit nur mit hohen Transaktionskosten transferierbar sind.173 Eben jene Probleme bei der Übertragung dieses Typs Wissens machen es zur knappen und damit wertvollen Ressource. VON HIPPEL (1994) führt als Begründung für diese Beobachtung die „Klebrigkeit“ (stickiness) dieser Art Information bzw. dieses Wissenstyps an.174 Die Klebrigkeit des Wissens begründet sich aus der hohen Spezifität des Prozesswissens und seiner Abhängigkeit von einem bestimmten Kontext.175 Aufgrund dieser Transferhindernisse für Anwendungswissen existieren keine Faktormärkte, weshalb Anwendungswissen von der Organisation selbst erzeugt werden muss.176
Auf die Frage hin, was genau Anwendungswissen in Industriegütermärkten ist, sind die Aussagen zur „Problemlösungsaufgabe“ bei GEMÜNDEN (1981) relevant: Die Bewältigung der Problemlösungsaufgabe kann nur durch die Deckung der wechselseitigen Informationsdefizite bei
169
Diese Argumentationslinie entspricht z. B. dem Drei-Ebenen-Modell des Sankt-Galler-Managementkonzepts (vgl. Rüegg-Stürm (2005), S. 70 ff.).
170
Diese Argumentationslinie entspricht der Idee, die Bowman/Ambrosini (2000), S. 2 als Grundlage der Wertbestimmung von Produkten seitens des Kunden anführen.
171
Lundvall/Johnson (1994), S. 31. Vgl. auch Naisbitt (1982), S. 24: „We are drowning in information but starved for knowledge.“
172
Vgl. Lundvall/Johnson (1994), S. 29. „Know-who refers to specific and selective social relations. […] Knowhow refers to skills – i.e. The capability to do different kinds of things on a practical level“ (dies., S. 28).
173
Lundvall/Johnson (1994), S. 29 f. Lundvall/Johnson (1994) heben insbesondere den Wissenstyp des „Knowhow“ als zentral für Prozesse des wirtschaftlichen Lebens hervor. Im Bereich komplexer Industriegüter stellt dieser Wissenstyp aufgrund der Komplexität der Gesamtaufgabe und des multipersonalen Charakters der Transaktionsprozesse (vgl. Kapitel 2.1) ebenfalls eine bedeutende Größe dar.
174
Vgl. v. Hippel (1994), S. 429.
175
Vgl. Lundvall/Johnson (1994), S. 30 und Tyre/v. Hippel (1997).
176
Vgl. Schreyögg/Kliesch (2004), S. 5.
42
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Anbietern und Kunden ermöglicht werden.177 Der Kunde hat dabei ein Informationsdefizit bezüglich der relevanten Technologie bzw. deren Einsetzbarkeit (= Technologiewissen). Der Anbieter hat ein Informationsdefizit bezüglich des potenziellen Anwendungsgebiets, der Nutzungsart etc. für seine Technologie (= Nutzungswissen).178 Technologiewissen
Anbieterunternehmen
(aktive Interaktion)
Kundenunternehmen
Nutzungswissen
Abbildung 7
Austausch von Anwendungswissen in Industriegütermärkten
Im Umkehrschluss ist es Aufgabe des Anbieters, Wissen zu seiner Technologie zu vermitteln und die erforderlichen Informationen des Kunden einzuholen.179 Im Idealfall kommt damit dem Kunden die Aufgabe zu, die erforderlichen Informationen zu liefern.180 Aufbauend auf Abbildung 3 (vgl. Seite 16) kann dieser Austausch von Anwendungswissen181 durch Abbildung 7 verdeutlicht werden.182 Anwendungswissen kann damit wie folgt zusammengefasst werden: Definition „Anwendungswissen“ Anwendungswissen (AW) tritt in Form von Technologie- und Nutzungswissen auf. Technologie- und Nutzungswissen bezeichnen das Know-how (who, where, when), das Unternehmen zur Lösung von (Kunden-)Problemstellungen und zur Generierung von Innovationen benötigen. In der Regel ist Anwendungswissen nur durch komplexe Interaktions- und Lernprozesse übertragbar. Aufgrund der Transferhindernisse wird Anwendungswissen zum knappen Gut, d. h. zu einer Ressource.
177
Gemünden (1981), S. 19 versteht als Problemlösungsaufgabe die „[…] Entwicklung und Auswahl einer neuartigen technisch-organisatorischen Konzeption.“ Problemlösungsaufgabe kann damit sowohl als die Lösung eines aktuellen, konkreten Kundenproblems verstanden werden als auch als proaktive Innovationsleistung eines Unternehmens.
178
Vgl. hierzu auch die Feststellungen zum Lösungsverständnis von Anbietern und Kunden bei Tuli/Kohli/Bharadwaj (2007), S. 2 und die Domains of Expertise bei Schrader/Göpfert (1997), S. 250.
179
Vgl. Gemünden (1981), S. 19 ff.
180
In dieser Betrachtung wird der Idealfall einer optimalen Problemlösung zugrunde gelegt. Generell ist davon auszugehen, dass Kunden aufgrund strategischer Überlegungen tendenziell restriktiv mit der Informationsweitergabe umgehen, da die Wissensübertragung taziten Wissens für die Kundenorganisation auch mit Kosten verbunden ist.
181
Sowohl Technologie- als auch Nutzungswissen sind im Verständnis von Lundvall/Johnson (1994) als Anwendungswissen zu verstehen, da der jeweilige Adressat dieses Wissen nicht besitzt (es also knapp ist). Zudem ist dieses Wissen für die Erfüllung seiner Unternehmensaufgabe eine wichtige Ressource.
182
Abbildung 7 baut auf der Systematisierung in Abbildung 3 auf. Ob Anbieter oder Kunde den Interaktionszyklus durch eine initiale, aktive Interaktion in Gang setzen, ist unerheblich. Im traditionellen Verständnis kommt die Initiierungsfunktion i. d. R. dem Anbieter zu, der seine Produkte aktiv bewirbt. Eine detaillierte Beschreibung des Informations- und Wissensflusses findet sich z. B. in Kleinaltenkamp/Dahlke (2003), S. 225 ff.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
43
Die Übertragung von Anwendungswissen zwischen Anbieter und Kunde erlaubt die jeweilige Problemlösung. Demzufolge ist die Übertragung von Anwendungswissen die Grundlage für die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens. Die Mittel dieses Austauschs sind folglich Facetten einer organisationalen Handlungskompetenz (vgl. Definition in Kapitel 2.2.1.2). Kundeninteraktionskompetenz kann so mit SCHREYÖGG/KLIESCH (2004) konzipiert werden als „[…] eine komplexe Verknüpfungsleistung […], der es auf der Basis von Wissen und verschiedenen Fähigkeiten immer wieder gelingt, für Problemsituationen erfolgreiche Handlungslösungen zu generieren.“183
Die Tatsache, dass tazites Wissen184 nur mit großem Aufwand übertragbar ist, macht Anwendungswissen zu einer wertvollen Ressource für Anbieterunternehmen. In einer längerfristigen Betrachtung gilt es, dieses Anwendungswissen in einen Wettbewerbsvorteil umzuwandeln. Nach CONNER (1991) äußert sich dieser Wettbewerbsvorteil mindestens in einer der beiden Folgen: eine verbesserte Kostenposition oder eine verbesserte Abgrenzung der Produkte und Services gegenüber den jeweiligen Wettbewerbern.185 Die jeweiligen kosten- bzw. erlösseitigen Effekte dieser Maßnahmen drücken sich letztlich als Beitrag zum Unternehmenserfolg aus (z. B. als Erhöhung der Vertriebseffizienz). In einer statischen und ressourcenorientierten Betrachtung ist die Existenz von Anwendungswissen ein Erfolgsindikator und eine organisationale Ressource.186 In einer dynamischen Betrachtung ist die Reproduktionskraft einer Unternehmung für Anwendungswissen die zu optimierende bzw. zu schützende Ressource. Im Verständnis von Abbildung 6 wäre eine Messung einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz denkbar durch die Erfassung des jeweiligen existenten Anwendungswissens187 oder durch die Messung der Ausprägung relevanter organisationaler Stellhebel. Während Ersteres problematisch aufgrund der jeweiligen Definition von Anwendungswissen ist und nichts über die Fähigkeit aussagt, diesen Bestand an Anwendungswissen zu halten bzw. zu verbessern, hat die zweite Alternative das Problem, dass unklar ist, welches genau die relevanten Normen, Praktiken und Prozesse in einer Unternehmung sind, die eine Kundeninteraktionskompetenz umfassen muss. Trotz dieser Einschränkung verspricht die Untersuchung der einzelnen Elemente einer organisationalen Kundeninteraktionsorientierung aussagekräftigere Ergebnisse als die Messung des Bestands des Anwendungswissens und soll in dieser Untersuchung angewandt werden. Die Identifizierung der
183
Schreyögg/Kliesch (2004), S. 7.
184
Tazites Wissen bezeichnet hoch spezifisches, kontextabhängiges Prozesswissen. Tazites/implizites Wissen ist schwer oder gar nicht artikulierbar und stellt den Gegenpol zu explizitem Wissen dar (vgl. Polanyi (1959), S. 12, Nonaka (1991), S. 97 ff. und „stickiness“ in diesem Kapitel).
185
Vgl. Conner (1991), S. 132 und Plinke (2000), S. 13. Die Zielgrößen entsprechen damit auch den strategischen Empfehlungen von Porter (1980), S. 35.
186
Eine vertiefte Betrachtung ressourcenorientierter Ansätze erfolgt in Kapitel 2.3.1.
187
Zum Beispiel in Form von (Anwendungs-)Wissensbilanzen (vgl. Graggober (2004), S. 511 ff. und Fuchs/Renzl (2004), S. 536 f.).
44
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
relevanten Normen, Praktiken und Prozesse ist Aufgabe der Konzeptualisierung in Kapitel 3. Die bisherigen Erkenntnisse über Antezedenzbedingungen und Wirkungen einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz ermöglichen eine erste Definition des Begriffs: Vorläufige Arbeitsdefinition – „Organisationale Kundeninteraktionskompetenz“ Eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz (KIK) bezeichnet die Werte, Normen, Praktiken und Prozesse eines Anbieterunternehmens, die darauf abzielen, die knappe Ressource „Anwendungswissen“ (AW) in Interaktion mit Kunden zu optimieren.188 Mit obiger Definition erweist sich KIK bereits als eine organisationale Kompetenz im Sinne der Definition in Kapitel 2.2.1.2, da sowohl der Zielbezug (Optimierung der Ressource Anwendungswissen) als auch die Eignung zur Erfüllung realer Aufgaben (durch relevante Normen, Praktiken und Prozesse) gegeben ist. Im Folgenden soll diese Definition weiter verfeinert werden, indem das Konstrukt organisationale Kundeninteraktionskompetenz aus zwei weiteren Blickwinkeln beleuchtet wird: die Perspektive der absorptiven Kapazität (vgl. Kapitel 2.2.1.3.2) und die Perspektiven der Wertschaffung und Wertaneignung (vgl. Kapitel 2.2.1.3.3). 2.2.1.3.2
Organisationale Kundeninteraktionskompetenz und absorptive Kapazität
Der Definitionsansatz von REICHWALD/IHL/SCHALLER (2003) weist drei Elemente auf: Aufnahme-, Integrations- und Nutzungskompetenz. Dieser Phasenaufbau ist dem Modell der absorptiven Kapazität entliehen, das zuerst von COHEN/LEVINTHAL (1990) beschrieben wurde. Die absorptive Kapazität (absorptive capacity) kann als die Fähigkeit eines Unternehmens verstanden werden, mittels derer Wissen aus externen Quellen erkannt und assimiliert (im Sinne von angeeignet) wird, um aus diesem Wissen Innovationen zu generieren sowie diese wirtschaftlich auszunutzen.189 Im Sinne der bisherigen Definition der organisationalen Kundeninteraktionskompetenz ist die absorptive Kapazität für Anwendungswissen ein bedeutender Baustein. Das Modell der ACAP findet seit seiner Einführung starke Nutzung in der Literatur und wurde oft modifiziert. Im Folgenden wird das Konzept von ZAHRA/GEORGE (2002) vorgestellt.190
188
Die Arbeitsdefinition enthält bewusst den Gedanken der Optimierung, da sowohl ein Zugewinn als auch ein Verlust von Anwendungswissen (= Verlernen) in Abhängigkeit der jeweiligen Situation den Unternehmenserfolg positiv beeinflussen kann.
189
Vgl. Cohen/Levinthal (1990), S. 128. Zahra/George (2002), S. 186 präsentieren eine Zusammenschau der drei gängigsten Lesarten der absorptiven Kapazität, bemängeln jedoch auch, dass der Begriff in manchen Untersuchungen undefiniert verwendet wird. Zusammenfassend gehen sie davon aus, dass „ACAP [= absorptive capacity] is a multidimensional construct involving the ability to value, assimilate and apply knowledge […] or the combination of effort and knowledge bases“.
190
Vgl. Lane/Koka/Pathak (2006), S. 841 für eine Übersicht der Verwendung des Konstrukts in der Literatur.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
45
ZAHRA/GEORGE (2002) greifen das Konzept der absorptiven Kapazität auf und entwickeln es als
eine dynamische Fähigkeit („dynamic capability“)191 mit den einzelnen Phasen „acquire“, „assimilate“, „transform“ und „exploit“.192 Darüber hinaus unterteilen sie absorptive Kapazität in ihrem Modell aufgrund grundsätzlich unterschiedlicher Problem- und Fragestellungen in zwei Teilfähigkeiten: einerseits die „potenzielle Absorptionsfähigkeit“ (PACAP), die den Wissenszufluss reguliert und die Phasen „acquire“ und „assimilate“ beinhaltet. Andererseits die „realisierte Absorptionsfähigkeit“ (RACAP), die die Fähigkeit eines Unternehmens zeigt, das akquirierte und assimilierte Wissen durch Innovationen in wirtschaftlichen Erfolg zu überführen. Folglich beinhaltet dieser Problemkreis die Phasen „transform“ und „exploit“. Bevor das Gesamtkonzept der absorptiven Kapazität skizziert wird, werden die unterschiedlichen Phasen des Konzepts von ZAHRA/GEORGE (2002) kurz beschrieben werden:193 x
„Acquire“ (Akquisition; PACAP)
In dieser Phase geht es um Fähigkeiten, die helfen, relevantes, extern erzeugtes Wissen zu identifizieren und anzueignen. Zentrale Attribute organisationaler Routinen dieser Phase sind Intensität (z. B. Bereich der Suche, Anzahl neuer Verbindungen), Geschwindigkeit (z. B. Lerngeschwindigkeit) und Richtung (z. B. Wahrnehmungsschemata, Pfadabhängigkeit neuen Wissens).194 In dieser Phase stellt sich die Frage: Wie breit und intensiv sollte die Suche nach neuem externen Wissen angelegt sein?195 Bildlich gesprochen ist dies die Frage nach der Trichterbreite in Abbildung 8 (vgl. Seite 47). Offenheit und Suchaktivität sind jedoch an Ressourcen und Kosten gebunden. Demnach bemerken LAURSEN/SALTER (2006) richtigerweise, dass in dieser Phase auch berücksichtigt werden muss, wann die Kosten für zusätzliche Suchbreite und Suchtiefe den aus den neuen Erkenntnissen gewonnen Nutzen übersteigen.196 x
„Assimilate“ (Assimilation; PACAP)
Die Assimilationsfähigkeit eines Unternehmens bezieht sich auf die Prozesse und unternehmensinternen Abläufe, durch die externes Wissen verarbeitet, analysiert, interpretiert und verstanden wird. Zentrale Größe in dieser Phase ist Verständnis.197 Verständnis ist stark davon
191
Vgl. Zahra/George (2002), S. 186.
192
Vgl. Zahra/George (2002), S. 186.
193
Für eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Phasen und deren zentraler Fragestellungen vgl. Reichwald/ Piller (2009), S. 100 ff.
194
Vgl. Zahra/George (2002), S. 189.
195
Vgl. Lane/Klavans (2005), S. 188.
196
Vgl. Laursen/Salter (2006), S. 131 f.
197
Vgl. Zahra/George (2002), S. 189.
46
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
abhängig, welche komplementären Investitionen und welches Vorwissen in der Organisation existieren (Pfadabhängigkeit).198 x
„Transform“ (Transformation; RACAP)
Transformation beschreibt die organisationale Fähigkeit, Routinen zu entwickeln und zu verbessern, mit deren Hilfe existierendes und erworbenes Wissen kombiniert werden kann. Dabei geht es um die Internalisierung von Wissen bzw. Konversion neuen Wissens in neue Konzepte und Produkte.199 Diese organisationale Integrationsleistung bildet neue „Schemata“ bzw. neue Orientierungs- und Referenzrahmen aus. Sie ermöglichen neue Erkenntnisse und Ansichten oder machen neue Möglichkeiten erst erkennbar. Die erfolgreiche Integration von Wissen durch Verfeinerung oder Neubildung von Schemata kann als Lernen interpretiert werden.200 x
„Exploit“ (Verwertung; RACAP)
In der Exploitationsphase werden Prozesse und Abläufe zusammengefasst, die dem Unternehmen ermöglichen, neu erworbenes Wissen durch Innovationen (bei Systemen, Prozessen, Gütern etc.) kommerziell zu verwerten.201 Abbildung 8 skizziert die dargestellten Teilbereiche der absorptiven Kapazität und ergänzt sie um die „Regimes of Appropriability“, die den Absorptionsprozess externen Wissens umklammern. Unter Appropriability verstehen COHEN/LEVINTHAL (1990): „Appropriability conditions refer to the degree to which firms capture the profits associated with their innovative activity and are often considered to reflect the degree to which valuable knowledge spills out into the public domain.“202
Damit beschreibt „Appropriability“ zweierlei: den Grad der Zugänglichkeit externen Wissens für das absorbierende Unternehmen203 sowie den Grad der Schützbarkeit eigener Wettbewerbsvorteile bzw. Wissensvorsprünge gegenüber anderen Mitbewerbern.204 Beide Aspekte sind demnach zwei Seiten einer Medaille, die davon abhängig sind, wie effektiv z. B. Patentschutz, Geschäftsgeheimnisse oder First-Mover-Vorteile innerhalb einer Branche sind, und sich u. a. in der Intensität des geführten Wettbewerbs niederschlagen. Die Regimes of Appropriability der
198
Mangelnde komplementäre Investitionen führen insbesondere dann zu Verständnisproblemen, wenn das jeweilige Wissen kontextgebunden ist (entspricht „stickiness“ von Informationen). Mangelndes Vorwissen drückt sich u. a. dadurch aus, dass das Unternehmen zentrale Informationen nicht sucht oder übersieht, da das nötige Bewertungsschema (noch) nicht ausgereift genug ist (vgl. Zahra/George (2002), S. 190).
199
Vgl. Zahra/George (2002), S. 189 f.
200
Vgl. v. Wartburg (2000), S. 255.
201
Vgl. Zahra/George (2002), S. 189 f.
202
Cohen/Levinthal (1990), S. 139.
203
Im Verständnis von Cohen/Levinthal (1990), S. 139.
204
Im Verständnis von Zahra/George (2002), S. 192.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
47
jeweiligen Branche oder des jeweiligen Teilbereichs sind demzufolge auch eine Umweltbedingung für die Kundeninteraktionskompetenz eines Anbieterunternehmens.
External Knowledge
Acquisition
Assimilation
Abandoned Knowledge
Transformation Exploitation
Innovation/ Competitive Advantage
Abbildung 8
Absorptive Capacity
Ignored Knowledge
Realized Potential Absorptive Capacity Absorptive Capacity
Regimes of Appropriability
Regimes of Appropriability
Trichtermodell der absorptiven Kapazität (aus Reichwald/Piller (2009))
Während die Problematik der Zugänglichkeit externen Wissens weitestgehend extern vorbestimmt ist, sind die jeweiligen einzelnen Phasen mit den dazugehörigen Routinen durch das Management einer Organisation gestaltbar. Aufgrund der verwandten Fragestellungen in den jeweils ersten und letzten beiden Phasen empfehlen ZAHRA/GEORGE (2002), besonderes Augenmerk auf die Schnittstelle zwischen potenzieller und realisierter Absorptionskapazität zu legen. Diese Schnittstelle stellt die „Konversion des Wissens“ und damit einen „Effizienzmesser“ des gesamten Prozesses dar.205 Da PACAP und RACAP jeweils hinreichende und notwendige Bedingungen sind, sollten beide Bereiche gleichberechtigt Beachtung finden. ZAHRA/GEORGE (2002) bemängeln jedoch, dass insbesondere in der empirischen Forschung die PACAP weniger Beachtung gefunden hat.206 Im Weiteren soll (1) eine Kritik des Konzepts der ACAP erfolgen, bevor (2) die Konsequenzen für eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz diskutiert werden. (1) Eine Stärke des Konzepts stellt seine enorme Flexibilität dar. Das beschriebene Konzept wurde seit seiner Einführung für verschiedene Untersuchungseinheiten verwendet (z. B. Organisationen, Allianzen oder ganze Länder).
205
Vgl. Zahra/George (2002), S. 191.
206
Vgl. Zahra/George (2002), S. 185. Diese Aussage ist jedoch mit Vorsicht zu beachten, da Lane/Koka/Pathak (2006), S. 854 das genaue Gegenteil konstatieren.
48
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Trotz der hohen Verbreitung gibt es kein einheitliches Verständnis des Begriffs der absorptiven Kapazität.207 Definitionsschwächen gepaart mit der hohen Komplexität des Konstrukts führen dazu, dass eine einheitliche Operationalisierung problematisch ist.208 Darüber hinaus kann in der Lesart von ZAHRA/GEORGE (2002) auch die Metakompetenz-Kritik (vgl. Kapitel 2.2.1.2) geltend gemacht werden, da davon ausgegangen wird, dass eine absorptive Kapazität die kontinuierliche Ausprägung marktnotwendiger Kompetenzen fördert („dynamische Kompetenz“). Während die einfache Struktur der Modelle eine Stärke des Konzepts darstellt, ist gleichzeitig die Struktur selbst nicht unumstritten. Während COHEN/LEVINTHAL (1990) drei Stufen präsentieren, zeigen ZAHRA/GEORGE (2002) beispielsweise vier. Auch die Verbindung der einzelnen Bereiche und Phasen kann kritisiert werden: Anstelle des sequenziellen Konzepts, das auch in Abbildung 8 vermittelt wird, wird beispielsweise für die Phasen Assimilation und Transformation von TODOROVA/DURISIN (2007) eine Parallelität vorgeschlagen.209 In der Rückbesinnung auf die Ursprünge des Konzepts der ACAP, die Modelle individuellen Lernens210 und im Hinblick auf mögliche Probleme bei der Trennschärfe der beiden Teilkonstrukte erscheint dieses Vorgehen durchaus sinnvoll.211 (2) Absorptive Kapazität ist ein multidimensionales Konstrukt, dessen Subkonstrukte sich entlang der Wertschöpfungskette von der Beschaffung bis zum Absatz externen Wissens erstrecken. Die vorläufig gegebene Definition einer Kundeninteraktionskompetenz versucht, einen kleineren Bereich zu erklären: Während die Routinen im Bereich „acquire“ und „assimilate“ in diesen Bereich fallen, fallen nur Teile der „transform“-Phase (d. h. Internalisierung und nicht Konversion212) in den Bereich einer Kundeninteraktionskompetenz. Die „exploit“Phase fällt ganz aus dem Betrachtungsfokus heraus. Durch diese Eingrenzung lässt sich eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz in der Lesart der absorptiven Kapazität hauptsächlich dem Kapazitätsbereich zuordnen, in dem es um die Erzeugung eines Wissenspotenzials bzw. Wissenswertes für die Unternehmung geht. Eine zusätzliche Motivation für die vorliegende Untersuchung ist die Aussage von ZAHRA/GEORGE (2002), dass genau dieser Bereich empirisch bisher weniger beleuchtet wurde.213 Aufgrund der problematischen Operationalisierung und Trennunschärfe der Phasen „assimilate“ und „transform“ sowie den entsprechenden lerntheoretischen Grundlagen214 wird sich hier dem
207
Vgl. Zahra/George (2002), S. 186.
208
Vgl. Schmidt (2005), S. 1.
209
Vgl. Todorova/Durisin (2007), S. 776.
210
Insbesondere Piaget (1952) mit dem Konzept der Assimilation und Akkommodation (vgl. auch Kapitel 3.3.3.1).
211
Vgl. Todorova/Durisin (2007) für eine Übersicht unterschiedlicher Perspektiven auf das ACAP-Konzept.
212
Die Unterscheidung wird anhand der von Zahra/George (2002), S. 189 als zentral erachteten Komponenten getroffen.
213
Vgl. Zahra/George (2002), S. 185. Diese Aussage ist jedoch mit Vorsicht zu beachten, da Lane/Koka/Pathak (2006), S. 854 das genaue Gegenteil konstatieren.
214
Die lerntheoretischen Grundlagen werden in 2.3.2.4 dargestellt und in Kapitel 3.3 weiter detailliert.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
49
Verständnis von TODOROVA/DURISIN (2007) angeschlossen, wonach beide Vorgänge gleichzeitig und sich wechselseitig bedingend ablaufen und damit nicht trennbar sind.215 Folglich verbleiben unter dem Fokus einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz zwei Phasen bzw. Bereiche, die im Sinne einer absorptiven Kapazität einbezogen werden müssen: eine akquirierende bzw. beschaffende Phase (ursprüngliche ACAP-Phase I) und eine aneignende bzw. lernende Phase (ursprüngliche ACAP-Phase II und teilweise III). Das Konzept der absorptiven Kapazität ist in der Lage, ein Verständnis zu schaffen für die Bedeutung existierenden Wissens, und kann dazu beitragen, Probleme des Übergangs taziten Wissens und damit auch Verständnisprobleme in organisationalen Interaktionen aufzuklären. Zusätzlich wird der Blickwinkel geschärft für die Kosten-/Nutzenproblematik der Aktivitäten in der wissens- bzw. potenzialschaffenden Phase. Darüber hinaus steht die Betrachtung von Prozessen und Routinen im Einklang mit der in Kapitel 2.2.1.3.1 geführten Diskussion zu organisationalen Praktiken und Prozessen. Konzepte absorptiver Kapazität systematisieren einen Informations- bzw. Wissensaneignungsprozess, der sich durch Unidirektionalität auszeichnet (Integration in das Unternehmen).216 Im Verständnis dieser Untersuchung ist Interaktion jedoch ein wechselseitiger, zweiseitiger Prozess (vgl. Abbildung 3). Diese Tatsache muss in der Konzeptualisierung organisationaler Kundeninteraktionskompetenz stärker Berücksichtigung finden und stellt damit auch ein zentrales Abgrenzungskriterium dar. Aufbauend auf dieser Tatsache finden komplexe Problemstellungen (wie sie in Industriegütermärkten vorliegen), die einen ständigen iterativen Wissensaustausch zwischen Anbieter und Kunde erfordern, in Modellen absorptiver Kapazität nicht explizit Berücksichtigung.217 Letztendlich stellen LANE/KOKA/PATHAK (2006) fest, dass es innerhalb des Konstrukts zu Problemen in Bezug auf interne und externe Validität kommt. Beispielsweise werden exogene und endogene Faktoren unterschiedlich verwendet bzw. die bereits angesprochene Trennschärfe der einzelnen Teilkonstrukte ist nicht gegeben.218 Als Anforderung für die vorliegende Untersuchung organisationaler Kompetenz sollten die Kriterien von LANE/KOKA/PATHAK (2006) Anwendung finden: (1) Der Kontextbezug der absorptiven Kapazität muss berücksichtigt werden. (2) Absorptive Kapazität sollte in verschiedenen Kontexten als Replikation und Erweiterung getestet werden. (3) Absorptive
215
Im Sinne der zuvor getroffenen Aussagen wird bei der „Transform“-Phase nur die Komponente „Internalisierung“ in dieses Verständnis einbezogen.
216
Die Tatsache, dass generell von Prozessen und Routinen gesprochen wird, ermöglicht zwar auch die Integration von Rückkanälen in Konzepten absorptiver Kapazität, diese stehen jedoch nicht im Vordergrund.
217
Als Folge findet das Konzept absorptiver Kapazität häufig Anwendung bei Fragen des Innovationsmanagements (vgl. v. Wartburg (2000), Lane/Klavans (2005), Foss/Laursen/Pedersen (2006) und Laursen/Salter (2006)) und hat weniger Bedeutung bei der Gestaltung des alltäglichen Kundenkontakts (vgl. Lane/Koka/Pathak (2006), S. 851 – „limiting assumption 1“).
218
Vgl. Lane/Koka/Pathak (2006), S. 854.
50
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Kapazität sollte in Nicht-R&D-Kontexten empirisch getestet werden, wobei jede Dimension einzeln konzeptualisiert werden sollte.219 Insgesamt ist festzuhalten, dass die Modelle absorptiver Kapazität eine bedeutende theoretische Basis darstellen, deren Beiträge und Schwächen eine Grundlage in der Definition von Kundeninteraktionskompetenz leisten können. Bevor eine erweiterte Definition präsentiert wird, soll zusätzlich die Perspektive der Wertschaffung und Wertaneignung diskutiert werden. 2.2.1.3.3
Organisationale Kundeninteraktionskompetenz und Wertschaffung/Wertaneignung
Kompetenz kann als die Verbindung betrachtet werden von „Wissen besitzen“ und „Wissen nutzen“.220 Eine ähnliche Herangehensweise findet man bei der Unterteilung absorptiver Kapazität in potenzielle und realisierte ACAP.
Use value is created
Use value is exchanged
Use value is transformed (by labour)
New use value is created
Exchange value is realized
Organization A
A and B
Use value is exchanged
Use value enters C’s process
Exchange value is realized
Organization B
B and C
Organization C Time
Abbildung 9
Prozess der Wertschaffung (aus Bowman/Ambrosini (2000))
BOWMAN/AMBROSINI (2000) werfen die Frage auf, wo im organisationalen Wertschöpfungs-
prozess Wert entsteht oder verändert wird. Wert wird dabei subjektiv aufgefasst und als Funktion der jeweiligen Adressaten verstanden: „[…] perceptions of the value of a good are based on their beliefs about the goods, their needs, unique experiences, wants, wishes and expectations“.221 BOWMAN/AMBROSINI (2000) unterteilen dabei in den „use value“ (subjektiver Wert, den Adressaten anhand ihrer Erwartungen feststellen, und den Preis, den sie bereit wären zu bezahlen) und den „exchange value“ (Preis, der realisiert wird, sobald ein Produkt oder Service tatsächlich verkauft wird).222 Auf Basis dieser Überlegungen wird ein Verständnis entwickelt, in dem Unternehmen der Sinn und die Funktion von Unternehmen entsprechend Abbildung 9 gedeutet wird.
219
Vgl. Lane/Koka/Pathak (2006), S. 858.
220
Vgl. Ritter (1998), S. 55 und Pitelis/Teece (2009), S. 6f.
221
Bowman/Ambrosini (2000), S. 2.
222
Bowman/Ambrosini (2000), S. 4.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
51
Entsprechend diesem Modell setzt sich die ganze Wertschöpfung aus Wertschaffung- und Wertaneignungsprozessen zusammen. Welche Konsequenzen hat dieses Verständnis auf eine Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten? Versucht man, das Modell zu übertragen, und geht man von einer hohen Bedeutung des Kunden- bzw. Anwendungswissens aus, ergeben sich zunächst einige gravierende Unterschiede: Erstens, der Lieferant und der Kunde von Anwendungswissen sind die gleiche Person bzw. Unternehmung. Zweitens, das zu erwerbende Gut, das Anwendungswissen, ist nicht genau spezifizierbar. Drittens, der Austausch des Guts Anwendungswissen erfolgt in aller Regel ohne Bepreisung, d. h. es erfolgt ein Wertübergang, jedoch keine genaue Wertfeststellung. Als Grund für die angeführten Punkte zwei und drei ist das ARROW’sche Informationsparadoxon223 anzuführen: Der Wert von Information (in diesem Fall Anwendungswissen) ist erst dann bekannt, wenn man die Information bereits kennt. Danach müsste diese Information aber nicht mehr erworben werden.224 Viertens, Anwendungswissen lässt sich nicht direkt in Kundennutzen übersetzen. Dies führt im besten Falle dazu, dass eine bestimmte Art erlangten Anwendungswissens zur Verbesserung eines zentralen Prozess- oder Produktelements führt und damit den Nutzen bzw. Wert vieler einzelner Kunden erhöht. Idealerweise wird auf diese Art Anwendungswissen multipliziert. Es existieren also zwei Zielgrößen nebeneinander: Wert des Anwendungswissens (Wert des Wissens für das Anbieterunternehmen) und Wert des Kundennutzens (realisierbarer Wert). Beide Zielwerte müssen jedoch geschaffen und angeeignet werden. Abbildung 10 zeigt ein Modell, das diese Besonderheiten beinhaltet. Die Darstellung läuft gegen die traditionelle Wertkettendarstellung, da die ersten beiden Phasen vom Kunden weg und damit entgegen der gewohnten Lesrichtung, d. h. in das Unternehmen hinein, verlaufen.
Generierung Anwendungswissen
Aneignung Anwendungswissen
Generierung Kundennutzen
Aneignung Kundennutzen
(Wertschaffung)
(Wertaneignung)
(Wertschaffung)
(Wertaneignung)
Kundenorganisation
Anbieterorganisation
Realisierter Wert
Kunde
Kunde
Kundenorganisation
Abbildung 10 Doppelter Wertschaffungs- und Wertaneignungsprozess
Die Modifikation des Wertschaffungs-/Wertaneignungsmodells ermöglicht Aussagen im Hinblick auf eine KIK. Erstens zeigt sich, dass Prozesse zur Optimierung von Anwendungswissen bei Anbieterunternehmen Einfluss auf den realisierten Wert gegenüber dem Kunden zeigen. Zweitens sind die Prozesse zur Optimierung von Anwendungswissen und Generierung 223
Vgl. Arrow (1962).
224
Obwohl zunächst kein monetärer Ausgleich erfolgt, existieren andere Mechanismen des Nutzenausgleichs, die Kunden zur Offenlegung von Anwendungswissen bewegen (vgl. Reichwald/Piller (2009), S. 85 ff. für eine Übersicht möglicher Begründungen).
52
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
von Kundennutzen als trennbar zu verstehen. Beispielsweise ist es denkbar, dass Kundennutzen generiert wird, dadurch dass Spezifikationen genau erfüllt werden, ohne dass die Begründung dafür verstanden wurde oder dieses Wissen im Unternehmen verhaftet bleibt (d. h. die ersten beiden Stufen kaum ausgeprägt sind).225 Besondere Erfolgswirksamkeit (in Bezug auf die einzelne Kundenbeziehung oder das Gesamtunternehmen) ist allerdings zu erwarten, sobald dieses Wissen aktiv generiert wird und die Aneignung bzw. das organisationale Lernen von Anwendungswissen optimiert ist. Aus diesem Grund sind für eine Kundeninteraktionskompetenz die ersten beiden Prozessphasen (vgl. Abbildung 10) ausschlaggebend.226 Drittens, im Vergleich zu Sachgütern oder spezifizierbaren Dienstleistungen erfolgt die Realisierung der gesamten Wertschaffung („realized value“) sehr spät im Wertschöpfungsprozess. Dies lässt zwei Schlüsse zu: Einerseits ist es problematisch, den Wert von Anwendungswissen direkt zu messen, da er nur ein Teil der gesamten Wertschöpfung ausmacht. Andererseits führt die indirekte Erfolgswirksamkeit der Prozesse um die Optimierung von Anwendungswissen dazu, dass Schaffung und Aneignung von Anwendungswissen in den Wertschätzungen eines Unternehmens (als strategische Ausrichtungen) verankert werden sollten.227
225
Von komplexen Problemlösungen ohne direktes Problemverständnis berichten auch Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007), S. 915 und Dosi/Nelson/Winter (2000), S. 1. Es wird der Tatsache zugestimmt, dass derart komplexe Problemlösungen möglich sind ohne das organisationale Bewusstsein über zugrunde liegende Fähigkeiten. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass es genau die Leistung des strategischen Managements ist, diese Fähigkeiten zu identifizieren und auszubauen.
226
Eine Fokussierung auf die dritte und vierte Phase des modifizierten Wertschaffungs-/Wertaneignungsmodells findet sich z. B. bei Bonnemeier (2009).
227
Der Beleg für diese Aussage kann mit Bowman/Ambrosini (2000), S. 2 selbst geführt werden: „Customers’ [in diesem Fall Adressaten von Anwendungswissen, also das Unternehmen selbst] perceptions of a value of a good are based on their beliefs.“
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
2.2.1.3.4
53
Zwischenfazit „Organisationale Kundeninteraktionskompetenz“
Abschließend soll der Beitrag der Konzepte absorptiver Kapazität und Wertschaffung bzw. Wertaneignung als Beitrag zur erweiterten Definition einer Kundeninteraktionskompetenz diskutiert werden. Beide Konzepte stellen Phasenkonzepte dar, denen eine Prozesssichtweise zugrunde liegt. In beiden Konzepten konnten Phasen bzw. Bereiche identifiziert werden, in denen das bisherige Verständnis einer Interaktionsorientierung verortet werden konnte. Im Modell absorptiver Kapazität sind dies die Phasen „acquire“, „assimilate“ und die Internalisierungskomponente der „transform“-Phase, im Wertschaffungs-/Wertaneignungsmodell die Phasen „Generierung“ und „Aneignung von Anwendungswissen“. Da die Kritik von TODOROVA/DURISIN (2007) aufgenommen wird und die Vorgänge „assimilate“ und „transform“ als gleichzeitig bzw. wechselseitig bedingend angesehen werden, können aus beiden Konzepten zwei relevante Phasen bzw. Bereiche extrahiert werden. In der ersten Phase „acquire“ bzw. „Generierung von Anwendungswissen“ geht es darum, dass das Unternehmen aktiv in den Austausch mit dem Träger des Anwendungswissens tritt: dem Kunden. Dieser Austausch ist ein Anbieter-Kunde-Interaktionszyklus und kann durch eine Vielzahl von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen gestaltet sein. Diese Phase wird Interaktionsorientierung genannt. In der zweiten Phase „assimlate“ oder „transform“228 bzw. „Aneignung von Anwendungswissen“ geht es darum, Anwendungswissen in der Organisation zu verankern und nutzbar zu machen. Diese Veränderung kann als organisationaler Lernprozess verstanden werden. Diese Phase wird Lernorientierung genannt.229 Beide relevanten Phasen können zu strategischen Orientierungen zusammengefasst werden und umfassen, entsprechend der Arbeitsdefinition einer Kundeninteraktionskompetenz, relevante Werte, Normen, Praktiken und Prozesse. Das Management der Kundeninteraktionskompetenz eines Unternehmens wird so zur strategischen Aufgabe der Ausprägung (Implementierung230) und Koordination zweier strategischer Orientierungen, deren Unterscheidung aufgrund unterschiedlicher zugrunde liegender Fragestellungen sinnvoll und berechtigt ist. Beide strategischen Orientierungen werden als Stellhebel einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz in Kapitel 3 näher untersucht und schließlich operationalisiert.
228
Ausschließlich die Internalisierungskomponente dieser Phase. Alternativ auch „assimilate“ und „accomodate“ im Sinne Piagets (1952).
229
Die vorgestellte Unterteilung steht im Einlang mit den in Kapitel 2.2.2 dargestellten „integrated dynamization approaches“: „On the one hand, processes are devoted to coordinating and integrating available resources. This is understood as being the static component. On the other hand, processes refer to organizational learning and the reconfiguration of resources“ (Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007), S. 922).
230
Vgl. Plinke (2002), S. 15.
54
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Ob nun die strategischen Orientierungen selbst oder ihre Widerspiegelung in Werten, Normen, Praktiken und Prozessen die organisationalen Ressourcen im Sinne von Abbildung 6 darstellen, hat für die Beantwortung der Forschungsfragen keine Auswirkungen. Aus diesem Grund wird auf eine Diskussion dieses Sachverhalts verzichtet und festgelegt, dass die strategischen Orientierungen und ihre Durchsetzung bereits eine organisationale Ressource darstellen, die im Zusammenspiel zu einer Kundeninteraktionskompetenz führt. Um eine effektive Koordination der Interaktions- und Lernorientierung im Sinne einer Kundeninteraktionskompetenz zu erreichen, stellt sich die Frage, wie sich das Zusammenspiel beider Orientierungen gestaltet. Die vorgestellten Konzepte schlagen eine logische Abfolge der Wirkung im Informationsverarbeitungs- bzw. Wertschöpfungsprozess vor. Wenn dieser Kausalzusammenhang belegbar ist, würde folgen, dass organisationale Interaktionen nur dann ihre längerfristige Wirkung entfalten können, wenn ein organisationales Lernen im Unternehmen ausgeprägt ist. Lernorientierung wäre so als Vorbedingung einer Interaktionsorientierung zu verstehen. Soweit ein Zusammenhang zwischen den beiden strategischen Orientierungen empirisch belegbar ist, sollte dieser auf Basis dieser Überlegungen die Richtung von LO nach IO annehmen. Zunächst ist dies noch eine Hypothese dieser Untersuchung (vgl. HIII in Kapitel 2.4). Kundeninteraktionskompetenz, Interaktions- und Lernorientierung werden damit abschließend wie folgt definiert und in Abbildung 11 dargestellt: Definition „Organisationale Kundeninteraktionskompetenz“ Eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz (KIK) umfasst das Management relevanter strategischer Orientierungen eines Anbieterunternehmens, die darauf abzielen, die knappe Ressource „Anwendungswissen“ (AW) in Interaktion mit Kunden zu optimieren. Relevante strategische Orientierungen einer Kundeninteraktionskompetenz sind zum einen eine „Interaktionsorientierung“ (AW-schaffende Orientierung) und zum anderen eine „Lernorientierung“ (AW-aneignende Orientierung). Definition „Interaktionsorientierung“ Eine strategische Interaktionsorientierung (IO) zielt darauf ab, den Austausch des Unternehmens mit Trägern relevanten Anwendungswissens (Kunden) durch die Gestaltung von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen zu optimieren. Definition „Lernorientierung“ Eine strategische Lernorientierung (LO) zielt darauf ab, (Anwendungs-)Wissen durch die Gestaltung von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen zu verankern, nutzbar zu machen und gegebenenfalls zu erneuern.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
55
Ergänzend ist hinzuzufügen, dass im Gegensatz zu der hauptsächlich unidirektionalen Ausrichtung des Konzepts absorptiver Kapazität die Benennung „Interaktionsorientierung“ andeutet, dass es um Werte, Normen, Praktiken und Prozesse im Anbieterunternehmen geht, die den bidirektionalen Charakter und gegebenenfalls kundenindividuelle Lösungen unterstützen.
Nachhaltige Wettbewerbsvorteile
Anwendungswissen
Unternehmenserfolg
Kundeninteraktionskompetenz von Anbieterunternehmen in Industriegütermärkten
Organisationale Ressourcen: Strategische Orientierung Interaktionsorientierung (im Sinne einer Wertschaffung; Phase I ACAP)
Lernorientierung (im Sinne einer Wertaneignung; Phase II & III ACAP)
Werte/ Normen
Prozesse
Praktiken
Abbildung 11 Organisationale Kundeninteraktionskompetenz
Im Einklang mit den bisherigen Befunden wurde in diesem Kapitel die Kundeninteraktionskompetenz von Anbieterunternehmen231 in Industriegütermärkten als das Zusammenspiel von Interaktions- und Lernorientierung (bzw. den jeweiligen Werten, Normen, Praktiken und Prozessen) konzeptualisiert. Kundeninteraktionskompetenz drückt sich demnach als die Durchsetzung und Ausprägung strategischer Orientierungen aus. Im nächsten Kapitel wird geprüft, wie sich Interaktions- und Lernorientierung in die Forschung zu strategischen Ausrichtungen von Unternehmen einordnen lassen.
231
Diese Untersuchung beschränkt sich auf Anbieterunternehmen in Industriegütermärkten, da davon ausgegangen wird, dass die Kundenunternehmung nur indirekt durch das Interaktionsverhalten des Anbieterunternehmens beeinflusst werden kann (vgl. 2.3.2). Aufgrund der Definition von Interaktion (vgl. Abbildung 3) und dem Verständnis, dass es um einen „gemeinsame[n] Problemlösungsprozess im Kontext der betrieblichen Wertschöpfungsaufgaben“ (Reichwald/Piller (2009), S. 53) geht, ist jedoch auch davon auszugehen, dass auch Kundenunternehmen eine derartige Kompetenz in verschiedenen Ausprägungen besitzen. Von Hippel (1986) stellt beispielsweise Lead-User-Charakteristika vor, die als Ausdruck einer Kundeninteraktionskompetenz im Bereich neuer Produkte gelten. Für eine Übersicht der Kundenperspektive im Bereich Mass Customization und Open Innovation eignet sich Reichwald/Piller (2009).
56
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
2.2.2
Interaktions- und Lernorientierung – zwei strategische Orientierungen?
In diesem Kapitel geht es zunächst darum, strategische Orientierungen zu definieren und existierende Typologien vorzustellen. Im Anschluss erfolgt eine Verortung der Kundeninteraktionskompetenz als Realisierung einer strategischen Interaktions- und Lernorientierung im Modell der Entwicklungsphasen der Unternehmensführung bzw. strategischer Orientierungen von BRUHN. Im klassischen Verständnis des St.-Galler-Managementmodells stellt die Strategie eines Unternehmens das Bindeglied zwischen (normativen) Grundwerten einer Organisation und der Gestaltung effizienter Abläufe innerhalb der Organisation dar.232 BOWMAN/AMBROSINI (2000) sehen die Aufgabe einer Strategie, im Einklang mit ressourcenorientierten Ansätzen, in der „[…] search for long-lived rents, or competitive advantage“.233 ENGELLAND/SUMMEY (1999) erkennen zwei wesentliche Komponenten eines strategischen Modells: die Identität der Unternehmung und deren strategische (Aus-)Richtung.234 Dabei beinhalten „[…] statements of identity […] the perceived competitive space in which strategists place their business. Similarly, statements of direction express the salient ideas of mission and strategic intent – a sense of purpose and scope for the organization.“235
In dieser Lesart wird die zentrale Bedeutung der strategischen Orientierung einer Unternehmung deutlich: Zum einen ist sie die Grundlage langfristigen Erfolgs und beeinflusst zum anderen die alltäglichen Abläufe (operative Ebene) der Unternehmung.236 An dieser Stelle ist bedeutend hervorzuheben, dass Umfang und Art der Implementierung einer strategischen Orientierung eine Wahloption des Managements darstellen. In der Literatur ist man sich der zentralen Rolle strategischer Orientierungen bzw. der Bedeutung der Auswahl einer zum Unternehmen und Umfeld passenden strategischen Orientierung bewusst. Je nach Perspektive der Autoren wird strategische Orientierung jedoch unterschiedlich definiert (vgl. Tabelle 5).
232
Vgl. Rüegg-Stürm (2005), S. 70 ff. und Ulrich/Fluri (1995), S. 18 ff. Ein ähnliches Verhältnis beschreiben Noble/Sinha/Kumar (2002), S. 27 zwischen „culture“ und „strategic orientations“.
233
Bowman/Ambrosini (2000), S. 5.
234
Vgl. Engelland/Summey (1999), S. 20. Engelland/Summey (1999) leiten beide Bestandteile direkt aus der Arbeit von Porac/Howard/Baden-Fuller (1989), S. 399 ab.
235
Engelland/Summey (1999), S. 20.
236
Vgl. z. B. Sinkovics/Roath (2004), S. 43 und Fuentes Fuentes/Lloréns Montes/Molina Fernández (2006), S. 303.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
57
Autoren
Definitionen
Aragón-Sánchez/SánchezMarín (2005) angelehnt an Hambrick (1983), Snow/Hrebiniak (1980) und Conant/Mokwa/Varadarajan (1990) Neal/West/Patterson (2004)
„The strategic orientation of the firm may be considered a key element with important implications for the management and efficiency of SMEs […]. Depending on the strategic orientation adopted, the firm may emphasize more or less aspects such as technological position, innovation, organizational design, and personnel management.“
Morgan/Strong (1998) in Anlehnung an Manu/Sriram (1996) Sinkovics/Roath (2004) in Anlehnung an Gatignon/Xuereb (1997) and Hitt et al. (2000) Zhou/Yim/Tse (2005) in Anlehnung an Gatignon/Xuereb (1997)
Tabelle 5
„The term ‚strategic orientation‘ refers to the structures, strategies and processes a firm adopts in order to compete in the market place.“ „Competitive strategy is synonymous with the term strategic orientation, which has been defined as ‚how an organization uses strategy to adapt and/or change aspects of its environment for a more favourable alignment.‘“ „[...] strategic orientation [… is] the specific approach a firm implements to create superior and continuous performance. Strategic orientation provides a foundation of guidelines upon which to continuously improve a company’s performance. The strategic orientation concept reflects managers’ perceptions of the environment and their reactions to environmental conditions.“ „An important firm capability is its strategic orientation. Strategic orientation reflects the firm’s philosophy of how to conduct business through a deeply rooted set of values and beliefs that guides the firm’s attempt to achieve superior performance.“
Definitionsansätze „Strategische Orientierung“
Tabelle 5 präsentiert eine unvollständige Zusammenschau von Definitionsansätzen für strategische Orientierungen. Alle Definitionen vertreten die Ansicht, dass eine strategische Orientierung als übergeordnete Ausrichtung der Unternehmung Leitcharakter besitzt. NEAL/ WEST/PATTERSON (2004) und MORGAN/STRONG (1998) heben die Wettbewerbsposition explizit hervor. Gleichzeitig sprechen SINKOVICS/ROATH (2004) und ZHOU/YIM/TSE (2005) von dem Ziel einer „superioren“ Performanz und ARAGÓN-SÁNCHEZ/SÁNCHEZ-MARÍN (2005) von Effizienz (im Vergleich zum restlichen Wettbewerb).237 Für NEAL/WEST/PATTERSON (2004) sind Strategien, Strukturen und Prozesse Indikatoren einer strategischen Orientierung. Dies bedeutet, dass durch Beobachtung bestimmter Charakteristika eines Unternehmens Rückschlüsse auf dessen strategische Orientierung möglich sind.238 SINKOVICS/ROATH (2004) und MORGAN/STRONG (1998) stellen hingegen strategische Orientierung als die Wahrnehmungen und Reaktionen des Managements auf die Umwelt dar. Das heißt, dass die strategische Ausrichtung eines Unternehmens durch Managementaktivitäten veränderbar ist. ZHOU/YIM/TSE (2005) heben den Aspekt hervor, dass die Schaffung und Durchsetzung passender strategischer Orientierungen als eine Fähigkeit bzw. Kompetenz239 eines Unter-
237
Eine Untersuchung zur Performancewirksamkeit strategischer Orientierungen findet sich u. a. bei AragónSánchez/Sánchez-Marín (2005) und Pleshko (2007).
238
Ähnliche Feststellungen finden sich auch bei Morgan/Strong (1998), S. 1053.
239
Ursprünglich „Capability“. Aufgrund des unterschiedlichen Sprachgebrauchs sind hier zwei Lesarten möglich.
58
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
nehmens verstanden werden kann.240 Diese Arbeit legt aufbauend auf den genannten Aspekten die folgende Definition für strategische Orientierungen zugrunde:241 Definition „Strategische Orientierungen“: (1) Die strategische Orientierung einer Unternehmung zielt darauf ab, langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern. (2) Eine strategische Orientierung umfasst neben der Identität des Unternehmens auch zukünftige Entwicklungsrichtungen und Zielvorstellungen. (3a) (Teil-) Strategien, Prozesse und Strukturen des Unternehmens sind einerseits (analysierbarer) Ausdruck einer strategischen Orientierung, allerdings auch (3b) Mittel einer (aktiven) Umsetzung und Veränderung strategischer Orientierungen. (4) Die Generierung und Durchsetzung zielführender strategischer Orientierungen stellt eine wesentliche Kompetenz eines Unternehmens dar. Die Definition einer „strategischen Orientierung“ macht deutlich, dass die bereits skizzierte Kundeninteraktionskompetenz Ausdruck strategischer Orientierungen ist: Die Ausprägung einer KIK zielt auf die Erzeugung und Sicherung von Wettbewerbsvorteilen ab (vgl. Abbildung 6). Die analysierbaren jeweiligen Werte, Normen, Praktiken und Prozesse der Interaktions- und Lernorientierung als Ausdruck einer KIK können sowohl statisch als aktuelle Teil-Identität eines Unternehmens gesehen werden als auch dynamisch als die Reproduktionskraft für zukünftige Veränderungen durch die Generierung von Anwendungswissen (vgl. Kapitel 2.2.1.1). Letztendlich wird auch hier die zielführende Durchsetzung einer strategischen Orientierung als Kompetenz aufgefasst (vgl. Kapitel 2.2.1.3.4). Eine hohe Ähnlichkeit der Ziele und Grundlagen der Konzepte „Kundeninteraktionskompetenz“ und „strategische Ausrichtungen“ kann somit festgestellt und die generelle Fragestellung dieses Kapitels bejaht werden.242 Aufgrund der Tatsache, dass beide Ansätze dem ressourcenorientierten Denken (vgl. Kapitel 2.3.1) entstammen, erscheint dieser Befund auch wenig überraschend. Noch immer unbeantwortet ist jedoch die Frage, wie sich Interaktions- und Lernorientierung in existierende strategische Konzepte integrieren lassen.
240
Einen anderen Ansatz zur Verbindung strategischer Orientierung und „Capabilities“ zeigen Sinkovics/Roath (2004), S. 43: Es wird davon ausgegangen, dass durch die Ausbildung entsprechender Fähigkeiten im Unternehmen die Strategy-Performance-Verbindung mediiert wird.
241
Das Verständnis von Strategie bzw. Strategieimplementierung dieser Arbeit richtet sich hauptsächlich auf die Gestaltung organisationaler Variablen. Krohmer (1999), S. 17 zählt hierzu Organisationsstruktur, Unternehmenskultur, Managementsystem und die individuellen Fähigkeiten der Mitarbeiter. Vernachlässigt werden in der vorliegenden Untersuchung Aspekte der zunehmenden Detaillierung und Operationalisierung von Strategiezielen sowie Aspekte der Führung und Kommunikation (vgl. Krohmer (1999), S. 18 f.).
242
Vgl. auch North (2005), S. 14, der das Kompetenzmanagement als möglichen Vorteil einer verbesserten Strategieplanung und Strategieumsetzung bezeichnet.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
2.2.2.1
59
Typologien strategischer Orientierungen
MORGAN/STRONG (1998) unterteilen die Untersuchungsrichtungen strategischer Ausrichtungen in
die Gruppen „Narrative Approach“, „Classificatory Approach“ und „Comparative Approach“.243 Erstgenannter Ansatz zeichnet sich durch die Verwendung deskriptiver, qualitativer Methoden aus (z. B. Case Studies) und eignet sich damit nur begrenzt zur Überprüfung theoretischer Ansätze.244 Der „Classificatory Approach“ führt zu Typologisierungen und findet weite Verbreitung.245 Durch die Kritik einer zu starken Vereinfachung und Anwendbarkeit im Rahmen von Gruppenvergleichen schlagen MORGAN/STRONG (1998) einen „Comparative Approach“ vor, der mehrere Attribute bzw. Charakterzüge von Wettbewerbsstrategien vergleicht.246 Aufgrund der Tatsache, dass in diesem Teilkapitel nur eine Einordnung der strategischen Orientierungen Interaktions- und Lernorientierung erfolgen soll, bleibt der Blickwinkel im Weiteren auf eine Auswahl von Typologisierungen, d. h. den „Classificatory Approach“, beschränkt.247 Ähnlich dem Begriff der strategischen Orientierung selbst, müssen auch die jeweiligen Typologien generischer Strategien oder strategischen Archetypen248 als Denkmodelle verstanden werden.249 Zwei der bekanntesten Typologien stammen von MILES/SNOW (1978) und PORTER (1980). Die Systematisierung von MILES/SNOW (1978) ordnet Unternehmen die Profile „Defender“, „Prospector“, „Analyser“ und „Reactor“ zu.250 Dabei wird davon ausgegangen, dass die drei erstgenannten Profile eine höhere Performanz erwarten lassen und deshalb erstrebenswerter als das Reaktorprofil sind.251 Die Typologie PORTERs hingegen stützt sich auf die Normstrategien „Differenzierung“, „Kostenführerschaft“ und „Bereich/Fokus (Scope)“ als anzustrebende Wettbewerbspositionen.252 Der Ansatz von PORTER (1980) bietet weniger ein
243
Vgl. Morgan/Strong (1998), S. 1053 und Morgan/Strong (2003), S. 146. Noble/Sinha/Kumar (2002), S. 26 fügen dieser Klassifikation die Dimension „competitive culture“ hinzu, die in dieser Arbeit jedoch nicht weiter verfolgt wird.
244
Vgl. Morgan/Strong (1998), S. 1053 f.
245
Vgl. Morgan/Strong (1998), S. 1054.
246
Vgl. Morgan/Strong (1998), S. 1054 f. Eine empirische Überprüfung des Konzepts findet sich bei Morgan/Strong (2003).
247
Weitere Ansätze und Typologisierungsmöglichkeiten finden sich u. a. bei Morgan/Strong (1998), S. 1053 ff.
248
Vgl. Manu/Sriram (1996), S. 79.
249
Mit Hilfe von Typologien werden real existierende, komplexe Zusammenhänge im Unternehmensumfeld vereinfacht. Dadurch wird es möglich, das Wettbewerbsumfeld eines Unternehmens zielgerichtet zu analysieren. Darüber hinaus stellen Typologien strategischer Orientierungen einen Werkzeugkasten bereit, mit dessen Hilfe die eigene Unternehmensidentität hinterfragt werden kann (vgl. 3a der Definition strategischer Orientierungen) und neue strategische Optionen für eine Unternehmung generiert werden können (vgl. 3b der Definition strategischer Orientierungen), (vgl. z. B. Engelland/Summey (1999), S. 19 f.).
250
Vgl. Miles/Snow (1978), S. 29 f.
251
Vgl. Miles/Snow (1978), S. 93. Diese Annahme wird mit Ausnahmen auch in Untersuchungen bestätigt (vgl. z. B. Pleshko (2007), S. 54 und Aragón-Sánchez/Sánchez-Marín (2005), S. 287, 288, 293).
252
Vgl. Porter (1980), S. 35 und Engelland/Summey (1999), S. 22. Im Original lauten die Begriffe „Overall Cost Leadership“, „Differentiation“ und „Focus“. In der Arbeit wurde die Übersetzung von Mintzberg/Ahlstrand/ Lampel (2003), S. 125 gewählt.
60
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Analyseschema, sondern eher eine Leithilfe für die Zielpositionierung von Unternehmen im Wettbewerb. Beide bisher vorgestellten Typologisierungen sind aufgrund ihrer hohen Eingängigkeit weit verbreitet, ernten jedoch aufgrund verschiedener Aspekte auch Kritik.253 Von höherer Relevanz für diese Untersuchung sind die Untersuchung(en) im Bereich strategischer Orientierungen von BERTHON/HULBERT/PITT (1999) und BRUHN: BERTHON/HULBERT/PITT (1999) stellen zwei strategische Orientierungen einander gegenüber:
Kunden- bzw. Marktorientierung254 und Innovationsorientierung. Die beiden Orientierungen verkörpern den Dualismus von „Market-Pull“ vs. „Technology-Push“. Ähnlich der Definition der strategischen Orientierung dieser Arbeit weisen auch BERTHON/HULBERT/PITT (1999) ihrer Typologie beschreibende (analysierende) und zugleich normative Funktion zu.255 Aufgrund der generischen Struktur eignet sich der Bezugsrahmen dennoch besser für die Einordnung vergangener Entwicklungen (ex post). Das Vorgehen von BERTHON/HULBERT/PITT (1999) ist insbesondere deshalb von Interesse für die vorliegende Untersuchung, da es ein Verfahren vorstellt, das eine Zusammenführung von Interaktions- und Lernorientierung zu einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz am Ende dieser Untersuchung ermöglicht (vgl. Kapitel 6). BRUHN256 nimmt in Anlehnung an MEFFERT (2000) die Haltung ein, dass „sich die Markt-
bedingungen und damit die Wettbewerbssituationen […] grundlegend geändert“257 haben. Dadurch sind neuartige Problemstellungen und Aufgabenfelder entstanden. Diese waren bzw. sind jeweils nur begrenzt mit den herkömmlichen Denkstrukturen des klassischen Marketings vereinbar. In dieser Denkrichtung werden klassische Konzepte (wie z. B. das Konzept PORTERs) nicht ersetzt, sondern weiterentwickelt.258 Dabei versteht BRUHN (2001) in seinen Weiterentwicklungen „Marketing“ nicht als eine Abteilungsfunktion, sondern als eine abteilungsübergreifende, gesamtorganisatorische Funktion.259 Folglich legt BRUHN (2001) auch die Entwicklungsphasen der Unternehmensführung vor, die auch als strategische Orientierungen im Zeitverlauf gedeutet
253
Beispielsweise klassifizieren Miles/Snow (1978) lediglich vier Typen von Organisationen. Rechnerisch durch die Kombination von drei typischen Entscheidungsbereichen mit den Ausprägungsmöglichkeiten „hoch/niedrig” jedoch 2×2×2 = 8 Typen möglich. Für weitere Kritikpunkte vgl. z. B. Engelland/Summey (1999), S. 21. Für Kritikpunkte bei der Strategie Porters vgl. z. B. Mintzberg/Ahlstrand/Lampel (2003), S. 123 ff.
254
Berthon/Hulbert/Pitt (1999), S. 37 unterscheiden nicht zwischen den Konstrukten Markt- und Kundenorientierung.
255
Die beiden strategischen Orientierungen spannen eine Matrix auf, die die Quadranten „Isolate“, „Shape“, „Follow“ und „Interact“ benennt.
256
Vgl. Bruhn (2000), Bruhn (2001), Bruhn (2004) und Bruhn (2007).
257
Vgl. Bruhn (2009), S. V.
258
Vgl. z. B. die Ergebnisse von Homburg/Grozdanovic/Klarmann (2007).
259
Vgl. Bruhn (2001), S. 9 und Bruhn (2007), S. 18.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
61
werden können (vgl. Abbildung 12 auf Seite 62). Im Folgenden soll kurz auf die jeweiligen Entwicklungsschritte eingegangen werden.260 (1) Produktorientierung: In den 1950er- und 1960er-Jahren stellten sich die Märkte als Verkäufermärkte dar. Mittels effizienter Massenproduktion wurde angestrebt, die existierende Nachfrage zu befriedigen. Die Produkt-Markt-Matrix oder Portfolioanalysen sind lt. BRUHN Methoden, die dieser Orientierung entstammen. (2) Marktorientierung: Mit auftretender Marktsättigung, die den Wandel der Verkäufer- zu Käufermärkten bedeutete, orientierten sich Unternehmen zunehmend auf die Ansprache der Bedürfnisse spezifischer Zielgruppen. Damit ist der Einsatz von Marktforschungsinstrumenten, Marktsegmentierung und Positionierungselementen dieser Phase den 1970er-Jahren zuzuordnen. (3) Wettbewerbsorientierung: Aufgrund ähnlicher eingesetzter Marketingaktivitäten, die durch die Umorientierung in Phase 2 ausgelöst wurden, wurde es für Unternehmen immer schwieriger, sich allein durch bloße Ausrichtung auf Marktbedürfnisse gegenüber dem Wettbewerb zu profilieren. Die Identifizierung strategischer Wettbewerbsvorteile261 und Definition strategischer Orientierungen im Wettbewerb gewann deshalb in den 1980er-Jahren stärker an Bedeutung (z. B. durch Konkurrenz- und Wertkettenanalyse).262 (4) Kunden- bzw. Umfeldorientierung: Für die 1990er-Jahre zeigt Bruhn zwei Versionen seines Konzepts. Die vierte Phase wird sowohl als „Kundenorientierung“ als auch als „Umfeldorientierung“ bezeichnet. Im Folgenden werden deshalb beide Argumentationsstränge vorgestellt.263 Kundenorientierung: Aufgrund der Tatsache, dass durch den Einsatz der Instrumente der Marktund Wettbewerbsorientierung allgemeine Kundenbedürfnisse weitgehend befriedigt werden und eine Abgrenzung zum Wettbewerb immer schwieriger wird, orientieren sich in den 1990er-Jahren Unternehmen stärker an den spezifischen Bedürfnissen einzelner Kunden, um sich gegenüber dem Wettbewerb zu profilieren und die Wechselbereitschaft einzelner Kunden zu senken. Als typische Instrumente hierfür stehen der Einsatz von Kundenbarometern oder der Einsatz von Kundenwertermittlungen zur Verfügung.
260
Vgl. Bruhn (2001), S. 1 ff., Bruhn (2004), S. 35 ff. und Bruhn (2007), S. 15 ff. Eine ähnliche Evolutionsgeschichte des Marketings findet sich bei Christopher/Payne/Ballantyne (2002), S. 2 ff. und Ramani/Kumar (2008), S. 41. Vgl. auch die Merkmale des modernen Marketings bei Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2008), S. 12 ff.
261
Strategische Wettbewerbsvorteile sind durch Begriffe wie USP (Unique Selling Proposition) oder KKV (komparativer Konkurrenzvorteil) geprägt (vgl. Bruhn (2007), S. 16 in Anlehnung an Backhaus/Voeth (2007), S. 22).
262
Porters Typologie kann als eine Methodik verstanden werden, die sowohl aufgrund ihres Entstehungszeitpunkts als auch ihres Inhalts zwischen den Bereichen Markt- und Wettbewerbsorientierung verankert werden kann: So sehen Mintzberg/Ahlstrand/Lampel (2003) Porter beispielsweise in seiner „Positionierungsschule“ und Porter spricht selbst von generischen Wettbewerbsstrategien (vgl. Porter (1980), S. 34 f.).
263
Bruhn (2009b), S. 1 nennt nur noch die Phase „Kundenorientierung“.
62
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Umfeldorientierung:264 Der verstärkte Einfluss ökologischer (z. B. Umweltschutz), politischer (z. B. Veränderungen innerhalb der EU), technologischer (z. B. Möglichkeiten durch Informationstechnologie) und gesellschaftlicher Faktoren (z. B. Wertewandel) prägen ebenfalls die 1990erJahre. Neben Kosten- und Qualitätswettbewerb wird damit die Zeitkomponente bedeutender.265 Reaktionsfähigkeit und Flexibilität gegenüber externen Einflüssen wertet BRUHN als die zentralen Erfolgselemente dieser Phase. Kundenbarometer und Qualitätsmanagementsysteme sieht er als Instrumente, die Unternehmen u. a. diesen Anforderungen entgegensetzen können. (5) Netzwerkorientierung266: BRUHN sieht ab dem Jahr 2000 die Marktanforderungen durch einen aggressiveren und komplexeren Wettbewerb geprägt, der in vielerlei Dimensionen ausgetragen wird. Zusätzlich erkennt BRUHN auch den Trend zu einem „individuellen, multioptionalen und vernetzten (Beziehungs-)Marketing“.267 Als Lösungsalternative für diese komplexen Herausforderungen schlägt BRUHN (2007) die Bildung strategischer Netzwerke und verstärktes Agieren in diesen vor.268
Methoden
5 Netzwerkorientierung
• Netzwerkübergreifende Anwendung von Methoden
4 Kunden-/Umfeld orientierung
• Qualitätsmessung • Kundenbarometer/-wert
3 Wettbewerbsorientierung
• Konkurrenzanalyse • Wertkettenanalyse
2 Marktorientierung
• Marktsegmentierung • Positionierung
1 • Produkt-Markt-Matrix • Portfolioanalyse
Produktorientierung Zeit 1950er-/1960erJahre
1970erJahre
1980erJahre
1990erJahre
ab 2000
Abbildung 12 Entwicklungsphasen der Unternehmensführung/strategischer Orientierungen269
264
Der Bereich „Umweltorientierung“ findet sich bereits bei Bruhn (2000), S. 20 als inhaltlicher Fokus der Marketingentwicklung.
265
Vgl. Bruhn (2007), S. 17. Ähnliche Aussagen zu Kundenanforderungen und betriebswirtschaftlichen Zielgrößen treffen Reichwald/Piller (2009), S. 31 f.
266
Die Stufe der Netzwerkorientierung ist in dem Konzept von Bruhn (2000), S. 26 noch nicht realisiert.
267
Bruhn (2007), S. 18.
268
Ähnliche Aussagen zu Kundenanforderungen und betriebswirtschaftlichen Zielgrößen treffen Reichwald/Piller (2009), S. 32 f.
269
Die Abbildung trägt der Tatsache Rechnung, dass Bruhn verschiedene Versionen seiner Entwicklungsphasen vorlegt. Insbesondere die vierte Phase wird unterschiedlich gedeutet: In Bruhn (2000) und Bruhn (2001) wird die Phase „Kundenorientierung“ benannt, in Bruhn (2004) und Bruhn (2007) hingegen „Umfeldorientierung“.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
63
BRUHN (2007) hebt hervor, dass der vorgestellte Ablauf je nach Unternehmensgröße, Branche und
Marktumfeld unterschiedlich ablaufen kann. Zudem nennt er als weitere Entwicklung des Marketings die Entdeckung der Mitarbeiter als neue, interne Zielgruppe.270 Die Entwicklungsphasen der Unternehmungsführung bzw. Abfolge strategischer Orientierungen soll im Folgenden dazu dienen, Interaktions- und Lernorientierung einzuordnen.
2.2.2.2
Einordnung der strategischen Interaktions- und Lernorientierung in das Konzept der Entwicklungsphasen strategischer Orientierungen
Die strategische Orientierung eines Unternehmens ist, wie in Abschnitt 2.2.2.1 erläutert, nicht nur eine Zustandsbeschreibung, sondern auch „direkt“ durch das Management und „indirekt“ durch das Umfeld eines Unternehmens veränderbar. Selbst wenn alle direkten unternehmensinternen Entscheidungen konsistent und abgestimmt auf eine strategische Orientierung sind, muss diese Orientierung auch die örtlichen, zeitlichen usw. Umweltanforderungen angemessen widerspiegeln, damit die strategische Orientierung zu dem angestrebten Wettbewerbsvorteil führen kann.271 Bevor also entschieden werden kann, ob und wie Interaktions- und Lernorientierung in das Entwicklungsphasenmodell von BRUHN integrierbar sind, muss die Frage gestellt werden, welchen aktuellen (Umwelt-)Entwicklungen diese strategischen Orientierungen gerecht werden müssen. Den Rahmen hierfür liefert Kapitel 2.1.2, dessen Ergebnisse in Tabelle 2 (vgl. Seite 26) zusammengefasst wurden. In diesem Kontext erscheinen insbesondere die Themenbereiche Kundenorientierung, Relationship Marketing und Kundenwert von Relevanz für die Einordnung einer Kundeninteraktionskompetenz. 2.2.2.2.1
Bindeglied Kundenorientierung und Relationship Marketing
In diesem Abschnitt gilt es, (1) die in Tabelle 2 (vgl. Seite 26) identifizierten aktuellen Entwicklungen in Industriegütermärkten (hybride Leistungserstellung, Lösungsorientierung, kundenindividuelle Produktion und die Verstärkung des Customer-Active-Paradigmas) und Erkenntnisse zu einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz in die präsentierten strategischen Orientierungen bzw. deren Typologisierungen einzuordnen. Damit wird die theoretische Einordnung dieser Arbeit ermöglicht. (2) Darüber hinaus geht es darum, die Existenz einer theoretischen Lücke zu unterstreichen. Im Anschluss wird (3) die Möglichkeit ausgelotet, die Konzepte der Kundeninteraktionskompetenz, der Kundenorientierung und des Relationship Marketings miteinander in Verbindung zu bringen. Abschließend wird (4) die Frage beantwortet, welche Weiterentwicklungsmöglichkeiten eine derartige Verbindung birgt.
270
Vgl. Bruhn (2007), S. 18.
271
Vgl. z. B. Miles/Snow (1978), S. 3.
64
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
(1) Die zentralen Forderungen interaktiver Wertschöpfungsprozesse (relationaler, interaktiver Prozess) finden insbesondere in zwei präsentierten strategischen Modellen Berücksichtigung: einerseits in dem der Matrix von BERTHON/HULBERT/PITT (1999),272 die Kunden- und Innovations- bzw. Technologieorientierung gegenüberstellt, andererseits finden sich ähnliche Beobachtungen in der vierten Phase des Phasenkonzepts von BRUHN (2001). In der dort verankerten Kundenorientierung sieht BRUHN (2004) eine enge Verknüpfung zum Relationship Marketing.273 Die Grundprinzipien interaktiver Wertschöpfung gleichen den Prinzipien des Relationship Marketings (z. B. „individualization“, „interactivity“ und „integration“).274 Die Fokussierung auf die Kundenbeziehung im Relationship Marketing weist eine starke Nähe zu den Anbieter-KundeInteraktionszyklen auf, die als Grundlage der Generierung von Anwendungswissen und damit als Grundlage einer KIK definiert wurden.275 Die Fähigkeit des Konzepts des Relationship Marketings, sowohl Aspekte aktueller Entwicklungen als auch zentrale Aspekte einer KIK zu umfassen, veranlasst den Autor im Weiteren, diesen Forschungsstrang zu verfolgen und zunächst die Grundzüge des Relationship Marketings zu beleuchten. Die Entstehung des Relationship Marketings entspringt „der Kritik an einem rein transaktionsorientierten Marketing“.276 Folglich bezeichnet Relationship Marketing die Hinwendung zu einer beziehungsorientierten Perspektive, insbesondere durch die Fokussierung auf Kundenbeziehung und -bindung. Untersuchungen belegen, dass verbesserte Kundenbindung sowohl auf Kosten- als auch auf Erlösseite positive Effekte generiert.277 Basierend auf der Einordnung verschiedener Branchen in die Prämissen des Relationship Marketings nach GRÖNROOS (1996) zeigen COVIELLO/BRODIE (1998), dass dem Relationship Marketing insbesondere in den Bereichen „Industrial Goods“ und „Industrial Services“ (Industriegütermärkte im Sinne des Kapitels 2.1) eine besondere Bedeutung zukommt. 278 Tabelle 6 zeigt die grundlegenden Unterschiede der beiden Konzepte auf. BRUHN (2001) sieht darin den Wechsel von der „Inside-out“-Perspektive hin zum „Outside-in“-orientierten
272
Vgl. Kapitel 2.2.2.1, Quadrant IV.
273
Vgl. Bruhn (2004), S. 38.
274
Vgl. Hennig-Thurau/Hansen (2000), S. 5 und Diller (2000), S. 44. Entsprechend dieser Feststellung geben auch Reichwald/Piller (2009) Relationship-/Beziehungsmarketing als eine der Quellen für die Entwicklung der Idee interaktiver Wertschöpfung an (vgl. Reichwald/Piller (2009), S. 4). Ähnliche Überlappungen können für die Instrumente des Relationship Marketings festgestellt werden, die bei Hennig-Thurau/Hansen (2000), S. 9 f. genannt werden.
275
Vgl. Kapitel 2.2.1.3.4.
276
Bruhn (2001), S. 8.
277
Vgl. Gröppel-Klein/Königstorfer/Terlutter (2008), S. 43, Hennig-Thurau/Hansen (2000), S. 6 und Bruhn (2001), S. 4 f.
278
Vgl. Coviello/Brodie (1998), S. 179. Eine Ausnahme bildet der Bereich der „Industrial Commodities“.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
65
Marketing.279 Deutlich erkennbar ist eine Stärkung des Interaktionsgedankens im Konzept des Relationship Marketings und eine Ausweitung des Konzepts auf alle Verkaufsphasen. Criterion
Relationship Marketing
Transactional Marketing
Primary object General approach Perspective Basic orientation Long-term vs. short-term
Relationship Interaction-related Evolutionary-dynamic Implementation-oriented Generally takes a long-term perspective Maintenance of existing relationships All phases focus on post-sales decisions and action High Generally high Managing the customer base (direct approach) Quality of interaction The concern of all Substantial strategic importance High
Single transaction Action-related Static Decision-oriented Generally takes a short-term perspective Acquisition of new customers Pre-sales activities Low Generally low Monitoring market share (indirect approach) Quality of output Primary concern of production No or limited importance Low
Mass customization
Mass production
Fundamental strategy Focus in decision process Intensity of contact Degree of mutual dependence Measurement of customer satisfaction Dominant quality dimension Production of quality Role of internal marketing Importance of employees for business success Production focus
Tabelle 6 Wesentliche Unterschiede der Konzepte „Relationship Marketing“ und „Transactional Marketing“ (aus Hennig-Thurau/Hansen (2000))
Der Grundstein des Relationship Marketings wurde von BAGOZZI (1974/1975) gelegt und der Begriff wurde von BERRY (1983) erstmals genutzt. Eine generelle Theorie des Relationship Marketings existiert derzeit nicht.280 Als zentrale Stränge bzw. Perspektiven in der RelationshipMarketing-Forschung identifizieren HENNIG-THURAU/HANSEN (2000) jedoch verhaltensorientierte Ansätze281, die Netzwerktheorie und die neue Institutionenökonomie.282 Die Definition für diese Untersuchung stammt von BRUHN (2001). Darin werden das Phasenkonzept und das Konzept des gegenseitigen Nutzens besonders deutlich erkennbar. Definition „Relationship Marketing“ „Relationship Marketing umfasst sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen zu den Anspruchsgruppen – insbesondere zu den Kunden des Unternehmens mit dem Ziel des gegenseitigen Nutzens dienen.“283
279
Vgl. Bruhn (2001), S. V.
280
Vgl. z. B. Egan (2008), S. 16 ff., 32 ff. und Grönroos (1996), S. 23.
281
In diesem Strang werden beispielsweise Konstrukte wie Vertrauen, Zufriedenheit und „Commitment“ untersucht. Das Phänomen des „free revealing“ kann hier ebenfalls als Bestandteil bzw. Erweiterung dienen.
282
Vgl. Hennig-Thurau/Hansen (2000), S. 4.
283
Bruhn (2001), S. 9. Weitere Definitionsansätze finden sich bei Rao/Perry (2002), S. 599.
66
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Geschäftsbeziehungen in obiger Definition können verstanden werden als Interaktionsprozesse, wodurch die Nähe zwischen Relationship Marketing und einer Kundeninteraktionskompetenz deutlich hervortritt: Interaktionsprozesse sind „[…] von ökonomischen Zielen […geleitetet und damit] verbunden mit personalen Kontakten, langfristigen Geschäftsperspektiven und […] einer investiven Komponente.“284
Die „investive Komponente“ von Geschäftsbeziehungen meint, dass sowohl Anbieter als auch Kunden sich einen „gegenseitigen Nutzen“ davon versprechen, sodass sie in Interaktionszyklen mit dem jeweiligen Gegenüber investieren. „Gegenseitiger Nutzen“ erscheint in obiger Definition als zu generischer und damit problematischer Begriff, der einer weiteren Klärung bedarf. „Gegenseitig“ impliziert, dass es zwei Perspektiven auf die Werthaltigkeit der Beziehung geben muss: eine Anbieter- und eine Kundenperspektive.285 Es bietet sich an, im Weiteren gegenseitigen Nutzen als Kundenwert (= Customer Value) in Anlehnung an BRUHN/HADWICH/GEORGI (2008) und MATZLER/STAHL/HINTERHUBER (2004) zu deuten.286 Definition „Kundenwert/Customer Value“ (1) Aus Kundenperspektive: Wahrgenommener Wert der angebotenen bzw. nachgefragten Produkte und Leistungen.287 (2) Aus Anbieterperspektive: Wert, „[…] der von den Kundenbeziehungen eines Unternehmens generiert wird.“288 Aus Kundensicht stellt sich der Kundenwert (= Wert für den Kunden) als die Größe dar, die den Kunden dazu veranlasst, weiterhin die Geschäftsbeziehung, d. h. den in der Regel zumindest langfristig freiwilligen Austausch289 mit dem Anbieterunternehmen aufrechtzuerhalten bzw. sogar zu vertiefen.290 Ausdruck des Kundenwerts aus Nachfragersicht sind damit die Indikatoren „Kundenzufriedenheit“ oder „Kundenloyalität“.291 „In diesem Begriffsverständnis beschreibt der
284
Diller (1994), S. 1. Diese Aussagen finden sich bei Eggert (2003), S. 44 im Kontext einer anbieterbezogenen Perspektive, die Investiv-Komponente ist jedoch im Kontext des Industriegütermarketings bzw. interaktiver Wertschöpfung auch auf die Kundenperspektive übertragbar.
285
In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass i. d. R. aufgrund der verschiedenen Perspektiven unterschiedliche Wertschätzungen einer Kundenbeziehung bei Anbieter und Kunde existieren (vgl. Rao/Perry (2002), S. 607).
286
Beide Konzepte stehen im Austausch, einem so genannten Kundenwertkreislauf (vgl. z. B. Eggert (2003), S. 51).
287
Vgl. Matzler/Stahl/Hinterhuber (2004), S. 6, 16 in Anlehnung an Zeithaml (1988), S. 14.
288
Bruhn/Hadwich/Georgi (2008), S. 716.
289
Vgl. Eggert (2003), S. 48.
290
Vgl. Lapierre (2000), S. 123.
291
Vgl. Backhaus et al. (2008), S. 217.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
67
Kundenwert das Ergebnis eines Abgleichs zwischen der Nutzensumme und der Aufwandssumme, die ein Kunde im Rahmen des Austauschs ex ante erwartet bzw. ex post wahrnimmt.“292 Aus Anbietersicht ist der Kundenwert (= Wert der Kundenbeziehung) letztlich der Beitrag zum Unternehmenserfolg bzw., im Einklang mit der vorliegenden Definition strategischer Orientierungen, der Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsposition.293 Ein wichtiger Indikator für die Stärke des Wettbewerbsvorteils ist die „Kundenbindung“.294 Durch die Auswahl geeigneter Kundenbindungsstrategien versuchen Anbieterunternehmen, ihre Investitionen und damit den wirtschaftlichen Erfolg abzusichern, indem sie Maßnahmen ergreifen, die darauf abzielen, die Wahrnehmungen des Kunden gegenüber dem Unternehmen (z. B. Kundenzufriedenheit) positiv zu gestalten.295 Da Anbieter- und Kundensichtweise die gleiche Beziehung betrachten,296 erscheint es logisch, dass sich sowohl für die Konstrukte der „Kundenbindung“ als auch für diejenigen der „Kundenzufriedenheit“ und „Kundenloyalität“ eine positive Korrelation zum Unternehmenserfolg aufzeigen lässt.297 Hier werden die beiden Perspektiven letztendlich zusammengeführt und direkt messbar.298 Abbildung 13 skizziert diesen Zusammenhang.299 Letztendlich geht es bei den Indikatoren des Kundenwerts um Messgrößen, die dem Anbieter ermöglichen, den Kundenwert zu optimieren. Der Anbieter kann direkt mit entsprechenden Prozessen und Praktiken den Kundenwert aus seiner Sicht verbessern (z. B. Kundenbindungsmaßnahmen). Dies ist jedoch auch davon abhängig, wie diese Maßnahmen beim Kunden aufgenommen werden (Kundenzufriedenheit). 300 Demnach sind beide präsentierten Perspektiven abhängig vom Agieren des Anbieters.
292
Eggert (2003), S. 48 f.
293
Gelbrich/Wünschmann (2006), S. 589 weisen darauf hin, dass Kundenwert ein mehrdimensionales Konstrukt ist und auch nicht-monetäre Komponenten (z. B. Referenz- oder Informationspotenzial) für den Anbieter besitzt.
294
Vgl. Backhaus et al. (2008), S. 217.
295
Vgl. z. B. Eggert (2003), S. 44.
296
Vgl. Lapierre (2000), S. 12: „[…] it is critical for organizations to understand their offerings and learn how they can be enhanced to provide value to their industrial customers.“
297
Matzler/Stahl/Hinterhuber (2004), S. 14 zeigen anhand verschiedener Studien aber, dass zwischen dem Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Loyalität große branchenmäßige Unterschiede bestehen.
298
Eine Bestandsaufnahme zu empirischen Arbeiten in diesem Gebiet findet sich bei Gerpott (2000). Eine Systematisierung der Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenswertsteigerung präsentieren Matzler/Stahl/Hinterhuber (2004), S. 9, 15.
299
In Anlehnung an das Customer-based-View-Konzept von Matzler/Stahl/Hinterhuber (2004), S. 7. Eine ähnliche Darstellung findet sich in Helm/Günter (2003), S. 11. Eine weitere Darstellung der Zusammenhänge (Kundennähe Æ Kundenzufriedenheit Æ Kundenbindung Æ Kundenwert) und eine ausführliche Literaturanalyse findet sich bei Krafft (2007), S. 52 ff.
300
Kundenwert aus Anbieterperspektive = fA(Prozesse und Praktiken des Anbieters, fK[Prozesse und Praktiken des Anbieters]).
68
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Indikatoren für Kundenwert (1) Kundenbindung (2) Kundenzufriedenheit/-loyalität
Kundenwert = (1) Wert der Kundenbeziehung (2) Wert für den Kunden
Unternehmenserfolg
Ziel des Relationship Marketings: „gegenseitiger Nutzen“
Abbildung 13 Relationship Marketing und Unternehmenserfolg
(2) Als Forschungslücken innerhalb des Relationship Marketings, die für diese Untersuchung von besonderer Bedeutung sind, identifizieren HENNIG-THURAU/HANSEN (2000) zwei Aspekte. Erstens heben sie hervor, dass der Ansatzpunkt der bisherigen Forschung die Anbieterseite war, wodurch dem „gegenseitigen Nutzen“ (vgl. Definition) offensichtlich nicht genügend Rechnung getragen wird. Im Einklang dazu sieht BRUHN (2009A) die unkoordinierte Kundenintegration (als Element des Relationship Managements) als Gefahr. Dies ist ebenfalls Ausdruck einer Untergewichtung des Nutzens des Kunden im Konzept des Relationship Marketings.301 Zweitens merken sie an, dass zentrale Fragen der Durchsetzung eines ganzheitlich verstandenen Relationship Marketings (und damit im Sinne einer strategischen Orientierung) auf normativer, strategischer und operativer Ebene noch weitgehend ungeklärt sind, obwohl diesen in der unternehmerischen Praxis sehr hohe Bedeutung zukommt.302 (3) Relationship Marketing wird als Ausprägung der strategischen Orientierung „Kundenorientierung“ verstanden. Nun stellt sich die Frage, ob Relationship Marketing als Bindeglied dienen kann, das es ermöglicht, eine Interaktionsorientierung (vgl. Kapitel 2.2.1.3) als strategische Orientierung zu verorten. Die bisherigen Abschnitte haben gezeigt, dass die Prinzipien interaktiver Wertschöpfung – die, wie in Kapitel 2.1.2 dargestellt, in Industriegütermärkten verstärkt angewandt werden – den grundlegenden Prinzipien des Relationship Marketings entsprechen („Individualization“, „Interactivity“ und „Integration“). Darüber hinaus ist die Zielgröße des Relationship Marketings, die Geschäftsbeziehung bzw. der Kundenwert, geprägt von den zugrunde liegenden AnbieterKunde-Interaktionszyklen. Die bisher angeführten Punkte auf der Suche nach Übereinstimmungen zwischen den Konzepten Relationship Marketing und interaktive, gemeinsame Wertschöpfung betrachten „den Kunden“ generell. In der Praxis ist Kunde jedoch nicht gleich
301
Vgl. Bruhn (2009a), S. 129.
302
Vgl. Hennig-Thurau/Hansen (2000), S. 14, 17, Kumar/Reinartz (2006), S. 33 ff. und Bruhn (2009b), S. 355.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
69
Wert des ausgetauschten Anwendungswissens/ Grad der Kundenintegration
Kunde und kann daher in verschiedenen Rollen bzw. Funktionen gesehen werden (vgl. Abbildung 14).
Partner Prosumer Informationsquelle Verwender oder Nutzer Abnehmer
Abbildung 14 Rollen des Kunden303
Kundeninteraktionskompetenz zielt auf die Generierung und Aneignung von Anwendungswissen ab (vgl. Kapitel 2.2.1.3.1). Verbesserungen im Austausch von Anwendungswissen schaffen für Anbieter und Kunden einen höheren gegenseitigen Nutzen für die jeweiligen Investitionen in die Geschäftsbeziehung. Der Grad des Austauschs von Anwendungswissen ist jedoch auf jeder Integrationsstufe unterschiedlich (vgl. Abbildung 14). Abnehmer im traditionellen Verständnis sind mit dem geringsten Grad des Austauschs von Anwendungswissen und damit dem geringsten Grad an Kundenintegration verbunden. In Kapitel 2.1.1 wurde jedoch gezeigt, dass aufgrund der komplexen Aufgabenstruktur in Industriegütermärkten der Austausch von Technologie- und Nutzungswissen (= Anwendungswissen) einen Absatz erst ermöglicht. Auch auf den weiteren Integrationsstufen der Kundenbeziehung wird Anwendungswissen ausgetauscht: Verwender oder Nutzer liefern beispielsweise durch Beschwerdeinformationen Anwendungswissen. Als Informationsquelle dienen u. a. Kundenwünsche, als Prosumer stellt der Kunde direkt Entwicklungsressourcen bereit und als Partner kann er beispielsweise Mitarbeiter und Kapital integrieren und fördert dadurch den Austausch von Anwendungswissen.304 Es zeigt sich also, dass eine Kundeninteraktionskompetenz im Fokus des Relationship Marketings verortet werden kann. Die Fokussierung auf das Anwendungswissen, d. h. das Ressourcenpotenzial der Anbieter-Kunde-Interaktion305, führt jedoch dazu, dass der Schwerpunkt auf die individuellen Interaktionszyklen gelegt wird, d. h. auf die Grundlage der Geschäftsbeziehung. Andere Aspekte des Relationship Marketings, wie z. B. die Prozesse zur Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen rücken dafür aus dem Blickfeld dieser Untersuchung.
303
In Anlehnung an Meyer/Blümelhuber (1997).
304
Vgl. Meyer/Schaffer (2003), S. 72 ff.
305
Vgl. Tomczak/Rudolf-Sipötz (2003), S. 138, 141 f. Vgl. auch Gelbrich/Wünschmann (2006), S. 589: Rerferenzund Informationspotenzial.
70
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Es ist festzuhalten, dass das Relationship Marketing und die Kundenorientierung das gesuchte Bindeglied zwischen KIK und strategischen Orientierungen darstellen.306 (4) Abschließend stellt sich dennoch die Frage, wie Interaktions- und Lernorientierung als Bestandteile der KIK zu einer theoretischen Weiterentwicklung im Bereich strategischer Orientierungen beitragen können. Zu beobachten ist, dass in Theorieansätzen zu strategischen Orientierungen bisher nur bedingt Ideen interaktiver Wertschöpfung Einzug gehalten haben. In der Regel wurden entweder nur „Inside-out“- oder „Outside-in“-Perspektiven thematisiert.307 Die gleiche Beobachtung stellen HENNIG-THURAU/HANSEN (2000) formuliert als Forschungslücken für den Bereich des Relationship Marketings fest (vgl. Punkt 2). Der Beziehungsansatz hat aufgrund der Marktstrukturen und Leistungscharakteristiken seine Wurzeln im Industriegüter- und Dienstleistungssektor308 und hat von dort auch weitere Bereiche erobert. Besonders erfolgreiche Beispiele interaktiver Wertschöpfung, in denen gesamte Geschäftsmodelle nur auf kundenindividuelle Produktion ausgerichtet sind, findet man hingegen verstärkt in Konsumgütermärkten (z. B. Threadless).309 Nichtsdestotrotz zeigen V. HIPPEL (1998), SHAH (2000) und V. HIPPEL (2006) auch Beispiele kundenindividueller Produktion und Innovation in Investitionsgütermärkten. Die Vermutung liegt also nahe, dass der Trend zu interaktiven Wertschöpfungsstrategien als Äußerung verstärkter KIK die gegensätzliche Richtung einnimmt und aus dem Konsumgüterbereich weiter in Industriegütermärkte vorstößt. Ein weiteres Indiz, das für eine Verbindung strategischer Orientierungen und interaktiver Wertschöpfungsstrategien über den Bereich des Relationship Marketings spricht, ist die Beobachtung, dass das Marketing, und damit auch das Relationship Marketing, nicht mehr als unabhängige Teilfunktion eines Unternehmens verstanden wird, sondern als Unternehmensaufgabe und Unternehmensausrichtung (d. h. funktionsübergreifend).310 Strategische Orientierung und Marketingausrichtung können so als Synonym verstanden werden.311 Weiterhin offen bleibt allerdings die Frage, wie sich die bisherigen Erkenntnisse vereinigen und auf eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz beziehen lassen. Das Entwicklungsphasenmodell von BRUHN (2000) ist ein Modell, das aufgrund seines beschreibenden, nicht normativen Charakters am besten dafür geeignet erscheint, um als Fundament für diese Arbeit zu dienen.
306
Diese Abgrenzung entspricht auch dem Verhältnis Interaktion – Beziehung in Jäger (2004), S. 31.
307
Eine Ausnahme stellt beispielsweise der Quadrant „Interact“ in dem Modell von Berthon/Hulbert/Pitt (1999) dar (vgl. Kapitel 2.2.2.1).
308
Vgl. z. B. Bruhn (2001), S. V, 13.
309
Vgl. z. B. v. d. Eichen/Hinterhuber/Matzler (2004), S. 445.
310
Vgl. z. B. Christopher/Payne/Ballantyne (2002), S. xii.
311
Vgl. Christopher/Payne/Ballantyne (2002), S. 4.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
2.2.2.2.2
71
Modifiziertes Modell der Entwicklungsphasen der Unternehmensführung – Einordnung einer Interaktionsorientierung
Interessanterweise liefert Bruhn, jeweils mit schlüssiger Argumentation, für die vierte Phase des Modells zwei unterschiedliche Interpretationen (vgl. Kapitel 2.2.2.1). Bei genauerer Betrachtung macht diese Erkenntnis durchaus Sinn, sofern das Kundenverhältnis als besonderes Verhältnis erkannt und von den restlichen Umweltverhältnissen isoliert betrachtet wird (vgl. Abbildung 15).312 In diesem Verständnis entwickeln sich strategische Orientierungen seit den 1950er-Jahren zunächst von einer „Inside-out“- zu einer „Outside-in“-Perspektive. Die konsequent nächste Stufe ist die Verbindung beider Perspektiven zu einer realen, bidirektionalen „Austausch“Perspektive.313 In der Orientierung „Netzwerkorientierung“ schlägt BRUHN (2007) dies auch konkret für die Lieferantenbeziehungen, d. h. Stufe 5b in Abbildung 15, vor.314 Eine Weiterentwicklung der Kundenverhältnislinie über den Bereich „Kundenorientierung“ hinaus (Stufe 4a in Abbildung 15) bleibt BRUHN jedoch schuldig.315 Das in Abbildung 15 modifizierte Modell versucht, in Einklang mit den Beobachtungen aus Kapitel 2.1.2, Abhilfe zu schaffen. Die Weiterentwicklung muss dabei den folgenden Anforderungen genügen: x
„Inside-out“- und „Outside-in“-Ansätze müssen kombiniert werden.
x
Der Trend (der Schritte 1, 2 und 4a), der immer „feingranularer“ Kundenbedürfnisse erfasst, sollte weitergeführt werden.316
Folglich wird das Modell um den Schritt 5a „(Kunden-)Interaktionsorientierung“ als strategische Orientierung erweitert. (Kunden-)Interaktionsorientierung vereint so die Anforderungen des Relationship Marketings, die Ideen der interaktiven Wertschöpfung und die Anforderungen einer Kundeninteraktionskompetenz. Die Existenz zweier paralleler strategischer Orientierungen steht damit nicht im Widerspruch zueinander. Da Schritt 5a als ein Element der Absatzseite und
312
Ein derartiges Vorgehen erscheint sinnvoll, da die Beziehung Unternehmen Kunde, i. d. R. im Gegensatz zu anderen Beziehungen, direkt umsatzwirksam und existenzbegründend für die Unternehmung ist. Das Vorgehen ist beispielsweise im Einklang mit der Evolutionsbeschreibung von Christopher/Payne/Ballantyne (2002), S. 3 f., die den Schritt der „Wettbewerbsorientierung“ gänzlich überspringt.
313
Dieser Schritt ist im Einklang mit den Ideen von Christopher/Payne/Ballantyne (2002), S. 226 zur zukünftigen Wertschaffung durch das Relationship Marketing: Wert wird geschaffen durch: „[…] offering and delivering through recurrent transactions in managed relationships [, …] mutually interactive processes [und …] by interactions that emerge from within networks of relationships.“
314
In der Literatur finden sich zahlreiche empirische Arbeiten zum Thema „Interaktion zur Formung von Unternehmensnetzwerken“ (vgl. Stotko (2005), S. 63 f. und Tabelle 10).
315
Vgl. Bruhn (2001), Bruhn (2004) und Bruhn (2007). Bruhn (2007), S. 18 verweist zwar auf das Relationship Marketing, bezeichnet es aber als Wandel zur „Outside-in“-Perspektive (vgl. Bruhn (2001), S. V).
316
Aufgrund der sich ständig verbessernden technischen Möglichkeiten und steigendem Wettbewerb durch globalisierte Märkte ist es wahrscheinlich, dass der Trend zur Individualisierung der Kundenbedürfnisse fortgesetzt wird und auch wirtschaftlich effizient umgesetzt werden kann (vgl. z. B. Rao/Perry (2002), S. 600).
72
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Grad der Offenheit der Unternehmung
Schritt 5b eher als ein Element der Beschaffungsseite der Unternehmung zu betrachten sind, sind beide strategischen Orientierungen als komplementär zu betrachten. Beide Schritte eint letztendlich der Kooperations- bzw. Interaktionsgedanke.317
5b Netzwerkorientierung 4b Umfeldorientierung
nis rhält eltve Umw
1
Produktorientierung
3
Wettbewerbsorientierung
Interaktionsorientierung 5a
Kundenorientierung 4a
Marktorientierung 2 nis rhält enve Kund Zeit
1950er-/1960erJahre Inside-OutPerspektive
1970erJahre
1980erJahre Outside-InPerspektive
1990erJahre
ab 2000 Inside-Out- & Outside-InPerspektive
Abbildung 15 Modifiziertes Modell strategischer Orientierungen
Die Zusammenführung und Verankerung der Interaktionsorientierung als Bestandteil einer Kundeninteraktionskompetenz ergibt sich demnach als eine Weiterentwicklung des Konzepts der Kundenorientierung. Unklar bleibt noch, wie Lernorientierung in das Konzept strategischer Orientierungen integriert werden kann. 2.2.2.2.3
Modifiziertes Modell der Entwicklungsphasen der Unternehmensführung – Einordnung einer Lernorientierung
Lernorientierung kann nicht als eine Weiterentwicklung bestehender Linien aus dem Modell von BRUHN (2000) verstanden werden. Grund hierfür ist, dass die Entwicklungsphasen besonders fokussierte Quellen der Wertschaffung (im Sinne von Kapitel 2.2.1.3.3) und damit der Zeit angepasste Quellen von Wettbewerbsvorteilen darstellen; Lernorientierung jedoch stellt eine Wertaneignungsstrategie dar (vgl. Abbildung 11).
317
Vgl. Grönroos (1996), S. 18.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
73
Mithilfe der bereits genutzten Zitate von SLOANE/TWARDY/BUSCHFELD (2004) und NORTH (2005) kann das Verhältnis der Lernorientierung zu den Orientierungen des Modells der Entwicklungsphasen geklärt werden. „Lernen: […] Fähigkeit und Notwendigkeit der Anpassung an wandelnde Umweltbedingungen.“318 „Kompetenz […] beschreibt […] die Relation zwischen den an eine Person/Gruppe herangetragenen oder selbstgestalteten Anforderungen und ihren Fähigkeiten.“319
Lernorientierung ist demnach die Anpassungsleistung an die Umwelt, egal ob diese intern durch einen strategischen Kurswechsel oder extern durch Umweltbedingungen ausgelöst ist. Demzufolge muss die Lernorientierung der Organisationseinheit Unternehmen dann ausgeprägt werden, sobald ein Unternehmen in größerem Umfang mit seiner Umwelt interagiert bzw. interagieren muss. Folgt man dieser Argumentationslinie, wird klar, dass Lernen bzw. eine Lernorientierung beständig im Modell der Entwicklungsphasen präsent ist und ihre Bedeutung im Zeitablauf steigt: Während in der ersten Phase Lernprozesse außerhalb des Unternehmens durch die vorherrschenden Marktbedingungen eine geringere Bedeutung hatten, stieg die Bedeutung der Lernorientierung, im Sinne der Aneignung von Anwendungswissen, an. Zunächst wurde Lernen von den abstrakteren Größen „Markt“ und „Wettbewerb“ forciert, um später das Augenmerk auf die konkreteren Lernobjekte „Netzwerk“ und „Kunde“ zu legen. Da das Modell der Entwicklungsphasen Weiterentwicklungen betrachtet und sich die Phasen mit den jeweiligen Konzepten nicht ablösen, müssen auch die Fähigkeiten320 zur Erschließung dieser Wissensquellen, d. h. Werte, Normen, Praktiken und Prozesse einer Lernorientierung, ausgebaut und verfeinert werden. Abbildung 16 zeigt die Einordnung der Lernorientierung in das Modell der Entwicklungsphasen. Aufgrund der Unterschiede in Wertschaffungs- und Wertaneignungsprozessen ist die Ordinate für die Interpretation der Lernorientierung anders zu deuten. Für die Entwicklung der Lernorientierung im Zeitverlauf spricht auch die Entwicklung der Forschung im Bereich des organisationalen Lernens. CROSSAN/LANE/WHITE (1999) setzen einen möglichen Start dieser Forschung mit dem Beitrag von CANGELOSI/DILL (1965). Danach nahm die Anzahl an Publikationen in diesem Bereich beständig zu.321
318
Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 158. Vgl. auch Kapitel 2.2.1.1.
319
North (2005), S. 198. Vgl. auch Kapitel 2.2.1.2.
320
Im Sinne der Definition von North (2005), S. 198.
321
Vgl. Crossan/Lane/White (1999), S. 522 und Crossan/Guatto (1996), S. 108, 110.
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Grad der Offenheit der Unternehmung/ Grad der Ausprägung von Aneignungsinstrumenten
74
5b Netzwerkorientierung 4b Umfeldorientierung
nis erh ält
1
Produktorientierung
3
Wettbewerbsorientierung
Interaktionsorientierung 5a
Kundenorientierung 4a
eltv Umw Marktorientierung 2 is rh ältn enve Kund
Lernorientierung 6 Zeit
1950er-/1960erJahre Inside-OutPerspektive
1970erJahre
1980erJahre
1990erJahre
Outside-InPerspektive
ab 2000 Inside-Out- & Outside-InPerspektive
Abbildung 16 Modifiziertes Modell strategischer Orientierungen
2.2.2.3
Zwischenfazit „Strategische Orientierungen“
Um eine Verankerung dieser Arbeit im Bereich strategischer Orientierung sicherzustellen, werden an dieser Stelle wichtige Erkenntnisse nochmals zusammengefasst und hervorgehoben: (1) Strategische Orientierungen zielen als Normen oder Zustandsbeschreibungen auf langfristige Wettbewerbsvorteile ab. Damit beinhalten strategische Orientierungen Aussagen über die Identität und die Zielvorstellungen eines Unternehmens (vgl. Definition „Strategische Orientierungen“). (2) Die Fähigkeit, strategische Orientierungen zu generieren und durchzusetzen, ist eine Kompetenz einer Unternehmung (vgl. Definition „Strategische Orientierungen“). (3) Interaktionsorientierung als Verbindung der Anforderungen aus Relationship Marketing und Konzepten interaktiver Wertschöpfung (z. B. CAP) kann als Weiterentwicklung der strategischen Orientierung „Kundenorientierung“ und Verbindung von „Inside-out“- und „Outside-in“Ansätzen verstanden werden (vgl. Kapitel 2.2.2.2.1). (4) Relationship Marketing als ein Ausdruck von Interaktionsorientierung hat das Ziel, gegenseitigen Nutzen zwischen Anbietern und Kunden zu schaffen. Der gegenseitige Nutzen drückt sich im Kundenwert aus. Kundenwert hat einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg und zeigt sich durch Kundenbindung, -zufriedenheit und -loyalität (vgl. Kapitel 2.2.2.2.1).
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
75
(5) Lernorientierung im Sinne einer Wertaneignungsperspektive kann als eine Orientierung verstanden werden, die abgestimmt auf die jeweiligen Strategien der externen Wissensaneignung die korrespondierenden Werte, Normen, Praktiken und Prozesse ausprägt. Die Bedeutung der Durchsetzung einer Interaktions- und Lernorientierung ist als hoch einzustufen, da empirische Studien belegen, dass sowohl organisationale Interaktion als auch organisationales Lernen positive Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben.322 Interaktionsorientierung wird in dieser Untersuchung immer als Kundeninteraktionsorientierung verstanden. Das modifizierte Modell der Entwicklungen strategischer Orientierungen (vgl. Abbildung 16 auf Seite 74) deutet die folgende Struktur einer globalen organisationalen Interaktionskompetenz an:
Organisationale Interaktionskompetenz Interaktionsorientierung
Netzwerkorientierung
(Kunden)
(Zulieferer, F&E-Partner etc.)
Lernorientierung
Abbildung 17 Gesamtmodell einer organisationalen Interaktionskompetenz
Abbildung 17 zeigt, dass die vorgestellte Kundeninteraktionskompetenz Bestandteil einer allgemeinen Interaktionskompetenz eines Unternehmens ist (vgl. graue Bereiche und Abbildung 16 auf Seite 74). Sie beschreibt das Kundenverhältnis eines Unternehmens. Das Umweltverhältnis wird mit der Netzwerkorientierung beschrieben. Da unterschiedliche Interaktionspartner unterschiedliche Interaktionsbedürfnisse und Ziele haben, ist die jeweilige Netzwerkorientierung (z. B. F&E-Netzwerkorientierung) entsprechend der relevanten Stakeholdergruppe auszurichten und zu analysieren. Während die AW-schaffenden Orientierungen der Anpassung an die jeweilige Stakeholdergruppe bedürfen, unterscheiden sich die AW-aneignenden Orientierungen kaum. Die besondere Bedeutung der Stakeholdergruppe „Kunden“323 und der Wunsch nach der Ableitung relevanter praxeologischen Aussagen erfordern, dass sich diese Untersuchung zunächst auf lediglich eine Stakeholdergruppe bzw. Teilkompetenz beschränkt (graue Bereiche in Abbildung 16). Die Entwicklung des Relationship Marketings zeigt die hohe Relevanz des Themas Kundeninteraktion in Industriegütermärkten. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass jede
322
Vgl. z. B. Ramani/Kumar (2008) und Baker/Sinkula (2005). Eine detaillierte Betrachtung der entsprechenden Literatur erfolgt in den Kapiteln 3.2 und 3.3.
323
Vgl. z. B. Homburg (2000), S. 54.
76
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Verstärkung von Individualisierungsprozessen diejenige Bedeutung der von Interaktion und Lernen weiter erhöht.324 Abschließend werden in Anlehnung an Abbildung 13 (vgl. Seite 68) und die Kausalkette von MATZLER/STAHL/HINTERHUBER (2004) die bisherigen Erkenntnisse in Abbildung 18 systematisiert und mit den neu gewonnenen Erkenntnissen zu einer Kundeninteraktionskompetenz in Einklang gebracht. Um die Argumentationskette in Abbildung 18 vollständig zu schließen, werden die Aussagen von MATZLER/STAHL/HINTERHUBER (2004) bemüht, wonach zum einen der Unternehmenserfolg bzw. -wert325 die Grundlage für die Bereitstellung von Ressourcen ist, die wiederum für die Durchsetzung einer Strategie und den Aufbau von Kompetenzen notwendig ist.326 Zum anderen wird ergänzt, dass der Unternehmenserfolg letztlich das Prüfkriterium für die Validität einer strategischen Orientierung darstellt.327 In Abbildung 18 wird deutlich, dass strategische Orientierungen bzw. deren Durchsetzung eine organisationale Ressource und Grundlage für den Aufbau einer entsprechenden Kundeninteraktionskompetenz des Unternehmens ist. Als finale Zielgröße einer strategischen Orientierung steht der Unternehmenserfolg als Grundlage des Überlebens einer Organisation.328 Er lässt sich in einer generischen Perspektive zurückführen auf nachhaltige Wettbewerbsvorteile, die wiederum auf die Generierung von Anwendungswissen zurückzuführen sind (vgl. innere Kausalkette). Wettbewerbsvorteile sind jedoch schwerlich direkt für das Management operationalisierbar, wodurch die äußere Kausalkette notwendig wird. Aufgrund aktueller Markt- und Wettbewerbsentwicklungen erscheint die Optimierung des Kundenwerts von hoher Bedeutung, um den Unternehmenserfolg zu sichern. Aus Anbietersicht geht es hierbei um die Optimierung des Werts der in Kundenbeziehungen generiert wird (vgl. Definition „Kundenwert“). Ein besonders wichtiger Stellhebel ist die Generierung von Anwendungswissen durch die Kundenbeziehung, da dies einerseits die Grundlage dafür ist, dass der Anbieter seine Aufgaben besser für den Kunden erfüllen kann, und andererseits dies auch eine Quelle interner Verbesserungen darstellt. Eine Kundeninteraktionskompetenz, die durch das Zusammenspiel der organisationalen Ressourcen Interaktions- und Lernorientierung ausgeprägt wird (und damit Ausdruck zweier strategischer
324
Vgl. z. B. Bruhn (2001), S. 15.
325
Matzler/Stahl/Hinterhuber (2004), S. 7 diskutieren den Unterschied zwischen Unternehmenserfolg und Unternehmenswert und bevorzugen das Konzept des Unternehmenswerts, den sie als ganzheitlicher erachten und an das Cashflow-Konzept knüpfen. Dieses Kapitel verbleibt auf einem generischen Level des „Unternehmenserfolgs“. Der Erfolgsbegriff wird in Kapitel 5.1 weiter detailliert.
326
Vgl. auch Plinke (2000), S. 92.
327
Zu einer ähnlichen Betrachtung kommen Schreyögg/Kliesch (2004), S. 9 in einer lerntheoretischen Betrachtung: Erfolgreich vollzogene Verknüpfungsprozesse (= Zusammenspiel von Praktiken, Prozessen und Normen/Werten) führen zu positivem Feedback, was zur weiteren Festigung dieser Handlungsmuster führt. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass eben jener Mechanismus auch zu Rigiditäten im organisationalen Handeln führen kann (vgl. Schreyögg/Kliesch (2004), S. 9).
328
Vgl. v. d. Eichen/Hinterhuber/Matzler (2004), S. 445.
2.2 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
77
Orientierungen ist), erscheint hierfür ein angemessenes Werkzeug für das Management, um den Kundenwert zu optimieren (vgl. Kapitel 2.2.2.2.1).
äußert sich durch
Indikatoren für Kundenwert (1) Kundenbindung (2) Kundenzufriedenheit/-loyalität
führen zu
messen Kundenwert durch Generierung von Anwendungswissen
Nachhaltige Wettbewerbsvorteile
Unternehmenserfolg
hat zum Ziel
Kundeninteraktionskompetenz schafft die Grundlage zur Generierung von
von Anbieterunternehmen in Industriegütermärkten
validiert/ liefert Ressourcen für
Strategische Orientierungen Interaktionsorientierung innere Kausalkette
Lernorientierung Werte/ Normen
Prozesse
äußere Kausalkette Praktiken
Ziel-/Messgrößen
Abbildung 18 Kausalkette „Strategische Orientierungen“
Im Rückblick auf dieses Kapitel kann auch die Verortung dieser Arbeit vorgenommen werden. Im Sinne von MATZLER/STAHL/HINTERHUBER (2004) verortet sich diese Arbeit damit im Bereich des strategischen Managements und im Umfeld interaktiver Wertschöpfung auf Industriegütermärkten.329 Es wird außerdem die Forschungsanregung von HENNIG-THURAU/HANSEN (2000) aufgegriffen, die sich mit der Durchsetzung einer Interaktions- und Lernorientierung330 auf normativer, strategischer und organisationaler Ebene beschäftigt. Im Folgenden werden mit der ressourcenorientierten und systemtheoretischen Betrachtung zwei wesentliche theoretische Grundgerüste vorgestellt. Die Beleuchtung der zusätzlichen theoretischen Blickwinkel beruht auf zwei Erkenntniszielen: Erstens sollen beide Theoriegerüste auf ihren Erklärungs- und Begründungsgehalt für die soeben konzipierte Kundeninteraktionskompetenz untersucht werden. Zweitens ist es die Aufgabe des nächsten Teilkapitels, grundlegende Paradigmen der Argumentationslinie dieser Untersuchung offenzulegen.
329
Vgl. Matzler/Stahl/Hinterhuber (2004), S. 5.
330
Bei Hennig-Thurau/Hansen (2000) geht es jedoch explizit um die Durchsetzung des Relationship Marketings.
78
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
2.3
Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
In den bisherigen Abschnitten dieses Kapitels wurden Industriegütermärkte als der Objektbereich dieser Untersuchung charakterisiert, eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz konzeptualisiert und deren Bestandteile als strategische Orientierungen verankert. In diesem Teilkapitel sollen die bisherigen Aussagen und Konzepte in zwei weitreichende Theoriegerüste eingebunden werden. Zunächst wird mit den ressourcenorientierten Ansätzen den Fragen nachgegangen, wie sich die Beziehung zwischen organisationalen Ressourcen und Unternehmenserfolg gestaltet und ob eine Kundeninteraktionskompetenz als eine Kompetenz verstanden werden kann, Ressourcen zu sinnvoll zu generieren/nutzen (vgl. Kapitel 2.3.1). In einer zweiten Betrachtung wird durch die Skizzierung einer konstruktivistisch/systemtheoretischen Perspektive auf Unternehmen und Kundeninteraktionskompetenz der Erwerb und die Verankerung von Anwendungswissen eingeordnet (vgl. Kapitel 2.3.2).
2.3.1
Unternehmen und Kundeninteraktionskompetenz in einer ressourcenorientierten Betrachtung
Ressourcenorientierte Ansätze existieren bereits seit den 1950er-Jahren und fanden mit der Entwicklung eines ressourcen- und kompetenzorientierten Ansatzes ihren Durchbruch in der Unternehmensführungslehre.331 Ressourcenorientierte Ansätze, kompetenzorientierte Ansätze und der Ressourcenabhängigkeitsansatz können zusammen unter der Kategorie der potenzialorientierten Ansätze subsumiert werden.332 Ziel der Ansätze ist es, im Rahmen des strategischen Managements ein „praxisrelevantes Argumentationsgerüst zu schaffen, [… das] die Ursachen nachhaltigen Erfolgs von Unternehmen zu erklären“333 vermag. Das Hauptinteresse der ressourcenorientierten Forschung liegt sowohl in einem Erklärungsziel (d. h. Aufklärung von Erfolgsursachen) als auch im Gestaltungsziel (d. h. Ableitung von Maßnahmen).334 Die ressourcenorientierte Betrachtung ist durch die Beobachtung motiviert, dass manche Unternehmen langfristig erfolgreicher sind als andere, weil sie bestimmte Vorteile gegenüber dem Wettbewerb nutzen können. PLINKE (1995) sieht die zugrunde liegenden Vorteile in Potenzial-, Prozess- und Programmunterschieden begründet, die sich letztlich in Kosten- und/oder (Netto-)
331
Vgl. z. B. Penrose (1959).
332
Vgl. Freiling (2001), S. 1.
333
Freiling (2001), S. 1. Freiling (2001), S. 1 f. führt eine Liste an Erwartungen an ressourcen- und kompetenzbasierte Ansätze auf, die auch ein wesentlicher Grund der raschen Verbreitung der Ansätze sind.
334
Vgl. Bamberger/Wrona (1996), S. 130. Damit kann sowohl der theoretischen als auch der praxeologischen Zielsetzung dieser Arbeit Rechnung getragen werden. Beschreibungs- bzw. Systematisierungsziele (vgl. Freiling (2001), S. 5) haben hier geringere Bedeutung.
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
79
Nutzenunterschieden niederschlagen (vgl. Abbildung 19).335 Diese resultieren wiederum in Gewinn- und Marktanteilsvorteilen im Vergleich zum Wettbewerb.336 Im Sinne der ressourcenorientierten Ansätze ist es das Ziel des strategischen Managements, überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen. Entsprechend der dargestellten Wirkungskette in Abbildung 19 ist es daher die Aufgabe des Managements, die Ressourcen des Unternehmens derart einzusetzen, dass die gewünschten Potenzial-, Prozess- und Programmunterschiede erzeugt werden. Die entsprechenden theoretischen Grundlagen ressourcenorientierter Ansätze (RBV, CBV und RDV) werden im Folgenden dargestellt.
Art des Wettbewerbsvorteils
Kostenunterschied/ Effizienz
Nettonutzenunterschied/ Effektivität
Wirkung des Wettbewerbsvorteils Gewinnunterschied, Marktanteilsunterschied
Position
Potenzialunterschied
Prozessunterschied
Programmunterschied
Erklärungsgehalt des RBV für die „innere Kausalkette“
Ursachen des Vorteils
Abbildung 19 Ursachen, Arten und Wirkungen von Wettbewerbsvorteilen337
335
Vgl. Plinke (1995), S. 68. Die Unterteilung der Art des Wettbewerbsvorteils entspricht dem Vorgehen bei Porter (vgl. Kapitel 2.2.2.1). Das Vorgehen zeigt nicht exakt die Argumentationslinie der ursprünglichen Begründung des RBV (vgl. hierzu Kapitel 2.3.1.1), diese Darstellung wird jedoch zum besseren Verständnis in Anlehnung an das Vorgehen bei Freiling (2001) gewählt.
336
Vgl. auch Freiling (2001), S. 5 f.
337
„Erklärungsgehalt für die innere Kausalkette“ deutet an, wo diese Argumentationslinie die Definition der Kundeninteraktionskompetenz (vgl. Abbildung 18) unterstützt. In Plinke (2000), S. 74 wurde die Darstellung verändert. Da die neue Darstellung zwar den gleichen Inhalt, jedoch eine weniger geeignete Darstellung zeigt, wurde auf die Vorgängerdarstellung zurückgegriffen. Für den Fortgang der Untersuchung ist jedoch interessant, dass als Beispiele für Ursachen von Vorteilen nunmehr u. a. Fähigkeiten, Abläufe, Kultur und praktizierte Kundenorientierung aufgeführt werden.
80
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
2.3.1.1
Der Resource-Based View (RBV)
Die Argumentationslinie zu ressourcenbasierten Ansätzen (Resource-Based View bzw. RBV) findet sich in der Literatur bei verschiedenen Autoren.338 Die folgende Beschreibung ist an die Aussagen in BAMBERGER/WRONA (1996) angelehnt:339 Unternehmen sind im Verständnis des RBV „Bündel, Vektoren oder Portfolios materieller und immaterieller Ressourcen.“340 Die Ausgestaltung dieser Ressourcenbündel unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen, d. h. sie sind heterogen. Die grundlegende und namensgebende Annahme des RBV ist, dass dauerhafte und überdurchschnittliche Gewinne zurückzuführen sind auf die Gestaltung bzw. das Vorhandensein bestimmter interner Ressourcen.341 Das jeweilige Ressourcenbündel prägt die Spezifität eines Unternehmens und ist damit Objekt des strategischen Managements (vgl. auch Abbildung 19). Der Besitz eines bestimmten internen Ressourcenbündels ist zwar eine notwendige, jedoch noch keine hinreichende Bedingung für nachhaltiges überdurchschnittliches Gewinnpotenzial.342 Gäbe es vollkommene Faktormärkte, d. h. vollkommene Märkte für interne Ressourcen, dann würde der Wettbewerbsvorteil aufgrund einer bestimmten Ressourcenkonfiguration bald vom Wettbewerb adaptiert, wodurch der Wettbewerbsvorteil abgetragen würde. Nachhaltige überdurchschnittliche Gewinne kann es also nur geben, wenn keine vollkommenen Märkte entstehen, d. h. der Schutz der Ressourcen oder der Ressourcenkonfiguration möglich ist (vgl. Regimes of Appropriability in Kapitel 2.2.1.3.2).343 Damit Ressourcen im Sinne einer Kundeninteraktionskompetenz für den Anbieter wertvoll werden, müssen sie einerseits für den Kunden Wert generieren, d. h. in der Lage sein, Marktanforderungen zu befriedigen. Andererseits müssen sie auch knapp bzw. schützbar sein, da sonst keine längerfristige überdurchschnittliche Gewinnerzielung möglich ist.344 BAMBERGER/WRONA (1996) sehen zwei wichtige Faktoren, die die hinreichende Bedingung für die
Erwirtschaftung überdurchschnittlicher Gewinne darstellen: Nachhaltigkeit und Aneignungsfähigkeit.345 Der Faktor der Nachhaltigkeit kann durch die Ressourcen-Charakteristika Abnutzbarkeit, Transferierbarkeit, Imitierbarkeit und Substituierbarkeit bestimmt werden.346
338
Vgl. Freiling (2001), S. 7, Teece/Pisano/Shuen (1990) oder Day/Wensley (1988).
339
Vgl. Bamberger/Wrona (1996), S. 131 ff.
340
Bamberger/Wrona (1996), S. 131. Vgl. auch Prahalad/Hamel (1990), S. 86.
341
Vgl. z. B. Burr (2007), S. 84.
342
Vgl. z. B. Armstrong/Shimizu (2007), S. 961 und Bamberger/Wrona (1996), S. 131.
343
Vgl. Bamberger/Wrona (1996), S. 132.
344
Vgl. Barney (1991), S. 99.
345
Vgl. Bamberger/Wrona (1996), S. 136.
346
Barney (1991), S. 105 f. benennen die relevanten Attributskategorien „value“, „rareness“, „imitability“ und „substitutability“.
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
81
Gleichzeitig muss ein Unternehmen jedoch auch die entstehenden Renten aneignen können. „Das Problem der Aneignungsfähigkeit zielt auf nicht klar definierte Verfügungsrechte ab, wie sie sich typischerweise im Rahmen der intangiblen Ressourcen ergeben.“347 Die Logik des RBV erscheint damit klar und eingängig. Die zentrale Fragestellung, was genau Ressourcen sind und welche Ressourcen aufgebaut werden sollten, bleibt aber weiter ein theoretisch wie praktisches Problem.348 BARNEY (1991) beantwortet die erste Frage mit: „[…] firm resources include all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge, etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive and implement strategies that improve its efficiency and effectiveness.“349
Diese Definition erscheint sehr weit und steht dabei für viele andere Definitionsansätze.350 Zudem gibt es in der Literatur eine Vielzahl von Definitionsansätzen, die kein einheitliches Begriffssystem darstellen.351 Auf die zweite Fragestellung, welche Ressourcen ausgebaut werden sollen bzw. welche Konfigurationen wünschenswert sind, gibt der RBV keine direkten Hinweise. Indirekt wird aber klar, dass die wünschenswerten Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen in der Lage sein müssen, Marktbedürfnisse zu treffen oder zu befriedigen. Ansonsten sind sie im Sinne des RBV nicht werthaltig. 352 Gemessen an dem Kriterium der Marktanforderungen können verschiedene Typen von Ressourcen in Anlehnung an BAMBERGER/WRONA (1996) auf ihre Tauglichkeit zur werthaltigen, nachhaltigen Ressource klassifiziert werden (vgl. Tabelle 7). Kapazität
Flexibilität
Abnutzbarkeit
begrenzt
variiert
ja
z. T. unbegrenzt unbegrenzt
unflexibel flexibel
Nein, wertsteigernd
begrenzt begrenzt begrenzt
vollkommen flexibel beschränkt flexibel beschränkt flexibel
ja ja nein
Kriterien Ressourcentyp Physische Ressourcen Intangible Ressourcen Vermögen Fähigkeiten Finanzielle Ressourcen interne Fonds externe Fonds Organisationale Ressourcen
Tabelle 7
Arten und Eigenschaften von Ressourcen
347
Bamberger/Wrona (1996), S. 139.
348
Vgl. Bamberger/Wrona (1996), S. 140.
349
Barney (1991), S. 101.
350
Noch generischer erscheint z. B. die Definition von Wernerfelt (1984), S. 172: „By a resource is meant anything which could be thought of as a strength or a weakness of a given firm.“
351
Freiling (2001), S. 13 ff. kritisiert diesen Sachverhalt und gibt einen Überblick über verschiedenste Definitionsansätze.
352
Vgl. Bamberger/Wrona (1996), S. 140.
82
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Im Folgenden ist zu untersuchen, inwieweit der RBV theoretische Grundlagen zur Erklärung einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz liefern kann. Erstens liefert der RBV eine theoretische Verbindung zwischen organisationalen Ressourcen und Unternehmenserfolg. Die Existenz bzw. die Konfiguration bestimmter organisationaler Ressourcen bzw. Merkmale ist demnach ausschlaggebend für den Unternehmenserfolg.353 Zweitens ermöglicht der RBV grundsätzlich sowohl beschreibende Aussagen als auch die Ableitung von Maßnahmen, was im Einklang mit dem generellen Forschungsinteresse dieser Untersuchung ist (vgl. Forschungsfrage II). Drittens wird die Werthaltigkeit organisationaler Ressourcen durch die Fähigkeit bestimmt, Anforderungen des Marktes zu treffen. Das Streben nach Anwendungswissen in der skizzierten Kundeninteraktionskompetenz beschreibt eben diese Bemühungen, da aufgrund des Anwendungswissens sowohl der Nutzen des Anbieter- als auch des Kundenunternehmens gewährleistet werden kann. Viertens lassen sowohl die Definitionsansätze von BAMBERGER/WRONA (1996) als auch von BARNEY (1991) den Raum, Werte, Normen, Praktiken und Prozesse (als Ausdruck einer strategischen Interaktions- oder Lernorientierung) als Ressourcen zu deuten. Offen bleibt allerdings die Frage, ob nun das generierte Anwendungswissen (als Problem-Know-how, d. h. organisationale Ressource, Kundenprobleme zu lösen), die organisationale Kundeninteraktionskompetenz (als Fähigkeit im Sinne einer Generationsfähigkeit von Problem-Know-how) oder die zugrunde liegenden strategischen Orientierungen (Werte, Normen, Praktiken und Prozesse als organisationale Ressource der Generationsfähigkeit von Problem-Know-how) die eigentlich zu optimierende Größe darstellen. Während Ersteres im Zeitablauf nicht nachhaltig von Wert erscheint (aufgrund sich ändernder Marktbedürfnisse und Problemstellungen), ist Zweites ohne Operationalisierung weder mess- noch gestaltbar. Obwohl alle drei Aspekte eng verknüpft sind, ist zunächst davon auszugehen, dass die einzelnen strategischen Orientierungen (operationalisiert als Werte, Normen, Praktiken und Prozesse) als organisationale Ressourcen zu verstehen sind.354 Fünftens, die hinreichenden Bedingungen für organisationale Ressourcen, Nachhaltigkeit (und damit Schützbarkeit) und Wertaneignung ähneln den Bereichen Wertschaffung und Wertaneignung, die als Bestandteile der Kundeninteraktionskompetenz definiert wurden. Letztlich wird die Existenz und Konfiguration organisationaler Ressourcen im RBV als strategische Managementaufgabe aufgefasst, was im Einklang mit den Erkenntnissen in Kapitel 2.2.1.3.1 steht.
353
Freiling (2001), S. 16 weist in Abgrenzung zu Grant (1991), S. 118 darauf hin, dass Ressourcen zwar grundsätzlich Inputgütern zuzuordnen sind, jedoch nur ein Teil der Inputgüter in der Lage sei den Unternehmenserfolg zu erklären.
354
Bamberger/Wrona (1996), S. 140 nennen explizit interorganisationale Beziehungsstrukturen als organisationale Ressourcen.
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
83
Die ressourcenorientierte Forschung stellt sich als dynamisch dar. FREILING (2001) zeigt seit Anfang der 90er-Jahre eine Weiterentwicklung hin zu kompetenzorientierten Ansätzen, u. a. zum Competence-Based View (CBV).355
2.3.1.2
Der Competence-Based View (CBV)
Der RBV liefert Beschreibungen für das Vorliegen von Wettbewerbsvorteilen. Allein das Vorliegen einer wertvollen Ressource und die Fähigkeit zur Aneignung führen jedoch noch nicht zwingend dazu, dass der Wettbewerbsvorteil in Marktprozessen genutzt wird.356 An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie die Kompetenz einer Unternehmung ausgeprägt sein muss, um die vorliegenden organisationalen Ressourcen sinnvoll zu nutzen und dadurch Erfolgspotenzial abzuschöpfen. Mangelt es dem Unternehmen an einer derartigen organisationalen Kompetenz, bleiben mögliche Wettbewerbsvorteile durch eine entsprechende Ressourcensituation ungenutzt.357 Die Kompetenz zur Nutzung von Ressourcen wird so zur zentralen Größe des Competence-Based View.358 FREILING (2001) beschreibt Kompetenz im CBV als „[…] die wiederholbare, nicht auf Zufälligkeiten basierende Möglichkeit zum kollektiven Handeln in einer Unternehmung, welche […] darauf beruht, verfügbare Inputgüter in auf Marktanforderungen ausgerichteten Prozessen so zu kombinieren, daß dadurch ein Sichbewähren-Können gegenüber der Marktgegenseite gewährleistet wird.“359
Entsprechend der obigen Definition gilt es, wiederholbare Handlungssequenzen bei der Nutzung organisationaler Ressourcen bzw. Wissen über die Konfiguration organisationaler Ressourcen zu erzeugen.360 Kompetenzen im Sinne des CBV sind damit auch zeitabhängig, da sie auf Lernprozessen der Organisation bzw. deren Mitgliedern beruhen sowie Marktanforderungen entsprechen müssen.361
355
Vgl. Freiling (2001), S. 28 ff.
356
Vgl. Freiling (2001), S. 22.
357
Vgl. Freiling (2001), S. 22 f.
358
Ähnlich dem Ressourcenbegriff ist der Kompetenzbegriff uneinheitlich. Freiling (2001), S. 23 liefert eine CBVspezifische Übersicht der Ansätze. Darüber hinaus wurde der Kompetenzbegriff bereits in Kapitel 2.2 diskutiert.
359
Freiling (2001), S. 27.
360
Vgl. Sanchez/Heene/Thomas (1996), S. 25.
361
Vgl. z. B. die Definition von Schreyögg/Kliesch-Eberl (2007), S. 913 f.: „Capabilities are developed in the context of organizational resource allocation which is embedded in idiosyncratic social structures. On this basis capabilities are conceived as distinct behavioral patterns, which are complex in nature involving both formal and informal processes […]. Capabilities represent a repository of historical experiences and organizational learning […]. In case of superior performance and a unique historical development, capabilities are assumed to build the foundation for sustainable competitive advantage.“
84
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
In diesem Verständnis wurde auch die organisationale Kundeninteraktionskompetenz (vgl. Kapitel 2.2.1.3.4) definiert: Interaktions- und Lernorientierung (operationalisiert in Werten, Normen, Praktiken und Prozessen) haben das Ziel, Anwendungswissen für Unternehmen zu generieren und dieses anzueignen. Im Sinne des RBV sind strategische Orientierungen demnach organisationale Ressourcen (vgl. Kapitel 2.3.1.1). KIK ist das Wissen bzw. die Managementleistung, beide strategischen Orientierungen mit dem Ziel der Optimierung der knappen Ressource Anwendungswissen zu optimieren. Da die Optimierung von Anwendungswissen letztlich auf die Generierung von Wettbewerbsvorteilen bzw. Unternehmenserfolg abzielt, kann KIK somit als eine Kompetenz im Sinne des CBV verstanden werden.362 Folglich lässt sich ein weiteres Feld der inneren Kausalkette in Abbildung 18 im Zusammenspiel von RBV und CBV theoretisch untermauern (vgl. Abbildung 20).363
Abbildung 20 Erklärungsgehalt des RBV und des CBV für die innere Kausalkette
Als besonders werden Kompetenzen herausgehoben, die einen Wettbewerbsvorteil begründen bzw. auf nachhaltig überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg abzielen. PRAHALAD/HAMEL (1990) bezeichnen Kernkompetenzen als „[…] collective learning in the organization, especially how to coordinate diverse production skills and integrate multiple streams of technologies.“364 KIK kann also nur dann im Sinne des CBV verstanden werden, wenn sie auf die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen abzielt. Das heißt, KIK müsste als erfolgsrelevantes Nutzungswissen für organisationale Ressourcen bzw. als erfolgsrelevantes Wissen über die Konfiguration organisationaler Ressourcen verstanden werden. Es kann also die theoretische Argumentationslinie der inneren Kausalkette in Abbildung 20 geschlossen werden (vgl. verbleibender weißer Kasten in Abbildung 20), falls die Generierung von Anwendungswissen wiederum Wissen generiert, das die erfolgsrelevante Nutzung und Konfiguration organisationaler Ressourcen verspricht. Entsprechend der Diskussion von Anwendungswissen in Kapitel 2.2.1.3.1 kann dies zunächst bejaht werden. Ein weiteres Indiz liefern AMIT/SCHOEMAKER (1993): Sie definieren Kompetenzen als firmenspezifische Fähigkeiten, die durch komplexe Interaktion zwischen Firmenressourcen 362
Vgl. hier auch Matzler/Stahl/Hinterhuber (2004), S. 23 f., die Kundenwert als Funktion der Kernkompetenzen darstellen.
363
Vgl. auch die Darstellung von Grant (1991), S. 115.
364
Prahalad/Hamel (1990), S. 82.
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
85
über die Zeit entstanden sind.365 Dies lässt die Vermutung zu, dass, wenn ein Trend hin zur gemeinsamen Wertschöpfung mit dem Kunden existiert, diese komplexen Interaktionen nicht mehr an traditionellen Unternehmensgrenzen Halt machen. Eine zusätzliche Festigung dieser Argumentationslinie kann aus der Resource Dependence Theory/View (RDT/RDV), einem weiteren ressourcen- bzw. potenzialorientiertem Ansatz, abgeleitet werden.
2.3.1.3
Der Resource Dependence View (RDV)
Der Resource Dependence View wurde hauptsächlich geprägt durch die Beiträge von PFEFFER (1972, 1987), ALDRICH (1976), ALDRICH/PFEFFER (1976) und PFEFFER/SALANCIK (1978).366 Im Gegensatz zur Betrachtungsweise von RBV und CBV, die eine interne Perspektive einnehmen, geht der RDV von dem Unternehmen als offenem System aus.367 Im Zentrum der Betrachtung des RDV steht die Abhängigkeit des Unternehmens von seiner Umwelt: „To understand organizational behavior, one must understand how the organization relates to the other social actors in its environment.“368 Anders als RBV und CBV sieht der RDV den Erfolg einer Unternehmung stark davon bestimmt, wie gut ein Unternehmen seine Ressourcenbasis durch Bezug aus externen Quellen ausbauen und erhalten kann: „Survival of the organization is partially explained by the ability to cope with environmental contingencies; negotiating exchanges to ensure the continuation of needed resources is the focus of much organizational action.“369
Laut PFEFFER/SALANCIK (1978) bestimmt sich der Abhängigkeitsgrad hauptsächlich durch die Bedeutung der Ressource für die Organisation, den Grad des Einflusses, den die externe Interessengruppe auf Allokation und Nutzung der Ressource hat, und die Substituierbarkeit der Ressource.370 Bewertet man Anwendungswissen anhand der Kriterien von PFEFFER/SALANCIK (1978), muss ein starkes Abhängigkeitsverhältnis festgestellt werden: Anwendungswissen ist in Industriegütermärkten bedeutend für die langfristige Existenz des Unternehmens. Die Kundenorganisation hat einen hohen Einfluss auf die Allokation des Anwendungswissens (durch die Entscheidung zur Kooperation). Letztlich ist das Anwendungswissen eines Kunden nur bedingt substituierbar (z. B. durch Anwendungswissen eines ähnlich gelagerten Kundenproblems).
365
Vgl. Amit/Schoemaker (1993), S. 35.
366
Vgl. Homburg (2000), S. 51.
367
Es geht insbesondere darum, wie die Umwelt auf Unternehmen einwirkt und diese in ihren Möglichkeiten extern beschränkt. Vgl. Pfeffer/Salancik (1978), S. xi.
368
Vgl. Pfeffer/Salancik (1978), S. 257.
369
Pfeffer/Salancik (1978), S. 258.
370
Vgl. Pfeffer/Salancik (1978), S. 45.
86
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Als geeignetes Mittel zum Management der Abhängigkeit und resultierenden Unsicherheiten sieht der RDV eine verstärkte Kooperation vor:371 „The typical solution to problems of interdependence and uncertainty involves increasing coordination, which means increasing the mutual control over each others’ activities, or, in other words, increasing the behavioral interdependence of the social actors.“372
Im verbleibenden Teil dieses Abschnitts soll nun KIK in die Perspektive des RDV eingeordnet werden. Zunächst bleibt zu klären, inwieweit Anwendungswissen (vgl. verbleibender weißer Kasten in der inneren Kausalkette in Abbildung 20) eine wertvolle Ressource im Sinne des RDV darstellt. „Kunden […] sind zweifelsfrei eine externe Interessengruppe. Sie verkörpern für das Unternehmen […] die einzige dauerhafte Möglichkeit, sich mit der zum Überleben essentiellen Ressource Geld zu versorgen“373
Damit jedoch dieser existenzielle Geldfluss ermöglicht wird, d. h. die Produkte und Services eines Unternehmens vom Markt akzeptiert werden, muss das Anbieterunternehmen (im Sinne des RBV) die Marktanforderungen des Unternehmens kennen, d. h. über Anwendungswissen verfügen. Aufgrund dieser Bewertung ist Anwendungswissen eine wertvolle Ressource und die theoretische Untermauerung der inneren Kausalkette in Abbildung 20 kann in der Gesamtsicht der potenzialorientierten Ansätze (RBV, CBV und RDV) geschlossen werden. Eine von sechs möglichen Arten, mit Abhängigkeiten umzugehen, ist lt. PFEFFER/SALANCIK (1978) die Schaffung von Mustern interorganisationalen Verhaltens.374 Genau diese Schaffung bzw. Feststellung von Mustern hat die bisher skizzierte KIK im Sinn. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass beide Interaktionspartner für die Schaffung derartiger Muster sorgen müssen. Der Einflussbereich des strategischen Managements ist jedoch i. d. R. auf lediglich eines der beiden interagierenden Unternehmen beschränkt.375 Für jedes am Markt agierende Unternehmen stellt sich demnach die Frage, was es einseitig tun kann, um die Kundeninteraktion bestmöglich zu gestalten. Eine theoretische Grundlage für diese Argumentation, die die Ideen der operationalen Geschlossenheit und Selbstreferenz von Unternehmen beinhaltet, findet sich in der System-
371
Der RDV stellt auch die Vermeidung von Abhängigkeiten in den Mittelpunkt. Kooperationen sind somit nur als „Second-Best“-Lösung anzusehen. Sollte es zu Kooperationen kommen, muss stets Abwägung zwischen Autonomieverlust und Flexibilitätsgrad stattfinden (vgl. Mack (2003), S. 62).
372
Pfeffer/Salancik (1978), S. 43.
373
Homburg (2000), S. 54.
374
Vgl. Pfeffer/Salancik (1978), S. 143 ff. Vgl. auch Sinkovics/Roath (2004), S. 43: „Capabilities within this context are operationalized in terms of operational flexibility and collaboration. These capabilities are enhanced through interaction between the firms.“
375
Eine Ausnahme stellen z. B. Interaktionen zwischen Unternehmen einer Holdingorganisation dar.
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
87
theorie (vgl. 2.3.2). Der RDV kann als das theoretische Bindeglied zwischen ressourcenorientierten und systemtheoretischen Ansätzen gedeutet werden.376
2.3.1.4
Kundeninteraktionskompetenz in einer ressourcenorientierten Betrachtung
Die dargestellten ressourcenorientierten Ansätze untermauern theoretisch die skizzierte Kundeninteraktionskompetenz. Ressourcenorientierte Ansätze sollen hier jedoch nicht als kritiklos dargestellt werden. Insbesondere wird hier die Kritik von FREILING (2001) aufgegriffen:377 Erstens: Es existieren Zweifel am Stand der Theorieentwicklung, insbesondere aufgrund der dargestellten problematischen terminologischen Unklarheiten sowie dem Mangel an einem methodologischen Instrumentarium. Zweitens: Es existiert die Kritik inhaltlicher Inkonsistenzen, die z. B. die Zirkularitätsbeziehung zwischen Unternehmenserfolg und Existenz von Ressourcen beinhalten. Drittens: Es besteht der Vorwurf, dass wichtige inhaltliche Aspekte vernachlässigt werden (z. B. die Vernachlässigung externer Ressourcen in RBV und CBV). Aufbauend auf dem dritten Punkt können viertens auch die resultierenden Implikationen in Frage gestellt werden. Der Wert des Gedankengerüsts des RBV für diese Untersuchung besteht im Grundverständnis organisationalen Handelns: Es zeigt die Verknüpfung organisationaler Ressourcen mit Wettbewerbsvorteilen und Unternehmenserfolg. Der Kritik, dass existierende, formale Prozesse nicht unbedingt genutzt und gelebt werden müssen, tragen die Gedanken des CBV Rechnung. KIK kann so als Know-how des Ressourceneinsatzes bzw. als Art der Ressourcenkombination betrachtet werden. Die Frage, ob KIK nun eine besonders wichtige, eine Kernkompetenz, sein kann, beantwortet letztendlich die Perspektive des RDV, mit dessen Hilfe die Bedeutung und Abhängigkeit von Anwendungswissen begründet werden kann. Letztlich führen die jeweiligen Schlussfolgerungen des RDV und CBV in die gleiche Richtung – in die Empfehlung für das strategische Management zur Ausprägung einer Kundeninteraktionskompetenz. Mit dem bisherigen Vorgehen wird nicht versucht, die terminologische Unklarheit ressourcenorientierter Ansätze aufzuklären, allerdings wird angestrebt, die Terminologie innerhalb dieser Untersuchung konsistent zu halten.
376
Vgl. Pfeffer/Salancik (1978), S. xi.
377
Vgl. Freiling (2001), S. 41 ff.
88
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
2.3.2
Unternehmen und Kundeninteraktionskompetenz in einer systemtheoretischen Betrachtung
Während die ressourcenorientierte Sicht ein abstrakteres Theoriegerüst bereitstellt, hat die konstruktivistisch-systemische Betrachtung der folgenden Abschnitte die Aufgabe, den sozialen Charakter der Kundeninteraktion sowie den Erwerb und die Verankerung von Anwendungswissen in einen höheren theoretischen Zusammenhang einzuordnen. Antworten auf Fragen der Interaktion und des Lernens, wie sie in dieser Untersuchung vorliegen, sind, egal ob zwischen Individuen oder Organisationen, stark davon abhängig, welches Menschen-/Organisationsbild bzw. welche Paradigmen der Untersuchung und der Theoriebildung zugrunde liegen.378 Die Unterschiede gehen auf Grundfragen folgender Art zurück: „Entweder gilt der Mensch [bzw. das Unternehmen] stärker als Objekt oder stärker als Subjekt“379 bzw. beeinflussen Menschen und Unternehmen ihre Umwelt oder werden sie von diesen determiniert? HOFF (1992) nennt zwei Möglichkeiten, mit diesem Sachverhalt umzugehen: Erstens, Paradigmen
und Menschenbilder können implizit in die Arbeit integriert werden oder zweitens, Menschenbilder und Paradigmen können als Ausgangspunkt ausdrücklich benannt werden.380 In dieser Studie wird der zweite Weg gewählt und in den nächsten Abschnitten kurz die grundlegende Position des Autors offengelegt, die zugleich die Grundlage für die Erkenntnisse aus einer systemtheoretischen Betrachtung darstellt: das Zusammenspiel von Umwelt, Verhalten und Organisation sowie die Konstruktion der Realität. Das zentrale Anliegen dieser Arbeit ist es, Kundeninteraktionskompetenz von Unternehmen mithilfe organisationaler Interaktions- und Lernorientierung (ausgedrückt durch Werte, Normen, Praktiken und Prozesse) zu erklären. Die bereits aufgeworfene Fragestellung kann demnach für eine KIK-Betrachtung umformuliert werden zu: Ob und wie es einem Unternehmen möglich ist, seinen eigenen Weiterentwicklungsprozess und seinen Austausch mit der Umwelt zu bestimmen? Oder wird es von außen determiniert? HOFF (1992) stellt hierzu drei Paradigmen vor: ein fatalistisches, wissenschaftsfremdes Paradigma, das Paradigma des „homo clausus“ und ein interaktionistisch-dialektisches Paradigma.381 Die beiden erstgenannten Paradigmen werden aufgrund des innewohnenden Fatalismus bzw. der zugrunde liegenden Unidirektionalität
378
Vgl. für den Einfluss des Menschenbilds auch Gröppel-Klein/Königstorfer/Terlutter (2008), S. 44 f.
379
Hoff (1992), S. 15.
380
Vgl. Hoff (1992), S. 15.
381
Vgl. Hoff (1992), S. 16.
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
89
abgelehnt und sollen hier nicht weiter vertieft werden.382 Das interaktionistisch-dialektische Paradigma begründet sich durch den Mangel an Aktivität oder Reaktivität in den Konzepten des „homo clausus“.383 Das interaktionistische Paradigma dieses wird für diese Untersuchung gewählt versteht Interaktion als eine reziproke384 Beziehung zwischen Organisation und Umwelt, die sich im Handeln manifestiert. Handeln selbst muss demnach als ein Austauschprozess begriffen werden, der sowohl Person (hier Unternehmen) als auch Umwelt beeinflusst.385 Das interaktionistische Paradigma zeigt damit die Eigenschaften, die sich bisher ohne Explikation durch die ersten Kapitel dieser Arbeit ziehen: Sowohl das Unternehmen als auch der Kunde werden als agierend und handlungsfähig begriffen (einer wird dabei vom jeweils anderen allerdings als Umwelt begriffen). Beide Unternehmen entwickeln und beeinflussen sich gegenseitig in der Interaktion um Anwendungswissen. Sowohl Unternehmens- als auch Umweltaspekte äußern sich in konkretem Verhalten, d. h. Werte, Normen, Praktiken und Prozesse. Folglich wird „die soziale Welt […] durch bedeutungsvolle Interaktionen zwischen Menschen [hier Unternehmen] konstruiert.“386 Das Zitat von BORTZ/DÖRING (2006) deutet an, dass das interaktionistische Paradigma nicht ohne eine kurze Betrachtung des Vorgangs auskommen kann, der die interne „Konstruktion“ der äußeren Realität (hier Anwendungswissen) von Unternehmen beschreibt. In diesem Verständnis bietet sich eine abschließende konstruktivistisch-systemtheoretische Betrachtung des Untersuchungsgegenstands an.
2.3.2.1
Konstruktivistisches Denken als Grundlage
In dieser Untersuchung rückt die Interaktion zwischen Unternehmen in Industriegütermärkten um die Zielgröße des Anwendungswissens ins Zentrum des Interesses. Bereits in Kapitel 2.2.1.3.1 wurde erwähnt, dass Anwendungswissen nicht einfach kopier- bzw. transferierbar ist. Demnach stellt sich also die Frage, wie ein Unternehmen (hier das Anbieterunternehmen) Interaktionen einsetzt, um Anwendungswissen für sich nutzbar zu machen. Für die Beantwortung dieser Frage bedarf es erneut zentraler Annahmen zum Interaktionsvorgang, die hier dargestellt werden.
382
Eine Verwendung des fatalistischen Paradigmas stellt jedes wissenschaftliche Denken und Managementhandeln in Frage, da die Zusammenhänge zwischen Unternehmen, Verhalten und Personen als unklar und vorbestimmt betrachtet werden. Das fatalistische Paradigma wird deshalb abgelehnt. Das Paradigma des „homo clausus“ (unidirektionale Beziehungen) wird mit Verweis auf festgestellte Beobachtungen in Kapitel 2.1, in dem die Bedeutung der Bidirektionalität/Interaktion in Industriegütermärkten erkannt wird, abgelehnt.
383
Vgl. Hoff (1992), S. 18: „Interaktion „im Sinne eines Austausches, einer Wechselbeziehung zwischen Person und Umwelt [… vermag] beide Seiten, die ‚innere‘ und die ‚äußere‘, […] über diese Wechselwirkung im Handeln oder in der Tätigkeit miteinander“ zu verschränken.
384
Reziprok ist gem. Hoff (1992), S. 24 im Gegensatz zu „deterministisch“ als „beeinflussend und beeinflussbar“ zu verstehen.
385
Vgl. Hoff (1992), S. 20.
386
Bortz/Döring (2006), S. 304.
90
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Neben behavioristischen und kognitivistischen Ansätzen existieren in der Literatur auch konstruktivistische Ansätze,387 die erklären, wie sich Individuen die Realität erschließen und damit zugänglich machen. SIEBERT (2003) beschreibt Konstruktivismus wie folgt: „Menschen sind autopoietische, selbstreferenzielle, operational geschlossene Systeme. Die äußere Realität ist uns sensorisch und kognitiv unzugänglich. Wir sind mit der Umwelt lediglich strukturell gekoppelt, das heißt, wir wandeln Impulse von außen in unser Nervensystem „strukturdeterminiert“, das heißt auf der Grundlage biografisch geprägter psycho-physischer kognitiver und emotionaler Strukturen um. Die so erzeugte Wirklichkeit ist keine Repräsentation, keine Abbildung der Außenwelt, sondern eine funktionale, viable Konstruktion, die von anderen Menschen geteilt wird und die sich biografisch und gattungsgeschichtlich als lebensdienlich erwiesen hat. Menschen als selbstgesteuerte ‚Systeme‘ können von der Umwelt nicht determiniert, sondern allenfalls perturbiert, das heißt, ‚gestört‘ und angeregt werden.“388
Bereits in Kapitel 2.2.1.2 wurde die Übertragung individueller Phänomene auf organisationale Phänomene in dieser Untersuchung für zulässig erklärt. Folgerichtig muss die Übertragbarkeit auch für die zugrunde liegenden Paradigmen der Interaktion und Kompetenzentstehung gelten. Konstruktivismus lenkt den Fokus weg von den „Inhalten oder Gegenständen von Wahrnehmung“ und hin zum „wie“ bzw. dem „Erkenntnisvorgang“,389 was genau dem Gegenstand dieser Untersuchung entspricht. Die wesentlichen Aspekte obiger Definition, die zugleich auch in der systemtheoretischen Betrachtung Anwendung finden, sollen zunächst erklärt werden.390 x
Operationale Geschlossenheit: Obwohl die konstruktivistische Perspektive annimmt, dass Systeme391 nicht direkt von ihrer Umwelt beeinflusst werden können, sind sie doch offen für Veränderungen in ihrer Umwelt, d. h., Veränderungen in der Umwelt beeinflussen die Struktur des Systems. Strukturelle Veränderungen eines Systems geschehen dabei nicht zufällig, sondern werden durch das System selbst ausgelöst. Die Impulse, die ein System in Interaktion mit seiner Umwelt erhält, müssen jedoch von dem System selbst umgewandelt werden, d. h. für das jeweilige Subjekt nutz- und verstehbar gemacht werden.392 Die Tatsache, dass Systeme die Umwandlung der Impulse selbst übernehmen, wird als
387
Siebert (2003), S. 7: „[…] Konstruktivismus ist keine eigene Wissenschaftsdisziplin, sondern ein inter- und transdisziplinäres ‚Paradigma‘, eine Perspektive.“
388
Siebert (2003), S. 5 f.
389
Vgl. Schmidt (2000), S. 13.
390
Siebert (2003), S. 6 nennt als zentrale Prinzipien und Schlüsselbegriffe: Autopoiesis, Viabilität, Beobachterabhängigkeit, strukturelle Kopplung, Strukturdeterminiertheit, Selbstorganisation, Zirkularität, Rekursivität und Emergenz.
391
Der Begriff des Systems wird im nächsten Teilkapitel näher beschrieben. Zunächst sollen darunter Individuen und Organisationen verstanden werden.
392
Vgl. „viable Konstruktion“ bei Siebert (2003), S. 5 f.
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
91
operationale Geschlossenheit bezeichnet.393 Die operationale Geschlossenheit führt so zu einer Egozentrik, da der klassische Subjekt-Objekt-Dualismus aufgrund der Geschlossenheit verschwindet.394 Im Verständnis dieser Arbeit bedeutet dies, dass Anwendungswissen nur durch Aktivität des fokalen Systems, d. h. des Anbieterunternehmens (aufgrund der Egozentrik), in das Unternehmen gelangen kann. Zudem wird deutlich, dass es sowohl Initiierungs- als auch Umwandlungsoperationen innerhalb des Systems Unternehmen geben muss, die Anwendungswissen nutzbar für das Unternehmen werden lassen. x
Selbstreferenz und Autopoiesis: Systeme kümmert ihre Umwelt zunächst nicht, sie arbeiten selbstbezogen, d. h. selbstreferenziell. Das Leitprinzip der Handlungen und Differenzierungen eines Systems kann von dem jeweiligen grundlegenden Sinn des Systems abgeleitet werden.395 Dieser grundlegende Sinn des Systems steuert die Selbsterhaltung bzw. Selbsterneuerung eines Systems (= Autopoiesis). Im Verständnis dieser Arbeit bedeutet dies, dass Unternehmen (Kunden-)Interaktionen nicht als Selbstzweck betreiben, sondern dies Ausdruck ihres „Selbsterhaltungstriebs“ ist. Diese Beobachtung ist sowohl für Anbieter- als auch für Kundenunternehmen bedeutend, d. h., eine Interaktion muss dem Sinn beider Systeme entsprechen, also einen wechselseitigen Nutzen versprechen.396 Darüber hinaus deuten Unternehmen Interaktionen in einer selbstreferenziellen Weise, was unterschiedliche Bewertungen der gleichen Interaktion theoretisch erklärbar macht.
Konstruktivistische Ansätze bauen auf die Kernhypothese, dass kein direkter Kontakt zwischen Individuen/Organisationen und ihrer Umwelt besteht. Als Beleg werden auf individueller Ebene z. B. die Phänomene Sinnestäuschungen und selektive Wahrnehmungen betrachtet.397 In letzter Konsequenz würde dies bedeuten, dass sich jedes System selbst entwickelt und ein gegenseitiges Verständnis bzw. Kommunikation unmöglich erscheint. Da ein derart radikaler Konstruktivismus398 nicht im Einklang mit existierenden Beobachtungen steht, wird er im so genannten „gemäßigten Konstruktivismus“ abgeschwächt:399 Durch die intersubjektive Akzeptanz bestimmter Konstruktionen entstehen so genannte „konsensuelle Bereiche“, die Grundlage des
393
Vgl. z. B. Berghaus (2003), S. 53.
394
Vgl. Siebert (2003), S. 6. Je nach Standpunkt kann die gleiche Gegebenheit anders beobachtet werden.
395
Vgl. Luhmann (1984), S. 25. Sinn kann somit als eine grundlegende Daseinsbegründung/-berechtigung gedeutet werden.
396
Die Notwendigkeit wechselseitigen Nutzens äußern z. B. Rao/Perry (2002), S. 607, die darauf hinweisen, dass im Rahmen des Relationship Marketings ein Kundenunternehmen ggf. keinen Wert auf eine bestimmte Art von Beziehung legt.
397
Vgl. Schmidt (2000), S. 14.
398
Vgl. z. B. v. Glasersfeld (1996) und v. Foerster (1995).
399
Vgl. Siebert (2003), S. 9. Auch unter der Bezeichnung „methodischer Konstruktivismus“.
92
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Austauschs zwischen Systemen sind.400 Je häufiger Systeme miteinander interagieren bzw. je ähnlicher sich Systeme sind, desto größer ist ihr gemeinsamer, konsensueller Bereich. Im nächsten Teilabschnitt wird mit der Systemtheorie ein Theoriegebäude beschrieben, das sowohl durch das interaktionistische als auch konstruktivistische Paradigma gekennzeichnet ist.
2.3.2.2
Charakteristika der Systemtheorie Luhmanns
Die konstruktivistischen Grundgedanken finden Anwendung in einer größeren Anzahl von Theorien, die unter dem Dach der Systemtheorie zusammengefasst werden können. Systemtheorie bezeichnet dabei keine abgeschlossene Disziplin oder Theorie, sondern eine Reihe an Konzepten, die auf dem gleichen systemtheoretischen Paradigma aufgebaut sind.401 Die Systemtheorie hat so auch in der betriebswirtschaftlichen Forschung Einzug gehalten und liefert aufgrund ihrer Stärken – der Integrationskraft für psychologische, soziologische und ökonomische Faktoren sowie der Erklärungskraft der Unternehmens-Umwelt-Beziehung (woraus sich schließlich auch die Relevanz für diese Untersuchung gibt) – relevante Beiträge.402 Die hier betrachtete Ausprägung der Systemtheorie ist die Systemtheorie LUHMANNs. Sie wird von KRIEGER (1996) in die Klasse der Sinn-/Kommunikationssysteme eingeordnet.403 LUHMANN ordnet sich in die Gruppe der gemäßigten Konstruktivisten ein. Folglich geht er davon
aus, dass es einen Austausch zwischen Systemen geben kann, dieser jedoch nicht direkt erfolgt. Ebenso lehnt er Intersubjektivität ab, d. h., die Realität muss beobachtergebunden konstruiert werden.404 Im Gegensatz zu anderen Systemtheoretikern wie z. B. PARSONS geht LUHMANN (1984) davon aus, dass Systeme real existieren.405 Darüber hinaus fordert LUHMANN die universelle Gültigkeit der systemtheoretischen Aussagen, weist jedoch zugleich darauf hin, dass diese nicht ausschließlich im Verhältnis zu anderen theoretischen Ansätzen steht.406 Aufgrund der Breite der Theorieansätze macht sich diese Studie ein systemtheoretisches Prinzip zunutze und reduziert die Komplexität des Theoriegebäudes, indem die bedeutendsten Merkmale für diese Untersuchung kurz dargestellt werden: (1) Die System-Umwelt-Differenz, (2) die Reduktion von Komplexität, (3) der Sinn, (4) die Kommunikation und (5) die Strukturen und Prozesse.
400
Vgl. Schmidt (2000), S. 27 ff., 34 und Krieger (1996), S. 40.
401
Vgl. Krieger (1996), S. 7 f., Kraft (1989), S. 35 und Berghaus (2003), S. 24 f. Ein Überblick der Entwicklungen in der Systemtheorie findet sich bei Miller (2001), S. 28 ff.
402
Vgl. Homburg (2000), S. 50. Zugleich muss jedoch auch auf die wesentliche Schwäche des Ansatzes hingewiesen werden: der hohe Allgemeinheitsgrad (vgl. ebd., S. 51).
403
Vgl. Krieger (1996), S. 43. Miller (2001), S. 30 f. ordnet die Entwürfe zudem in den funktional-strukturellen Ansatz und die Theorie der selbstreferenziellen Systeme ein. Dabei erfolgte die Weiterentwicklung durch Luhmann selbst.
404
Vgl. Luhmann (1984), S. 120. Kraft (1989), S. 46: „[…] der klassische Begriff der Objektivität [wird] im konstruktivistischen Denken durch den der Viabilität ersetzt.“
405
Vgl. Luhmann (1984), S. 31. Eine knappe Gegenüberstellung der Ansätze Luhmanns und Parsons findet sich bei Treibel (2004), S. 23 f.
406
Vgl. Luhmann (1984), S. 9.
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
93
(1) System-Umwelt-Differenz: Systeme wurden traditionell als das Zusammenspiel verschiedener Einzelteile gedeutet.407 LUHMANN (1984) teilt diese Ansicht nicht: „[…] ein differenziertes System [besteht demnach] nicht mehr einfach aus einer gewissen Zahl von Teilen und Beziehungen zwischen den Teilen, es besteht vielmehr aus einer mehr oder weniger großen Zahl von operativ verwendbaren System/Umwelt-Differenzen, die jeweils an verschiedenen Schnittlinien das Gesamtsystem als Einheit von Teilsystem und Umwelt rekonstruieren. Differenzierung wird so nach dem allgemeinen Muster von Systembildung behandelt.“408
Die Idee, dass sich Systeme von der Umwelt differenzieren, zeigt, dass Systeme nur im Bezug zu ihrer Umwelt gedeutet und bestimmt werden können und weder die Bedeutung von Umwelt noch die Bedeutung des Systems als wichtiger eingestuft werden kann.409 Das Umweltverhältnis ist demzufolge „konstitutiv für Systembildung“.410 Umwelt darf dabei nicht als ein eigenes System interpretiert werden, sondern „als Summe von Systemen, Ereignissen und Handlungen, die außerhalb des Referenzsystems […] liegen.“411 Damit liegen Systeme immer auch in der Umwelt anderer Systeme (z. B. Kundensysteme), wodurch die Systeme möglicherweise auch gleichzeitig Objekt der eigenen Operationen werden können.412 Die einzelnen Elemente eines Systems einen gemeinsame Eigenschaften und Beziehungen. Eben diese Strukturen, Eigenschaften und Beziehungen grenzen das System von seiner Umwelt ab.413 Die Ausprägung dieser Gemeinsamkeiten und damit der Umweltabgrenzung sind Ausdruck des „Sinns“ des Systems.414 (2) Komplexitätsreduktion: Systeme reduzieren Komplexität,415 dabei arbeiten sie funktional, d. h., sie entstehen, um eine bestimmte Kategorie von Problemen zu lösen.416 Je komplexer eine
407
Vgl. z. B. Miller (2001), S. 37.
408
Luhmann (1984), S. 22. Ähnliche Aussagen zu den Verhältnissen von Teilen und Ganzem finden sich z. B. in der Forschung zu absorptiver Kapazität bei Cohen/Levinthal (1990), S. 131.
409
Vgl. Luhmann (1984), S. 244.
410
Luhmann (1984), S. 242.
411
Miller (2001), S. 39 und vgl. Luhmann (1984), S. 249.
412
Vgl. Luhmann (1984), S. 249. Beispielsweise ist es denkbar, dass Interaktionsprozesse des Anbieterunternehmens negative Zufriedenheitswerte auslösen, wodurch neue Verhandlungen problematischer verlaufen.
413
Vgl. Krieger (1996), S. 12 f., 20.
414
Vgl. Krieger (1996), S. 12, 63.
415
Vor der bzw. ohne die Begründung von Systemen sind nicht alle Elemente in der Umwelt miteinander verknüpft (vgl. Miller (2001), S. 46 und Krieger (1996), S. 15). Aus Sicht der einzelnen Elemente tritt damit ein Kontingenzzustand ein, da nicht erfasst werden kann, wie und wann sich Änderungen ergeben. Alle möglichen Ereignisse sind damit chaotisch und gleich (un-)wahrscheinlich (vgl. Krieger (1996), S. 14). Die Welt erscheint damit komplex.
416
Vgl. Luhmann (1984), S. 47 und Krieger (1996), S. 18.
94
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Problemlösungsaufgabe eines Systems wird, desto komplexer wird das System selbst.417 Um die interne Komplexität beherrschbar zu machen, entstehen interne Subsysteme.418 Aufgrund der internen Komplexität von Systemen erscheinen diese für externe Beobachter kontingent bzw. als Umwelt.419 Falls Elemente in der Umwelt (und deren zugehörigen Systemen) häufig mit einem System interagieren, erscheint das System dem Interaktionspartner als weniger komplex, d. h., ein konsensueller Bereich ist entstanden (vgl. Kapitel 2.3.2.1).420 (3) Sinn: Sinn ist als die Leitgröße eines Systems zu verstehen und steuert Komplexitätsreduktion, System-Umwelt-Differenz, Selbstreferenz, Autopoiesis421 und die operationale Geschlossenheit.422 Sinn „appräsentiert“ Komplexität und wird so für die Operationen von Systemen präsent gehalten. Damit qualifiziert sich Sinn dadurch, „dass er bestimmte Anschlussmöglichkeiten nahelegt und andere unwahrscheinlich oder weitläufig macht oder (vorläufig) ausschließt.“423 (4) Kommunikation: Zur Erklärung von Kommunikation zwischen Systemen distanziert sich LUHMANN von gängigen Sender-Empfänger-Modellen und spaltet Menschen in biologische und psychische Systeme auf.424 Kommunikation hat einen besonderen Stellenwert für soziale Systeme (d. h. Interaktionen, Organisationen und Gesellschaften)425 und ist das für diese das konstitutive Element.426 Aufgrund von Kommunikation können Systeme Sinn erzeugen und erschließen sich ihre Umwelt.427 Damit Kommunikation für Systeme wirksam werden kann, muss das fokale System zumindest an einen Teil des Kommunikationsinhalts anknüpfen können. Es muss demnach zu einer strukturellen Kopplung zwischen Interaktionspartnern kommen. Die strukturelle Kopplung wird nicht durch die objektive Realität bestimmt, sondern durch die jeweilige Viabilität/Passung (vgl. auch konsensueller Bereich in Kapitel 2.3.2.1).428 Da jeder Kommunikationsvorgang zugleich die Möglichkeit der Ablehnung einer Mitteilung beinhaltet, wird lt. LUHMANN (1984) ein Kommunikationsvorgang erst mit der Reaktion abgeschlossen.429 417
Vgl. Miller (2001), S. 44.
418
Vgl. Luhmann (1984), S. 261 f. Interne Subsysteme sind lt. Luhmann (1984), S. 264 jedoch kein notwendiges Wesensmerkmal sozialer Systeme.
419
Vgl. Krieger (1996), S. 28.
420
Vgl. Kapitel 2.4.2.1 und Schmidt (2000), S. 27, 29, 34.
421
Vgl. Kapitel 2.3.2.1
422
Vgl. Krieger (1996), S. 62 f.
423
Vgl. Luhmann (1984), S. 94. Am Beispiel von Märtyrern und Kriegen lässt sich zeigen, dass Sinn sogar dem System selbst übergeordnet werden kann (vgl. Krieger (1996), S. 51).
424
Vgl. Luhmann/Baecker (2002), S. 289 und Krause (1999), S. 26. Biologische Systeme sind lt. Luhmann für Kommunikation nicht relevant.
425
Vgl. Luhmann (1984), S. 16.
426
Vgl. Berghaus (2003), S. 61.
427
Vgl. Krieger (1996), S. 60. Das heißt, im Sinne von v. d. Eichen/Hinterhuber/Matzler (2004), S. 457 entstehen Entwicklungen als Koevolutionen zwischen Systemen und der Umwelt (bzw. anderen Systemen als Bestandteil der Umwelt).
428
Luhmann (1984), S. 212: „Kommunikation ist koordinierte Selektivität.“
429
Vgl. Luhmann (1984), S. 212.
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
95
Dem liegt der Gedanke der Wechselseitigkeit, der Interaktion, zugrunde. Gleichzeitig führt das Konzept struktureller Kopplung dazu, dass „kommunikativer Erfolg als zunächst äußerst unwahrscheinlich gelten“430 muss. (5) Struktur und Prozesse: Der Sinn eines Systems begründet die System-Umwelt-Differenz und damit den zu erfüllenden Zweck eines Systems. Zur Zweckerfüllung bedarf es Strukturen und Prozessen (z. B. Kommunikationsabläufe oder Informationsverarbeitungen).431 Strukturen und Prozesse (im Sinne dieser Arbeit auch Praktiken) setzen sich gegenseitig wechselseitig voraus,432 sind jedoch im Zeitablauf veränderbar.
Abbildung 21 Merkmale der Systemtheorie Luhmanns433
Abbildung 21 fasst die bisher dargestellten Punkte in einer Übersicht zusammen. Auf Basis dieser Erkenntnisse sollen im Folgenden theoretische Implikationen für diese Untersuchung gegeben werden. Zunächst werden in Kapitel 2.3.2.3 Aussagen zu dem System „Anbieterunternehmen“ im Verhältnis zu seiner Umwelt abgeleitet (entspricht dem fokalen System in Abbildung 21). Darauf folgt in Kapitel 2.3.2.4 die Ableitung von Aussagen zu den Austauschprozessen (Kommunikation/Interaktion/Lernen) des Unternehmens mit seiner Umwelt (entspricht den dargestellten Pfeilen in Abbildung 21).
430
Luhmann (1984), S. 216.
431
Vgl. Miller (2001), S. 53.
432
Vgl. Luhmann (1984), S. 73.
433
Die gestrichelte Darstellung des Systems „Kunde“ verdeutlicht die Beobachtergebundenheit. Aus der Perspektive des Anbietersystems wird das Kundensystem als Umwelt wahrgenommen.
96
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
2.3.2.3
Unternehmen in systemtheoretischer Betrachtung
Organisationen und damit auch Unternehmen (als formal organisierte Systeme) werden von LUHMANN (1984) zusammen mit Interaktionen und Gesellschaften als soziale Systeme aufgefasst.434 Die Funktionen und strukturelle interne Differenzierung (= Organisation) von Unternehmen orientieren sich damit an der Zweckbestimmung, d. h. im klassischen Sinne der Erwirtschaftung von Gewinnen.435 Anhand dieser Einordnung können das Unternehmen selbst als soziales System betrachtet und entsprechende theoretische Aussagen abgeleitet werden.436 Im Fokus dieser Untersuchung steht jedoch auch, dass Anbieterunternehmen mit ihren Kunden interagieren, d. h. ein Interaktionssystem begründen. Aufgrund der problembasierten Interaktion zwischen Mitarbeitern der Anbieter- und Kundenunternehmen in Industriegütermärkten muss auch diese Interaktion als soziales System begriffen werden.437 Der Kommunikationsprozess wird als elementar für die Konstitution sozialer Systeme betrachtet, wobei Kommunikation und Handlung nicht zu trennen sind.438 PFEFFER/SALANCIK (1978) ergänzen an dieser Stelle, dass die Abgrenzung des Systems „Unternehmen“ in der Praxis problematisch erscheint, da die handelnden Individuen des Systems wiederum Interaktionsysteme mit der Umwelt begründen.439 Aus dieser Betrachtung heraus kann ein Kundenunternehmen, soweit es den Systemsinn und Strukturmerkmale des Anbieterunternehmens teilt, im Extremfall sogar als zum System „zugehörig“ betrachtet werden. In diesem Falle wurde bereits in Kapitel 2.1 von Integration gesprochen.440 Welche weiteren theoretischen Aussagen lassen sich nun daraus für das Verständnis von Unternehmen ableiten? Erstens operieren Unternehmen zunächst geschlossen und können direkt nicht von außen beeinflusst werden. Veränderungen müssen vom System selbst ausgelöst werden und entstehen nur aufgrund einer systeminternen Anpassungs- bzw. Entwicklungsleistung. Diese Betrachtung deckt sich z. B. mit Beobachtungen von Konzepten der absorptiven Kapazität und der Wertschaffung/Wertaneignung, die ebenfalls eine Integrationsphase für nötig erachten (vgl. Kapitel 2.2.1.3.2 und 2.2.1.3.3).
434
Vgl. Luhmann (1984), S. 16. Formal organisierte Systeme (vgl. Luhmann (1999), S. 29 f.) besitzen klare Einund Austrittsregelungen: „Durch Übernahme einer Mitgliedsrolle erklärt sich eine Person bereit, in bestimmten Grenzen Systemerwartungen zu erfüllen“ (Luhmann (1999), S. 42).
435
Vgl. Miller (2001), S. 84.
436
Das Verständnis von Unternehmen als soziale Systeme bzw. Communities findet sich z. B. bei Kogut/Zander (1992), S. 382.
437
Miller (2001), S. 81: „Interaktionssysteme umfassen auch flüchtige Gruppen, z. B. […] eine informelle Gruppe in einer Organisation und anderes.“ Dabei ist davon auszugehen, dass je unklarer die Regeln der Beziehung sind, desto instabiler wird das Interaktionssystem (vgl. Miller (2001), S. 83).
438
Vgl. z. B. Luhmann (1984), S. 193.
439
Vgl. Pfeffer/Salancik (1978), S. 29.
440
Vgl. z. B. Integrationskompetenz bei Müller (2007b).
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
97
Zweitens entwickeln Unternehmen sich selbstreferenziell, d. h., Interaktionen mit der Umwelt müssen Nutzen versprechen und externe Impulse (z. B. neues Anwendungswissen) müssen anschlussfähig sein. Die Annahme des notwendigen wechselseitigen Nutzens für Interaktionen um Anwendungswissen wurde bereits in Kapitel 2.2.2.2 gezeigt, die Probleme der Anschlussfähigkeit von Kommunikation zeigte sich im Problem der Transferierbarkeit taziten Wissens (vgl. Kapitel 2.2.1.3.1). Drittens begründet die konstruktivistische Sichtweise, dass die Umwelt um das System Unternehmen als Umwelt und nicht etwa als andere Systeme wahrgenommen werden kann. Das in der Umwelt liegende System Kundenunternehmen ist damit für das fokale Anbieterunternehmenssystem nicht völlig erschließbar, wodurch die Begründung eines Interaktionssystems zum Austausch von z. B. Anwendungswissen (= Interaktion) überhaupt erst notwendig wird. Diese Untersuchung wählt die Beobachtungsposition des Anbietersystems. Viertens reduzieren Unternehmen im Sinne ihres Geschäftszwecks (= Sinn) Komplexität. Dementsprechend bilden sich Funktionen, Strukturen, Praktiken und Prozesse aus. Strukturen und Prozesse werden in der Systemtheorie LUHMANNs als untrennbar und wechselseitig wirkend gesehen. Dies untermauert die in Kapitel 2.2.1.3.1 beschriebene Entscheidung, dass die Untersuchung der Prozesssicht zu gleichen Aussagen wie die Untersuchung der Struktur kommen sollte. Fünftens ist es zur Bewältigung komplexer Aufgaben möglich, jedoch nicht notwendig, dass sich das soziale System „Unternehmung“ intern weiter ausdifferenziert, d. h. interne Subsysteme entstehen.441 Auch diese Beobachtung ist im Einklang mit der Entstehung einer organisationalen Kompetenz in Kapitel 2.2.1.2. Weiterhin stellt sich die Frage, wie sich die konstruktivistisch-systemtheoretische Perspektive, die für diese Arbeit gewählt wurde, auf die Einordnung der für diese Untersuchung bedeutenden Begriffe Interaktion und Lernen auswirkt.
2.3.2.4
Interaktionen und organisationales Lernen in systemtheoretischer Betrachtung
Die Systemtheorie betrachtet Kommunikation als das konstitutive Element sozialer Systeme. Der Gedanke der Wechselseitigkeit liegt dem systemtheoretischen Kommunikationsbegriff bereits zugrunde, da der Kommunikationsvorgang erst durch Entstehen einer Reaktion442 abgeschlossen
441
Aufgrund der Häufigkeit der auftretenden direkten Kundenkontakte bzw. der Charakteristika der Arbeitsaufgaben sind die unternehmensinternen Subsysteme, die sich mit Marketing, Vertrieb und Geschäftsführung beschäftigen, besonders interessant für diese Untersuchung (vgl. Kapitel 4.1.1).
442
Auch wenn die Reaktion das Ausbleiben einer Rückmitteilung ist, gilt dieser Zusammenhang.
98
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
wird. Kommunikation und Handlung sind dabei im Sinne einer mitlaufenden Selbstkontrolle nicht trennbar.443 Die Kommunikation und Handlungen eines Anbietersystems entsprechen damit dem, was bisher im Rahmen dieser Arbeit als Interaktion444 verstanden wurde. Der systemtheoretische Kommunikationsbegriff impliziert jedoch kürzere Zyklen, wie dies beispielsweise in Abbildung 7, dem Austausch von Technologie- und Nutzungswissen, angedeutet wird. Die Probleme bei der Übertragbarkeit von Anwendungswissen und letztendlich die operationale Geschlossenheit begründen jedoch die Notwendigkeit, dass der Austausch komplexen Technologie- und Anwendungswissens in mehreren Kommunikationsvorgängen bzw. Handlungen abläuft und damit Abbildung 7 eine vereinfachte Darstellung ist. Die autopoietische Entwicklung steuert die Interaktionen des Systems mit der Umwelt, demnach richten sich die Interaktionsaktivitäten einer Unternehmung am Nutzen bzw. der Bewertung des Anwendungswissens für den Sinn des Systems des Unternehmens aus. Da der Nutzen von Anwendungswissen für die Befriedigung von Kundenbedürfnissen, für effiziente Prozessgestaltung und Neuproduktentwicklung weitgehend unstrittig scheint, stellt sich die Frage, ob die Generierung und Aneignung direkt im Sinnsystem eines Unternehmens (Normen/Werte) verankert ist oder nur indirekt aus der Notwendigkeit des effizienten Wirtschaftens abgeleitet werden kann. Ebenfalls in der autopoietischen Entwicklung und der Selbstreferenz begründet ist die Notwendigkeit der strukturellen Kopplung und Viabilität. Organisationale Interaktion wird somit zur „Anschlussinteraktion“445, sowohl für das System des Anbieter- als auch für das System des Kundenunternehmens.446 Demnach müssen die Interaktionsinhalte eine gewisse Passung zu Bestehendem, d. h. im Unternehmen vorhandenem Wissen, sowie existierenden Strukturen besitzen. Diese systemtheoretische Grundlage kann somit zur theoretischen Klärung der Phänomene der Pfadabhängigkeit bzw. des Kontextbezugs von Entwicklungs-, Lern- und Innovationsprozessen in Unternehmen beitragen. Die systemtheoretische Betrachtung zeigt, dass das Gelingen von Kommunikation unwahrscheinlich ist. Daraus ergeben sich für diese Untersuchung zwei wichtige Implikationen: Einerseits begründet die doppelte Kontingenz in Interaktionsprozesse,447 warum Interaktions-
443
Vgl. Luhmann (1984), S. 226 f.
444
Im Folgenden wird der Begriff Interaktion stellvertretend für Kommunikation und Handlung gebraucht.
445
Vgl. Luhmann (1984), S. 169.
446
Dem Gedanken der Anschlusskommunikation kann auch die Forderung der Perspektivenübernahme der Kundenorientierung zugeordnet werden (vgl. Bruhn (2001), S. 44). Grundsätzlich muss eine vollständige „Übernahme“ der Perspektive aus der konstruktivistisch/systemtheoretischen Begründung jedoch abgelehnt werden.
447
Vgl. Luhmann (1984), S. 161. In diesem Kontext kann auch Kommunikation als die Synthese von jeweils drei Selektionen eingeordnet werden: Die Selektion eines Systems von Information, Mitteilung und Verstehen (vgl. Luhmann (1984), S. 203 und Treibel (2004), S. 35).
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
99
prozesse um Anwendungswissen häufig nicht von Erfolg gekrönt sind, obwohl in einer Ex-postBetrachtung ein Entwicklungspfad doch einfach und logisch erscheint. Andererseits begründet es die Notwendigkeit, dass stabile Interaktionsysteme zwischen Anbieter- und Kundenunternehmen erzeugt werden, um die Wahrscheinlichkeit des Austauschs von Anwendungswissen zu erhöhen. Die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des erfolgreichen Austauschs wird durch klare Beziehungsregeln bzw. konsensuelle Bereiche ermöglicht. Beides spiegelt sich mit Blick auf ein Anbieterunternehmen in den strategischen Orientierungen, die in der Kundeninteraktion benötigt werden, wider – im Verständnis dieser Untersuchung in der Kundeninteraktionskompetenz der Unternehmung. Das Konzept der Autopoiesis als Selbsterhaltung und -erneuerung von Systemen begründet theoretisch, dass ein System überhaupt zur Entwicklung bzw. zum Lernen im Sinne der bisherigen Definition in Kapitel 2.2.1.1 fähig ist. Die Systemtheorie wurde zwar nicht als Lerntheorie entwickelt, lässt aber einige Aussagen dazu zu, die im Folgenden kurz zusammengefasst werden. Lernen im Sinne einer systemtheoretischen Betrachtung versteht KRIEGER (1996) als: „Entstehen neuer Verhaltensweisen auf Grund von struktureller Transformation in einem geschlossenen System“. Dabei ist wichtig, dass „Wenn Selbstbezug als nicht-triviale Selbstreferenz stattfindet und wenn Lernen gespeichert, wieder abgerufen und sprachlich mitgeteilt werden kann […], Lernen zur Erkenntnis“448 wird.
In Ergänzung zu der bisherigen Definition des Lernens in Kapitel 2.2.1.1, die von einer „Fähigkeit zur Anpassung“ spricht, hält die Definition von KRIEGER (1996) Hinweise dafür bereit, wie Lernen an sich in operational geschlossenen Systemen funktioniert, und durchdringt so den Organismus (Individuum oder Organisation) besser als die vorangehende Definition. Wird Kundeninteraktion als Mittel des Austauschs von Anwendungswissen gesehen, wird Lernen als Zusammenspiel zweier Systeme (hier: Anbieter- und Kundensystem) verstanden und nicht als reine Einzelleistung eines der beiden Systeme.449 Jedes System kann jedoch nicht direkt in den Lernprozess des jeweils anderen Systems eingreifen. Lernen wird in dieser Lesart nicht verstanden als Übertragung von Wissen, sondern als eigener Konstruktionsprozess des jeweiligen Systems (operationale Geschlossenheit). Die erfolgreiche Konstruktion von (Anwendungs-) Wissen bedarf einer Kopplung an bestehendes Gelerntes. Lernen bekommt somit das Verständnis eines „Anschlusslernens“. Systeme kommunizieren bzw. interagieren, um sich selbst erhalten zu können, d. h., um auf Veränderungen in der Umwelt zu reagieren (Autopoiesis). Die strukturellen Veränderungen entstehen durch Interaktionen und begründen Lernen. Interaktion und Lernen sind in einer systemtheoretischen Betrachtung folglich zwei Seiten einer Medaille.
448
Krieger (1996), S. 42 f.
449
Vgl. Plinke (2000), S. 93.
100
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Obwohl die vorgestellte systemtheoretische Betrachtungsweise von Lernen nicht in einer eigenen Lerntheorie begründet ist, impliziert die Anwendung der Systemtheorie die Verwendung einer kognitivistisch-konstruktivistisch ausgelegten Lerntheorie.450 Bevor nun im nächsten Kapitel Lernorientierung weiter konzeptualisiert werden soll, geht es darum, das grundlegende lerntheoretische Verständnis im Sinne der Offenlegung wichtiger Paradigmen darzustellen. EDELMANN (2000) unterteilt lerntheoretische Ansätze in Erklärungsansätze der Außen- und
Innensteuerung.451 SLOANE/TWARDY/BUSCHFELD (2004) beziehen sich zwar auf EDELMANN (2000), unterteilen jedoch in die Hauptkategorien behavioristische und kognitive Lerntheorien.452 Behavioristische Lerntheorien beschäftigen sich mit dem äußeren, gezeigten Verhalten; was im Inneren des Individuums vor sich geht, wird nicht thematisiert und verbleibt eine „Blackbox“. Betrachtet werden folglich nur Reiz-Reaktions-Muster (SR).453 Kognitivistische Lerntheorien interessieren sich hingegen für die Vorgänge innerhalb der „Blackbox“ und versuchen, die Prozesse der Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Erinnerung zu erklären.454 SLOANE/TWARDY/BUSCHFELD (2004) unterteilen den Strang der kognitivistischen Lerntheorien
nochmals in handlungstheoretische und konstruktivistische Ansätze. Handlungstheoretische Ansätze gehen davon aus, dass Lernende „zielbewusst und reflexiv den Lernvorgang steuern, und zwar über die Handlungen, die sie während des Lernens ausführen.“455 Konstruktivistische Ansätze gehen davon aus, dass Informationen durch den Wahrnehmenden aktiv erzeugt werden müssen und vom Kontext der Situation abhängen.456 Da das Ziel dieser Untersuchung eine Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz und ihrer Bestandteile ist, geht es darum, die „Blackbox“ des Unternehmens erklärbar zu machen. Damit verortet sich diese Arbeit fest in den kognitivistischen Lerntheorien. Weiterhin wird im Einklang mit den bisherigen Aussagen zur systemtheoretischen Sichtweise die aktive und situationsabhängige Erzeugung von Informationen und Wissen angenommen, was dazu führt, dass im Weiteren organisationales Lernen im Sinne einer konstruktivistisch-kognitivistischen Lerntheorie verstanden wird.
450
Vgl. z. B. v. Glasersfeld (1996), S. 103 f. der im Rückgriff auf die Theorie von Piaget (1952) Lernen als aktive Konstruktion durch Assimilation und Akkommodation an bestehende Schemata versteht.
451
Vgl. Edelmann (2000), S. 280. Außensteuerung umfasst SR- und instrumentelles Lernen. Außensteuerung unterteilt sich in kognitives Lernen und problemlösendes Handeln.
452
Die Unterteilung in individuelle und organisationale Phänomene scheint im Bereich der Lerntheorie nicht angebracht, da organisationales Lernen zwei Lernträger (vgl. Kapitel 3.3.3.5) kennt: Individuen und die Organisation als Ganzes. Die Systemtheorie fordert jedoch, dass ihre grundlegenden Prinzipien auf alle Systemtypen anzuwenden seien. Dies bedeutet, dass unterschiedliche Lernparadigmen für individuelle und organisationale Lernträger zu Widersprüchen führen würden. Dementsprechend wird im Folgenden lediglich die breiter angelegte individuelle Lerntheorieforschung aufgegriffen, da nach Luhmann die Allgemeingültigkeit systemimmanenter Operationen für jede Systemart gegeben und transferierbar ist (vgl. Luhmann (1984), S. 33).
453
Vgl. Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 114.
454
Vgl. Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 114.
455
Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 115.
456
Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 114 f.
2.3 Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive
2.3.3
101
Zwischenfazit „Unternehmen und Kundeninteraktionskompetenz aus ressourcenorientierter und systemtheoretischer Perspektive“
Das Kapitel 2.3 war der grundlegenden theoretischen Fundierung und der Offenlegung zentraler Paradigmen gewidmet. Die Aussagen dieses Teilkapitels bestätigen im Voraus getroffene Erkenntnisse und betten sie gleichzeitig in höhere Theoriezusammenhänge ein. Die Verbindung von ressourcenorientierten Ansätzen und dem systemtheoretischen Gedankengut erscheint keineswegs ungewöhnlich, wie z. B. die Untersuchung von HOMBURG (2000) zeigt. Diese Verbindung wird sogar durch bedeutende Vertreter der jeweiligen Ansätze angedeutet bzw. bestätigt.457 Aus beiden Theoriegerüsten geht hervor, dass die Phänomene Interaktion und Lernen bzw. Interaktions- und Lernorientierung eng miteinander verknüpft sind. Mithilfe der ressourcenbasierten Ansätze konnte gezeigt werden, dass die Zusammenhänge, die der skizzierten Kundeninteraktionskompetenz zugrunde liegen, eine gemeinsame theoretische Basis haben. Diese Eigenschaft wird in der weiteren Untersuchung insbesondere für die Einbettung zu analysierender Zusammenhänge in nomologische Netze genutzt werden. Die systemtheoretische Perspektive hat ihren Schwerpunkt in der Beschreibung und Systematisierung und kann damit die ressourcenbasierten Ansätze ergänzen.458 Einen besonderen Verständnisbeitrag kann die Systemtheorie durch die Erklärung der Egozentrik von Systemen gegenüber ihrer Umwelt liefern. Weiterhin beinhaltet das systemtheoretische Gedankengut bereits die Begründung, warum organisationale Interaktion, Lernen und Kommunikation verschiedene Ge- bzw. Misslingensgrade haben.
457
Vgl. Luhmann (1984), S. 252 und Pfeffer/Salancik (1978), S. xi.
458
Durch den Universalitätsanspruch bei gleichzeitigem Verzicht auf den Exklusivitätsanspruch der Luhmann’schen Systemtheorie erscheint dieses Vorgehen zulässig.
102
2.4
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Standpunkt II: Bezugsrahmen – Forschungsfrage Ia und Kernhypothesen
Kapitel 2 hat zunächst die grundlegende Bedeutung des Themas Interaktion in Industriegütermärkten herausgestellt. Zusätzlich motivieren aktuelle Entwicklungen, wie z. B. der fortwährende Trend der Komplexitätssteigerung und ein Umdenken hin zum „Customer-Active Paradigm“ die Untersuchung der organisationalen Kundeninteraktionskompetenz (vgl. Kapitel 2.1). Kundeninteraktionskompetenz wurde als eine holistisch-organisationale Kompetenz vorgestellt, deren Ziel es ist, die Generierung und den Bestand an Anwendungswissen im Anbieterunternehmen zu optimieren. Das Konstrukt beschreibt dabei eine zentrale Teilkompetenz (den Aspekt des Kundenverhältnisses) einer gesamten organisationalen Interaktionskompetenz (vgl. Kapitel 2.2). Die Verfügbarkeit bzw. die Herstellung der Verfügbarkeit von Anwendungswissen ist für Unternehmen ein erfolgsrelevanter Wettbewerbsvorteil im Sinne ressourcenorientierter Ansätze (vgl. Kapitel 2.3.1). Im Gegensatz zu anderen werthaltigen Ressourcen (z. B. die Verfügbarkeit des Faktors qualifizierte Arbeit) existieren keine Märkte für Anwendungswissen, sondern Anwendungswissen muss aktiv und zielgerichtet von Extern, d. h. in der Regel von Kunden erworben werden. In konstruktivistisch-systemtheoretischer Sichtweise geht es deshalb um den Austausch des Systems „Anbieterunternehmen“ mit seiner Umwelt (vgl. Kapitel 2.3.2). Die Erfolgsrelevanz und Notwendigkeit der Zielgerichtetheit führt dazu, dass Kundeninteraktionskompetenz als strategisch bedeutende Aufgabe mit zwei unterschiedlichen Aufgabenund Problemfeldern gesehen werden muss. Kundeninteraktionskompetenz bezeichnet die Ausprägung und das Zusammenspiel der wertschaffenden strategischen Orientierung „Interaktionsorientierung“ und der wertaneignenden strategischen Orientierung „Lernorientierung“ (vgl. Kapitel 2.2.1 und 2.2.2). Insgesamt ist Kapitel 2 damit in der Lage, die erste Teilforschungsfrage (Ia) dieser Untersuchung zusammenfassend zu beantworten:
Forschungsfrage Ia: Wie kann eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz als Ausdruck der strategischen Orientierungen Interaktions- und Lernorientierung theoretisch verankert werden? Antwort:
Kundeninteraktionskompetenz (KIK) umfasst das Management relevanter strategischer Orientierungen eines Anbieterunternehmens, die darauf abzielen, die knappe Ressource „Anwendungswissen“ (AW) in Interaktion mit Kunden zu optimieren. Kundeninteraktionskompetenz ist eine holistisch-organisationale Kompetenz, die den Aspekt des Kundenverhältnisses innerhalb einer gesamten organisationalen Interaktionskompetenz betrachtet.
2.4 Standpunkt II: Bezugsrahmen – Forschungsfrage Ia und Kernhypothesen
103
Relevante strategische Orientierungen für eine Kundeninteraktionskompetenz sind einerseits eine Interaktionsorientierung (AW-schaffende Orientierung) und andererseits eine Lernorientierung (AW-aneignende Orientierung). Beide strategischen Orientierungen drücken sich in Werten, Normen, Praktiken und Prozessen aus und sind darauf ausgerichtet, den Austausch mit Trägern relevanten AWs zu optimieren bzw. AW zu verankern, nutzbar zu machen und gegebenenfalls zu erneuern. Kundeninteraktionskompetenz als Zusammenspiel einer Interaktionsund Lernorientierung kann theoretisch verankert werden in den Theorien organisationaler Kompetenzen, den Ansätzen des strategischen Managements, den Ansätzen der Interaktionsforschung sowie in den Ansätzen zum organisationalen Lernen. Zur Einbettung einer Kundeninteraktionskompetenz in einen höheren Theoriezusammenhang bzw. in ein nomologisches Netz bieten sich ressourcenorientierte Ansätze und eine konstruktivistisch/systemtheoretische Perspektive an. Die theoretische Verankerung als organisationale Kompetenz und die Einordnung in das strategische Management wurden bereits in diesem Kapitel geliefert. Darüber hinaus erfolgte die Einbettung in einen höheren Theorierahmen. Die detaillierte Fundierung in den Ansätzen der Interaktionsforschung und denen des organisationalen Lernens erfolgt in Kapitel 3 zusammen mit der Konzeptualisierung der beiden relevanten strategischen Orientierungen. Neben der Beantwortung der Forschungsfrage Ia sollen in diesem Standpunkt nun auch die Kernhypothesen dieser Untersuchung abgeleitet werden. Dabei verläuft, im Gegensatz zum bisherigen Vorgehen in diesem Kapitel, die Argumentationslinie von den abstrakteren Theoriegerüsten zu den konkreteren empirischen Erkenntnissen. In der systemtheoretischen Betrachtung werden unter dem Aspekt der Selbstreferenz und Autopoiesis die Interaktionen eines Unternehmens in Industriegütermärkten mit seiner Umwelt als Selbstzweck bzw. Selbsterhaltungstrieb bezeichnet. Eine Hypothese im Sinne eines direkten kausalen Erfolgszusammenhangs lässt sich hieraus jedoch kaum ableiten. Anders verhält es sich mit den Aussagen der ressourcenorientierten Ansätze: Die innere Kausalkette in Abbildung 18 (vgl. Seite 77) skizziert einen klaren Wirkzusammenhang der Ausprägung und Konfiguration der werthaltigen Ressourcen (strategischen Orientierungen) auf den Unternehmenserfolg. Auf dieser Beobachtung basiert die generelle Hypothese dieser Untersuchung (H0): Die Ausprägung einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz beeinflusst den Unternehmenserfolg positiv. Die grundsätzlich gegensätzlichen strategischen Fragestellungen von Interaktions- und Lernorientierung lassen jedoch vermuten, dass eine nicht-aggregierte Darstellung einen höheren
104
2 Bezugsrahmen einer Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten
Erkenntnisgewinn liefert. Für eine derartige Darstellung müssen die strategischen Orientierungen einzeln auf ihre vermuteten Erfolgszusammenhänge hin untersucht werden.
Interaktionsorientierung
Entsprechend der Erkenntnisse der vorangegangenen Abschnitte stellen Interaktions- und Lernorientierung strategische Orientierungen dar und implizieren entsprechend der ressourcenorientierten Ansätze auch einzeln einen positiven Erfolgszusammenhang. Im Vorgriff auf die Literaturanalyse im folgenden Kapitel zeigt Tabelle 8 ausgewählte empirische Befunde, die diese Hypothese stützen.459 Studie
Wirkzusammenhang460
Homburg (2000)
Kundennähe Æ Profitabilität Kundennähe des Interaktionsverhaltens Æ Profitabilität Interaction with Customers Æ Knowledge Sharing Æ Innovation Capacity IO Æ Customer-Based Profit Performance IO Æ Customer-Based Relational Performance LO Æ Overall Performance (OPERF) LO Æ Product Innovation LO Æ Organizational Performance LO Æ Firm Performance OL Æ Performance
Foss/Laursen/Pedersen (2006) Ramani/Kumar (2008)
Lernorientierung
Baker/Sinkula (1999b) Baker/Sinkula (1999a)
Tabelle 8
Calantone/Cavusgil/Zhao (2002) Perez Lopez/Montes Peon/Vazquez Ordas (2005) Jiménez-Jiménez/Cegarra-Navarro (2007) Panayides (2007)
OL Æ Performance OL Æ Logistic Service Effectiveness Æ Performance OL Æ Relationship Orientation Æ Logistics Service Effectiveness Æ Performance
Quellenauswahl zur Erfolgswirkung von IO/LO
Zahlreiche Studien belegen einen positiven Zusammenhang zwischen Lernorientierung/organisationalem Lernen und Unternehmenserfolg (vgl. Tabelle 8). Im Fall einer Interaktionsorientierung gestaltet sich die empirische Fundierung eines positiven Zusammenhangs schwieriger. Dies liegt hauptsächlich daran, dass das Konstrukt Interaktionsorientierung kaum in der Literatur verwendet wird. Neben RAMANI/KUMAR (2008), die explizit das Konstrukt IO untersuchen, geben auch die Untersuchungen von HOMBURG (2000)461 und FOSS/LAURSEN/PEDERSEN (2006) Anlass zur Hypothese eines positiven Zusammenhangs zwischen Interaktionsverhalten/ Interaktionsorientierung und dem Unternehmenserfolg. Die vorgestellten theoretischen und empirischen Belege begründen die Hypothesen HI und HII: Die Ausprägung der strategischen Orientierungen Interaktions- und Lernorientierung beeinflussen den Unternehmenserfolg positiv.462
459
Vgl. Kapitel 3.2 und 3.3.
460
OL = organisationales Lernen.
461
Die Untersuchung zeigt zwar eine relativ niedrigere Bedeutung von „Kundennähe des Interaktionsverhaltens“ gegenüber „Kundennähe des Leistungsangebots“ in der Auswirkung auf Profitabilität, dennoch wird ein positiver Regressionskoeffizient auf dem 10 %-Niveau festgestellt (vgl. Homburg (2000), S. 180).
462
Eine weitere Detaillierung und Operationalisierung des Konstrukts Unternehmenserfolg wird in Kapitel 5.1 vorgenommen.
2.4 Standpunkt II: Bezugsrahmen – Forschungsfrage Ia und Kernhypothesen
105
Die dritte Kernhypothese untersucht den Zusammenhang zwischen den beiden strategischen Orientierungen. Entsprechend dem Zusammenspiel der Wertschaffung und -aneignung beider Orientierungen ist ein positiver Zusammenhang zu erwarten. Die Wirkungsrichtung des Zusammenhangs ist jedoch sowohl in die eine als auch andere Richtung sachlogisch begründbar. Im Einklang mit den Überlegungen zur Informationsverarbeitung und Wertschöpfung (vgl. Kapitel 2.2.1.3.4) erscheint ein nachhaltiger Erfolgszusammenhang einer Interaktionsorientierung nur dann sinnvoll möglich, wenn die entsprechenden Elemente einer Lernorientierung etabliert sind. Die Richtung des positiven Kausalzusammenhangs in HIII wird deshalb aufgrund sachlogischer Überlegungen als LO Æ IO angenommen. Zusammengefasst lauten die Kernhypothesen dieser Untersuchung damit (vgl. auch Abbildung 22): H0:
Die Ausprägung einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz beeinflusst den Unternehmenserfolg positiv.
HI:
Die Ausprägung der strategischen Orientierung „Interaktionsorientierung“ beeinflusst den Unternehmenserfolg positiv.
HII:
Die Ausprägung der strategischen Orientierung „Lernorientierung“ beeinflusst den Unternehmenserfolg positiv.
HIII:
Interaktionsorientierung wird positiv von Lernorientierung beeinflusst.
Kundeninteraktionskompetenz entsteht durch die Ausprägungen und das strategische Management der Interaktions- und Lernorientierung in Anbieterunternehmen. In den nächsten Kapiteln wird der Fokus deshalb ausschließlich auf die beiden strategischen Orientierungen gelegt. Die gesamte Kundeninteraktionskompetenz rückt erst in den Kapiteln 5 bzw. 6 wieder in das Blickfeld.
Interaktionsorientierung
HIII(+)
Lernorientierung
HI(+)
H0(+)
Unternehmenserfolg
HII(+)
organisationale Kundeninteraktionskompetenz
Abbildung 22 Strukturmodell/Kernhypothesen „Kundeninteraktionskompetenz“
3
Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
In diesem Kapitel erfolgt die Konzeptualisierung der Interaktions- und Lernorientierung. Die Konzeptualisierung erfolgt sowohl theoriegestützt als auch auf Basis qualitativer empirischer Ergebnisse. In einem ersten Schritt wird die Methodik der gesamten Untersuchung entworfen (vgl. Kapitel 3.1). Das entwickelte Vorgehensmodell gliedert einerseits das aktuelle Kapitel und ordnet andererseits das Kapitel in das weitere Vorgehen ein. Zusätzlich erfolgt ein kurzer Exkurs, der den Stellenwert und die Funktion von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen in Unternehmen einordnet und damit die internen Strukturen der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung begründet. Der zweite und dritte Schritt beinhalten die eigentliche Konzeptualisierung der Interaktions- bzw. Lernorientierung (vgl. Kapitel 3.2 und 3.3). Für jede der beiden strategischen Orientierungen werden einzeln spezielle semantische Aspekte aufgeklärt sowie die grundlegenden theoretischen Modelle und der Stand der Forschung dargestellt. Daraus wird eine erste Operationalisierung der beiden Konstrukte bzw. deren Dimensionen abgeleitet, die im Folgenden anhand explorativer Interviews überprüft und angepasst werden. Abschließend werden die Erkenntnisse im dritten Standpunkt dargestellt. Hierzu wird u. a. die ermittelte Struktur der beiden Konstrukte für die weitere Validierung zusammengefasst (vgl. Kapitel 3.4).
3.1
Vorgehensweise der Untersuchung
Den Startpunkt dieses Kapitels stellt das Zwischenfazit in Kapitel 2.2.1.3.4 dar. Dort wird organisationale Kundeninteraktionskompetenz wie folgt definiert: Eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz (KIK) umfasst das Management relevanter strategischer Orientierungen eines Anbieterunternehmens, die darauf abzielen, die knappe Ressource „Anwendungswissen“ (AW) in Interaktion mit Kunden zu optimieren. Relevante strategische Orientierungen einer Kundeninteraktionskompetenz sind zum einen eine „Interaktionsorientierung“ (AW-schaffende Orientierung) und zum anderen eine „Lernorientierung“ (AW-aneignende Orientierung). In den letzten beiden Kapiteln des vorangegangenen Abschnitts wurden der Forschungsgegenstand der Kundeninteraktionskompetenz theoretisch verankert und seine Gestaltungselemente identifiziert und grob beschrieben. Es ist nun die Aufgabe dieses Kapitels, Interaktions- und Lernorientierung als wesentliche Stellgrößen der Kundeninteraktionskompetenz zu konzeptualisieren (vgl. Abbildung 23).
F. Danzinger, Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten doi: 10.1007/978-3-8349-8482-1_3, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
108
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Die Konzeptualisierung der beiden exogenen Konstrukte verläuft sequenziell, d. h. zuerst für das IO-Konstrukt und dann für das LO-Konstrukt, in vier Teilschritten: (1) Literatur: Auf Basis einer Literaturrecherche und deren Auswertung werden die wichtigsten Begrifflichkeiten innerhalb der beiden strategischen Orientierungen klar abgegrenzt (vgl. Kapitel 3.2.1 und 3.3.1). Zur Klärung der grundlegenden Gestaltungsmerkmale und Prinzipien werden zentrale Theorien der organisationalen Interaktion und des organisationalen Lernens beschrieben (vgl. Kapitel 3.2.2 und 3.3.3).463 Im Anschluss wird der Stand der Forschung der jeweiligen strategischen Orientierung dargestellt (vgl. Kapitel 3.2.3 und 3.3.2). Abschließend erfolgt eine erste theoriegeleitete Konzeptualisierung, die in den weiteren Schritten überprüft und angepasst wird (vgl. Kapitel 3.2.4 und 3.3.4). (2) Explorative Experteninterviews: Zur Überprüfung der theoriegeleiteten Konzeptualisierung werden explorative Experteninterviews durchgeführt. Zur Ergänzung der eigenen Experteninterviews werden zusätzlich die Dokumentationen aus Fokusgruppen eines vorangegangenen Industrieprojekts sowie die Ergebnisse der explorativen Befragungen der Parallelstudie dieser Untersuchung genutzt.464 In Anlehnung an das Vorgehen bei TULI/KOHLI/BHARADWAJ (2007) wurden halbstrukturierte Tiefeninterviews eingesetzt, um sowohl die entwickelten Konzeptionen überprüfen zu können als auch die Offenheit für neue Aspekte innerhalb der Konzeptualisierungen zu wahren.465 Für die Interviews wurden Experten aus den Bereichen Marketing und Vertrieb verschiedener Industriegüterunternehmen ausgewählt (Branchen: Maschinenbau, Anlagenbau, Elektronik/Elektrotechnik). Kontaktiert wurden die Mitglieder des Steuerkreises Marktkommunikation des VDMA sowie vereinzelte Industriekontakte des Lehrstuhls für Information, Organisation und Management über Anschreiben und Telefon. Es erklärten sich insgesamt sieben Experten zu einem 45- bis 90-minütigen Interview im Frühjahr 2008 bereit. Für jedes Interview wurden zusammenfassende Transkriptionen erstellt.466 Die Auswertung mithilfe einer inhaltlichen Strukturierung wurde mit der Software MAXQDA unterstützt und basiert sowohl auf Kategorien, die auf Basis der Literaturanalyse zu vermuten sind, als auch auf neuen Kategorien, die sich in der Auswertung erst ergeben haben.467 (3) Konstruktkonzeptualisierung: Auf Grundlage der Teilschritte eins und zwei werden die finalen Konzeptualisierungen der Konstrukte IO und LO abgeleitet (vgl. Kapitel 3.2.5 und 3.3.5).
463
Aufgrund der Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit der Verwendung der beiden strategischen Orientierungen in der Literatur unterscheidet sich das Vorgehen für IO und LO geringfügig. IO wird zunächst auf Basis der grundlegenden theoretischen Überlegungen eingeführt, denen eine Literaturübersicht folgt. LO wird hingegen mit einer strukturierenden Literaturübersicht eingeführt, an die sich die theoretischen Modelle anschließen.
464
Vgl. Danzinger et al. (2008) und Bonnemeier/Burianek/Reichwald (2008).
465
Vgl. Tuli/Kohli/Bharadwaj (2007), S. 2.
466
Vgl. Mayring (2007), S. 59 ff. Die Schritte Zusammenfassung und Explikation wurden im Rahmen der zusammenfassenden Transkription vereint.
467
Vgl. Mayring (2007), S. 82 ff.
3.1 Vorgehensweise der Untersuchung
109
Kap. 2 Kap. 1
(4) Pre-Test: Die finalen Konzeptionen wurden vor der eigentlichen quantitativen Befragung mit Experten aus dem gleichen Adressatenkreis validiert. Die Ergebnisse des Pre-Tests führten zu geringen Änderungen und werden im Folgenden nicht explizit dokumentiert. Präsentiert werden bereits mit Abschluss des dritten Teilschritts die finalen Konzeptualisierungen, die Grundlage der quantitativen Haupterhebung sind.
Einleitung
Bezugsrahmen einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz
Basis: Literatur
• Rekrutierung mittels Anschreiben, Telefon
Kapitel 3
• Tiefeninterviews • Transkription und Auswertung
Konstruktkonzeptualisierung • Interaktionsorientierung (IO) • Lernorientierung (LO)
Konzeptualisierung
Explorative Experteninterviews
Kap. 6
Kapitel 5
• Lernorientierung (LO)
• Hypothesente st • Modellüberprüfung • Deskriptive Analyse
Empirische
• Interaktionsorientierung (IO)
Validierung
Konstruktvalidierung
Empirische
Kapitel 4
Quantitative Erhebung
Überprüfung
Pre-Test
Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Abbildung 23 Vorgehensweise der Untersuchung
An die Konzeptualisierung schließt sich der nächste Schritt, die Validierung der exogenen Konstrukte auf Basis der Daten der quantitativen Erhebung an (vgl. Kapitel 4). Hierzu werden zunächst Datengrundlage und Methodik beschrieben und die Konstrukte anschließend anhand eines dargestellten Vorgehensmodells validiert.468
468
Vgl. Mayring (2007), S. 109 und Kapitel 4.1.4. Die Validierung der Konstrukte erfolgt in Anlehnung an das Vorgehen bei Homburg (2000), S. 95 ff.
110
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Im vorletzten Schritt wird das Gesamtmodell betrachtet. Hierzu erfolgt die Überprüfung der Hypothesen (z. B. auf Erfolgswirksamkeit von IO und LO), eine deskriptive Analyse wichtiger Aspekte der Erhebung und eine Überprüfung des theoretischen Modells (vgl. Kapitel 5). Abschließend werden auf Basis der Konsolidierung und Diskussion der Ergebnisse Implikationen für Theorie und Praxis entwickelt (vgl. Kapitel 6). Bevor die einzelnen Konzeptualisierungsschritte realisiert werden, erfolgt eine kurze Diskussion des Zusammenspiels von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen. Eine derartige Diskussion ist ebenfalls ein wesentliches Merkmal des Vorgehens dieser Untersuchung, da die bisherige Betrachtung einer Kundeninteraktionskompetenz gezeigt hat, dass sowohl die Konzeptualisierung einer IO als auch die einer LO die entsprechenden Kategorien betrifft. Die grundsätzliche Klärung, ob eine rein verhaltenswissenschaftliche oder eine kulturelle Perspektive zur Konzeptualisierung verwendet werden soll, ist für beide strategischen Orientierungen gleichbedeutend und wird deshalb vorgezogen.469 Die kulturelle Perspektive sieht die organisationale Kultur als Grund dafür, dass effektive und effiziente Prozesse entstehen, die letztlich kontinuierlich zu einem überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg führen.470 Die verhaltensorientierte Perspektive hingegen sieht bestimmte Verhaltensaspekte als ursächlich für den Unternehmenserfolg.471 Diese Untersuchung schließt sich der kulturellen Perspektive an und folgt der Argumentation von NARVER/SLATER (1998), wonach eine strategische Orientierung, soweit sie nur auf einer
bestimmten Reihe von Aktivitäten beruht, einfach kopiert werden könnte und demzufolge keinen Wettbewerbsvorteil darstellen kann.472 Diese Ansicht kommt bereits in Kapitel 2.2.1.3.1 zum Ausdruck, in dem die Messung von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen vorgeschlagen wird.473 Werte und Normen sind dabei als wesentliche Substanz der kulturellen Perspektive zu sehen, Praktiken und Prozesse hingegen als Manifestierungen derselben.474 Die Unterscheidung zwischen verschiedenen kulturellen Elementen ist als Erkenntnisgewinn zu werten: „A distinction among different layers of market-oriented organizational culture is particularly relevant, because it allows for the analysis of interrelations among these layers, which can
469
Vgl. Griffiths/Grover (1998), S. 311 zur Unterscheidung von Ansätzen zur Beschreibung des Konstrukts Marktorientierung.
470
Vgl. Narver/Slater (1990), S. 21 und Deshpande/Webster (1989), S. 4.
471
Vgl. z. B. die MARKOR-Skala von Kohli/Jaworski/Kumar (1993).
472
Vgl. Narver/Slater (1998), S. 235.
473
Die Untersuchung ist damit auch in die dimensionsorientierten Ansätze einzuordnen (unterschiedliche Aspekte der Unternehmenskultur finden Betrachtung; vgl. Krohmer (1999), S. 28).
474
Vgl. Trice/Beyer (1993), S. 77 ff. und Homburg/Pflesser (2000), S. 450. Bei Homburg/Pflesser (2000) werden zusätzlich organisationale Artefakte betrachtet, die wiederum auf die Praktiken wirken. Unterstützend finden sich in der Literatur sowohl Aussagen, die die Bedeutung von Werten und Normen sowohl für organisationales Lernen als auch Interagieren herausstellen (vgl. z. B. Friedlander (1983), S. 206 f., Sinkula/Baker/Noordewier (1997), Ramani/Kumar (2008), S. 28 und Heide/John (1992), S. 32).
3.1 Vorgehensweise der Untersuchung
111
ultimately lead to a better understanding of the forces driving [interaction or learning oriented behavior.]“475
Im Folgenden sind die einzelnen Elemente der kulturellen Perspektive zu untersuchen. KLUCKHOHN (1951) definiert Werte als „[…] a conception, explicit or implicit, distinctive of an individual or characteristic of a group, of the desirable which influences the selection from available modes, means, and ends of action.“476
Normen unterscheiden sich von Werten dahingehend, dass sie spezifischer sind und spezielle Erwartungshaltungen darstellen, die zumindest vom Topmanagement geteilt werden.477 Werte äußern sich demzufolge durch Normen. Diese Werte und Normen werden in der Praxis explizit in Wertaussagen verdichtet (z. B. als Vision oder Mission), deren Ziel es ist, „to guide everyday decisions“.478 Durch die Nähe der beiden Größen Werte und Normen werden beide Aspekte in dieser Untersuchung in einer Dimension gemeinsam betrachtet. Die Manifestierungen der Normen innerhalb des Unternehmens bilden entsprechende Praktiken und Prozesse aus. Werte und Normen leiten damit Praktiken und Prozesse. Ihnen kommt deshalb eine instrumentelle Funktion zu.479 Prozesse werden in dieser Untersuchung als institutionalisierte Praktiken gedeutet.480 In diesem Verständnis erscheint auch eine gemeinsame Betrachtung von Praktiken und Prozessen als instrumentelle Funktionen sinnvoll. Mit der bisherigen Betrachtung von Werten/Normen und Praktiken/Prozessen ist davon auszugehen, dass Erstere auf Letztere wirken.481 Dieses Verständnis, d. h. die kulturelle Perspektive, durchzieht die Konzeptualisierungen der strategischen Orientierungen IO und LO. Zugleich gibt die kulturelle Perspektive den exogenen Konstrukten eine innere Struktur, die in der folgenden Konzeptualisierungsphase zu berücksichtigen ist.
475
Homburg/Pflesser (2000), S. 450. Die Aussage wird ursprünglich für das Konstrukt Marktorientierung getroffen, ist jedoch auf die beiden betrachteten Orientierungen übertragbar.
476
Kluckhohn (1951), S. 395.
477
Vgl. Heide/John (1992), S. 34 und Homburg/Pflesser (2000), S. 450.
478
Urbany (2005), S. 169.
479
Vgl. Homburg/Pflesser (2000), S. 450. Hier ist es bedeutend festzuhalten, dass auch die organisationalen Variablen wiederum die Strategieimplementierung beeinflussen können (vgl. Krohmer (1999), S. 18).
480
Vgl. Schein (2004), S. 26.
481
Vgl. Homburg/Pflesser (2000), S. 450. Eine direkte Beziehung konnte zwischen Normen und Verhalten nicht nachgewiesen werden, jedoch ein mediierender Effekt über organisationale Artefakte (Homburg/Pflesser (2000), S. 457). Vgl. auch die Ergebnisse von Schein (2004), S. 26 und Hofstede et al. (1990), S. 311. Hofstede et al. (1990), S. 311 fassen Praktiken mit einer diffuseren Definition auf, weshalb die „perceptions of daily practices“ als zentral gesehen werden. Dieser Befund wird für die weitere Konzeptualisierung nicht als Widerspruch gewertet.
112
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
3.2
Interaktionsorientierung
Basierend auf den Merkmalen und Forschungsansätzen einer organisationalen Kompetenz wurde Interaktionsorientierung in Kapitel 2.2.1.3.4 bereits definiert: Eine strategische Interaktionsorientierung (IO) zielt darauf ab, den Austausch des Unternehmens mit Trägern relevanten Anwendungswissens (Kunden) durch die Gestaltung von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen zu optimieren. Anschließend konnte IO als eine Fortentwicklung des Entwicklungspfads strategischer Orientierungen (Marktorientierung – Kundenorientierung – Interaktionsorientierung) in die Forschung eingebettet werden. Dieser Teilabschnitt entwickelt die Definition der strategischen Orientierung und deren Konzeptualisierung weiter. Dabei soll die derzeitige definitorische Hülle mit konkreten organisatorischen Elementen (Werte, Normen, Praktiken und Prozesse) angereichert werden. Letztlich ist es das Ziel, dass die entstandenen Konzeptualisierungen handhabbar für konkrete Managementhandlungen werden. Im Rahmen der Konzeptualisierung sind die vier Untersuchungsschritte sequenziell angeordnet (vgl. Abbildung 23). Das Vorgehen wird in sechs Abschnitten dokumentiert. Im ersten Abschnitt erfolgt die notwendige Klärung und Abgrenzung des Begriffs selbst (vgl. Kapitel 3.2.1). Im zweiten Abschnitt erfolgt eine kurze Beschreibung grundlegender Theorien im Bereich der Interaktionsorientierung (vgl. Kapitel 3.2.2). Der dritte Abschnitt gibt eine Übersicht über den aktuellen Stand der Forschung im Themenbereich (vgl. Kapitel 3.2.3). Im vierten Abschnitt erfolgt eine theoriegeleitete Konzeptualisierung des Konstrukts IO (vgl. Kapitel 3.2.4). Abschließend wird die theoretische Konzeptualisierung durch die Erkenntnisse der explorativen Experteninterviews überprüft, angereichert, pre-getestet und abschließend zusammengefasst (vgl. Kapitel 3.2.5 und 3.2.6).
3.2.1
Semantik der Interaktionsorientierung von Unternehmen
Die Kundeninteraktion in Industriegütermärkten wurde bereits in Kapitel 2.1 als ein Interaktionszyklus zwischen Anbieter- und Kundenorganisation vorgestellt. Die Interaktion beruht auf einem intensiven Informationsaustausch im Rahmen einer Problemlösungsaufgabe und begründet eine spezifische Beziehung.482 Zugleich wurde Multipersonalität als Charakteristikum des Industriegütermarketings festgestellt. Dieses Teilkapitel baut auf diesen Befunden auf, muss diese jedoch weiter detaillieren, um die Determinanten und Indikatoren einer IO bestimmen zu können.
482
Vgl. Definition „Interaktion“ in Kapitel 2.1. Wichtig für den Fortgang dieser Arbeit ist die Tatsache, dass Kommunikationsaspekte in die Definition einbezogen sind, Integrationsaspekte im Sinne der Etablierung spezifischer gegenseitiger Investitionen (z. B. der Aufbau spezifischer formaler Prozesse zwischen den Interaktionspartnern) hingegen nicht in den Fokus dieser Arbeit fallen.
3.2 Interaktionsorientierung
3.2.1.1
113
Interaktionspartner: Buying und Selling Center
Die Komplexität der Aufgaben- und Problemstellungen in Industriegütermärkten führt dazu, dass mehrere Personen in Kauf- und Verkaufsprozesse involviert werden müssen. Je nach Position innerhalb des Beschaffungsprozesses spricht man von Buying oder Selling Center.483 Die einzelnen Mitglieder von Buying und Selling Centern bilden „[…] problembezogene Gruppen […], deren Mitglieder interagieren, um zu einer Lösung zu gelangen.“484 Die Center können sowohl institutionell in der Organisation verankert sein (z. B. Key Account Management) oder informell und problembezogen entstehen.485 Beide Gruppen, Buying und Selling Center, können anhand verschiedener Kriterien der Mitglieder (z. B. Rollen, Informationsverhalten, Entscheidungsverhalten oder Einfluss der Mitglieder) oder des gesamten Centers (z. B. Struktur, Funktionen, Mitgliederzahl etc.) charakterisiert werden.486 Problematisch stellt sich insbesondere im Unternehmensalltag die Charakterisierung informeller und problembezogener Center dar.487 Zudem ist davon auszugehen, dass in unterschiedlichen Unternehmen keine identischen Buying-Center-Strukturen zu finden sind, bzw. dass zwei unterschiedliche Buying Center exakt gleiche Verhaltensweisen zeigen. Dennoch sind einige generelle Interaktionsmuster und Muster sozialer Verhaltensweisen in verschiedenen Organisationen feststellbar.488 JOHNSTON/BONOMA (1981) zeigen in einem „Communications Picture“ die Interaktionen eines
Buying-Centers.489 Dabei wird zugleich ein systemtheoretisches Grundprinzip deutlich: Die jeweiligen Systeme der Interaktionspartner stellen für das betrachtete Unternehmenssystem die „Umwelt“ dar. Während das Bild des betrachteten/befragten Unternehmens sehr detailliert ausfällt, verbleibt es bei der Organisation des Interaktionspartners sehr vage. Im Unterschied zu der Untersuchung von JOHNSTON/BONOMA (1981) liegt der Fokus dieser Untersuchung auf dem Anbieterunternehmen bzw. dessen Kompetenz zu interagieren. Für Verkaufsprozesse in Industriegütermärkten ist es hilfreich, über typische Strukturen und Eigenheiten des KundenBuying Centers informiert zu sein, auch wenn eine vollständige Kenntnis der Sachverhalte in der
483
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 39. Die Tatsache, dass mehrere Personen an einer Kaufentscheidung beteiligt sind, wurde erstmals von Cyert/Simon/Trow (1956) berichtet. Der Spiegel Verlag (1982), S. 11 stellt fest, dass durchschnittlich vier Personen an einer Kaufentscheidung beteiligt sind. Bei großen Unternehmen steigt diese Zahl auf durchschnittlich 34 Personen. Die Prozessdauer der Entscheidung wird mit durchschnittlich 17 Wochen angegeben.
484
Backhaus/Voeth (2007), S. 46.
485
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 47.
486
Vgl. die Übersicht bei Johnston/Bonoma (1981), S. 146 und Backhaus/Voeth (2007), S. 47 ff. Ein besonders bekanntes Konzept der Charakterisierung von Buying Centern stellt das Rollenkonzept von Webster/Wind (1972) dar.
487
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 47.
488
Vgl. Johnston/Bonoma (1981), S. 146.
489
Vgl. Johnston/Bonoma (1981), S. 147.
114
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Kundenorganisation nicht möglich erscheint.490 Die Stellhebel zur Verbesserung der Kundeninteraktion liegen jedoch in der Anbieterunternehmung bzw. deren Selling Centern. Folglich wird in Abbildung 24 der Blickwinkel auf die Anbieterorganisation gerichtet und das „Communications Picture“ entsprechend angepasst.
Dritte
Anbieterunternehmen
Kundenunternehmen
Dritte
Aufsichtsrat Top-Mgmt. Bereichsleiter Abteilungsleiter Angestellter
Umwelt des Anbieterunternehmens Individuum Mitglied des Selling Centers Intraorganisationale Kommunikation/Interaktion Interorganisationale Kommunikation/Interaktion
Abbildung 24 Communications Picture aus Sicht des Anbieterunternehmens491
Abbildung 24 verdeutlicht die Multipersonalität und zugleich auch die Multiorganisationalität komplexer Industriegütertransaktionen. Letztere ist insbesondere deshalb nötig, da es sich bei Industriegütermärkten i. d. R. um Märkte abgeleiteter Nachfrage handelt.492 Anbieter und Dritte liegen jedoch in der Umwelt des Unternehmens und können daher nicht vollständig erfasst werden bzw. sind zumindest teilweise oder völlig kontingent. Erkenntnisse über die Strukturen oder Bedürfnisse (beispielsweise Buying-Center-Strukturen) werden basierend auf Erfahrungen, Wissen oder eben den Interaktionen mit Vertretern des jeweiligen Interaktionspartners angenommen. In Abbildung 24 sind bereits drei organisationale Subsysteme angedeutet: Teilsysteme in Form des Selling Centers, Teilsysteme basierend auf Hierarchien (z. B. Abteilungsleiter) und Teilsysteme basierend auf der Abteilungszugehörigkeit. Für diese Untersuchung sind insgesamt vier Merkmale von besonderer Bedeutung: Erstens bearbeiten Industriegüterunternehmen Kundenproblemstellungen i. d. R. durch mehrere
490
Aus diesem Grund sind die Konturen außerhalb der fokalen Anbieterorganisation in Abbildung 24 gestrichelt dargestellt.
491
Eine ähnliche Darstellung findet sich bei Håkansson/Östberg (1975), S. 15.
492
Das heißt, die Bedürfnisse von Anspruchsgruppen des Kundenunternehmens sind maßgeblich (in der Abbildung als „Dritte“ bezeichnet).
3.2 Interaktionsorientierung
115
Personen (Selling Center) gleichzeitig. Zweitens sind innerhalb des Selling Centers diverse intraorganisationale Interaktionen notwendig. Drittens können die Mitglieder des Selling Centers unterschiedlichen organisatorischen Einheiten und Hierarchien zugeordnet sein. Viertens ist die Tatsache von Bedeutung, dass bestimmte Mitglieder des Selling Centers mit Vertretern (des Buying Centers) der Kundenorganisation interagieren (interorganisationale Interaktion). Die genannten Merkmale organisationaler Interaktion in Industriegütermärkten erfordern die Bereitstellung spezifischer Aktivitäten und Werkzeuge in Anbieterunternehmen. Dies sind beispielsweise Kundenbewertungs- oder Prozessmanagementtools, die den einzelnen Mitgliedern eines Selling Centers in bestimmter Weise zugänglich sind, um sie zu unterstützen, ihre Rolle auszufüllen bzw. Teilaufgabe zu erfüllen.
3.2.1.2
Interaktion: Transaktion vs. Beziehung
Die Komplexität der Problemstellung und die Notwendigkeit der multiorganisationalen Problemlösung führen dazu, „ […] dass Leistungen und Gegenleistungen bei Industriegütern häufig in direkten Verhandlungen zwischen den Repräsentanten der beteiligten Organisationen festgelegt werden.“493 Dieser Prozess gegenseitiger Beeinflussung (Interaktion) muss dabei nicht nur von jeweils einer Kontaktperson des jeweiligen Buying bzw. Selling Centers durchgeführt werden, sondern kann zu verschiedenen Zeitpunkten und durch unterschiedliche Repräsentanten einer Unternehmung erfolgen (vgl. Abbildung 24). Der wechselseitige Charakter des Austauschs macht traditionelle Konsumgüteransätze, die auf SR- und SOR-Modellen beruhen, unzweckmäßig.494 Eine simultane/interaktive Betrachtung der Aktionen und Reaktionen in Buying und Selling Center sind daher zur Beschreibung des industriellen Beschaffungsverhaltens nötig.495 Ein derartiger, allgemein anerkannter Interaktionsansatz existiert jedoch in der Literatur nicht. Stattdessen existieren verschiedene Forschungsrichtungen, die jeweils bestimmte Facetten der Interaktion in Beschaffungsvorgängen beleuchten.496 KERN (1990) stellt anhand der Kriterien „Art der Beteiligten“, „Anzahl der Beteiligten“ und „Extension der Ansätze“ die Typologie in Abbildung 25 vor.497 Die Untersuchungseinheit dieser Arbeit ist die Anbieterorganisation, weshalb die personalen Ansätze, zu denen beispielsweise Ähnlichkeitsstudien zwischen Käufer und Verkäufer sowie die Beobachtung von Buying Centern zählen,498 hier nicht weiter vertieft werden. Organisationale Strukturansätze untersuchen die „[…] Auswirkungen der Organisationsstrukturen von Anbieter
493
Backhaus/Voeth (2007), S. 104.
494
Vgl. Johnston/Bonoma, S. 247 ff. und Backhaus/Voeth (2007), S. 103.
495
Vgl. Kern (1990), S. 3, Webster, Jr. (1992), S. 14 und Backhaus/Voeth (2007), S. 105.
496
Vgl. Kern (1990), S. 5 und Kapitel 3.2.3.
497
Vgl. Kern (1990), S. 16 ff.
498
Vgl. z. B. Evans (1963) und Zaltman/Bonoma (1977).
116
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
und Nachfrager [bzw. Dritter]499 auf den Transaktionsprozeß.“500 Organisationale Prozessansätze untersuchen hingegen die Entwicklung von Geschäftsbeziehungen oder einzelnen Transaktionsverläufen zwischen Nachfragern, Anbietern und gegebenenfalls weiteren Interaktionspartnern. Den als Netzwerkansätze bezeichneten Studien unterliegt systemtheoretisches Denken. Organisationen werden als soziale Systeme aufgefasst, die durch ihre Elemente (Mitarbeiter) Beziehungen (über die einzelne Transaktion hinaus) zu anderen Systemen herstellen. Das Beziehungsgeflecht wird als Netzwerk bezeichnet. Ziel ist es, eine möglichst vollständige Abbildung der Kommunikationsvorgänge und Gütertransaktionen zu erreichen.501
Netzwerkansätze Prozessansätze
zwei
Dyadisch-organisationale Interaktionsansätze
> zwei
Strukturansätze Dyadisch-personale Interaktionsansätze Multi-personale Interaktionsansätze
Multi-organisationale Interaktionsansätze
Personen
Organisationen
episodenübergreifend episodenbezogen Einordnung der Untersuchung
Abbildung 25 Typologisierung der Interaktionsansätze
Die vorgestellte strategische Interaktionsorientierung zielt darauf ab, die Interaktion des Anbieterunternehmens mit Kundenunternehmen (als externe Träger von Anwendungswissen) durch Mechanismen innerhalb der Anbieterorganisation zu optimieren. Demzufolge ist diese Untersuchung einzuordnen in die Gruppe der organisationalen Interaktionsansätze. Eine Einordnung aufgrund der „Anzahl der Beteiligten“ ist deutlich schwieriger. Grundsätzlich wird die Interaktion Anbieter – Kunde betrachtet, jedoch geht es um Mechanismen, die eine Vielzahl an Interaktionen mit unterschiedlichen Kunden-Anspruchsgruppen unterstützen. Eine klare Einordnung kann hier also nicht getroffen werden. Anders verhält sich dies beim Kriterium „Extension der Ansätze“. Interaktionsorientierung wurde als eine strategische Option dargestellt, deren Ziel die Generierung langfristiger Wettbewerbsvorteile ist.502 Langfristigkeit impliziert, dass es in dieser Studie nicht nur um die Untersuchung einzelner Transaktionen (Episoden) geht. Vielmehr muss die Beziehung, die übergreifend über alle Episoden gebildet wird, einbezogen werden. Dementsprechend wurde bereits in Kapitel 2.2.2.2.1 Beziehungsmanagement (Relationship Management) als das erfolgsrelevante Bindeglied zwischen Kundeninteraktionen 499
Anmerkung des Autors, da das Zitat dem Bereich dyadischer Interaktionsansätze entstammt.
500
Kern (1990), S. 31.
501
Vgl. Kern (1990), S. 45 f.
502
Vgl. in Kapitel 2.2.2 die Definition „Strategische Orientierung“.
3.2 Interaktionsorientierung
117
und einer organisationalen Interaktionsorientierung identifiziert. Zusammenfassend deutet die Schraffierung in Abbildung 25 die Einordnung dieser Studie an. Da nicht die genaue Abbildung der gesamten Interaktionen zwischen Unternehmen das Ziel ist, dienen die Erkenntnisse der Interaktionsforschung zwar als Grundlage, es geht jedoch insgesamt darum, erfolgsrelevante Stellgrößen der Interaktion in einer Anbieterorganisation aufzuspüren. Besonders hilfreich erscheint hierbei eine klare Abgrenzung zwischen den Begriffen Transaktion und Beziehung sowie zwischen den Begriffen Interaktion und Umwelt. Zur Verdeutlichung beider Sachverhalte werden im Folgenden kurz die Ansätze von KUTSCHKER UND KIRSCH (1) und der IMP-GROUP (2) vorgestellt.503 (1) KUTSCHKER UND KIRSCH verstehen Transaktionen als komplexe, interaktive Problemlösungsprozesse der beteiligten Organisationen.504 Das Modell beruht auf der Hypothese, dass Hersteller und Kunde zur Minderung des eigenen Risikos und der Komplexität kontinuierliche Geschäftsbeziehungen aufbauen.505 KUTSCHKER UND KIRSCH ergänzen das Transaktionskonzept um das Potenzialkonzept.506 Als Potenzial ist der strukturelle Rahmen einer Transaktion zu verstehen. Dieser strukturelle Rahmen manifestiert sich in strukturellen Merkmalen der Organisationen (im Verständnis dieser Arbeit, den Werten, Normen, Praktiken und Prozessen).507 Mit dem Potenzialkonzept gelingt der Brückenschlag zwischen strategischen (Marketing-)Entscheidungen und einzelnen Transaktionsprozessen.508 Abbildung 26 zeigt das Episoden-/Potenzialkonzept von KUTSCHKER UND KIRSCH:509 (1) Hersteller- und Verwenderorganisationen bauen Potenziale auf (z. B. Image, Vertrauen). (2) Diese Potenziale werden von Hersteller und Kunde in die Transaktionsepisode „eingebracht“ und sind in den relevanten Interaktionsprozessen wirksam. (3) Mit Abschluss der aktuellen Transaktionsepisode verändern/mehren neue Erfahrungen, neues Wissen etc. die Potenzialbasis für folgende Transaktionen. Entsprechend der Beobachtungen (1) mit (3) wird die Unterscheidung zwischen Transaktion(sepisode) und Beziehung deutlich: Als Transaktion ist alles zu bezeichnen, was mit der Anbahnung, Vereinbarung und Realisierung eines aktuellen Geschäftes bzw. der Bearbeitung einer aktuellen Problemstellung verbunden ist.510 Frühere Transaktionen und nicht direkt zu einzelnen Transaktionen zurechenbare Aktivitäten prägen hingegen die Beziehung. Darüber hinaus ermöglicht das Potenzialkonzept auch die Einordnung der Zielgröße des Anwendungswissens. Anwendungswissen aus vorangegangenen Kunden503
Beide Ansätze sind der Klasse der „Netzwerkansätze“ zuzurechnen.
504
Vgl. Kutschker/Kirsch (1978), S. 4, 316.
505
Vgl. Kirsch/Kutschker/Lutschewitz (1980), S. 5.
506
Vgl. Kirsch/Kutschker/Lutschewitz (1980), S. 8 ff. Im Originaltext lautet die Bezeichnung „Potential“.
507
Vgl. Kern (1990), S. 47.
508
Vgl. Kirsch/Kutschker/Lutschewitz (1980), S. 10 ff. Einzelne Transaktionen werden auch als Episode bezeichnet.
509
Vgl. Kutschker/Kirsch (1978), S. 8.
510
Vgl. Kirsch/Kutschker (1978), S. 34 f.
118
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
interaktionen fließt in Kundeninteraktionen/Transaktionen ein und wird durch sie generiert (2 und 3). Anwendungswissen ist in dem Konzept von KUTSCHKER UND KIRSCH als Potenzial zu deuten.
Exogene Entwicklungen
Potentiale des Herstellers 1 HerstellerOrganisation
4
4
3
3
Potentiale des Verwenders
2
2 Transaktionsperiode (Verhandlungen)
1 VerwenderOrganisation
Drittparteien Konkurrenten
Abbildung 26 Episoden-/Potenzialkonzept von Kirsch/Kutschker/Lutschewitz (1980)
Das Konzept sieht zudem vor, dass Potenziale auch über exogene, unkontrollierbare Entwicklungen (4), z. B. das Aufkommen von Substitutionstechnologien, beeinflusst werden. KUTSCHKER UND KIRSCH sehen Konkurrenten und Drittparteien als zusätzliche Einflussgrößen der Transaktionsperiode. (2) Die IMP-GROUP (International Marketing and Purchasing Group) integriert die Ideen von KUTSCHKER UND KIRSCH.511 Das IMP-Modell unterscheidet den Interaktionsprozess in kürzerfristige Episoden und längerfristige Beziehungen und ordnet den beiden Gruppen typische Interaktionsprozesse zu.512 Langfristige Interaktionsprozesse im Verständnis des IMP-Modells auf Basis organisationaler Anpassungen und Institutionalisierungen werden in dieser Untersuchung nicht betrachtet.513 Auf Basis der Interaktionen entwickeln sich Beziehungsgeflechte, die das IMP-Modell als „Atmosphäre“ bezeichnet.514 Die Atmosphäre umfasst Merkmale wie Macht/Abhängigkeit oder Erwartungen und kann i. d. R. nicht direkt gemessen werden, sondern dient der
511
Vgl. Kern (1990), S. 52.
512
Vgl. Håkansson (1982), S. 23 f.
513
Diese Einschränkung beruht auf dem Ausschluss formaler beziehungsspezifischer Investitionen (Integration) aus dem Fokus dieser Untersuchung (vgl. Kapitel 2.1), da hier weitere Effekte, wie z. B. Moral Hazard, eine wesentlich stärkere Bedeutung bekommen.
514
Vgl. Håkansson (1982), S. 21 f.
3.2 Interaktionsorientierung
119
Verbindung aller anderen Elemente.515 Die exogenen Einflüsse (des Modells von KUTSCHKER 516 UND KIRSCH) finden sich im IMP-Modell in der umgebenden Umwelt wieder.
3.2.1.3
Zwischenfazit „Semantik der Interaktionsorientierung von Unternehmen“
Für eine Zusammenfassung bietet sich eine Integration der Systematisierung von KERN (1990) und der Systematisierung in Abbildung 24 an (vgl. Abbildung 27).517 Die einzelnen interorganisationalen Interaktionen werden als Transaktionsprozesse aufgefasst, die als Kommunikationsprozesse sowohl Inhalte als auch Verhalten transportieren und zudem einem zeitlichen Verlauf unterliegen. Die Geschäftsbeziehung prägt sich im Sinne des Modells von KUTSCHKER UND KIRSCH als Potenzial aus, beinhaltet u. a. die Ergebnisse früherer Transaktionen und wirkt damit immer auch auf die aktuelle Transaktion.518 In den einzelnen Unternehmen existieren Selling und Buying Center, die die interorganisationalen Interaktionen auslösen bzw. verarbeiten. Ein Aspekt, der in dem Modell von KERN (1990) explizit genannt wird, jedoch nicht in Abbildung 27 zu finden ist, ist die Erkenntnis, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen Buying und Selling Center ebenfalls auf die Transaktion einwirkt. Im Sinne einer Transaktionsvoraussetzung bestimmt die Kaufsituation (z. B. Aufgabenkomplexität) ebenfalls grundlegend den einzelnen Transaktionsprozess und damit auch die Geschäftsbeziehung.519 Was bedeutet dies nun für eine strategische Interaktionsorientierung eines Anbieterunternehmens? Im Rückgriff auf die systemtheoretische Sichtweise wird klar, dass in den jeweiligen Transaktionen und Beziehungen die handelnden/interagierenden Subjekte nicht die Kausalzusammenhänge des Gesamtprozesses überschauen können. Das Anbieterunternehmen kann damit primär nur eigene Interaktionen genau einschätzen und verändern. Zur Disposition stehen die gelebten bzw. gesetzten Werte, Normen, Praktiken und Prozesse. Dass hier ein großer Stellhebel für die interorganisationale Interaktion (organisationale Kundeninteraktionskompetenz) liegt, lassen auch die Befunde von KERN (1990) vermuten: „Das Interaktionsverhalten der Hersteller wird vor allem von den Attributen bzw. Potentialen der eigenen Organisation geprägt und ist somit relativ situationsunabhängig. Hingegen ist das Verhandlungsverhalten der Verwender stark situationsabhängig.“520
515
Vgl. Kern (1990), S. 52.
516
Vgl. Håkansson (1982), S. 23 f.
517
Vgl. Kern (1990), S. 56.
518
Im Modell von Kern (1990), S. 56 erscheint nur die Wirkrichtung einer Geschäftsbeziehung auf den Transaktionsprozess. Mit Blick auf das Episoden-/Potenzialkonzept geht Abbildung 27 hier von Bidirektionalität aus.
519
Die Kauf- und Marktsituation wurde bereits in Kapitel 2.1 detailliert beschrieben.
520
Kern (1990), S. 50. In diesem Zitat wird auf die Ergebnisse von Kutschker/Kirsch (1978), S. 293 Bezug genommen. Die Untersuchung ist jedoch nicht kritikfrei (vgl. z. B. Koch (1987), S. 254 ff.).
120
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Abbildung 27 Erweitertes Communications Picture aus Sicht des Anbieterunternehmens
Zusätzlich wird in Abbildung 27 ersichtlich, dass eine strategische Interaktionsorientierung sowohl die aktuelle Transaktion als auch die gesamte Geschäftsbeziehung einbeziehen muss. In Anlehnung an das Potenzial-/Episodenmodell ist Anwendungswissen sowohl für die Transaktion als auch für die Geschäftsbeziehung von großer Relevanz. Die gegenseitige Wertschätzung spielt eine maßgebliche Rolle für die Entscheidung über Ressourcenzuordnungen zu einzelnen Interaktionen. Die Wertschätzung für den jeweiligen Interaktionspartner drückt sich in Auftrags-/Beziehungs-/Kundenwerten aus.521 Diese Differenzierung in der Interaktion und Bewertung von Kunden findet sich auch in der Definition von Interaktionsorientierung von RAMANI/KUMAR (2008): „We believe that an interaction orientation reflects a firm’s ability to interact with its individual customers and to take advantage of information obtained from them through successive interactions to achieve profitable customer relationships.“522 RAMANI/KUMAR (2008) beziehen den Erfolgszusammenhang in ihre Definition mit ein. In dieser
Untersuchung wird dieses Verständnis zwar geteilt, allerdings sollte der effiziente Austausch von Anwendungswissen auch Auswirkungen auf andere Erfolgsfaktoren haben, sodass die Optimierung von Anwendungswissen weiterhin als zentrale und zu optimierende Größe beibehalten wird. Neben dem Kundenwert als Indikator für eine Erfolgswirksamkeit einer Interaktionsorientierung könnte z. B. auch der Grad der Innovativität eingesetzt werden.523 Die letzten beiden Abschnitte haben die Rolle des Anbieters und den gesamten Interaktionsprozess beleuchtet, auf die sich die strategische Interaktionsorientierung beziehen soll. Der
521
Vgl. Kern (1990), S. 59. Eine Möglichkeit des Ausdrucks der Wertschätzung ist z. B. eine hohe Loyalität des Kundenunternehmens.
522
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 27.
523
Vgl. z. B. Gemünden (1985), S. 03.25 oder Spiegel Verlag (1982), S. 17 zur Wirkung innovativer Produkte auf Interaktionsprozesse bzw. zur Dauer des Entscheidungsprozesses.
3.2 Interaktionsorientierung
121
nächste Abschnitt stellt übersichtsartig zwei grundlegende theoretische Konzepte vor, die in der Lage sind, erfolgsrelevante Mechanismen organisationaler Interaktion aufzuzeigen. Im Abgleich mit dem Stand der Literatur werden daraus im Folgenden die Dimensionen einer strategischen Interaktionsorientierung bestimmt.
3.2.2
Grundlegende Interaktionstheorien
In den nächsten Abschnitten werden zwei verhaltenswissenschaftliche Theorien beschrieben, die in der Lage sind, die grundlegenden Prinzipien von Interaktionen zu verdeutlichen und erste theoretische Schlüsse zu ziehen.524
3.2.2.1
Die Austausch-/Interaktionstheorie von Homans
Die Ansätze von HOMANS stellen ein sehr allgemein gehaltenes theoretisches Gebäude vor, das in der betriebswirtschaftlichen Erforschung von Austauschvorgängen häufig Verwendung findet.525 HOMANS stellt in seinen Theorien allgemeingültige Erklärungsmuster für personale Dyaden und Gruppen auf.526 Soziale Interaktion wird von HOMANS als der Austausch materieller und immaterieller Güter verstanden.527 Die Theorie wird deshalb auch als Austauschtheorie bezeichnet.528 Die handelnden Individuen bestimmen ihre Handlungen rational und berücksichtigen vorausgegangene Handlungen des jeweiligen Interaktionspartners.529 Damit wird in einem wechselseitigen Prozess Verhalten vom jeweiligen Interaktionspartner belohnt oder bestraft. Die Grundlage der Belohnung oder Bestrafung ist die Wertschätzung des „empfangenden“ Individuums.530 HOMANS geht davon aus, dass beide Interaktionspartner dann die Interaktion fortsetzen, wenn sie ihre Interessen in der Interaktion gewahrt sehen („distributive justice“ – Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit).531 Die Fortsetzung der Interaktion entspricht einer Festigung der Beziehung der
524
Die Durchdringungstheorie von Altmann/Taylor (1973) bietet sich als weitere sozialpsychologische Fundierung an (vgl. z. B. Bruhn (2009b), S. 41 ff.) soll jedoch hier nicht weiter verfolgt werden.
525
Vgl. z. B. Kern (1990), S. 10.
526
Vgl. Homans (1968), S. 3 ff., 11 und Homans (1951), S. 1.
527
Vgl. Homans (1967), S. 185 und Kern (1990), S. 10.
528
Vgl. Münch (2007), S. 15.
529
Vgl. Homans (1958), S. 601, 603: Profit = Reward – Costs (vgl. auch Homans (1972), S. 60 ff. und Raab/Unger, S. 284 ff.). Als Grundlagen der Interaktion finden sich bei Homans fünf Haupthypothesen: Erfolgs-, Reiz-, Wert-, Entbehrungs- und Sättigungshypothese sowie Frustrations-Agressions-Hypothese (vgl. Homans (1972), S. 62 ff. und Treibel (2004), S. 94).
530
Vgl. Münch (2007), S. 23. Homans folgt der behavioristischen Lerntheorie von Skinner (1938, 1953). Die Beurteilung der Wertschätzung liegt jedoch bei dem empfangenden Teil, das zugrunde gelegte Wertungsschema ist dem Aussendenden der Belohnung/Bestrafung nicht bekannt.
531
Vgl. Homans (1968), S. 62 ff. und Homans (1958), S. 603 f.
122
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
beiden Individuen.532 Dabei verknüpft HOMANS mikroökonomische Aussagen mit den Prinzipien operanten Lernens/Konditionierens.533 HOMANS hat sich über den Austausch in Dyaden hinaus auch mit dem Phänomen der Gruppe beschäftigt. Gruppen definiert HOMANS aufgrund der beobachteten Interaktionen: „Our word for ’participating together‘ is interaction: a group is defined by the interactions of its members.“534 Zusätzlich stellt HOMANS fest, dass ein Individuum gleichzeitig zu mehr als einer Gruppe gehören kann, und trifft eine ähnliche Abgrenzung zwischen Gruppe und Umwelt wie die LUHMANN’sche Systemtheorie.535 Die Gruppe selbst ist durch zweierlei bestimmt, die Gruppe selbst und die Umwelt, d. h., „[…] the relationship between group and environment is essentially a relationship of action and reaction; it is circular.“536 Darüber hinaus geht HOMANS davon aus, dass die Frequenz der Interaktionen positiv mit der Ähnlichkeit der Aktivitäten und Meinungen korreliert ist.537
Als Kritik an den Austauschtheorien lassen sich mehrere Aspekte anführen:538 Erstens, ein einseitiges Menschenbild, das stark von der Gewinnmaximierung geprägt ist, und daher andere, irrationale Facetten ausblendet. Zweitens, der hohe Grad der Abstraktheit der theoretischen Gebilde. Drittens, der starke Fokus auf Dyaden und kleinere Gruppen.539 Letztlich stellt sich die Frage, ob Belohnungen und Bestrafungen wirklich „verrechnet“ bzw. in der Realität auf der gleichen Skala gemessen werden. KERN (1990) sieht insbesondere den zweiten und dritten Vorwurf für die Vermarktung von Industriegütern als Quelle möglicher Beeinträchtigungen.540 Trotz allem geht KERN (1990) davon aus, dass die Austausch-/Interaktionstheorie von HOMANS als heuristisches Konzept für den sozialen Austausch in Interaktionsgütermärkten geeignet ist.541 Diese Arbeit schließt sich dem an und sieht in den Erkenntnissen zur Gruppe bei HOMANS ein Bindeglied zum systemtheoretischen Denken (vgl. Kapitel 2.3.2). Nicht unbedenklich sind die Unterschiede der grundlegenden
532
Vgl. Homans (1958), S. 603.
533
Vgl. Homans (1968), S. 10 ff. und Münch (2007), S. 19. Die Idee des Konditionierens/operanten Lernens basiert auf der Annahme von SR-Modellen.
534
Homans (1951), S. 84.
535
Vgl. Homans (1951), S. 85.
536
Homans (1951), S. 91. Hierbei muss bemerkt werden, dass der Begriff der Gruppe sich von dem des Systems bei Luhmann unterscheidet, auch wenn bei Homans die Aktivitäten, Interaktionen, Meinungen und gegenseitigen Beziehungen ein soziales System begründen (vgl. Homans (1951), S. 87).
537
Vgl. Homans (1951), S. 120.
538
Vgl. Gollwitzer/Schmitt (2006), S. 38 f. Zu den Austauschtheorien zählen z. B. auch die Interdependenztheorie von Thibaut/Kelley (1959), in der neben den Kosten zusätzlich die Bewertung der Alternativen einbezogen wird. Weitere Austauschtheorien finden sich bei Raab/Unger, S. 285 ff.
539
Der Vorwurf, dass sich Homans’ Theorie nur auf Dyaden beschränkt, ist aufgrund der expliziten Arbeiten der Gruppensoziologie bei Homans nach Ansicht des Autors nicht gegeben.
540
Vgl. Kern (1990), S. 10 f.
541
Vgl. Kern (1990), S. 11. Kern unterstreicht diese Aussage damit, dass er anführt, dass die Verwendung von Gratifikationen auch in der Marketingliteratur diskutiert wird.
3.2 Interaktionsorientierung
123
Verständnisse von Lernen zwischen HOMANS und dem bisher vorgestellten Verständnis. HOMANS’ Verständnis ist stark von dem zur Entstehungszeit der Theorie populären behavioristischen Lernparadigma geprägt. Diese Untersuchung sieht Lernvorgänge hingegen in einem gemäßigten konstruktivistischen Verständnis. Aufgrund der Tatsache, dass der jeweilige Interaktionspartner in der Austauschtheorie jedoch die Belohnung/Bestrafung für sich werten muss und dadurch sein Lernprozess entsteht, erscheint eine Vereinigung beider Grundgedanken (HOMANS’ und dem Lernverständnis dieser Arbeit) möglich.542 Interaktionen von Mitgliedern eines Selling/Buying Centers werden auf Basis vorangegangener Interaktionen und Gelerntem wertgeschätzt. Die Wertschätzung gegenüber anderen drückt sich in eigenem Handeln aus und wirkt so belohnend oder bestrafend. Sowohl der empfangende Teil als auch der aussendende Bestandteil einer Kundeninteraktion unterliegen damit einer Wertung. Dies impliziert auch, dass es ein undifferenziertes Bild des Gegenübers nicht geben kann, da dieser immer an seinen vorherigen Interaktionen (bzw. gegebenenfalls an Vermutungen darüber) gemessen wird.543 Wird eine stabile Beziehung angestrebt, ist zudem eine höhere Frequenz an Interaktionen förderlich, da sich beide Interaktionspartner so ähnlicher werden können, was letztlich auch für ein ähnliches Vorgehen bei Problemlösungen, also einen Übergang von Anwendungswissen, spricht.544
3.2.2.2
Theorie der multiplen Perspektiven
Im Gegensatz zur Austauschtheorie entspringt die Theorie der multiplen Perspektiven der jüngeren Vergangenheit. Der Ansatz wurde von PANTALEO/WICKLUND (2000) vorgestellt und beschreibt das Verhalten von Individuen und kleinen Gruppen bei sozialer Interaktion. PANTALEO/WICKLUND (2000) gehen von der Annahme aus, dass eine „[…] person needs to be
sourrounded by, or in contact with, a diversity of points of view.“545 Der Kontakt zu unterschiedlichen Blickwinkeln und Perspektiven stellt eine Entwicklungschance für das Individuum dar (zur Weiterentwicklung von Werten, Kompetenzen, zwischenmenschlichen Gepflogenheiten etc.). Allein das passive Ausgesetztsein ist jedoch laut PANTALEO/WICKLUND (2000) nicht genug. Die Aktivität des Individuums ist zur Annahme, Internalisierung oder Förderung neuer Perspektiven durch das Individuum unbedingt erforderlich.546 Durch aktive Imitation, Ausübung
542
An dieser Stelle sei auch auf die Ausführungen von Raab/Unger, S. 185, 187 verwiesen, die anhand einer Übersicht verschiedener Untersuchungen zeigen, dass die in behavioristischen Theorien angenommene Reflexartigkeit (SR) von Lernprozessen durch Ideen der Appetenz (d. h. „kognitive, durchaus gedanklichen Prozessen zugängliche Erwartungshaltungen“) bzw. Theoriebildung des Einzelnen abgelöst werden sollte.
543
Vgl. Geschäftsbeziehung in Abbildung 27.
544
Vgl. auch „konsensuelle Bereiche“ in Kapitel 2.3.2.
545
Pantaleo/Wicklund (2000), S. 232. Vgl. auch Miller (1986), S. 5: „[…] der Einzelne kann nur dann etwas grundlegend Neues erlernen, wenn seine Lernprozesse eine integrative Komponente eines sozialen Interaktionsprozesses darstellen.“
546
Vgl. Pantaleo/Wicklund (2000), S. 232.
124
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
und aktive Kombinierung verschiedener Elemente kann ein Individuum so ein „[…] active repertoire of diverse skills, of multiple ways of approaching problems, and […] a readiness to tolerate and even seek diversity“547 auf- bzw. ausbauen. Die Umwelt eines Individuums ist durch bestimmte Eigenschaften, wie z. B. durch hohe Heterogenität oder Kontakthäufigkeit, der Entwicklung multipler Perspektiven zuträglich. Einflussfaktoren auf die Entwicklung des Individuums durch die Nutzung multipler Perspektiven sind außerdem interne und externe Motivationen bzw. Anregungszustände. Beispielsweise führen z. B. Stress, Druck und Angstzustände als externe Anregungszustände dazu, dass sich ein Individuum fokussiert und so weniger offen für multiple Perspektiven ist.548 Ähnlich wirken innere Anregungszustände, wie z. B. egozentrische oder den Selbstwert steigernde Handlungen und Haltungen.549 PANTALEO/WICKLUND (2000) werfen auf Basis dieser Überlegungen die Frage auf, wie Produktivität als Erfolgskriterium beurteilt werden muss: Führen Gruppen gemeinsam eine Aufgabe durch, erfolgt ein sozialer Austausch. Existieren zudem in der Gruppe unterschiedliche Perspektiven, und davon ist in der Realität auszugehen, können entsprechend der Theorie gleichzeitig auch Entwicklungsprozesse (z. B. durch Internalisierung oder Perspektivenübernahme) stattfinden bzw. sind sogar wünschenswert: „Interactions per se can be highly productive for each individual’s social skills, repertoires of competencies, values or morals, and for building or sustaining motives that are an integral part of larger social units.“550
Diese Entwicklungsprozesse der Individuen liegen nicht im primären Fokus des Beobachters und werden deshalb nicht erfasst oder verzerren das eigentliche Ergebnis. PANTALEO/WICKLUND (2000) kommen daher zu der Erkenntnis, dass eine eindimensionale Produktivitätsmessung nicht sinnvoll erscheint und zusätzlich die Internalisierung neuer Meinungen, Werte und Repertoires berücksichtigt werden müsste.551 Will man die Aussagen der Theorie der multiplen Perspektiven für die Fragestellungen dieser Untersuchungen nutzen, stellt sich zunächst natürlich erneut die Frage, ob Grundlagen, die sich auf Individuen und Gruppen beziehen, auch auf Unternehmen bzw. Gruppen in Unternehmen übertragen werden dürfen. Die grundlegenden Prinzipien der Theorie multipler Perspektiven scheinen auch vor dem organisationalen Hintergrund plausibel. Darüber hinaus wurde bereits in Kapitel 2.2.1.2 der Zusammenhang Individuum, Gruppe und Unternehmen diskutiert und von
547
Pantaleo/Wicklund (2000), S. 232. Die hohe Bedeutung der Aktivität wird u. a. durch die Tätigkeitspsychologie von Wygotski theoretisch untermauert.
548
Vgl. Pantaleo (1997), S. 18 f. Vgl. auch Bergmann/Traupe (2001), S. 1.
549
Vgl. Pantaleo/Wicklund (2000), S. 233 f.
550
Pantaleo/Wicklund (2000), S. 235.
551
Vgl. Pantaleo/Wicklund (2000), S. 236 ff.
3.2 Interaktionsorientierung
125
der Übertragbarkeit auf organisationale Phänomene ausgegangen. An diesem Urteil wird auch im Falle der Theorie der multiplen Perspektiven festgehalten. Betrachtet man zuerst die Umweltbedingungen von Industrieunternehmen,552 so zeigen sich ein sehr heterogenes Umfeld, zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten und viele Gelegenheiten, von Handlungen Dritter (z. B. Kunden) zu lernen oder deren Handlungen zu imitieren. Damit sind die grundlegenden Umweltbedingungen für eine Unternehmensentwicklung auf Basis umgebender multipler, differierender Perspektiven grundsätzlich gegeben. Was sind nun multiple Perspektiven im Kontext von Interaktionen auf Industriegütermärkten? Bereits in Kapitel 2.2.1.3.1 wurden die Begriffe Technologie- und Nutzungswissen als Facetten von Anwendungswissen eingeführt. Technologie- und Nutzungswissen sind jeweils eine Komponente eines Problem- oder Lösungsfelds bzw. eine Perspektive darauf. Je stärker ein Anbieterunternehmen in der Lage ist, sich in die Perspektive des Kunden hineinzuversetzen (Perspektivenübernahme bzw. Internalisierung), desto besser fällt die Problemlösung bzw. das Transaktionsergebnis aus. Hier wird ersichtlich, dass bereits in einer Transaktion der Vorgang der Perspektivenübernahme in einzelnen Interaktionen notwendig ist. Entsprechend der Theorie multipler Perspektiven baut ein Unternehmen jedoch nur dann seine Kompetenzen bzw. sein Repertoire aus, wenn es offen für die Perspektive des (potenziellen) Kunden ist. Dieses Repertoire wird benötigt, um neuartige Kundenprobleme überhaupt zu lösen bzw. um zukünftige Probleme dieses und anderer Kunden effizienter lösen zu können. Als Schlussfolgerung aus der Theorie multipler Perspektiven muss es also das Ziel eines Unternehmens sein, Interaktionen mit seiner Umwelt nicht nur als Aufgabenerfüllung zu sehen, sondern auch als Entwicklungsmöglichkeit (zur Optimierung des Bestands an Anwendungswissen). Dieser Befund ist damit sowohl im Einklang mit der Definition der Kundeninteraktionskompetenz als auch mit der Definition der strategischen Interaktionsorientierung. Bisher wurde die Theorie multipler Perspektiven auf die Passung der vorgefundenen organisationalen Sachverhalte hin geprüft. Abschließend ist zu untersuchen, welche Konsequenzen sich daraus für diese Untersuchung ableiten lassen. Erstens ist Aktivität des Anbieterunternehmens nötig, um die Interaktionen zur optimalen eigenen organisationalen Entwicklung zu nutzen. Zweitens muss das Zielsystem (Produktivitätsmessung) für die Interaktion mit dem Kunden analog der Überlegungen von PANTALEO/WICKLUND (2000) mehrdimensional gestaltet sein und die Ebene des einzelnen Kunden beinhalten,553 um die Generierung von Anwendungswissen nicht unberücksichtigt zu lassen. Drittens sollten die internen und externen Anregungszustände, die eine Unternehmensentwicklung anhand multipler Perspektiven gefährden, aktiv gemanagt werden. Als Beispiel könnte die Überwachung der Arbeitsbelastung kundennaher Mitarbeiter als Gradmesser dienen um festzustellen, wie groß überhaupt der Freiraum dieser Mitarbeiter ist, um
552
Vgl. Kapitel 2.1.
553
Pantaleo/Wicklund (2000), S. 239: „This means that bringing individuals together necessarily sets up performance dimensions that are unique to the interpersonal situations.“
126
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
überhaupt Entwicklungen und relevantes Wissen beim Kunden wahrnehmen und berichten zu können. Eine andere Möglichkeit besteht in einem aktiven Management der Firmenkultur, um beispielsweise eine egozentrische Sichtweise, die Not-Invented-Here (NIH)-Phänomenen zugrunde liegt, zu vermeiden.554
3.2.2.3
Zwischenfazit „Interaktionsorientierung und grundlegende Interaktionstheorien“
Es ist die Aufgabe dieses Teilkapitels, Gestaltungsaspekte einer strategischen Interaktionsorientierung theoretisch abzuleiten. Die beiden vorgestellten Theorieansätze beschreiben grundsätzlich Interaktionen von Individuen und Gruppen. Die Übertragung individueller Phänomene auf Unternehmen und Subsysteme in Unternehmen wurde bereits mehrfach angesprochen und soll hier nicht mehr diskutiert werden. Sowohl der Ansatz von HOMANS als auch die Theorie der multiplen Perspektiven verbinden Interaktion mit Lernprozessen. Während HOMANS seiner Zeit gemäß behavioristische Ansätze explizit nennt, finden sich bei PANTALEO/WICKLUND (2000) keine ausdrücklichen Hinweise auf lerntheoretische Ansätze. In der Theorie der multiplen Perspektiven finden sich jedoch Andeutungen, die kognitivistisches bzw. konstruktivistisches Denken vermuten lassen. In beiden Ansätzen wird jedoch deutlich, dass die Möglichkeit, Interaktionen „verarbeiten“ zu können, auf der Vorbedingung des Lernens beruht. Diese Beobachtung stützt die Kernhypothese HIII dieser Untersuchung.555 Damit tragen die theoretischen Ansätze dazu bei, das Zusammenspiel einer strategischen Interaktionsorientierung aufzuklären. Im Folgenden ist jedoch zunächst interessant, welche Grundideen für die interne Gestaltung des Konstrukts abgeleitet werden können.556 (1) Verständnis für die grundlegende Bedeutung der einzelnen Interaktion und des einzelnen Kunden (bzw. der einzelnen Kundenbeziehung): HOMANS sieht „ausgehende“ Interaktionen als eine Funktion vorangegangener Handlungen. Die Bedeutung der Handlungen bzw. Interaktionen ist entsprechend der Theorie multipler Perspektiven als „unique to the interpersonal situations“557 zu verstehen. Im Zeitablauf können einzelne Inter- und Transaktionen auf Ebene des einzelnen Kunden zusammengefasst werden; beides sollte in einer strategischen Interaktionsorientierung berücksichtigt sein. (2) Verständnis für die grundlegende Bedeutung der Perspektivenübernahme/Internalisierung als Entwicklungsmöglichkeit: In der Theorie der multiplen Perspektiven wird klar, dass soziale
554
Vgl. z. B. Katz/Allen (1982).
555
Vgl. Kapitel 2.4.
556
Die Aufstellung erfolgt nicht chronologisch nach der Bearbeitung in den vorausgegangen Abschnitten, sondern bereits nach der vermuteten Zuordnung zu Werten, Normen, Praktiken und Prozessen.
557
Pantaleo/Wicklund (2000), S. 239.
3.2 Interaktionsorientierung
127
Interaktion neben der Erfüllung der eigentlichen Aufgabe zugleich ein Entwicklungspotenzial bietet. (3) Aktivität des Anbieterunternehmens: Interaktionsorientierung muss Aktivität des Anbieterunternehmens beinhalten. Lediglich ein passives Ausgesetztsein des Unternehmens gegenüber dem Wissen und den Perspektiven des Kunden reicht nicht für eine Weiterentwicklung. Aktivität scheint auch deshalb sinnvoll, da in Anlehnung an die Austauschtheorie die Stabilität einer Beziehung positiv mit der Interaktionsfrequenz verbunden ist. Da jedoch Unternehmensaktivitäten Ressourcen beanspruchen, ist Aktivität im Zusammenhang des nächsten Punktes zu bewerten. (4) Wertschätzung/Bewertung einzelner Transaktionen und Beziehungen: HOMANS’ Theorie zeigt, dass die Interaktionen von der Bewertung vorheriger Interaktionen abhängen. Die Theorie multipler Perspektiven beinhaltet, dass ein Bewertungssystem für Transaktionen und Beziehungen im Sinne einer IO nicht eindimensional ausgerichtet sein darf und die Transaktion und den Kunden insgesamt als Analyseebene beinhalten muss. Die Erkenntnisse der vorgestellten grundlegenden Theorien im Themenfeld Interaktion lassen bereits ein Bild einer möglichen Gestaltung einer strategischen Interaktionsorientierung zu. Die wesentlichen Merkmale wurden in dem bereits bekannten Communications Picture festgehalten (vgl. Abbildung 28).558 Im nächsten Abschnitt wird der aktuelle Stand der Interaktionsforschung in Industriegütermärkten zusammengefasst. Hieraus werden zusätzliche Erkenntnisse gewonnen, die in die theoretische Konzeptualisierung des Konstrukts einfließen.
Abbildung 28 Theoretische Aspekte der Interaktionsorientierung eines Anbieterunternehmens im erweiterten Communications Picture
558
Abbildung 28 zeigt den relevanten Gesamtkontext (hellgrau), macht jedoch bereits die Fokussierung auf die strategischen Möglichkeiten des Anbieterunternehmens deutlich (dunkelgrau).
128
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
3.2.3
Interaktionsansätze in Investitionsgütermärkten – Stand der Forschung
Die generelle Idee, auf der das Gros der Interaktionsstudien aufbaut, ist die Hypothese, dass Kundeninteraktion ein Mittel der Kundenorientierung darstellt.559 Die Motivation, die Interaktion zu verbessern, ist in der Regel für Anbieterunternehmen höher, da hier aufgrund der Vielzahl ähnlich gelagerter Kundeninteraktionen ein direkter Zusammenhang zwischen Kundenbeziehung und Unternehmenserfolg offensichtlich erscheint. Zusätzlich implizieren auch die Ergebnisse von KUTSCHKER/KIRSCH (1978), wonach Anbieter weniger von den aktuellen Situationen als von den eigenen Organisationsattributen geprägt sind, dass Anbieterunternehmen im Vergleich zu Kundenorganisationen den Interaktionsprozess stärker beeinflussen können.560 Der größte Teil der Studien zu Interaktionen in Industriegütermärkten weist deshalb einen Anbieterfokus auf.561 In der folgenden Literaturanalyse wird auf der Analyse von STOTKO (2005) aufgebaut.562 STOTKO (2005) sieht die Interaktionsforschung in drei Hauptstränge aufgeteilt: (1) Die Interaktion im organisationalen Kauf- und Verkaufsverhalten, (2) die Interaktion in Unternehmensnetzwerken und (3) die Interaktion in der Neuproduktentwicklung.
3.2.3.1
Interaktion im organisationalen Kauf- und Verkaufsverhalten
Der Forschungsstrang des organisationalen Kaufverhaltens ist chronologisch betrachtet auch der erste der drei Forschungsbereiche.563 Die Untersuchungen gehen von der Beobachtung aus, dass der Verkauf von Gütern, insbesondere von Industriegütern, nie nur eine Aktivität des Anbieters darstellt, sondern dass es sich um einen interaktiven Prozess zwischen Anbieter und Kunde handelt.564 Die entsprechenden Studien (vgl. Tabelle 9) beschäftigen sich in diesem Strang mit Eigenschaften, Verhalten und Strukturmerkmalen der Anbieter- und Kundenunternehmen.565
559
Vgl. z. B. Ramani/Kumar (2008), S. 27.
560
Vgl. Kutschker/Kirsch (1978), S. 293.
561
Eine Ausnahme stellt z. B. die Arbeit von Gawantka (2006) dar, der ein Konstrukt der Anbieterzufriedenheit entwickelt.
562
Vgl. Stotko (2005), S. 62 ff. Eine sehr umfangreiche, jedoch ältere Übersicht findet sich bei Backhaus/Büschken (1997).
563
Vgl. Stotko (2005), S. 66.
564
Vgl. Schoch (1969), S. 53.
565
Vgl. Stotko (2005), S. 62, Woodside/Davenport, Jr. (1974), Wind (1978) und Johnston/Bonoma (1981).
3.2 Interaktionsorientierung
Kategorie
Ausgewählte Quellen Evans (1963), Evans (1981)
129
Inhalt Rollenerwartung und Kommunikationsformen im industriellen Interaktionsprozess.
Schoch (1969) Webster/Wind (1972), Webster (1991) Woodside/Davenport, Jr. (1974)
(1) Interaktion im organisationalen Kauf- und Verkaufsverhalten
Håkansson/Östberg (1975) Zaltman/Bonoma (1977) Wind (1978), Johnston/Bonoma (1981) Kern (1990)
Gemünden (1981) Morgan/Hunt (1994) Woodside/Luikko/ Vuori (1999) Cannon/Perreault (1999) Homburg (2000) Sharma (2002) Deeter-Schmelz et al. (2001), Kennedy/DeeterSchmelz (2001), Deeter-Schmelz/ Kennedy (2002) Chelariu/Johnston/ Young (2002) Stotko (2005) Geiger/Turley (2006)
Forschungsdesign Konzeptionell Empirisch
Klassifizierung der Interaktionsphasen und Aufgabenstruktur (new task, modified rebuy, straight rebuy).
Konzeptionell
Untersuchung der Wirkung der Ähnlichkeit von Verkäufer und Käufer im industriellen Vertrieb auf den Vertriebserfolg. Diskussion möglicher Organisationsformen der Kundeninteraktion in Industriegütermärkten entsprechend ihrem Individualisierungsgrad. Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Einkaufsentscheidungen bei organisationaler Beschaffung (Buying Center).
Konzeptionell
Beschreibung industrieller Interaktion in so genannten Buying Centern (inklusive Organisation und Struktur).
Konzeptionell
Untersuchung insbesondere des Beziehungs-/Transaktionsverlaufs unter Einbezug von Buying und Selling Centern. Differenzierung des industriellen Kaufprozesses entsprechend dem Innovationsgrad des Transaktionsobjekts. Untersuchung der Effekte von Vertrauen und Einsatzbereitschaft („Commitment“) im Rahmen von Relationship-Marketing-Aktivitäten. Untersuchung von Hierarchieunterschieden auf den Erfolg industrieller Interaktionen. Untersuchung von 6 Konnektoren-Dimensionen in Kauf-/ Verkaufsbeziehungen. Klassifikation der Kundenbeziehungen entsprechend der Ausprägungen der Konnektoren. Konzeptualisierung des Konstrukts der Kundennähe und Analyse der Erfolgswirksamkeit. Veränderung des industriellen Interaktionsverhaltens durch die Unterstützung des Internets. Veränderung des industriellen Interaktionsverhaltens durch die Unterstützung des Internets.
Empirisch
Konzeptionell
Empirisch
Empirisch
Empirisch Empirisch Empirisch Empirisch Konzeptionell
Empirisch
Untersuchung ungeplanter, zweckmäßiger Reaktionen/ Interaktionen in schnell veränderlichen Umwelten (organisationale Improvisation). Untersuchung des Einsatzes von Kommunikationsinstrumenten und Integrationstiefe auf die Vertriebseffizienz. Untersuchung der Nutzung von IKT (SFA-Technologie) in die Kundeninteraktion von Vertriebsmitarbeitern.
Konzeptionell Empirisch Empirisch
130
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung McFarland/Challagalla/Shervani (2006) Ramani/Kumar (2008)
Tabelle 9
Untersuchung der „adaptive selling practises“ von Vertriebsmitarbeitern in dyadischer Betrachtung. Untersucht werden die Käufertypen: „task-oriented buyers“, „interaction-oriented buyers“ und „self-oriented buyers“. Konzeption einer Interaktionsorientierung basierend auf Werten, Praktiken und Prozessen. Untersuchung des Beziehungs- und Profiterfolgs auf Kundenebene.
Empirisch
Empirisch
Quellenauswahl zum Stand der IO-Forschung I
Die ersten Studien in Tabelle 9 werden auch als Matching-Studien bezeichnet, da hier der Fokus auf dem Einfluss der Ähnlichkeit zwischen Anbietern und Käufern in den jeweiligen Transaktionsdyaden liegt. Die Ergebnisse späterer Studien zeigen, dass nicht die eigentlichen Eigenschaften, sondern eher die Erwartungen der jeweiligen Eigenschaften den Erfolg der Interaktion beeinflussen.566 Die Anerkennung von Erwartungshaltungen als Erfolgstreiber kompliziert die Erklärung der industriellen Interaktion, da so Aussagen zu Interaktionsprozessen und -verhalten nicht in allen Situationen gleich bewertet werden können. Dieser Befund steht auch im Einklang mit der Aussage der Theorie multipler Perspektiven, dass die jeweilige Interaktion einzigartig sei.567 Während die Verkaufsinteraktion zunächst auf Ebene einzelner Ein- und Verkäufer betrachtet wurde, sind in diesen Forschungsstrang auch Untersuchungen zu fassen, die die bereits diskutierten Buying und Selling Center in industriellen Transaktionsprozessen untersuchen.568 Neben den Ähnlichkeitsstudien beinhaltet dieser Forschungsstrang ebenfalls Untersuchungen zur Organisationsform der Kundeninteraktion.569 Beispielsweise untersuchen HÅKANSSON/ÖSTBERG (1975) auf konzeptioneller Ebene, wie sich die Organisation der Vertriebsfunktion in Abhängigkeit des Individualisierungsgrades verhält.570 Der Befund lautet, dass standardisierte Produkte eine geringe Spezialisierung der Vertriebsfunktion erfordern und die Spezialisierung bei höherem Ausmaß an Individualisierung des zu lösenden Kundenproblems größer wird. Steigt der Individualisierungsgrad sehr stark an, nimmt der Spezialisierungsgrad der Vertriebsorganisation wieder ab. HÅKANSSON/ÖSTBERG (1975) führen diesen Effekt darauf zurück, dass bei sehr komplexen Problemstellungen, in dieser Arbeit auch Lösung genannt, eine spezialisierte Einheit das Kundenbedürfnis nicht mehr allein befriedigen kann, sondern dazu weitere Spezialisten im Unternehmensumfeld benötigt.571 Neuere Studien haben sich mit Aufkommen des Internetzeitalters in der Industriegütervermarktung die Frage gestellt, ob sich das Interaktionsverhalten durch den Einsatz des Internets 566
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 107 und Koch (1987), S. 523. Im Sinne der systemtheoretischen Perspektive stellt dieser Befund ein Indiz für die Existenz der doppelten Kontingenz dar.
567
Vgl. Kapitel 3.2.2.3.
568
Vgl. z. B. Johnston/Bonoma (1981), Kern (1990) sowie Kapitel 3.2.1.1.
569
Vgl. z. B. Cannon/Perreault (1999).
570
Vgl. Håkansson/Östberg (1975), S. 122.
571
Vgl. Håkansson/Östberg (1975), S. 120.
3.2 Interaktionsorientierung
131
verändert hat oder nicht. Die Aussagen sind hier sehr widersprüchlich.572 Eigene Studien in diesem Bereich zeigen, dass dem Medium zwar sehr hohe Relevanz eingeräumt wird, das Medium für komplexe Problemlösungen jedoch (noch) nicht geeignet erscheint.573 Die Mediendiskussion soll an dieser Stelle zwar nicht weitergeführt werden, sicher ist jedoch, dass neue Möglichkeiten, hauptsächlich hervorgerufen durch rapide Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die Interaktivität zwischen Unternehmen und Kunden sowie innerhalb der einzelnen Gruppen erhöht haben.574 Einige grundlegende Erkenntnisse dieser Forschungstradition wurden in den ersten Abschnitten dieses Kapitels bereits ausführlich behandelt: die Existenz und Bedeutung von Buying und Selling Centern sowie Überlegungen zu Transaktionen und Kundenbeziehungen. Die Ergebnisse von SCHOCH (1969) stützen u. a. die Vermutung aus den vorangegangenen Theorieabschnitten, dass eben jene Erwartungen das Ergebnis vorangegangener Interaktionen und somit zumindest langfristig veränderbar sind. Zudem deuten die, wenn auch widersprüchlichen Untersuchungen zur Rolle der technischen Unterstützung des interorganisationalen Austauschs eine hohe Bedeutung der technischen Unterstützung an. Ein zeitgemäßes Messinstrument sollte daher auch diese Veränderungen einbeziehen, dabei jedoch gleichzeitig darauf Rücksicht nehmen, dass dieser Punkt noch sehr konträr diskutiert wird.575
3.2.3.2
Interaktion in Unternehmensnetzwerken
Der zweite Strang grenzt sich von dem vorherigen Forschungsstrang im Wesentlichen dadurch ab, dass das simultane Management bzw. die Beobachtung nicht nur einer Austauschbeziehung, sondern eines Netzes an Interaktionen analysiert wird (vgl. Tabelle 10). Aufgrund der Tatsache, dass auf Industriegütermärkten i. d. R. langfristige und interaktive Beziehungen zu finden sind,576 spielt es nicht nur eine Rolle, wie man interagiert, sondern auch ob man mit den richtigen Partnern interagiert. Es stellt sich also die Frage nach der Qualität des Netzwerks, dessen Koordination und Erfolgswirkungen.
572
Vgl. z. B. Sharma (2002), S. 249 und Deeter-Schmelz/Kennedy (2002), S. 150. Geiger/Turley (2006), S. 827, 834 berichten ähnliche Befunde für SFA-Tools.
573
Vgl. Danzinger et al. (2008), S. 26 f., 30 f.
574
Vgl. Yadav/Varadarajn (2005), S. 126 f. und Picot/Reichwald/Wigand (2008), S. 5.
575
Der Aspekt der technischen Unterstützung ist insbesondere für die Gestaltung von Praktiken und Prozessen relevant.
576
Vgl. z. B. Canning/Hanmer-Lloyd (2002), S. 616 und Kapitel 2.1.1.
132
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Kategorie
Ausgewählte Quellen
Forschungsdesign
Iacobucci et al. (1996)
Konzeptualisierung interorganisationalen Austauschverhaltens durch Marketingkanäle. Betrachtung von Gründen und Konsequenzen von Konflikten sowie die Grundlagen der Aufnahme von Austauschbeziehungen. Untersuchung der Beziehungen zwischen Käufern und Verkäufern in Industriegütermärkten. Beleuchtung der Gründe, warum enge Beziehungen (erhöhte Interaktion) und gemeinschaftliche Aktionen genutzt werden. Systematisierung verschiedener Beziehungsansätze („transaction“, „product“, „business“ und „partnering“). Entwicklung eines Konzepts zur Etablierung enger Kundenbeziehungen. Untersuchung der Kundenloyalität in der Automobilindustrie. Modellierung verschiedener Netzwerkansätze.
Jüttner/Schlange (1996)
Entwicklung eines strategischen Rahmens, der u. a. den Ansatz „markets-as-network“ umfasst.
Empirisch
Low (1997)
Analyse des Positionsmanagements in B2B-Netzwerken.
Theoretisch
Dowling/Lechner (1998)
Untersuchung von Netzwerken, in denen Mitglieder gleichzeitig die Rolle eines Konkurrenten einnehmen. Untersuchung des Nutzens, der Kosten und Gefahren internationaler Allianzen. Als theoretische Grundlage dient die Systemtheorie. Untersuchung negativer Effekte, die durch enge Kooperation bei technologischem Wandel hervorgerufen werden.
Frazier (1983)
Heide/John (1990)
Dunn/Thomas (1994)
(2) Interaktionen in Unternehmensnetzwerken
Inhalt
Johnston/Lewin/ Spekman (1999) Luthardt/Mörchel (2000) Canning/HanmerLloyd (2002) Håkansson/Ford (2002) Oldendorf (2004) Wildemann (2004)
Dussauge/Garrette/ Mitchell (2004)
Taylor (2005)
Gawantka (2006)
Ramani/Kumar (2008) Spivey et al. (2009)
Analyse der Anpassung des Interaktionsverhaltens in Anbieter-Kunde-Beziehungen in Industriegütermärkten. Untersuchung der Paradoxien in Netzwerken. Rückschlüsse auf Verhaltensoptionen von Unternehmen in Netzwerken (spezifische Investitionen, gegenseitiger Einfluss und gegenseitige Kontrollmöglichkeiten). Untersuchung der Nützlichkeit der Nutzung lokaler Netzwerke für KMU mit globaler Ausrichtung. Entwicklung eines Kennzahlensystems zur finanziellen Bewertung der Interaktionen innerhalb einer Wertschöpfungskette in einem Netzwerk. Untersuchung der Veränderungen der Wettbewerbspositionen bei strategischen Allianzen mit Wettbewerbern. Feststellung von Unterschieden zwischen „Scale“- und „Link“-Allianzen sowie ein Zusammenhang zu unterschiedlichen Lernmöglichkeiten der Partnerunternehmen. Untersuchung der Erfolgsfaktoren des Managements strategischer Allianzen. Entwicklung eines Anbieterzufriedenheitskonstrukts für Zuliefernetzwerke in der Automobilindustrie. Die Studie betrachtet auch die Interaktions- und Integrationsfähigkeiten eines Unternehmens Konzeption einer Interaktionsorientierung basierend auf Werten, Praktiken und Prozessen. Untersuchung des Beziehungs- und Profiterfolgs auf Kundenebene. Untersuchung des Tools der Alliance Scorecard im Kontext des Technologietransfers zwischen Unternehmen.
Tabelle 10 Quellenauswahl zum Stand der IO-Forschung II
Konzeptionell
Empirisch Konzeptionell (unterstützt durch Case Studies) Empirisch
Theoretisch Theoretisch Konzeptionell Empirisch
Konzeptionell
Empirisch Konzeptionell
Empirisch
Empirisch
Empirisch
Empirisch Empirisch
3.2 Interaktionsorientierung
133
Zur Erlangung gemeinsamer Wettbewerbsvorteile sind spezifische Investitionen (der Aufwand, der für den Aufbau und den Erhalt eines Unternehmensnetzwerks nötig ist, kann als eine solche Investition bezeichnet werden) nötig. Derartige Investitionen „[…] facilitate the attainment of joint competitive advantages and these advantages are positively correlated with economic outcomes, organizational behavior, and expectations of continuity.“577
Etablierte Beziehungen in Netzwerken bzw. zu einzelnen Partnern verändern sich jedoch im Zeitverlauf, wodurch auch Wettbewerbsvorteile eingebüßt werden können.578 Die Zugehörigkeit zu Netzwerken sollte demnach einem aktiven Management unterliegen.579 FRAZIER (1983) berücksichtigt dies, da er fordert, dass auch das „reviewing“ einer Beziehung ein wichtiger Bestandteil des Austauschverhältnisses zwischen Organisationen bzw. zu Repräsentanten anderer Firmen sein müsse.580 DUNN/THOMAS (1994) sehen darüber hinaus, dass auch die Art der Interaktion bedeutend ist, und schlagen daher unterschiedliche Umsetzungen für verschiedene Typen vor.581 STOTKO (2005) hebt in seiner Literaturanalyse zwei bedeutende Aspekte der Interaktionsforschung bei Netzwerken heraus:582 einerseits, dass auch virtuelle Unternehmen Netzwerke darstellen, die aufgabenorientiert sind und mit Ad-hoc-Charakter kooperieren. Andererseits wird mit DOWLING/LECHNER (1998) auch hervorgehoben, dass Netzwerkmitglieder verschiedene Beziehungen zueinander einnehmen können: Sie können zum einen kooperieren, zum anderen in Konkurrenz stehen. Dieser Sachverhalt wird kurz als „Coopetion“ bezeichnet.583 Auch dies spricht für die Notwendigkeit eines breiten Sets an Interaktionsstrategien in Unternehmensnetzwerken entsprechend unterschiedlichen Zielen, Anlässen und Umfeldern.
Eine besondere Perspektive auf Unternehmensnetzwerke nimmt GAWANTKA (2006) ein: In engen Zulieferernetzwerken der Automobilindustrie kehrt er den Mechanismus der Kundenzufriedenheit um und beschäftigt sich mit der Anbieterzufriedenheit. Obwohl hier sicherlich einige Besonderheit des betrachteten Feldes eine bedeutende Rolle spielen, werden damit auch die Abhängigkeiten des Interaktions-/Netzwerkpartners deutlich.
577
Jap (2001), S. 19.
578
Vgl. Jap (2001), S. 19. Opportunistisches Verhalten von Netzwerkmitgliedern ist z. B. ein Grund, der Netzwerke beständigen Veränderungen unterwirft.
579
Vgl. Taylor (2005), S. 482.
580
Vgl. Frazier (1983), S. 69. Für Review-Prozesse bieten sich z. B. Alliance-Tools an (vgl. Spivey et al. (2009)).
581
Als verschiedene Typen werden angeführt: „transaction selling“, „product solution“, „business solution“ und „partnership solution“ (Dunn/Thomas (1994), S. 34 f.).
582
Vgl. Stotko (2005), S. 68 in Anlehnung an Picot/Reichwald/Wigand (2003), S. 273.
583
Vgl. z. B. Bengtsson/Kock (2000), S. 411: „[…] two firms can be involved in and benefit from both cooperation and competition simultaneously.“ Vgl. ferner Dowling/Lechner (1998), S. 86 und Dussauge/ Garrette/Mitchell (2004), S. 709 f.
134
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Das Management des Umweltverhältnisses liegt nicht im Schwerpunkt dieser Studie (vgl. Abbildung 17 auf Seite 75). Unter Unternehmensnetzwerken können aber z. B. sowohl Kundennetzwerke als auch F&E-Allianzen verstanden werden.584 Der Forschungsstrang zur Interaktion in Unternehmensnetzwerken gibt so auch Aufschluss über Instrumente und Probleme der Kundeninteraktion bzw. einer Interaktionsorientierung. Darüber hinaus ist die Tatsache, dass Transaktionen und Beziehungen in ein gesamtes Netzwerk eingebunden sein können, bedeutend, wenn es darum geht, eine Interaktionsorientierung zu beschreiben bzw. zu konzeptualisieren. An diesem Punkt soll erneut kurz innegehalten werden, um die beiden bereits vorgestellten Forschungsstränge zu überblicken und zu beurteilen. Eine geeignete Zusammenschau hierfür findet sich z. B. bei BACKHAUS/VOETH (2007).585 BACKHAUS/VOETH (2007) betrachten die Entwicklung der Forschungsrichtungen von der personalen zur multipersonalen Betrachtung und schließlich von der dyadischen auf die multiorganisationale Perspektive als eine konsequente Entwicklung. Einerseits führt diese Entwicklung zur Analyse immer mehr interagierender Spieler und gewinnt dadurch an Erklärungsbeitrag. Andererseits werden die Erkenntnisse dadurch immer weniger fassbar bzw. umsetzbar.586 BACKHAUS/VOETH (2007) bescheinigen beiden Forschungsrichtungen, dass auf diesem Ent-
wicklungspfad wichtige Erkenntnisse gewonnen wurden, jedoch seit Mitte der 1990er-Jahre die industrielle Interaktionsforschung am Scheideweg steht.587 Dieser Befund wird anhand zweier Kriterien festgemacht: Zum einen werden in vielen empirischen Arbeiten ähnliche exogene Faktoren bzw. Konstrukte eingesetzt, was als Erschöpfung der Möglichkeiten verhaltenswissenschaftlicher Ansätze in diesem Bereich gedeutet werden könnte. Zum anderen wird festgestellt, dass die meisten Studien auf der deskriptiven Ergebnisebene verhaftet bleiben.588 Insbesondere in der jüngeren Vergangenheit scheinen die Trends der verstärkten Individualisierung der Nachfrage sowie das Thema der Kundenintegration als neue Impulsgeber für diesen Forschungsbereich zu wirken, sodass diesen Befunden von BACKHAUS/VOETH (2007) nicht uneingeschränkt gefolgt werden kann. Eine weitere Feststellung von BACKHAUS/VOETH (2007), nach der Defizite in Aussagen zu konkreten Gestaltungsmöglichkeiten industrieller Interaktionen zum aktuellen Forschungsstand existieren,589 findet hingegen auch in dieser Untersuchung uneingeschränkte Unterstützung – letztendlich ist dies auch eine Motivation dieser Untersuchung (vgl. Forschungsfrage II).
584
Vgl. z. B. Luthardt/Mörchel (2000) und Dunn/Thomas (1994).
585
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 116 ff.
586
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 117.
587
Vgl. Backhaus/Büschken (1997), S. 32 f. und Backhaus/Voeth (2007), S. 117.
588
Vgl. Backhaus/Büschken (1997), S. 31 f. und Backhaus/Voeth (2007), S. 118.
589
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 118.
3.2 Interaktionsorientierung
135
Besonders hervorzuheben ist die Untersuchung von RAMANI/KUMAR (2008). Hier wird die Konzeption einer Interaktionsorientierung und deren Erfolgswirksamkeit überprüft. Die Einordnung der Untersuchung zwischen dem ersten und dem zweiten präsentierten Forschungsstrang fällt nicht leicht, da weitgehend offen bleibt, ob eine einzelne Interaktion (Dyade) oder ein Interaktionsnetzwerk betrachtet wird. Aus diesem Grund wird diese Untersuchung in beiden Strängen aufgeführt, da die strategischen Gestaltungsmöglichkeiten einer Interaktion bzw. Beziehung letztendlich auch in der Lage sind, beide Stränge zusammenführen können. Die einzelne Interaktion bzw. die einzelne Kundenbeziehung ist letztlich eine Teilmenge eines Netzwerks und unterliegt daher den gleichen Werten, Normen, Praktiken und Prozessen, d. h. den gleichen grundsätzlichen Wirkprinzipien.590 STOTKO (2005) weist einen weiteren, dritten Literaturstrang aus, der im Vergleich zu den ersten
beiden jedoch am anderen Ende der Wertschöpfungskette anzusiedeln ist: Interaktionen in Innovationskontexten.591
3.2.3.3
Interaktion in der Neuproduktentwicklung
Individualisierung prägt seit jeher den Charakter von Industriegütermärkten. Folge dieses Merkmals ist der im Vergleich zu Konsumgütermärkten stärkere Einsatz von Projektorganisation und Einzelfertigung.592 Aufgrund der hohen Heterogenität der Nachfrage werden im alltäglichen Geschäft in Industriegütermärkten ständig neue Lösungen für individuelle Kundenprobleme erzeugt. Je nach dem zugrunde gelegten Grad der Neuheit der Problemlösung kann hier bereits von innovativer Tätigkeit bzw. Innovationstätigkeit ausgegangen werden. Innovationstätigkeit ist also bereits im operativen Kundengeschäft in Industriegütermärkten als Reaktionsfunktion des Unternehmens gefragt. Im traditionellen Verständnis von Innovation wird unter Innovationstätigkeit i. d. R. die aktive Funktion des Unternehmens verstanden, die sich bemüht, das Leistungsangebot zu erneuern (Neuproduktentwicklung) und den Marktbedürfnissen entsprechend anzupassen. In diesem Abschnitt wird die Literatur zu Interaktionen in eben diesem Bereich untersucht.593 Dahinter steckt die Annahme, dass Unternehmen, die im operativen Geschäft gut mit ihren Kunden und Partnern interagieren und dadurch Anwendungswissen generieren (müssen), diese Erkenntnisse und Praktiken auch für die Neuproduktentwicklung nutzen können.
590
Im Gegensatz zu vielen anderen aufgeführten Studien ist die Untersuchung von Ramani/Kumar (2008) nicht als reine Industriegüterstudie konzeptualisiert. Die Antezendenzbedingung der Zurechenbarkeit zu Konsumoder Industriegütermärkten bleibt nicht signifikant (vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 38).
591
Vgl. Stotko (2005), S. 64 f.
592
Vgl. Reichwald/Piller (2009), S. 24.
593
Die Literaturübersicht ist (mit Ausnahme weniger Untersuchungen) beschränkt auf Studien in Industriegütermärkten.
136
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
STOTKO (2005) geht davon aus, dass das Ziel von Interaktionen in der Neuproduktentwicklung
nicht primär die Kosteneffizienz, sondern die Entwicklungseffizienz ist.594 Kundeninteraktion in der Neuproduktentwicklung ist demzufolge ein Mittel zur Steigerung des Neuprodukterfolgs.595 Neuprodukterfolg wiederum ist ein Indikator für organisationale Erneuerung und die Grundlage zukünftiger Profite.596 Tabelle 11 zeigt eine Übersicht relevanter Studien in Industriegütermärkten. Die Bedeutung der Kundeninteraktion in der Neuproduktentwicklung in Industriegütermärkten wird in zahlreichen Studien herausgestellt.597 V. HIPPEL (2006) belegt an mehreren Studien, dass die Anzahl innovativer Nutzer in Industriemärkten je nach Markt zwischen 19,1 % (Apache Web Server Software) bis zu 36 % (Industrieinstallationen) schwankt.598
(3) Interaktion in der Neuproduktentwicklung
Kategorie
Ausgewählte Quellen v. Hippel (1986), Thomke/v. Hippel (2002), v. Hippel/ Katz (2002), Franke/v. Hippel (2003a) Geschka/Herstatt (1991) Kirchmann (1994), Kirchmann (1996), Kirchmann (2001) Gales/MansourCole (1995) Gemünden/Ritter/ Heydebreck (1996) Gruner (1997), Gruner/Homburg (1998), Gruner/Homburg (2000) Ragatz/Handfield/ Scannell (1997)
Campbell/Cooper (1999) Bettencourt et al. (2002)
Inhalt Entwicklung des Konzepts der „Lead User“. Ableitung von Handlungsempfehlungen zur Identifizierung und Einbindung dieser Kundenschicht in Marktforschungsaktivitäten für Neuproduktentwicklungen. Untersuchung von Methoden zur Aufdeckung latenter Kundenbedürfnisse. Untersuchung der Involvierung des Anwenders in Innovations- und Informationsprozesse in gemeinsamen Neuproduktentwicklungen. Analyse des Informationsflusses in Innovationsprojekten in Abhängigkeit von Unsicherheit sowie weiteren Umfeldfaktoren. Untersuchung des Innovationsprozesses innerhalb von Unternehmensnetzwerken. Feststellung unterschiedlicher Netzwerktypen in Abhängigkeit des Innovationstyps (Prozess/Produkt). Analyse des Interaktionsverhaltens zwischen Kunden und Zulieferern bei der Entwicklung neuer Produkte. Untersuchung des Interaktionsverhaltens zwischen Zulieferern und Herstellern bei der Entwicklung neuer Produkte unter besonderer Berücksichtigung des NIHSyndroms. Vergleich des Erfolgs neuer Produkte in Abhängigkeit der Kundenmitwirkung. Eine signifikant höhere Erfolgswahrscheinlichkeit der Produkte mit Kundenmitwirkung konnte nicht festgestellt werden. Entwicklung eines Management-Modells, zur Strukturierung der Kundenmitwirkung bei Dienstleistungen.
594
Vgl. Stotko (2005), S. 69.
595
Vgl. Gruner/Homburg (1998), S. i.
596
Vgl. Stotko (2005), S. 69.
Forschungsdesign
Konzeptionell
Empirisch Empirisch
Empirisch
Empirisch
Empirisch
Empirisch
Empirisch
Empirisch
597
Vgl. v. Hippel (1986), S. 800 ff. und Reichwald/Piller (2009), S. 136 f.
598
Vgl. Franke/v. Hippel (2003a), S. 1209 und Herstatt/v. Hippel (1992), S. 216. Vgl. v. Hippel (2006), S. 20 für eine Übersicht weiterer Studien.
3.2 Interaktionsorientierung
Tollin (2002) Stump/Athaide/ Joshi (2002) Smulders (2004)
Balderjahn/Schnurrenberger (2005) Foss/Laursen/ Pedersen (2006) Lettl/Herstatt/ Gemünden (2006)
137 Untersuchung der Auswirkungen von CustomizationStrategien auf die Kundenintegration in der Produktentwicklung. Untersuchung des moderierenden Effekts von Customization auf die Zufriedenheit der Anbieter. Untersuchung unterschiedlicher Lernstile in der Neuproduktentwicklung und der Produktion (in Abhängigkeit der Lernumgebung) bzw. der Interaktion zwischen beiden Bereichen. Ableitung von Bewältigungsstrategien. Untersuchung virtueller Kundenintegration/-beteiligung (Anwendungsvoraussetzungen, Methoden, Vorzüge und Grenzen) Untersuchung des Einflusses organisationaler Praktiken auf Wissensweitergabe und Innovationskapazität. Untersuchung des Beitrags von Nutzern in frühen Innovationsphasen radikaler Innovationsprojekte in der Medizintechnikbranche.
Empirisch Empirisch Konzeptionell/ Empirische Überprüfung Konzeptionell Empirisch Empirisch
Tabelle 11 Quellenauswahl zum Stand der IO-Forschung III
Ein breiter Strang der Forschung zu Interaktionen in der Neuproduktentwicklung stellt sich die Frage, wie eben diese innovativen Nutzer und Kunden identifizierbar sind und wie sie zur Zusammenarbeit in der Neuproduktentwicklung bewegt werden können.599 VON HIPPEL (1986) nennt diese Zielgruppe „Lead User“ und definiert sie als „[…] users whose present strong needs will become general in a market place months or years in the future.“600 THOMKE/V. HIPPEL (2002) führen diesen Gedanken weiter und bezeichnen drei Faktoren, die für den Einbezug von Kunden/Lead Usern sprechen. Erstens: schrumpfende Märkte und das Bedürfnis nach kundenspezifischen Lösungen. Zweitens: eine hohe Anzahl notwendiger Iterationsschleifen in der Neuproduktentwicklung. Drittens: die weite Verbreitung von Simulations- oder PrototypingSoftware.601 Obwohl das günstigere Kosten-Nutzen-Verhältnis gemeinsamer Produktentwicklung anerkannt wird,602 stellen GESCHKA/HERSTATT (1991) fest, dass Techniken, die auf der Einbindung des Kunden in die Neuproduktentwicklung beruhen, von Anbietern verhältnismäßig selten eingesetzt werden.603 Dieser Befund wurde zwar bereits vor 18 Jahren festgestellt, eigene Workshops im Themenbereich interaktive Mediennutzung im Maschinen- und Anlagenbau bestätigen jedoch, dass Anbieter i. d. R. noch immer unterstützende, interaktive Medien mit Zurückhaltung einsetzen. Eine Begründung für die geringe Adoption von Techniken der Kundeninteraktion in der Neuproduktentwicklung könnten Probleme in deren Erfolgsmessung sein. Tatsächlich finden sich widersprüchliche Ergebnisse in der Literatur. CAMPBELL/COOPER (1999) vergleichen Innovationsprojekte, die partnerschaftlich durchgeführt wurden, mit Projekten, die „in-house“ 599
Vgl. v. Hippel (1986), S. 797 ff.
600
Von Hippel (1986), S. 791.
601
Vgl. Thomke/v. Hippel (2002), S. 77.
602
Ausnahmefälle zu dieser Regel berichtet v. Hippel (2006), S. 111 für bestimmte Plattformstrategien.
603
Vgl. Geschka/Herstatt (1991), S. 215.
138
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
entwickelt wurden, und können dabei keine signifikante Erfolgswirkung feststellen.604 FRANKE/V. HIPPEL (2003B) und STUMP/ATHAIDE/JOSHI (2002) präsentieren hingegen Untersuchungen, die eine Erfolgswirkung messen.605 Die Untersuchung von GRUNER/HOMBURG (2000) wirft ein differenzierteres Bild auf den Kundeninteraktionsprozess, indem die Betrachtung der Interaktion in verschiedenen Stufen des Innovationsprozesses erfolgt.606 Es werden positive signifikante Einflüsse der Kundeninteraktion in den Stufen „idea generation“, „product concept development“, „prototype testing“ und „market launch“ berichtet.607 Darüber hinaus konnten GRUNER/HOMBURG (2000) die Hypothesen zu folgenden förderlichen Kundeneigenschaften bestätigen: Finanzielle Attraktivität, enge Kundenbeziehung und die Existenz der Lead-User-Charakteristika beeinflussen den Neuprodukterfolg positiv.608 Der Großteil der Ergebnisse in diesem Forschungsstrang impliziert, dass Interaktion in der Neuproduktentwicklung erfolgswirksam ist. Folgt man verschiedenen Autoren, dann haben die Interaktionen in Kauf-/Verkaufsvorgängen, in Netzwerken und in der Neuproduktentwicklung eine Gemeinsamkeit: den Austausch von Informationen bzw. in der Lesart dieser Arbeit den Austausch von Anwendungswissen.609 In vielen Untersuchungen wird Innovation tendenziell als eigener Vorgang innerhalb des Unternehmens betrachtet und analysiert. Diese Spaltung bildet die Realität in Unternehmen ab: Innovation findet in der Regel in F&E-Abteilungen statt, alltägliche Kundeninteraktionen hingegen im Vertrieb. Marketing- und Marktforschungsabteilungen vermitteln und unterstützen. Ergreift man nun jedoch die Sicht des Kunden – und an dieser Stelle wird daran erinnert, dass die Kundenorganisation gemäß dem systemtheoretischen Verständnis die unterschiedlichen Prozesse einer Anbieterorganisation nicht vollends durchdringt und versteht –, dann ist festzustellen, dass die Kundenorganisation Interaktionen zur Neuproduktentwicklung nicht anders wahrnehmen und nach ähnlichen Kriterien beurteilen wird wie sämtliche alltäglichen Interaktionen in der
604
Vgl. Campbell/Cooper (1999), S. 507. Als mögliche Begründung für den Befund kann angeführt werden, dass eventuell der Charakter zwischen den Projekten unterschiedlich ist und daher die Projekte im Sinne einer „Make or Buy“-Entscheidung intern bzw. extern gelöst wurden. Gegebenenfalls kann es sein, dass ein Vergleich nicht zielführend ist (vgl. Campbell/Cooper (1999), S. 513 ff.). Piller/Reichwald (2004), S. 77 zeigen weitere Beispiele, bei denen der Einsatz von CAP-Techniken nicht den erwarteten Erfolg erzeugt hat.
605
Vgl. Franke/v. Hippel (2003b) und Stump/Athaide/Joshi (2002), S. 439.
606
Vgl. Gruner/Homburg (2000), S. 8.
607
Vgl. Gruner/Homburg (2000), S. 8. Der Effekt in der Stufe „idea generation“ ist positiv signifikant auf dem Signifikanzniveau von p < 0,1, alle anderen Effekte zeigen signifikante Wirkungen bei p < 0,05.
608
Vgl. Gruner/Homburg (2000), S. 10. Alle Effekte wurden auf dem Signifikanzniveau von p < 0,05 bestätigt. Für die technische Attraktivität konnte kein Effekt festgestellt werden.
609
Vgl. Kirchmann (1996), S. 443, Kirchmann (2001), S. 376 und Stotko (2005), S. 69. Ähnlich argumentieren auch Reichwald/Piller (2009), S. 46, die der Meinung sind, dass die Konzepte des Innovations- und Produktionsmanagements auch in Anwendungen des Marketings oder des Bereichs After-Sales vorstellbar sind.
3.2 Interaktionsorientierung
139
regulären Geschäftsbeziehung.610 Es stellen sich also die folgenden Fragen: Wie wirken operative Alltagsinteraktionen und Interaktionen zur Neuproduktentwicklung zusammen? Wie kann eine Interaktionsorientierung beide Aspekte gleichzeitig unterstützen? Mit Ausnahme von TOLLIN (2002) finden sich in der Literatur hierzu relativ wenige Anhaltspunkte. Die Erklärung von Neuprodukterfolg ist nicht der zentrale Aspekt dieser Arbeit, sondern das Zusammenwirken von Interaktions- und Lernorientierung als Kundeninteraktionskompetenz. Da die Problem- und Aufgabenstellung in Industriegütermärkten ständig innovative Problemlösungen erfordert – und damit die Grenze zwischen Leistungserstellung und Innovation verwischt –, würde eine Ausklammerung des Neuprodukterfolgs eine unzulässige Verkürzung darstellen. Die Erkenntnisse dieses Abschnitts fließen deshalb in die Konzeptualisierung der beiden strategischen Orientierungen ein, ohne jedoch den Hauptaspekt darzustellen. Die erwarteten positiven Effekte von IO und LO auf den Neuprodukterfolg finden sich so auch im detaillierten Strukturmodell dieser Arbeit wieder.611 Im Gegensatz zu vielen Untersuchungen dieser Literaturübersicht, fokussiert diese Studie auf die Gewinnung von Anwendungswissen aus der regulären Kundeninteraktion. Dementsprechend wurden die Befragten dieser Untersuchung schwerpunktmäßig aus den Bereichen Marketing, Vertrieb und Geschäftsführung gewählt, d. h. aus Bereichen mit regelmäßigem, operativem Kundenkontakt. Der nächste Abschnitt fasst die bisherigen Erkenntnisse in einer ersten, theoriegeleiteten Konzeptualisierung zusammen.
3.2.4
Theoriegeleitete Konzeptualisierung einer Interaktionsorientierung
Die bisherigen Erkenntnisse zur IO bilden nun einen Pool, auf den die Konzeptualisierung zurückgreifen kann. Die Konzeptualisierung der strategischen Interaktionsorientierung soll sich (1) auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Anbieterunternehmens konzentrieren. Die Gestaltungsmerkmale sollen (2) sowohl die Ebene der Werte und Normen eines Unternehmens als auch die Ebene der Praktiken und Prozesse umfassen. Zudem sollen (3) die Elemente der strategischen Interaktionsorientierung in der Lage sein, das grundlegende Interaktionsverhalten gegenüber Kundenunternehmen zu determinieren, egal ob sich dieses Verhalten in Interaktionen zu einzelnen Kunden, in Interaktionen in Netzwerken oder in Kundeninteraktionen im Neuproduktkontext äußert.
610
Vgl. z. B. Tollin (2002), die Customization sowohl als Strategie des Customer Relationship Managements als auch der Produktentwicklung betrachtet.
611
Vgl. Kapitel 5.2.1.
140
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Basierend auf dieser Zielsetzung bieten sich die Untersuchung und Überlegungen von RAMANI/KUMAR (2008) besonders als Grundlage der Konzeptualisierung an.612 Ausgehend von der Beobachtung, dass die IKT- und Marktentwicklungen neue Möglichkeiten des Austauschs mit dem Kunden ermöglichen, sehen sie die Interaktion auf Ebene des einzelnen Kunden als Erfolgsfaktor: „The effective and efficient management of interactions and the interfaces at which these interactions occur are increasingly being recognized as sources of lasting competitive advantage.“613
Mit dieser Beobachtung stehen RAMANI/KUMAR (2008) nicht allein. Diese Argumentationslinie ist auch der Relationship-Management- bzw. der Kundenwertliteratur vertraut.614 RAMANI/KUMAR (2008) kommen in ihrer Literaturanalyse zu dem Schluss, dass in der Literatur kein Konstrukt zu finden ist, welches die zentralen Gestaltungselemente einer Interaktionsorientierung umfasst.615 Die präsentierte Literaturanalyse in diesem Kapitel kommt zu dem gleichen Ergebnis. RAMANI/KUMAR (2008) konzeptualisieren auf Basis von 48 Interviews ein eigenes Konstrukt basierend auf vier Elementen: Customer Concept (Belief), Interaction Response Capability (Process), Customer Empowerment und Customer Value Management (Practises).616 RAMANI/KUMAR (2008) konzeptualisieren das IO-Konstrukt als reflektives Konstrukt zweiter Ordnung.617 Das Messmodell wurde validiert auf Basis eines Datensatzes von 211 Befragten aus insgesamt 107 Firmen, wovon 74 Befragte angaben, dem B2B-Sektor zu entstammen.618 Das IOKonstrukt von RAMANI/KUMAR (2008) erscheint als eine gute Grundlage der Konzeptualisierung, da es bereits im Industriegüterkontext eingesetzt wurde. Die folgenden Punkte begründen die Notwendigkeit, dass das Konstrukt nur als Grundlage verwendet und demzufolge die eigene Konzeptualisierung fortgesetzt wird: x
Das IO-Konstrukt wurde erstmals von RAMANI/KUMAR (2008) entwickelt und basiert auf den Aussagen von 48 Managern, die weitestgehend dem Bereich Marketing zuzuordnen sind. Die Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse auf zweiter Ebene zeigen
612
Grundsätzlich ähnliche Ansätze finden sich z. B. in der CRM-Literatur (vgl. z. B. Reinartz/Krafft/Hoyer (2004)). Viele dort genutzte Gestaltungselemente haben einen ähnlichen Charakter, die grundlegenden Fragestellungen sind jedoch andere.
613
Ramani/Kumar (2008), S. 27.
614
Vgl. z. B. Krafft (2007), S. 309 zur Möglichkeit der „One-to-One-Communication“, die in dem Zusammenhang jedoch hauptsächlich als Mittel der Kommunikationspolitik betrachtet wird.
615
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 27. Interaktionsorientierung wird definiert als „[…] an interaction orientation reflects a firm’s ability to interact with its individual customers and to take advantage of information obtained from them through successive interactions to achieve profitable customer relationships.“
616
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 28 f.
617
Für eine Diskussion verschiedener Messmodelle vgl. Kapitel 4.1.3
618
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 33. Die konfirmatorische Faktorenanalyse auf der zweiten Ebene ergab folgende Werte: 2 = 167,14; df = 61; GFI = 0,82; CFI = 0,94 und SRMR = 0,05.
3.2 Interaktionsorientierung
141
akzeptable Modellfit-Werte.619 Der Vertrieb als eine bedeutende Kundenschnittstelle erscheint in der Konzeptualisierung jedoch vernachlässigt.620 Folglich sollte eine Weiterentwicklung des Konstrukts diese Perspektive einbeziehen und zugleich anstreben, die Operationalisierungen derart anzupassen, dass sich die Modellfit-Werte weiter verbessern. x
In der Studie von RAMANI/KUMAR (2008) wurden sowohl B2B- als auch B2C-Marketingverantwortliche („Senior Level“ und „Top-Level“) angesprochen. Ein Schwerpunkt auf komplexen Kundenproblemstellungen, wie er in dieser Arbeit gegeben ist, ist nicht zu erkennen. Die Zugehörigkeit zu der B2C- bzw. der B2B-Gruppe wurde als Antezendenzvariable des IO-Konstrukts modelliert. Es konnte jedoch keine Wirkung dieser Vorbedingung festgestellt werden. Dieser Befund lässt zweierlei Schlüsse zu: Einerseits ist es durchaus möglich, dass B2C- und B2B-Märkte wirklich keine unterschiedlichen Anforderungen an eine IO haben. Dieser Schluss würde jedoch letztlich bedeuten, dass die breite Literaturbasis des Industriegütermarketings teilweise zu Unrecht von Besonderheiten in der Vermarktung derartiger Güter ausgeht. Andererseits, und dieser Meinung schließt sich diese Untersuchung an, kann der Befund als Indiz dafür dienen, dass die Komplexitätsunterschiede der Problemstellungen in beiden untersuchten Gruppen nicht hoch genug waren. Diese Argumentation stützt die Tatsache, dass RAMANI/KUMAR (2008) nicht von Industriegütermärkten, sondern von B2B-Märkten sprechen.621
x
Basierend auf den theoretischen Grundlagen wurde die Bedeutung der Perspektivenübernahme als Entwicklungsmöglichkeit und Grundlage des Austauschs von Anwendungswissen identifiziert.622 Eine derartige Fokussierung auf den Austausch von Anwendungswissen ist bei RAMANI/KUMAR (2008) nicht zu finden, weshalb eine Anpassung erforderlich erscheint.
x
RAMANI/KUMAR (2008) konzeptualisieren IO als reflektives Konstrukt zweiter Ordnung. In der Diskussion des Messmodells muss kritisch hinterfragt werden, ob ein reflektives Messmodell dem Gestaltungsanspruch dieser Untersuchung Rechnung trägt oder durch eine formative Messphilosophie ersetzt werden muss.623
x
Letztlich nennen RAMANI/KUMAR (2008) abschließend selbst die Bereiche Innovation und organisationales Lernen, deren Einfluss auf bzw. Zusammenwirken mit dem IO-Konstrukt
619
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 33. Insbesondere der GFI-Wert von 0,82 liegt unter dem in der Literatur geforderten Schwellenwert von mindestens 0,9 (vgl. Kapitel 4.1.3 für eine Diskussion relevanter Gütekriterien).
620
Es wird nur von „Marketing Executives“ als Adressaten der Konzeptualisierungsphase und der Befragung gesprochen.
621
Vgl. für eine Abgrenzung beider Begriffe Kapitel 2.1.1.
622
Vgl. Kapitel 3.2.2.2.
623
Diese Diskussion wird in Kapitel 4.1.3 ausführlicher geführt. In dieser Untersuchung wird davon ausgegangen, dass die Dimensionen formativ zu messen sind, da sie als „Reflektionen“ des IO-Konstrukts austauschbar sein müssten.
142
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
noch zu klären ist.624 Da in der zugrunde liegenden Untersuchung IO schwerpunktmäßig aus einer Marketingsicht betrachtet wurde, besteht zum einen die Gefahr, dass Lernaspekte bereits in den Operationalisierungen enthalten sind und so die Diskriminanzvalidität, d. h. die eindeutige Trennung beider Konzepte, gefährdet wird. Zum anderen ist es möglich, dass bedeutende Aspekte aus dem Innovationskontext nicht berücksichtigt wurden. Im Bewusstsein dieser Aspekte, inklusive der Tatsache, dass die relevanten Indikatoren valide ins Deutsche übertragen werden müssen, dienen die vier Dimensionen Customer Concept (CC), Interaction Response Capacity (IRC), Customer Empowerment (CE) und Customer Value Management (CVM) als Grundlage und sollen im Folgenden kurz umrissen werden.625 x
Customer Concept (CC) ist als ein „Belief“ der Organisation konzeptualisiert. Belief wird im Kontext dieser Untersuchung als Werte bzw. Normen des Unternehmens übersetzt und gedeutet. Das in der Unternehmung verankerte, einer IO förderliche Kundenbild sieht den individuellen Kunden als Startpunkt der unternehmerischen Aktivitäten.626 Das Kundenbild wird verstanden als Norm, die „[…] prescribes the unit of analysis of every marketing action and reaction to the individual customer.“627 Da ein enges Marketingverständnis der Idee einer organisationalen Kompetenz, d. h. einer Kompetenz, die für ein ganzes Unternehmen beschreibend ist, nicht zuträglich ist, wird von einem Marketingverständnis ausgegangen, das Marketing als Querschnittsfunktion betrachtet. Aus diesem Grund wird in der weiteren Konzeptualisierung explizit die Vertriebsfunktion, als ein Ort häufiger Kundeninteraktionen, mit einbezogen.
x
Interaction Response Capacity (IRC) stellt eine Fähigkeit eines Anbieterunternehmens dar, Prozesse und Systeme derart zu nutzen, dass es dem Unternehmen möglich ist „[…] to respond to heterogeneous customers differently and also to each individual customer differently at different points in time by pooling information from multiple sources and points in time.“628
IRC beinhaltet in diesem Verständnis auch, dass Erkenntnisse, Feedback, Anwendungswissen etc. aus vorangegangenen Interaktionen mit einem bestimmten Kunden „gespeichert“ bleiben und dynamische Reaktionen möglich sind. IRC wird als Prozess
624
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 42.
625
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 28 f.
626
Vgl. z. B. Diller (1995), S. 442, Kumar/Reinartz (2006), S. 3 f. und Krafft (2007), S. 309.
627
Ramani/Kumar (2008), S. 28. Vgl. auch Peppers/Rogers (2004), S. 66 f., 87 ff.
628
Ramani/Kumar (2008), S. 28.
3.2 Interaktionsorientierung
143
konzeptualisiert und entspricht so dem Verarbeitungs- und Bewertungsprozess in der Austauschtheorie von HOMANS.629 x
Customer Empowerment (CE) baut auf dem grundlegenden Verständnis einer Interaktion als Aktions-Reaktions-Zyklus und dem Aktivitätserfordernis der Theorie der multiplen Perspektiven auf.630 Entsprechend der systemtheoretischen Grundlage ist es dem Anbieterunternehmen demnach nicht möglich, direkt Interaktionen und Vorgänge bei der Kundenorganisation auszulösen bzw. zu bestimmen. Nichtsdestotrotz ist es möglich, eine entsprechende Atmosphäre zu schaffen bzw. den ersten Schritt, d. h. die erste Aktion, seitens des Anbieters auszulösen. Demnach unterstützt CE, d. h. Kundenmotivation, Kunden mit Möglichkeiten „[…] to (1) connect with the firm and actively shape the nature of transactions and (2) connect and collaborate with each other by sharing information; praise; criticism; suggestions; and ideas about its products, services, and policies.“631
x
Customer Value Management (CVM) beruht auf ressourcenorientiertem Denken. Während die bisher vorgestellten Teilkonstrukte implizieren, dass ein Mehr grundsätzlich besser ist, stellt das Kundenwertmanagement eine Messlatte bzw. einen Regulator für die Ausprägung interaktionsorientierter Aktivitäten vor. Im Einklang mit HOMANS’ Überlegungen ergeben sich durch (Kunden-)Interaktionen nicht nur ein Nutzen für das Unternehmen, sondern auch gleichzeitig Kosten.632 PEPPERS/ROGERS (2004) heben hervor: „The essence of managing customer relationships is treating different customers differently.“633 Auf Basis des Kundenwertmanagements werden Nutzen und Kosten für den Anbieter bewertet. 634 Damit kann ein Unternehmen feststellen, wie vorteilhaft eine Interaktion oder ganze Beziehung erscheint, und seine Aktion bzw. Reaktion dementsprechend gestalten.635 Da die Betrachtung der Ebene des einzelnen Kunden für eine Interaktionsorientierung relevant ist, drückt sich CVM aus als
629
Vgl. Kapitel 3.2.2.1. Krohmer (1999), S. 176 stellt für Reagibilität von Marktinformationen positive Effekte auf Effizienz, Effektivität und Anpassungsfähigkeit heraus, sodass zu erwarten ist, dass auch von der IRCDimension (als Teil einer Interaktionsorientierung) erfolgsrelevante Beiträge ausgehen. Vgl. auch Homburg/ Grozdanovic/Klarmann (2007), S. 21.
630
Vgl. Kapitel 3.2.2.2.
631
Ramani/Kumar (2008), S. 29.
632
Vgl. Kapitel 3.2.2.1.
633
Peppers/Rogers (2004), S. 88. Vgl. auch Zeithaml/Rust/Lemon (2001), S. 118.
634
Vgl. Hippner (2006), S. 21.
635
In der Terminologie der Austauschtheorie Homans’ handelt es sich bei Aktion/Reaktion nach Bewertung um eine Belohnung oder Bestrafung.
144
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
„[…] the extent to which the firm can define and dynamically measure individual customer value and use it as its guiding metric for marketing resource allocation decisions.“636
Die vorgestellten Dimensionen (= Teilkonstrukte) umfassen noch nicht alle theoretisch hergeleiteten Elemente (z. B. die Bedeutung der Perspektivenübernahme).637 Zudem umfassen die Skalen insgesamt nur 13 Indikatoren (drei bzw. vier Indikatoren pro Dimension). Dies ist im Rahmen einer reflektiven Messung ausreichend (da die einzelnen Indikatoren und Dimensionen als austauschbar betrachtet werden), liegt jedoch für eine multivariate Güteüberprüfung der einzelnen Teilkonstrukte am untersten Ende. Im Folgenden wird deshalb auf der Grundlage explorativer Interviews untersucht, ob sich die von RAMANI/KUMAR (2008) beschriebenen Konstrukte belegen lassen und ob weitere Indikatoren bzw. Teilkonstrukte zur Erklärung einer strategischen Interaktionsorientierung im Rahmen komplexer Problemstellungen in Industriegütermärkten nötig sind.
3.2.5
Überprüfung der Konzeptualisierung einer Interaktionsorientierung auf Basis explorativer Experteninterviews
Das Vorgehen der explorativen Tiefeninterviews wurde bereits in Kapitel 3.1 näher erläutert.638 Im Verlauf der Interviews wurden die Befragten bewusst nicht frühzeitig auf die Individualisierung des Marketings und der Kundenbeziehungen hingewiesen. Dieses Vorgehen wird einerseits begründet mit der Anlehnung an das Vorgehen bei TULI/KOHLI/BHARADWAJ (2007), die bewusst den Fokus der Befragung weiter öffnen. Andererseits wird eine Verzerrung der Konstrukte hin zur Ebene des Einzelkunden aufgrund der Fragestellung der Exploration bei RAMANI/KUMAR (2008) vermutet und soll in dieser Untersuchung vermieden werden.639 Als Ergebnis der Interviews zeigen sich Anpassungen und Ergänzungen in allen Dimensionen des IO-Konstrukts. Die Interviews lieferten kaum Unterstützung für die vermutete Existenz einer Customer-Concept-Dimension (CC) in Industriegütermärkten. Im Einklang mit der theoretischen Fundierung wurden jedoch zahlreiche Hinweise entdeckt, die für eine neue Dimension im Sinne einer Perspektivenübernahme sprechen. Diese Dimension wird im Folgenden als Wert-/Normdimension konzeptualisiert (Customer Problem Understanding – CPU). CPU beschreibt auch die Individualisierung der Kundenproblemstellungen, jedoch nicht die generelle Individualisierung des Kundenbilds, die in der verworfenen CC-Dimension
636
Ramani/Kumar (2008), S. 29.
637
Vgl. Kapitel 3.2.2.3.
638
Die Zitate der Befragten werden anonymisiert dargestellt. Angegeben werden lediglich Position und Branche der befragten Person. Aufgrund der gleichen Kombination der Position und Branche einiger Befragter können mehrere aufeinanderfolgende Zitate die gleiche Quellenangabe tragen. Dennoch handelt es sich in diesen Fällen um unterschiedliche Befragte.
639
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 28. Die erste der beiden Kernfragen lautete: „Is marketing more about interactions with individual customers than before?“
3.2 Interaktionsorientierung
145
verankert ist. Im Folgenden werden die einzelnen Dimensionen mit ihren Veränderungen dargestellt. Die Reihenfolge der Dimensionsbeschreibungen folgt dem Muster Werte/Normen und Praktiken/Prozesse.
3.2.5.1
CPU – Customer Problem Unterstanding/Verständnis für Kundenprobleme
In der theoriegeleiteten Konzeptualisierung wurde die Wert- bzw. Normdimension durch die CC-Dimension abgebildet. Die CC-Dimension erscheint aufgrund der mangelnden Unterstützung durch die geführten Interviews nicht haltbar und wird deshalb verworfen. Dennoch sind in einigen Aussagen Individualisierungstendenzen zu erkennen. Eine vollständige Individualisierung der Interaktion und Marketingaktivitäten kann nicht als Trend herausgestellt werden, wohl aber ein Denken hin zu kleineren Kundeneinheiten bzw. Kundenproblemstellungen.640 Der Befund deutet darauf hin, dass es eine relevante Wert- bzw. Normdimension gibt, die auf die Übernahme von Kundenproblemstellungen ausgerichtet ist. Die theoretische Grundlage legt die Vermutung nahe, dass ein aktives „Durchdringen“ bzw. „Verstehen“ (soweit dies vor dem Hintergrund der systemtheoretischen Grundlage überhaupt vollständig möglich ist) im Sinne einer Perspektivenübernahme der Übertragung von Anwendungswissen und der Unternehmensentwicklung zuträglich ist.641 Tatsächlich finden sich in den Interviews zahlreiche Anhaltspunkte, die erkennen lassen, dass das Verständnis des Kundenproblems zentral für den (Interaktions-)Erfolg des Unternehmens ist. Dieses Verständnis scheint in vielen Unternehmen mittlerweile tief verankert zu sein.642 „A success factor for a learning organization is to clearly understand the problem [of the customer]. This [some negative observations have been presented upfront] observation is derived from too many examples in which the problem has not been understood.“643 „Aus Unternehmenssicht stellt der Kunde bzw. die Kundeninformation Start und Ende der Tätigkeiten dar. D. h. Kundeninformationen nehmen einen großen Stellenwert ein.“644
Die angeführten Zitate verdeutlichen die grundsätzliche Bedeutung des Verständnisses des Kundenproblems. In weiteren Aussagen wurde auch darauf hingewiesen, dass die Sichtweise des Kunden mittlerweile einen zentralen Stellenwert in der internen Ausbildung des Unternehmens
640
Festgestellt wurde beispielsweise, das gehäufte Auftreten der Nennung von Key-Account-Management-Praktiken sowie ein Trend zu flexibleren Produktionstechnologien mit kleineren Losgrößen (z. T. mit Losgrößen von „eins“).
641
Ähnlich bei Christopher/Payne/Ballantyne (2002), S. 25.
642
Vgl. auch Cooper (1993), S. 59.
643
Zitat aus dem Interview mit einem Technologie-/Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Elektronik/Elektrotechnik.
644
Zitat aus dem Interview mit einem Produktmanagementverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
146
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
einnimmt. Dass der Aspekt des Verständnisses der Kundenprobleme nicht nur für die aktuelle und vergangene Situation, sondern auch für die Gegenwart bedeutend ist, zeigt das folgende Zitat: „Eine Herausforderung des Marketings ist es, ein gemeinsames Kundenverständnis zu schaffen, um daraus abgeleitet, ein gemeinsames Marktverständnis zu erreichen. Dieses Verständnis ist auch innerhalb der Organisation transparent und verständlich zu machen. Es ist ein nächster Schritt, ein gemeinsames Verständnis für die Kundenentwicklung […] zu entwickeln.“645
Ein besonderes Charakteristikum des Industriegütermarktes im Bereich des Verständnisses von Kundenproblemen ist der Aspekt der abgeleiteten Nachfrage, was das nächste Zitat verdeutlicht: „[…] in der Vergangenheit existierte eine Marktorientierung; derzeit wird viel stärker versucht, die einzelnen Kundenproblemstellungen aufzugreifen und zu verstehen. Damit geht es auch darum zu verstehen, wo der Kunde unseres Kunden ein Problem hat.“646
Auf der theoretischen Grundlage und den Erkenntnissen der Experteninterviews wird davon ausgegangen, dass das Verständnis für Kundenprobleme ein zentraler Aspekt einer Interaktionsorientierung ist. Dieses Grundverständnis des Stellenwerts von Kundenproblemen bestimmt die Interaktionen eines Unternehmens und wird deshalb als Norm bzw. Wert modelliert. Die Verankerung der Bedeutung des Kundenproblems (bzw. dem darin enthaltenen AW) in einem Unternehmen ist somit als ausschlaggebend für die Gestaltung von Praktiken und Prozessen im Rahmen der Kundeninteraktion zu verstehen. Entsprechend der Interviewergebnisse wurde die Dimension CPU mit drei Indikatoren operationalisiert (vgl. Tabelle 12). CPU – Customer Problem Unterstanding/Verständnis für Kundenprobleme Mein Unternehmen/meine Geschäftseinheit … CPU1 – versucht aktiv, die Geschäftsprozesse und Probleme der Kunden zu verstehen. CPU2 – verfügt über eine systematische Vorgehensweise zur Analyse individueller Kundenprobleme. CPU3 – versucht aktiv, die Problemstellungen der Endkunden (Kunden unserer Kunden) zu verstehen.
Tabelle 12 Operationalisierung der Dimension Customer Problem Understanding
645
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
646
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
3.2 Interaktionsorientierung
3.2.5.2
147
IRC – Interaction Response Capacity/Interaktionsfähigkeit
Die IRC-Dimension beruht auf der Vermutung, dass es Prozesse und Systeme geben muss, mithilfe derer individuelles Kundeninteraktionsverhalten gespeichert wird und dynamische Reaktionen des Unternehmens ermöglicht werden. Generell wurde diese Vermutung durch die Interviewergebnisse bestätigt. Genannt wurden zahlreiche Prozesse, Praktiken, Tools und Systeme. Die Nennungen unterscheiden sich stark anhand des Formalisierungsgrades: Während die meisten Befragten berichten, dass bedarfsabhängig Experten zu einem Verkaufsvorgang oder einem Selling Center hinzugezogen werden können, existieren in anderen Unternehmen sogar so genannte Team-Management-Portale, die multipersonale Verkaufs- und Betreuungsprozesse unterstützen. Ein weiterer Aspekt mit großer Bandbreite in den Nennungen der benannten Abläufe und Werkzeuge ist deren Nutzungsfrequenz. Beispielsweise berichtet ein Vertriebsverantwortlicher aus dem Bereich Elektronik/Elektrotechnik sowohl vom Einsatz kontinuierlich zugänglicher elektronischer Salesforce Administration Tools (SFA) als auch von einem jährlichen Treffen des Vertriebsmanagements mit den bedeutendsten Kunden. Interessant sind ebenfalls die Äußerungen der Befragten, wonach die Interaktionsfähigkeit der Organisation teilweise auch durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird: „Die SA-Abteilung [Special Applications] kommt dann ins Spiel, wenn man mit Kundenproblemen zu tun hat, die mit regulären Komponenten nicht gelöst werden können. Hier wird unterschieden in verschiedene Aufgabenarten: Anpassung (z. B. Dimensionierung von
Produkten),
wicklungen.“
Neukombinationen
von
bestehenden
Produkten
und
Neuent-
647
Die IRC-Dimension wird mit den vier übertragenen Indikatoren der Studie von RAMANI/KUMAR (2008) operationalisiert. Zusätzlich werden zwei weitere Indikatoren ergänzt, die sich aufgrund der explorativen Interviews herauskristallisiert haben (vgl. Tabelle 13). IRC – Interaction Response Capacity/Interaktionsfähigkeit Mein Unternehmen/meine Geschäftseinheit … IRC1 – verwendet formale Systeme, die stets Informationen zu einzelnen Kunden(trans)aktionen aufzeichnen. IRC2 – kann alle Transaktionen identifizieren, die einem einzelnen Kunden zuzuordnen sind. IRC3 – analysiert Transaktionen, um zukünftige Transaktionen, Bedürfnisse und Potenziale einzelner Kunden frühzeitig zu erkennen. IRC4 – ermöglicht allen Mitarbeitern mit Kundenkontakt jederzeit Zugriff auf Informationen zu einzelnen Kunden. IRC5 – ordnet systematisch Vertriebs- oder Support-Mitarbeiter längerfristig einzelnen Kunden zu. IRC6 – bearbeitet Anfragen mit höherer Komplexität oder Individualität in eigenen Abteilungen.
Tabelle 13 Operationalisierung der Dimension Interaction Response Capacity
647
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
148
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
An dieser Stelle sei ein kurzer Exkurs gestattet, der in engem Zusammenhang mit der IRCDimension steht: Auf die Frage, wo genau in der Unternehmenskultur eine strategische Interaktionsorientierung zu finden sei, zeigte sich bei fast allen Interviews der gleiche Befund: Für die Befragten war die Antwort zunächst schwierig. Die Existenz einer gesonderten Organisationseinheit für Key Accounts, d. h. Schlüsselkunden, wurde von den meisten Befragten nach einiger Überlegung als Indikator einer IO angegeben: „Die Behandlung von Key Accounts könnte in dieses Feld fallen. Neben den Key Accounts gibt es noch strategische Kunden. Von diesen Kunden kann technologisch gelernt werden, wie der Kunde vorgeht […]. Umsatz ist hier eher zweitrangig. Bei Key Accounts und strategischen Kunden existieren speziell abgestellte Mitarbeiter, die diese Kunden betreuen.“648
Im Sinne des bereits diskutierten Lead-User-Konzepts deutet obiges Zitat an, dass neben den i. d. R. über Umsatz definierten Key Accounts auch weitere, aus Lernaspekten heraus interessante Interaktionspartner in der Unternehmensumwelt identifiziert werden können. Diese Kunden sind insbesondere aufgrund ihrer Bedürfnisinformationen bzw. in der Lesart dieser Untersuchung, ihrem Anwendungswissen, interessant: „Zur Identifikation neuer Geschäftsfelder werden neben den klassischen Recherchearbeiten auch sehr früh und stark Kunden eingebunden. […] Ziel ist die Bedürfnisermittlung und Bedürfnisanalyse.“649
Durch die Fokussierung einer Unternehmenseinheit auf einen bzw. wenige Kunden erhöhen sich einerseits die Interaktionsdichte und gleichzeitig das Vorwissen zu einzelnen Transaktionen und Kundenbeziehungen. Diese Fokussierung entspricht der Definition von Key Accounts bei PARDO (2001).650 Auf Basis der mehrfachen Nennung der Key-Account-Praktiken ist zu überlegen, inwieweit diese mit bisherigen Überlegungen in Einklang zu bringen sind und eine Ausprägung einer Interaktionsfähigkeit (IRC) darstellen oder ob nicht eine weitere Dimension des IO-Konstrukts zu konzeptualisieren ist. Auf Basis sachlogischer Überlegungen wird die Nennung von Key-Account-Praktiken wie folgt gedeutet: Die Betreuung wichtiger Kunden stellt eine Aktivität dar, die versucht, die Perspektive des jeweiligen Kunden genauer zu verstehen und zu bewerten. In der Interaktion mit den strategischen Kunden kommen Kosten/Nutzen-Überlegungen zum Tragen, da nur attraktive Kunden in den Genuss dieser Praktik des Anbieterunternehmens kommen.651 Key-Account-
648
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
649
Zitat aus dem Interview mit einem Produktmanagementverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
650
Pardo (2001), S. 2: „In a firm’s customer portfolio, there is a central core (of customers). The supplier believes that if the exchanges with these customers are managed in a specific way, they can offer greater commercial efficiency. These are the customers the supplier designates as his firm’s key accounts.“
651
Ob die Attraktivitätsentscheidung aufgrund von Umsatz- oder Lernzielen getroffen wird, sei hier zunächst zweitrangig.
3.2 Interaktionsorientierung
149
Praktiken lassen sich demnach also auf zwei Elemente reduzieren: Die Ausprägung einer bestimmten Interaktionsfähigkeit für bestimmte Kundengruppen und zugleich die Ausprägung der Fähigkeit, diese Gruppen entsprechend zu identifizieren und zu bewerten. Beide Elemente sind bereits in der theoriegeleiteten Konzeptualisierung in Form der IRC- und CVM-Dimension beinhaltet. Mit dem Ziel der Vermeidung redundanter Informationen wird keine gesonderte Dimension in die Untersuchung aufgenommen.
3.2.5.3
CE – Customer Empowerment/Kundenmotivation
Methoden der Kundenmotivation bzw. Kundenselbstbefähigung ermöglichen Kunden, mit dem Anbieterunternehmen in Austausch zu treten und zusammenzuarbeiten.652 Entsprechend der Literaturrecherche betrifft dies sowohl den Innovationsbereich als auch den alltäglichen, operativen Vertrieb. In der Befragung zeigte sich oft, dass unter Kundenmotivation i. d. R. technische Angebote fallen, die dem Kunden eine individuelle Vorinformation oder eine Individualisierung der Anfrage/Angebote ermöglichen. „Dem Kunden stehen Auslegungstools und Produktkonfiguratoren zur Verfügung, dadurch kann er sich auch selbstständig mit unseren Produkten vertraut machen und sie auf seine Bedürfnisse hin optimieren.“653 „Der Bereich Service spielt eine zunehmend größere Rolle. Hierzu zählen z. B. auch Informationen und verschiedene Medienangebote, die zu bestimmten Zeiten im Beschaffungs-/Entscheidungsprozess als Service dienen können. Dazu zählen z. B. Konfiguratoren, E-Shop oder CAD-Daten.“654
Das Unternehmen offeriert mit derartigen technischen Angeboten eine proaktive Interaktion, die vom Kunden bedarfsgerecht verarbeitet werden kann. In der Regel halten derartige Systeme standardisierte bzw. modularisierte weitere Reaktionen für mögliche Kundenreaktionen bereit, sodass die Nutzung dieser technischen Angebote und Services direkt in einen (meist technischen) Interaktionszyklus führt. Seltener in den Befragungen genannt, jedoch mittlerweile Industriestandard, sind Systeme und Prozesse, die Kunden dazu ermuntern, dem Anbieter Anregungen und Anfragen mitzuteilen.655 Den Wert derartiger Informationen belegt z. B. folgendes Zitat:
652
Analog zu Empowerment-Konzepten für Mitarbeiter sprechen MacDonald/Tobin (1998) vom Empowerment des Abnehmers bzw. Kunden.
653
Zitat aus dem Interview mit einem Produktmanagementverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
654
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
655
Es wird davon ausgegangen, dass sich die Seltenheit der Nennung deshalb ergibt, da die Etablierung eines Feedbackkanals nicht mehr als ein Differenzierungsmerkmal empfunden wird.
150
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
„Aus der Analyse und Verdichtung der Anfragen können bestimmte Trends erkannt werden (z. B. in einer Teilbranche). Indikatoren sind auch Anfragen, die nicht beantwortet werden konnten, da so Lücken im Leistungsportfolio entdeckt werden können.“656
Kundenmotivation beinhaltet demnach sowohl proaktive Interaktionen als auch die Öffnung und Ermunterung zur Nutzung eines Rückkanals. Je nach Komplexität der Problemstellungen kann dieser Rückkanal verschiedene Formen annehmen und z. B. auch als Face-to-face-Kanal gestaltet sein.657 Weniger intuitiv, jedoch ebenfalls Bestandteil der Skala von RAMANI/KUMAR (2008) und im Einklang mit Erkenntnissen aktueller Forschungen, ist der positive Effekt der Nutzung von Community-Informationen.658 Die Community-Nutzung in Industriegüterunternehmen erscheint derzeit geringer ausgeprägt als im Bereich der Konsumgüter, dennoch wird dieser Indikator beibehalten.659 Obwohl die Themen Innovation und Kundenmotivation im operativen Geschäft eng beieinanderliegen, eigentlich sogar eine Verbindung darstellen, werden in der Praxis die Bereiche Vertrieb und F&E trotzdem meist als getrennt wahrgenommen: „Bereits in der Forschung arbeitet XX […] mit dem Kunden zusammen. Dies geschieht unabhängig vom regulären Vertrieb.“660
Aus der Perspektive des Kundenunternehmens ist es jedoch egal, für welchen Zweck Anwendungswissen an die Anbieterorganisation übertragen wird, solange die Problemstellung des Kunden zufriedenstellend gelöst wird. Sowohl Aspekte des alltäglichen Vertriebs als auch des Innovationsmanagements sollten deshalb in der CE-Dimension vertreten sein. Es zeigt sich, dass die CE-Dimension sowohl das alltägliche operative Geschäft als auch den Bereich Innovation umfassen sollte. Alle Indikatoren der Studie von RAMANI/KUMAR (2008) werden übernommen und um ein weiteres Innovations-Item ergänzt (vgl. Tabelle 14). CE – Customer Empowerment/Kundenmotivation Mein Unternehmen/meine Geschäftseinheit ermuntert die Kunden aktiv dazu, … CE1 – ihre Meinungen zu unseren Produkten und Services dem Unternehmen mitzuteilen. CE2 – ihre Meinungen zu unseren Produkten mit anderen Kunden auszutauschen. CE3 – Ideen zu Neu- und Weiterentwicklungen dem Unternehmen mitzuteilen. CE4 – bei der Entwicklung neuer Produkte und Services in einem interaktiven Austausch mitzuwirken.
Tabelle 14 Operationalisierung der Dimension Customer Empowerment
656
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
657
Beispielsweise wurden „Kundenworkshops“ als Methode in einem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Anlagenbau genannt.
658
Vgl. z. B. West/Lakhani (2008).
659
Beispiele für Plattformen community-basierter Innovationen sind www.threadless.com (Konsumgüter) und www.innocentive.com (Industriegüter).
660
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau. Das Zitat wurde anonymisiert.
3.2 Interaktionsorientierung
3.2.5.4
151
CVM – Customer Value Management/Kundenwertmanagement
Die Dimension CVM wird konzeptualisiert als ein Orientierungselement des Unternehmens, welches den gezielten Einsatz einzelner Gestaltungselemente einer strategischen Interaktionsorientierung ermöglicht. Die Begriffe des Kundenwerts und Kundenpotenzials, verstanden als der Wert eines Kunden bzw. dessen zukünftiger Nutzen für das Anbieterunternehmen,661 spielen in der Industriegüterpraxis eine bedeutende Rolle. Dementsprechend berichteten die Befragten von einer Vielzahl unterschiedlicher Umsetzungen und Umsetzungsversuche der Messung des Kundenwerts bzw. einer Abschätzung des Kundenpotenzials: „Technische Tracking- und Analysemöglichkeiten für Anfragen und Aufträge (auf Branchenebene, auf Produktebene und kunden(potenzial)orientiert).“662 „In einem SFA-Tool erfolgt eine Kundenpotenzialeinschätzung.“663 „Hierzu gehören Systeme, mit denen versucht wird, die Kundenanforderungen aufzunehmen, d. h. allgemeine Daten, Daten zu konkreten Wünschen, erwartete Volumina und Potenziale.“664 „Tracking customer opportunities outside the global account [is our current goal].“665
Generell stellt sich an diesem Punkt natürlich die Frage, wie zukünftiger Kundenwert zu ermitteln ist. Es ist jedoch festzuhalten, dass in dieser Untersuchung das Bemühen eines Unternehmens um eben jene Bewertung von Interaktionen und Kundenbeziehungen relevant ist und nicht die Exaktheit der Kundenwertmessung. Für die weitere Diskussion zur Realisierung eines derartigen Bewertungssystems muss hier auf die entsprechende Literatur verwiesen werden.666 Das letztgenannte Zitat weist auf die Bedeutung der Individualisierung der Kundenwertmessung hin. Durch die Unterstützung neuer technischer Möglichkeiten (z. B. durch die Nutzung von SFATools) finden zunehmend Kundenbewertungsmethoden Einsatz, die längere Zeit nur für wenige Hauptkunden verfügbar waren. Die Aktualität der jeweiligen Daten ist ein wichtiger Gradmesser dafür, wie stark derartige Systeme in den Gesamtprozess eines Unternehmens eingebunden sind. Tabelle 15 zeigt die fünf Indikatoren der Dimension CVM. Die drei übertragenen Indikatoren der Studie von RAMANI/KUMAR (2008) wurden mit zwei weiteren angepassten Indikatoren aus der Literatur ergänzt.667
661
Vgl. z. B. Kumar/Reinartz (2006), S. 7.
662
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
663
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
664
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
665
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Elektronik/Elektrotechnik.
666
Vgl. z. B. Wildemann (2004) und Kumar/Reinartz (2006), S. 108 ff.
667
Vgl. Müller (2004), S. 356 und Reinartz/Krafft/Hoyer (2004), S. 303.
152
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
CVM – Customer Value Management/Kundenwert Management Mein Unternehmen/meine Geschäftseinheit … CVM1 – hat genaue Kenntnis davon, welche Anteile am Gesamtertrag einzelnen Kunden zuzuordnen sind. CVM2 – stellt Prognosen auf, welche Erträge von jedem einzelnen Kunden in der Zukunft zu erwarten sind. CVM3 – kann Unternehmensertrag als die Zusammenfassung jeder einzelnen kundenspezifischen Marketing- und Vertriebsaktivität errechnen. CVM4 – verfügt über systematische Verfahren, um zu bestimmen, welche Kunden den höchsten Wert aufweisen. CVM5 – aktualisiert ständig seine Kundeninformationen, um den Kundenwert zu bestimmen.
Tabelle 15 Operationalisierung der Dimension Customer Value Management
3.2.6
Zwischenfazit „Konzeptualisierung einer Interaktionsorientierung“
Die Aufgabe dieses Teilkapitels war die Ermittlung der Operationalisierungen und Gestaltungsoptionen einer strategischen Interaktionsorientierung. IO wurde konzeptualisiert als ein holistisches Konstrukt, das sowohl kulturelle (Werte und Normen) als auch verhaltensorientierte Gestaltungsaspekte einbezieht.668 Insgesamt ergeben sich nach der theoretischen Betrachtung, der Literaturanalyse und der Analyse explorativer Interviews vier Dimensionen mit insgesamt 18 Indikatoren. Diese sind in der Lage, eine strategische Interaktionsorientierung zu messen und Anregungen für deren Ausgestaltung zu geben. Die einzelnen Konstrukte können wie folgt in die Definition der IO integriert werden (vgl. auch Abbildung 29): Eine strategische Interaktionsorientierung (IO) zielt darauf ab, den Austausch des Unternehmens mit Trägern relevanten Anwendungswissens (Kunden) durch die Gestaltung von Werten und Normen (CPU), Praktiken (CE und CVM) und Prozessen (IRC) zu optimieren. Gestaltung/Ausprägung einer strategische Interaktionsorientierung (IO)
Konstrukt
Dimensionen
Indikatoren
Verständnis von Kundenproblemen (CPU)
Prozessunterstüt. der Interaktionsfähigkeit (IRC)
Praktiken der Kundenmotivation (CE)
Praktiken des Kundenwertmanagements (CVM)
(3)
(6)
(4)
(5)
Normen/Werte
Prozesse/Praktiken
Abbildung 29 Dimensionen und Gestaltung des IO-Konstrukts
668
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 28. Ein ähnliches Vorgehen findet sich auch bei Homburg/Pflesser (2000).
3.2 Interaktionsorientierung
153
Abschließend soll eine klare Abgrenzung zu benachbarten Konstrukten erfolgen. Entsprechend der Ansätze in Kapitel 2.2.2.2 und 2.2.2.3 sind (1) Marktorientierung und (2) Kundenorientierung verwandte Konstrukte. (1) Marktorientierung wurde von Kohli/Jaworski (1990) definiert als: „[…] the organisation-wide generation of market intelligence pertaining to current and future customer needs, dissemination of the intelligence accross departments and organisation-wide responsiveness to it.“669
IO fokussiert im Gegensatz zur Marktorientierung rein auf den Kunden als Quelle von Anwendungswissen. IO stellt entsprechend dem modifizierten Modell der Entwicklungsphasen der Unternehmung (vgl. Kapitel 2.2.2.2.3) eine Spezialisierung dar, die die Wirkungsweise anderer strategischer Orientierungen nicht einschränkt. Im Unterschied zu gängigen Konzeptualisierungen der Marktorientierung670 beinhaltet das vorgestellte IO-Konstrukt einen höheren Grad an Informationen über die Ausgestaltung der IO, sodass die Befunde besser in die Praxis zurückgespiegelt werden können. Darüber hinaus berücksichtigt das vorgestellte IO-Konstrukt nicht nur Verhaltensaspekte, sondern stellt ein holistisches Konzept vor.671 Zugleich wird berücksichtigt, dass die Realisierung einer bestimmten strategischen Orientierung Ressourcen verbraucht, die entsprechend dem zu erwartenden Nutzen abzustimmen sind.672 (2) Kundenorientierung wird oft als Beziehungsorientierung gedeutet, die sich wiederum im Gegensatz zur Transaktionsmentalität versteht.673 Interaktionsorientierung versucht gleichzeitig, Transaktionen und Beziehungen zu erfassen, ohne zu priorisieren. Damit trifft das IOKonstrukt keine rigiden generellen Empfehlungen, wie z. B. „Massenproduktion“ oder „Mass Customization“ (vgl. Tabelle 6), sondern ermöglicht eine Anwendung über alle Produktionsmethoden hinweg (d. h. von Massenproduktion bis zur Entwicklung spezifischer Einzelanlagen). Zudem weist das IO-Konstrukt ein klares Bekenntnis zur Bidirektionalität organisationaler Interaktion auf, da sowohl die interaktionszyklus-initiierende Aktivität in eine unbestimmte Umwelt hinein (CE) als auch reaktive Prozesse und Praktiken (SKA und IRC) beinhaltet sind. Die Interaktion mit der Umwelt ist zwar notwendig zur Erzielung nachhaltiger Effekte, jedoch nicht hinreichend. Das IO-Konzept stellt Gestaltungsmerkmale vor, die dazu geeignet sind, entsprechende Haltungen zu fördern und Informationen und Anwendungswissen im Unternehmen zu generieren, abzuspeichern und wieder zu verwenden. Das IO-Konzept gibt jedoch
669
Kohli/Jaworski (1990), S. 6.
670
MARKOR-Skala (vgl. Kohli/Jaworski/Kumar (1993)).
671
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 28.
672
Zudem steht bei der IO der Austausch im Vordergrund und nicht die Generierung und Verarbeitung von Informationen über Kunden und Wettbewerb, wie z. B. bei Jiménez-Jiménez/Cegarra-Navarro (2007), S. 696 beschrieben.
673
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 29. Trotz ähnlicher Befunde wird die Abgrenzungsargumentation bei Ramani/Kumar (2008) als nicht zufriedenstellend bewertet.
154
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
wenig Hinweise, wie diese Informationen bzw. dieses Wissen multipliziert werden können oder wie dieses Wissen zu neuen Wertschöpfungsmöglichkeiten (z. B. innovative Produkte) beitragen kann. Im Gegensatz zu menschlichen Wesen können Organisationen zwischen Interaktionen und Lernen trennen:674 Ein Vertriebsmitarbeiter baut im Laufe seiner Karriere durch zahlreiche Kundenbesuche Erfahrungen auf, die seine Arbeit effektiver und effizienter werden lassen (d. h. er handelt und lernt, zum Teil auch unbewusst). Das Unternehmen, das diesen Mitarbeiter effektiv in der Interaktion mit dem Kunden einsetzt, zeigt zwar einen hoch ausgeprägten Grad der Kundeninteraktion (d. h. es handelt), wird jedoch ohne den Übergang dieser Erfahrungen auf andere innerhalb des Unternehmens nicht lernen.675 Der Übergang derartiger Erfahrungen kann als organisationales Lernen verstanden werden. Organisationales Lernen hängt ebenfalls von den handlungsleitenden Werten und Normen, förderlichen Praktiken und Prozessen ab, die beispielsweise dem Vertriebsmitarbeiter zugänglich sind.676 Die Gestaltung von Lernen ist demnach, ähnlich der Gestaltung von Interaktion, auch eine strategische Orientierung, die es im nächsten Teilabschnitt dieses Kapitels zu konzeptualisieren gilt.
3.3
Lernorientierung
Basierend auf den Merkmalen und Forschungsansätzen einer organisationalen Kompetenz wurde Lernorientierung in Kapitel 2.2.1.3.4 bereits wie folgt definiert: Eine strategische Lernorientierung (LO) zielt darauf ab, (Anwendungs-)Wissen durch die Gestaltung von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen zu verankern, nutzbar zu machen und gegebenenfalls zu erneuern. Die Definition wird in den nächsten Abschnitten mit relevanten und messbaren Gestaltungsmerkmalen einer strategischen Lernorientierung angereichert. Die vier Entwicklungsstufen aus Abbildung 23 werden in sechs Abschnitten dokumentiert. Im ersten Abschnitt werden relevante Begrifflichkeiten definiert und abgegrenzt (vgl. Kapitel 3.3.1). Aufgrund der großen Anzahl an theoretischen Vorarbeiten werden im zweiten Abschnitt zunächst verschiedene Forschungstraditionen unterschieden (vgl. Kapitel 3.3.2), um dann im dritten Abschnitt einzelne grundlegende Theorien detaillierter zu betrachten (vgl. Kapitel 3.3.3).677 Aufbauend auf den literatur-
674
Vgl. auch die Argumentation von Baker/Sinkula (1999b), S. 413.
675
Vgl. ein ähnliches Beispiel bei Frohmann (1997), S. 42.
676
Vgl. z. B. Hedaa (1997).
677
Aufgrund der unterschiedlichen Literaturlage zu den beiden strategischen Orientierungen werden die beiden Konzeptualisierungsschritte „Stand der Forschung“ und „grundlegende theoretische Ansätze“ (im Vergleich zum Vorgehen beim IO-Konstrukt) umgekehrt.
3.3 Lernorientierung
155
geleiteten Erkenntnissen erfolgt eine erste Konzeptualisierung (vgl. Kapitel 3.3.4), die abschließend mittels explorativer Interviews validiert wird (vgl. Kapitel 3.3.5 und 3.3.6).
3.3.1
Semantik der Lernorientierung von Unternehmen
Organisationales Lernen (im Folgenden OL abgekürzt) wird von vielen Forschern per se als positiv für den Unternehmenserfolg gewertet.678 Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass eine Vielzahl an Modellen und Theorien in diesem Bereich existiert und das OL-Konzept eine hohe Popularität genießt.679 Damit unterscheidet sich der Forschungsbereich des organisationalen Lernens nicht von der generellen Lernforschung, die sich auf das einzelne Individuum konzentriert.680 Die Erkenntnisse aus dem Bezugsrahmen in Kapitel 2 können als Grundlage für die folgenden Abschnitte genutzt werden. Insbesondere sind dies: (1) Lernen wurde definiert, als eine „[…] dem Menschen als Subjekt zugesprochene Fähigkeit und Notwendigkeit der Anpassung an wandelnde Umweltbedingungen […], beschreibbar über die Veränderung von Verhaltensdispositionen bzw. den Aufbau von Kompetenz.“681 (2) Zudem ist die „Fähigkeit zur Anpassung“ des Lerners im Sinne kognitiv-konstruktivistischer Lerntheorien zu verstehen als „Entstehen neuer Verhaltensweisen auf Grund von struktureller Transformation in einem geschlossenen System.“682 Entstehen ist hierbei mit der Aktivität des betrachteten Systems bzw. des Lerners verknüpft.683 (3) Der Lerner bzw. das Unternehmen wird als System aufgefasst, welches sich seine Umwelt erschließt, d. h., es lernt, indem es mit dieser interagiert.684 Die strategische Lernorientierung eines Unternehmens strebt nach der optimalen Gestaltung organisationalen Lernens,685 sodass die Entwicklung und die Existenz des Unternehmens lang-
678
Vgl. Fiol/Lyles (1985), S. 803 und Palmer/Hardy (2006), S. 198.
679
Vgl. Fiol/Lyles (1985), S. 803, Crossan/Lane/White (1999), S. 522, Bouwen/Hosking (2000), S. 267 und Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 71. Vgl. Gieskes/v. d. Heijden (2004), S. 111 für einen Überblick über verschiedene Perspektiven.
680
Vgl. Schüerhoff (2006), S. 63.
681
Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 158 und Kapitel 2.2.1.1.
682
Krieger (1996), S. 42 f. und Kapitel 2.3.2.4.
683
Während die Aspekte in Punkt (1) stärker die Reiz (S) und Reaktionsseite (R) beleuchten, wird in Punkt (2) stärker der Organismus (O) erfasst.
684
Vgl. Kapitel 2.3.2.
685
Farrell/Oczkowski (2002), S. 200 verwenden die Begriffe LO und „organizational learning“ beispielsweise austauschbar.
156
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
fristig sichergestellt werden können.686 Organisationales Lernen wird demzufolge als die Realisierung einer strategischen LO interpretiert. Obwohl die Bedeutung organisationalen Lernens allgemein anerkannt ist, existiert derzeit kein allgemeingültiges Verständnis darüber, was organisationales Lernen ist.687 CROSSAN/LANE/WHITE (1999) stellen zudem fest, dass kein Trend zu erkennen sei, der eine Annäherung der unterschiedlichen Forschungsströmungen erkennen lässt.688 Der Konzeptualisierungsprozess für das LO-Konstrukt verlangt daher zunächst nach einer Abgrenzung der Begriffe „individuelles Lernen“ und „organisationales Lernen“. Individuelles Lernen wurde im Laufe dieser Arbeit bereits definiert (vgl. oben). Lernen bzw. die strukturelle Transformation kann dabei sowohl intraindividuell als auch durch soziale Aktivität vonstatten gehen.689 In beiden Fällen ist jedoch problematisch, dass nicht direkt beobachtbar ist, wie genau diese Prozesse ablaufen und gegebenenfalls zusammenspielen.690 Wohl auch aus diesem Grund ist eine Vielzahl an theoretischen Modellen entstanden, die versuchen, individuelles Lernen erklärbar zu machen.691 Übersichtlicher, und für diese Untersuchung auch ausreichend, wird das Feld des individuellen Lernens, wenn große Forschungsstränge identifiziert werden. Eine Unterteilung kann in psychologische und soziale Lerntheorien vorgenommen werden.692 Psychologische Lerntheorien wiederum sind unterteilbar in behavioristische (vgl. SR-Modelle) und kognitivistische Ansätze (vgl. SOR-Modelle). Letztere Unterscheidung wurde bereits in dieser Arbeit diskutiert und im Einklang mit dem gesamten Bezugsrahmen auf die konstruktivistisch-kognitivistische Perspektive eingegrenzt.693 Die große Schwäche der psychologischen Ansätze besteht jedoch darin, dass sie intraindividuelle Lernvorgänge analysieren und dabei die Interaktionsbeziehungen, die Lernen beeinflussen, nicht berücksichtigen.694 Manche sozialen Lerntheorien nehmen an, dass Individuen auf soziale Interaktionen angewiesen sind, um substanziell neue Erkenntnisse überhaupt erzeugen zu können.695 Da Interaktion ein zentraler Aspekt dieser Arbeit ist, sind im Folgenden sowohl psychologische als auch soziale Ansätze von Interesse.696
686
Anwendungswissen stellt nur eine denkbare Lernmöglichkeit für ein Unternehmen dar, weshalb die weitere Konzeptualisierung einer LO nicht gesondert auf die Zielgröße des Anwendungswissens abgestellt wird.
687
Vgl. Bouwen/Hosking (2000), S. 267.
688
Vgl. Crossan/Lane/White (1999), S. 522.
689
Vgl. Brown/Duguid (1999), S. 79 f.
690
Vgl. Simon (2001), S. 257.
691
Für einen Überblick vgl. z. B. Laßleben (2002), S. 74 ff.
692
Vgl. z. B. Schüerhoff (2006), S. 64.
693
Vgl. Kapitel 2.3.2.4 (lerntheoretische Betrachtung).
694
Vgl. Staehle (1998), S. 216 und Schüerhoff (2006), S. 65.
695
Vgl. Staehle (1998), S. 216. Dies steht im Einklang mit der Beobachtung von Friedlander (1983), S. 199.
696
Vgl. Kapitel 3.3.3.
3.3 Lernorientierung
157
Organisationales Lernen wurde bereits in Relation zum Begriff LO eingeführt.697 Dennoch soll zu einem besseren Verständnis die Abgrenzung zum individuellen Lernen vertieft werden. FIOL/LYLES (1985) sehen organisationales Lernen als „[…] the process of improving actions through better knowledge and understanding.“698 Auf der Basis dieses Verständnisses können sowohl organisationale wie auch individuelle Lernprozesse betrachtet werden. Grundlage dieser Annahme ist die Tatsache, dass auch in organisationalen Lernprozessen die „[…] Lernträger durch neues Wissen und Können zu einem besseren Umgang mit komplexen […] Rahmenbedingungen“699 befähigt werden.700 Der wesentliche Unterschied zum individuellen Lernen ist das Lernsubjekt. Unternehmen sehen sich nicht nur einem komplexen Umfeld gegenüber, sondern stellen selbst komplexe Systeme dar.701 SCHÜERHOFF (2006) stellt zwei Merkmale vor, die diesen Aspekt organisationalen Lernens beschreiben: (1) Organisationales Lernen umfasst gleichzeitig sowohl die Individuen als auch die Organisation als Lernträger. (2) Eine Hauptaufgabe organisationalen Lernens ist die Kollektivierung von Wissen.702 Der erste Punkt kompliziert organisationales Lernen, da ein weiterer Freiheitsgrad hinzukommt: Individuen können, von eigenen Zielen geleitet, sowohl ein- und austreten als auch ihre Unterstützung des gesamten organisationalen Lernprozesses selbstbestimmt steuern.703 Der zweite Punkt, Kollektivierung von Wissen, stellt die entsprechende Gegenmaßnahme dar und macht die Organisation unabhängiger vom einzelnen Individuum. Zusätzlich eröffnet Kollektivierung auch eine weitere Chance: neuartige Verknüpfungsleistungen, zu denen einzelne individuelle Lernleistungen nicht in der Lage sind.704 Geht man in einem systemtheoretischen Verständnis von der doppelten Kontingenz der Interaktion (Kommunikation) eines Individuums mit seiner Umwelt aus, so kommt, sobald der Fokus auf das Unternehmen fällt, eine weitere Kontingenzstufe hinzu.705 Im Gesamtzusammenhang dieser Arbeit wird mit IO und LO demnach eine dreifache Kontingenz untersucht. Das heißt, neben der doppelten Kontingenz der interorganisationalen Interaktion, sind auch die erstrebenswerten Lernprozesse innerhalb des Unternehmens kontingent. Das Management einer 697
An dieser Stelle ist der Hinweis der unterschiedlichen Interpretation der Begriffe „organisationales Lernen“ und „lernende Organisation“ zu beachten (vgl. z. B. DiBella (1995) oder Chan/Cooper/Tzortzopoulos (2005), S. 747). In dieser Untersuchung wird ein lernendes Unternehmen als ein Unternehmen mit einer hohen Ausprägung der strategischen LO interpretiert.
698
Fiol/Lyles (1985), S. 803. Ähnliche Aussagen finden sich bei Zhou/Yim/Tse (2005), S. 46.
699
Schüerhoff (2006), S. 66 f.
700
Die Diskussion um die Übertragbarkeit individueller Ansätze auf organisationale Phänomene wurde bereits geführt und wird hier nicht mehr aufgegriffen.
701
Vgl. Schüerhoff (2006), S. 67.
702
Vgl. Schüerhoff (2006), S. 68.
703
Vgl. auch Kahle (1999), S. 108.
704
Vgl. auch Lipshitz/Popper/Friedman (2002), S. 93.
705
Vgl. auch Strydom (1999).
158
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Lernorientierung muss sich dabei hauptsächlich auf die Gestaltung der dritten, neu hinzugekommenen Kontingenzstufe konzentrieren, um die Handlungs- und Problemlösefähigkeit des Unternehmens zu erhöhen.706 Welche Managementaktivität diesem Ziel zuträglich bzw. überhaupt möglich ist, wird in unterschiedlichen Ansätzen diskutiert (z. B. die Unterstützung von Experimenten, Verlernen oder Umweltgestaltung707). Die Identifizierung der Gestaltungsdimensionen von OL und LO steht im Fokus der nächsten Abschnitte.
3.3.2
Organisationales Lernen – Forschungstraditionen und der Stand der Forschung
Organisationales Lernen wird in einem sehr breiten Anwendungsbereich diskutiert (z. B. Neuproduktentwicklung, Marktorientierung, Change Management etc.).708 Dennoch lassen sich laut BELL/WHITWELL/LUKAS (2002) verschiedene Ansätze aufgrund ähnlicher grundlegender Annahmen zusammenfassen. Basierend auf dieser Beobachtung ist eine Konvergenz der einzelnen Forschungsstränge nicht zu erwarten.709 Um das Verständnis für OL bzw. LO für diese Untersuchung festzulegen, müssen diese Annahmen expliziert werden. DIBELLA (1995) und BELL/WHITWELL/LUKAS (2002) stellen zwei Klassifikationsmöglichkeiten vor, die im Folgenden kurz diskutiert werden.710
3.3.2.1
DiBella (1995): Normative Perspektive, Entwicklungsperspektive und Fähigkeitsperspektive
Die Typologie von DIBELLA (1995) umfasst drei Kategorien:711 (1) Normative Perspektive („Normative Perspective“): In dieser Sichtweise wird angenommen, dass organisationales Lernen eine kollektive Aktivität ist, die nur unter bestimmten Umständen erfolgt. Weiterhin nehmen Ansätze, die dieser Perspektive zuzurechnen sind, an, dass organisationales Lernen nicht per Zufall auftritt, sondern bestimmte Fähigkeiten dafür benötigt werden: „Without disciplined action or intervention organizations fail to learn due to the many forces that constrain learning.“712 Es ist demnach die Aufgabe des Managements, Aktivitäten zu initiieren und durchzuführen, die Umstände herbeiführen, welche organisationales Lernen begünstigen, ermöglichen oder auslösen.
706
Vgl. Schüerhoff (2006), S. 67.
707
Vgl. Morgan (2004), S. 73.
708
Vgl. z. B. Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 70 und Crossan/Lane/White (1999), S. 522.
709
Vgl. Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 70 und DiBella (1995), S. 287.
710
Weitere Typologisierungen finden sich z. B. bei Shrivastava (1983), S. 9, Eberl (1996), S. 19 oder Chan/Cooper/Tzortzopoulos (2005).
711
Vgl. DiBella (1995), S. 287 ff.
712
DiBella (1995), S. 287.
3.3 Lernorientierung
159
Normativ bezeichnet die Tatsache, dass die Ansätze, die dieser Perspektive zuzuordnen sind, Maßnahmen bzw. Zielvorstellungen empfehlen, die in lernenden Organisationen realisiert sein sollten.713 Normativ bedeutet auch, dass andere Ausprägungen als die geforderten als suboptimal interpretiert werden. Normative Ansätze sind in der Lage, ein gutes Verständnis für die Gestaltungsoptionen herzustellen. Des Weiteren unterstreichen sie die Bedeutung von Managementaktivitäten als Beitrag des organisationalen Lernens. (2) Entwicklungsperspektive („Developmental Perspective“): Während die Managementaktivität der Treiber in normativen Ansätzen ist, sehen Entwicklungsansätze Unternehmen genau dann zu lernenden Unternehmen werden, sobald bestimmte Entwicklungsschritte durchlaufen bzw. erreicht werden. Entsprechend der Grundannahmen dieses Blickwinkels entwickelt sich die lernende Organisation als eine späte bzw. reife Stufe der Unternehmensentwicklung. Folglich hängt der Grad der Lernorientierung beispielsweise von Alter, Größe, Erfahrung, Industriewachstum oder dem Lebenszyklus des Unternehmens ab. Lernorientierung ist damit evolutionär bestimmt. Trotz des evolutionären Charakters kann das Fortkommen zwischen verschiedenen Entwicklungsstufen laut DIBELLA (1995) von mehreren Faktoren beeinflusst werden. Konkret sind diese Faktoren: Managementaktivitäten, Umwelteinflüsse und Erfahrungen. Die Entwicklungsperspektive lässt zwei zunächst konträre Schlüsse zu: Einerseits entwickelt sich ein Unternehmen ständig und andererseits ist die Stufe der lernenden Organisation erst in einem späten Stadium erreicht. Dennoch sind beide Befunde vereinbar. Ständiges Lernen sichert Unternehmen eine Anpassung an immer neue Situationen (adaptiver Charakter). Lernen in späteren Stadien hingegen hat aufgrund einer höheren Stabilität der Organisation einen anderen Charakter und ermöglicht so z. B. auch Meta-Lernprozesse innerhalb des Unternehmens. Die Entwicklungsperspektive hebt den evolutionären Charakter organisationalen Lernens hervor und zeigt gleichzeitig den Einfluss verschiedener Umweltfaktoren und organisationaler Charakteristika.714 (3) Fähigkeitsperspektive („Capability Perspective“): Im Gegensatz zu den vorangegangenen Perspektiven geht die Fähigkeitsperspektive davon aus, dass Lernen untrennbar mit der Existenz von Organisationen verbunden ist. Die Lösung neuer Problemstellungen führt zu einem Aufbau von Unternehmenskultur, Wissen etc. und verkörpert damit organisationales Lernen und ermöglicht so die weitere Existenz und Entwicklung des Unternehmens.715 In der Fähigkeitsperspektive gibt es in jedem Unternehmen grundsätzlich Lernprozesse, die es zu identifizieren und zu optimieren gilt. Eine allgemeine, erstbeste Lösung (normativ) bestimmter Gestaltungsoptionen sieht die Fähigkeitsperspektive jedoch nicht vor. Ansätze, die der Fähigkeitsperspektive zuzuordnen sind, nehmen pluralistische Haltungen bezüglich wünschenswerter 713
Zum Beispiel Garvin (1993), Garvin/Edmondson/Gino (2008) oder Senge (2006).
714
Dementsprechend stellen Variablen dieser Perspektive im Folgenden (vgl. Kapitel 5.4.1) mögliche Antezedenzvariablen für IO und LO dar.
715
In diesem Sinne kann Entwicklung auch als Evolution im Sinne der Entwicklungsperspektive gedeutet werden.
160
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Lernprozesse ein. So werden beispielsweise adaptive Lernprozesse ausreichend für eine bestimmte Art der Arbeitsaufgabe gesehen, wohingegen in der Neuproduktentwicklung rein adaptives Lernen als dem Grundgedanken der Innovation entgegenstehend betrachtet wird.716 Es ist das Ziel der Fähigkeitsperspektive, dass sich Managementaktivitäten darauf konzentrieren, besonders geeignete Gestaltungselemente organisationalen Lernens zu identifizieren und zielgerecht einzusetzen. Die ersten beiden Perspektiven der Typologie von DIBELLA (1995) weisen organisationales Lernen nicht als untrennbar mit dem Unternehmen verbunden aus. Der hier vorgestellte Bezugsrahmen versteht Unternehmen jedoch als autopoietische Systeme.717 Folglich kann diese Studie nur in die Fähigkeitsperspektive eingeordnet werden. Die Annahme, dass Lernprozesse in Kultur und Struktur des Unternehmens eingebunden sind, unterstützt die bisherige Argumentation, wonach Werte, Normen, Praktiken und Prozesse Ausdruck strategischer Orientierungen sind.718 Als problematisch scheint jedoch, dass die Fähigkeitsperspektive bei DIBELLA (1995) lediglich eine Identifikation und Optimierung bestehender Lernprozesse vorsieht, nicht jedoch konkrete (Neu-) Gestaltungsempfehlungen (wie in der normativen Perspektive). Da die Nachfrage nach Gestaltungsempfehlungen jedoch in der Realität gegeben ist,719 stellt sich die Frage, ob sich dieses Problem mit der Typologie von DIBELLA (1995) lösen lässt. Hierzu gibt es zwei Antwortmöglichkeiten. Die erste liefert der Autor selbst. Organisationales Lernen ist ein „chameleon-like target“720, das je nach Forschungsfrage anders erscheint bzw. behandelt werden muss.721 Eine zweite Antwort ist, dass Managementaktivität ebenfalls als systemintern begriffen wird. Das heißt, soweit eine Veränderung eines identifizierten Lernprozesses durch das Management stattfindet, wird dem System zugestanden, dass es sich aufgrund aktueller Gegebenheiten selbst verändert. Veränderung entsteht in dieser Perspektive nicht nur deshalb, weil dem Unternehmen normatives Handeln zur Optimierung seines organisationalen Lernens nahegelegt wurde, sondern aus eigenem Antrieb.722
716
Vgl. z. B. auch Baker/Sinkula (2007), S. 317 ff.
717
Vgl. Kapitel 2.3.2.
718
Vgl. Kapitel 2.2.2.3.
719
Vgl. z. B. Forschungsfrage II.
720
DiBella (1995), S. 289.
721
Das heißt, Analyse und Interpretation erfolgen z. B. in unterschiedlichen Denkschulen.
722
Vgl. Rüegg-Stürm (2001), S. 79 f.
3.3 Lernorientierung
3.3.2.2
161
Bell/Whitwell/Lukas (2002): Economic, Developmental, Managerial und Process School
BELL/WHITWELL/LUKAS (2002) plädieren ebenfalls für einen theoretischen Pluralismus und stellen
vier Denkschulen der Forschung zum OL vor. Aufgrund von Überlappungen zum Modell von DIBELLA (1995) werden die einzelnen Stufen hier nur knapp beschrieben und im Anschluss
integriert und erweitert.723 (1) Economic School (Learning by Doing):724 Die Ansätze der Economic School fokussieren sich auf organisationales Lernen, das bei dauerhaften bzw. ständig wiederholten (Produktions-) Prozessen auftritt.725 OL tritt hier als die Optimierung prozessbasierter Lernkurven in Erscheinung und zielt im Wettbewerbsvergleich auf die Gestaltung besserer Prozesse und Kostenstrukturen ab.726 Die Ansätze der Economic School halten einfache normative Aussagen im Bereich adaptiven Lernens bereit, die stark an die Bereiche der Massenproduktion und der Produktionsoptimierung gebunden sind.727 Aufgrund der dynamischen Marktsituation und Individualisierungstendenzen können die Ansätze dieser Schule keine Erklärungsbeiträge für diese Untersuchung liefern. (2) Developmental School (Learning by Evolution):728 Ähnlich der Entwicklungsperspektive bei DIBELLA (1995) werden auch hier Ansätze zusammengefasst, die Organisationen im Kontext ihrer eigenen Geschichte betrachten.729 Darüber hinaus geht aus diesen Ansätzen auch die Grundannahme der Pfadabhängigkeit hervor: „[…] the idea that learning is a resource whose evolution is subject to path dependencies.“730 Dadurch wird die Developmental School analog zur Entwicklungsperspektive die Perspektive, die den geringsten Spielraum für die Wirkung von Managementaktivitäten auf organisationale Lernprozesse zulässt. Ansätze dieser Schule verneinen prinzipiell die Existenz wirkungsvoller strategischer Orientierungen und sind damit nicht vereinbar mit dem Bezugsrahmen in Kapitel 2.731 In dieser Untersuchung können jedoch typische Variablen der Entwicklungsperspektiven wie z. B. das Alter der Unternehmung als Kontrollvariablen dienen, wodurch letztlich Aussagen darüber abgeleitet werden können,
723
Aus Gründen der Eindeutigkeit werden die englischen Begrifflichkeiten beibehalten.
724
Vgl. Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 71, 75 f.
725
„This view is grounded in the notion of experience where learning is a by-product of production.“ Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 75
726
Vgl. z. B. Alberts (1989).
727
Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 75: „[…] individuals within the firm [need to] be cumulatively exposed to organizational routines and processes.“
728
Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 71, 76 f.
729
Im Gegensatz zur Economic School wird nicht nur adaptives, sondern auch höherwertiges Lernen fokussiert (zur Unterscheidung vgl. z. B. Argyris/Schön (1999), S. 35 ff.).
730
Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 76.
731
Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 76 differenzieren die Ansätze der Developmental School (z. B. Lebenszykluskonzepte und teleologische Perspektive), sodass zwar begrenzte aber unterschiedlich große Spielräume für Managementaktivitäten in den verschiedenen Ansätzen verankert sind.
162
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
inwieweit die Ausprägung von LO (und IO) wirkliche strategische Optionen/Orientierungen darstellen oder doch extern determiniert sind. (3) Managerial School (Learning by Management-Led Change):732 In die Managerial School fallen Studien, die Managementaktivität als zentral für die Etablierung von OL erachten.733 Dementsprechend „verordnen“ derartige Ansätze Unternehmen bzw. Managern Empfehlungen (normativ), die zur Gestaltung einer lernenden Organisation notwendig sind.734 Ansätze dieser Klasse sind nach BELL/WHITWELL/LUKAS (2002) deshalb so beliebt, da sie „ready-to-use“ Empfehlungen bzw. zu implementierende Normen bereithalten. Oft wird dabei jedoch die Frage nach den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit bestimmter Empfehlungen vernachlässigt.735 Normative Ansätze bzw. die Managerial School bieten einen Pool möglicher Gestaltungsoptionen für OL bzw. LO und sind daher für diese Untersuchung in der Konzeptualisierungsphase von Relevanz. Die normativen Aussagen zu einzelnen Elementen stehen jedoch im Widerspruch zu dem zugrunde liegenden Bezugsrahmen. Die systemtheoretische Betrachtung lässt nicht zu, dass Managementhandlungen einerseits der einzige Einflussfaktor auf das OL bzw. die LO sind und andererseits dieser Faktor zugleich völlig unabhängig ist. Während erstere Annahme ein Grundprinzip dieser Studien ist, kann die letztere Annahme mit BELL/WHITWELL/LUKAS (2002) relativiert werden, die auf die Situations- und Umweltangepasstheit dieser Ansätze verweisen.736 In diesem Verständnis sind auch die Implikationen in Kapitel 6 dieser Untersuchung zu verstehen. (4) Process School (Learning by Information Processing):737 Analog zu der Annahme der Fähigkeitsperspektive prägt die Process School „[…] the idea that the organisation has a capacity to learn when required.“738 Die Ansätze der Prozessschule konzeptualisieren OL auf Basis verhaltensorientierter Ansätze, indem die relevanten Informationsprozesse eines Unternehmens betrachtet werden: Akquisition, Verbreitung, Nutzung sowie die Kodierung und Abfrage eines organisationalen Speichers bzw. Gedächtnisses.739 Dabei forcieren Anhänger der Process School entsprechend den Anforderungen der relevanten Situation und der relevanten Umwelt sowohl adaptive als auch höherwertige Lernprozesse. Die Ansätze der Process School unterstützen die grundlegenden Gedanken der AW-Schaffung und AW-Aneignung in dieser Untersuchung. Zugleich eignen sie sich, um Kollektivierungsprozesse um Anwendungswissen zu erklären bzw.
732
Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 71, 77 f.
733
Vgl. hierzu die Ausführung zur normativen Perspektive bei DiBella (1995) in Kapitel 3.3.2.
734
Ähnlich zu den Ansätzen der Developmental School zielen die Empfehlungen der Ansätze der Managerial School auf höherwertiges Lernen ab.
735
Vgl. Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 77.
736
Vgl. Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 77.
737
Vgl. Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 72, 78 f.
738
Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 78.
739
Vgl. Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 72.
3.3 Lernorientierung
163
zu systematisieren. Im Folgenden werden die vorgestellten Typologien zusammengefasst (vgl. Tabelle 16), in diese Untersuchung eingeordnet und wichtige Begrifflichkeiten geklärt.
3.3.2.3
Zwischenfazit „Forschungstraditionen und Stand der Forschung“
Im Verständnis dieser Untersuchung sind Werte, Normen, Praktiken und Prozesse gemeinsam Ausdruck strategischer Orientierungen und demzufolge auch einer Lernorientierung. Die Economic School und deren Vertreter scheiden aufgrund der Fragestellung als Erklärungsgrundlage aus (vgl. Kapitel 3.3.2.2). Ebenso können Entwicklungsansätze zwar diverse Kontrollvariablen für die Untersuchung liefern, ein Beitrag zur Gestaltung einer LO ist hieraus jedoch nicht zu erwarten. Folglich verbleiben die Managerial und Process School als relevante theoretische Grundlage und Einordnungsmöglichkeit. Die Managerial School liefert Empfehlungen und Normen für die Gestaltung des organisationalen Lernens. Dies geschieht in der Erwartung, dass OL-förderliche Normen dazu führen, dass die Organisationsteile bzw. Organisationsmitglieder ihre Handlungen entsprechend orientieren. Diese Überlegung findet sich auch in Kapitel 3.1 wieder. Problematisch erscheint in dieser Denkrichtung die Tatsache der Normativität der Empfehlungen. Sie gibt vor, den einzig wahren Weg zu OL zu kennen. Darüber hinaus sind die jeweiligen Normen und Empfehlungen auch kaum falsifizierbar, da die Empfehlung konkreter Ausgestaltungen, z. B. als Praktiken oder Prozesse, in der Regel unterbleibt. Schließlich ist es so immer möglich, die Ausführung und nicht die Norm als „fehlerhaft“ zu interpretieren. Die Handlungsempfehlungen der Ansätze der Managerial School richten sich i. d. R. an die Führung von Unternehmen, die aus systemtheoretischer Sicht mit einem relativ hohen Grad an Gestaltungsmöglichkeiten im bestehenden System positioniert ist. Dennoch ist vollkommene Steuerbarkeit (und damit auch der totalitäre Wahrheitsanspruch normativer Ansätze) auf der Betrachtungsebene der Gesamtorganisation in Zweifel zu ziehen.740 Lässt man sich unter Berücksichtigung der angesprochenen Probleme dennoch auf diese Lesart der Managerial School ein, so müssen Praktiken und Prozesse in den jeweiligen Unternehmen aufzuspüren sein, die die handlungsleitenden Normen widerspiegeln. Mit eben jenen Praktiken und Prozessen beschäftigt sich die Process School und adressiert damit das Kollektivierungsproblem organisationalen Lernens. Eben jenes Kollektivierungsproblem kann durch die reine Normensichtweise nur indirekt gestaltet werden. Entsprechend dem bisherigen Aufbau dieser Untersuchung ist eine Einordnung sowohl in die Managerial als auch in die Process School sinnvoll.
740
Vgl. Rüegg-Stürm (2001), S. 79.
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Akt. des Mgmt.
t
Lernmechanismus: Wiederholung von Abläufen und Prozessen DiBella (1995)
Akt. des Mgmt.
t
t
Process School
t
verschiedene OL-Levels, z. T. beeinflussbar von Aktivitäten des Mgmts. Fokus: Fokus: Fokus: Fokus: OL durch Erfahrung und Existenz eines optimalen Die „lernende OrganiLernen basiert auf den Wegs zur Erreichung von sation“ ist eine Evolutions- kognitiven und verhaltenskumulierte Produktion OL; normative Empfeh- stufe orientierten Fähigkeiten lungen; OL passiert nicht einer Organisation und zufällig ihrer Mitglieder (OL niedriger Ord.)
Ausgewählte Studien
Developmental School
OL niedriger OL höherer Ordnung Ordnung
Managerial School
OL niedriger OL höherer Ordnung Ordnung
OL niedriger OL höherer Ordnung Ordnung
Bell/Whitwell/Lukas (2002)
Economic School
OL niedriger OL höherer Ordnung Ordnung
164
(OL höherer Ord.)
(OL niedriger und höherer Ord.) Lernmechanismus: Lernmechanismus: Interventionen des Mgmts. Evolution der Firma (z. B. in Kultur und Praktiken Alter)
Normative Perspektive
(OL niedriger und höherer Ord.) Lernmechanismus: Verarbeitung von Informationen
Entwicklungspers. Fähigkeitsperspektive
Arrow (1962), Day/Montgomery (1983), Lieberman (1987), Alberts (1989), Argote (1993)
Galer/v. d. Heijden (1992), Dechant/Marsick (1991), Sinkula (1994), McKee (1992), Torbert/Fisher (1992), Mills/Friesen (1992), Garvin (1993), Hodgetts/ Torbert (1994) Luthans/Lee (1994), Sinkula/Baker/Noordewier (1997), Goh/Richards (1997), Baker/Sinkula (1999b), Baker/Sinkula (1999a), Calantone/ Cavusgil/Zhao (2002), Jerez-Gómez/CéspedesLorente/Valle-Cabrera (2005), Senge (2006), Panayides (2007)
Huber (1991), Day (1994a), Dixon (1994), Slater/ Narver (1995), Lukas/ Hult/Ferrell (1996), Hult/Ferrell (1997a), Hult/Ferrell (1997b), Sinkula/Baker/Noordewier (1997), Argyris/Schön (1999), Jerez-Gómez/ Céspedes-Lorente/ValleCabrera (2005), Perez Lopez/Montes Peon/ Vazquez Ordas (2005), Jiménez-Jiménez/CegarraNavarro (2007)
Tabelle 16 Typologisierung der Forschungstraditionen des organisationalen Lernens
Um den Stand der Forschung abschließen zu können, muss noch die Erfolgswirksamkeit organisationalen Lernens geklärt werden. Bereits eingangs wurde erwähnt, dass organisationales Lernen grundsätzlich mit einer positiven Erfolgserwartung verbunden wird.741 Dennoch ist die
741
Im Vorgriff auf diese Betrachtung wurde bereits in Kapitel 2.4 eine verkürzte Übersicht zur Erfolgswirksamkeit einer LO gegeben (vgl. Tabelle 8 auf Seite 104)
3.3 Lernorientierung
165
Frage, ob und wie LO auf den Unternehmenserfolg wirkt, nicht so einfach zu beantworten.742 Da das Lernen eines Unternehmens nicht direkt monetarisierbar ist, stellt sich zudem die Frage, wie OL auf den wirtschaftlichen Erfolg wirkt.743 Tabelle 17 zeigt einige ausgewählte Studien, die sich sowohl mit der Erfolgswirkung von LO/OL selbst beschäftigen als auch mit den Wirkungspfaden. Tabelle 17 zeigt, dass die Vermutung eines positiven Erfolgszusammenhangs Unterstützung in empirischen Untersuchungen findet. Dennoch wurden die Ergebnisse mit unterschiedlichen Konstruktoperationalisierungen erzielt und unterschiedliche Wirkzusammenhänge überprüft. Ein abschließender Vergleich kann damit erst gezogen werden, wenn die Konzeptualisierung des LOKonstrukts abgeschlossen ist. Bevor dies jedoch geschehen kann, werden einzelne grundlegende theoretische Aspekte geklärt. Studie Sinkula/Baker/Noordewier (1997) Baker/Sinkula (1999b)
Baker/Sinkula (1999a) Calantone/Cavusgil/Zhao (2002) Perez Lopez/Montes Peon/Vazquez Ordas (2005) Baker/Sinkula (2005) Jiménez-Jiménez/CegarraNavarro (2007) Panayides (2007)
Erfolgszusammenhang744 [9 (med.)] kein typisches Erfolgskonstrukt 9 9 9 9 (mod.) 8 (mod.) 8 (mod.) 9 9 9 9 9 9 (med.) 9 9 (med.) 9 (med.)
Vermuteter Wirkzusammenhang LO Æ Market Information Processing Behavior Æ Market Program Dynamism LO Æ Market Share LO Æ New Product Success (NPS) LO Æ Overall Performance (OPERF) LO als Moderator der Beziehung MO Æ Market Share LO als Moderator der Beziehung MO Æ NPS LO als Moderator der Beziehung MO Æ OPERF LO Æ Product Innovation LO Æ Organizational Performance LO Æ Firm Innovativeness LO Æ Firm Performance OL Æ Performance Radical Learning Style Æ New Product Success Æ Profitability OL Æ Performance OL Æ Logistic Service Effectiveness Æ Performance OL Æ Relationship Orientation Æ Logistics Service Effectiveness Æ Performance
Tabelle 17 Quellenauswahl zur Erfolgswirkung von LO/OL
742
Vgl. z. B. Huysman (2000), S. 133.
743
Vgl. Farrell/Oczkowski (2002), S. 198.
744
(med.): Die Erfolgswirkung von LO/OL wurde durch X mediiert; (mod.): LO/OL moderiert die Erfolgswirkung eines anderen Zusammenhangs. Bei der Untersuchung von Sinkula/Baker/Noordewier (1997) ist der Erfolgszusammenhang eingeklammert [ ], da es sich bei „Program Dynamism“ nicht um ein typisches Erfolgskonstrukt handelt.
166
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
3.3.3
Grundlegende theoretische Ansätze des organisationalen Lernens
In diesem Teilkapitel werden vier theoretische Grundlagen vorgestellt, deren Einordnung bereits diskutiert wurde. Zunächst werden zwei individuelle Ansätze vorgestellt: Die psychologische Lerntheorie PIAGETs ergänzt um die Idee kognitiver Landkarten sowie die sozial-kognitive Lerntheorie von BANDURA. Anschließend werden Vertreter der bereits beschriebenen Managerial (u. a. SENGE) und Process School (ARGYRIS und SCHÖN) als Modelle organisationalen Lernens vorgestellt.
3.3.3.1
Kognitive Landkarten und die Kognitionspsychologie Piagets
Ausgehend von seiner Arbeit mit typisch behavioristischen Versuchsaufbauten entwickelte sich TOLMAN (1932) zum ersten kognitiven Lerntheoretiker. In Lernexperimenten mit Ratten hat sich gezeigt, dass die Tiere einmal „erlernte“ Labyrinthe in ähnlichen Aufbauten (z. B. Veränderungen durch Spiegelung oder eine veränderte Art des Labyrinths) ebenfalls bewältigen können. Im reinen Verständnis eines SR-Modells ist eine derartige Beobachtung jedoch nicht erklärbar. Aufbauend auf diesen Ergebnissen postuliert TOLMAN (1948) deshalb die Existenz kognitiver Landkarten, die es ermöglichen, ähnlich gelagerte Problemstellungen bei erneutem Aufkommen besser zu lösen. PIAGET (1952) greift den Begriff der kognitiven Landkarte nicht direkt auf, verwendet jedoch den Begriff Schema. PIAGET (1952) beschäftigt sich insbesondere mit der Entstehung und der Veränderung dieser kognitiven Strukturen. Grundsätzlich streben Individuen mithilfe der Lernprozesse „Assimilation“ und „Akkommodation“ nach einem Gleichgewicht (Äquilibrium). Der Prozess der Assimilation meint dabei die aktive Einordnung neuer Erfahrungen in bestehendes Wissen. Akkommodation hingegen steht für die Umorganisation des vorhandenen Schemas bzw. der kognitiven Landkarte. Die Umstrukturierung des Schemas erfolgt, um neue Erfahrungen widerspruchsfrei einordnen zu können, d. h. um erneut ein Äquilibrium zu erreichen.745 Für den Start eines Akkommodationsprozesses ist ein kognitiver Konflikt erforderlich, d. h. ein Widerspruch zwischen existentem Schema und neuer Erfahrung.746 Zugleich darf der Widerspruch jedoch nicht zu groß sein, damit überhaupt ein Lernprozess, d. h. eine Verbindung mit der existierenden kognitiven Landkarte, möglich ist.747
Die folgenden Aussagen können aus kognitionspsychologischen Ansätzen für diese Untersuchung abgeleitet werden: Erstens sind individuelle Lernprozesse und Problemlösefähigkeiten einzelner Unternehmensmitglieder mit kognitiven Landkarten und dem Modell PIAGETs besser erklärbar als durch reine SR-Modelle. 745
Vgl. Piaget (1952), S. 409 f.
746
Vgl. z. B. Friedlander (1983), S. 204 f.
747
Damit liefert das Theoriegebäude auch die Begründung für „Anschlusslernen“ bzw. „Anschlusskommunikation“, wie bereits in Kapitel 2.3.2.4 diskutiert (vgl. auch Siebert (2006), S. 12).
3.3 Lernorientierung
167
Zweitens kann der Grundgedanke der Existenz kognitiver Landkarten oder Schemata748 auch auf das System „Unternehmen“ angewendet werden (als Struktur eines Systems).749 Das Problemlöseverhalten bzw. die Leistungsfähigkeit einer kognitiven Landkarte beweist sich anhand der Anzahl und Qualität der einzelnen Wissensknoten sowie der Art und Anzahl der Verbindungen zwischen diesen Knoten.750 Wissensknoten in Unternehmen sind einzelne Mitarbeiter, verschiedene Subsysteme, technische oder nicht-technische Speicher. Verbindungen sind Interaktionsbeziehungen zwischen diesen Knoten. OL bezeichnet demzufolge die Veränderung beider Wesensmerkmale, Knoten und Verbindungen einer kognitiven Landkarte. Drittens kann in Anlehnung an die Argumentation von GRUNERT (1990) das Problemlöseverhalten eines Unternehmens beschrieben werden anhand des Habitualisierungsgrades, d. h. anhand des Grades der Institutionalisierung des Zusammenspiels und des Austauschs verschiedener Knotenpunkte und Verbindungen.751 GRUNERT (1990) nennt drei Arten der Problemlösung: extensives, begrenztes und routiniertes Verhalten.752 Übertragen auf den Institutionalisierungsgrad könnte eine Klassifizierung die Pole „Ad-hoc-Organisation“753 und „institutionalisierte Prozesse bzw. Routinen“ tragen. Im Falle der Konzeptualisierung einer LO geht es um die Messbarkeit der Fähigkeit zur Problemlösung. Ohne einen konkreten Anwendungsfall sind ad-hoc initiierte Vorgänge jedoch schwerlich mess- oder vergleichbar. Die Ausprägung und das Vorhandensein von Informations- und Kommunikationsprozessen als institutionalisierte Prozesse kann im Gegensatz zu Ad-hoc-Vorgängen objektiv gemessen werden. Viertens ist der Begriff des Anwendungswissens im Lichte kognitiver Landkarten auch in der Lage, eine Demarkationslinie zwischen den beiden betrachteten strategischen Orientierungen zu ziehen. LO stellt eine strategische Ausrichtung dar, die Merkmale fördert, die darauf abzielen, dass direkt benötigtes sowie für die zukünftige Aufgabenerledigung notwendiges Wissen im System verankert, erhalten und gegebenenfalls erneuert wird – d. h. Merkmale, die auf den Aufbau sowie die Erhaltung einer kognitiven Landkarte des Unternehmens ausgerichtet sind. IO hingegen beschäftigt sich mit der Ausprägung von Handlungsmöglichkeiten, die dazu geeignet sind, relevantes Anwendungswissen zu identifizieren und erschließbar zu machen. IO ist aus einer Lernperspektive also die Schaffung externer Lernmöglichkeiten bzw. Lernauslöser (Lernatmosphäre). Während die kognitionspsychologischen Ansätze die intraindividuellen bzw. die intraorganisationalen Vorgänge theoretisch aufklären, sind soziale Aktivitäten nur als die Auslöser intra-
748
Im Folgenden werden beide Begriffe synonym verwendet.
749
Vgl. Kapitel 2.3.2 und Friedlander (1983), S. 199: „A learning system is born when a link is created between two or more organisms or components.“
750
Vgl. Raab/Unger, S. 190 f.
751
Vgl. Grunert (1990), S. 13, 73.
752
Vgl. Grunert (1990), S. 73.
753
Vgl. Dörre/Neubert (1995), S. 181.
168
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
individueller bzw. intraorganisationaler Vorgänge am Rande in den Lernprozess integriert.754 Dieser Blickwinkel verändert sich bei kognitiv-sozialen Lerntheorien.
3.3.3.2
Lernen am Modell
Die Theorie des Lernens am Modell geht davon aus, dass Individuen nicht nur auf Basis eigener, direkter Erfahrungen Lernprozesse durchführen, sondern auch indirekt lernen können, indem sie Handlungsweisen anderer imitieren.755 Lernen entsteht aufgrund der Tatsache, dass Individuen ihre Beobachtungen des Handelns Dritter in ihr existierendes Wissen (in der Lesart des vorangegangenen Abschnitts: ihre kognitiven Landkarte) als Handlungsrichtlinien einbetten und diese im Falle ähnlicher Problemstellungen wieder abrufen können.756 BANDURA (1979) geht davon aus, dass die ständige Wechselwirkung zwischen internen und externen Kräften der Auslöser von Lernprozessen ist.757 Die sozial-kognitive Lerntheorie von BANDURA (1979) unterliegt der Annahme reziproker Abhängigkeiten zwischen dem lernenden Individuum, den Handlungen und der jeweiligen Lernsituation.758 Auch hier stellt sich die Frage, inwieweit Lernen am Modell zur Lösung der aufgeworfenen Forschungsfragen beitragen kann. Erstens wird durch die Theorie des Lernens am Modell die hohe Bedeutung der Umwelt für die Unternehmensentwicklung deutlich, soweit generell der Übertragung individueller Lerntheorien auf organisationale Phänomene zugestimmt wird. OL steht in einer reziproken Abhängigkeit zwischen organisationalen Gegebenheiten (z. B. Normen, Praktiken, Prozessen, Mitarbeitern), den Handlungen (z. B. Interaktionen mit Kunden) und der konkreten Lernsituation (z. B. Problemlösungsprozess mit Kunden). Zweitens können sowohl organisationale Beobachtungen als auch organisationale Interaktionen im Modelllernen eingeordnet werden. Viele Unternehmen versuchen, ihre Positionierung im Markt zu sondieren und von vermeintlich besseren Unternehmen (vom Markt belohnten Unternehmen) mit ähnlichen Problemstellungen zu lernen (Benchmarking). Hier kann von OL durch Beobachtung gesprochen werden. Da die Informationen hierzu aktiv erarbeitet werden müssen, könnte man im Sinn von MILLER (1986) auch bereits von Interaktionen sprechen.759 Bei den typischen Vorgängen zur Identifizierung von und Zusammenarbeit mit Lead Usern hingegen
754
Vgl. Schüerhoff (2006), S. 65.
755
Vgl. Schüerhoff (2006), S. 65. Raab/Unger, S. 194 führen an, dass die Beobachtung verstärkenden Verhaltens (d. h. Belohnungen für ein bestimmtes Verhalten) imitiert/gelernt werden kann.
756
Vgl. Bandura (1979), S. 22, 31 und Schüerhoff (2006), S. 65. Hier muss kritisch angemerkt werden, dass in anderen sozialen Lerntheorien, wie z. B. bei Miller (1986), S. 9 f., 12, die direkte Interaktion bzw. Kommunikation mit dem jeweiligen Lernobjekt als Grundlage für das Gelingen von Lernprozessen gefordert wird.
757
Vgl. Bandura (1979), S. 22 ff., 32.
758
Vgl. Bandura (1979), S. 192 ff. Die reziproke Abhängigkeit ist demzufolge im Sinne einer Interaktion im konstruktivistischen Verständnis dieser Arbeit zu verstehen (vgl. auch Greschner (1996), S. 95 f.).
759
Vgl. Miller (1986), S. 9 f., 12.
3.3 Lernorientierung
169
muss aufgrund des hohen Aktivitätsgrades des Anbieters von Interaktion gesprochen und die reine Beobachtung als ungenügend angesehen werden.760 Beide bisher präsentierten theoretischen Ansätze wurden ursprünglich auf Ebene des Individuums entworfen. Wie gezeigt werden konnte, existieren starke Parallelen zu organisationalem Handeln. Der Einbindung beider Ansätze in diese Untersuchung kann jedoch der Vorwurf gemacht werden, dass Individuen und Organisationen grundsätzlich unterschiedlich zu beurteilen sind.761 Im Folgenden werden deshalb zwei Ansätze gezeigt, bei denen dieser Einwurf nicht gerechtfertigt ist.
3.3.3.3
Normen des organisationalen Lernens
Aufgrund der Vielzahl an Konzepten, die alle Normcharakter für sich beanspruchen, ist es problematisch, ein zentrales Konzept der Managerial School herauszugreifen. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick gegeben. Trotz der existierenden Vielzahl an Empfehlungen und Modellen lassen sich zwei Strömungen in dieser Forschungstradition feststellen. (1) Eine Reihe von Studien stellen Empfehlungslisten auf, wie Managemententscheidungen zu treffen sind, um die Ausprägung organisationalen Lernens zu fördern. SENGE (2006) beispielsweise sieht die Förderung von fünf Merkmalen als bedeutend an: „systems thinking“, „personal mastery“, „mental models“, „shared vision“ und „team learning“.762 GARVIN (1993) empfiehlt verschiedene Hilfsmittel entlang der fünf Stufen „Systematic Problem Solving“, „Experimentation“, „Learning from Past Experience“, „Learning from Others“ und „Transfer Knowledge“.763 Den meisten dieser Studien ist gemein, dass sie durch „[…] sweeping metaphors rather than the gritty details of practise“ 764 gekennzeichnet sind, weshalb sie zwar einen Pool an Gestaltungsmöglichkeiten einer LO beinhalten, diese jedoch meist noch nicht operationalisiert sind. (2) Andere Studien dieser Schule sehen die Etablierung bestimmter Normen, d. h. die Veränderung des Denkens einer Organisation als Gradmesser für die Etablierung organisationalen Lernens. Diese Studien bauen damit auf den weit reichenden Konzepten (vgl. oben) auf und versuchen, konkret identifizierbare Normen innerhalb der Unternehmung zu messen und Zusammenhänge empirisch nachzuweisen. Der Untersuchung handlungsleitender Normen liegt die Annahme zugrunde, dass diese Normen zu entsprechendem OL-fördernden Verhalten führen.
760
Vgl. v. Hippel (1986).
761
Vgl. Schüerhoff (2006), S. 66 f., die diesem Einspruch in Anlehnung an weitere Autoren widerspricht.
762
Vgl. Senge (2006), S. 6 ff.
763
16 Jahre später stellt Garvin/Edmondson/Gino (2008), S. 110 erneut ein Messinstrument vor, das „supportive learning environment, „concrete learning processes and practises“ und „supportive leadership behavior“ als Bestandteile des OL misst.
764
Garvin (1993), S. 79.
170
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Die Untersuchung von Sinkula/Baker/Noordewier (1997) konzeptualisiert LO als „[…] set of organizational values that influence the propensity of the firm to create and use knowledge“765 Die resultierenden Dimensionen einer Lernorientierung sind „Commitment to Learning“, „Open-Mindedness“ und „Shared Vision“. Aufbauend auf den konzeptionellen Ideen der ersten Stufe sind insbesondere die Studien der zweiten Stufe, in der bestimmte Normen bereits identifiziert und konzeptualisiert wurden, für diese Untersuchung relevant.
3.3.3.4
Organisationales Lernen nach Argyris/Schön (1978)
ARGYRIS/SCHÖN (1999) gehen davon aus, dass eine Organisation lernt, „[…] wenn sie sich Informationen (Wissen, Verständnis, Know-how, Techniken oder Praktiken) jedweder Art auf welchem Weg auch immer aneignet.“766 ARGYRIS/SCHÖN (1999) fassen Unternehmen als Systeme auf, die sich von der Umwelt abgrenzen können. Einzelne Personen haben die Fähigkeit bzw. können Maßnahmen nützen, um für diese Systeme zu handeln.767 Um organisationales Lernen mit individuellem Lernen in Einklang zu bringen, treffen ARGYRIS/SCHÖN (1978) folgende Aussage: „[…] there is no organizational learning without individual learning […] individual
learning is a necessary but insufficient condition for organizational learning.“768 Das Bindeglied zwischen individuellem und organisationalem Lernen stellen Veränderungen der „theories-in-use“ (handlungsleitende Theorien) dar. Derartige handlungsleitende Theorien sind durch Beobachtung einer Organisation feststellbar: „Organizational theory-in-use is to be inferred from observation of organizational behavior – that is, from organizational decisions and actions. The decisions and actions carried out by individuals are organizational insofar as they are governed by collective rules for decision and delegation.“769
Ausdrücke der handlungsleitenden Theorien sind beispielsweise „öffentliche Bilder“, die in Unternehmen zugänglich sind.770 Ebenso wie die Organisation haben auch einzelne Individuen
765
Sinkula/Baker/Noordewier (1997), S. 309.
766
Argyris/Schön (1999), S. 19.
767
Vgl. Argyris/Schön (1999), S. 24.
768
Argyris/Schön (1978), S. 20. Hierzu führen Argyris/Schön (1999), S. 22 f. auch die Diskussion, inwieweit Organisationen als Gesamtheit ihrer Individuen betrachtet werden können.
769
Argyris/Schön (1978), S. 13.
770
Vgl. Argyris/Schön (1978), S. 17. Vgl. auch Möslein (2000).
3.3 Lernorientierung
171
eine eigene Repräsentation der organisationalen handlungsleitenden Theorie.771 Diese individuellen Theorien werden mit denen anderer Organisationsmitglieder verglichen und angepasst, sobald sich Umweltbedingungen verändern.772 Sobald sich individuelle „theories-in-use“ wandeln, lösen diese Veränderungen der organisationalen „theory-in-use“ aus. OL kann damit erfolgen. OL ist dann erfolgreich, wenn die neuen handlungsleitenden Theorien mit anderen Mitgliedern der Organisation geteilt und von diesen auch angenommen werden.773 ARGYRIS/SCHÖN (1999) sehen unterschiedliche Lernformen einer Organisation: (1) EinschleifenLernen, (2) Doppelschleifen-Lernen und (3) Deutero-Lernen. Beim (1) Einschleifen-Lernen werden „[…] Handlungsstrategien oder Annahmen, die Strategien zugrunde liegen, so verändert, daß die Wertvorstellungen einer Handlungstheorie unverändert bleiben.“774 Lernen wird somit als „Error-detection-and-correction“-Prozess, d. h. als ein adaptiver Prozess verstanden.775 (2) Zweischleifen-Lernen führt zu Wertewechseln sowohl bei handlungsleitenden Theorien als auch bei den Strategien und Annahmen.776 (3) Das Deutero- bzw. Zweitlernen bezieht sich auf die Lernprozesse einer Organisation (Metaprozess). Auch innerhalb dieser Lernprozesse können Probleme entdeckt werden oder Änderungen erforderlich sein.777 Die folgenden Aussagen lassen sich für den weiteren Fortgang dieser Untersuchung ableiten:
Erstens gehen ARGYRIS/SCHÖN (1978) davon aus, dass die handlungsleitenden Theorien eines Unternehmens durch seine Entscheidungen und Handlungen beobachtbar sind. Demzufolge müssten auch „Lernhandlungen“ bzw. die Veränderungen handlungsleitender Theorien beobachtbar sein – eine Grundvoraussetzung für empirisches Arbeiten. Zweitens ähnelt der Grundgedanke der „theories-in-use“ dem Konzept der kognitiven Landkarten und unterstützt damit die Aussagen in Kapitel 3.3.3.1. Drittens gehen ARGYRIS/SCHÖN (1978) davon aus, dass Individuen in einem Unternehmen ihre individuellen handlungsleitenden Theorien mit denen anderer Organisationsmitglieder sowie mit Veränderungen in der Umwelt (z. B. bei Kunden) vergleichen. OL kann demnach mit Blick auf die Unternehmensgrenzen sowohl intern als auch extern initiiert werden.778 Viertens sehen ARGYRIS/SCHÖN (1978) OL als ein Informationsproblem, wobei sie ein sehr breit gefasstes Verständnis von Information verwenden. Als kritischer Punkt des Informations-
771
Vgl. Argote (1993) und Argyris/Schön (1978), S. 16.
772
Vgl. Argyris/Schön (1978), S. 16.
773
Vgl. Argyris/Schön (1978), S. 17, 19.
774
Argyris/Schön (1999), S. 35 f. Andere Autoren treffen ähnliche Unterscheidungen bei z. T. unterschiedlichen Bezeichnungen (vgl. z. B. Nevis/DiBella/Gould (1995), S. 74 oder Friedlander (1983), S. 193).
775
Vgl. Argyris/Schön (1978), S. 2 f.
776
Vgl. Argyris/Schön (1999), S. 36.
777
Vgl. Argyris/Schön (1999), S. 43 f.
778
Dieser Befund stützt sowohl die Erkenntnisse aus psychologischen als auch sozialen Lerntheorien.
172
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
transfers für OL werden die Kollektivierung und die Nutzung von neuem individuell Gelerntem betrachtet.779 Letztlich sind alle drei Arten organisationalen Lernens für diese Arbeit relevant. Adaptive Lernprozesse finden in Situationen Anwendung, in denen bestehendes Anwendungswissen ausreichend für die Lösung des Kundenproblems ist. Zweischleifen-Lernen führen Individuen und Organisationen bei komplexen Problemstellungen durch, falls bestehende Strategien bzw. bestehendes Anwendungswissen nicht ausreichend für die Lösung sind bzw. der Aufbau neuen Anwendungswissens nötig ist. Gelingt die Lösung des Problems, haben die beteiligten Individuen zunächst gelernt, OL erfolgt erst, wenn die neuen Lösungsmöglichkeiten für ähnliche Situationen im Unternehmen verankert werden können.780 Nicht unkritisch ist die Stufe des Zweitlernens. Entworfen wird eine Metakompetenz, die den Lernprozess analysiert. Dies birgt ein methodisches Problem: Denn welcher Prozess bzw. welche Ebene kontrolliert dann den Prozess, der den Lernprozess analysiert? In dieser Arbeit wird die Entscheidung für bzw. die Gestaltung von strategischen Lernorientierungen als Aufgabe des Managements eingeordnet und nicht als Metakompetenz konzeptualisiert.
3.3.3.5
Zwischenfazit „Lernorientierung und grundlegende Ansätze organisationalen Lernens“
Es ist das Ziel dieses Teilkapitels, Gestaltungsaspekte einer strategischen Lernorientierung theoretisch abzuleiten. Aufgrund der Beschränkung des Literaturüberblicks auf kognitivistische Lerntheorien entsprechen die präsentierten Grundlagen auch den zugrunde liegenden Gedanken des Bezugsrahmens in Kapitel 2. (1) Normen als Gestaltungselement: Beide gewählten Forschungstraditionen organisationalen Lernens, Managerial und Process School, räumen Werten und Normen eines Unternehmens eine bedeutende Rolle im organisationalen Lernprozess ein. ARGYRIS/SCHÖN (1978) sprechen von „theories-in-use“ bzw. von handlungsleitenden Theorien und die Ansätze der Managerial School geben OL-förderliche Normen als Zielvorstellung von Managementaktivitäten vor. In beiden Ansätzen ist abzulesen, dass entsprechende Werte bzw. Normen die Aktivitäten derart beeinflussen, dass eine LO mit dem Ziel einer lernenden Organisation ausgeprägt wird. (2) Organisationales Anwendungswissen als kognitive Landkarte/Lernprozesse: Das Wissen einer Organisation kann mit psychologischen Ansätzen als eine kognitive Landkarte verstanden werden. Eingebunden in dieses Netz sind Mitglieder, Subsysteme, technische oder nichttechnische Speicher als Knoten und diverse Interaktionsprozesse (informell oder formal) als Verbindungen. Anwendungswissen kann sich als Teil des gesamten Wissens in allen Teilen dieser Landkarte bzw. dieses kognitiven Netzes wiederfinden. Vor dem Hintergrund individualisierter Nachfrage ist es
779
Vgl. Argyris/Schön (1978), S. 19.
780
Vgl. auch die Definition von Lernen bei Friedlander (1983), S. 196.
3.3 Lernorientierung
173
nicht zu erwarten, dass bereits alle relevanten Knoten und Verbindungen für die jeweilige Problemlösung vorhanden sind. Die Feststellung eines unlösbaren bzw. noch nicht lösbaren Problems ist damit ein Lernauslöser für neues Anwendungswissen. Zugleich ist bedeutend, dass neues (Anwendungs-)Wissen bzw. eine bestimmte Ausprägung einer organisationalen Landkarte bereits benötigt wird, damit neues Wissen überhaupt anschlussfähig ist.781 (3) Lernauslöser: Der Start von Lernprozessen hat zwei wesentliche Quellen. Unternehmensinterne und unternehmensexterne Lernauslöser.782 Dafür, dass Lernen intern ausgelöst wird, sprechen sowohl psychologische Lerntheorien als auch der Ansatz von ARGYRIS/SCHÖN (1978). Die Mitglieder des Unternehmenssystems überprüfen ihre handlungsleitenden Theorien gegenüber anderen Mitgliedern des Systems und stellen so Unterschiede und Veränderungsbedarf fest. Eine auf diesem Wege festgestellte Spannung kann Lernprozesse anstoßen und die kognitive Landkarte der Organisation und die einzelner Mitglieder verändern. Allerdings vergleichen die Mitglieder eines Unternehmens ihre handlungsleitenden Theorien auch durch Beobachtung und Interaktion mit der Umwelt auf ihre Tauglichkeit und ihren Erklärungsgehalt. Auch so können durch Spannungen Lernprozesse angestoßen werden.783 (4) Lernträger: Lernträger sind nach ARGYRIS/SCHÖN (1978) sowohl die Organisation als auch die zugehörigen Individuen.784 Das Zusammenspiel zwischen Individuen und Unternehmen kann jedoch durch die Vernetzung individueller und organisationaler kognitiver Landkarten bzw. handlungsleitender Theorien erklärt werden. Aufgrund dieser Erkenntnisse ist die Förderung der Schnittstelle zwischen individuellem und organisationalem Lernen zwar beeinflussbar, jedoch im Sinne des systemtheoretischen Austauschs dennoch kontingent und nicht vollständig determinierbar. (5) Kollektivierungs-/Informationsproblem: Die Kontingenz dieses Austauschs stellt das Kollektivierungsproblem für Informationen und Wissen im organisationalen Kontext dar. Da OL auch als Aneignung von „Informationen […] jedweder Art auf welchem Weg auch immer“785 bezeichnet werden kann, ist die Ausprägung von Informationspraktiken und Prozessen innerhalb des Unternehmens ein OL-förderliches Gestaltungsmerkmal einer Lernorientierung. Die theoriegeleiteten Aspekte werden in Abbildung 30 in Anlehnung an das Communications Picture in Kapitel 3.2.2.3 veranschaulicht.
781
Vgl. Nooteboom (2000), S. 72.
782
Vgl. Wildemann (1995), S. 7ff.
783
Spannungen können im Sinne der sozial-kognitiven Lerntheorien die Beobachtung positiver, erstrebenswerter Handlungen sein, im Sinne von Argyris/Schön (1978) aber auch die Feststellung, dass die vorhandene handlungsleitende Theorie sich als ungenügend herausstellt.
784
Vgl. Argyris/Schön (1978), S. 20.
785
Argyris/Schön (1999), S. 19.
174
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Abbildung 30 Theoretische Aspekte der Lernorientierung in Anbieterunternehmen
Lernorientierung bezieht sich auf die Gestaltung der Lernprozesse in dem System Unternehmen (interne Lernatmosphäre). Hierzu zählen Werte, Normen, Praktiken und Prozesse, die Lernprozesse und interne Lernauslöser fördern. Gleichzeitig muss das Unternehmen in der Lage sein, externen Lernauslösern gegenüber offen zu sein, diese verarbeiten und ggf. generieren zu können (Mitgestaltung der externen Lernatmosphäre), um so die kognitive Landkarte der Organisation zu erweitern, zu erhalten und zu erneuern. In einem weiten Verständnis gehören hierzu auch die Bemühungen zur Generierung von Anwendungswissen in Interaktion mit dem Kunden (IO). Die spezifische Gestaltung der Kundeninteraktion und die Gestaltung organisationaler Lernprozesse folgen jedoch grundsätzlich anderen Rationalen. Während IO Kosten-/Nutzenüberlegungen folgt, ist LO grundsätzlich auf den Gegensatz Veränderung vs. Identität eines sozialen Systems (Unternehmen) hin ausgerichtet.786 Auf Basis dieser Überlegungen werden IO und LO zwar als synergetisch wirkend, jedoch als getrennt betrachtet. Die Identität des sozialen Systems Unternehmen prägt sicherlich auch die Interaktion mit Dritten. Diese Überlegung führt zu der Hypothese, dass der Haupteffekt zwischen beiden strategischen Orientierungen entsprechend der Hypothese HIII in Kapitel 2.4 für den Pfad LO Æ IO festzustellen ist.
786
Kogut/Zander (1996), S. 510 heben den komplementären Aspekt von Identität und Lernprozessen heraus. Zugleich verändern Lernprozesse jedoch auch die Identität des Unternehmens (vgl. z. B. Friedlander (1983), S. 192; vgl. hierzu auch die Aussagen von Nooteboom (2000), S. 70 zu Netzwerkstabilität vs. Netzwerkflexibilität).
3.3 Lernorientierung
3.3.4
175
Theoriegeleitete Konzeptualisierung einer Lernorientierung
Im Gegensatz zum IO-Konstrukt finden sich bereits verschiedene LO-Konstrukte in der Literatur. Entsprechend der vorgestellten Abschnitte beinhaltet die Konzeptualisierung des LOKonstrukts (1) die Gestaltungsmöglichkeiten des (Anbieter-)Unternehmens zur Verankerung, Nutzung und Erneuerung von Wissen in dem (sozialen) System Unternehmen. Die Gestaltungsmerkmale sollen (2) sowohl die handlungsleitenden Werte und Normen als auch Praktiken und Prozesse umfassen. Zunächst gilt es, die relevanten Wert- und Normdimensionen der strategischen Lernorientierung zu entwickeln. In zahlreichen empirischen Untersuchungen in der Tradition der Managerial School werden die Dimensionen Learning Commitment (LC), Experimentation and Openness (EO) bzw. Open-Mindedness und Shared Vision (SV) verwendet.787 BAKER/SINKULA (1999B) verstehen ihre Konzeptualisierung einer LO als „set of knowledge-questioning values“788. x
Learning Commitment (LC) geht davon aus, dass eine Unternehmenskultur, die empfänglich für Lernprozesse ist, eine Grundvoraussetzung organisationalen Lernens darstellt.789 Eine Kultur, die organisationales Lernen fördert, wertschätzt das Verständnis für Ursache-Wirkungs-Ketten und ist so in der Lage, in Einschleifen-Lernprozessen existierendes Verhalten zu verbessern.790 Darüber hinaus muss das Management in der Lage sein, Lernprozesse zu unterstützen und diese Haltung auch innerhalb der Organisation vermitteln können.791 LC umfasst ebenfalls, dass die verschiedenen Lernträger organisationalen Lernens adressiert werden müssen (Individuen und Organisation).792
x
Experimentation and Openness (EO) umfasst Werte und Normen, die genau dann zum Einsatz kommen, sobald das existierende Verständnis von Ursache-Wirkungs-Beziehungen zur Problembewältigung nicht länger sinnvoll verwendbar oder ausreichend ist.793 Dabei ist die Fähigkeit eines Unternehmens, Neuem gegenüber offen zu sein bzw. bewusst Experi-
787
Vgl. z. B. Calantone/Cavusgil/Zhao (2002)/Panayides (2007): LC, SV, Open-Mindedness, Intra-organizational Knowledge Sharing; Sinkula/Baker/Noordewier (1997)/Baker/Sinkula (1999a)/Baker/Sinkula (1999b): LC, SV, Open-Mindedness; Goh/Richards (1997): Clarity of Purpose and Mission, Leadership Commitment and Empowerment, Experimentation, Transfer of Knowledge, Teamwork and Group Problem-Solving; JerezGómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005): Managerial Commitment, Systems Perspective, EO, Transfer & Intregration. An dieser Stelle werden die englischen Bezeichnungen der Konstrukte beibehalten, um sprachlich bedingte Verzerrungen zu vermeiden.
788
Baker/Sinkula (1999b), S. 413. In dieser Untersuchung wird Verlernen (vgl. z. B. Hedberg (1981)) als Hinterfragen existierender Werte gedeutet. Aufgrund des Fragebogendesigns wurde eine derartige Dimension nicht gesondert in die Untersuchung einbezogen.
789
Vgl. Galer/v. d. Heijden (1992), S. 11.
790
Vgl. Baker/Sinkula (1999b), S. 413.
791
Vgl. Slater/Narver (1995), S. 68 f.
792
Vgl. Kapitel 3.3.3.5.
793
Vgl. Baker/Sinkula (1999b), S. 413.
176
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
mente einzusetzen, eng verbunden mit dem Verlernen alt gedienter Werte und Routinen.794 Um ein EO-freundliches Klima in einem Unternehmen zu schaffen, sollten Normen und Werte existieren, die funktionale und kulturelle Vielfalt positiv werten. Ebenso sollte die Bereitschaft gelebt werden, interne und externe Meinungen, Ideen und Erfahrungen zu akzeptieren.795 Aufgrund der Tatsache, dass externe Ideen und Meinungen zunächst an einzelne Mitglieder des Systems herangetragen werden (d. h. die kognitiven Landkarten Einzelner verändert werden müssen), ist es im engen Verständnis dieser Arbeit ohnehin nicht möglich, dass externe Ideen direkt wirken. Da jedoch in Literatur und im alltäglichen Sprachgebrauch diese Unterscheidung zwischen internen und externen Anregungen der Regelfall ist, wird diese auch in der Konzeptualisierung beibehalten. Während einige Autoren an dieser Stelle lediglich das Konstrukt „Open-Mindedness“ verwenden,796 drückt der Zusatz „Experimentation“ aus, dass es sich um einen (pro-)aktiven Vorgang seitens des betrachteten Unternehmens handelt. x
Shared Vision (SV) beschreibt die Klarheit der Richtung des Lernprozesses.797 Während LC und EO Lernintensitäten beschreiben, hilft die Ausprägung eines gemeinsamen Verständnisses aller Organisationsmitglieder über das Ziel und Wesen des Unternehmens, einerseits Energie und Bereitschaft der einzelnen Mitglieder zu bündeln und andererseits im Spannungsfeld zwischen Identität und Entwicklung zu vermitteln.798 Zu einer gemeinsamen Vision trägt u. a. eine gemeinsame Identität und Sprache bei.799 Dementsprechend sollte die Entwicklung einer Vision als eine wichtige Unternehmensentscheidung auf Basis eines breiteren Konsenses getroffen sein. Folglich sollten in einem derartigen Prozess auch Mitwirkungsmöglichkeiten in der Entscheidungsfindung für einzelne Unternehmensmitglieder existieren.800
Normative Ansätze gehen davon aus, dass Normen zur Bildung entsprechender Praktiken und Prozesse führen. Demzufolge müssten diese Praktiken und Prozesse, als konkretere Gestaltungsmerkmale einer strategischen LO in Unternehmen auch messbar sein. Insbesondere das Kollektivierungs-/Informationsproblem (vgl. Kapitel 3.3.3.5) wird deshalb in der Literatur the-
794
Vgl. z. B. Hedberg (1981).
795
Vgl. Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), S. 717.
796
Vgl. Calantone/Cavusgil/Zhao (2002), Panayides (2007), Sinkula/Baker/Noordewier (1997), Baker/Sinkula (1999a), Baker/Sinkula (1999b).
797
Vgl. Sinkula/Baker/Noordewier (1997), S. 309 und Nooteboom (2000), S. 71.
798
Vgl. Sinkula/Baker/Noordewier (1997), S. 309. Während LC die Intensität der existierenden Lernnormen misst (Identität), erfasst EO die Bereitschaft, neue Normen zu akzeptieren (Entwicklung).
799
Vgl. z. B. Senge (2006), S. 717 und Senge (2006), S. 191 ff.
800
Vgl. Hurley/Hult (1998), S. 51 f.
3.3 Lernorientierung
177
matisiert. Vorgestellt werden konkretere, lernförderliche Praktiken und Prozesse.801 Da die Existenz und Nutzung derartiger Informationspraktiken und -prozesse ein Indikator für die Effizienz der Bewältigung des Kollektivierungsproblems darstellt, wird dieser Aspekt in die Konzeptualisierung einbezogen: x
Transfer and Integration Processes (TIP) entstammen grundsätzlich dem Gedankengut der absorptiven Kapazität von Unternehmen.802 Im Fokus der beschriebenen LO liegen insbesondere die Phasen „assimilate“ und „transform“. Ein wesentlicher Indikator für funktionierende Transfer- und Integrationsprozesse ist die Existenz agiler Informationssysteme und das rechtzeitige Vorliegen relevanter und akkurater Informationen.803
Die theoriegeleitete Konzeptualisierung des Konstrukts LO ergibt somit vier Dimensionen.804 Die Unterteilung zwischen Werten/Normen und Praktiken/Prozessen zeichnet die Forschungstraditionen Managerial und Process School nach. Die Operationalisierungen der vorgestellten Dimensionen können der Literatur entnommen werden.805 Im Folgenden wird auf Basis explorativer Interviews untersucht, ob die theoriegeleiteten Dimensionen in der Praxis wahrgenommen werden und ob gegebenenfalls weitere, bisher unbeobachtete Dimensionen einer LO existieren.
3.3.5
Überprüfung der Konzeptualisierung einer Lernorientierung auf Basis explorativer Experteninterviews
Die Vorgehensweise der explorativen Tiefeninterviews wurde bereits in Kapitel 3.1 beschrieben. Die Gestaltungselemente einer Lernorientierung bildeten den zweiten Teil der bereits beschriebenen Interviews. Aspekte des Lernens und der Fortentwicklung der Unternehmen wurden von den meisten Befragten ungefragt sowohl im Kontext aktueller Herausforderungen als auch als Erfordernis in der Interaktion mit Kunden angesprochen. Dies unterstreicht zum einen die Bedeutung organisationalen Lernens in der unternehmerischen Realität, zum anderen bestärkt dieser Befund die Vermutung, dass LO eine unterstützende Wirkung auf IO besitzt.
801
Vgl. z. B. Calantone/Cavusgil/Zhao (2002) und Panayides (2007): Intra-organizational Knowledge Sharing; Goh/Richards (1997): Transfer of Knowledge; Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005): Transfer & Intregration; Perez Lopez/Montes Peon/Vazquez Ordas (2005): External Acquisition, Internal Acquisition, Knowledge Distribution, Knowledge Interpretation, Organizational Memory; Jiménez-Jiménez/CegarraNavarro (2007): Intelligence Dissemination.
802
Vgl. Cohen/Levinthal (1990), Zahra/George (2002) und Kapitel 2.2.1.3.2.
803
Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), S. 718. In diesem Zusammenhang ist auch die von Kohli/Jaworski/Kumar (1993) entwickelte MARKOR-Skala interessant, da diese u. a. die Verbreitung marktrelevanter Informationen innerhalb von Unternehmen operationalisiert.
804
Vgl. auch Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), S. 718 für eine weitere Übersicht theoretischer Grundlagen zu den einzelnen Teildimensionen.
805
Vgl. Sinkula/Baker/Noordewier (1997) bzw. Baker/Sinkula (1999b), (LC und SV) und Jerez-Gómez/CéspedesLorente/Valle-Cabrera (2005), (EO und TIP).
178
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Als Ergebnis der Interviews wurden die drei Normdimensionen (LC, SV und EO) bestätigt.806 Zugleich bestätigte sich die Vermutung, dass Praktiken, Prozesse und die dazugehörigen Systeme im Bereich TIP ein bedeutendes Gestaltungsmerkmal organisationalen Lernens darstellen. Darüber hinaus weisen die Interviewergebnisse darauf hin, dass die Gestaltung einer LO ohne die Betrachtung von Human-Resource-Praktiken (HR-Praktiken) nicht vollständig erscheint. Basierend auf den Ergebnissen der Interviews wird deshalb im Folgenden die Dimension HR Practises (HRP) ergänzt.
3.3.5.1
LC – Learning Commitment/Lernausrichtung
LC wurde konzeptualisiert als Norm einer Unternehmenskultur. Sie ist darauf ausgerichtet, die Offenlegung von Ursache-Wirkungs-Ketten wertzuschätzen und auf Basis von EinschleifenLernprozessen existierendes Verhalten zu optimieren. Dazu zählt die Verankerung der Erkenntnis in Unternehmen, dass Lernprozesse und Entwicklung positiv belegt sind und langfristig die Entwicklung und Existenz des Unternehmens ermöglichen. Diverse Indizien hierfür finden sich in den Interviews: Grund für die Einstufung als lernendes Unternehmen sind u. a. „[…] die Investitionen in Zukunftsthemen und nachhaltige Themen sowie die Verankerung des Wissensmanagements auf Vorstandsebene.“807 Das Unternehmen ist im Vergleich zum Durchschnitt stärker als lernende Organisation zu bezeichnen, „[…] da Selbstlernen und Selbstorganisieren bereits in der Unternehmensphilosophie verankert sind.“808
Da sowohl die Literatur als auch die Befunde der Interviews eine LC-Dimension unterstützen, wird LC in Anlehnung an SINKULA/BAKER/NOORDEWIER (1997) mit vier Indikatoren operationalisiert (vgl. Tabelle 18).809 LC – Learning Commitment/Lernausrichtung In meinem Unternehmen/meiner Geschäftseinheit … LC1 – betrachtet das Management die Lern- und Weiterentwicklungsfähigkeit des Unternehmens als einen zentralen Erfolgsfaktor. LC2 – ist Lernen als Voraussetzung für Fortschritt in den Grundwerten des Unternehmens verankert. LC3 – werden Lernprozesse von Mitarbeitern als Investition und nicht als Kosten betrachtet. LC4 – werden Lern- und Weiterentwicklungsprozesse als Grundlage betrachtet, die das Überleben der Organisation garantieren.
Tabelle 18 Operationalisierung der Dimension Learning Commitment
806
Die Wert-/Normdimensionen wurden indirekt erfragt, d. h. über die Einstufung des Unternehmens als lernende Organisation mit der entsprechenden Begründung und den zugehörigen Erfolgsfaktoren.
807
Zitat aus dem Interview mit einem Produktmanagementverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
808
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
809
Vgl. Sinkula/Baker/Noordewier (1997), S. 316.
3.3 Lernorientierung
3.3.5.2
179
SV – Shared Vision/Gemeinsame Vision
Die Konzeptualisierung der SV-Dimension zielt darauf ab, dass die Mitglieder einer Organisation das gleiche Verständnis des Ziels und des Wesens der Organisation besitzen. Die SV-Norm wirkt stabilisierend bzw. vermittelnd zwischen alten und neuen handlungsleitenden Theorien. Einzelne, bereits theoretisch hergeleitete Elemente, wie z. B. eine gemeinsame Sprache, ein gemeinsames Verständnis oder die Einflussnahme Einzelner in Entscheidungsprozessen, wurden auch in den Interviews bestätigt: Zu aktuellen Herausforderungen des Marketings: „Erreichen eines gemeinsamen Kundenverständnisses, um daraus abgeleitet ein gemeinsames Marktverständnis zu erreichen. Dieses Verständnis ist auch innerhalb der Organisation transparent und verständlich zu machen.“810 „Vertrieb und Marketing haben gemeinsam die Herausforderung und Aufgabe, ein gemeinsames Verständnis über den Kunden und dessen zukünftige Entwicklung zu generieren. Um diese Interaktion und Kommunikation zu ermöglichen, muss es im Unternehmen eine eigene Sprache geben (bzw. diese ausgeprägt werden).“811 „The purpose and value of account planning is to derive the questions that everybody has to be asked.“812
Die Aussagen der Befragten bestätigen damit auch die vermutete SV-Dimension. SV wird als reflektive Dimension in Anlehnung an SINKULA/BAKER/NOORDEWIER (1997) mit vier Indikatoren operationalisiert (vgl. Tabelle 19).813 SV – Shared Vision/Gemeinsame Vision In meinem Unternehmen/meiner Geschäftseinheit … SV1 – besteht ein gemeinsames Verständnis darüber, was unser Unternehmen ausmacht und wohin es sich entwickelt. SV2 – besteht in allen Ebenen, Bereichen und Funktionen völlige Einigkeit im Verständnis unserer Vision. SV3 – stehen alle Mitarbeiter hinter den Zielen des Unternehmens. SV4 – sehen alle Mitarbeiter die Möglichkeit, auf wichtige Entscheidungen Einfluss zu nehmen.
Tabelle 19 Operationalisierung der Dimension Shared Vision
810
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
811
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
812
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Elektronik/Elektrotechnik.
813
Vgl. Sinkula/Baker/Noordewier (1997), S. 316.
180
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
3.3.5.3
EO – Experimentation and Openness/Experimentierfreude und Offenheit
Die EO-Dimension steht für Normen und Werte eines Unternehmens, die die Aneignung von Neuem bzw. die Fähigkeit, bestehende „theories-in-use“ zu verwerfen, verkörpern.814 Hierunter wurden in Kapitel 3.3.3.5 bereits funktionale und kulturelle Vielfalt und Akzeptanz interner und externer Ideen gefasst. Auch hier lieferten die Interviews Indizien, die für eine Aufnahme der Dimension in die quantitative Befragung sprechen. „Meinungen sind nicht manifestiert, sondern werden hinterfragt.“815 „Das Unternehmen muss sich aktiv neuen Situationen und Partnern aussetzen.“816 „Dementsprechend muss das Unternehmen dazu geeignet sein, Prozesse der [Umwelt-] Dynamik entsprechend ‚nachzuziehen‘.“817 „Besonders wichtig erscheinen Offenheit und Neugier für Neues, neue Technologien etc.“818
Da die Aktivität des Unternehmens besonders relevant erscheint, wurde die inhaltlich sehr ähnliche Dimension „Open-Mindedness“819 nicht für die Operationalisierung herangezogen, sondern die Dimension „Openness and Experimentation“ von JEREZ-GÓMEZ/CÉSPEDESLORENTE/VALLE-CABRERA (2005). 820 Tabelle 20 zeigt die vier Indikatoren der EO-Dimension. EO – Experimentation and Openness/Experimentierfreude und Offenheit In meinem Unternehmen/meiner Geschäftseinheit … EO1 – werden Experimentierfreude und Innovation gefördert, um Arbeitsprozesse zu verbessern. EO2 – werden sinnvoll erscheinende Aktivitäten und Praktiken anderer Unternehmen in unserem Sektor verfolgt und übernommen. EO3 – werden Erfahrungen anderer Quellen (z. B. Kunden, Berater etc.) als wertvolle Lernmöglichkeiten geschätzt. EO4 – werden Meinungen und Vorschläge der Mitarbeiter zu den aktuell angewandten Praktiken und Methoden geschätzt.
Tabelle 20 Operationalisierung der Dimension Experimentation and Openness
814
In diesem Kontext ist beispielsweise auch die Vermeidung egozentrischer Haltungen wie z. B. dem NIHPhänomen (vgl. Katz/Allen (1982)) zu betrachten.
815
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
816
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
817
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
818
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
819
Vgl. z. B. Sinkula/Baker/Noordewier (1997), S. 316 oder Baker/Sinkula (1999b), S. 425.
820
Vgl. Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), S. 724.
3.3 Lernorientierung
3.3.5.4
181
HRP – HR Practises/HR-Praktiken
Den Befragten fiel relativ leicht, ihr Unternehmen auf einer Skala einzuordnen, die den Grad der Lernorientierung auf einem siebenstufigen semantischen Differential erfasst. Die Frage, anhand welcher Prozesse und Praktiken diese Einschätzung zustande kommt, war für die meisten Befragten schwieriger zu beantworten. Die Antworten befassten sich hauptsächlich mit zwei Kategorien: den Praktiken und Prozessen zur Unterstützung der Kollektivierung von Wissen und dem Informationsfluss (TIP) sowie diversen Bildungsmaßnahmen. „Die Existenz einer eigenen Akademie bzw. Lernfabrik sowie ein entwickeltes Schulungskonzept.“821 „Ein Schulungskonzept, das die Messung technischer Kompetenz beinhaltet und angepasste Schulungsmaßnahmen umfasst.“822 „Das HR unterstützt mit entsprechenden Maßnahmen das Selbstlernen von Mitarbeitern, z. B. durch Freistellungen, Trainings, Weiterbildungen etc.“823
Eine einzelne Bildungsmaßnahme wirkt zunächst auf das individuelle Lernen des einzelnen Organisationsmitglieds, kann jedoch auch zur Erweiterung der kognitiven Landkarte des Unternehmens beitragen.824 Die Bereitstellung einer Bildungsinfrastruktur bzw. anderer lernförderlicher Angebote kann als eine Praktik verstanden werden, die Teil der Gestaltung einer LO ist.825 Entsprechend der Befunde der Interviews wird die Verfügbarkeit von Personalentwicklungsmöglichkeiten als relevante HR-Praktik betrachtet (HRP)826 und als LO-Dimension aufgenommen.827 In der Literatur wird der Begriff der HR-Praktiken weiter gefasst und beinhaltet beispielsweise auch den Bereich der Arbeitsorganisation.828 Basierend auf den Aussagen der Interviewteilnehmer wird nicht davon ausgegangen, dass die weite Interpretation der HR-Praktiken (über die
821
Zitat aus dem Interview mit einem Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
822
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
823
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
824
Vgl. z. B. Brown/Duguid (1991), S. 46, die davon ausgehen, dass Lernen in Organisationen grundsätzlich auch einen kollaborativen, kollektiven Prozess darstellt. Es wird hier absichtlich nur von der Möglichkeit der Erweiterung der kognitiven Landkarte gesprochen, da Lernergebnisse nicht exakt vorhersagbar sind (vgl. z. B. Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 99 f.).
825
Vgl. z. B. Perez Lopez/Montes Peon/Vazquez Ordas (2005), S. 158 für die Beziehung zwischen HR-Praktiken und OL. Vgl. auch Arnold (1997), S. 63 zur gleichzeitigen, individuellen und organisationalen Funktion von Weiterbildung. Vgl. auch Schröder (1995), S. 58 f. Vgl. auch Schröder (1995), S. 58f.
826
HRP Education kann in den Forschungsstrang im Bereich Mitarbeiter-Empowerment eingeordnet werden. In der Übersicht von Honold (1997), S. 204 ist das Empowerment-Verständnis dieser Untersuchung in die Gruppe „The individual perspective of the empowered state“ einzuordnen.
827
Mit Ausnahme eines Interviews wurden HR-Praktiken immer genannt.
828
Vgl. z. B. Laursen/Foss (2003), S. 253 und Bonnemeier (2009).
182
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Indikatoren in Tabelle 21 hinaus) für die Untersuchung einer LO relevant ist. Insgesamt geht die HRP-Dimension mit vier Indikatoren in die quantitative Untersuchung ein. HRP – HR Practises/HR-Praktiken Welche der folgenden Praktiken kommen in Ihrem Unternehmen zum Einsatz? HR1 – Persönliche Entwicklungspläne für Mitarbeiter HR2 – Firmeninterne Weiterbildungen HR3 – Firmenexterne Weiterbildungen HR4 – Unterstützung der Weiterbildung durch das Unternehmen (z. B. durch Freistellungen, Zuzahlungen)
Tabelle 21 Operationalisierung der Dimension HR Practises
3.3.5.5
TIP – Transfer and Integration Processes/Transfer- und Integrationsprozesse
Die Konzeptualisierung der TIP-Dimension adressiert hauptsächlich die Lösung des Kollektivierungs- und Informationsproblems innerhalb eines Unternehmens. Die Interviews konnten die theoretisch geleiteten Vermutungen bestätigen: Einerseits wird die Fähigkeit des Unternehmens zu lernen daran gemessen, welche „greifbaren“ Praktiken und Prozesse genannt werden. Andererseits wird der Bereitschaft zur Nutzung dieser Praktiken und Prozesse bzw. grundsätzlich einer allgemein akzeptierten Lernnorm ein höherer Stellenwert eingeräumt. „Die Tools, die dazu dienen [Informationsverarbeitungsprozesse bestmöglich zu unterstützen], kommen i. d. R. erst später. Ohne die Nutzungsbereitschaft einer Organisation, für z. B. Wissensmanagement-Tools werden diese Tools, Mittel und Prozesse nicht erfolgreich sein. Im Gegenteil sobald Offenheit und Lernbereitschaft existieren, kann sogar mit einfachen Mitteln und Systemen ein großer Effekt erzeugt werden.“829
Entsprechend der Vermutung beeinflussen die LO-Normen demnach die Gestaltung der TIPDimension. Zugleich zeigt das Zitat, dass es um verschiedenste Kommunikations- und Interaktionspraktiken gehen kann: „Fluid communication relies mainly on the existence of agile information systems that guarantee the accuracy and availability of information.“830 In Anlehnung an verschiedene Informationsverarbeitungsschemata, die bereits in der Literatur zu finden sind,831 zeigten die Interviews relevante Befunde in den Kategorien Akquisition, Distribution/Interpretation (bzw. Assimilation/Transformation) und Speicherung:832
829
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau. Vgl. hierzu auch Brown/Duguid (1991), S. 54.
830
Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), S. 718.
831
Vgl. Kohli/Jaworski/Kumar (1993), Zahra/George (2002) und Perez Lopez/Montes Peon/Vazquez Ordas (2005). Vgl. auch die Phasen des Veränderungsprozesses bei Eckel (1995), 27.
832
Zitate aus dem Interviews mit einem Produktmanagementverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau, mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau und mit zwei Marketingverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau.
3.3 Lernorientierung
183
„Derzeit werden Industriesegmentplattformen installiert, um branchenspezifischen Input zusammenzutragen.“ „Es existieren konstante Versuche, den Bereich Knowledge Sharing weiter auszubauen.“ „Es geht um die Kompetenz, Verstandenes so zu übersetzen, dass die Information in der Organisation verwendet werden kann.“ „Beide, Produktmanager und Fachberater, können gemeinsame Datenbanken nutzen und dort ihre Erfahrungen einpflegen.“ „Insbesondere an den Schnittstellen von Kunde, Vertrieb und Entwicklung […] geht derzeit […] noch zu viel Information verloren.“
Die angeführten Zitate zeigen, dass die Unternehmen in jeder der angesprochenen Kategorien Praktiken, Prozesse und Systeme833 zum Einsatz bringen, um den Informationsfluss bestmöglich zu unterstützen. Letztgenanntes Zitat zeigt jedoch auch, dass sich der Bereich der Unterstützung von Informations- und Kollektivierungsprozessen noch immer in der Entwicklung befindet. Ausgangsbasis der Operationalisierung der TIP-Dimension ist das „Knowledge Transfer and Integration“-Konstrukt bei JEREZ-GÓMEZ/CÉSPEDES-LORENTE/VALLE-CABRERA (2005).834 Da die explorativen Interviews keine Anhaltspunkte boten, dass bestimmte Formen der Arbeitsorganisation (z. B. Teamwork) als Lernpraktik aufgefasst werden,835 wurde dieser Indikator nicht übernommen. Basierend auf Aussagen der Befragten werden drei Indikatoren der Informationsakquisition und Informationsdistribution hinzugefügt. Tabelle 22 beinhaltet sechs Indikatoren, die reflektiv die Kollektivierungsprozesse und Informationspraktiken messen.836 TIP – Transfer and Integration Processes/Transfer- und Integrationsprozesse In meinem Unternehmen/meiner Geschäftseinheit … TIP1 – gibt es Systeme, die Kunden- und Branchenwissen im Unternehmen zugänglich machen. TIP2 – wird Kunden- und Branchenwissen gezielt auf informellem Weg gesammelt (z. B. Gespräche mit Handelspartnern und Branchenkennern). TIP3 – werden unabhängig von der Organisationsebene Misserfolge und Fehler stets diskutiert und analysiert. TIP4 – gibt es systematische Vorgehensweisen und Tools zur Verteilung relevanter Informationen im Unternehmen. TIP5 – haben Mitarbeiter die Möglichkeit, sich untereinander über aussichtsreiche Ideen, Programme und Aktivitäten auszutauschen. TIP6 – bleibt Erlerntes aufgrund des Einsatzes verschiedener Instrumente (z. B. Routinen oder Datenbanken) auch dann erhalten, wenn Mitarbeiter ausscheiden.
Tabelle 22 Operationalisierung der Dimension Transfer and Integration Processes
833
Diverse technische Systeme wie SFA-Tools (Sales Force Adiminstration), unternehmensweites SAP, Branchenplattformen oder einzelne CRM-Tools wurden in den Interviews namentlich angeführt.
834
Vgl. Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), S. 724.
835
Vgl. z. B. Wildemann (1995), S. 13.
836
Zur Einordnung der Indikatoren in das genannte Schema: TIP1 und TIP2 können eindeutig der Akquisitionsphase zugeordnet werden (Informations- und Wissensgenerierung von außen). TIP4 beschreibt Mechanismen der Distribution. TIP3 und TIP5 beinhalten die Generierung neuen Wissens durch Interpretation des Unternehmens. TIP6 beschäftigt sich mit der Speicherung und der Abrufmöglichkeit organisationalen Wissens.
184
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
3.3.6
Zwischenfazit „Konzeptualisierung einer Lernorientierung“
Im vorausgegangenen Teilkapitel wurden die Messmöglichkeiten und Gestaltungsoptionen einer strategischen Lernorientierung untersucht. Analog zum Vorgehen beim IO-Konstrukt, wurden auch beim LO-Konstrukt sowohl kulturelle Gestaltungsaspekte (Werte und Normen) als auch verhaltensorientierte bzw. prozessorientierte Gestaltungsaspekte einbezogen.837 Insgesamt ergeben sich nach der theoretischen Betrachtung, der Literaturanalyse und der Analyse explorativer Interviews fünf Dimensionen mit insgesamt 22 Indikatoren, die eine strategische Lernorientierung abbilden und die eine Ableitung von Gestaltungsempfehlungen ermöglicht. Die einzelnen Konstrukte können wie folgt in die Definition integriert werden (vgl. Abbildung 31): Eine strategische Lernorientierung (LO) zielt darauf ab, (Anwendungs-)Wissen durch die Gestaltung von Werten und Normen (LC, SV und EO), Praktiken und Prozessen (TIP und HRP) zu verankern, nutzbar zu machen und gegebenenfalls zu erneuern.
Gestaltung/Ausprägung einer strategische Lernorientierung (LO)
Konstrukt
Lernausrichtung
Gemeinsame Vision
(LC) (4)
Dimensionen
Indikatoren
Transfer- und Integrationsprozesse (TIP)
Unterstützende HR-Praktiken
(SV)
Experimentierfreude und Offenheit (EO)
(4)
(4)
(6)
(14)
Normen/Werte
(HRP)
Prozesse/Praktiken
Abbildung 31 Dimensionen und Gestaltung des LO-Konstrukts
Im Anschluss an die Konzeptualisierung soll das LO-Konstrukt abschließend sowohl (1) gegenüber dem bereits untersuchten IO-Konstrukt als auch gegenüber dem Konstrukt Marktorientierung (MO) abgegrenzt werden. (1) Eine strategische Lernorientierung gestaltet organisationale Merkmale, die darauf abzielen, aktuell und zukünftig benötigtes Wissen zu verankern, zu erhalten und gegebenenfalls zu erneuern (Aufbau und Erhaltung der kognitiven Landkarte des Unternehmens). Das zentrale Gegensatzpaar sind Veränderung vs. Identität des sozialen Systems Unternehmung. Eine strategische Interaktionsorientierung hingegen zielt darauf ab, Merkmale zu gestalten, die auf die
837
Eine ähnliche Herangehensweise findet sich z. B. bei Sinkula/Baker/Noordewier (1997).
3.4 Standpunkt III: Konzeptualisierung einer Interaktions- und Lernorientierung – Forschungsfrage Ib
185
Identifizierung und Erschließung relevanten Anwendungswissens gerichtet sind (Schaffung externer Lernmöglichkeiten). Das zentrale Gegensatzpaar sind Kosten vs. Nutzen der individuellen Transaktion bzw. Beziehung. (2) Marktorientierung wird in der Regel mit der MARKOR-Skala operationalisiert (Intelligence Generation, Intelligence Dissemination und Responsiveness).838 In dieser Untersuchung wird der Argumentation von DAY (1994A) und BAKER/SINKULA (1999B) gefolgt, wonach OL mehr sein müsse, als Informationen zu generieren, zu verbreiten und darauf zu reagieren.839 DAY (1994A) geht davon aus, dass es eher darum gehen müsse, die richtigen Fragen zu stellen und mentale Modelle zu verändern. MO alleine genommen folgt damit also tendenziell Einschleifen-Lernen und erfordert nicht, dass die kognitive Landkarte der Unternehmung nachhaltig verändert wird. Das Modell von DAY (2002) erscheint dem Verständnis von LO näherzukommen, da sowohl Informationsprozesse (TIP) als auch entsprechende „sense-making activities“ in dem konzeptualisierten LO-Konstrukt operationalisiert sind.840 Mit dieser Abgrenzung ist die Konzeptualisierung der beiden exogenen Konstrukte IO und LO abgeschlossen, sodass im abschließenden Teilkapitel die zweite Teilfrage (Ib) beantwortet werden kann.
3.4
Standpunkt III: Konzeptualisierung einer Interaktionsund Lernorientierung – Forschungsfrage Ib
Kapitel 3 hat das Ziel, die exogenen Konstrukte einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz in Form einer strategischen Interaktions- und Lernorientierung zu konzeptualisieren. Entsprechend dem dargestellten Vorgehensmodell wurden beide Konstrukte sequenziell entwickelt (vgl. Kapitel 3.2 und 3.3). Das Zusammenwirken von Werten/Normen und Praktiken/Prozessen wurde im Allgemeinen bereits in Kapitel 3.1 und im Speziellen für jedes einzelne Konstrukt dargestellt. Bevor die Teilfrage Ib beantwortet werden kann, gilt es noch, die Hypothesen zur internen Struktur der einzelnen Konstrukte zu skizzieren. Strategische Interaktionsorientierung: Der Grundstruktur von RAMANI/KUMAR (2008) folgend, unterscheidet das Konstrukt zwischen Dimensionen, die Werte und Normen messen, und Dimensionen, die Praktiken und Prozesse erfassen. Aufbauend auf den Erkenntnissen in Kapitel 3.1 wird angenommen, dass jede Normdimension (CPU) sowohl direkte Effekte auf die IO hat als auch durch relevante Praktiken und Prozesse (CE, IRC und CVM) mediiert wird (vgl. Abbildung 32).
838
Vgl. Kohli/Jaworski/Kumar (1993).
839
Vgl. Day (1994a), S. 9 und Baker/Sinkula (1999b), S. 411.
840
Vgl. Day (2002), S. 241.
186
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Die einzelnen Hypothesen können entlang der folgenden Argumentationslinie abgeleitet werden, die zugleich zentrale Erkenntnisse des dritten Kapitels zusammenfasst: Die Interaktion um Anwendungswissen wird geprägt durch eine grundsätzliche Wertschätzung des Wissens des Kunden. Unternehmen benötigen deshalb ein Werte- bzw. Normsystem, das die Problemstellungen des Kunden in den Mittelpunkt rücken. Die Existenz eines derartigen Werte-/Normsystems beinhaltet einerseits eine individualisierte Sicht der Kundenbedürfnisse.841 Andererseits erscheint in Industriegütermärkten entsprechend der Befunde der explorativen Interviews das jeweilige Problem von zentralerer Bedeutung als deren individualisierte Behandlung.842 Die Wertschätzung der Perspektive des Kunden seitens des Anbieterunternehmens entspricht den Implikationen der Theorie der multiplen Perspektiven.843 Eine grundsätzliche Wertschätzung des Kundenwissens bzw. des Wissens um Kundenproblemstellungen kann als erwarteter Nutzen für den Anbieter im Sinne der Austauschtheorie HOMANNS’ verstanden werden.844 Ein höherer erwarteter Nutzen des Anbieters verbessert sein Nutzen/Kosten-Verhältnis und steigert so die Bereitschaft zum Austausch bzw. zur Interaktion mit dem Kunden. Dementsprechend kann die folgende Hypothese abgeleitet werden: H11:
Die Ausprägung einer Werthaltung bzw. einer Norm des Verständnisses für Kundenprobleme (CPU) beeinflusst die Ausprägung einer Interaktionsorientierung (IO) positiv (11).
Neben dem direkten Einfluss der CPU-Dimension auf IO sind gemäß der kulturellen Perspektive dieser Untersuchung weitere Auswirkungen der CPU-Dimension auf die relevanten Praktiken und Prozesse einer IO zu erwarten.845 Allein eine generelle Haltung der Wertschätzung für Anwendungswissen von Kunden liefert noch keine Information über die Effizienz, mit der Interaktionen durchgeführt werden (sollten). Im operativen Geschäft ist deshalb eine Operationalisierung des jeweiligen individuellen Kundenwerts nötig. Der Kundenwert dient als Leitgröße organisationaler Interaktion.846 Es ist deshalb zu erwarten, dass die Verankerung von Werten und Normen eines Verständnisses für Kundenprobleme zur Etablierung eines Kundenwertmanagementsystems (CVM) führt (H14). Eine Operationalisierung der Wertschätzung für Kunden- bzw. Anwendungswissen in Form von Kundenwerten ermöglicht effizient, auf unterschiedliche Kundenproblemstellungen angemessen und individuell angepasst zu reagieren. Eine derartige Reaktion eines Anbieterunternehmens erfordert jedoch Praktiken und Prozesse, die flexible Reaktionen ermöglichen, um die Kundeninteraktion bestmöglich zu gestalten. Eine Interaktionsfähigkeit (IRC) kann erreicht 841
Vgl. z. B. Kumar/Reinartz (2006), S. 3.
842
Vgl. Kapitel 3.2.5.1.
843
Vgl. Kapitel 3.2.2.2.
844
Vgl. Kapitel 3.2.2.1.
845
Vgl. Kapitel 3.1.
846
Vgl. z. B. Kumar/Reinartz (2006), S. 248.
3.4 Standpunkt III: Konzeptualisierung einer Interaktions- und Lernorientierung – Forschungsfrage Ib
187
werden, indem effektiv und effizient unterschiedlichste Kundeninformationen und Kommunikationskanäle zusammengefasst und koordiniert werden.847 Während die Interaktions- bzw. Reaktionsfähigkeit (IRC) eines Anbieterunternehmens direkt gesteuert werden kann, ist dies bei den Aktionen des Kundenunternehmens nur indirekt möglich.848 Der Anbieter ist lediglich in der Lage, seinen Kunden aktiv Möglichkeiten anzubieten, sich mit ihm auszutauschen (= proaktive Interaktion). Entsprechende Angebote der Kunden-Motivation (CE) können auch als Empowerment des Kunden verstanden werden. Praktiken und Prozesse der Interaktionsfähigkeit (IRC) und der Kundenmotivation (CE) beschreiben Hilfsmittel einer Organisation, die vom Unternehmen ausgehende Interaktionen unterstützen. Es ist deshalb zu erwarten, dass sich die Werthaltungen und Normen einer CPU-Dimension als operative Realisierungen in Praktiken und Prozessen der Kundenmotivation (H12) und der Interaktionsfähigkeit (H13) niederschlagen. Im Folgenden sind die Hypothesen zur internen Struktur des IO-Konstrukts zusammengefasst: H12:
Die Ausprägung einer Werthaltung bzw. einer Norm des Verständnisses für Kundenprobleme (CPU) beeinflusst die Ausprägung der Praktiken und Prozesse der Kundenmotivation (CE) positiv (12).
H13:
Die Ausprägung einer Werthaltung bzw. einer Norm des Verständnisses für Kundenprobleme (CPU) beeinflusst die Ausprägung der Praktiken und Prozesse der Interaktionsfähigkeit (IRC) positiv (13).
H14:
Die Ausprägung einer Werthaltung bzw. einer Norm des Verständnisses für Kundenprobleme (CPU) beeinflusst die Ausprägung der Praktiken und Prozesse des Kundenwertmanagements (CVM) positiv (14).
Die dargestellten Prozesse und Praktiken sind selbst direkte Elemente einer Interaktionsorientierung.849 Es ist zu erwarten, dass die Ausprägung von CE und IRC in Anbieterunternehmen (als proaktive bzw. reaktive Unterstützung organisationaler Interaktionen) zur Gestaltung einer Interaktionsorientierung beiträgt (H2 und H3): H2:
Die Ausprägung von Praktiken und Prozessen der Kundenmotivation (CE) beeinflusst die Ausprägung einer Interaktionsorientierung (IO) positiv (2).
H3:
Die Ausprägung von Praktiken und Prozessen der Interaktionsfähigkeit (IRC) beeinflusst die Ausprägung einer Interaktionsorientierung (IO) positiv (3).
Zur effektiven Steuerung von Interaktionsprozessen müssen entsprechend der Theorie HOMANS’ der Nutzen und die Kosten organisationaler Interaktionen einander gegenübergestellt werden. Als Steuerungsinstrument tragen folglich auch die Praktiken und Prozesse des Kundenwertmanagements zur Interaktionsorientierung eines Unternehmens bei (H4):
847
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 28 und Kumar/Reinartz (2006), S. 282.
848
Vgl. Kapitel 3.2.1.1.
849
Vgl.Ramani/Kumar (2008), S. 35
188
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
H4:
Die Ausprägung von Praktiken und Prozessen des Kundenwertmanagements (CVM) beeinflusst die Ausprägung einer Interaktionsorientierung (IO) positiv (4).
Abschließend fasst Abbildung 32 Struktur und Hypothesen des IO-Konstrukts zusammen:
Abbildung 32 Konzeptualisierung Interaktionsorientierung
Strategische Lernorientierung: Analog zur internen Struktur des IO-Konstrukts wurde die Struktur des LO-Konstrukts entwickelt. Die Werte- bzw. Normdimensionen (LC, SV und EO) weisen ebenfalls direkte Effekte und durch Praktiken/Prozesse (HRP und TIP) mediierte Effekte auf (vgl. Abbildung 33). Im Folgenden werden erneut einzelne Hypothesen zu einem Argumentationsstrang zusammengefasst, der zentrale Inhalte einer LO dieses Kapitels beschreibt. Die Lernorientierung eines Unternehmens umfasst Werte, Normen, Praktiken und Prozesse, die dazu beitragen, (Anwendungs-)wissen zu verankern, nutzbar zu machen und zu erneuern.850 Eine strategische Lernorientierung beinhaltet Aspekte, die die Identität und Ausrichtung eines Unternehmens beschreiben.851 Um in der Zusammenarbeit verschiedener Unternehmensmitglieder Ziele effizient erreichen zu können, sollten die einzelnen Mitglieder ein ähnliches Verständnis von Ziel und Wesen ihres Unternehmens besitzen. Ein derartiges Verständnis wird als eine gemeinsame Vision (SV) bezeichnet. Ein wesentlicher Bestandteil einer Vision sind Aussagen, wie sich eine Organisation entwickelt und lernt.852 ARGYRIS/SCHÖN (1978) gehen davon aus, dass es verschiedene Modi des organisationalen Lernens gibt. Besonders bedeutend ist das Einschleifen-Lernen, eine grundlegende Lernausrichtung (LC), die die grundlegenden Handlungstheorien („theories-in-use“) unangetastet lässt. Demgegenüber
850
Vgl. Kapitel 2.2.1.3.4 (Definition einer Lernorientierung).
851
Vgl. Engelland/Summey (1999), S. 20.
852
Vgl. Kapitel 3.3.4. Zu den Zielen eines Unternehmens gehören auch Entwicklungs- bzw. Lernziele, z. B. in Form langfristig angestrebter Positionierungen.
3.4 Standpunkt III: Konzeptualisierung einer Interaktions- und Lernorientierung – Forschungsfrage Ib
189
steht das Zweischleifen-Lernen, das die grundlegenden Handlungstheorien der Organisation verändert, wodurch in der Regel radikalere Veränderungen herbeiführt werden als durch das Einschleifen-Lernen. Merkmale von Zweischleifen-Lernprozessen sind Experimentierfreude und Offenheit (EO).853 Je nach Anlass und Bereich können sowohl inkrementelle als auch radikale Veränderungen durch organisationale Lernprozesse wünschenswert sein.854 Vermittelnd und stabilisierend zwischen den unterschiedlichen Lernwerten bzw. Lernnormen (LC und EO) wirkt die Ausprägung einer gemeinsamen Vision (SV). Dementsprechend lassen sich die folgenden Hypothesen für eine LO ableiten: H51:
Die Ausprägung von Werten und Normen der Lernausrichtung (LC) beeinflusst die Ausprägung einer Lernorientierung (IO) positiv (51).
H61:
Die Ausprägung einer gemeinsamen Vision (SV) beeinflusst die Ausprägung einer Lernorientierung (IO) positiv (61).
H71:
Die Ausprägung von Werten und Normen der Experimentierfreude und Offenheit (EO) beeinflusst die Ausprägung einer Lernorientierung (IO) positiv (71).
Die bisher beschriebenen Hypothesen der direkten Effekte einer LO können hauptsächlich in den Strang der Managerial School des organisationalen Lernens eingeordnet werden. Problematisch erscheint die direkte Umsetzbarkeit, da sie dem Gedankengut der kulturellen Perspektive entspringen, die davon ausgeht, dass etablierte Werte und Normen entsprechende Praktiken und Prozesse hervorbringen. Auf Basis der explorativen Interviews und Literatur wurden deshalb zusätzlich konkrete Praktiken und Prozesse einer LO konzeptualisiert. Organisationales Lernen erfolgt laut ARGYRIS/SCHÖN (1978), sobald einerseits Individuen in Unternehmen ihre relevanten handlungsleitenden Theorien verändern und andererseits durch die Kollektivierung dieser Veränderungen. Erstgenannter Aspekt kann organisatorisch unterstützt werden, indem Unternehmen ihren Mitarbeitern Bildungsangebote bereitstellen (HRP). Der letztgenannte Aspekt beschäftigt sich mit der Informations- und Wissensweitergabe zwischen den Mitarbeitern und Gruppen eines Unternehmens, d. h. mit der Kollektivierung von Wissen. Die Kollektivierung von Wissen kann unterstützt werden durch die Etablierung entsprechender Transfer- und Integrationsprozesse (TIP).855 Transfer- und Integrationsprozesse können z. B. die Form diverser Kommunikationskanäle, Datenbanken oder Informationsveranstaltungen für Mitarbeiter annehmen. Hieraus ergeben sich zwei weitere Hypothesen: H8:
Die Ausprägung von HR-Praktiken (HRP) beeinflusst die Ausprägung einer Lernorientierung (IO) positiv (8).
H9:
Die Ausprägung von Transfer- und Integrationsprozessen (TIP) beeinflusst die Ausprägung einer Lernorientierung (IO) positiv (9).
853
Vgl. Kapitel 3.3.5.3.
854
Diese Haltung entspringt den Ansätzen der Process School (vgl. Kapitel 3.3.2.3).
855
Vgl. Kapitel 3.3.2.3 (Process School).
190
3 Konzeptualisierung einer Kundeninteraktionskompetenz: Interaktions- und Lernorientierung
Neben den bisher präsentierten direkten Effekten wird zwischen der Werte- und Normebene ebenfalls eine interne Struktur vermutet. Analog zur Argumentationslinie der Wirkung der CPUDimension sind auch hier die Werte und Normen einer LO der Ausdruck einer Wertschätzung für entsprechende individuelle und/oder kollektive Lernprozesse und -praktiken. Folglich können sechs weitere Hypothesen zur internen Struktur des LO-Konstrukts abgeleitet werden: H52:
Die Ausprägung von Werten und Normen der Lernausrichtung (LC) beeinflusst die Ausprägung von HR-Praktiken (HRP) positiv (52).
H53:
Die Ausprägung von Werten und Normen der Lernausrichtung (LC) beeinflusst die Ausprägung von Transfer- und Integrationsprozessen (TIP) positiv (53).
H62:
Die Ausprägung einer gemeinsamen Vision (SV) beeinflusst die Ausprägung von HRPraktiken (HRP) positiv (62).
H63:
Die Ausprägung einer gemeinsamen Vision (SV) beeinflusst die Ausprägung von Transfer- und Integrationsprozessen (TIP) positiv (63).
H72:
Die Ausprägung von Werten und Normen der Experimentierfreude und Offenheit (EO) beeinflusst die Ausprägung von HR-Praktiken (HRP) positiv (72).
H73:
Die Ausprägung von Werten und Normen der Experimentierfreude und Offenheit (EO) beeinflusst die Ausprägung von Transfer- und Integrationsprozessen (TIP) positiv (73).
Abbildung 33 Konzeptualisierung Lernorientierung
Die vermutete Struktur des LO-Konstrukts wird in Abbildung 33 zusammengefasst. Auf Basis der gesammelten Erkenntnisse lässt sich nun die zweite Teilfrage (Ib) vollständig beantworten:
3.4 Standpunkt III: Konzeptualisierung einer Interaktions- und Lernorientierung – Forschungsfrage Ib
191
Forschungsfrage Ib: Wie lassen sich die strategischen Orientierungen (1) Interaktionsorientierung und (2) Lernorientierung konzeptualisieren? Teilantwort (1):
Strategische Interaktionsorientierung (IO) ist gestaltbar durch Werte und Normen, die das Verständnis für Kundenprobleme (CPU) fördern. Zugleich begünstigen Prozesse, die die Interaktionsfähigkeit erhöhen (IRC), Praktiken der Kundenmotivation (CE) und Praktiken des Kundenwertmanagements (CVM) eine strategische Interaktionsorientierung positiv.
Teilantwort (2):
Strategische Lernorientierung (LO) ist gestaltbar durch Werte und Normen, die eine Lernausrichtung (LC), eine gemeinsame Vision (SV) sowie Experimentierfreude und Offenheit (EO) fördern. Zugleich begünstigen Prozesse, die Transfer und Integration von Informationen und Wissen unterstützen (TIP), und unterstützende HR-Praktiken (HRP) eine strategische Lernorientierung positiv. IO und LO sind als mehrfaktorielle, zweidimensionale Konstrukte konzeptualisiert. Werte und Normen wirken in beiden Konstrukten direkt auf IO bzw. LO und werden zugleich durch die Praktiken und Prozesse mediiert.
4
Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
In diesem Kapitel erfolgt die empirische Validierung der Interaktions- und Lernorientierung. Im ersten Schritt werden grundlegende methodische Aspekte diskutiert (vgl. Kapitel 4.1). Hierzu zählen die Beschreibung der Datenerhebung, die Analyse der Datengrundlage, die Beschreibung der Methodik der quantitativen Analyse inklusive relevanter Gütekriterien sowie der Entwurf der Vorgehensweise. Der zweite Schritt widmet sich der eigentlichen empirischen Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung (vgl. Kapitel 4.2). Entsprechend der präsentierten Vorgehensweise und anhand der entwickelten Gütekriterien werden die Konzeptualisierungen der beiden strategischen Orientierungen auf Basis der Daten von 229 Befragten sequenziell validiert. Der dritte Schritt stellt einen Exkurs vor. Es wird die Frage gestellt und beantwortet, ob die beiden strategischen Orientierungen nicht einfach nur die unterschiedlichen Seiten einer Kundeninteraktionskompetenz-Medaille darstellen (vgl. Kapitel 4.3). Abschließend werden die Erkenntnisse im vierten Standpunkt zusammengefasst. Präsentiert wird das validierte Messmodell einer Interaktionsorientierung mit vier Dimensionen und 13 Indikatoren sowie das validierte Messmodell der Lernorientierung mit fünf Dimensionen und 17 Indikatoren. (vgl. Kapitel 4.4)
4.1
Grundlegende methodische Aspekte
Auf Basis der Konzeptualisierung und Operationalisierung in Kapitel 3 wurden für die Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung als Ausdruck organisationaler Kundeninteraktionskompetenz eine Menge an Dimensionen und Indikatoren ermittelt, die es in diesem Kapitel empirisch zu überprüfen gilt. Überprüft werden zunächst die Reliabilität, Validität sowie die Zusammenhänge der einzelnen Indikatoren mit dem Ziel der Entwicklung eines allgemeinen Messmodells für Industriegütermärkte. Vor der eigentlichen Überprüfung werden die methodischen Aspekte geklärt. Hierzu zählt die Beschreibung der Datenerhebung (vgl. Kapitel 4.1.1), die Beschreibung der Datengrundlage (vgl. Kapitel 4.1.2), die Darstellung der Methodik der quantitativen Analyse (vgl. Kapitel 4.1.3) sowie die Skizzierung der Vorgehensweise (vgl. Kapitel 4.1.4).
4.1.1
Datenerhebung
Der Untersuchungsgegenstand wurde in Kapitel 2.1 bereits auf Industriegütermärkte eingegrenzt. Innerhalb dieser Eingrenzung wird jedoch angestrebt, ein kontextfreies, d. h. branchenübergreifendes Messinstrument zu entwickeln.856 Diese Forderung zieht zwei Konsequenzen nach sich, die beide dazu führen, dass ein relativ großer Stichprobenumfang nötig wird: Einerseits
856
Vgl. z. B. das Vorgehen bei Homburg (2000), S. 81.
F. Danzinger, Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten doi: 10.1007/978-3-8349-8482-1_4, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
194
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
muss sich die Erhebung über verschiedene Branchen erstrecken, damit die Kontextfreiheit des Messinstrumentariums valide beweisbar ist. Andererseits werden, und dies ist in der Literatur üblich, zur Prüfung von Reliabilität und Validität des Messinstruments die Gütekriterien der ersten und zweiten Generation berücksichtigt, was ebenfalls die Notwendigkeit größerer Stichproben begründet.857 Vor dem Hintergrund der notwendigen großen Stichprobe erschien die standardisierte schriftliche Befragung als am besten geeignete Erhebungsmethode.858 Wie bereits in Kapitel 2.3.2 dargestellt, folgt diese Arbeit dem konstruktivistisch-systemtheoretischen Paradigma und vertritt die Meinung, dass die Ausprägung strategischer Orientierungen nur von Mitgliedern des Systems „Anbieterunternehmen“ erfasst werden kann.859 An dieser Stelle darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass letztendlich die Wahrnehmung des Kundenunternehmens und der Ausprägung der Kundeninteraktionskompetenz im Sinne eines wechselseitigen Nutzens über den Erfolg des Anbieterunternehmens entscheidet. Im Einklang mit dem Wirkzusammenhang der äußeren Kausalkette in Kapitel 2.2.2.3 wird jedoch davon ausgegangen, dass sich der Erfolg dieser Wahrnehmung im Unternehmenserfolg äußert. Dieser ist wiederum auch aus der Perspektive des Anbieterunternehmens mit subjektiven und objektiven Erfolgskriterien sinnvoll messbar. Im Fokus der Untersuchung standen also Unternehmen, deren Tätigkeiten aufgrund von problem- und aufgabenbezogenen Merkmalen durch eine gesteigerte Bedeutung der AnbieterKunde-Interaktion, ggf. auch durch eine Multipersonalität der Interaktionen gekennzeichnet sind.860 Innerhalb dieser Unternehmen bildeten diejenigen Mitarbeiter die Zielgruppe der Befragung, die auf höherer Ebene mit der Kundeninteraktion betraut sind.861 Auf Basis dieser Vorüberlegungen wurde drei Branchen für die Erhebung identifiziert: Maschinen- und Anlagenbau862, Elektronik/Elektrotechnik und Medizintechnik. Ein Blick auf die Beschäftigten und Umsatzzahlen zeigt die Bedeutung der gewählten Branchen im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland: Allein im Maschinenbau wurden im Jahr 2007 ca. 914.000 Menschen bei einem Jahresumsatz von 190 Mrd. Euro beschäftigt (entspricht 15,8 % bzw. 12,8 % des gesamten verarbeitenden Gewerbes). Der Bereich Elektronik/Elektrotechnik erwirtschaftete
857
Vgl. z. B. Homburg (2000), S. 81 und Homburg/Baumgartner (1995), S. 1093 zur Problematik kleiner Stichproben.
858
Hauptsächlich wurde ein Online-Befragungstool eingesetzt. Die Befragten hatten jedoch auch die Möglichkeit, an der Erhebung in einem traditionellen Paper-and-Pencil-Verfahren teilzunehmen. Dieses Vorgehen wurde auch aufgrund der Zeit- und Kosteneffizienz der Datenverarbeitung und Datenauswertung gewählt.
859
Mitgliedern der Kundenorganisation werden i. d. R. nur die wahrgenommenen Auswirkungen der strategischen Orientierungen Interaktions- und Lernorientierung bewusst, die jedoch – aufgrund der operationalen Geschlossenheit von Unternehmen – nicht direkt in Implikationen übersetzt werden können.
860
Vgl. Kapitel 2.1 und Backhaus/Voeth (2007), S. 36.
861
Zielgruppe der Befragung waren die Bereiche Geschäftsführung, Marketing und Vertrieb (vgl. Kapitel 2.3.2.4).
862
Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus zeigen eine hohe Ähnlichkeit. Eine Zuordnung ist nicht immer trennscharf möglich. Aufgrund der Komplexitätsunterschiede von Maschinen und Anlagen werden beide Teilbranchen im Folgenden nur dann getrennt berücksichtigt, soweit dies sinnvoll erscheint.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
195
2005 mit ca. 795.000 Beschäftigten 175 Mrd. Euro (entspricht 13,8 % bzw. 11,8 %).863 Dem Bereich Medizintechnik fällt mit einem Jahresumsatz von 17,3 Mrd. Euro und ca. 95.000 Beschäftigen im Jahr 2007 eine geringere gesamtwirtschaftliche Bedeutung zu (entspricht 1,2 % bzw. 1,6 %).864 Insgesamt ist festzustellen, dass sich der Untersuchungsgegenstand über einen breiten Teil des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland erstreckt. Im Folgenden sollen die identifizierten Branchen kurz charakterisiert werden: Der Maschinen- und Anlagenbau umfasst den „Bau von Maschinen, die mechanisch oder durch Wärme auf Materialien einwirken oder an Materialien Vorgänge durchführen (wie Bearbeitung, Besprühen, Wiegen oder Verpacken).“865 In dieser Sparte können wirtschaftszweigspezifische (z. B. die Herstellung landund forstwirtschaftlicher Maschinen) und unspezifische Maschinen unterschieden werden (z. B. die Herstellung pneumatischer Komponenten). Der Teilbereich des Anlagenbaus zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass dort kundenindividuelle Projekte durchgeführt werden, bei denen in der Regel kein zeitlicher Kaufverbund zu anderen Leistungen besteht. Traditionell werden industrielle Großanlagen in diesem Sektor aufgeführt, allerdings kann diese Beschreibung auch auf Handwerksleistungen zutreffen.866 Laut VDMA existierten 2004 in Deutschland 6.877 Betriebe in der Branche Maschinen- und Anlagenbau.867 Elektronik- und Elektrotechnikunternehmen stellen Geräte her bzw. nutzen Verfahren, die zumindest teilweise elektrische Energie benötigen (z. B. Schaltungen für Steuer- und Messtechnik). Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) organisiert unter diesem thematischen Dach nach eigenen Angaben allein 1.250 Unternehmen in Deutschland.868 Die Branche Medizintechnik wird von ihrem Fachverband SPECTARIS869 in zwei Gruppen eingeteilt. Einerseits die medizinischen Instrumente und Geräte, die für diese Untersuchung von hohem Interesse sind, und andererseits medizinische Hilfsmittel, die nicht in die Klasse komplexer Industriegüter fallen. Die deutsche Medizintechnikbranche umfasste im Jahr 2007 mehr als 1.250 Unternehmen.870 Die geschilderten Branchen weisen die gewünschten Merkmale auf und zeigen darüber hinaus auch Schnittstellen und Graubereiche bei der Zuordnung in die jeweilige Branche bzw. in den jeweiligen Branchenverband. Beispielsweise kann ein medizinisches Gerät sowohl mechanische
863
Vgl. Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA), (2007), S. 16 f.
864
Vgl. SPECTARIS (2008), S. 21 ff.
865
Vgl. Statistisches Bundesamt (DESTATIS), (2008), S. 86.
866
Vgl. Backhaus/Voeth (2007), S. 305.
867
Vgl. Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) (2006), S. 72.
868
Vgl. Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (2008).
869
Der Deutsche Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien e. V. (www.spectaris.de).
870
Vgl. SPECTARIS (2008), S. 21. Erfasst wurden nur die Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern.
196
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Maschinenkomponenten als auch Steuerungselektronik benötigen. Eine Klassifizierung ist damit nur möglich, wenn z. B. der hauptsächliche Wertschöpfungsanteil des Unternehmens oder das generelle Produktportfolio des Unternehmens bewertet wird. Um eine ausreichende Breite der Befragung zu gewährleisten, wurde die Erhebung in zwei Schritten durchgeführt. Zunächst wurden in Kooperation mit dem VDMA Mitgliedsunternehmen befragt. Der VDMA hatte im Jahr 2008 ca. 3.000 registrierte Firmenmitglieder.871 Aufgrund der Speicherung individueller Kontakte konnte die Erhebung auf die Geschäftsführung und leitende Mitarbeiter zurückgreifen, sodass innerhalb der Zusammenarbeit mit dem VDMA ein Adressatenpool872 von 2.185 Kontakten zur Verfügung stand. Die Branchen Elektronik/Elektrotechnik und Medizintechnik wurden über einen externen Dienstleister erschlossen. Hierfür wurden 1.648 Kontaktdaten in den identifizierten Branchen eingekauft und telefonisch vorqualifiziert. Nach der Vorqualifizierung verblieb ein Adressatenpool von 645 Kontakten. Insgesamt stand über alle Branchen ein Adressatenpool von 2.830 Kontakten zur Verfügung. Der Gesamtadressatenpool wurde für zwei Teilstudien genutzt, die unter der Bezeichnung „Kundenstrategie 2008“ beworben wurden. Die Teilnehmer wurden vor der Befragung per Zufallsauswahl auf die beiden Fragebögen verteilt. Incentiviert wurde die Teilnahme mit einem unternehmensindividuellen Benchmarking-Bericht und zusätzlich für die Nicht-VDMA-Gruppe mit einer Spende an eine internationale Hilfsorganisation für jeden vollständigen Fragebogen. Die zwei unterschiedlichen Teiladressatenpools wurden zeitversetzt erhoben, wodurch sich ein Gesamterhebungszeitraum von Juli 2008 bis September 2008 ergab. Der 18-seitige Online-Fragebogen verwendet hauptsächlich siebenstufige semantische Differenziale mit den Gegensatzpaaren „stimme voll und ganz zu“/„stimme überhaupt nicht zu“ bzw. „sehr intensiv genutzt“/„überhaupt nicht genutzt“.873 Für die Gestaltung des Fragebogens wurde Hinweisen aus der Literatur gefolgt.874 Ähnlich der Offenlegung der grundlegenden Paradigmen in Kapitel 2.3 sollen ebenfalls mögliche Schwächen und Kritikpunkte des methodischen Vorgehens offen diskutiert werden. Im Bereich der Datenerhebung sind dies insbesondere die Problemkreise: Key Informant Bias, Common Method Bias und Non-Response Bias. Die Grundgedanken der Kritikpunkte und Lösungsansätze werden in diesem Abschnitt aufgeführt, die Analyse der Datengrundlage selbst erfolgt erst im nächsten Abschnitt.
871
Vgl. Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA), (2008b).
872
Innerhalb der relevanten Zielgruppen Geschäftsführung, Marketing und Vertrieb.
873
Ausnahmen ergaben sich in den Kategorien „Erfolgsmaße“ und „Fragen zu Ihrem Unternehmen und Ihrer Branche“. Die siebenstufige Skala wurde in Anlehnung an Bagozzi (1981), S. 200 gewählt. Lt. Homburg/Klarmann (2006), S. 733 können Verzerrungen, z. B. durch die Verwendung von Likert-Skalen, dadurch minimiert werden, indem fünf oder mehr Kategorien/Antwortmöglichkeiten gegeben werden.
874
Vgl. z. B. Berekoven (2006).
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
197
Das gewählte Erhebungsdesign nutzt „Schlüsselinformanten“ (so genannte „Key Informants“) als Repräsentanten einer Unternehmung bzw. als repräsentativ für ein beobachtetes Phänomen innerhalb einer Organisation.875 Dieses Vorgehen ist nicht kritikfrei. Insbesondere PHILLIPS (1981) weist auf Validitätsprobleme bei der Nutzung von Aussagen von „Key Informants“ hin.876 Als Begründung für den Key Informant Bias führen HURRLE/KIESER (2005) die Notwenigkeit der Abfolge verschiedener kognitiver Prozesse beim Befragten an. Dieser Ablauf ist in der Lage, eine Messung zu verzerren.877 Zum Ausschluss des Key Informant Bias müssten alle Beschäftigten einer relevanten organisatorischen Einheit befragt werden. Ein derart hoher Aufwand ist jedoch im Rahmen dieser empirischen Studie nicht möglich und liefe sogar dem Forschungsinteresse, eine breite Übersicht über Interaktions- und Lernorientierungen im Industriegütermarkt zu gewinnen, entgegen.878 Darüber hinaus gibt es neben der Forschungseffizienz einen weiteren Aspekt, der den Einsatz dieser Erhebung unter Berücksichtigung bestimmter Aspekte erlaubt: Die Befragten dieser Untersuchung wurden nicht aufgrund einer bestimmten Kompetenz879 ausgewählt, sondern aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Teilsystem der Unternehmung, das eine große Nähe zum Thema Kundeninteraktion vermuten lässt.880 Es kann mit HOMBURG (2000) davon ausgegangen werden, dass ohnehin nur eine beschränkte Möglichkeit besteht, „besonders geeignete Key Informants zu identifizieren.“881 Somit wird dem Key Informant Bias in dieser Untersuchung eine eher geringe Bedeutung zugemessen. In Anlehnung an HURRLE/KIESER (2005) wurden jedoch auch verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung bzw. Überprüfung der Verzerrung eingesetzt:882 Die Konstrukte wurden, basierend auf der Literaturrecherche, in Tiefeninterviews mit Experten validiert, um u. a. Interpretationsprobleme ausschließen zu können. Zudem wurden mittels eines Pre-Tests einige Indikatoren präziser gestaltet bzw. die Komplexität innerhalb der Fragen reduziert. Letztendlich wurden auch Zielbranchen und -positionen der Befragten auf jeweils drei Ausprägungen reduziert. Zum Test des Key Informant Bias wurden zudem alle Teilnehmer um die Angabe weiterer potenziell interessanter Kollegen gebeten. Diesem Aufruf kamen lediglich neun Befragte
875
Hurrle/Kieser (2005), S. 585 sehen Key Informants als Organisationsmitglieder, die nach Maßgabe ihrer Kompetenz ausgewählt wurden, um Auskunft über Sachverhalte in der Organisation zu geben.
876
Phillips (1981) misst in ihrer Studie, dass z. T. weniger als 50 % der erklärten Varianz durch die beobachtete Eigenschaft erklärt werden. Vgl. Hurrle/Kieser (2005), S. 585 ff. für eine Übersicht verschiedener Studien im Bereich des Key Informant Bias.
877
Vgl. Hurrle/Kieser (2005), S. 586.
878
Vgl. z. B. Büttgen (2007), S. 217.
879
Im Sinne von Hurrle/Kieser (2005), S. 585.
880
Dies sind „Geschäftsführung“, „Marketing“ und „Vertrieb“. In Anlehnung an Håkansson/Östberg (1975), S. 119 werden Mitarbeiter dieser Bereiche als „administrators of contacts between the selling and buying firm“ gesehen. Der Hinweis von Hurrle/Kieser (2005), S. 589, nach dem systematische Messfehler auch funktionaler Zugehörigkeit entspringen können, wird beachtet, indem die Stichprobe ein balanciertes Bild aller drei Befragtengruppen zeigt.
881
Homburg (2000), S. 82.
882
Vgl. Hurrle/Kieser (2005), S. 590 ff., 598.
198
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
nach. Eine erneute Validierungsstichprobe aus dem genannten Personenkreis war jedoch nicht möglich, da sich keiner der Genannten zur Teilnahme an der Studie bereit erklärte. Aufgrund der Kodierung eines Items ist es jedoch möglich, 13 Befragte zu identifizieren, deren Aussagen für sechs Unternehmen getroffen wurden (d. h. zwei bzw. drei Befragte pro Unternehmen). Anhand dieser Daten wird im folgenden Abschnitt eine Näherung für die Auswirkungen des Key Informant Bias in der vorliegenden Studie bestimmt. In der vorliegenden Erhebung werden sowohl die unabhängigen als auch die abhängigen Daten vom gleichen Befragten erhoben. Dieses Verfahren kann zum Phänomen des Common Method Bias führen, d. h., die Ergebnisse werden dadurch verzerrt, dass der Befragte subjektive Heuristiken und Theorien benutzt, um für sich einen „[…] plausiblen Zusammenhang zwischen Ursachen und Wirkungen herzustellen.“883 PODSAKOFF ET AL. (2003) sehen zwei potenzielle Stellschrauben, um die Effekte des Common Method Bias zu reduzieren: einerseits Maßnahmen, die bereits beim Design der Erhebung zum Tragen kommen (z. B. Einbezug externer Daten) und andererseits statistische Prüfmechanismen, die den Common Method Bias selbst darstellen (z. B. Harman’s One Factor Test).884 Letztgenannter Aspekt findet im Folgenden Berücksichtigung. Da es das Ziel dieser Untersuchung ist, ein branchenübergreifendes Messinstrument zu entwickeln, ist es nicht nur von Bedeutung, dass die erhobenen Messdaten keinen Verzerrungen unterliegen, sondern auch, dass auch die Nicht-Teilnehmer ähnliche Merkmale aufweisen wie die Teilnehmer der Befragung. Eine derartige Verzerrung zwischen Teilnehmern und NichtTeilnehmern wird als Non-Response Bias bezeichnet und muss ebenfalls bei der Prüfung der Datengrundlage Berücksichtigung finden.885 Idealerweise liegen Merkmale der Nicht-Beantworter vor, um Aussagen des Non-Response Bias zu ermöglichen. In vielen Fällen, so auch in dieser Erhebung, liegen diese Daten jedoch nicht vor, sodass eine Näherungslösung genutzt werden muss, um eine Messung der Auswirkungen des Non-Response vornehmen zu können: Im Rahmen der Prüfung der Datengrundlage werden deshalb die Ausprägungen der Frühantworter (erstes Drittel der Teilnehmer) den Ausprägungen der Spätantworter (letztes Drittel der Teilnehmer) gegenüber gestellt.886 Dem Verfahren liegt die Annahme zugrunde, dass Spätantworter den Nichtteilnehmern ähnlicher sind als Frühantworter.
883
Vgl. Hurrle/Kieser (2005), S. 590.
884
Vgl. Podsakoff/Organ (1986), S. 536 f. und Podsakoff et al. (2003), S. 887 ff.
885
Vgl. z. B. Bortz/Döring (2006), S. 260.
886
Vgl. Armstrong/Overton (1977).
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
4.1.2
199
Datengrundlage
Der gesamte Rücklauf der Befragung besteht aus 229 vollständig ausgefüllten Fragebögen.887 Dies entspricht einer Rücklaufquote von ca. 16 %, ein Wert, der aufgrund des Erhebungsgegenstands und der Länge des Fragebogens zufriedenstellend ist.888 Der Stichprobenumfang entspricht damit auch den in der Literatur geforderten Kriterien.889 Die Entwicklung einer allgemeingültigen Skala für Märkte komplexer Industriegüter erfordert, dass die Stichprobe ein repräsentatives Abbild der Grundgesamtheit darstellt. Repräsentativität ist lt. BEREKOVEN (2006) für eine Stichprobe dann gegeben, „[…] wenn sie in der Verteilung aller untersuchungsrelevanter Merkmale der Gesamtmasse entspricht, d. h. ein zwar verkleinertes, aber sonst wirklichkeitsgetreues Abbild der Grundgesamtheit darstellt.“890 Bei der Zuteilung des Adressatenpools auf die beiden Fragebögen wurde eine reine Zufallsauswahl angewandt, d. h. jeder Adressat hatte die gleiche Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe zu gelangen.891 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Struktur der befragten Unternehmen892 der realen Unternehmensgrößenstruktur entspricht. Tabelle 23 zeigt, dass in dieser Erhebung größere Unternehmen überrepräsentiert sind. Das heißt, die Studie bildet nicht exakt die Struktur in Investitionsgütermärkten nach (²-Test: ² = 36,65 bei df = 2; kritischer Wert auf dem 5 %Niveau: 5,99). Die Verschiebung zu Lasten kleinerer Unternehmen ist auf zwei Aspekte zurückzuführen: Einerseits werden komplexe Interaktions- und Lernphänomene untersucht, die i. d. R. verstärkt bei komplexeren sozialen Gebilden, d. h. größeren Unternehmen offener in Form von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen zutage treten. Aus diesem Grund wurden beim Einkauf von Branchendaten Unternehmen, die kleiner als 20 Mitarbeiter sind, ausgeschlossen. Andererseits ist bereits der Mitgliederpool des VDMA zugunsten größerer Unternehmen verzerrt. Aufgrund beider Aspekte wird davon ausgegangen, dass die dargestellte Verzerrung (vgl. Tabelle 23) als nicht so stark zu beurteilen ist, dass Zweifel an der Qualität der Stichprobe angebracht sind. Die Repräsentativität der befragten Branchen für den Bereich
887
Nur vollständig ausgefüllte Fragebögen wurden in die Stichprobe aufgenommen.
888
Die gesamte Rücklaufquote über beide Teilstudien betrug 14,5 %. Bortz/Döring (2006), S. 256 geben eine hohe Schwankungsbandbreite (10 bis 90 %) für in der Literatur berichtete Rücklaufquoten an. Die Rücklaufquote dieser Untersuchung ist im Einklang mit Rücklaufquoten aktueller Studien im Industriegütersektor (vgl. z. B. Niedbal (2005), S. 177 und Gawantka (2006), S. 151).
889
In der Regel wird n 200 als ausreichend erachtet (vgl. z. B. Homburg/Klarmann (2006), S. 733). Wird die Modellkomplexität des Strukturmodells einbezogen, wird gefordert, dass n 5 × „Anzahl der zu schätzenden Parameter“ beträgt (auch n q > 50). Bei insgesamt neun Faktoren (IO und LO) mit insgesamt 42 Indikatoren (vgl. Kapitel 3.4) beträgt die maximale Anzahl der zu schätzenden Parameter in den beiden Messmodellen 32 bzw. 44. Demnach wären n 220 nötig. Diese Bedingung erfüllt der zugrunde liegende Datensatz.
890
Berekoven (2006), S. 51.
891
Vgl. Berekoven (2006), S. 52.
892
Um insbesondere Befragungsteilnehmer größerer Unternehmen nicht dazu zu zwingen, Mutmaßungen über inhaltlich oder sachlich weit entfernte Unternehmensteile anstrengen zu müssen, wurde es den Befragten offen gelassen, ob sie die Fragen für ihr gesamtes Unternehmen oder ihren Geschäftsbereich beantworten.
200
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Industriegütermärkte zeigt sich anhand der breiten Abdeckung gemessen an Umsatz oder Beschäftigten innerhalb des verarbeitenden Gewerbes.893 Unternehmensgrößenklasse <500 Mitarbeiter 501-1.000 Mitarbeiter >1.000 Mitarbeiter Gesamt
Tatsächliche Größenklassenverteilung 172 27 30 229
Erwartete Größenklassenverteilung (gem. Beschäftigtengrößenklassen in der Investitionsgüterindustrie894)
(75,1 %) (11,8 %) (13,1 %) (100 %)
217 (13.454) 6 (398) 5 (297) 229 (14.149)
(95,1 %) (2,8 %) (2,1 %) (100 %)
Tabelle 23 Branchenverteilung
Zusätzlich soll die Datengrundlage auf die in Kapitel 4.1.1 erwähnten Verzerrungen hin überprüft werden. Key Informant Bias: Hierfür werden zunächst die Teilnehmer untersucht, zu deren Unternehmen mindestens ein weiterer Befragter Aussagen abgegeben hatte. Für die zentralen Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung konnten die Aussagen von fünf Zweier- und einer Dreiergruppe untersucht werden. Dabei konnten für fünf der sechs Gruppen entweder übereinstimmende oder mit einer Skalenstufe unterschiedliche Bewertungen festgestellt werden. Auffällig sind zwei verbleibende Einschätzungen mit zwei (drei) Skalenstufen Unterschied beim Konstrukt Interaktionsorientierung (Lernorientierung). Es zeigt sich auch, dass sich diese Personen nicht übereinstimmenden Positionen zuordnen (Marketing bzw. Vertrieb), sodass die Aussagen evtl. aufgrund unterschiedlicher Einsichtnahme- oder Kundeninteraktionsmöglichkeiten entstehen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich innerhalb der Stichprobe ein „Marketing-Sales Gap“ zeigt.895 Der Mittelwertvergleich der beiden Teilgruppen für die Konstrukte IO und LO zeigte jedoch keine signifikanten Unterschiede für die beiden Teilgruppen auf einem 5 %-Niveau.896 Tabelle 24 zeigt darüber hinaus, dass keine der Positionen innerhalb der Stichprobe überrepräsentiert ist. Aufgrund der Ausführungen in Kapitel 4.1.2 und der vorgestellten Analysen ist davon auszugehen, dass dem Key Informant Bias in dieser Untersuchung geringere Bedeutung zukommt.
893
Vgl. Kapitel 4.1.1. Die größte Teilbranche, die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen, wurde aufgrund i. d. R. sehr spezifischer Anbieter-Kunde-Beziehungen nicht in die Untersuchung aufgenommen.
894
Vgl. Statistisches Bundesamt (DESTATIS), (2006).
895
Zur Bedeutung der Marketing-Sales-Integration vgl. Guenzi/Troilo (2006).
896
In diesem Zusammenhang wurden auch die Mittelwerte zwischen den Teilgruppen Geschäftsführung und Marketing bzw. Vertrieb verglichen. Hier zeigten sich signifikant positivere Aussagen für die Teilgruppe Geschäftsführung (p < 0,01). Dieser signifikante Unterschied kann durch die Erwünschtheit der Phänomene Kundeninteraktion und organisationales Lernen ausgelöst sein (vgl. Kapitel 3.3.1). Da die Geschäftsführung für die Etablierung von Werten, Normen, Praktiken und Prozessen verantwortlich ist, die IO und LO fördern, könnte die Höhergewichtung eine Überschätzung der Wirkungsweise der Managementmaßnahmen oder als ein organisationaler Frühindikator zu verstehen sein. Da KIK als organisationales Phänomen erforscht werden soll, wird keine der betrachteten Gruppen aus der Stichprobe ausgeschlossen.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
Position
201
Tatsächliche Größenklassenverteilung
Geschäftsführung Marketing Vertrieb Sonstige Gesamt
60 87 66 16 229
(26,2 %) (38,0 %) (28,8 %) (7,0 %) (100 %)
Tabelle 24 Verteilung der Positionen innerhalb der Stichprobe
Common Method Bias: Auch das Risiko, dass ein einzelner instrumentenunspezifischer Faktor die Ladung verzerrt, kann als gering eingestuft werden (Common Method Bias). HARMAN’s One Factor Test897 identifizierte 27 einzelne Faktoren, die zusammen 75 % der erklärten Varianz erklären. Auf den größten Faktor entfallen dabei 25,6 %.898 Non-Response Bias: Der Non-Response Bias wurde überprüft durch einen Mittelwertsvergleich (tTest) der Früh- und Spätantworter (anhand der Eingangszeit unterschiedenes erstes und letztes Drittel der Teilnehmer). Der t-Test ergab für die zentralen Konstrukte IO, LO und Gesamtperformance keine signifikanten Unterschiede auf dem 5 %-Niveau. Auf Ebene der einzelnen Items wiesen auf dem 5 %-Niveau 11 % der Items einen signifikanten Mittelwertunterschied zwischen Früh- und Spätantwortern auf. Damit kann davon ausgegangen werden, dass kein wesentlicher Non-Response Bias in dem zugrunde liegenden Datensatz besteht.
4.1.3
Methodik der quantitativen Analyse
In dieser Untersuchung sollen die Auswirkungen einer Interaktions- und Lernorientierung (als Stellhebel einer Kundeninteraktionskompetenz) auf den Unternehmenserfolg analysiert werden. Hierzu müssen beide Konstrukte in ein Strukturgleichungsmodell eingefügt werden.899 Weder IO noch LO sind jedoch direkt überprüfbar bzw. messbar. Sie werden deshalb als latente Konstrukte bezeichnet.900 Damit diese Konstrukte dennoch in einem Strukturgleichungsmodell abgebildet werden können, ist es nötig, diese zuvor mittels valider Messmodelle zu operationalisieren.901 Die
897
Vgl. für die Überprüfung des Common Method Bias z. B. Podsakoff et al. (2003), S. 889.
898
An dieser Stelle muss die Kritik von Podsakoff/Organ (1986), S. 536 angebracht werden, dass keine Regeln darüber existieren, wie viele Faktoren extrahiert werden müssten.
899
Lt. Bliemel et al. (2005), S. 10 kann dieses Vorgehen als Quasi-Standard zur Erforschung komplexer Wirkzusammenhänge verstanden werden.
900
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 6 und Backhaus et al. (2003), S. 334.
901
Vgl. Anderson/Gerbing (1982), S. 453. Bei der Operationalisierung spricht man von ein- bzw. mehrfaktoriellen Konstrukten (entsprechend der Anzahl der zugeordneten Faktoren) und ein- bzw. mehrdimensionale Konstrukten (entsprechend der Anzahl der Ebenen latenter Konstrukte). In der vorliegenden Untersuchung werden mehrdimensionale, mehrfaktorielle Konstrukte untersucht (vgl. Homburg/Giering (1996), S. 6).
202
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Beschreibung einer Methodik und der relevanten Gütekriterien sichert die Qualität der Konstruktmessung. Im Wesentlichen existieren drei Gütekriterien:902 x
Objektivität,
x
Reliabilität, d. h. die formale Genauigkeit bzw. Zuverlässigkeit der Messung und
x
Validität, d. h. die materielle Genauigkeit bzw. Gültigkeit.
Die Sicherstellung von Objektivität wird durch den Aufbau und die Methodik der Untersuchung als gewährleistet angesehen.903 Ein Messinstrument gilt dann als realibel, wenn die erhaltenen Ergebnisse bei wiederholter Messung (unter konstanten Bedingungen) reproduzierbar sind.904 Messwerte ergeben sich aus der Summe des tatsächlichen Werts, einem systematischen und einem unsystematischen Fehler.905 Im Rahmen der Realibilitätsbegutachtung geht es darum zu überprüfen, ob ein Messinstrument frei von Zufallsfehlern ist.906 Reliabilität ist notwendig, aber für das letzte angeführte Gütekriterium, die Validität von Messinstrumenten, nicht hinreichend genau.907 Das Gütekriterium der Validität begutachtet, ob ein Messinstrument genau den Sachverhalt erfasst, der eigentlich gemessen werden sollte.908 Im Gegensatz zur Reliabilität werden in der Validitätsbetrachtung auch systematische Fehler untersucht.909 In der Literatur finden sich verschiedene Kategorisierungsansätze.910 Die folgende Unterteilung erscheint am besten geeignet für die folgende Untersuchung:911 x
Inhaltsvalidität,
x
Konvergenzvalidität,
x
Diskriminanzvalidität und
x
nomologische Validität.
902
Vgl. z. B. Berekoven (2006), S. 87 ff.
903
Die Objektivität, d. h. die Unabhängigkeit der Messung von der durchführenden Person (Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität), ist in dieser Untersuchung gewahrt, indem die Datenerhebung und Datengrundlage (vgl. Kapitel 4.1.1 und 4.1.2) nach offengelegten Kriterien erfolgte und die Auswertung anhand der folgenden Gütekriterien und Vorgehensweisen durchgeführt wurde.
904
Vgl. Berekoven (2006), S. 88.
905
Vgl. Berekoven (2006), S. 64. Die Untersuchung systematischer Fehler fällt hingegen in den Bereich der Validitätsprüfung (vgl. Peter (1979), S. 7).
906
Vgl. Peter (1979), S. 7.
907
Vgl. Peter (1979), S. 6.
908
Vgl. Berekoven (2006), S. 89.
909
Vgl. Peter (1979), S. 6.
910
Vgl. Berekoven (2006), S. 89.
911
Vgl. z. B. Homburg/Giering (1996), S. 7.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
203
Ein Messinstrument ist dann inhaltsvalide, wenn es das zu messende Merkmal „[…] wirklich bzw. hinreichend genau erfasst.“912 Die Inhaltsvalidität ist damit ein Gütekriterium, das anzeigt, inwieweit die Operationalisierung des Konstrukts akzeptiert werden kann.913 Die Inhaltsvalidität eines Messmodells ist statistisch sehr schwierig zu überprüfen.914 Entsprechend der gewählten Messphilosophie (reflektiv bzw. formativ915) erfolgt die Prüfung auf Inhaltsvalidität unterschiedlich. Bei der Prüfung reflektiver Messmodelle wird die Inhaltsvalidität in der Regel indirekt geprüft, indem die Konstruktvalidtät (Konvergenz- und Diskriminanzvalidität) ermittelt und beurteilt wird.916 Eine Prüfung bzw. Eliminierung aufgrund der Konvergenz und Diskriminanz der Indikatoren eines Konstrukts (interne Konsistenz der Indikatoren) steht im Widerspruch zu den Prämissen formativer Messmodelle.917 Die Prüfung der Inhaltsvalidität hat deshalb einen zentralen Stellenwert in der Entwicklung formativer Messmodelle.918 Konvergenzvalidität ist immer dann gegeben, wenn die Indikatoren oder Faktoren eines latenten Konstrukts ausreichend stark miteinander zusammenhängen bzw. korrelieren.919 Konvergenzvaliditätstests messen also, ob alle Indikatoren gemeinsam auf ein latentes (reflektives) Konstrukt einwirken bzw. von diesem bestimmt werden. Diskriminanzvalidität zeigt den Grad an „[…] to which measures of distinct concepts differ.“920 Diskriminantvalide Indikatoren eines (reflektiven) Konstrukts bzw. einer Dimension grenzen sich folglich von den Indikatoren anderer Konstrukte bzw. Dimensionen ab. Damit wird erwartet, dass die Zusammenhänge von Indikatoren, die dasselbe Konstrukt messen, höher sind als die Zusammenhänge zu Indikatoren anderer Konstrukte.921 Nomologische Validität „[…] represents the degree to which predictions based on a concept are confirmed within the context of a larger theory.“922 Die Forderung nach nomologischer Validität fordert also eine Einbettung in einen übergeordneten Theorierahmen – in dieser Untersuchung eine Einbettung in die ressourcenorientierten Ansätze. Durch diese Einbettung wird es möglich, dass die verschiedenen Konstrukte in ein Netz an valide nachgewiesenen Verbindungen zu anderen Konstrukten eingeordnet werden können. Demzufolge müsste es beim Vorliegen
912
Bühner (2005), S. 30.
913
Inhaltsvalidität ist mit einem Test statistisch kaum zu bestimmen, daher wird i. d. R. versucht, Inhaltsvalidität indirekt über die Konstruktvalidität zu messen (vgl. Bühner (2005), S. 30).
914
Vgl. Bühner (2005), S. 30.
915
Vgl. Kapitel 4.1.3.1.
916
Vgl. Bühner (2005), S. 30 ff.
917
Vgl. Fassot/Eggert (2005), S. 38.
918
Vgl. Rossiter (2002), S. 308.
919
Vgl. Bühner (2005), S. 32.
920
Bagozzi/Phillips (1982), S. 469.
921
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 7.
922
Bagozzi (1979), S. 15.
204
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
nomologischer Validität möglich sein, den schon zuvor nachgewiesenen Zusammenhang erneut mittels der aktuell erhobenen Indikatoren nachzuweisen. Wie bereits bei der Diskussion der Inhaltsvalidität angesprochen, unterscheiden sich die angewandten Methodiken bzw. Messphilosophien entsprechend der zugrunde liegenden Messmodelle/Messanweisung.923 Ein Messmodell kann reflektiver oder formativer Natur sein (vgl. Abbildung 34). Eine Messanweisung bezeichnet die Anweisung, wie die Indikatoren, die ein Konstrukt beschreiben, gemessen werden bzw. wie der Zusammenhang zwischen Indikator und Konstrukt zu deuten ist.924
1
Konstrukt
2
Indikator 1
ˢ1
ˣ
Indikator 2
2
Konstrukt
1 2
Indikator 1 Indikator 2
3
3
Indikator 3
3
Reflexives Messmodell
Indikator 3
Formatives Messmodell
Abbildung 34 Reflektives vs. formatives Messmodell in Anlehnung an Sönke/Götz (2006) und Diamantopoulos (1999)
4.1.3.1
Messphilosophie und Schätzverfahren
Bei reflektiven Messmodellen (vgl. Abbildung 34) wird die latente Variable als ursächlich für die Ausprägung der Indikatorvariablen erachtet. Eine durch exogene Einflüsse ausgelöste Veränderung der latenten Variablen führt damit automatisch zu einer entsprechenden Veränderung aller Indikatoren.925 Die Indikatoren reflektieren das latente Konstrukt.926 Erfassen die Indikatoren das latente Konstrukt ohne Messfehler, sind sie aufgrund ihrer hohen Korrelation grundsätzlich beliebig austauschbar.927 Die Forderung nach hoher Korrelation928 führt dazu, dass niedrig korrelierte Indikatoren im Rahmen der Gütebeurteilung eliminiert werden. Formative Messmodelle kehren die Wirkbeziehung zwischen latentem Konstrukt und Indikatoren um (vgl. Abbildung 34), d. h., die Indikatoren „formieren“ das latente Konstrukt.929 Im Gegen923
Vgl. Homburg/Klarmann (2006), S. 730.
924
Vgl. Büttgen (2007), S. 225 und Schnell/Hill/Esser (2005), S. 127 f.
925
Vgl. z. B. Backhaus et al. (2003), S. 408 und Zinnbauer/Eberl (2004), S. 4.
926
Vgl. Sönke/Götz (2006), S. 669.
927
Vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff (2003), S. 200 und Zinnbauer/Eberl (2004), S. 4.
928
Vgl. Churchill (1979a) und Bollen/Lennox (1991), S. 308.
929
Vgl. Sönke/Götz (2006), S. 670.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
205
satz zum reflektiven Modell müssen die Indikatoren eines Konstrukts keine Korrelation aufweisen, können dies aber.930 Die Eliminierung von Indikatoren auf Basis einer korrelationsbasierten Gütebeurteilung erscheint deshalb für formative Messmodelle nicht sinnvoll.931 Die Entscheidung, ob ein reflektives oder formatives Messmodell verwendet werden soll, hat demnach weit reichende Konsequenzen für Methodik und Gütekriterien. Im Falle eines mehrdimensionalen Messmodells, wie es in dieser Untersuchung Verwendung findet (vgl. Kapitel 3.4), stellt sich diese Entscheidung auf jeder Ebene erneut.932 SÖNKE/GÖTZ (2006) zeigen die vier möglichen Typen zweidimensionaler Messmodelle auf und erachten reflektiv-reflektive bzw. formativ-reflektive933 Messmodelle als nicht sinnvoll.934 Für die vorliegende Untersuchung müssen die beiden Ebenen getrennt voneinander analysiert werden. Auf der ersten Ebene stellen sich die Indikatoren als Realisierungen bzw. Konsequenzen der jeweiligen Dimensionen dar und erscheinen als beliebig austauschbarer Beleg für die Existenz bzw. Ausprägung einer Dimension. Entsprechend den Entscheidungshilfen aus der Literatur werden IO und LO auf der ersten Ebene als reflektive Messmodelle spezifiziert.935 Anders verhält sich die Situation auf der zweiten Ebene. Die Konstrukte erster Ordnung bzw. die Dimensionen können nicht als austauschbar gesehen werden. Beispielsweise ist es denkbar, dass das Kundenwertmanagement gut ausgeprägt ist, jedoch der Bereich Kundenmotivation nur gering. Zudem kann keines der einzelnen Konstrukte der ersten Ebene allein das Gesamtkonstrukt repräsentieren.936 Damit muss das Messmodell zweiter Ordnung formativ spezifiziert werden.937 Dies steht im Einklang mit der Beschreibung des entsprechenden Typs bei SÖNKE/GÖTZ (2006): „Möchte man mit sehr abstrakten Konstrukten arbeiten, die aus verschiedenen Dimensionen bestehen und gleichzeitig Messfehler berücksichtigen, dann ist“938 ein reflektiv-formatives Messmodell die richtige Wahl. Nachdem nun geklärt ist, dass sowohl reflektive als auch formative Messmodelle in dieser Untersuchung eingesetzt werden, stellt sich als Nächstes die Frage, welche Verfahren zur Schätzung der entsprechenden Mess- und Strukturmodelle genutzt werden können. Grund-
930
Vgl. Zinnbauer/Eberl (2004), S. 4.
931
Vgl. Diamantopoulos (1999), S. 453 f.
932
Vgl. Giere/Wirtz/Schilke (2006), S. 682.
933
Notation: Formativ-reflektives Messmodell bedeutet: 1. Ebene: formative Messung, 2. Ebene: reflektive Messung.
934
Vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff (2003), S. 204 f. und Sönke/Götz (2006), S. 673.
935
Vgl. Fornell (1982), S. 292 ff., Rossiter (2002), S. 314 ff. und Jarvis/MacKenzie/Podsakoff (2003), S. 203.
936
Vgl. Giere/Wirtz/Schilke (2006), S. 681.
937
Vgl. Sönke/Götz (2006), S. 675.
938
Sönke/Götz (2006), S. 673.
206
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
sätzlich bieten sich zwei unterschiedliche Verfahren an: (1) kovarianzerklärende Verfahren und (2) varianzerklärende Verfahren.939 (1) Kovarianzerklärende Verfahren zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass die Schätzer konsistent sind und Messfehler zumindest bei reflektiven Konstrukten berücksichtigt werden können. Darüber hinaus existiert die Möglichkeit, die Modellgüte global zu überprüfen.940 Aufgrund der höheren Ergebnisgenauigkeit und etablierter Gütekriterien erscheint es empfehlenswert, auf kovarianzbasierte Verfahren zurückzugreifen, soweit dies möglich ist. In dieser Untersuchung werden kovarianzbasierte Ansätze hauptsächlich in den ersten drei Stufen des Vorgehensmodells der empirischen Validierung eingesetzt (Validierung auf Ebene der Dimensionen).941 Prinzipiell ist es möglich, formative Konstrukte in kovarianzbasierten Verfahren einzusetzen.942 Wenn jedoch auch endogene latente Variablen als formative Messmodelle spezifiziert sind, zeigen sich größere praktische und methodische Probleme bei kovarianzbasierten Verfahren.943 (2) Varianzerklärende Verfahren (in diesem Fall wird der PLS-Algorithmus eingesetzt) können sowohl reflektive als auch formative endogene Konstrukte schätzen und zeigen zudem Vorteile wie geringere Verteilungsannahmen und die Möglichkeit der Schätzung kleinerer Stichprobenumfänge.944 Das Problem beim Einsatz von PLS-Verfahren liegt in der fehlenden Konsistenz der Schätzung. Diese tritt erst dann ein, wenn Indikatorenzahl und Stichprobenumfang unendlich groß werden.945 Simulationsstudien haben jedoch gezeigt, dass ab Stichprobenumfängen von 100 und mindestens vier Indikatoren pro Konstrukt die PLSSchätzungen nahe dem wahren Wert liegen und damit auch vergleichbar mit den Schätzungen kovarianzbasierter Verfahren sind.946 Da in dieser Untersuchung auch endogene latente Variablen im Gesamtstrukturmodell eingesetzt werden und Effekte zwischen den Dimensionen der exogenen Messmodelle berücksichtigt werden sollen, wird auf der Gesamtstrukturmodell- und Gesamtmessmodell-Ebene (Validierung auf Ebene der Konstrukte) der PLS-Ansatz eingesetzt, wobei die Hinweise zur Konsistenz von PLS-Verfahren in der Untersuchung berücksichtigt werden.947 Bereits im vorherigen Abschnitt wurde auf die Verwendung unterschiedlicher Gütekriterien hingewiesen, die entsprechend der Spezifizierung der Messmodelle berücksichtigt werden müssen. Neben der Spezifizierung muss zudem das eingesetzte Schätzverfahren bei der Auswahl
939
Für einen Vergleich der beiden Prinzipien vgl. z. B. Homburg/Klarmann (2006), S. 725.
940
Vgl. z. B. Homburg/Klarmann (2006), S. 725.
941
Vgl. Kapitel 4.1.4.
942
Vgl. Temme (2006).
943
Vgl. Diamantopoulos/Winklhofer (2001), S. 269 ff. und Temme (2006), S. 185.
944
Vgl. Christophersen/Grape (2007), S. 108.
945
Vgl. Wold (1982), S. 25.
946
Vgl. Chin/Marcolin/Newsted (2003), S. 203 und Dees (2005), S. 66.
947
N > 100; alle formativen Messmodelle sind mit mindestens vier Indikatoren spezifiziert.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
207
geeigneter Gütekriterien berücksichtigt werden, da unterschiedliche Schätzverfahren z. T. andere Gütekriterien erfordern. Im Rahmen der empirischen Validierung wird auf Ebene der (reflexiven) Dimensionen das kovarianzbasierte Verfahren eingesetzt und auf Ebene der (formativen) Konstrukte zusätzlich varianzerklärende Verfahren.948 Im nächsten Abschnitt werden die entsprechenden Kriterien der Gütebeurteilung zunächst einzeln diskutiert und dann in die Vorgehensweise dieser Untersuchung eingebunden (vgl. Kapitel 4.1.4).
4.1.3.2
Gütebeurteilung auf Ebene der Dimensionen
Die hier beschriebenen Gütekriterien kommen hauptsächlich für die Validierung der Dimensionen zum Einsatz. Sie finden jedoch (aufgrund der Existenz globaler Anpassungsmaße) soweit möglich auch Berücksichtigung bei der Prüfung des gesamten Messmodells (z. B. MIMIC-Modell in Untersuchungsschritt D2). In Abhängigkeit davon, ob die konfirmatorische Faktorenanalyse für die Überprüfung der Reliabilitäts- und Validitätskriterien eingesetzt wird, werden die Gütekriterien in zwei Gruppen geteilt: Gütekriterien, die ohne den Einsatz der konfirmatorischen Faktorenanalyse auskommen, werden als „Gütekriterien der ersten Generation“ bezeichnet. Gütekriterien, die die in vielen Aspekten leistungsstärkere, konfirmatorische Faktorenanalyse einsetzen, werden als „Gütekriterien der zweiten Generation“ charakterisiert.949 4.1.3.2.1
Gütekriterien der ersten Generation
Die Gütekriterien der ersten Generation umfassen den Einsatz der (1) exploratorischen Faktorenanalyse, (2) das Cronbachs Alpha und (3) die Item-to-Total-Korrelationen. (1) Die explorative Faktorenanalyse950 kann mit zwei Zielen zur Konstruktvalidierung eingesetzt werden. Einerseits ist es mit der explorativen Faktorenanalyse möglich, im Falle von Unklarheit über die bestehende Faktorstruktur, vor der eigentlichen Güteprüfung die Struktur des Faktors (bzw. Konstrukts) zu prüfen.951 In dieser Funktion kommt die explorative Faktorenanalyse in dieser Untersuchung z. B. in Untersuchungsstufe A zum Einsatz. Andererseits können mit der explorativen Faktorenanalyse Aussagen über die Konvergenz- und Diskriminanzvalidität reflektiver Konstrukte getroffen werden.
948
Varianzerklärende Verfahren kommen zudem auf der Ebene des Gesamtstrukturmodells zum Einsatz (vgl. Kapitel 5).
949
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 8. Darüber hinaus lassen sich Gütekriterien in globale (d. h. bezogen auf die Gesamtstruktur) und lokale (d. h. bezogen auf Konstrukt- bzw. Teilstruktur) unterteilen (vgl. Zinnbauer/Eberl (2004), S. 5).
950
In der Literatur existieren verschiedene Faktorenextraktionsverfahren. Die beiden wesentlichen Verfahren sind die Hauptachsenanalyse und die Hauptkomponentenanalyse. Während Erstere davon ausgeht, dass eine Einzelrestvarianz bestehen bleibt, geht Letztere davon aus, dass die Varianz vollständig durch die Faktorenextraktion erklärt werden kann (vgl. Backhaus et al. (2003), S. 291 f.). In dieser Untersuchung wird die Hauptachsenanalyse eingesetzt. In der Regel ermittelt die Hauptachsenanalyse im Vergleich zur Hauptkomponentenanalyse geringere Werte der erklärten Varianz.
951
Vgl. Zinnbauer/Eberl (2004), S. 6.
208
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Ein akzeptables Maß an Konvergenz und Diskriminanzvalidität ist dann erfüllt, wenn alle Indikatoren genau einem Faktor zugeordnet werden.952 Dementsprechend sollte die Faktorladung je Indikator mindestens 0,4 betragen.953 Indikatoren, die eine kleinere Faktorladung aufweisen, sind potenzielle „Eliminationskandidaten“.954 Darüber hinaus sollte der extrahierte Faktor mindestens 50 % der Varianz der Indikatoren erklären.955 Aus methodischer Sicht sind noch drei weitere Anmerkungen zur Verwendung der explorativen Faktorenanalyse in dieser Untersuchung anzubringen: Erstens, für die Ermittlung der Anzahl der relevanten Faktoren wird das Kaiser-Kriterium genutzt.956 Demnach ist die Zahl der zu extrahierenden Faktoren gleich der Anzahl der Faktoren mit Eigenwerten (Summe der quadrierten Faktorladungen eines Faktors über alle Indikatoren) größer eins. Eigenwerte sind damit ein Maßstab für die erklärte Varianz der Beobachtungswerte.957 Zweitens wird die Rotationstechnik der schiefwinkligen OBLIMIN-Rotation gewählt. Im Einklang mit HOMBURG (2000) wird die Annahme der Unabhängigkeit der Faktoren als nicht sinnvoll angesehen, was zur Auswahl einer schiefwinkligen Rotationsmethode führt.958 Drittens werden, um die Güte der Ausgangsdaten mit in die Faktorenanalyse einzubeziehen, zusätzlich der Barlett-Test und das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium betrachtet.959 (2) Das Cronbachs Alpha basiert auf den Kovarianzen bzw. Korrelationen der Indikatorvariablen und misst die Interne-Konsistenz-Reliabilität, die einem Faktor bzw. Konstrukt zugeordnet werden kann.960 Cronbachs Alpha ist definiert als
D
2 n §¨ ¦ V i 1 n 1 ¨© V x2
· ¸, ¸ ¹
wobei n die Anzahl der Indikatoren, V i2 die Varianz des i-ten Indikators ist und V x2 die Varianz des gesamten Tests darstellt.961 Je höher die Kovarianzen bzw. Korrelationen der Indikatoren, desto näher kommt das Cronbachs Alpha seinem Maximalwert eins. Als noch akzeptabler
952
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 8.
953
Vgl. Zinnbauer/Eberl (2004), S. 7. Auch Homburg/Giering (1996), S. 8 nennen diesen Wert, geben ihn jedoch als „bspw. > 0,4“ an. Backhaus et al. (2003), S. 331 hingegen geben einen Wert von > 0,5 an.
954
Homburg/Giering (1996), S. 12.
955
Vgl. Peter (1997), S. 179, Homburg/Giering (1996), S. 12 und Zinnbauer/Eberl (2004), S. 21.
956
Vgl. Kaiser (1974).
957
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 295.
958
Vgl. Homburg (2000), S. 89.
959
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 269 ff. Der Barlett-Test (test of sphericity) nimmt eine Normalverteilung an und wird stark durch die Stichprobengröße beeinflusst. Das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium (auch als measure of sampling adequacy – MSA – bezeichnet) sieht Werte < 0,5 als „untragbar“, > 0,5 als „kläglich“, > 0,6 als „mittelmäßig“, > 0,7 als „ziemlich gut“, > 0,8 als „verdienstvoll“ und > 0,9 als „erstaunlich“.
960
Vgl. Zinnbauer/Eberl (2004), S. 6 und Homburg/Giering (1996), S. 8.
961
Vgl. Cronbach (1951), S. 299.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
209
Schwellenwert für das Cronbachs Alpha wird allgemein 0,7 postuliert.962 Allerdings gibt es auch hier widersprüchliche Aussagen. Beispielsweise sieht PETER (1997) für Konstrukte mit nur zwei bis drei Indikatoren einen Schwellenwert von nur 0,4 als akzeptabel.963 Zudem ist anzumerken, dass der Wert des Cronbachs Alpha automatisch steigt, sobald die Indikatorzahl ansteigt, da Cronbachs Alpha eine Funktion der Anzahl der Indikatoren und deren Interkorrelationen ist.964 (3) Die Item-to-Total-Korrelation (ITTC) „[…] einer Indikatorvariablen ist definiert als die Korrelation dieses Indikators mit der Summe aller Indikatoren, die demselben Faktor zugeordnet sind.“965 Je höher die Korrelation der ITTC-Werte, desto mehr trägt dieser Indikator zur Reliabilität (z. B. gemessen durch Cronbachs Alpha) des Faktors bei.966 Folglich sind bei einer zu geringen Reliabilität des Messinstruments sukzessive diejenigen Indikatoren zu eliminieren, die den geringsten ITTC-Wert aufweisen.967 BEARDEN/NETEMEYER/TEEL (1989) empfehlen als ITTC-Schwellenwert mindestens 0,5.968 Eine Eliminierung einzelner Indikatoren kann bei reflektiven Messmodellen bedenkenlos erfolgen, da die einzelnen Indikatoren grundsätzlich austauschbar sind.969 Für diese Untersuchung wird der ITTC-Wert jedoch primär als Eliminationshilfe bei zu geringen Cronbachs-Alpha-Werten genutzt, sodass im Zweifelsfall allein dieser Empfehlung nicht gefolgt wird. Tabelle 25 fasst die Gütekriterien der ersten Generation nochmals zusammen. Gütekriterien
Schwellenwert
(1) Exploratorische Faktorenanalyse (2) Cronbachs Alpha (3) Item-to-Total-Korrelation
0,4 (Faktorladung); 50 % (erklärte Varianz) 0,7 0,5 (falls Cronbachs Alpha < 0,7 Î sukzessive Eliminierung des Indikators mit geringster ITTC)
Tabelle 25 Gütekriterien der ersten Generation
4.1.3.2.2
Gütekriterien der zweiten Generation
Die Gütekriterien der ersten Generation weisen einige Schwachstellen auf,970 die durch den Einsatz der konfirmatorischen Faktorenanalyse vermieden werden können.971 Der wesentliche Unterschied im Gegensatz zu der explorativen Faktorenanalyse liegt in der Tatsache, dass Hypothesen über das Modell (in diesem Fall das Messmodell) bestehen, die gegen die erhobenen
962
Vgl. Nunnally (1978), S. 245.
963
Vgl. Peter (1997), S. 180.
964
Vgl. Schnell/Hill/Esser (2005), S. 153.
965
Homburg/Giering (1996), S. 8.
966
Vgl. Nunnally (1978), S. 297 f.
967
Vgl. Churchill (1979b), S. 68.
968
Vgl. Bearden/Netemeyer/Teel (1989), S. 475.
969
Vgl. Kapitel 4.1.3.1.
970
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 9.
971
Die konfirmatorische Faktorenanalyse geht auf McDonald/Ho (2002) zurück.
210
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Daten getestet werden können. Die Überlegenheit der mit der konfirmatorischen Faktorenanalyse verbundenen Methoden gilt in der Literatur dabei als unumstritten.972 Für die konfirmatorische Faktorenanalyse wird zunächst ein Messmodell aufgestellt.973 Die Schätzung des Modells erfolgt auf Basis der empirischen Kovarianz der Stichprobe. Ziel ist die Minimierung der modelltheoretischen und empirischen Kovarianzmatrix. Es können verschiedene Schätzalgorithmen verwendet werden.974 In dieser Arbeit wird das MaximumLikelihood-Verfahren (ML-Verfahren) verwendet.975 Auf Basis dieser Schätzungen können lokale und globale Gütekriterien abgeleitet werden. Während die Gütekriterien der ersten Generation lokale Anpassungsmaße sind, beinhaltet die zweite Generation sowohl lokale als auch globale Anpassungsmaße.976 Tabelle 26 zeigt eine Zusammenschau aller verwendeten Gütekriterien, aufgeteilt nach den Kriterien Generationszugehörigkeit und lokale/globale Aussagekraft der Gütekriterien.977 Die Ziele „Gütekriterien der 2. Generation“ in Tabelle 26 geben zudem die Übersicht der Gütekriterien, die im Folgenden kurz beschrieben werden sollen. Lokale Anpassungsmaße Gütekriterien der 1. Generation
Gütekriterien der 2. Generation
(1) Faktorladung (1) Erklärte Varianz (2) Cronbachs Alpha (3) Item-to-Total-Korrelation (9) Indikatorreliabilität (10) t-Test (Signifikanztest der Faktorlad.) (11) Faktorreliabilität (12) Durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) (13) Fornell-Larcker-Kriterium (14) ²-Differenztest
Globale Anpassungsmaße
(4) ²/df (5) GFI (6) AGFI (7) RMSEA (8) CFI
Tabelle 26 Überblick über verwendete Gütekriterien
972
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 9.
973
Ein notwendig großer Stichprobenumfang ist eine bedeutende Anwendungsvoraussetzung für konfirmatorische Faktorenanalysen. Die Größe der vorliegenden Stichprobe mit n = 229 ist als ausreichend zu beurteilen. Dies wurde bereits in Kapitel 4.1.2 diskutiert.
974
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 362.
975
Die ML-Methode liefert bei Annahme der Normalverteilung die präziseste Schätzung der möglichen Verfahren (vgl. Backhaus et al. (2003), S. 365). Die Verwendung des ML-Verfahrens setzt zudem auch Intervalldatenniveau voraus (vgl. Bühner (2005), S. 201). Der ML-Schätzalgorithmus zeigt sich jedoch ausgesprochen robust gegenüber der Verletzung der Normalverteilungsannahme (vgl. McDonald/Ho (2002) und SchermellehEngel/Moosbrugger/Müller (2003), S. 25). Liefern Tests auf Normalverteilung (z. B. der KolmogorowSmirnow-Anpassungstest) keine ausreichenden Werte, können alternativ auch die Schiefe und Kurtosis (Schmal- oder Breitgipfeligkeit) untersucht werden. Hier sind Werte kleiner zwei/drei (Schiefe) bzw. kleiner sieben/acht (Kurtosis) akzeptabel (vgl. Bühner (2005), S. 201 und Kline (2005), S. 50).
976
Globale Anpassungsmaße beziehen sich auf die Gesamtstruktur, lokale Anpassungsmaße auf die Konstruktbzw. Teilstruktur.
977
Eigene Darstellung in Anlehnung an Homburg/Giering (1996) und Zinnbauer/Eberl (2004).
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
211
Zunächst sollen die globalen Anpassungsmaße betrachtet werden. Sie geben an, inwieweit die aufgestellten Modellhypothesen bzw. Modellbeziehungen in den erhobenen Daten widergespiegelt werden.978 (4) Die Beobachtung des ²-Quadrat-Werts bzw. des Verhältnisses von ² zu den resultierenden Freiheitsgraden (²/df) bietet eine Möglichkeit zur Beurteilung der Validität eines Modells. Der ²-Test überprüft, ob die empirische Kovarianzmatrix der Kovarianzmatrix des Modells entspricht.979 Die resultierende Teststatistik prüft, ob das spezifizierte Modell „richtig“ ist.980 Der zugehörige p-Wert sollte mindestens 0,5 betragen, damit das spezifizierte Modell nicht abgelehnt werden muss.981 Die Nützlichkeit des ²-Tests wird kritisch beurteilt, da die Erhöhung der Stichprobengröße dazu führt, dass Modelle eher abgelehnt werden. Zudem reagiert der ²-Test auf Abweichungen von der Normalverteilungsannahme.982 JÖRESKOG/SÖRBOM (1982) empfehlen deshalb, das Verhältnis ²/df als deskriptives Anpassungsmaß zu verwenden.983 In der Literatur wird von einem guten Modellfit ausgegangen, wenn ²/df 2,5/3,0/5,0 ist.984 In dieser Arbeit wird aufgrund der vorgestellten Schwachstellen der ²-Tests dokumentiert, jedoch vernachlässigt. Für den Quotienten aus ² und die resultierenden Freiheitsgrade wird ein Schwellenwert von maximal 3,0 angenommen. (5) Der GFI (Goodness-of-Fit-Index) und (6) der AGFI (Adjusted-Goodness-of-Fit-Index) sind ebenfalls deskriptive Anpassungsmaße. Der GFI entspricht dem Bestimmtheitsmaß der Regressionsanalyse und beurteilt, wie viel Varianz und Kovarianz durch das Modell erfasst werden.985 Innerhalb des Wertebereichs zwischen null und eins deutet ein Wert nahe eins darauf hin, dass sich die Daten ideal an das Modell anpassen. Im Gegensatz zum GFI beinhaltet der AGFI die Freiheitsgrade des Modells, die letztlich der Modellkomplexität entsprechen. Der AGFI „bestraft“ damit Überparameterisierung von Modellen und „belohnt“ eine hohe Zahl an Freiheitsgraden.986 Gefordert werden Mindestwerte für GFI und AGFI von 0,9.987 (7) Der RMSEA (Root Mean Square of Approximation) gibt die absolute Diskrepanz zwischen der Kovarianzmatrix des Modells und der empirischen Kovarianzmatrix an.988 Durch die
978
Im Folgenden wird die Nummerierung der Gütekriterien aus Tabelle 25 fortgesetzt.
979
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 373.
980
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 10.
981
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 373. Darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass in der Praxis Modelle häufig dann verworfen werden, wenn p 0,1.
982
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 373.
983
Vgl. Jöreskog/Sörbom (1982), S. 43.
984
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 373, Homburg/Giering (1996), S. 13/Homburg/Klarmann (2006), S. 737 bzw. Kline (2005), S. 137.
985
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 374.
986
Vgl. z. B. Homburg/Giering (1996), S. 10, 13 und Sauer (2003), S. 147.
987
Vgl. z. B. Homburg (2000), S. 93.
988
Vgl. Giering (2000), S. 82.
212
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Berücksichtigung der Freiheitsgrade bevorzugt der RMSEA bei zwei Modellen mit dem gleichem Erklärungsgehalt das Einfachere. BROWNE/CUDECK (1993) sehen Werte kleiner gleich 0,08 als akzeptablen Modellfit.989 (8) Der CFI (Comparative Fit Index) stellt ein inkrementelles Anpassungsmaß dar, da es untersucht, wie sich die Passung von einem Basismodell mit keiner inhaltlichen Plausibilität hin zum relevanten Modell verändert.990 Der CFI berücksichtigt ähnlich dem AGFI, die Freiheitsgrade des Modells. BACKHAUS ET AL. (2003) gehen bei einem Wert über 0,9 von einem guten Modellfit aus.991 Der Einsatz der konfirmatorischen Faktorenanalyse ermöglicht nicht nur Aussagen im Rahmen der globalen Gütekriterien, sondern erweitert auch die Analysemöglichkeiten auf Ebene lokaler Anpassungsmaße. (9) Die Indikatorreliabilität eines Items beurteilt, wie gut ein Indikator ein latentes Konstrukt misst, d. h., welcher Anteil seiner Varianz durch den entsprechenden Faktor erklärt wird.992 Die Indikatorreliabilität ist auf einen Bereich von null bis eins normiert und errechnet sich als
rel ( xi )
Oij2 I jj .993 O I jj T ii 2 ij
Nimmt die Indikatorreliabilität den positiven Extremfall, den Wert eins an, dann beträgt die Streuung des Messfehlers den Wert null.994 Der Schwellenwert der Indikatorreliabilität ist umstritten, in der Literatur finden sich Mindestwerte zwischen 0,1 und 0,4.995 Für diese Untersuchung wird im Einklang mit der gängigen Praxis ein Mindestwert von 0,4 verlangt. (10) Zur weiteren Beurteilung der Konvergenzvalidität wird die Signifikanz der Faktorladungen mittels eines t-Test überprüft.996 Der Test misst, wie gut die Indikatoren den zugeordneten Faktor abbilden, indem getestet wird, ob alle Faktorladungen signifikant unterschiedlich von null sind. Der einseitige Test benötigt auf einem Signifikanzniveau von 5 % einen t-Wert von mindestens 1,645.997
989
Vgl. Browne/Cudeck (1993) und Kline (2005), S. 139. Browne/Cudeck (1993) sehen erst ab einem RMSEA größer 0,10 einen inakzeptablen Fit (vgl. auch Homburg/Klarmann (2006), S. 737).
990
Vgl. Zinnbauer/Eberl (2004), S. 11.
991
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 375.
992
Vgl. Homburg (2000), S. 91.
993
Vgl. Bagozzi (1982), S. 156. Mit latenten Variablen und
T ii
Oij
als die geschätzte Faktorladung,
I jj
als die geschätzte Varianz von der der
als die geschätzte Varianz des Messfehlers der Indikatorvariablen.
994
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 10.
995
Für eine Diskussion des Schwellenwerts vgl. Homburg (2000), S. 91.
996
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 11.
997
Vgl. Homburg (2000), S. 92. Im Folgenden werden im Einklang mit den Empfehlungen des PLSAnwenderforums auch zweiseitige Signifikanztests durchgeführt (korrespondierender t-Wert = 1,965).
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
213
Die Reliabilität der einzelnen Indikatoren ist für den Fortgang der Untersuchung mit geringerer Bedeutung, als die Realibilität der Faktoren anzusehen.998 Hierfür stehen zwei Gütekriterien zur Verfügung: die Faktorreliabilität und die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV). Beide Faktoren beurteilen sowohl die Reliabilität als auch die Konvergenzvalidität der untersuchten Konstrukte.999 2
Faktorreliabilität: rel ([ j )
k §¦ · ¨ Oij ¸ I jj ©i 1 ¹
2
k k §¦ · ¨ Oij ¸ I jj ¦ T ii i 1 ©i 1 ¹
k
DEV ([ j )
¦ Oij I jj 2
i 1 k
k
i 1
i 1
2 ¦ Oij I jj ¦ T ii
(11) Die Faktorreliabilität errechnet sich analog zur Indikatorreliabilität, wobei über alle k Indikatoren summiert wird.1000 Der Wertebereich ist zwischen null und eins normiert. Diese Untersuchung schließt sich der Forderung von BAGOZZI/YI (1988) an, die einen Schwellenwert von mindestens 0,6 sehen.1001 (12) Die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) ist ebenfalls auf den Wertebereich von null bis eins normiert. BAGOZZI/YI (1988) fordern hier einen Mindestwert von 0,5.1002 Auch hier wird sich dieser Forderung angeschlossen. (13) Da diese Arbeit mehrere Dimensionen eines Konstrukts untersucht, ist es nötig, die Diskriminanzvalidität der Faktoren und Dimensionen zu überprüfen. Dazu eignet sich das Fornell-Larcker-Kriterium. Dieses fordert, dass die DEV eines Faktors stets größer sein muss als die quadrierte Korrelation dieses Faktors mit jedem anderen Faktor.1003 Ist dieses Postulat erfüllt, kann von Diskriminanzvalidität ausgegangen werden. Im Rahmen der Prüfung der Diskriminanzvalidität wird grundsätzlich das Fornell-Larcker-Kriterium verwendet. Aufgrund der Tatsache, dass das Kriterium ein sehr strenges Maß der Diskriminanzvalidität darstellt1004 und mit Interaktionsorientierung ein neues Konstrukt getestet wird, wird im Falle der Verletzung des Fornell-Larcker-Kriteriums zusätzlich ein ²-Differenztest durchgeführt. (14) Der ²-Differenztest vergleicht das zu untersuchende Modell jeweils mit einem restringierten Modell, indem jeweils die Korrelation zweier Faktoren auf eins fixiert ist (perfekte Korrelation). Es wird erwartet, dass das speziellere Modell zugunsten des allgemeinen untersuchten Modells abzulehnen ist. Um eine signifikante Modellverschlechterung auf dem 5 %-Niveau festzustellen,
998
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 10.
999
Mit
Oij
als die geschätzte Faktorladung,
I jj
als die geschätzte Varianz von der der latenten Variablen und
als die geschätzte Varianz des Messfehlers der Indikatorvariablen. 1000
Vgl. Zinnbauer/Eberl (2004), S. 8 f.
1001
Vgl. Bagozzi/Yi (1988), S. 82.
1002
Vgl. Bagozzi/Yi (1988), S. 82.
1003
Vgl. Fornell/Larcker (1981), S. 46. Hier reicht es aus, die größte quadrierte Korrelation zu überprüfen.
1004
Vgl. Fornell/Larcker (1981), S. 46.
T ii
214
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
muss die Differenz der beiden ²-Werte größer als der Schwellenwert von 3,841 sein.1005 Überschreitet der festgestellte Wert den Schwellenwert, wird in dieser Untersuchung, trotz der Verletzung des Fornell-Larcker-Kriteriums, von Diskriminanzvalidität ausgegangen. Abschließend stellt Tabelle 27 alle Gütekriterien und Schwellenwerte zusammen. Es sei darauf hingewiesen, dass ein Modell nicht automatisch aufgrund nur einer Kriterienverletzung verworfen wird, dass jedoch eine Verletzung gleich mehrerer Kriterien dazu führt, dass ein Modell gänzlich verworfen oder angepasst wird.1006 Gütekriterien
Schwellenwert
(1) Exploratorische Faktorenanalyse (2) Cronbachs Alpha (3) Item-to-Total-Korrelation
0,4 (Faktorladung); 50 % (erklärte Varianz) 0,7 0,5 (falls Cronbachs Alpha < 0,7 Î sukzessive Eliminierung des Indikators mit geringster ITTC) 3,0 0,9 0,9 0,08 0,9 0,4 1,645 0,6 0,5
(4) ²/df (5) GFI (6) AGFI (7) RMSEA (8) CFI (9) Indikatorreliabilität (10) Signifikanztest der Faktorladung (11) Faktorreliabilität (12) Durchschnittlich erklärte Varianz (DEV/AVE) (13) Fornell-Larker-Kriterium (14) ²-Differenztest (15) Indikatorladungen (16) Interne Konsistenz
Ratio < 1 Differenz 3,841 (Überprüfung, falls Fornell-Larcker-Ratio > 1) 0,7 0,7
Tabelle 27 Gütekriterien der ersten und zweiten Generation
Die bisher genannten Gütekriterien können in kovarianzbasierten Verfahren ermittelt werden. Werden reflektive Indikatoren jedoch mit varianzerklärenden Ansätzen verwendet (hier die PLSPfadmodellierung), werden in der Literatur aufgrund der bereits berichteten Schwächen der Methode teilweise andere Gütekriterien berichtet. Diese werden der Vollständigkeit halber in dieser Untersuchung ebenfalls berichtet, führen jedoch zu keinen unterschiedlichen Schlüssen. Eine Zusammenstellung findet sich z. B. bei HULLAND (1999) und soll abschließend kurz vorgestellt werden (vgl. auch Tabelle 27).1007 (15) Indikatorreliabilität kann durch die Beurteilungen der Ladungen eines Indikators auf ein Konstrukt geprüft werden. Generell wird ein Schwellenwert von 0,7 für die Ladungswerte gefordert. Ladungen stellen Korrelationen dar, daher drückt ein Ladungswert von größer als 0,7 letztendlich aus, dass mehr als 50 % der Varianz des Indikators durch das Konstrukt erklärbar sind. HULLAND (1999) gibt an, dass geringere Ladungswerte u. a. durch die Neuheit von Skalen
1005
Vgl. Homburg (2000), S. 93 f.
1006
Vgl. Cohen (1990), S. 1309, Dees (2005), S. 67.
1007
Vgl. Hulland (1999), S. 198 ff. Ebenfalls bei Yi/Davis (2003), S. 157 f.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
215
zustande kommen können, jedoch aufgrund der Auswirkungen auf Reliabilität und Validität genau untersucht werden sollten. Reflektive Indikatoren mit Ladungen kleiner 0,4 bzw. 0,5 sollten auf jeden Fall eliminiert werden. In dieser Untersuchung wird der geforderte Wert trotzdem auf 0,7 gesetzt. Zur Signifikanzprüfung der Indikatorladungen muss im Unterschied zu kovarianzbasierten Verfahren eine Resampling-Methode angewendet werden, das so genannte Bootstrapping-Verfahren.1008 Durch wiederholte geringfügig kleinere Ziehungen als die Grundgesamtheit ist es möglich, Signifikanzniveaus über eine t-Statistik zu ermitteln.1009 (16) Konstruktreliabilität kann in der PLS-Pfadmodellierung durch das Cronbachs Alpha (vgl. oben) oder die interne Konsistenz nach FORNELL/LARCKER (1981) erfasst werden. Die interne Konsistenz berechnet sich als
UK
§UO · ¨ ¦ yi ¸ ©i 1 ¹ 2
2
§ U O · U Var (H ) ¨ ¦ yi ¸ ¦ i ©i 1 ¹ i 1
.1010
Ähnlich dem Cronbachs Alpha liegt auch bei der internen Konsistenz der Wertebereich zwischen null und eins. Als Schwellenwert fordert NUNNALLY (1978) mindestens 0,7.1011 Wird dieser Schwellenwert erreicht, kann davon ausgegangen werden, dass die Konstrukte eindimensional sind. Darüber hinaus rät HULLAND (1999) zur Analyse des AVE-Werte (Average Variance Extracted), die den bereits diskutierten DEV-Werten (vgl. oben) entsprechen.
4.1.3.3
Gütebeurteilung auf Ebene der Konstrukte
Das wesentliche Merkmal der Konstruktebene ist die formative Spezifizierung des Zusammenhangs zwischen IO bzw. LO und den entsprechenden Dimensionen. Während eine Vielzahl von Gütekriterien für die Operationalisierung reflektiver Messmodelle bestehen (vgl. Tabelle 27), existieren aufgrund des Wesens formativer Messmodelle derzeit „faktisch keine geeigneten statistischen Methoden […], um die Operationalisierungsgüte zu beurteilen.“1012 Da der Grundgedanke der reflektiven Gütemessung, die interne Konsistenz von Indikatoren eines Messmodells, bei formativen Messmodellen nicht gefordert ist, sind die vorgestellten
1008
Vgl. Krafft/Götz/Liehr-Gobbers (2005), S. 83.
1009
Vgl. z. B. Gawantka (2006), S. 164.
1010
Vgl. Fornell/Larcker (1981), S. 45. Mit Messfehler der Indikatorvariablen.
O
der Ladung zwischen Indikator und Konstrukt und
1011
Vgl. Nunnally (1978), S. 245.
1012
Vgl. Zinnbauer/Eberl (2004), S. 9. Ähnliche Aussagen treffen Homburg/Klarmann (2006), S. 732.
Hi
als
216
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Gütekriterien weitgehend ungeeignet zur Prüfung des Zusammenhangs zwischen den Dimensionen und Konstrukten dieser Untersuchung.1013 Die einfachste und pragmatische Möglichkeit formativer Messmodelle ist die additive Indexbildung.1014 Dieses Vorgehen unterstellt jedoch einen gleichgewichtigen und weitgehend voneinander unabhängigen Einfluss der Indikatoren auf das latente Konstrukt.1015 Besser eignet sich bei komplexen Problemen die PLS-Pfadmodellierung, die Konstrukte als gewichtete Linearkombinationen darstellt.1016 Geht man von der Existenz eines Messfehlers aus, kann ein formatives Konstrukt K spezifiziert werden als: K
J 1 x1 J 2 x 2 ... J n x n ] .1017 Die
Gewichtung der Indikatoren wird damit ex post aus den erhobenen Daten geschätzt.1018 Eine Veränderung oder Elimination eines Indikators, wie sie beispielsweise die Gütebeurteilung reflektiver Konstrukte vorsieht, zieht demnach eine Veränderung des Konstruktwerts nach sich.1019 Aufgrund dieser Tatsache konzentrieren sich die meisten Ansätze zur Beurteilung der Güte formativer Konstrukte auf ein sorgfältiges Vorgehen bei der Ableitung von Indikatoren.1020 DIAMANTOPOULOS/WINKLHOFER (2001) identifizieren vier Schritte, in denen sorgfältiges Vorgehen von besonderer Bedeutung erscheint: Erstens, die Festlegung des inhaltlichen Spektrums.1021 Die Auswahl der Indikatoren bestimmt direkt den Wert des Konstrukts, d. h. die Inhaltsvalidität des Messinstruments. Die Breite des inhaltlichen Spektrums bestimmt damit die Grenzen, in denen ein Konstrukt hinreichend gut beschrieben werden muss. Im vorliegenden Rahmen werden mit IO und LO zwei sehr weite Konstrukte beleuchtet. Die Festlegung des Spektrums erscheint hier umso bedeutender. In den vorangegangenen Kapiteln wurden daher sowohl die Literatur als auch Experteninterviews als Abgrenzungsquellen bemüht. Zweitens, die Spezifikation der Indikatoren. Im Rahmen des inhaltlichen Spektrums gilt es, relevante Indikatoren zu identifizieren, die das Konstrukt hinreichend gut beschreiben. Auch hier
1013
Vgl. Büttgen (2007), S. 231. Durch das Fehlen der Forderung der hohen Korrelation zwischen Indikatoren eines Konstrukts, ist es nicht das Ziel, gering korrelierte Variablen zu eliminieren (vgl. Diamantopoulos (1999), S. 453 f.).
1014
Vgl. Büttgen (2007), S. 230 und Homburg/Klarmann (2006), S. 731. Durch die Indexierung können einfach formative Konstrukte in kovarianzerklärende Verfahren (LISREL) integriert werden.
1015
Vgl. Büttgen (2007), S. 230 und Homburg/Klarmann (2006), S. 731.
1016
Vgl. z. B. Scholderer/Balderjahn (2006), S. 67.
1017
Vgl. Abbildung 34 und Bollen/Lennox (1991), S. 306.
1018
Auch eine Ex-ante-Festlegung der Gewichte ist möglich, jedoch nur in seltenen Fällen sinnvoll (vgl. Büttgen 2007, S. 231).
1019
Im Rahmen dieser Untersuchung ist diese Tatsache bedeutend, wenn es um die Eliminierung ganzer Dimensionen geht (Konstrukte der ersten Ebene).
1020
Vgl. Büttgen (2007), S. 232).
1021
Übersetzung in Anlehnung an Büttgen (2007), S. 232. Im Original: „content specification“.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
217
eignet sich die Literaturanalyse als Grundstock, der mittels Experteninterviews verfeinert und erweitert werden kann.1022 Drittens, die Überprüfung der Multikollinearität der Indikatoren. Wie aus obiger Spezifikation von K ersichtlich ist, handelt es sich bei formativen Messmodellen um multiple Regressionen. Eine Prämisse der multiplen Regression ist, dass sich kein Regressor als lineare Funktion der sonstigen Regressoren darstellen lässt.1023 Bei empirischen Daten existiert in der Regel ein gewisses Ausmaß an Multikollinearität. Bei einem hohen Grad an Multikollinearität kommt es zur Redundanz der Regressoren und Informationen lassen sich nicht mehr eindeutig einem Indikator zuordnen.1024 Während Multikollinearität bei reflektiver Spezifizierung kein Problem darstellt, ist Multikollinearität ein Gütekriterium formativer Konstrukte. Multikollinearität kann mithilfe der paarweisen Korrelationsmatrix der Indikatoren geprüft werden.1025 Darüber hinaus lässt sich Multikollinearität für mehrere Indikatoren gleichzeitig durch die Berechnung der Toleranz und des Variance Inflation Factors (VIF) überprüfen.1026 In dieser Untersuchung werden zur Multikollinearitätsdiagnose die paarweisen Korrelationen und die VIFs der einzelnen Indikatoren betrachtet. Entsprechend der Literaturempfehlung wird ein Schwellenwert für Interkorrelation von r < 0,6 und ein VIF < 10 als unbedenklich betrachtet (vgl. die Gütekriterien 17 und 18 in Tabelle 28).1027 Abschließend wird die externe/nomologische Validität überprüft. Die Frage, ob formative Indikatoren das messen, was sie sollen, kann durch ein MIMIC-Modell (Multiple Indicators and Multiple Causes) beantwortet werden.1028 Zur Berechnung werden dem formativen Konstrukt weitere reflektive Indikatoren angefügt, die eine Essenz dessen darstellen, was das Konstrukt messen möchte. Zur Beurteilung der Gütekriterien des MIMIC-Modells eignen sich die Gütekriterien in Tabelle 27 (Seite 214). Das MIMIC-Modell kann ebenfalls mit der PLSPfadmodellierung geschätzt werden. Der resultierende R2-Wert für die Konstrukte zweiter Ebene ist ebenfalls ein Gütekriterium für das formative Messmodell. Zur Beurteilung des R2-Werts kann die Einordnung von CHIN (1998) dienen: R2-Werte eines Strukturmodells von über 0,19 werden als schwach, Werte über 0,33 werden als durchschnittlich und Werte über 0,67 als substanziell gedeutet.1029
1022
Hulland (1999), S. 196 ff. stellt ex ante die konzeptionellen Bereiche „conceptional model specification“, „construct dimenstionality“ und „constructs vs. measures“ vor. Die dort umfassten Aspekte tauchen im Wesentlichen ebenfalls in der Güteprüfung dieser Untersuchung auf.
1023
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 88.
1024
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 88 f.
1025
Opp/Schmidt (1976), S. 171, 183 empfehlen einen Korrelationskoeffizienten r < 0,6.
1026
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 90.
1027
Vgl. Opp/Schmidt (1976), S. 171, 183 und Burns/Bush (2005), S. 566. Dees (2005), S. 69 berichtet, dass Simulationsstudien auch bei Werten von 0,7 noch robuste, aufgrund des PLS-Algorithmus allerdings verzerrte Werte ergaben.
1028
Vgl. z. B. auch Sönke/Götz (2006), S. 674.
1029
Vgl. Chin (1998), S. 323.
218
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Darüber hinaus existiert eine weitere Möglichkeit, die externe/nomologische Validität formativer Konstrukte zu überprüfen: Ähnlich einem MIMIC-Modell wird der Zusammenhang des formativen Messmodells mit einem weiteren Konstrukt überprüft. Das Konstrukt ist so zu wählen, dass es in Zusammenhang zu dem formativen Konstrukt steht und dieser Zusammenhang bereits theoretisch nachgewiesen wurde. Als Gütekriterien für dieses Modell können wiederum die Kriterien in Tabelle 27 (Seite 214) herangezogen werden. Zu beweisen ist, dass der theoretisch zu erwartende Zusammenhang erneut signifikant auftritt.1030 Die Berechnung beider Modelle erfordert, dass bereits im Fragebogendesign zusätzliche Indikatoren erhoben werden, die die Länge und Komplexität des Fragebogens erhöhen.1031 CHIN (1998) schlägt zusätzlich eine quantitative Beurteilung der Indikatoren vor. Zur Beurteilung der Relevanz einzelner Indikatoren werden die Ladungsgewichte (19) überprüft.1032 Dazu werden die Gewichte, deren postulierte Vorzeichen und Signifikanz herangezogen. Als Empfehlung werden Schwellenwerte von (Gewicht > 0,1 und p > 0,1) gegeben.1033 In der Regel dienen diese Kriterien jedoch laut GIERE/WIRTZ/SCHILKE (2006) weniger dem Zweck der Elimination als der Interpretation der Bedeutung der einzelnen Indikatoren.1034 In diesem Verständnis werden auch diese Kriterien und Empfehlungen in die Untersuchung einbezogen. Die Ausräumung eines Multikollinearitätsverdachts wurde bereits als weiterer quantitativer Prüfmechanismus erläutert. Analog zur Messung bei reflektiven Messmodellen sollte die Signifikanz (t-Wert) der einzelnen Indikatoren beurteilt werden. Gütekriterien
Schwellenwert
Beurteilung einzelner Indikatoren: (17) Interkorrelationen (Multikollinearität) (18) VIF (Multikollinearität) (19) Ladungsgewichte
r < 0,6 < 10 > 0,1 (p > 0,1)
Tabelle 28 Gütekriterien formativer Messmodelle
Die vermuteten Messmodelle für IO und LO stellen bereits eigene Strukturmodelle dar, weshalb bereits in der Validierung der Messmodelle die Gütekriterien für Strukturmodelle in PLSModellen zum Einsatz kommen müssen. Wie bereits diskutiert, existieren keine inferenzstatischen Verfahren, wie sie z. B. in LISREL genutzt werden können. Dennoch stehen nicht-
1030
Büttgen (2007), S. 233 f. verwendet z. B. weitere Kriterien zum Test der Inhaltsvalidität, indem Experten eine ungeordnete Indikatorliste mit der Bitte um Zuordnung zu Konstrukten erhalten. Das Verhältnis von richtigen bzw. falschen Zuordnungen zu Befragten kann ebenfalls als Gütekriterium verstanden werden („Q-Sorting“). Ähnliche Prozeduren wurden im Vorfeld dieser Untersuchung durchgeführt, werden jedoch nicht gesondert dokumentiert.
1031
Ein Vorgehen wie bei Gawantka (2006), S. 171, der eine Prüfung der nomologischen Validität mit Begründung der Neuheit des Konstrukts unterlässt, wird für diese Untersuchung nicht als valides Vorgehen betrachtet.
1032
Vgl. Chin (1998), S. 307 und Dees (2005), S. 68.
1033
Vgl. Giere/Wirtz/Schilke (2006), S. 687.
1034
Vgl. Giere/Wirtz/Schilke (2006), S. 687. Dees (2005), S. 68 betont, dass sich noch kein standardisiertes Verfahren herausgebildet hat.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
219
parametrische Verfahren durch den Einsatz von Resampling-Verfahren zur Verfügung (z. B. Bootstrapping).1035 (20) Bereits diskutiert wurde das Bestimmtheitsmaß R2, das für die endogenen Konstrukte berechnet werden kann. Der Wertebereich erstreckt sich von null bis eins, wobei gilt, dass je näher der Wert an eins liegt, desto höher der durch die Variable erklärte Anteil der Streuung an der gesamten Streuung ist. In dieser Arbeit wird die bereits diskutierte Interpretation des R2 von CHIN (1998) übernommen.1036 (21) Analog zur Beurteilung einzelner Indikatoren ist die Reliabilität der Pfadkoeffizienten über die t-Werte bzw. Signifikanz zu ermitteln. Zudem wird der substanzielle Einfluss exogener auf latente endogene Variablen durch die Effektstärke
f
2
2 2 Rincl . Rexcl . 2 1 Rincl .
untersucht. Die Effektstärke drückt die Änderung des Bestimmtheitsmaßes aus, wenn das 2 untersuchte exogene Konstrukt in einem Modell zunächst enthalten ist ( Rincl . ) und im nächsten 2 Schritt aus dem Strukturgleichungsmodell ausgeschlossen wird ( Rexcl . ). Die Effektstärke wird in
dieser Untersuchung interpretiert nach CHIN (1998).1037 Dementsprechend wird ein f2-Wert von 0,02/0,15/0,35 als kleine/mittlere/starke Effektstärke gedeutet. (22) Der Stone-Geisser-Test bewertet die Prognoserelevanz des Modells. Das Stone-GeisserKriterium errechnet sich als
Q 2j
1
¦E ¦O k
k
jk
. jk
Dabei stellt E jk „[…] die Quadratsumme der Prognosefehler O jk und die Quadratsumme aus der Differenz von geschätztem Wert und Mittelwert der verbleibenden Daten aus der Blindfolding-Prozedur dar.“1038 Um einem Modell eine ausreichende Prognosefähigkeit zu attestieren, sollte Q2 für alle latenten exogenen Variablen größer als null sein.1039 Tabelle 29 fasst die Gütekriterien für PLS-Strukturmodelle zusammen.
1035
Vgl. Dees (2005), S. 70 f.
1036
Vgl. Chin (1998), S. 323
1037
Vgl. Chin (1998), S. 317.
1038
Vgl. Dees (2005), S. 73.
1039
Vgl. Chin (1998), S. 318. Auf eine Berechnung von q2 (analog f2) zur Quantifizierung des prädikativen Effekts einzelner Konstrukte wird hier verzichtet.
220
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Gütekriterien Beurteilung von Strukturmodellen (20) Bestimmtheitsmaß R2
(21) Effektstärke f2
(22) Prognoserelevanz Q2
Schwellenwert > 0,19 (schwach) > 0,33 (durchschnittlich) > 0,67 (substanziell) > 0,02 (klein) > 0,15 (mittel) > 0,35 (groß) >0
Tabelle 29 Gütekriterien für Strukturmodelle bei PLS-Verfahren
4.1.4
Vorgehensweise bei der Entwicklung der Messmodelle
In diesem Abschnitt wird der Ablauf der Messmodellentwicklung beschrieben. Die zuvor beschriebenen Gütekriterien finden in den verschiedenen Untersuchungsstufen ihre Anwendung. In Anlehnung an SÖNKE/GÖTZ (2006) wurden IO und LO als mehrfaktorielle, mehrdimensionale Konstrukte konzeptualisiert, die sowohl ein reflektives Messmodell (Indikator – Dimension) als auch ein formatives Messmodell (Dimension – Konstrukt) umfassen.1040 Entsprechend der Empfehlungen von SÖNKE/GÖTZ (2006) wurden bereits im Fragebogendesign die zusätzlichen Konstrukte für das MIMIC- und ein Zwei-Konstrukt-Modell1041 berücksichtigt. Weiterhin wurde als Vorgehensweise zur Entwicklung zweidimensionaler Messmodelle sowohl das Hierarchical Component Model (auch Repeated Indicators Approach) als auch der Faktorwert-basierte Ansatz in Betracht gezogen.1042 Erstgenannter wurde hauptsächlich aufgrund der unterschiedlichen Indikatorenzahl der einzelnen Dimensionen und der deshalb zu erwartenden Verzerrung verworfen. Der Einsatz des faktorenwert-basierten Ansatzes verlangt eine Manifestierung der Dimensionswerte,1043 wodurch sich die Messmodellentwicklung in zwei Abschnitte, entsprechend der beiden Ebenen, unterteilt. Auf Basis inhaltlicher Überlegungen wird vermutet, dass kein rein hierarchisch strukturiertes Zwei-Ebenen-Modell existiert. Auf Basis der gleichen Überlegungen wird davon ausgegangen, dass die einzelnen Werte- und Normdimensionen der ersten Ebene neben ihren direkten Effekten auf die Konstrukte IO und LO durch die Mediation der Praktiken und Prozesse auch indirekte Effekte haben.1044 Aufgrund dieser Überlegungen erscheint eine Manifestierung der einzelnen Dimensionswerte nicht sinnvoll.
1040
Vgl. Sönke/Götz (2006), S. 671 (Typ II).
1041
Zwei-Konstrukt-Modelle dienen der Prüfung der nomologischen Validität und erfordern die Erfassung eines weiteren Konstrukts, das einem belegten und höheren Theoriezusammenhang entstammt.
1042
Vgl. Sönke/Götz (2006), S. 674. Vgl. auch Giere/Wirtz/Schilke (2006), S. 688.
1043
Vgl. Giere/Wirtz/Schilke (2006), S. 688 f.
1044
Vgl. Kapitel 2.2.2.3.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
221
In Anlehnung an das Faktorwert-basierte Verfahren werden jedoch zwei große Teilschritte genutzt. Zunächst kommen die aufgrund der günstigeren Gütekriterien strengeren1045 kovarianzerklärenden Verfahren in den Untersuchungsschritten A bis C (vgl. Abbildung 35) zur Anwendung. Die Stufen A bis C beurteilen die Dimensionen der ersten Ebene. Soweit möglich nutzen auch die Schritte in Untersuchungsstufe D kovarianzerklärende Methoden (z. B. MIMICModell und Modellvergleiche), müssen jedoch für einige Validierungsschritte durch die Methoden der varianzerklärenden Kausalanalyse ergänzt werden (PLS-Pfadmodell und Untersuchung interner Effekte).1046 Müsste ein Verfahren für beide Stufen gewählt werden, würden die Weite und die Charakteristika der Einfluss- und Zielgrößen der Konstrukte IO und LO die Wahl auf die prognoseorientierte, varianzerklärende Kausalanalyse (PLS) fallen lassen.1047 Das zweistufige Vorgehen (Untersuchungsstufe A bis C vs. Untersuchungsstufe D) ermöglicht jedoch, in weiten Teilen die kovarianzerklärenden Kausalanalyse zu nutzen, die sich besser zur Überprüfung komplexer Theorien eignet.1048 Aufgrund dieser Zweiteilung lehnt sich das Vorgehen (vgl. Abbildung 35) sowohl an das Schema von HOMBURG/GIERING (1996) als auch an das von GIERE/WIRTZ/ SCHILKE (2006) an.1049 Die einzelnen Entwicklungsschritte bauen direkt auf die bereits in den Kapiteln 4.1.1 und 4.1.2 beschriebene Datenaufbereitung und Überprüfung der Datenqualität auf und gliedern sich direkt in das Gesamtvorgehen (vgl. Abbildung 23 auf Seite 109) der Untersuchung ein. Die einzelnen Schritte der Analyse (A bis D) laufen nacheinander ab, wobei die nächste Analysestufe erst dann startet, wenn die Gütekriterien der vorherigen Stufe erfüllt sind. Erst nach Abschluss des Analyseschemas für die Konstrukte IO und LO kann das gesamte Strukturmodell analysiert werden. Die einzelnen Stufen sollen zunächst kurz beschrieben werden: Untersuchungsstufe A betrachtet zunächst unabhängig von den konzeptualisierten Dimensionen den gesamten Datensatz. Ziel dieses Vorgehens ist es ganz im Sinne einer exploratorischen Faktorenanalyse, dass Strukturen, die bisher noch nicht berücksichtigt sind, so früh wie möglich identifiziert werden können.1050 Bezogen auf den gesamten Datensatz dient dieses Vorgehen nicht der Begründung einer Eliminierung von Indikatoren oder Dimensionen, sondern soll die Qualität der Konzeptualisierung, d. h. die Zuordnung einzelner Indikatoren zu Dimensionen, überprüfen.
1045
Vgl. auch Homburg/Klarmann (2006), S. 734.
1046
Vgl. auch Dees (2005), S. 66, der ebenfalls eine getrennte Gütebeurteilung reflektiver und formativer Messmodelle vorschlägt.
1047
Vgl. Scholderer/Balderjahn (2006), S. 67 und Homburg/Klarmann (2006), S. 734.
1048
Vgl. Homburg/Klarmann (2006), S. 734.
1049
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 12 und Giere/Wirtz/Schilke (2006), S. 688.
1050
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 260.
222
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Kap. 3 Kap. 2 Kap. 1
Darüber hinaus wäre Untersuchungsstufe A für einzelne Dimensionen denkbar, bei denen keine ausreichend gesicherte Faktorenstruktur existiert.1051 Dieser Fall ist hier jedoch nicht gegeben.
Einleitung
Bezugsrahmen einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz
Konzeptualisierung
Untersuchungsstufe A Betrachtung der Dimensionen, für die noch keine hypothetische Faktorstruktur vorliegt, bzw. des gesamten Datensatzes Exploratorische Faktorenanalyse
Untersuchungsstufe B Betrachtung der einzelnen Dimensionen
Kapitel 4 — Vorgehensweise
B1
Cronbachs Alpha und Item-to-Total-Korrelationen
B2
Exploratorische Faktorenanalyse
B3
Konfirmatori sche Faktorenanalyse
Untersuchungsstufe C Betrachtung aller Dimensionen Exploratorische Faktorenanalyse
C1 C2
Konfirmatori sche Faktorenanalyse
C3
Beurteilung der Diskriminanzvalidität auf Basis der konfirmatorischen Faktoranalyse (Fornell-Larcker-Kriterium, 2-Differenztest)
Untersuchungsstufe D Betrachtung des gesamten Messmodells Untersuchung der Multikollinearität (r, VIF)
Kap. 6 Kap. 5
D1 D2
Prüfung der Inhaltsvalidität (MIMIC-Modell)
D3
Gütekriterienprüfung de s gesamten Messmodells
D4
Vergleich alternativer Messmodelle
D5
Prüfung der nomolog. Validität (2-Konstrukt-Modell)
Empirische Überprüfung der Erfolgs wirksamkeit Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Abbildung 35 Vorgehensweise der Entwicklung und empirischen Validierung der Messmodelle
1051
Vgl. Gerbing/Anderson (1988), S. 189.
4.1 Grundlegende methodische Aspekte
223
Untersuchungsstufe B untersucht sukzessive die Reliabilität und Konvergenzvalidität der Dimensionen eines Konstrukts. Dabei wird zunächst entsprechend der Empfehlungen in Kapitel 4.1.3 die Reliabilität des Faktors getestet (B1). Sollte der erwartete Schwellenwert nicht erreicht werden, sind Indikatoren auf Basis des ITTC-Werts zu eliminieren. Im Anschluss folgt eine exploratorische Faktorenanalyse, um die interne Struktur einer Dimension bzw. eines Faktors zu überprüfen (B2). Die Extraktion nur eines Faktors deutet auf Konvergenzvalidität hin.1052 Neben der Extraktion eines Faktors wird eine ausreichend hohe erklärte Varianz gefordert (vgl. Tabelle 25). Als Konsequenz der Nichterfüllung der geforderten Kriterien wird entweder ein Faktor aufgespalten oder einzelne Indikatoren werden auf Basis ihrer Faktorladungswerte eliminiert. Letztlich wird eine konfirmatorische Faktorenanalyse durchgeführt (B3). Auch im letzten Schritt kommt es bei einer erheblichen Verletzung von Gütekriterien zur Löschung von Indikatoren.1053 Untersuchungsstufe C betrachtet die aus Stufe A verbliebenen Indikatoren aller Dimensionen simultan. Ähnlich der Analyse in Stufe A wird mittels einer exploratorischen Faktorenanalyse (C1) getestet, ob sich die vermutete Zahl und Struktur der Dimensionen auch in den Daten widerspiegeln. Die konfirmatorische Faktorenanalyse (C2) ist dann die Grundlage für die Beurteilung der Güte des vermuteten Modells. Abschließend ist die Diskriminanzvalidität (C3) jeder einzelnen Dimension durch das Fornell-Larcker-Kriterium festzustellen. Im Falle, dass das strenge Fornell-Larcker-Kriterium nicht eingehalten werden kann, wird zusätzlich ein 2Differenztest durchgeführt. Die Prüfung der Diskriminanzvalidität ist für rein reflektive Messmodelle ein wichtiges Kriterium. Da in dieser Untersuchung die einzelnen Dimensionen formative Indikatoren für IO bzw. LO darstellen, ist es möglich, dass die einzelnen Faktoren stärker korreliert bzw. geringer diskriminantvalide sind, als in rein reflektiven Modellen gefordert. Während negative Ergebnisse aufgrund der Schritte C1 und C2 zur Eliminierung von Indikatoren führen könnten, erscheinen problematische Werte im Schritt C3 erst dann als Eliminierungskriterium, wenn diese durch die Multikollinearitätsdiagnose in der Untersuchungsstufe D1 bestätigt wird. Zur vollständigen Dokumentation und Validierung des Wechsels zwischen kovarianz- und varianzerklärenden Verfahren werden die relevanten Gütekriterien des PLSModells für alle Dimensionen zusätzlich in dieser Stufe berichtet (Pfadgewichte, Signifikanzen, interne Konsistenz). Untersuchungsstufe D beurteilt das gesamte Messmodell. Der erste Schritt prüft die Multikollinearität der einzelnen Dimensionen (D1). Hierzu wird mittels bivariater r-Werte (Interkorrelationen) sowie VIF-Werten eine Aussage über Zusammenhänge zwischen den einzelnen Dimensionen getroffen. Der zweite Schritt prüft die Inhaltsvalidität auf Basis eines MIMIC-Modells (D2). Hierzu wurden zusätzliche Indikatoren erhoben. Durch die Erkenntnisse des MIMIC-Modells ist es möglich, die Frage zu klären, wie gut das entwickelte Messmodell die angestrebten Inhalte messen kann. Das
1052
Vgl. z. B. Homburg (2000), S. 95.
1053
Vgl. Homburg (2000), S. 95.
224
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
MIMIC-Modell beruht auf kovarianzerklärenden Methoden und nutzt die Gütekriterien in Tabelle 26. Das MIMIC-Modell beurteilt jedoch nur die direkten Effekte der Dimensionen auf die zu messenden Konstrukte. Zur Beurteilung der internen Strukturen des Messmodels (Werte/Normen – Praktiken/Prozesse) und des gesamten Messmodells (D3) wird das MIMIC-Modell in ein PLS-Pfaddiagramm überführt und um die internen Zusammenhänge ergänzt. Aufgrund der vermuteten Modelle für IO und LO kommen hierbei sowohl Gütekriterien einzelner Indikatoren (Pfadgewichte, Signifikanzen) als auch Gütekriterien des gesamten Messmodells (Strukturmodell) zum Einsatz (R2, f2 und Q2). Teilweise liefert dieser Schritt redundante Ergebnisse im Vergleich zum Schritt D2 (direkte Effekte). Das Vorgehen ermöglicht jedoch eine umfassendere Beurteilung der Inhaltsvalidität der beiden Messmodelle. In den beiden verbleibenden Schritten wird das Messmodell als Ganzes getestet. Zunächst werden inhaltlich begründete alternative Messmodelle mit dem vermuteten Modell verglichen (D4). Daraufhin wird das favorisierte Messmodell auf externe bzw. nomologische Validität hin mithilfe eines Zwei-Konstrukt-Modells (D5) überprüft. In der Untersuchung wurden zusätzliche Indikatoren aus dem Theoriebereich der ressourcenorientierten Ansätze entwickelt und zusätzlich getestet. Beweist sich der vermutete Zusammenhang zwischen dem Messmodell und dem weiteren Konstrukt, so ist von nomologischer Validität auszugehen. Die beschriebenen Vorgehensweisen und Tests erfolgen unter Einsatz der Statistiksoftwares SPSS (Version 16.0), AMOS (Version 16.0) und SmartPLS1054 (Version 2.0 M3 Release).
1054
Ringle/Wende/Will (2005).
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
4.2
225
Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
Entsprechend der dargestellten Vorgehensweise (vgl. Untersuchungsstufe A in Abbildung 35) wird zunächst über alle exogenen Variablen (IO und LO) eine explorative Faktorenanalyse durchgeführt. Ziel dieser Analyse ist es, die Faktoren- bzw. Dimensionsstruktur vorab als Indikator der Qualität der Konzeptualisierung und ohne explizite Modellannahmen zu überprüfen. Die Faktorenanalyse erklärt 61,67 % der gesamten Varianz. Das Ergebnis ist zufriedenstellend, da sowohl neue Indikatoren als auch neue Skalen in der Analyse enthalten sind.1055 Der Barlett-Test (Test of Sphericity) inklusive der Überprüfung des 2-Werts und das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium zeigen zudem, dass die Anwendungsvoraussetzungen für exploratorische Faktorenanalysen gegeben sind.1056 Tabelle 30 stellt die Zuordnung der hypothetischen Variablengruppen zu den acht extrahierten Faktoren dar. Faktor1057
Faktorbezeichnung
Indikatoren
1 2 3 4
CPU (IO) – Customer Problem Understanding CPU1, CPU2, CPU3 IRC (IO) – Interaction Response Capacity IRC1, IRC2, IRC3, IRC4, IRC5, [IRC6] CE (IO) – Customer Empowerment CE1, CE2, CE3, CE4 CVM (IO) – Customer Value Management CVM1, CVM2, CVM3, CVM4, CVM5 LC (LO) – Learning Commitment LC1, LC2, LC3, LC4 5 EO (LO) – Experimentation and Openness [EO1], [EO2], EO3, 6 SV (LO) – Shared Vision SV1, SV2, SV3, SV4 EO (LO) – Experimentation and Openness [EO3], [EO4] 7 TIP (LO) – Transfer and Integration Processes TIP1, TIP2, TIP3, TIP4, TIP5, TIP6 8 HRP (LO) – Human Ressource Practises: Education HRP1, HRP2, HRP3, HRP4 Legende: Eingeklammerte ([ ]) Indikatoren weisen eine Faktorladung < 0,4 auf
Tabelle 30 Ergebnis der exploratorischen Faktorenanalyse über alle exogenen Variablen
Tabelle 30 zeigt, dass entsprechend den Erwartungen zusammengehörige Indikatoren in der Regel auf einen gemeinsamen Faktor laden (mit Faktorladungen > 0,4). Dies kann als Beleg für die Qualität der Konzeptualisierung gewertet werden. Lediglich die Indikatoren der EODimension laden nicht eindeutig auf einen gemeinsamen Faktor, sondern besitzen Faktorladungen zwischen 0,33 und 0,43 auf den Faktoren 5 und 7. Da die Dimensionen der Faktoren 5 und 7 formative Indikatoren für das LO-Konstrukt sind, ist eine geringere Trennschärfe zwischen der jeweiligen Dimension und den Indikatoren der EO-Dimension zunächst noch nicht problematisch. Tabelle 30 zeigt in Klammern auch die Indikatoren, die die erforderliche Faktorladung von 0,4 nicht erfüllen. Neben den bereits angesprochenen Indikatoren der EO-Dimension verzeichnet auch der Indikator IRC6 einen Ladungswert weit unter dem geforderten Schwellenwert. Auf 1055
Die Empfehlungen in Kapitel 4.1.3.2 geben einen Schwellenwert von 50 % vor.
1056
2-Wert ist hoch signifikant (2 = 6340,07; df = 780; p < 0,001). Die Nullhypothese kann abgelehnt werden. Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium KMO = 0,93 (erstaunlicher Wert, vgl. Kapitel 4.1.3.2.1).
1057
Die Reihenfolge der extrahierten Faktoren wurde zur Verbesserung der Übersichtlichkeit angepasst.
226
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
diesen Indikator sollte in der folgenden Güteprüfung besonders geachtet werden. Im nächsten Schritt werden die Messmodelle für die Konstrukte IO (vgl. Kapitel 4.2.1) und LO (vgl. Kapitel 4.2.2) getrennt voneinander analysiert.
4.2.1
Interaktionsorientierung
In die weiteren Untersuchungsstufen der Validierung des IO-Konstrukts sind die Dimensionen CPU, IRC, CE und CVM einzubeziehen. Alle vier Dimensionen wurden in Untersuchungsstufe A eindeutig als Faktor erkannt.
4.2.1.1
Analyse auf Ebene der einzelnen Dimensionen (Untersuchungsstufe B)
Entsprechend der Kriterien der Güteprüfung in Kapitel 4.1.3.2 werden im Folgenden für jede Dimension einzeln zunächst die Reliabilität geprüft (B1), dann die Gütekriterien resultierend aus exploratorischer (B2) und konfirmatorischer (B3) Faktorenanalyse beurteilt und gegebenenfalls Indikatoren eliminiert.1058 Die Eliminierung von Indikatoren auf der Dimensionsebene ist als unkritisch zu werten, da diese Indikatoren als Realisationen der jeweiligen Dimension spezifiziert (reflektives Messmodell) und damit als austauschbar zu sehen sind.1059 Aufgrund ihrer sprachlichen Herkunft (englischer Sprachraum) werden die einzelnen Dimensionen im Weiteren mit der englischen und deutschen Bezeichnung geführt. 4.2.1.1.1
CPU – Customer Problem Understanding/Verständnis für Kundenprobleme
Bei der CPU-Dimension handelt es sich um ein Konstrukt, das auf Basis der Experteninterviews als wichtig erachtet und neu konzeptualisiert wurde. Die Schritte B1 und B2 liefern positive Ergebnisse und überschreiten die geforderten Mindestwerte (vgl. Tabelle 27 auf Seite 214).1060 Im Schritt B3, der konfirmatorischen Faktorenanalyse, stehen nur drei Indikatoren zur Verfügung. Aus diesem Grund hat das zu schätzende Modell keine Freiheitsgrade, weswegen die Berechung einiger Gütekriterien nicht sinnvoll ist (vgl. Tabelle 31).1061 Die übrigen Gütemaße Indikatorreliabilität, Faktorreliabilität und t-Werte zeigen zufriedenstellende Werte. Die durchschnittlich erfasste Varianz bleibt mit 0,45 leicht unter dem geforderten Schwellenwert von 0,5. Aufgrund der Tatsache, dass alle sonstigen Kriterien erfüllt werden, und angesichts des Neu-
1058
Die Darstellung der Ergebnisse lehnt sich an das Schema von Schuppar (2006) an.
1059
Vgl. Kapitel 4.1.3.1.
1060
Eine Ausnahme stellt der Wert der erklärten Varianz dar, sie unterschreitet den Schwellenwert von 50 %. Wird die exploratorische Faktorenanalyse jedoch mit der Extraktionsmethode „Hauptkomponenten“ durchgeführt, ergibt sich eine erklärte Varianz von 63,55 %.
1061
Vgl. z. B. Homburg (2000), S. 110.
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
227
heitscharakters des Konstrukts, wird diese Abweichung toleriert und als akzeptabel eingestuft.1062 Damit geht die CPU-Dimension mit drei Indikatoren in die nächste Untersuchungsstufe ein. CPU – Customer Problem Understanding/Verständnis für Kundenprobleme Bezeichnung des Indikators Mittelwert Item-toIndikator(Std.-abw.) Totalreliabilität Mein Unternehmen/meine Geschäftseinheit … Korrelation CPU1 – versucht aktiv, die Geschäftsprozesse und Probleme der Kunden zu verstehen. CPU2 – verfügt über eine systematische Vorgehensweise zur Analyse individueller Kundenprobleme. CPU3 – versucht aktiv, die Problemstellungen der Endkunden (Kunden unserer Kunden) zu verstehen.
Gütekriterien der 1. Generation Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
1,59 (0,84)
0,520
0,429
--
2,87 (1,42)
0,516
0,410
6,582***
2,06 (1,22)
0,549
0,526
6,474***
Globale Gütekriterien der 2. Generation 0,71 45,50 %
Lokale Gütekriterien der 2. Generation Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
t-Wert
0,71 0,45
²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert RMSEA CFI GFI AGFI
--[1] --[1] --[1] --[1] --[1] --[1]
[1] Bei nur drei Indikatoren hat ein konfirmatorisches Modell keine Freiheitsgrade. Die Berechnung der markierten Messgrößen ist daher nicht sinnvoll.
Tabelle 31 Gütekriterien für die CPU-Dimension
4.2.1.1.2
IRC – Interaction Response Capacity/Interaktionsfähigkeit
Anders als bei der CPU-Dimension wurde in Untersuchungsstufe A bei einem Indikator (IRC6) eine bedenklich niedrige Faktorladung festgestellt. Auch für die Untersuchungsschritte B1 und B2 liefert ein Messmodell, das IRC6 enthält, inakzeptable Gütekriterien. Auf Basis einer inhaltlichen Betrachtung ist es denkbar, dass dieser aus Interviews gewonnene Indikator nur für eine bestimmte Gruppe an Unternehmen, d. h. große Unternehmen mit sehr unterschiedlichen und gleichzeitig auch sehr hohen Komplexitätsstufen, auftritt. Folglich erscheint die Eliminierung von IRC6 sowohl aufgrund inhaltlicher Überlegungen als auch analytischer Ergebnisse sinnvoll. Auf Basis der Ergebnisse der konfirmatorischen Faktoranalyse (B3) müssen zwei weitere Indikatoren eliminiert werden (IRC4 und IRC5).1063 Nach der Eliminierung zeigen alle drei Schritte der Untersuchungsstufe B eine gute Erfüllung aller Gütekriterien (vgl. Tabelle 32). Die IRC-Dimension geht damit mit drei Indikatoren in die weiteren Untersuchungen ein.
1062
Vgl. z. B. auch Homburg (2000), S. 93. Bei Schuppar (2006), S. 85 wird beispielsweise auch eine DEV von 0,39 als akzeptabel erachtet.
1063
Der Indikator IRC4 fiel bereits in Untersuchungsstufe A durch eine relativ geringe Faktorladung auf.
228
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
IRC – Interaction Response Capacity/Interaktionsfähigkeit Bezeichnung des Indikators Mittelwert (Std.-abw.) Mein Unternehmen/meine Geschäftseinheit … IRC1 – verwendet formale Systeme, die stets Informationen zu einzelnen Kunden(trans)aktionen aufzeichnen. IRC2 – kann alle Transaktionen identifizieren, die einem einzelnen Kunden zuzuordnen sind. IRC3 – analysiert Transaktionen, um zukünftige Transaktionen, Bedürfnisse und Potenziale einzelner Kunden frühzeitig zu erkennen. IRC4 – ermöglicht allen Mitarbeitern mit Kundenkontakt jederzeit Zugriff auf Informationen zu einzelnen Kunden. IRC5 – ordnet systematisch Vertriebs- oder SupportMitarbeiter längerfristig einzelnen Kunden zu. IRC6 – bearbeitet Anfragen mit höherer Komplexität oder Individualität in eigenen Abteilungen.
Gütekriterien der 1. Generation Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
Indikatorreliabilität
t-Wert
3,00 (1,71)
0,713
0,675
--
2,52 (1,47)
0,702
0,640
11,121***
3,36 (1,46)
0,671
0,566
10,816***
2,76 (1,72)
eliminiert nach konf. Faktoranalyse
2,40 (1,57)
eliminiert nach konf. Faktoranalyse
2,50 (1,80)
eliminiert nach explor. Faktoranalyse
Globale Gütekriterien der 2. Generation 0,83 62,70 %
Lokale Gütekriterien der 2. Generation Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
Item-toTotalKorrelation
0,84 0,63
²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert RMSEA CFI GFI AGFI
-- [1] -- [1] -- [1] -- [1] -- [1] -- [1]
[1] Bei nur drei Indikatoren hat ein konfirmatorisches Modell keine Freiheitsgrade. Die Berechnung der markierten Messgrößen ist daher nicht sinnvoll.
Tabelle 32 Gütekriterien für die IRC-Dimension
4.2.1.1.3
CE – Customer Empowerment/Kundenmotivation
Die CE-Dimension bildet ab, in welchem Ausmaß ein Unternehmen seine Kunden zur Interaktion mit dem bzw. über das Unternehmen motiviert. Aufgrund inakzeptabler Werte für Indikatorreliabilität und RMSEA im ersten Durchlauf der konfirmatorischen Faktorenanalyse (B3) wird CE2 eliminiert. Inhaltlich grenzt sich CE2 dadurch ab, dass der Indikator die Förderung der Interaktion über (nicht „mit“) dem Unternehmen abfragt. Als Teil eines allgemeinen Messmodells ist die Annahme von CE2 daher nicht akzeptabel. Dennoch können auf Basis der signifikant schlechteren Mittelwerte des Indikators CE2 Schlüsse für eine Interaktionsorientierung gezogen werden.1064 Nach Eliminierung von CE2 liefern alle drei Schritte der Untersuchungsstufe B für alle berechenbaren Gütekriterien gute Werte (vgl. Tabelle 33). Die CE-Dimension wird somit mit drei Indikatoren in die nächste Untersuchungsstufe einbezogen.
1064
Vgl. Kapitel 5.4.3.1.3.
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
CE – Customer Motivation/Kundenmotivation Bezeichnung des Indikators Mein Unternehmen/meine Geschäftseinheit ermuntert die Kunden aktiv dazu, … CE1 – ihre Meinungen zu unseren Produkten und Services dem Unternehmen mitzuteilen. CE3 – Ideen zu Neu- und Weiterentwicklungen dem Unternehmen mitzuteilen. CE4 – bei der Entwicklung neuer Produkte und Services in einem interaktiven Austausch mitzuwirken. CE2 – ihre Meinungen zu unseren Produkten mit anderen Kunden auszutauschen.
Gütekriterien der 1. Generation Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
Mittelwert (Std.-abw.)
Item-toTotalKorrelation
2,29 (1,39)
0,660
0,528
--
2,46 (1,48)
0,801
0,929
11,165***
2,75 (1,69)
0,671
0,531
10,914***
3,71 (1,84)
Indikatorreliabilität
t-Wert
eliminiert nach konf. Faktoranalyse
Globale Gütekriterien der 2. Generation 0,84 66,22 %
Lokale Gütekriterien der 2. Generation Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
229
0,85 0,65
²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert RMSEA CFI GFI AGFI
-- [1] -- [1] -- [1] -- [1] -- [1] -- [1]
[1] Bei nur drei Indikatoren hat ein konfirmatorisches Modell keine Freiheitsgrade. Die Berechnung der markierten Messgrößen ist daher nicht sinnvoll.
Tabelle 33 Gütekriterien für die CE-Dimension
4.2.1.1.4
CVM – Customer Value Management/Kundenwertmanagement
Die CVM-Dimension untersucht mit fünf Indikatoren die Praktiken und Prozesse des Kundewert-Managements. Während die Reliabilitätsuntersuchung (B1) und explorative Faktorenanalyse (B2) zufriedenstellende Ergebnisse für fünf Indikatoren liefern, weist die konfirmatorische Analyse (B3) problematische Werte für die Gütekriterien RMSEA und AGFI auf. Aufgrund der geringsten Werte bei Indikatorreliabilität und Ladungswerten wird der Indikator CVM1 eliminiert. Nach Eliminierung des Items weist auch die konfirmatorische Faktorenanalyse für vier Indikatoren hervorragende Werte auf (vgl. Tabelle 34).
230
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
CVM – Customer Value Management/Kundenwertmanagement Bezeichnung des Indikators Mittelwert Item-to(Std.-abw.) TotalMein Unternehmen/meine Geschäftseinheit … Korrelation CVM2 – stellt Prognosen auf, welche Erträge von jedem einzelnen Kunden in der Zukunft zu erwarten sind. CVM3 – kann den Unternehmensertrag als die Zusammenfassung jeder einzelnen kundenspezifischen Marketing- und Vertriebsaktivität errechnen. CVM4 – verfügt über systematische Verfahren, um zu bestimmen, welche Kunden den höchsten Wert aufweisen. CVM5 – aktualisiert ständig seine Kundeninformationen, um den Kundenwert zu bestimmen. CVM1 – hat genaue Kenntnis davon, welche Anteile am Gesamtertrag einzelnen Kunden zuzuordnen sind.
Gütekriterien der 1. Generation Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
t-Wert
3,20 (1,74)
0,697
0,540
--
4,22 (1,87)
0,771
0,674
12,133***
3,27 (1,88)
0,808
0,781
12,977***
3,35 (1,72)
0,780
0,719
12,524***
2,35 (1,60)
eliminiert nach konf. Faktoranalyse
Globale Gütekriterien der 2. Generation 0,89 67,88 %
Lokale Gütekriterien der 2. Generation Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
Indikatorreliabilität
0,89 0,68
²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert RMSEA CFI GFI AGFI
2,88 (2) 0,237 0,044 0,998 0,994 0,968
Tabelle 34 Gütekriterien für die CVM-Dimension
Nach Abschluss der sukzessiven Untersuchung der einzelnen IO-Dimensionen verbleiben insgesamt 13 Indikatoren des IO-Konstrukts, die in die nächste Untersuchungsstufe einbezogen werden.
4.2.1.2
Analyse auf Ebene aller Dimensionen (Untersuchungsstufe C)
Untersuchungsstufe C erfordert zunächst eine exploratorische Faktorenanalyse (C1) über alle Indikatoren und Dimensionen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 35 dargestellt. Die einzelnen Dimensionen werden klar erkannt, wobei alle Faktorladungen weit über dem geforderten Faktorgewicht von 0,4 liegen.1065 Auch der Abstandswert von 0,1 der kleinsten identifizierten Ladung zum größten nicht identifizierten Ladungsgewicht wird eingehalten.1066 Durch die extrahierten Faktorenwerte werden insgesamt 63,24 % der Varianz erklärt.1067
1065
Einzige Ausnahme stellt CPU2 mit einem Faktorgewicht von nur 0,496 dar. Die Vorzeichen der Faktorladungen sind für die Beurteilung der Ladungen gegenstandslos.
1066
Vgl. Siems (2003), S. 130.
1067
Bartlett-Test: 2-Wert ist hoch signifikant (2 = 1525,06; df = 78; p < 0,001). Die Nullhypothese kann abgelehnt werden. Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium KMO = 0,87 (verdienstvollerer Wert, vgl. Kapitel 4.1.3.2.1).
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
Faktor
Indikator
CPU – Customer Problem Understanding
CPU1 CPU2 CPU3 IRC – Interaction IRC1 Response Capacity IRC2 IRC3 CE – Customer CE1 Empowerment CE3 CE4 CVM – Customer Value CVM2 Management CVM3 CVM4 CVM5 Durch die Faktoren erklärte Varianz
231
Faktorladungen (nach schiefwinkliger Rotation) Faktor 1 Faktor 2 Faktor 3 -0,040 0,123 0,600 0,142 0,031 0,496 0,028 -0,073 0,800 0,006 0,029 -0,077 -0,015 -0,035 0,007 0,116 0,047 0,128 -0,086 0,663 0,149 0,007 0,980 -0,051 0,137 0,702 -0,017 0,733 0,029 -0,052 0,843 -0,063 0,031 0,872 0,004 0,079 0,746 0,123 -0,028 40,61 % 9,38 % 7,22 %
Faktor 4 -0,001 -0,207 0,048 -0,853 -0,805 -0,622 -0,128 0,036 0,030 -0,018 -0,018 0,046 -0,088 6,03 %
Tabelle 35 Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse der 13 IO-Indikatoren
Im nächsten Schritt (C2) wurden die 13 Indikatoren der konfirmatorischen Faktorenanalyse unterzogen (vgl. Tabelle 36). Hier sind einige leichte Abweichungen von den geforderten Schwellenwerten zu kommentieren: Erwartungsgemäß zeigt die neue CPU-Dimension die geringste Performanz in der Beurteilung der Gütekriterien. Die Werte der Indikatorreliabilität liegen für die Indikatoren CPU1 und CPU3 knapp unter dem geforderten Schwellenwert von 0,4. Es wird jedoch ein Faktorreliabilitätswert von 0,72 erreicht. Da dieser Wert für den Fortgang der Untersuchung von höherer Bedeutung ist, wird diese Abweichung toleriert.1068 Auch beim Kriterium DEV liegt die CPU-Dimension mit 0,48 knapp unter dem geforderten Wert von 0,5. Aufgrund der geringen Abweichung und gängiger Praxis bei diesem Kriterium wird die CPU-Dimension für die weitere Untersuchung beibehalten.1069 Ebenfalls leicht unterschritten wird das deskriptive Anpassungsmaß AGFI. Das AGFI-Kriterium bestraft im Vergleich zum erfüllten Kriterium GFI eine geringe Zahl an Freiheitsgraden bzw. eine Überparameterisierung des Modells. Da einerseits die absolute Abweichung sehr gering ist und andererseits der 2/df-Wert unter 2 bleibt, wird kein Anlass gesehen, das gesamte Modell in Zweifel zu ziehen.
1068
Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 10.
1069
Vgl. Homburg (2000), S. 103 oder Schuppar (2006), S. 85.
232
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
IO – Interaktionsorientierung Faktorreliabilität Informationen zu den Faktoren CPU IRC CE CVM
0,72 0,83 0,85 0,89
Durchschnittlich erfasste Varianz 0,48 0,63 0,66 0,68
FornellLarckerRatio 0,67 0,66 0,39 0,61
Informationen zum Gesamtmodell: ²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
115,16 (59) 0,000 0,89 63,24 %
RMSEA CFI GFI AGFI
0,065 0,962 0,930 0,891
Tabelle 36 Gütekriterien auf Ebene aller Dimensionen des IO-Konstrukts
Aufbauend auf die konfirmatorische Faktorenanalyse wird im letzten Untersuchungsschritt der Stufe C die Diskriminanzvalidität der einzelnen Faktoren überprüft (C3). Das strenge FornellLarcker-Kriterium wird von allen vier identifizierten und vermuteten Dimensionen erfüllt (RatioWerte kleiner 1). Folglich muss der 2-Differenztest nicht mehr durchgeführt werden und die Diskriminanzvalidität für die Dimensionen des IO-Konstrukts kann festgestellt werden. In der nächsten Untersuchungsstufe wird das gesamte Messmodell in ein PLS-Pfadmodell überführt. Um die Validität dieses Vorgehens zu bestätigen, werden abschließend zusätzlich die Gütekriterien varianzerklärender Vorgehen für die einzelnen Dimensionen betrachtet. Erwartungsgemäß sind die Ladungswerte aller Indikatoren größer als 0,7. Dies bestätigt das Ergebnis, dass mehr als 50 % der Varianz der Indikatoren durch die Dimensionen erklärbar sind. Zudem zeigt das Bootstrapping-Verfahren, dass alle Pfadgewichte signifikant sind.1070 Somit weisen auch diese Gütekriterien die Indikatorreliabilität der einzelnen Dimensionen nach. Die Konstruktreliabilität kann durch das Cronbachs Alpha oder auch die interne Konsistenz gemessen werden. Beide Gütekriterien liegen für alle Dimensionen auch hier über dem geforderten Schwellenwert von 0,7, wodurch auch hier die Konstruktreliabilität bestätigt wird. Die DEV/AVE-Werte und das Fornell-Larcker-Kriterium wurden bereits betrachtet. Erwartungsgemäß bestätigen die Gütekriterien des PLS-Pfadmodells die Ergebnisse der bisherigen Validierung des Messmodells.
1070
Alle gemessenen t-Werte sind größer als 10.
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
4.2.1.3
233
Analyse auf Ebene des gesamten Messmodells (Untersuchungsstufe D)
Untersuchungsebene D betrachtet das Messmodell insgesamt. Der erste Schritt sieht die Beurteilung der Multikollinearität der formativen Dimensionen vor (D1). Zur Feststellung des Ausmaßes der Multikollinearität werden die VIF-Werte und die paarweisen Korrelationswerte analysiert. Tabelle 37 zeigt, dass die VIF-Werte weit unterhalb des Grenzwerts von 10 liegen. Die Interkorrelationswerte zeigen ebenfalls vertretbare Zusammenhänge (< 0,61071) zwischen den einzelnen Dimensionen.1072 CPU IRC CE CVM IO
CPU 1,000 0,395 0,393 0,414 --
IRC 1,000 0,455 0,553 --
CE
1,000 0,414 --
CVM
1,000 --
VIF 1,33 1,58 1,39 1,62 --
R2 -0,19 0,17 0,17 0,36
f2 0,05 0,00 0,06 0,05 --
Q2 -0,14 0,12 0,12 0,23
Tabelle 37 Multikollinearitätsdiagnose der IO-Dimensionen
Im Folgenden gilt es, das Messmodell selbst zu beurteilen. In einem ersten Schritt wird die Inhaltsvalidität mithilfe eines MIMIC-Modells beurteilt (D2).1073 Dazu wurden in Anlehnung an das Vorgehen bei HOMBURG (2000) neben der indirekten Messung des Messmodells über die bisher beschriebenen Dimensionen auch vier reflektive Indikatoren direkt erhoben.1074 Als Problem tritt hierbei auf, dass keine getesteten reflektiven bzw. direkten Skalen für IO existieren, weshalb diese auf inhaltlichen Überlegungen beruhen.1075 Die direkten Indikatoren wurden entsprechend dem Vorgehensmodell Stufe B überprüft. Auf eine detaillierte Beschreibung der Ergebnisse wird hier jedoch verzichtet. Die reflektiven Indikatoren extrahierten in der exploratorischen Faktorenanalyse einen einzigen Faktor, der 60,65 % der Varianz erklärbar macht. Es kann damit davon ausgegangen werden, dass die direkten Indikatoren das Konstrukt IO ausreichend gut beschreiben. Im nächsten Schritt ist zu prüfen, wie die Zusammenhänge zwischen den Dimensionen, die als exogene Faktoren anzusehen sind, und der direkt gemessenen Interaktionsorientierung ausfallen. Abbildung 36 zeigt das errechnete MIMIC-Modell auf Basis der manifestierten Dimensionswerte (2/df = 2,691; GFI = 0,961; AGFI = 0,900; CFI = 0,970; RMSEA = 0,086) zeigt signifikante Zusammenhänge für CPU (p < 0,05), CE (p < 0,01) und CVM (p < 0,001) und einen positiven, jedoch nicht signifikanten Zusammenhang für IRC (p = 0,16). Damit kann als erwiesen
1071
Vgl. Opp/Schmidt (1976), S. 171, 183.
1072
Dieses Ergebnis bestätigt die Ergebnisse in C3, die allen Konstrukten Diskriminanzvalidität bestätigt.
1073
Das MIMIC-Modell überprüft nur die direkten Effekte der Dimensionen auf das Konstrukt IO.
1074
Vgl. Homburg (2000), S. 124 f.
1075
Die direkten Variablen messen in Anlehnung an Reinartz/Krafft/Hoyer (2004), S. 298 die Verankerung der Bedeutung der Kundeninteraktion in der Strategie, den Grad der Verankerung im Topmanagement, die Bedeutung der Aufgabe der Kundeninteraktion und den Grad der Kenntnis der Kundenbedürfnisse (2/df = 4,239; GFI = 0,982; AGFI = 0,912; CFI = 0,978; RMSEA = 0,119).
234
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
angesehen werden, dass die gemessenen Dimensionen dem Bereich der Interaktionsorientierung entstammen. Insbesondere der nicht signifikante Pfad der IRC-Dimension sollte im Weiteren genauer analysiert werden.
0,20*
CE
IO1 0,17**
IO2 CPU
IRC
0,09 (n.s.)
IO IO3
0,20***
CVM
erklärte Varianz: 60,65 %
IO4
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001
Abbildung 36 MIMIC-Modell des IO-Messmodells
Das kovarianzbasierte MIMIC-Modell bildet nicht die vermuteten Beziehungen innerhalb des Messmodells ab (d. h. zwischen Wert-/Normdimensionen und Praktik-/Prozessdimensionen). Die Wirkung dieser Beziehungen wird im PLS-Pfadmodell ersichtlich (vgl. Abbildung 37), das auch im Weiteren für die Analyse des gesamten Strukturgleichungsmodells verwendet wird. Damit kann das gesamte Messmodell beurteilt werden (D3). Aufgrund der Tatsache, dass nun ein varianzerklärendes Verfahren eingesetzt wird, kann nicht mehr auf die Anpassungsmaße der Untersuchungsstufen B und C zurückgegriffen werden. Die kovarianzbasierten Gütekriterien für das präsentierte Modell werden im nächsten Schritt für das Grundmodell und weitere rivalisierende Modelle dargestellt. Auf Ebene der einzelnen Indikatoren des Messmodells ergibt sich das folgende Ergebnis:1076 Die direkten Effekte und Signifikanzen zeigen das gleiche Bild wie das obige MIMIC-Modell, zugleich wird jedoch der hohe Einfluss des Verständnisses für Kundenprobleme (CPU) auf die Praktiken und Prozesse klar. GIERE/WIRTZ/SCHILKE (2006) empfehlen die quantitative Beurteilung der Indikatoren mit erwarteten Vorzeichen, Pfadgewichten und deren Signifikanz.1077 Das Modell in Abbildung 37 zeigt mit Ausnahme des Pfades IRC – IO die empfohlenen Pfadgewichte größer 0,10 bei signifikanten Pfaden. Zugleich sind alle Pfadgewichte positiv, d. h., die vermutete Art des Zusammenhangs spiegelt sich auch im Messmodell wider.
1076
Im Gesamtmodell wurden die Dimensionen nicht manifestiert.
1077
Vgl. Giere/Wirtz/Schilke (2006), S. 687.
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
235
11 = 0,216
IO1
CE 12 = 0,413
2 = 0,230
IO2 CPU
13 = 0,437
IRC
3 = (0,082)
IO IO3
14 = 0,406
4 = 0,245
CVM
R2: 0,357
IO4
Abbildung 37 Messmodell IO nach Untersuchungsstufe D3
Auf Ebene des gesamten Messstrukturmodells ergibt sich das folgende Ergebnis: Das resultierende Bestimmtheitsmaß (R2) des IO-Konstrukts zeigt einen Wert von 0,357. Entsprechend der Empfehlung von CHIN (1998) deutet dies auf einen durchschnittlichen Wert hin, was aufgrund der Neuheit des Konstrukts als positiv zu werten ist. Mit Ausnahme der IRCDimension zeigen die Effektstärken (vgl. Tabelle 37) schwache Zusammenhänge. Im Einklang mit den Befunden des MIMIC-Modells wird für die IRC-Dimension keine Effektstärke gemessen. Insgesamt werden aufgrund der Neuheit des Konstrukts die Effektstärken aber als ausreichend beurteilt. Der Stone-Geisser-Test misst für alle endogenen latenten Variablen (inklusive CE, IRC und CVM) stark von null abweichende Werte (vgl. Tabelle 37). Die Prognoserelevanz des Modells kann damit festgestellt werden. Die Eliminierung eines formativen Indikators würde zu einer Veränderung des Konstruktwerts führen.1078 Neben dieser methodischen Begründung für den Verbleib der IRC-Dimension in dem Messmodell spricht auch Tatsache, dass die Ausprägung von Praktiken und Prozessen der Interaktionsfähigkeit (IRC) stark vom Verständnis für Kundenprobleme (CPU) abhängt, dafür, dass ein Messmodell der Interaktionsorientierung die IRC-Dimension umfassen muss. Im nächsten Schritt (D4) ist die Frage zu stellen, ob das ermittelte Messmodell nicht zugunsten eines anderen Modells zu verwerfen ist. Aufgrund inhaltlicher Überlegungen bilden sich drei rivalisierende Modelle heraus. Modell 1 geht davon aus, dass alle Dimensionen nur direkt auf IO wirken (vgl. MIMIC-Modell). Modell 2 geht davon aus, dass CPU keinen direkten Pfad zum Konstrukt IO besitzt, d. h., dass die Wirkung vollständig mediiert wird. Modell 3 geht davon aus, dass alle Indikatoren von lediglich einer Dimension zusammengefasst werden. Eine Zusammenfassung zu weniger als vier Dimensionen erscheint auf Basis der Ergebnisse der Prüfung der Diskriminanzvalidität (vgl. Schritte C3) nicht sinnvoll.
1078
Vgl. Kapitel 4.1.3.1.
236
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Grundmodell Modell 1 Modell 2 Modell 3
R2-Wert 0,357 0,364 0,322 0,353
2
df 247,71 420,53 253,02 638,10
112 115 113 118
2/df 2,21 3,66 2,24 5,41
GFI 0,89 0,80 0,88 0,72
AGFI 0,84 0,74 0,84 0,64
CFI 0,94 0,85 0,93 0,75
RMSEA 0,07 0,11 0,07 0,14
Tabelle 38 Modellvergleich für das IO-Messmodell
Tabelle 38 zeigt die R2-Werte des IO-Konstrukts und die Gütekriterien für die konkurrierenden Modelle. Mit Ausnahme einer geringfügigen Unterschreitung des Schwellenwerts des GFIKriteriums und einer Unterschreitung des Schwellenwerts des AGFI-Kriteriums erfüllt das Grundmodell die geforderten Gütekriterien. Die Modelle 1 und 3 zeigen deutlich schlechtere Gütekriterien als das Grundmodell. Einzig das Bestimmtheitsmaß von Modell 1 weist einen leicht besseren Wert auf als das Grundmodell. In der Gesamtsicht der Erfüllung aller Gütekriterien muss das Grundmodell aber beibehalten werden. Mit Ausnahme des Bestimmtheitsmaßes liegen die Gütekriterien des Grundmodells sowie des zweiten Modells eng aneinander. Da das Modell 2 jedoch eine gleiche oder geringfügig niedrigere Erfüllung der Gütekriterien aufweist, ist ein eindeutig besseres Modell aufgrund des paarweisen Modellvergleichs nicht zu identifizieren. Zudem ist die Existenz von Werten und Normen prägend für die Interaktionsatmosphäre zwischen Unternehmen, weswegen auch aus inhaltlicher Sicht ein Verwerfen des Grundmodells zugunsten des Modells 2 kritisch wäre. Damit wird das Grundmodell als endgültiges, robustes Messmodell festgestellt. Abschließend wird das Messmodell noch auf seine nomologische Validität (D5) hin getestet. Die Feststellung nomologischer Validität kann über ein so genanntes Zwei-Konstrukt-Modell, d. h. die Einbettung des Messmodells in einen höheren theoretischen Zusammenhang, erfolgen. Für diesen Zweck wurden zusätzliche, ansonsten nicht verwendete Indikatoren erhoben.1079 Den gewählten, höheren Theoriezusammenhang stellen die ressourcenorientierten Ansätze bereit, dazu wurden drei Indikatoren erhoben, die den Markterfolg der Art und Weise mit Kunden zu interagieren messen. Der aus den Indikatoren resultierende Faktor wurde entsprechend Untersuchungsstufe B überprüft, wobei alle Gütekriterien erfüllt wurden.1080 Im Einklang mit der Theorie ist zu erwarten, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Ausprägung der Interaktionsorientierung und dem Markterfolg bzw. Wettbewerbsvorteil besteht. Das Ergebnis zeigt einen hohen, positiv signifikanten Zusammenhang zwischen IO und dem IOMarkterfolgskonstrukt ( = 0,680 bei p < 0,001; R2(IO-Markterfolg) = 0,46). Auf Basis dieser Ergebnisse kann auch die externe bzw. nomologische Validität des Messmodells attestiert werden.
1079
Teilweise findet man auch den Beweis der nomologischen Validität, unter Verweis auf die Notwendigkeit des sparsamen Fragebogendesigns, durch die Einbettung des Messmodells in ein Strukturmodell (vgl. z. B. Müller (2007b), S. 202).
1080
Die Überprüfung zeigte keine Auffälligkeiten und wird deshalb nicht weiter vertieft.
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
237
Aufgrund des Durchlaufs der Untersuchungsschritte A bis D kann dem Messmodell für Interaktionsorientierung die Erfüllung der gängigen Gütekriterien attestiert werden. Bevor nun das eigentliche Strukturmodell überprüft werden kann, ist nach dem gleichem Schema ein weiteres Modell das Messmodell der Lernorientierung zu entwickeln.
4.2.2
Lernorientierung
Analog zum Vorgehen beim Konstrukt Interaktionsorientierung, soll nun auch das Messmodell Lernorientierung entwickelt werden. Im Unterschied zu den Skalen des IO-Konstrukts beinhaltet LO bereits häufig geprüfte Dimensionen (LC, SV und EO), sodass hier bessere Gütekriterien zu erwarten sind.1081
4.2.2.1
Analyse auf Ebene der einzelnen Dimensionen (Untersuchungsstufe B)
In der exploratorischen Faktorenanalyse über alle Variablen in Untersuchungsstufe A konnten mit Ausnahme der EO-Dimensionen alle Dimensionen des LO-Konstrukts eindeutig identifiziert werden. 4.2.2.1.1
LC – Learning Commitment/Lernausrichtung
Die vier Indikatoren der LC-Dimension zeigten in den Schritten B1 und B2 erwartungsgemäß sehr gute Ausprägungen der Gütekriterien. In der konfirmatorischen Faktorenanalyse über alle vier Indikatoren zeigen die Gütekriterien AGFI und RMSEA jedoch nicht hinnehmbare Schwellenwertüber- bzw. -unterschreitungen. Beide Kriterien bestrafen Überparameterisierung bzw. Unsparsamkeit in der Modellierung.1082 Zur Lösung dieses Problems wurden zwei Möglichkeiten in Betracht gezogen:1083 Die Zulassung der Korrelation der Fehlerterme der Indikatoren LC3 und LC41084 oder die Eliminierung des Indikators LC3 auf Basis von Sparsamkeitsüberlegungen und dem niedrigsten Indikatorreliabilitätswert bei diesem Indikator. Wie in Tabelle 39 ersichtlich, wurde die zweite Variante gewählt. Durch die Eliminierung wird die Berechnung der globalen Gütekriterien der zweiten Generation nicht mehr möglich. Die nach der Eliminierung des Indikators LC3 errechneten noch möglichen Gütekriterien zeigen hervorragende Werte. Die LC-Dimension geht damit in die nächsten Untersuchungsstufen mit nur drei Indikatoren ein.
1081
Diese Skalen wurden lediglich übersetzt und sprachlich angepasst (vgl. z. B. Sinkula/Baker/Noordewier (1997), S. 316 und Baker/Sinkula (1999b), S. 425).
1082
Dies zeigt sich auch aufgrund der Tatsache, dass der GFI die gewünschten Schwellenwerte gut erreicht, während der AGFI den Schwellenwert von 0,9 unterschreitet.
1083
Dieses Vorgehen wiederholt sich bei den Dimensionen SV und EO.
1084
Die Entscheidung erfolgte aufgrund der in AMOS errechneten Modification Indices.
238
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
LC – Learning Commitment/Lernausrichtung Bezeichnung des Indikators In meinem Unternehmen/meiner Geschäftseinheit … LC1 – betrachtet das Management die Lern- und Weiterentwicklungsfähigkeit des Unternehmens als einen zentralen Erfolgsfaktor. LC2 – ist Lernen als Voraussetzung für Fortschritt in den Grundwerten des Unternehmens verankert. LC4 – werden Lern- und Weiterentwicklungsprozesse als Grundlage betrachtet, die das Überleben der Organisation garantieren. LC3 – werden Lernprozesse von Mitarbeitern als Investition und nicht als Kosten betrachtet.
Gütekriterien der 1. Generation Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
Item-toTotalKorrelation
2,32 (1,22)
0,838
0,817
--
2,34 (1,31)
0,852
0,859
19,801***
2,48 (1,44)
0,781
0,669
16,491***
2,43 (1,42)
Indikatorreliabilität
t-Wert
nicht einbezogen
Globale Gütekriterien der 2. Generation 0,91 78,13 %
Lokale Gütekriterien der 2. Generation Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
Mittelwert (Std.-abw.)
0,91 0,77
²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert RMSEA CFI GFI AGFI
-- [1] -- [1] -- [1] -- [1] -- [1] -- [1]
[1] Bei nur drei Indikatoren hat ein konfirmatorisches Modell keine Freiheitsgrade. Die Berechnung der markierten Messgrößen ist daher nicht sinnvoll.
Tabelle 39 Gütekriterien für die LC-Dimension
4.2.2.1.2
SV – Shared Vision/Gemeinsame Vision
Die SV-Dimension untersucht, inwieweit sich die Mitglieder einer Organisation in ihren Handlungen von den gleichen Prinzipien, d. h. einer gemeinsamen Vision, leiten lassen. Ähnlich dem Vorgehen für die LC-Dimension zeigen auch die Schritte B1 und B2 hervorragende Werte für vier Indikatoren. Die konfirmatorische Faktorenanalyse zeigt jedoch Unter- bzw. Überschreitungen für die Gütekriterien AGFI und RMSEA. Aufgrund der gleichen Überlegungen wie für die LC-Dimension wird der Indikator SV4 nicht in die weitere Untersuchung einbezogen. Die drei Stufen der Untersuchungsstufe B liefern für nur drei Indikatoren sehr gute Erfüllung der geforderten Gütekriterien (vgl. Tabelle 40). Auch die SV-Dimension geht damit mit nur drei Indikatoren in die weiteren Untersuchungsstufen ein.
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
SV – Shared Vision/Gemeinsame Vision Bezeichnung des Indikators In meinem Unternehmen/meiner Geschäftseinheit … SV1 – besteht ein gemeinsames Verständnis darüber, was unser Unternehmen ausmacht und wohin es sich entwickelt. SV2 – besteht in allen Ebenen, Bereichen und Funktionen völlige Einigkeit im Verständnis unserer Vision. SV3 – stehen alle Mitarbeiter hinter den Zielen des Unternehmens. SV4 – sehen alle Mitarbeiter die Möglichkeit, auf wichtige Entscheidungen Einfluss zu nehmen.
Gütekriterien der 1. Generation Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
Mittelwert (Std.-abw.)
Item-toTotalKorrelation
2,56 (1,32)
0,801
0,720
--
3,21 (1,46)
0,856
0,872
17,619***
2,97 (1,42)
0,806
0,730
16,187***
3,64 (1,59)
Indikatorreliabilität
t-Wert
nicht einbezogen
Globale Gütekriterien der 2. Generation 0,91 77,38 %
Lokale Gütekriterien der 2. Generation Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
239
0,91 0,78
²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert RMSEA CFI GFI AGFI
-- [1] -- [1] -- [1] -- [1] -- [1] -- [1]
[1] Bei nur drei Indikatoren hat ein konfirmatorisches Modell keine Freiheitsgrade. Die Berechnung der markierten Messgrößen ist daher nicht sinnvoll.
Tabelle 40 Gütekriterien für die SV-Dimension
4.2.2.1.3
EO – Experimentation and Openness/Experimentierfreude und Offenheit
Die als EO gemessene Dimension Offenheit und Experimentierfreude wird bei SINKULA/ BAKER/NOORDEWIER (1997) auch als „Open-Mindedness“ bezeichnet.1085 Auch hier tritt die gleiche Problematik für vier Indikatoren auf wie bei den Dimensionen SV und EO. Aufgrund inhaltlicher Überlegungen und der Faktorladung in der explorativen Faktorenanalyse (vgl. Tabelle 30) wird EO1 nicht in die weitere Analyse mit einbezogen. Die Gütebeurteilung der drei Indikatoren zeigt für alle drei Untersuchungsschritte zufriedenstellende Ergebnisse (vgl. Tabelle 41). Die EO-Dimension geht damit mit drei Indikatoren in die weitere Messmodellentwicklung ein.
1085
Vgl. Sinkula/Baker/Noordewier (1997), S. 310.
240
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
EO – Experimentation and Openness/Experimentierfreude und Offenheit Bezeichnung des Indikators Mittelwert Item-toIndikator(Std.-abw.) Totalreliabilität In meinem Unternehmen/meiner Geschäftseinheit … Korrelation EO2 – werden sinnvoll erscheinende Aktivitäten und Praktiken anderer Unternehmen in unserem Sektor verfolgt und übernommen. EO3 – werden Erfahrungen anderer Quellen (z. B. Kunden, Berater etc.) als wertvolle Lernmöglichkeiten geschätzt. EO4 – werden Meinungen und Vorschläge der Mitarbeiter zu den aktuell angewandten Praktiken und Methoden geschätzt. EO1 – werden Experimentierfreude und Innovation gefördert, um Arbeitsprozesse zu verbessern.
Gütekriterien der 1. Generation Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
2,95 (1,34)
0,670
0,587
--
2,67 (1,26)
0,719
0,728
10,384***
2,33 (1,21)
0,635
0,510
9,982***
2,74 (1,38)
nicht einbezogen
Globale Gütekriterien der 2. Generation 0,82 60,80 %
Lokale Gütekriterien der 2. Generation Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
t-Wert
0,82 0,61
²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert RMSEA CFI GFI AGFI
-- [1] -- [1] -- [1] -- [1] -- [1] -- [1]
[1] Bei nur drei Indikatoren hat ein konfirmatorisches Modell keine Freiheitsgrade. Die Berechnung der markierten Messgrößen ist daher nicht sinnvoll.
Tabelle 41 Gütekriterien für die EO-Dimension
4.2.2.1.4
HRP – HR Practises/HR-Praktiken
Die HRP-Dimension betrachtet die Weiterbildungspraktiken eines Unternehmens. Die erhobenen Items basieren auf den Interviews. Tabelle 42 zeigt die Übersicht der Gütekriterien der Dimension. Die Stufen B1 und B2 liefern zufriedenstellende Werte. In der Beurteilungsstufe B3 verfehlen 2/df, RMSEA und AGFI ihre Schwellenwerte. Aufgrund des Ausmaßes der Abweichungen werden im Gesamteindruck der Gütekriterien die Werte als noch tolerierbar angesehen und es wird auf eine Eliminierung verzichtet.1086
1086
Bei Schuppar (2006), S. 87 werden höhere 2/df- und RMSEA-Abweichungen als zufriedenstellend bezeichnet.
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
HRP – HR Practises/HR-Praktiken Bezeichnung des Indikators Welche der folgenden Praktiken kommen in Ihrem Unternehmen zum Einsatz? HR9 – Persönliche Entwicklungspläne für Mitarbeiter HR10 – Firmeninterne Weiterbildungen HR11 – Firmenexterne Weiterbildungen HR12 – Unterstützung der Weiterbildung durch das Unternehmen (z. B. durch Freistellungen, Zuzahlungen)
Gütekriterien der 1. Generation Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
Mittelwert (Std.-abw.)
Item-toTotalKorrelation
3,96 (1,79) 3,22 (1,66) 3,28 (1,55) 3,29 (1,69)
0,677 0,731 0,778 0,685
Indikatorreliabilität 0,517 0,653 0,765 0,566
t-Wert
-11,320*** 11,960*** 10,595***
Globale Gütekriterien der 2. Generation 0,87 62,55 %
Lokale Gütekriterien der 2. Generation Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
241
0,86 0,62
²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert RMSEA CFI GFI AGFI
10,807 (2) 0,005 0,139 0,980 0,979 0,893
Tabelle 42 Gütekriterien für die HRP-Dimension
4.2.2.1.5
TIP – Transfer and Integration Processes/Transfer- und Integrationsprozesse
Die TIP-Skala versucht, die einzelnen Schritte der ACAP nach ZAHRA/GEORGE (2002) abzubilden.1087 Dafür wurden die Indikatoren von JEREZ-GÓMEZ/CÉSPEDES-LORENTE/VALLECABRERA (2005) entsprechend der Erkenntnisse der Interviews ergänzt und erweitert.1088 Aufgrund der exploratorischen Faktorenanalyse (B2) wurde der Indikator TIP3 eliminiert und die Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse (B3) führen zur Eliminierung des Indikators TIP2. Die reduzierte Skala mit vier Indikatoren kann in allen drei Untersuchungsschritten dieser Stufe die geforderten Messwerte einhalten (vgl. Tabelle 43).1089 Trotz der Eliminierung von zwei Indikatoren sind weiterhin Items für die Informationsverarbeitungsstufen Akquisition, Assimilierung und Integration vertreten.1090 In die weitere Untersuchung geht die TIP-Dimension mit vier Indikatoren ein.
1087
Die Stufe „Exploitation“ aus dem ACAP-Modell von Zahra/George (2002) stellt eine Ausnahme dar, da davon ausgegangen wird, dass diese Fähigkeit durch die Unternehmensperformance ausgedrückt wird.
1088
Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), S. 724.
1089
Die gemessene Skala weist im Vergleich zur Skala von Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), S. 720 erheblich höhere Werte für Cronbachs Alpha auf.
1090
Für die Skala TIP könnte auch der Beweis für die Begründung einer formativen Messung geführt werden. Es wird aber davon ausgegangen, dass eine Lernorientierung sich in allen ACAP-Phasen reflektiert, weshalb an dem reflektiven Messmodell festgehalten wird.
242
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
TIP – Transfer and Integration Processes/Transfer- und Integrationsprozesse Bezeichnung des Indikators Mittelwert Item-toIndikator(Std.-abw.) Totalreliabilität In meinem Unternehmen/meiner Geschäftseinheit … Korrelation TIP1 – gibt es Systeme, die Kunden- und Branchenwissen im Unternehmen zugänglich machen. TIP4 – gibt es systematische Vorgehensweisen und Tools zur Verteilung relevanter Informationen im Unternehmen. TIP5 – haben Mitarbeiter die Möglichkeit, sich untereinander über aussichtsreiche Ideen, Programme und Aktivitäten auszutauschen. TIP6 – bleibt Erlerntes aufgrund des Einsatzes verschiedener Instrumente (z. B. Routinen oder Datenbanken) auch dann erhalten, wenn Mitarbeiter ausscheiden. TIP2 – wird Kunden- und Branchenwissen gezielt auf informellem Weg gesammelt (z. B. Gespräche mit Handelspartnern und Branchenkennern). TIP3 – werden unabhängig von der Organisationsebene Misserfolge und Fehler stets diskutiert und analysiert.
Gütekriterien der 1. Generation Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
3,46 (1,63)
0,686
0,557
--
3,14 (1,58)
0,749
0,696
11,873***
2,72 (1,38)
0,713
0,625
11,356***
3,41 (1,63)
0,705
0,588
11,039***
3,20 (1,47)
eliminiert nach konf. Faktoranalyse
3,04 (1,34)
eliminiert nach explor. Faktoranalyse
Globale Gütekriterien der 2. Generation 0,87 61,66 %
Lokale Gütekriterien der 2. Generation Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
t-Wert
0,86 0,61
²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert RMSEA CFI GFI AGFI
4,12 (2) 0,127 0,068 0,995 0,992 0,958
Tabelle 43 Gütekriterien für die TIP-Dimension
Nach Abschluss der sukzessiven Untersuchung aller Dimensionen des LO-Konstrukts verbleiben fünf Dimensionen und 17 Indikatoren für die weiteren Untersuchungsstufen.
4.2.2.2
Analyse auf Ebene aller Dimensionen (Untersuchungsstufe C)
Untersuchungsstufe C sieht zunächst eine exploratorische Faktorenanalyse (C1) über die verbleibenden Indikatoren aller Dimensionen vor. Anders als beim IO-Konstrukt identifiziert diese nicht alle hypothetischen Dimensionen eindeutig. Während die Dimensionen LC und HRP eindeutig erkannt werden, laden SV, EO und TIP auf einen gemeinsamen Faktor (vgl. Tabelle 44). Inhaltlich kann dies damit begründet werden, dass TIP-Prozesse abfragt, die sowohl Offenheit als auch ein gemeinsames Verständnis (Wissensintegration) erfordern. Aufgrund der Kritik, die der schiefwinkligen Faktorenanalyse entgegenzubringen ist, und den festgestellten Veränderungen der Ergebnisse beim Wechsel der Extraktionsmethode,1091 erscheint der Befund 1091
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 300. Wird die Faktorenanalyse anstatt mit der Hauptachsen- mit der Hauptkomponentenmethode durchgeführt, werden die Prozesse und Praktiken (TIP und HRP) klar erkannt und alle Wert-/Normdimensionen (LC, SV, EO) laden auf einen Faktor. Dieses Ergebnis ist besser zu interpretieren und deutet auf die Hypothese dieser Arbeit hin, dass Werte und Normen unterschiedliche Effekte zeigen als Praktiken und Prozesse.
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
243
der Stufe C1 wenig belastbar, sodass die Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse (C2) betrachtet werden müssen, bevor weitere Schlüsse gezogen werden. Faktor
Indikator
Faktorladungen (nach schiefwinkliger Rotation) Faktor 1 Faktor 2 0,044 -0,691 0,121 -0,600 0,117 -0,555 0,614 -0,259 0,733 -0,211 0,641 -0,162 0,613 -0,311 0,442 -0,337 0,524 -0,214 0,650 0,146 0,733 0,173 0,750 0,104 0,807 0,192 0,086 -0,014 0,064 -0,094 0,024 -0,026 -0,001 -0,011 48,57 % 6,56 %
LC – Learning Commitment
LC1 LC2 LC4 SV – Shared Vision SV1 SV2 SV3 EO – Experimentation and EO2 Openness EO3 EO4 TIP – Transfer and TIP1 Integration TIP4 TIP5 TIP6 HRP – HR Practises HRP9 HRP10 HRP11 HRP12 Durch die Faktoren erklärte Varianz
Faktor 3 0,309 0,352 0,338 0,024 -0,045 0,135 -0,156 0,009 0,092 0,152 0,132 0,108 0,022 0,662 0,752 0,815 0,742 5,30 %
Tabelle 44 Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse der 17 LO-Indikatoren
Tabelle 45 zeigt die Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse für die verbliebenen 17 Indikatoren. Mit Ausnahme des Gütekriteriums AGFI, das jedoch den Grenzwert nur gering unterschreitet, zeigen alle Gütekriterien der ersten und zweiten Generation gute Resultate. LO – Lernorientierung Faktorreliabilität Informationen zu den Faktoren LC SV EO TIP HRP Informationen zum Gesamtmodell: ²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
0,91 0,97 0,82 0,86 0,87
206,17 (109) 0,000 0,94 60,43 %
RMSEA CFI GFI AGFI
Durchschnittlich erfasste Varianz 0,78 0,78 0,60 0,61 0,62
FornellLarckerRatio 0,60 0,68 0,84 0,87 0,76
0,063 0,964 0,902 0,862
Tabelle 45 Gütekriterien auf Ebene aller Dimensionen des LO-Konstrukts
Im letzten Schritt, C3, wird die Prüfung der Diskriminanzvalidität der LO-Dimensionen durchgeführt (vgl. Tabelle 45). Alle Dimensionen zeigen Fornell-Larcker-Ratios weit unter dem geforderten Schwellenwert von maximal eins (0,60; ,68; 0,84; 0,87 und 0,76). Auf Basis dieses Befunds kann die Diskriminanzvalidität der untersuchten LO-Dimensionen als gegeben
244
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
angesehen werden. Die fehlende Identifizierung aller Dimensionen in Schritt C1 kann damit als unproblematisch betrachtet werden. Analog zum IO-Konstrukt werden auch die relevanten Gütekriterien der betrachteten LODimensionen in einem PLS-Pfadmodell überprüft. Auch hier können Indikator- und Konstruktreliabilität bestätigt werden.1092 Die Güteprüfung mithilfe varianzerklärender Verfahren bestätigt damit die Ergebnisse der kovarianzbasierten Analyse.
4.2.2.3
Analyse auf Ebene des gesamten Messmodells (Untersuchungsstufe D)
Im ersten Schritt der Untersuchungsstufe D werden die Dimensionen auf Multikollinearität geprüft (D1). Tabelle 46 zeigt die paarweisen Korrelationen, das Bestimmtheitsmaß und die VIFWerte für die LO-Dimensionen. Obwohl die paarweisen Korrelationswerte höher sind als die vergleichbaren Werte für das IO-Konstrukt, liegen die VIF-Werte weit unter dem geforderten Grenzwert von 10. Damit kann im Einklang mit den Ergebnissen des Analyseschritts C3 von einem vertretbar geringen Ausmaß an Multikollinearität zwischen den einzelnen Dimensionen ausgegangen werden.1093 LC LC SV EO TIP HRP LO
1,000 0,615 0,576 0,491 0,612 --
SV
1,000 0,630 0,645 0,577 --
EO
1,000 0,564 0,495 --
TIP
1,000 0,558 --
HRP
1,000 --
VIFWerte 2,04 2,39 1,94 1,97 1,92 --
R2 ---0,47 0,47 0,59
f2 0,06 0,07 0,03 0,00 0,08 --
Q2 ---0,32 0,33 0,50
Tabelle 46 Multikollinearitätsdiagnose der LO-Dimensionen
Analog zur Vorgehensweise beim IO-Messmodell wird in der Untersuchungsstufe D2 die Inhaltsvalidität des Messmodells mittels eines MIMIC-Modells beurteilt. Dazu wurden auch für das IO-Konstrukt drei zusätzliche Indikatoren erhoben, die das Konstrukt direkt messen. Die zusätzlichen Indikatoren messen den Strategiebezug, die Topmanagement-Bedeutung des Themas Lernen und die Einstufung, zu welchem Grad das Unternehmen als „lernende Organisation“ zu werten ist. Die drei direkten Indikatoren wurden der Untersuchungsstufe B unterzogen und erfüllen alle erforderlichen Gütekriterien. Die exploratorische Faktorenanalyse auf Basis der manifestierten Dimensionswerte zeigt, dass der Faktor, der aus den drei Indikatoren extrahiert werden kann, insgesamt 79,54 % der Varianz der Indikatoren erklären kann und damit ein gutes Messinstrument für die zu überprüfenden Dimensionen darstellt.
1092
Signifikante (t-Werte > 20) Pfadgewichte (> 0,7) für alle Indikatoren. Interne Konsistenz und Cronbachs Alpha für alle Dimensionen > 0,7.
1093
Die SV-Dimension erzeugt Interkorrelationen, die geringfügig über dem von Opp/Schmidt (1976), S. 171, 183 geforderten Grenzwert von 0,6 liegen. Dees (2005), S. 69 berichtet, dass Simulationen bis zu einem r = 0,7 robuste, jedoch verzerrte PLS-Schätzungen liefert. Aufgrund dieser Ergebnisse und der geringen Überschreitung wird Multikollinearität hier nicht als problematisch betrachtet.
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
245
0,30***
LC
LO1 HRP 0,25***
SV
LO
0,25***
LO2
0,04 (n.s.)
TIP EO
erklärte Varianz: 79,54 %
LO3
0,13*
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001
Abbildung 38 MIMIC-Modell des LO-Messmodells
Das MIMIC-Modell in Abbildung 38 erfüllt die erforderlichen lokalen und globalen Gütekriterien (2/df = 1,978; GFI = 0,979; AGFI = 0,923; CFI = 0,992; RMSEA = 0,065). Die Dimensionen LC, SV und HRP zeigen hoch signifikante Zusammenhänge (p < 0,001). Die EO-Dimension ist auf dem 95 %-Niveau positiv signifikant. Die TIP-Dimension zeigt einen schwach positiven Zusammenhang, der jedoch nicht signifikant ist. Zur Darstellung der Beziehungen innerhalb des Messmodells wird das MIMIC-Modell in ein PLS-Pfadmodell übertragen und um die Beziehungen zwischen Wert- und Normdimensionen und Dimensionen, die Prozesse und Praktiken beschreiben (vgl. Abbildung 39) ergänzt.1094 Die Ergebnisse belegen die Erkenntnisse des MIMIC-Modells und liefern zudem Informationen über die Beziehungen innerhalb der Dimensionen bzw. das finale Messmodell (D3). Auf Ebene der Indikatoren zeigt sich folgendes Bild: Mit Ausnahme der Beziehungen LC – TIP und EO – HRP wirken die Werte und Normen auf die Praktiken und Prozesse signifikant und positiv. Auch im PLS-Pfadmodell lässt sich die Beziehung zwischen TIP und dem LO-Konstrukt nicht belegen. Aufgrund des häufigen Gebrauchs latenter Konstrukte im Informationstransferund Informationsintegrationsbereich (inklusive der Feststellung signifikanter Zusammenhänge) ist ein nicht signifikanter TIP – LO-Pfad verwunderlich.1095 Für diesen Befund gibt es zwei mögliche Gründe. Einerseits könnte die Kondensierung mehrerer Phasen der ACAP in eine Dimension zu kurz greifen. Diesem Argument widerspricht jedoch, dass sowohl EO als auch SV hoch und positiv signifikant mit TIP verbunden sind. Andererseits ist es möglich, dass die direkten Indikatoren der LO den Einsatz von Prozessen und Tools in einem zu geringen Umfang
1094
Wird Schritt D3 mit kovarianzbasierten Methoden (AMOS) geschätzt, erhält man die gleichen Ergebnisse (vgl. Gütekriterien des Grundmodells in Tabelle 47 in Schritt D4).
1095
Vgl. z. B. Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), Perez Lopez/Montes Peon/Vazquez Ordas (2005), Jiménez-Jiménez/Cegarra-Navarro (2007) oder Panayides (2007).
246
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
reflektieren. Die Untersuchung beider Begründungen kann im Rahmen dieser Studie nicht mehr erbracht werden, da hierzu eine neue Erhebung nötig wäre.
Abbildung 39 Messmodell für LO nach Untersuchungsstufe D3
Zur Beurteilung des gesamten Messmodells sieht das Vorgehensschema auch vor, die erwarteten Vorzeichen, Pfadgewichte, Signifikanzen und Bestimmtheitsmaße des gesamten Messmodells zu beurteilen. Die Vorzeichen entsprechen für alle Pfade den erwarteten Wirkungsweisen. Die Pfadgewichte überschreiten mit Ausnahme der Pfade LC – TIP und TIP – LO den Schwellenwert von 0,1. Das Bootstrapping-Verfahren zeigt zudem für das Pfadmodell nicht signifikante Beziehungen zwischen LC – TIP, TIP – LO und EO – HRP. Weiterhin sind die folgenden Gütekriterien zu berichten: Das LO-Konstrukt weist in dem Messmodell einen sehr guten R2-Wert von 0,59 auf (vgl. Abbildung 39 und Tabelle 46). Mit Ausnahme der TIP-Dimension liefern alle Dimensionen einen schwachen, aber substanziellen Beitrag (vgl. f2 in Tabelle 46). Der Stone-Geiser-Test weist für alle endogenen latenten Variablen, d. h. HRP, TIP und LO, einen stark von null unterschiedlichen Wert. Die Prognoserelevanz wird damit bestätigt. Aufgrund der Tatsache, dass die Eliminierung formativer Dimensionen zur Veränderung des Konstruktwerts führt, und den nachgewiesenen signifikanten Pfaden zu den Normdimensionen EO und SV muss die TIP-Dimension in dem Messmodell verbleiben. Im Modellvergleich muss sich zeigen, ob dieses Vorgehen zu einem robusten Modell führt. Im vorletzten Schritt (D4) des Vorgehensmodells wird geprüft, ob das entwickelte Messmodell zugunsten anderer Modelle verworfen werden sollte. Aufgrund inhaltlicher Überlegungen ergeben sich die folgenden Modelle: Modell 1 geht davon aus, dass es nur direkte Effekte aller Dimensionen auf LO gibt. Modell 2 hat keine direkten Effekte zwischen Werten/Normen und LO. Modell 3 beinhaltet nur Wert-/Normdimensionen. Modell 4 geht von der Überlegung aus, dass alle Dimensionen, die Werte oder Normen reflektieren, zusammengefasst werden. Modell 5 fasst darüber hinaus auch alle Praktiken und Prozesse zusammen. Abschließend geht Modell 6 davon aus, dass alle LO-Indikatoren auf nur einen gemeinsamen Faktor laden.
4.2 Validierung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung
Grundmodell Modell 1 Modell 2 Modell 3 Modell 4 Modell 5 Modell 6
R2-Wert 0,591 0,594 0,458 0,558 0,591 0,580 0,579
2
df 304,80 293,95 339,87 135,97 586,63 775,22 891,94
156 155 159 48 165 167 169
2/df 1,95 1,90 2,14 2,83 3,56 4,64 5,28
247 GFI 0,88 0,89 0,87 0,91 0,78 0,70 0,69
AGFI 0,84 0,85 0,83 0,86 0,72 0,62 0,61
CFI 0,96 0,96 0,95 0,96 0,87 0,82 0,78
RMSEA 0,07 0,06 0,07 0,09 0,11 0,13 0,14
Tabelle 47 Modellvergleich für das LO-Messmodell
Tabelle 47 zeigt, dass die Modelle 4, 5 und 6 weit unterhalb der geforderten Gütekriterien liegen, obwohl ähnliche Bestimmtheitsmaße vorliegen. Modell 3 bildet im Wesentlichen das LO-Modell von BAKER/SINKULA (1999B) ab, das keine Praktiken und Prozesse umfasst. Während Modell 2 bessere Modellfit-Werte für GFI und AGFI aufweist, steht im direkten Vergleich das Grundmodell bei den Werten Bestimmtheitsmaß, 2/df und RMSEA besser da. Da keines der beiden Modelle eindeutig bessere Gütekriterien aufweist und die Ableitung praxeologischer Konsequenzen (Forschungsfrage II) besser durch das Grundmodell erreicht werden kann, wird kein Grund gesehen, das Grundmodell zugunsten von Modell 3 zu verwerfen. Modell 2 weist eine ähnlich gute Erfüllung der Gütekriterien auf wie das Grundmodell, erreicht jedoch ein weit niedrigeres Bestimmtheitsmaß. Dieses Ergebnis zeigt im Einklang mit der theoretischen Grundlage, dass der direkte Einfluss der Werte und Normen bedeutend für die Erklärung einer Lernorientierung ist. Modell 1 erreicht durchweg gleiche oder marginal bessere Gütekriterien im Vergleich zum Grundmodell, macht jedoch eine interne Struktur des LO-Konstrukts nicht analysierbar. Unter beiden Messmodellen ist kein eindeutig besseres Messmodell zu identifizieren (beide weisen leichte Schwellenwertunterschreitungen des GFI- und AGFI-Kriteriums auf). Der Modellvergleich (D4) liefert hier kein eindeutig besseres Modell, weshalb davon ausgegangen wird, dass es sich bei dem Grundmodell um ein robustes Modell handelt. Abschließend muss in der Stufe D5 geklärt werden, ob das Konstrukt externe bzw. nomologische Validität aufweist, wenn es in größere Theoriezusammenhänge eingebettet wird. Analog zum Vorgehen beim IO-Konstrukt, wurden drei zusätzliche Indikatoren zur Messung des Markterfolgs einer LO erhoben, die in den Theoriestrang ressourcenorientierter Ansätze einzubetten sind.1096 Wird dieses Konstrukt zusammen mit dem Messmodell in ein ZweiKonstrukt-Modell eingebettet, zeigt sich der erwartete stark positive Zusammenhang ( = 0,750 bei p < 0,001; R2(LO-Markterfolg) = 0,56). Auf Basis dieses starken Zusammenhangs ist auch beim Konstrukt Lernorientierung von einer nomologischen bzw. externen Validität auszugehen. Vor dem Hintergrund der durchlaufenen Untersuchungsstufen A bis D kann das Konstrukt Lernorientierung, zusammengesetzt aus Werten, Normen, Praktiken und Prozessen, als ein valides Messmodell in der weiteren Untersuchung verwendet werden.
1096
Die Gütekriterien aus Untersuchungsstufe B wurden für dieses Konstrukt erfüllt.
248
4.3
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Interaktions- und Lernorientierung – zwei Seiten der Kundeninteraktionskompetenz-Medaille?
Nach erfolgreicher Entwicklung der Messmodelle für Interaktions- und Lernorientierung stellt sich nun die Frage, inwieweit beide strategischen Orientierungen zwei Seiten einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz darstellen. Dieser Schritt kann zur Vermeidung redundanter Daten führen und muss deshalb zur Validierung der beiden Teilkonstrukte einer Kundeninteraktionskompetenz gezählt werden. Anhand der Metapher „zwei Seiten einer Medaille“ sollten zwei Fragen aufgeworfen werden: (1) Messen Interaktions- und Lernorientierung nicht ein und dieselbe Seite der Kundeninteraktionskompetenzmedaille? (2) Ist das, was in dieser Untersuchung mittels Interaktions- und Lernorientierung gemessen wird, überhaupt als organisationale Kundeninteraktionskompetenz zu verstehen oder, um erneut die Metapher zu gebrauchen, wird die richtige Münze betrachtet? Die erste Frage ist aufgrund der theoretischen Vorarbeiten, insbesondere dem systemtheoretischkonstruktivistischen Grundverständnis von Lernen (vgl. Kapitel 2.3.3), durchaus berechtigt. Um diese Frage auf Basis der Daten zu beantworten, kann man sich zunächst die Erkenntnisse der explorativen Faktorenanalyse der Untersuchungsstufe A in Kapitel 4.2 in Erinnerung rufen. Die dort identifizierten Interaktions- und Lernindikatoren, d. h. die Datengrundlage dieser Untersuchung, extrahierten keinen Faktor, der zeitgleich IO- und LO-Indikatoren zusammenfasste. Dies kann jedoch nur als ein Indiz gelten. Um diese Frage weitergehend zu beantworten, werden die Dimensionswerte manifestiert und einer explorativen Faktorenanalyse unterworfen (vgl. Tabelle 48).1097 Faktor1098
CPU – Customer Problem Understanding IRC – Interaction Response Capacity CE – Customer Empowerment CVM – Customer Value Management LC – Learning Commitment SV – Shared Vision EO – Experimentation and Openness TIP – Transfer and Integration HRP – HR Pracitses Durch die Faktoren erklärte Varianz
Faktorladungen (nach schiefwinkliger Rotation) Faktor 1 Faktor 2 -0,038 0,581 0,036 0,676 0,025 0,622 0,016 0,738 0,867 -0,117 0,758 0,094 0,671 0,088 0,503 0,367 0,757 -0,018 45,09 % 8,08 %
Tabelle 48 Exploratorische Faktorenanalyse der manifesten Werte aller neun Dimensionen
1097
Vgl. das Vorgehen bei Homburg (2000), S. 120. Als manifestierte Werte wurden die Latent Variable Scores des smartPLS-Outputs herangezogen.
1098
2-Wert ist hoch signifikant (2 = 890,16; df = 36; p < 0,001). Die Nullhypothese kann abgelehnt werden. Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium KMO = 0,88 (verdienstvoller Wert, vgl. Kapitel 4.1.3.2.1).
4.3 Interaktions- und Lernorientierung – zwei Seiten der Kundeninteraktionskompetenz-Medaille?
249
Die Ergebnisse in Tabelle 48 bestätigen, dass IO und LO unterschiedliche Gegebenheiten messen. Hervorzuheben sind die Faktorladungswerte der TIP-Dimension. Obwohl alle geforderten Kriterien erfüllt werden, ist die Ladung auf den LO-Faktor relativ gering im Vergleich zu den restlichen, zum LO-Konstrukt zugehörigen Faktoren, während die Ladung auf den IOFaktor relativ hoch ist. Diese Beobachtung ist wiederum ein Indiz dafür, dass die Transfer- und Integrationsprozesse eines Unternehmens sowohl zur Unterstützung von Lern- als auch Interaktionsprozessen dienen können.1099 Die zweite Frage bleibt jedoch noch offen: Wird die organisationale Kundeninteraktionskompetenz mit den strategischen Orientierungen IO und LO überhaupt gemessen? Die Frage der Inhaltsvalidität wurde bisher auf Basis direkt gemessener Indikatoren und mithilfe von MIMIC-Modellen beantwortet. In diesem Fall kann analog zu dem Vorgehen bei GAWANTKA (2006) argumentiert werden, wonach das Konstrukt „organisationale Kundeninteraktionskompetenz“ derart neu und vielschichtig ist, dass jeder Versuch der direkten Messung keine stabilen Ergebnisse liefern kann. Demzufolge kann ein derartiges Vorgehen nicht als Gradmesser externer Validität dienen.1100 Es bleiben also zwei mögliche Wege, diese Frage zu beantworten: einerseits eine rein inhaltlich fundierte Argumentation und anderseits die Interpretation aufgrund der Einbettung in ein nomologisches Netz. Hier sollen beide Wege beschritten werden: Die obigen Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse haben gezeigt, dass eine Zusammenfassung der Indikatoren unzulässig wäre. Zugleich erscheint es inhaltlich nicht richtig, beide Konstrukte als Reflektionen einer höheren Ebene zu betrachten. Dies würde letztlich bedeuten, dass beide strategischen Orientierungen austauschbar wären. Im Widerspruch hierzu stehen die Erkenntnisse aus Kapitel 2.2.1.3.3, in dem dargestellt wurde, dass unterschiedliche Gestaltungshebel und Ziele hinter den beiden strategischen Orientierungen stecken. Aufgrund dieser Beobachtungen ist davon auszugehen, dass IO und LO als additive Teile eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz formen, also einer formativen Messphilosophie unterliegen müssen. Da die entwickelten Messmodelle Werte, Normen, Praktiken und Prozesse im Rahmen der Interaktion mit dem Kunden bzw. Lernvorgänge eines Anbieterunternehmens messen, wären logische inhaltliche Deutungen entweder, dass es um Lernkompetenz in Kundeninteraktionen geht oder um eine Kundeninteraktionskompetenz, die Lernen umfasst. Aufgrund der Vermutung über die Beziehung zwischen IO und LO (vgl. Abbildung 22 auf Seite 105) wird von letztgenannter Interpretation ausgegangen.
1099
Dem entspricht auch die Tatsache, dass das MARKOR-Konstrukt in verschiedenen Arbeiten einerseits als Lernorientierung gedeutet wird (vgl. z. B. Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), Perez Lopez/Montes Peon/Vazquez Ordas (2005) und Jiménez-Jiménez/Cegarra-Navarro (2007)) und andererseits als Marktorientierung (vgl. z. B. Baker/Sinkula (1999b)), was der hier gemessenen Interaktionsorientierung relativ nahekommt (vgl. z. B. Kapitel 2.2.2.2.2).
1100
Vgl. Gawantka (2006), S. 171.
250
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Der theoretische Bezugsrahmen umfasst ressourcenbasiertes Denken (vgl. Kapitel 2.3). Demnach schaffen Kompetenzen als Ausdruck von Ressourcen eines Unternehmens Wettbewerbsvorteile, die wiederum in Erfolgsunterschieden Ausdruck finden. Im Umkehrschluss bedeutet dies Dreierlei: Erstens kann man davon ausgehen, dass wenn die Ausprägung einer strategischen Orientierung signifikant messbar zu Unternehmenserfolg führt, diese strategische Orientierung dann eine bedeutende Kompetenz eines Unternehmens darstellt. Zweitens wäre mit der Feststellung eines signifikanten positiven Erfolgszusammenhangs für IO und LO auch ein Indiz gegeben, dass die Interpretation des Zusammenspiels der beiden strategischen Orientierungen als organisationale Kundeninteraktionskompetenz gedeutet werden kann. Drittens, kann die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen IO und LO einen Hinweis darüber geben, ob eine Zusammenschau dieser beiden strategischen Orientierungen IO und LO die vermuteten synergetischen Effekte aufzeigt.
IO 0,80*** 0,56***
KIK
Wirtschaftlicher Gesamterfolg
0,30*
LO
R2: 0,31
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001
Abbildung 40 Erfolgswirkung einer Kundeninteraktionskompetenz
Abbildung 40 stellt das Zusammenwirken von IO und LO zu einer Kundeninteraktionskompetenz dar.1101 Als Erfolgskonstrukt wurde der wirtschaftliche Gesamterfolg gewählt.1102 Abbildung 40 liefert einen Beitrag zu den drei vorher genannten Aspekten: Erstens ist ein positiver signifikanter Zusammenhang zwischen (einer formativ aus IO und LO gebildeten) Kundeninteraktionskompetenz und dem wirtschaftlichen Gesamterfolg belegbar. Zweitens spielen beide strategischen Orientierungen als formative Indikatoren zusammen. Drittens zeigt das Ladungsgewicht des LO-Indikators eine geringe Ladung. Vor dem Hintergrund der breiten Literatur zur Erfolgswirkung von LO und organisationalem Lernen ist zu vermuten, dass LO weitere Wirkungen auf IO besitzt, und dass andererseits das hier genutzte Erfolgskonstrukt so generell ist, dass unterschiedliche Erfolgswirkungen von LO nicht erfasst werden. Insbesondere
1101
Abbildung 40 enthält die manifestierten Latent Variable Scores für IO und LO.
1102
Vgl. Kapitel 5.1 zur Konzeptualisierung und Operationalisierung des Konstrukts „wirtschaftlicher Gesamterfolg“ (OPERF).
4.4 Standpunkt IV: Messinstrumente für Interaktions- und Lernorientierung – Forschungsfrage Ic
251
der letzte Aspekt ist Inhalt der beiden folgenden Kapitel. Im Vorgriff auf Kapitel 5 kann jedoch bereits hier festgestellt werden, dass die Inhaltsvalidität einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz für gegeben gehalten wird. Zudem stellt das in Abbildung 40 dargestellte Modell die Prüfung der ersten Kernhypothese (H0) dar:1103 Hypothese H0
KIK – OPERF
+/-
Pfadgewicht
t-Wert1104
+
0 = 0,559
11,566
Kommentar
9
p < 0,001
Weitere Gütekriterien: Q2(OPERF) = 0,190.
Tabelle 49 Hypothesentest Kundeninteraktionskompetenz
Aufgrund der problematischen statistischen Beweisbarkeit der Güte eines KIK-Konstrukts und dem höheren Aussagegehalt der Verwendung der einzelnen strategischen Orientierungskonstrukte werden in der weiteren Untersuchung die einzelnen Konstrukte (IO und LO) Anwendung finden. Das Zusammenspiel und das Management beider strategischer Orientierungen begründet die Kundeninteraktionskompetenz eines Unternehmens.
4.4
Standpunkt IV: Messinstrumente für Interaktions- und Lernorientierung – Forschungsfrage Ic
Kapitel 4 diente der empirischen Validierung der Konzeptualisierungen (vgl. Kapitel 3.4) für Interaktions- und Lernorientierung als Stellgrößen einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz. Die Validierung der Messmodelle erfolgte anhand einer Befragung von 229 Unternehmen aus drei Industriegüterbranchen. Anhand verschiedener Analysen (vgl. Abbildung 35 auf Seite 222) wurden Reliabilität und Validität der Messmodelle „Interaktionsorientierung“ (vgl. Kapitel 4.4.1) und „Lernorientierung“ (vgl. Kapitel 4.4.2) geprüft und festgestellt. Beide Messmodelle sind Konstrukte zweiter Ordnung, wobei die erste Ebene reflektiv spezifiziert wurde und die resultierenden Dimensionen wiederum formative Indikatoren der Konstrukte der zweiten Ebene darstellen. In diesem letzten Teilabschnitt sollen die Erkenntnisse nun zusammengefasst und die dritte Teilforschungsfrage beantwortet werden.
1103
1104
Im Folgenden wird das Konstrukt „Unternehmenserfolg“ weiter detailliert (vgl. Kapitel 5.1). Wird KIK in ein Modell mit detaillierter Erfolgsgrößenbetrachtung eingezogen ergeben sich die folgenden Werte. KIK – RELPERF: 0a = 0,642, t-Wert 16,602 (p < 0,001); KIK – NPS: 0b = 0,204, t-Wert 3,020 (p < 0,01); KIK – OPERF: 0c = 0,588, t-Wert: 11,242 (p < 0,001); R2(RELPERF) = 0,41; R2(NPS) = 0,04; R2(OPERF) = 0,311. Das Bootstrapping-Verfahren wurde mit 500 und 1.000 Wiederholungen durchgeführt. Die tabellierten Ergebnisse entsprechen 500 Wiederholungen. Die Verwendung von 1.000 Wiederholungen zeigt das gleiche Bild.
252
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
4.4.1
Messmodell Interaktionsorientierung
Die Konzeptualisierung der Interaktionsorientierung beruht in weiten Teilen auf dem Konzept von RAMANI/KUMAR (2008) und wurde aufgrund der theoretischen Fundierung und der Erkenntnisse der Experteninterviews angepasst. Die vorgestellte Konzeptualisierung unterscheidet sich von der von RAMANI/KUMAR (2008) hauptsächlich durch die Annahme eines formativen Zusammenhangs auf der zweiten Ebene, der Aufnahme bzw. dem Ausschluss einer Dimension, der Annahme einer Struktur innerhalb des Messmodells sowie die Beschränkung auf Märkte komplexer Industriegüter. Die ursprüngliche IO-Konzeptualisierung aus Kapitel 3 bildet IO durch vier Dimensionen mit insgesamt 18 Indikatoren ab. Entsprechend der Annahme des formativen Zusammenhangs auf zweiter Ebene bleiben nach der empirischen Validierung vier Dimensionen im Messmodell, jedoch bei einer reduzierten Anzahl von nur 13 Indikatoren. Bereits im ersten Validierungsschritt wurden die einzelnen Indikatoren eines IO-Konstrukts eindeutig den vermuteten relevanten Dimensionen zugeordnet. Die neu konzeptualisierte CPUSkala wurde in der empirischen Validierung generell bestätigt und weist im Rahmen der Prüfung der internen Struktur des Messmodells die vermuteten Eigenschaften einer Werte- bzw. Normdimension auf. Die IRC-Dimension zeigt im Vergleich zu den Ergebnissen von RAMANI/KUMAR (2008) eine unterschiedliche Bedeutung. Die Dimension hat nur einen geringen (nicht signifikanten) direkten Beitrag zum IO-Konstrukt. Damit wird der Existenz von Reaktionsprozessen und -systemen eine geringere Bedeutung zugemessen als bei RAMANI/KUMAR (2008). Auffällig ist jedoch, dass das „Verständnis für Kundenprobleme (CPU)“ als grundlegende Norm bzw. grundlegender Wert einer Interaktionsorientierung einen starken Zusammenhang mit der Dimension IRC aufweist (13 = 0,4371105). Diese Beobachtung kann in zwei Schritten interpretiert werden. Erstens tragen Systeme und Tools in geringem Maße zur Interaktionsorientierung bei. Dass dieser Effekt bei RAMANI/KUMAR (2008) nicht auftritt, kann an der Unterschiedlichkeit der Untersuchungsobjekte liegen. Bei komplexen, multipersonalen und multiorganisationalen Interaktionen1106 scheint der technischen Unterstützung (Systeme, Tools etc.) eine geringere Bedeutung zuzukommen. Zweitens kann der Grad der Existenz derartiger Praktiken, Prozesse, Systeme und Tools darauf hindeuten, dass das Verständnis eines Unternehmens für die Anliegen und Probleme seiner Kunden mehr oder weniger ausgeprägt ist.1107 Die Ausprägung der IRCDimension würde damit der Charakter der hinreichenden Bedingung für eine IO abgesprochen werden. Die festgestellte interne Struktur und die Maßgaben der Entwicklung formativer Messmodelle führen dazu, dass die IRC-Dimension im finalen Messmodell verbleibt.
1105
Vgl. Abbildung 39.
1106
Vgl. Charakteristika von Industriegütermärkten (Tabelle 1 auf Seite 21).
1107
Vgl. z. B. den Zusammenhang zwischen Normen, Artefakten und Verhalten bei Homburg/Pflesser (2000), S. 456.
4.4 Standpunkt IV: Messinstrumente für Interaktions- und Lernorientierung – Forschungsfrage Ic
253
Das finale Messmodell (vgl. Abbildung 41) für Interaktionsorientierung stellt die Zusammenfassung der Ergebnisse der Konzeptualisierung und Validierung dar. Demnach umfasst Interaktionsorientierung die folgenden vier Konstrukte: (1) „Customer Problem Understanding/Verständnis für Kundenprobleme“ ist ein Indikator dafür, wie stark der Wert bzw. die Norm in einer Organisation verankert ist, den Kunden (z. B. Geschäftsprozesse) und seine Probleme (z. B. konkrete Anfragen) verstehen zu wollen. Aufgrund des Charakteristikums der abgeleiteten Nachfrage in Industriegütermärkten geht es sogar darum zu verstehen, was die Problemstellung des Kunden des eigenen Kunden ist. Im Unterschied zu der verworfenen Dimension „Customer Concept/Kundenbild (CC)“ und zu RAMANI/KUMAR (2008) steht die Bedeutung des individuellen Kunden weniger im Fokus, da die Betrachtung von Problemklassen durchaus sinnvoll erscheint. Als Wert bzw. Norm der Kundeninteraktion bestätigt die Struktur des Messmodells sowohl die direkten Zusammenhänge des Konstrukts „Interaktionsorientierung“ als auch die indirekte Bedeutung durch die Wirkung auf die Dimensionen IRC, CE und CVM. (2) Die Praktiken und Prozesse des „Customer Empowerment“ bzw. der „Kundenmotivation“ messen, inwieweit eine Organisation ihre Kunden zur Interaktion mit dem und über das Unternehmen motiviert. Der Grad der Ausprägung der Kundenmotivation in einem Unternehmen kann als Indikator für Interaktionshäufigkeit bzw. -intensität gedeutet werden.1108 (3) Die Praktiken und Prozesse der „Interaction Response Capacity“ bzw. der „Interaktionsfähigkeit“ bilden ab, inwieweit ein Unternehmen Prozesse und Systeme ausbildet, mithilfe derer individuelles Kundeninteraktionsverhalten gespeichert wird und dynamische Reaktionen des Unternehmens ermöglicht werden. (4) Die Praktiken und Prozesse des „Customer Value Managements/Kundenwertmanagements“ spiegeln die Fähigkeit eines Unternehmens wider, den ökonomischen Wert einzelner Kunden bzw. einzelner Kundeninteraktionen einschätzen zu können. Als Zielvorstellung geben RAMANI/KUMAR (2008) an: „[…] firms need to develop the practice of aligning resources spent on customers in proportion to the revenues or profits derived from them.“1109 Im Sinne der äußeren Kausalkette in Kapitel 2.2.2.3 (vgl. Abbildung 18) eignet sich die Untersuchung des Kundenwerts als Unterscheidungskriterium für das Potenzial einzelner Kunden bzw. einzelner Kundeninteraktionen.
1108
Der Zusammenhang zwischen CE und Interaktionsfrequenz (zusätzlich erhobenes Item) wird mit = 0,218 bei p < 0,01 festgestellt.
1109
Ramani/Kumar (2008), S. 29.
254
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Abbildung 41 Finales Messmodell „Interaktionsorientierung“
Auf Basis dieser Erkenntnisse kann nun die dritte Teilfrage für das Konstrukt Interaktionsorientierung beantwortet werden: Forschungsfrage Ic:
(1) Wie sieht ein Messinstrument aus, das die Interaktionsorientierung einer Unternehmung valide und branchenübergreifend messbar macht?
Antwort:
Eine strategische Interaktionsorientierung zeichnet sich aus durch das Verständnis für Kundenprobleme (CPU), durch Praktiken und Prozesse, die geeignet sind, Kunden zur Interaktion mit dem Unternehmen zu motivieren (CE), die die Interaktionsfähigkeit erhöhen (IRC) und durch Prozesse und Praktiken im Bereich Kundenwertmanagement (CVM). Die Interaktionsorientierung eines Unternehmens ist dann als hoch einzustufen, soweit der Wert bzw. die Norm, sich am Kundenproblem zu orientieren, verinnerlicht wurde sowie Prozesse und Praktiken der Kundenmotivation, der Generierung von Interaktionsfähigkeit und des Kundenwertmanagements etabliert sind.
Aufgrund der Tatsache, dass die Konzeptualisierung in Kapitel 3.4 eine interne Struktur auf Dimensionsebene vermutet, werden abschließend die Hypothesen über die interne Struktur des Messmodells für IO überprüft und in Tabelle 50 dargestellt.1110
1110
Vgl. auch Abbildung 37.
4.4 Standpunkt IV: Messinstrumente für Interaktions- und Lernorientierung – Forschungsfrage Ic
255
Die Ergebnisse in Tabelle 50 zeigen, dass sich die Wertdimension CPU in den relevanten Praktiken und Prozessen niederschlägt. Auf Basis dieser Erkenntnisse wäre es insbesondere für die praktischen Implikationen problematisch, diese Zusammenhänge zu missachten und die einzelnen Dimensionen als unverbunden zu betrachten. Hypothese H11 H12 H13 H14 H2 H3 H4
+/-
CPU – IO CPU – CE CPU – IRC CPU – CVM CE – IO IRC – IO CVM – IO
+ + + + + + +
Pfadgewicht
t-Wert1111
11 = 0,216 12 = 0,413 13 = 0,437 14 = 0,406 2 = 0,230 3 = (0,082) 4 = 0,245
3,204 6,910 7,538 7,455 2,661 (0,956) 3,256
Kommentar1112
9 9 9 9 9 8 9
p < 0,01 p < 0,001 p < 0,001 p < 0,001 p < 0,01 nicht signifikant p < 0,01
Tabelle 50 Hypothesentest der internen Struktur des IO-Konstrukts
4.4.2
Messmodell Lernorientierung
Die Konzeptualisierung des Konstrukts LO war angeregt durch eine wesentliche Beobachtung: Organisationales Lernen bzw. Lernorientierung wird in empirischen Arbeiten einerseits häufig durch Werte und Normen und andererseits durch den Nachweis der Existenz bestimmter (Informations-)Prozesse und Praktiken operationalisiert.1113 In den Experteninterviews traten gleichzeitig Werte bzw. Normen und Praktiken bzw. Prozesse hervor. Entsprechend dem IOKonstrukt wurde auch Lernorientierung als ein zweidimensionales Konstrukt modelliert, wobei Beziehungen zwischen den Werten/Normen und Praktiken/Prozessen angenommen werden (vgl. Abbildung 33). Zunächst wurde davon ausgegangen, dass Lernorientierung durch fünf Dimensionen mit insgesamt 22 Indikatoren darzustellen sei. Nach der empirischen Validierung verbleiben nur noch 17 reflektive Indikatoren im Messmodell, die die fünf Dimensionen beschreiben. Die vermutete interne Struktur des LO-Messmodells wurde ebenfalls bestätigt. Ähnlich der IRC-Dimension muss auch für die TIP-Dimension auf einige besondere Befunde hingewiesen werden. Entgegen der Hypothese ist der direkte Pfad zwischen TIP und LO weder stark positiv noch signifikant. Wie bereits diskutiert (vgl. Kapitel 4.2.2.3) ist dieser Befund verwunderlich, könnte aber, analog dem Vorgehen bei dem IO-Konstrukt IRC, mit dem reinen
1111
Das Bootstrapping-Verfahren wurde mit 500 und 1.000 Wiederholungen durchgeführt. Die tabellierten Ergebnisse entsprechen 500 Wiederholungen. Die Verwendung von 1.000 Wiederholungen zeigt das gleiche Bild.
1112
Der p-Wert errechnet sich aus einem zweiseitigen Signifikanztest und folgt damit den Empfehlungen des SmartPLS-Anwenderforums. In anderen Arbeiten (z. B. Dees (2005), S. 216) wird der weniger strenge einseitige Signifikanztest auf Basis der t-Statistik gewählt. Der p-Wert der IRC-Dimension bleibt jedoch auch bei Wahl des einseitigen Signifikanztests nicht signifikant.
1113
Vgl. z. B. Perez Lopez/Montes Peon/Vazquez Ordas (2005), Jiménez-Jiménez/Cegarra-Navarro (2007) und Baker/Sinkula (1999b).
256
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Unterstützungscharakter von Prozessen und Tools in Industriegütermärkten gedeutet werden. Wiederum analog zu den Beobachtungen bei der IRC-Dimension werden auch bei der TIPDimension signifikante Pfade zu den Dimensionen EO und SV gemessen. Da zwei Wert/Normdimensionen (EO und SV) direkte signifikante Beziehungen zur TIP-Dimension aufweisen, kann man auch hier davon ausgehen, dass eine starke Ausprägung von Transfer- und Integrationsprozessen eines Unternehmens zumindest ein Indikator für Werte/Normen ist, die einer Lernorientierung zuträglich sind. Entsprechend dem Vorgehensmodell für die Entwicklung formativer Indikatoren verbleibt die IRC-Dimension trotz des nicht signifikanten Pfads im validierten Messmodell. Auf Basis der Überlegungen in der Konzeptualisierungsphase und den Erkenntnissen der einzelnen Analyseschritte stellt Abbildung 42 das finale Messmodell vor. Es beinhaltet die folgenden Dimensionen: (1) „Learning Commitment/Lernausrichtung (LC)“ beschreibt die Verankerung des Lerngedankens in den grundlegenden Werten bzw. Normen eines Unternehmens. Ist Lernen ein zentraler Bestandteil der Werte eines Unternehmens, ist es dem Unternehmen möglich, sich mit bzw. anhand seiner Umwelt zu entwickeln. LC wird häufig mit Einschleifen-Lernen in Verbindung gebracht. (2) „Experimentation and Openness/Experimentierfreude und Offenheit (EO)“ beschreibt ebenfalls eine Wert-/Normdimension. Während LC vorwiegend die Verankerung von Werten misst, die tendenziell inkrementeller Lernnatur sind, stellt EO einen Gegenpol dar. EO fokussiert auf Werte, die „Verlernen“, d. h. die Annahme gänzlich neuer Glaubenssätze, Prozesse und Praktiken fördern bzw. ein Verlernen von Existentem fördern (Zweischleifen-Lernen). (3) „Shared Vision/Gemeinsame Vision (SV)“ bezeichnet nicht direkt eine Wertekategorie, die im direkten Zusammenhang mit Lernen steht. SV umfasst die Ausprägung einer dominanten Logik oder Vision, die ein gemeinsamer Maßstab für LC und EO ist,1114 sodass Lernen und Verlernen entsprechend des Geschäftszwecks aufeinander abgestimmt werden können. (4) „HR-Praktiken (HRP)“ im Bereich Weiterbildung wurden in den explorativen Experteninterviews dieser Untersuchung von allen Befragten als Merkmal lernender Organisationen bezeichnet. HRP umfasst Praktiken im betrieblichen Ablauf, die dazu geeignet sind, die Qualifikation einzelner Organisationsmitglieder den nötigen bzw. sich verändernden Arbeitsanforderungen anzupassen.1115
1114
Dieser Zusammenhang steht nicht im Kern des Forschungsinteresses dieser Studie. Die beschriebenen Zusammenhänge können nachgewiesen werden, indem in Modell 3 aus Schritt 4 in Kapitel 4.2.2.3 die Beziehungen SV – LC und SV – EO zusätzlich modelliert werden. Im PLS-Pfadmodell weisen beide Pfade die erwarteten signifikanten positiven Zusammenhänge auf: (SV – LC) = 0,63 bei p < 0,001 und R2(LC) = 0,40 sowie (SV-EO) = 0,63 bei p < 0,001 und R2(EO) = 0,40. Eine kovarianzbasierte Untersuchung ergibt die gleichen Befunde und zeigt akzeptable Modellfit-Werte.
1115
Vgl. Beschreibung des Kompetenzaufbaus durch Sozialisationsprozesse in Kapitel 2.2.1.2.
4.4 Standpunkt IV: Messinstrumente für Interaktions- und Lernorientierung – Forschungsfrage Ic
257
(5) „Transfer and Integration Processes/Transfer- und Integrationsprozesse (IRC)“ stellen Praktiken und Prozesse eines Anbieterunternehmens dar, die Lösungsmöglichkeiten des Kollektivierungs- und Informationsproblems bieten. Ziel sind die Exaktheit und Verfügbarkeit entsprechender Information sowie relevanten Wissens.1116
Abbildung 42 Finales Messmodell „Lernorientierung“
Analog zum Vorgehen in Kapitel 4.4.1 kann nun zusammenfassend die dritte Teilfrage für das Konstrukt Lernorientierung beantwortet werden: Forschungsfrage Ic):
(2) Wie sieht ein Messinstrument aus, das die Lernorientierung einer Unternehmung valide und branchenübergreifend messbar macht?
Antwort:
Eine strategische Lernorientierung zeichnet sich durch die Verankerung des Entwicklungs-/Lerngedankens (LC) bei gleichzeitiger Offenheit für Neues/Verlernen (EO) aus. Mit dem Ziel der Vermittlung der beiden Wert-/Normkategorien ist eine starke gemeinsame Logik bzw. Vision Teil einer Lernorientierung (SV). Zugleich begünstigen Prozesse, die Transfer und Integration von Informationen und Wissen (TIP) unterstützen, die Kollektivierung von Informationen und Wissen. Die Ausprägung der HR-Praktiken (HRP) im Bereich Weiterbildung sind einerseits Ausdruck der Werte bzw. Normen und andererseits auch ein direkter Einflussfaktor einer Lernorientierung.
1116
Vgl. Jerez-Gómez/Céspedes-Lorente/Valle-Cabrera (2005), S. 718.
258
4 Empirische Validierung einer Interaktions- und Lernorientierung
Die Lernorientierung eines Unternehmens ist dann als hoch einzustufen, wenn Lern- und Verlernenswerte entsprechend des allgemein geteilten Geschäftssinns verankert sind. Zudem sollte den Mitarbeitern des Unternehmens ausreichend Zugang zu Weiterbildungsmöglichkeiten gewährt werden und es sollten entsprechende Praktiken, Prozesse und Systeme vorhanden sein, die die Kollektivierung von Informationen und Wissen unterstützen. Abschließend fasst Tabelle 51 das Ergebnis der Überprüfung der Hypothesen der internen Struktur einer LO zusammen.1117 Auch hier zeigt sich die vermutete Unterscheidung in Werte/Normen und Praktiken/Prozesse. Zudem zeigt der positive, stark signifikante Pfad zwischen HRP und LO, dass die Erweiterung des Modells um die HRP-Dimension im Erkenntnisinteresse liegt. Die entwickelten Messmodelle für IO und LO werden im Folgenden in das Strukturmodell (vgl. Abbildung 22) eingebunden und die Erfolgswirksamkeit beider strategischen Orientierungen als Ausprägung einer Interaktionsorientierung überprüft. Hypothese H51 H52 H53 H61 H62 H63 H71 H72 H73 H8 H9
LC – LO LC – HRP LC - TIP SV – LO SV – HRP SV - TIP EO – LO EO – HRP EO - TIP HRP – LO TIP - LO
+/+ + + + + + + + + + +
Pfadgewicht
t-Wert1118
51 = 0,225 52 = 0,426 53 = (0,088) 61 = 0,256 62 = 0,240 63 = 0,438 71 = 0,167 72 = (0,112) 73 = 0,245 8 = 0,256 9 = (0,016)
3,487 5,645 (0,996) 3,085 3,000 5,256 2,062 (1,580) 2,836 4,572 (0,222)
Kommentar1119
9 9 8 9 9 9 9 8 9 9 8
p < 0,001 p < 0,001 nicht signifikant p < 0,01 p < 0,01 p < 0,001 p < 0,05 nicht signifikant p < 0,01 p < 0,001 nicht signifikant
Tabelle 51 Hypothesentest der internen Struktur des LO-Konstrukts
1117
Vgl. auch Abbildung 39.
1118
Das Bootstrapping-Verfahren wurde mit 500 und 1.000 Wiederholungen durchgeführt. Die tabellierten Ergebnisse entsprechen 500 Wiederholungen. Die Verwendung von 1.000 Wiederholungen zeigt das gleiche Bild.
1119
Der p-Wert errechnet sich aus einem zweiseitigen Signifikanztest und folgt damit den Empfehlungen des SmartPLS-Anwenderforums. In anderen Arbeiten (z. B. Dees (2005), S. 216) wird der weniger strenge einseitige Signifikanztest auf Basis der t-Statistik gewählt. Der p-Wert der Dimension TIP bleibt jedoch auch bei Wahl des einseitigen Signifikanztests nicht signifikant.
5
Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Im vorangegangenen Kapitel wurden zwei reliable und valide Messinstrumente für die strategischen Orientierungen IO und LO entwickelt, die die Bestandteile einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz darstellen. In diesem Kapitel werden die Erfolgswirkungen der beiden strategischen Orientierungen überprüft und weitere Ergebnisse aus den gewonnenen Daten abgeleitet. Die Methodik und die Gütekriterien des vorangegangenen Kapitels sowie der Einsatz weiterer gängiger statistischer Verfahren dienen im Folgenden als Grundlage. Im Einzelnen gliedert sich das Kapitel in fünf Einzelschritte. Im ersten Schritt werden die Dimensionen unternehmerischen Erfolgs als drei endogene Variablen konzeptualisiert und operationalisiert (vgl. Kapitel 5.1). Im zweiten Schritt wird zunächst das finale, detaillierte Strukturmodell dieser Untersuchung vorgelegt und auf seine Güte hin überprüft. Darauf aufbauend erfolgt die Überprüfung der Kernhypothesen (vgl. Kapitel 5.2). Der dritte Schritt sieht die Überprüfung der Effekte von Moderatoren (indirekte Effekte) vor (vgl. Kapitel 5.3). Insbesondere werden die moderierenden Wirkungen des Grades der Lösungsorientierung, der Wettbewerbsintensität und der Unternehmensgröße betrachtet. Im vierten Schritt werden ausgewählte deskriptive Ergebnisse und Partialanalysen präsentiert, um den Untersuchungsgegenstand genauer auszuleuchten (vgl. Kapitel 5.4). Der fünfte Schritt wendet sich nach der eingehenden empirischen Überprüfung des detaillierten Strukturmodells und seiner Elemente (Schritte eins bis vier) der Fragestellung zu, ob das zugrunde liegende Strukturmodell dem synergetischen Wechselspiel zwischen Interaktions- und Lernorientierung gerecht wird (vgl. Kapitel 5.5). Abschließend werden die Erkenntnisse im fünften Standpunkt zusammengefasst. Als Antwort auf die Teilforschungsfrage Id werden die unterschiedlichen Erfolgswirkungen beider strategischer Orientierungen dargestellt und ein Hauptwirkungspfad abgeleitet (vgl. Kapitel 5.6).
5.1
Konzeptualisierung, Operationalisierung und Validierung der Erfolgsgrößen
Die Kernhypothesen aus Kapitel 2.4 sehen vor, die beiden strategischen Orientierungen auf ihre Erfolgswirksamkeit hin zu testen. Mit der gleichen Begründung, mit der entschieden wurde, dass IO und LO nicht aggregiert betrachtet werden (vgl. Kapitel 4.3), wird auch Unternehmenserfolg als differenziertere Größe gesehen bzw. aufgespaltet. Die zu untersuchende Frage der Erfolgsgröße(n) ist ebenso bedeutend wie die Reliabilität und Validität der exogenen Messmodelle. Besonders hervorzuheben ist hier die Frage der Inhaltsvalidität: Einerseits muss die bekannte
F. Danzinger, Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten doi: 10.1007/978-3-8349-8482-1_5, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
260
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Frage gestellt werden, ob die gemessenen Konstrukte das messen, was sie messen sollen. Anderseits muss zudem beachtet werden, dass die Erfolgskonstrukte auch geeignet sind, die vermuteten Effekte exogener Variablen zu erfassen. In der Literatur finden sich verschiedene organisationale Erfolgsfaktoren. BAKER/SINKULA (2005) konstatieren für das inhaltlich nahe Marktorientierungs-Konstrukt (im Folgenden auch MO genannt) fünf typische Arten von Erfolgsmessinstrumenten: Erfolg von Neuprodukten, Profitabilität, Marktanteile, aggregierte Erfolgsinstrumente und aggregierte Vor- bzw. Zwischenerfolgsgrößen (z. B. Kundenzufriedenheit).1120 BAKER/SINKULA (2005) stellen weiter fest, dass mit wenigen Ausnahmen einzelne, aggregierte Erfolgsmaße Anwendung finden und die Untersuchung der Wirkzusammenhänge einzelner Erfolgsbestandteile zu kurz kommt.1121 Basierend auf dieser Überlegung untersuchen BAKER/SINKULA (2005) den Zusammenhang zwischen Marktorientierung und verschiedenen Erfolgsmaßen. Das Ergebnis ihrer Untersuchung zeigt, dass neben einem direkten Effekt von MO auf Profitabilität auch der indirekte Pfad von Neuprodukterfolg auf Steigerung des Marktanteils auf Profitabilität belegt werden kann.1122 RAMANI/ KUMAR (2008) verwenden für ihr Modell der Interaktionsorientierung ebenfalls mehrere Erfolgsgrößen: die aggregierte Vorerfolgsgröße „customer-based relational performance“ und das aggregierte Gesamtkonstrukt „customer-based profit performance“.1123 Im Einklang mit den Forderungen nach einem differenzierten Erfolgskonstrukt1124 steht die Frage, welche Erfolgsdimensionen in der Lage sind, die Effekte einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz in Form der strategischen Orientierungen IO und LO zu erfassen. Eine Hilfestellung bietet die äußere Kausalkette in Abbildung 43, die bereits in Kapitel 2.2.2.3 zur Erklärung der Wirkungen strategischer Orientierung entwickelt wurde. Während sich der bisherige Verlauf dieser Untersuchung hauptsächlich der strategischen Kundeninteraktionskompetenz und ihren Bestandteilen IO und LO gewidmet hat, gilt es nun, Konzeptualisierungen für die grau hinterlegten Stationen der äußeren Kausalkette zu entwickeln (vgl. Abbildung 43). Abbildung 43 zeigt, dass die theoretische Betrachtung erwarten lässt, dass IO und LO den Kundenwert durch die Generierung von Anwendungswissen steigern. Als vorökonomischen Erfolgsmesser schlägt das Modell die Messung der Kundenbindung, Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität vor. Basierend auf der Beobachtung, dass Anwendungswissen der Interaktion zwischen Anbietern und Kunden bedarf, macht es Sinn, als vorökonomische Erfolgsgröße die Beschreibung der Kundenbeziehung zu untersuchen. Dass Interaktionen Beziehungen prägen, erscheint unstrittig. Es entsteht aber erst damit eine einzigartige Beziehung, wenn diese Interaktionen vom Kunden 1120
Vgl. Baker/Sinkula (2005), S. 484. Vgl. auch Kirca/Jayachandran/Bearden (2005).
1121
Vgl. Baker/Sinkula (2005), S. 484.
1122
Vgl. Baker/Sinkula (2005), S. 493.
1123
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 29 ff.
1124
Vgl. auch Kapitel 3.2.2.2.
5.1 Konzeptualisierung, Operationalisierung und Validierung der Erfolgsgrößen
261
auch wertgeschätzt werden.1125 Der Erfolg der Interaktion oder Beziehung ist folglich die kritische Größe.
äußert sich durch
Indikatoren für Kundenwert (1) Kundenbindung (2) Kundenzufriedenheit/-loyalität
führen zu
messen Kundenwert durch Generierung von Anwendungswissen
Nachhaltige Wettbewerbsvorteile
Unternehmenserfolg
hat zum Ziel
schafft die Grundlage zur Generierung von
Kundeninteraktionskompetenz von Anbieterunternehmen in Industriegütermärkten
validiert/ liefert Ressourcen für
Strategische Orientierungen Interaktionsorientierung Lernorientierung Werte/ Normen
Prozesse
innere Kausalkette Praktiken
äußere Kausalkette Ziel-/Messgrößen
Abbildung 43 Erfolgsdimensionen in der Kausalkette „Strategische Orientierungen“ PANAYIDES (2007) untersucht die Beziehungsorientierung durch die Kategorien „Trust“,
„Bonding“, „Communication“, „Shared Value“ und „Empathy“.1126 RAMANI/KUMAR (2008) messen mit „customer-based relational performance“ einen ähnlichen Sachverhalt.1127 HOMBURG/ FAßNACHT/GÜNTHER (2002) nennen ihr vorökonomisches Erfolgskonstrukt „Qualität der Kundenbeziehung“ und nutzen für die Messung insgesamt neun Indikatoren.1128 Im Rahmen dieser Untersuchung gilt es, die Generierung von Kundenwert auf Basis von Anwendungswissen zu messen. Das relevante Erfolgskonstrukt wird daher „Beziehungserfolg (RELPERF)“ genannt. In das Konstrukt werden vier formative Indikatoren einbezogen: (1) das Verständnis des Geschäfts des Kunden als vermeintliches Ergebnis geglückter Interaktion, (2) die Kundenzufriedenheit als wahrgenommene Kundenreaktion, (3) die Schaffung von Kundennutzen als subjektiver Gradmesser der Nützlichkeit der Interaktion und (4) die Kundenloyalität
1125
Vgl. Peppers/Rogers (2004), S. 68 und Ramani/Kumar (2008), S. 31.
1126
Vgl. Panayides (2007), S. 73.
1127
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 30. Gemessen werden in dieser Dimension die Kundenzufriedenheit, Mund-zuMund-Propaganda-Effekte und Interesse der Kunden an dem Unternehmen („Customer Ownership“).
1128
Vgl. Homburg/Faßnacht/Günther (2002), S. 501.
262
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
als Gradmesser der Dauerhaftigkeit der Beziehung.1129 Alle Indikatoren beschränken sich auf die Beziehung zwischen Anbieter- und Kundenorganisation aus dem Blickwinkel der Anbieterorganisation. Markterfolgsgrößen werden bewusst nicht einbezogen. In Anlehnung an die Entscheidungsfragen für Messmodelle von ZINNBAUER/EBERL (2004) werden die Indikatoren nicht als beliebig austauschbar betrachtet.1130 Die Güteprüfung der Dimension Beziehungserfolg zeigt Pfadgewichte zwischen 0,09 und 0,48 (vgl. Tabelle 52).1131 Die zugehörigen t-Werte des Bootstrappings liegen zwischen 1,51 und 4,41. Mit Ausnahme des Indikators „Kundenzufriedenheit“ sind alle Indikatoren auf dem 5 %-Niveau signifikant. Der Indikator Kundenzufriedenheit wird trotzdem im Messinstrument belassen. Seine niedrige Ausprägung bzw. Nichtsignifikanz wird auf seine Beschränkung auf die Anbieterperspektive zurückgeführt. Trotzdem ist die Kundenzufriedenheit auch in einem Messinstrument aus Anbietersicht sinnvoll, da viele Unternehmen die Zufriedenheit ihrer Kunden bewerten lassen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, d. h., die Zufriedenheit der Kunden ist auch eine interne Zielgröße.
1) CU_Und 2) CU_SAT 3) CU_Benefit 4) CU_Loy
1
2
1,000 0,488 0,484 0,474
1,000 0,609 0,579
3
1,000 0,452
4
1,000
VIFWerte 1,50 2,00 1,73 1,64
Pfadgewicht 0,28 0,09 0,39 0,48
t-Wert 2,47 1,51 4,41 3,24
p-Wert p < 0,05 n.s. p < 0,001 p < 0,01
Tabelle 52 Empirische Validierung des Erfolgskonstrukts „Beziehungserfolg (RELPERF)“
Abbildung 43 zeigt, dass Kundenwert bzw. der Beziehungserfolg eine Vorbedingung für den Gesamterfolg des Unternehmens darstellt. Entsprechend der Definition einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz1132 kann der Beziehungserfolg als AW-schaffendes Erfolgskriterium gedeutet werden. Als eine Konvertierung des Beziehungserfolgs in wirtschaftlichen Gesamterfolg, d. h. ein AW-aneignendes Erfolgskonstrukt, können die Konstrukte Unternehmenserfolg und Profitabilität gedeutet werden.1133 Da die alleinige Beschränkung auf eine
1129
Die Indikatoren wurden bei Homburg/Faßnacht/Günther (2002), S. 501 und Müller (2004), S. 362 entnommen. Müller (2004) benennt den Faktor als Markterfolg. Durch die Hinzunahme eines weiteren Indikators und die theoretische Unterstützung (vgl. Abbildung 43) ist es auch möglich, dies als Beziehungserfolg oder Interaktionserfolg zu interpretieren. Darüber hinaus kann Markt auch als Aggregat aller Beziehungen/Interaktionen gedeutet werden. Das Konstrukt weist Ähnlichkeit zu diversen Kundenzufriedenheitsindizes auf (vgl. z. B. Siems (2003), S. 4 ff.).
1130
Vgl. Zinnbauer/Eberl (2004), S. 5. Beispielsweise ist es möglich, dass Kunden zwar zufrieden, jedoch nicht an einer längeren Kundenbindung interessiert sind.
1131
Die bivariaten Korrelationen und VIF-Werte lassen darauf schließen, dass Multikollinearität für das RELPERFKonstrukt unproblematisch ist.
1132
Vgl. Kapitel 2.2.1.3.4.
1133
Homburg/Faßnacht/Günther (2002) belegen den Zusammenhang zwischen der Qualität der Kundenbeziehung und dem wirtschaftlichen Erfolg (Umsatzrendite). Panayides (2007) stellt einen Zusammenhang zwischen Relationship Orientation und Unternehmensperformance (Profitability, Market Share, Sales Growth/Volume, Return on Investment, Overall Assessment of Performance) her. Bei Ramani/Kumar (2008) ist der Zusammenhang zwischen Beziehungserfolg und Profitperformance auf Kundenebene nicht belegbar.
5.1 Konzeptualisierung, Operationalisierung und Validierung der Erfolgsgrößen
263
einzige finanzielle Erfolgsgröße (z. B. Profitabilität) nicht in der Lage ist, die Mehrdimensionalität und Komplexität eines organisationalen Zielsystems abzubilden, wird in dieser Untersuchung ein „aggregate terminal performance measure“1134 verwendet, das sowohl Markt- als auch finanziellen Erfolg misst (vgl. Tabelle 53). Das Konstrukt „Wirtschaftlicher Gesamterfolg (OPERF)“ umfasst insgesamt vier formativ gemessene Indikatoren, die der Literatur entnommen wurden.1135 Die Entscheidung für ein formatives Messmodell fällt in diesem Fall aus dem Grund, dass in der Praxis i. d. R. mehrdimensionale Zielsysteme angewendet werden und die einzelnen Indikatoren nicht als austauschbar zu werten sind.1136 Im Einzelnen gehen die relative Erfolgsentwicklung zum Hauptwettbewerber für die Aspekte (1) Marktanteil, (2) Wachstum, (3) Profitabilität und (4) Gesamtergebnis in das OPERF-Konstrukt ein. Die Prüfung der Gütekriterien des OPERFKonstrukts weist bivariate Korrelationen am Schwellenwert von 0,6 auf. Die entsprechenden VIF-Werte lassen jedoch darauf schließen, dass Multikollinearität als unproblematisch für das OPERF-Konstrukt zu werten ist. Die Indikatoren Marktanteil und Profitabilität weisen zudem niedrige Pfadgewichte auf. Sowohl in der gängigen Praxis als auch in der aktuellen Literatur werden jedoch beide Aspekte genannt, sodass aufgrund inhaltlicher Aspekte beide Indikatoren im Messmodell verbleiben.1137
1) MS 2) GROWTH 3) PROF 4) PERF
1
2
1,000 0,600 0,517 0,603
1,000 0,619 0,611
3
1,000 0,615
4
1,000
VIFWerte 1,84 2,08 1,92 2,08
Pfadgewicht 0,08 0,33 0,06 0,66
t-Wert 1,21 3,40 0,94 7,31
p-Wert n.s. p < 0,001 n.s. p < 0,001
Tabelle 53 Empirische Validierung des Erfolgskonstrukts „Wirtschaftlicher Gesamterfolg (OPERF)“
Zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen den Erfolgskonstrukten RELPERF und OPERF können beispielsweise die Ergebnisse der Studie von HOMBURG/FAßNACHT/GÜNTHER (2002) dienen. Dort wird im Einklang mit der Argumentationslinie der vorgestellten Kausalkette der Beziehungserfolg als positiver Einflussfaktor für den wirtschaftlichen Gesamterfolg gesehen.1138 Dementsprechend kann die folgende Hypothese aufgestellt werden: HIVa: Beziehungserfolg (RELPERF) beeinflusst den wirtschaftlichen Gesamterfolg (OPERF) positiv (4a).
1134
Baker/Sinkula (2005), S. 484.
1135
Vgl. Müller (2004), S. 362. Der Indikator Neukundengewinnung wurde aufgrund der unklaren Zuordnung zwischen OPERF und RELPERF nicht in das Messmodell aufgenommen.
1136
Wachstum und Profit können z. B. als konkurrierende Ziele auftreten (vgl. z. B. Thommen/Achleitner (2009), S. 125).
1137
Vgl. z. B. Thommen/Achleitner (2009), S. 124.
1138
Vgl. Homburg/Faßnacht/Günther (2002), S. 504. Beziehungserfolg wird hier als die Qualität der Kundenbeziehung bezeichnet. Drei der vier verwendeten Indikatoren sind jedoch identisch, sodass von einer Übertragbarkeit ausgegangen werden kann.
264
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Eine wesentliche Erfolgsquelle, die in der Literatur zu finden ist, bleibt bisher jedoch ausgeklammert. Der Erfolg neuer Produkte ist ein Frühindikator für Unternehmenserfolg und ein Indikator für die Erneuerungsfähigkeit eines Unternehmens. Vor dem Hintergrund der verstärkten Integration von Kunden in Innovationsprozesse (customer-active paradigm)1139 sind auch positive Auswirkungen eines gesteigerten Interaktions- und Lernverhaltens von Unternehmen auf ihre Fähigkeit zu innovieren zu vermuten. Dementsprechend häufig wird auch der Zusammenhang zwischen der Marktorientierung und organisationaler Interaktion von Unternehmen sowie der Neuproduktentwicklung in der Literatur untersucht.1140 BAKER/SINKULA (2005) stellen eine Übersicht mit insgesamt 39 empirischen Studien im Bereich Marktorientierung vor, von denen 17 den Zusammenhang MO – Neuprodukterfolg untersuchen. 16 der 17 Studien zeigten einen positiven Zusammenhang.1141 Da Innovationen mit einer neuen Problemsituation beginnen, in der neue Handlungslösungen bzw. neues Anwendungswissen erforderlich sind,1142 ist es sinnvoll, diese Dimension in das Modell des Unternehmenserfolgs einzubeziehen. Unter dem Namen „Neuprodukterfolg (NPS)“ werden vier reflektive Indikatoren von BAKER/SINKULA (1999B) adaptiert (vgl. Tabelle 54).1143 NPS – New Product Success/Neuprodukterfolg Bezeichnung des Indikators Mittelwert (Std.-abw.) Bitte geben Sie für die letzten 3 Jahre für Ihr Unternehmen/Ihre Geschäftseinheit an: (sehr hoch/sehr niedrig) NPS1 – Die Zahl der Neuprodukteinführungen im Vergleich zu unserem größten Wettbewerber war: NPS2 – Die Erfolgsrate von neuen Produkten im Vergleich zu unserem größten Wettbewerber war: NPS3 – Der Differenzierungsgrad unserer neuen Produkte war: NPS4 – Die Anzahl der Einführung von Marktneuheiten war:
Gütekriterien der 1. Generation Cronbachs Alpha (standard.) Erklärte Varianz
Indikatorreliabilität
t-Wert
3,24 (1,43)
0,824
0,830
--
3,19 (1,32)
0,780
0,719
16,959***
2,92 (1,36)
0,652
0,464
11,965***
3,57 (1,46)
0,769
0,675
16,116***
Globale Gütekriterien der 2. Generation 0,89 75,00 %
Lokale Gütekriterien der 2. Generation Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
Item-toTotalKorrelation
0,89 0,68
²-Wert (Freiheitsgrade) p-Wert RMSEA CFI GFI AGFI
2,450 (2) 0,294 0,031 0,999 0,995 0,974
Tabelle 54 Empirische Validierung des Erfolgskonstrukts „Neuprodukterfolg (NPS)“
1139
Vgl. Kapitel 2.1.2 und Reichwald/Piller (2009), S. 64.
1140
Vgl. Kirca/Jayachandran/Bearden (2005) und Kapitel 3.2.3.3.
1141
Vgl. Baker/Sinkula (2005), S. 484.
1142
Vgl. das Verständnis von Lernen und Kompetenz in Kapitel 2.2.
1143
Vgl. Baker/Sinkula (1999b), S. 425. Die erforderlichen Gütekriterien der ersten und zweiten Generation sind erfüllt.
5.1 Konzeptualisierung, Operationalisierung und Validierung der Erfolgsgrößen
265
Innovationen stellen (neue) Lösungen für Problemstellungen (potenzieller) Kunden dar. Die Kenntnis der Problemsituation und gegebenenfalls erster Lösungsansätze (oder Work-AroundStrategien) des Kunden wird in dieser Untersuchung als Anwendungswissen verstanden. Dieses kann nur in interorganisationalen Interaktion erlangt werden. Der Erfolg in Kundeninteraktionen bzw. Kundenbeziehungen (hier Beziehungserfolg) legt den Grundstein für die Generierung und Aneignung neuen Anwendungswissens und schafft damit auch die Voraussetzung für den Erfolg von Neuprodukten. Dies wird in Hypothese HIVb zusammengefasst:1144 HVb: Beziehungserfolg (RELPERF) beeinflusst den Neuprodukterfolg (NPS) positiv (4b).
Der Erfolg neuer Produkte wirkt sich langfristig positiv auf den wirtschaftlichen Gesamterfolg eines Unternehmens aus, sodass eine weitere Hypothese abgeleitet werden kann:1145 HV:
Beziehungserfolg (RELPERF) beeinflusst den Neuprodukterfolg (NPS) positiv (5).
Aufgrund der Hypothesen IV und V entsteht ein endogenes Messmodell, dessen Güte und Hypothesen abschließend getestet werden sollen. Auf Ebene des Gesamtmodells fällt allein das sehr niedrige Bestimmtheitsmaß für das NPS-Konstrukt von 0,10 auf. Dies wird lediglich als ein Indiz dafür gesehen, dass neben der Kundenbeziehung eine Vielzahl anderer Faktoren für den Neuprodukterfolg verantwortlich sind. Insgesamt ist das angenommene Messmodell positiv zu beurteilen. Tabelle 55 zeigt die Zusammenfassung des Hypothesentests für die Struktur der Erfolgskonstrukte dieser Untersuchung. Im nächsten Kapitel wird aufbauend auf diesen Erkenntnissen das Strukturmodell detailliert und überprüft. Hypothese
+/-
Pfadgewicht
t-Wert1146
Kommentar
HIVa
RELPERF – OPERF
+
4a = 0,673
14,823
9
p < 0,001
HIVb
RELPERF – NPS
+
4b = 0,311
4,125
9
p < 0,001
HV
NPS – OPERF
+
5 = 0,194
3,539
9
p < 0,001
Weitere Gütekriterien: R2(NPS) = 0,097; R2(OPERF) = 0,572; f2(NPS) = 0,068 (klein); f2(RELPERF) = 0,90 (groß); Q2(NPS) = 0,059; Q2(OPERF) = 0,345.
Tabelle 55 Hypothesentest der Struktur der Erfolgskonstrukte RELPERF, NPS und OPERF
1144
Vgl. z. B. Foss/Laursen/Pedersen (2006): Interaction with Customers Æ Knowledge Sharing Æ Innovation Capacity.
1145
Vgl. z. B. Baker/Sinkula (1999a), S. 304, Calantone/Cavusgil/Zhao (2002) und Baker/Sinkula (2005), S. 493 f.
1146
Das Bootstrapping-Verfahren wurde mit 500 und 1.000 Wiederholungen durchgeführt. Die tabellierten Ergebnisse entsprechen 500 Wiederholungen. Die Verwendung von 1.000 Wiederholungen zeigt das gleiche Bild.
266
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
5.2
Detaillierung und empirische Überprüfung des Strukturmodells
In den bisherigen Schritten dieser Untersuchung wurden sowohl die exogenen als auch die endogenen Messmodelle entwickelt und validiert. In diesem Teilabschnitt werden das grobe Strukturmodell und die Kernhypothesen aus Kapitel 2.4 detailliert, die Gütekriterien des Gesamtmodells beurteilt und letztendlich die Kernhypothesen überprüft.
5.2.1
Detaillierung des Strukturmodells
In Kapitel 2.4 werden die vier Kernhypothesen wie folgt benannt: H0:
Die Ausprägung einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz beeinflusst den Unternehmenserfolg positiv.
HI:
Die Ausprägung der strategischen Orientierung Interaktionsorientierung beeinflusst den Unternehmenserfolg positiv.
HII:
Die Ausprägung der strategischen Orientierung Lernorientierung beeinflusst den Unternehmenserfolg positiv.
HIII:
Interaktionsorientierung wird positiv von Lernorientierung beeinflusst.
Bereits in Kapitel 4.3 wurde die erste Hypothese (H0) geprüft und entschieden, dass die beiden strategischen Orientierungen aufgrund des höheren Aussagegehalts in unaggregierter Form betrachtet werden sollen. In Kapitel 5.1 wurde der Unternehmenserfolg durch die Dimensionen Beziehungserfolg, Neuprodukterfolg und wirtschaftlicher Gesamterfolg konzeptualisiert und validiert. Da angenommen werden muss, dass IO und LO unterschiedlich auf die verschiedenen Erfolgsdimensionen wirken, müssen im Folgenden das Strukturmodell und die Kernhypothesen weiter detailliert werden. Die Erfolgswirksamkeit der strategischen Orientierung Interaktionsorientierung (Detaillierung HI): RAMANI/KUMAR (2008) untersuchen im Zusammenhang mit dem Konstrukt IO den Beziehungs-
und den Profiterfolg auf Kundenebene. Die Studie belegt die positiven Auswirkungen der Interaktionsorientierung auf beide Erfolgsdimensionen. Nicht belegt werden konnte die Hypothese, dass sich der Beziehungserfolg positiv auf den Profiterfolg auswirkt.1147 BAKER/SINKULA (2005) zeigen für das inhaltlich nahe MO-Konstrukt sowohl einen direkten Beitrag auf den wirtschaftlichen Gesamterfolg als auch einen indirekten Pfad über den Neuprodukterfolg und Marktanteilsverbesserungen.1148 Interaktionsorientierung wurde als AW-
1147
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 38.
1148
Vgl. Baker/Sinkula (2005), S. 493.
5.2 Detaillierung und empirische Überprüfung des Strukturmodells
267
schaffende strategische Ausrichtung konzeptualisiert. Eben dieses Anwendungswissen ist die Grundlage für die Entwicklung neuer Produkte (Problemlösungen) für bestehende oder neue Kunden. Damit ist auch die positive Beziehung IO – NPS in das Strukturmodell aufzunehmen. An dieser Stelle könnten weitere Belege aus der Literatur folgen (vgl. Kapitel 3.2.3.3), jedoch ist an dieser Stelle der Begründungszusammenhang von größerem Interesse für den Fortgang der Untersuchung. Basierend auf den theoretischen Grundlagen zur Wirkungsweise strategischer Orientierungen ist davon auszugehen, dass IO direkt auf die Interaktion und in einer mehrepisodischen Sichtweise auf die gesamte Kundenbeziehung wirkt (HIa).1149 HIa:
Die Ausprägung einer Interaktionsorientierung (IO) beeinflusst den Beziehungserfolg (RELPERF) positiv (1a).
Der Beziehungserfolg wiederum führt zu einer verbesserten Geschäftsbeziehung, die sich in Summe aller Kundenbeziehungen auf den wirtschaftlichen Geschäftserfolg niederschlägt (vgl. HIVa in Tabelle 55). Die Akzeptanz des „Customer-Active Paradigms“ im Innovationskontext bedeutet ferner, dass durch eine verbesserte IO einem Unternehmen mehr Anwendungswissen zufließt und deshalb die Neuproduktentwicklung erfolgreichere Produkte liefert. Hier sind zwei Wege denkbar: Einerseits fließt Anwendungswissen direkt von existierenden Kunden zu, andererseits wird Anwendungswissen von Neu- oder Nichtkunden des Unternehmens generiert. Ersteres spricht für die Hypothese, dass der Beziehungserfolg den Neuprodukterfolg fördert, der wiederum langfristig positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens einwirkt (vgl. HIVa und HV in Tabelle 55). Letzteres bedeutet, dass auch eine direkte positive Verbindung zwischen IO und NPS existiert (HIb). HIb:
Die Ausprägung einer Interaktionsorientierung (IO) beeinflusst den Neuprodukterfolg (NPS) positiv (1b).
Da Werte und Normen bedeutende Faktoren der konzeptualisierten IO sind, ist zu erwarten, dass eine hohe IO-Ausprägung auf ein interaktionsgeprägtes Handeln in allen Bereichen des unternehmerischen Lebens schließen lässt (z. B. im Bereich Trenderkennung und Marktanalyse), sodass auch ein direkter positiver Pfad zwischen IO und dem wirtschaftlichen Erfolg zu vermuten ist (HIc). HIc:
Die Ausprägung einer Interaktionsorientierung (IO) beeinflusst den wirtschaftlichen Gesamterfolg (OPERF) positiv (1c).
1149
Vgl. Abbildung 43 und Kapitel 2.2.2.3.
268
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Die Akzeptanz des Kunden entscheidet letztendlich über den Erfolg und die Existenz eines Unternehmens und deshalb sollte ein Großteil der Aktivitäten innerhalb des Unternehmens auf die Kunden-Stakeholdergruppe im Allgemeinen und Kundenbeziehungen im Besonderen ausgerichtet sein. Es ist demzufolge zu erwarten, dass die Beziehung zwischen IO und Beziehungserfolg den stärksten Effekt aufweist und die Zusammenhänge zwischen IO und dem wirtschaftlichen Gesamterfolg bzw. dem Neuprodukterfolg von sekundärer Bedeutung sind (HId). HId:
Der Effekt HIa ist stärker ausgeprägt als die Effekte HIb und HIc (1a > 1b; 1c).
Die Erfolgswirksamkeit der strategischen Orientierung Lernorientierung (Detaillierung HII und HIII): In der Literatur finden sich verschiedene empirisch belegte Erfolgswirkungen organisationalen Lernens.1150 FARRELL/OCZKOWSKI (2002) untersuchen in ihrer Arbeit den Zusammenhang zwischen MO, LO und Unternehmenserfolg. Dabei kommen sie zu dem Schluss, „[…] that the operative casual flow is (LOÆMOÆOP [= Overall Performance]).“1151 Die Erfolgswirkung von LO wird damit mediiert. Dies unterstützt die dritte Kernhypothese dieser Untersuchung. BAKER/SINKULA (1999B) weisen darüber hinaus positive Effekte der Lernorientierung auf den Neuprodukterfolg, auf Marktanteilssteigerungen und den wirtschaftlichen Gesamterfolg nach.1152 In der Folgestudie wird weiterhin der Einfluss der Art der Lernstrategie auf den Innovationserfolg untersucht.1153 Bei PANAYIDES (2007) findet sich ein Nachweis des Zusammenhangs zwischen OL und dem Beziehungserfolg.1154 Analog zum Vorgehen beim Konstrukt IO soll nun kurz ein Kausalmodell für die Wirkungsweise der strategischen Orientierung „Lernorientierung“ skizziert werden: Lernorientierung beschreibt eine offene, aufnehmende Haltung und die zugehörigen Praktiken und Prozesse einer Unternehmung. Derartige Praktiken und Prozesse wirken zweifach: Einerseits führen sie innerhalb des Systems Unternehmen zur Ausprägung weiterer Werte, Normen, Praktiken und Prozesse, aufgrund derer Lernauslöser geschaffen werden (hier: IO). Diese Wirkung wird in HIIIa beschrieben: HIIIa: Lernorientierung (LO) beeinflusst Interaktionsorientierung (IO) positiv (3).
Andererseits führen die konkreten Werte, Normen, Praktiken und Prozesse einer Lernorientierung auch zu direkten Erfolgswirkungen. Im Hinblick auf das zu erwartende Problemlösungsergebnis müsste ein(e) aufnehmende(s)/lernende(s) Haltung bzw. Verhalten in gemein-
1150
Vgl. Kapitel 3.3.2.3.
1151
Farrell/Oczkowski (2002), S. 210.
1152
Vgl. Baker/Sinkula (1999b), S. 420.
1153
Vgl. Baker/Sinkula (2005), S. 493.
1154
Vgl. Panayides (2007), S. 75.
5.2 Detaillierung und empirische Überprüfung des Strukturmodells
269
samen komplexen Problemlösungen beim Interaktionspartner wünschenswert sein. Deshalb ist davon auszugehen, dass LO einen positiven Einfluss auf den Beziehungserfolg hat (HIIa).1155 HIIa: Die Ausprägung einer Lernorientierung (LO) beeinflusst den Beziehungserfolg (RELPERF) positiv (2a).
Ähnliche Verhaltensdispositionen und Veränderungen in organisatorischen Strukturen und Abläufen sind bei der Entwicklung neuer Produkte gefragt und dienen der Aneignung von Anwendungswissen. LO stellt einerseits Werte und Normen bereit, die die Wertschätzung externen Wissens ermöglichen, und andererseits Praktiken und Prozesse, mit deren Hilfe relevantes Wissen kollektiviert wird und langfristig in neue Produkte übergeführt werden kann. Erwartet wird auch hier eine positive Wirkung (HIIb). HIIb: Die Ausprägung einer Lernorientierung (LO) beeinflusst den Neuprodukterfolg (NPS) positiv (2b).
Letztendlich liegt der Schluss nahe, dass ein Unternehmen, das darauf ausgerichtet ist, von und mit seiner Umwelt zu lernen und sich zu entwickeln, auch wirtschaftlich erfolgreicher ist als Unternehmen, die dies nicht sind (HIIc).1156 Da sich LO in dem letztgenannten Zusammenhang in unzähligen komplexen Aktivitäten und Prozessen widerspiegelt, wird erwartet, dass der Pfad LO – OPERF schwächer ausfällt als die Beziehungen, die durch HIIa und HIIb beschrieben werden (HIId). HIIc: Die Ausprägung einer Lernorientierung (LO) beeinflusst den wirtschaftlichen Gesamterfolg (OPERF) positiv (2c). HIId: Der Effekt HIIc ist schwächer ausgeprägt als die Effekte HIIa und HIIb (2c < 1a; 1b).
Die Forschungsergebnisse von FARRELL/OCZKOWSKI (2002) und die Ergebnisse des Modells in Kapitel 4.3 deuten an, dass der Effekt einer LO auf andere strategische Orientierungen des Unternehmens höher ist als die direkten Erfolgswirkungen. Diese Annahme begründet abschließend eine weitere Hypothese (HIIIb): HIIIb: Der Effekt HIIIa ist stärker ausgeprägt als die Effekte HIIa bis HIIc (3 > 2a; 2b; 2c)
Abschließend werden die Erkenntnisse aus Kapitel 5.1 und den entwickelten Kernhypothesen im detaillierten Strukturmodell zusammengefasst (vgl. Abbildung 44), das es im nächsten Teilabschnitt zu beurteilen gilt.
1155
Vgl. z. B. Panayides (2007), S. 75.
1156
Vgl. z. B. Calantone/Cavusgil/Zhao (2002), S. 522.
270
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Interaktionsorientierung (IO)
1a
HIa(+)
Beziehungserfolg (RELPERF)
1b HIIa(+)
1c
4a
HIb(+) Neuprodukterfolg (NPS)
HIII(+) 3
2b
5
HIc(+)
2c
Lernorientierung (LO)
4b
HIIb(+)
2a
HIIc(+)
wirtschaftlicher Gesamterfolg (OPERF)
organisationale Kundeninteraktionskompetenz
Abbildung 44 Detaillierte(s) Strukturmodell/Kernhypothesen „Kundeninteraktionskompetenz“1157
5.2.2
Beurteilung des Gesamtmodells
Die Beurteilung des Gesamtmodells folgt den relevanten Schritten in Kapitel 4. Auf Ebene der einzelnen Indikatoren zeigt sich folgendes Bild (vgl. Tabelle 57): Mit Ausnahme der Pfadgewichte der Beziehungen IO – NPS und LO – OPERF tragen alle Pfade des Modells signifikante Pfadgewichte (p < 0,05) mit dem erwarteten positiven Vorzeichen. Da auch die vermuteten starken Verbindungen (HId, HIId und HIIIb) durch die Analyse belegt werden können, lässt die Analyse auf Basis der einzelnen Indikatoren/Pfade keinen Zweifel an der Güte des gesamten Strukturmodells zu. R2 IO LO NPS RELPERF OPERF
f2 0,48 0,59 0,11 0,45 0,59
(end.: RELPERF) 0,35 0,02 ----
f2 (end.: OPERF) 0,04 0,00 0,09 0,42 --
Q2 0,30 0,49 0,07 0,27 0,37
Tabelle 56 Gütekriterien des Strukturmodells
1157
Die Pfadgewichte des Strukturmodells werden mit „“ benannt, die Pfadgewichte der exogenen Messmodelle werden mit „“ bezeichnet.
5.2 Detaillierung und empirische Überprüfung des Strukturmodells
271
Auf Ebene des gesamten Strukturmodells zeigt sich folgendes Bild (vgl. Tabelle 56): Die Bestimmtheitsmaße der betrachteten Konstrukte liegen zwischen 0,11 und 0,59. Das Konstrukt NPS stellt mit dem niedrigsten Wert einen Ausreißer dar und trägt ein nur als schwach einzustufendes Bestimmtheitsmaß. Die übrigen Bestimmtheitsmaße weisen durchschnittliche Werte auf, die Konstrukte LO und OPERF sogar Werte nahe der Marke, die von CHIN (1998)1158 als substanziell betrachtet wird. Die R2-Werte der einzelnen Konstrukte haben sich im Vergleich zu den ermittelten Bestimmtheitsmaßen in der Phase der Entwicklung der einzelnen Messmodelle nur marginal im Gesamtmodell verändert.1159 Einzige Ausnahme ist der R2-Wert des IOKonstrukts. Dieser Aspekt wird in einer späteren Diskussion des Verhältnisses zwischen IO und LO erneut aufgegriffen.1160 Die Effektstärken (f2) zeigen den Einfluss der einzelnen Faktoren auf die Bestimmtheitsmaße der endogenen Konstrukte RELPERF und OPERF. Auf das RELPERF-Konstrukt bezogen weist lediglich IO eine große Effektstärke auf. Werden die Effektstärken in Bezug zum OPERFKonstrukt gesetzt, weisen die Konstrukte IO und NPS nur kleine Effektstärken auf, während RELPERF eine hohe Effektstärke aufweist. Der geringe Effekt des IO-Konstrukts und die nicht nachweisbare Effektstärke des Konstrukts LO beschreiben, dass das RELPERF-Konstrukt die Auswirkungen von IO und LO mediiert und die direkten Effekte zwischen IO bzw. LO und OPERF gering ausfallen. Die prädikative Relevanz der Konstrukte wird mittels einer Blindfolding-Prozedur und dem Stone-Geiser-Test ermittelt. Alle Konstrukte zeigen stark von null unterschiedliche Q2-Werte, woraufhin die Prognoserelevanz der Konstrukte des Strukturmodells bestätigt werden kann. Insgesamt kann das Strukturmodell auf Basis der Ergebnisse in diesem Teilkapitel als positiv gewertet werden. Im nächsten Schritt sollen nun die aufgestellten Kernhypothesen getestet werden.
1158
Vgl. Chin (1998), S. 323.
1159
Vgl. Kapitel 4.2.1.3, 4.2.2.3 und 5.1.
1160
Vgl. Kapitel 5.5.
272
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
5.2.3
Überprüfung der Kernhypothesen
Die Aussagen zu den Kernhypothesen werden auf Basis des PLS-Pfadmodells und der t-Statistik, die auf den Ergebnissen eines Bootstrapping-Verfahrens basieren, getroffen. Tabelle 57 zeigt die Ergebnisse der Prüfung der detaillierten Kernhypothesen aus Kapitel 5.2.1. Hypothese
+/-
Pfadgewicht
t-Wert1161
Kommentar1162
HIa HIb
IO – RELPERF IO – NPS
+ +
1a = 0,541 1b = -0,122
10,150 1,595
9 8
HIc HId HIIa HIIb HIIc HIId HIIIa HIIIb
IO – OPERF 1a > 1b; 1c LO – RELPERF LO – NPS LO – OPERF 2c<2a; 2b LO – IO
+ -+ + + -+ --
1c = 0,173 -2a = 0,194 2b= 0,150 2c= -0,011 -3 = 0,394 --
2,342 -2,806 2,011 0,270 -5,405 --
9 9 9 9 8 9 9 9
p < 0,001 nicht signifikant (p < 0,1) p < 0,05 (0,01) p < 0,01 p < 0,05 nicht signifikant p < 0,001
Tabelle 57 Hypothesentest der Kernhypothesen
Mit Ausnahme der Hypothesen HIb und HIIc unterstützen die Daten der 229 Befragten die vermuteten Zusammenhänge. Als besonders stark zeigt sich der Pfad LO Æ IO Æ RELPERF Æ OPERF mit Pfadgewichten zwischen 0,39 bis 0,53 bei p < 0,001 (HIa, HIIIa, HIVa). Entsprechend der Vermutungen werden die Auswirkungen einer IO über den Beziehungserfolg weitgehend mediiert. Folglich kann auch die Hypothese HId angenommen werden, wonach der positive Einfluss von IO auf RELPERF höher ist als der Einfluss auf NPS oder OPERF. Vor dem Hintergrund der breiten Forschung, die positive Zusammenhänge zwischen der Anbieter-Kunde-Interaktion und dem Innovationserfolg in der Neuproduktentwicklung postuliert, sind die Ergebnisse zu Hypothese HIb sehr verwunderlich.1163 Mehr noch erstaunt das Vorzeichen des Pfadgewichts zwischen IO und NPS. Dieses Ergebnis steht damit zunächst weder im Einklang mit der Literatur noch den erwarteten Zusammenhängen und wird deshalb im Folgenden noch ausführlicher diskutiert.1164
1161
Das Bootstrapping-Verfahren wurde mit 500 und 1.000 Wiederholungen durchgeführt. Die tabellierten Ergebnisse entsprechen 500 Wiederholungen. Die Verwendung von 1.000 Wiederholungen zeigt das gleiche Bild.
1162
Der p-Wert errechnet sich aus einem zweiseitigen Signifikanztest und folgt damit den Empfehlungen des smartPLS-Anwenderforums. In anderen Arbeiten (z. B. Dees (2005), S. 216) wird der weniger strenge einseitige Signifikanztest auf Basis der t-Statistik gewählt. Für die Hypothesen, bei denen sich das Signifikanzniveau durch den Einsatz eines einseitigen Tests verändert, ist dies in Klammern dokumentiert.
1163
Eine Übersicht zeigt z. B. Stotko (2005), S. 64 f.
1164
Vgl. Kapitel 5.4.2.1.
5.2 Detaillierung und empirische Überprüfung des Strukturmodells
273
Trotz signifikanter direkter Einflüsse von LO auf RELPERF und NPS (HIIa und HIIb; p < 0,01) ist sowohl der Hypothese HIId als auch der Hypothese HIIIb zuzustimmen: Einerseits fällt der Zusammenhang zwischen LO und wirtschaftlichem Gesamterfolg geringer aus als zu den vorökonomischen Erfolgsgrößen NPS und RELPERF. Andererseits ist der Pfad zwischen LO und IO stärker ausgeprägt als alle direkten Erfolgseinflüsse der LO. Eine direkte Wirkung der strategischen Orientierung LO auf den wirtschaftlichen Gesamterfolg ist durch die Daten nicht belegbar, da der Pfad LO – OPERF bei einem leicht negativen Pfadgewicht nicht signifikant ist. Damit muss auch Hypothese HIIc abgelehnt werden. Vor dem Hintergrund der bestätigten Annahmen in HIId und HIIIb ist dieser Befund zwar weniger erstaunlich, wird jedoch auch in Kapitel 5.4.2.2 näher beleuchtet. Um den gesamten Einfluss der direkten und indirekten Effekte der strategischen Orientierungen zu testen, wird abschließend ein Gesamteffekt für IO und LO ermittelt (vgl. Tabelle 58).1165 Die beiden oberen Blöcke zeigen den Effekt ohne Berücksichtigung von 3 (LO - IO). Der dritte Block betrachtet zusätzlich den Effekt zwischen LO und IO.1166 Pfad IO - OPERF IO – RELPERF – OPERF IO – RELPERF – NPS – OPERF IO – NPS – OPERF LO – OPERF LO – RELPERF – OPERF LO – RELPERF – NPS – OPERF LO – NPS – OPERF LO-OPERF (vgl. oben) LO – IO – OPERF
Effektart direkter Effekt indirekter Effekt indirekter Effekt indirekter Effekt direkter Effekt indirekter Effekt indirekter Effekt indirekter Effekt dir. und indir. Effekt indirekter Effekt
Effekt des Pfads
Gesamteffekt
0,173 0,541 × 0,565 = 0,306 0,541 × 0,306 × 0,204 = 0,034 -0,122 × 0,204 = -0,025 -0,011 0,194 × 0,565 = 0,110 0,194 × 0,306 × 0,204 = 0,012 0,150 × 0,204 = 0,031 0,141 0,394 × 0,488 = 0,192
IO – OPERF 0,488
LO – OPERF 0,141 (ohne LO – IO) LO – OPERF 0,333 (inkl. LO - IO)
Tabelle 58 Direkte und indirekte Effekte
1165
Vgl. Kline (2005), S. 128.
1166
Vgl. Anhang 2 für die Ergebnisse des Hypothesentests des KIK-Konstrukts gegenüber RELPERF, NPS und OPERF.
274
5.3
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Analyse moderierender Effekte: Lösungsorientierung, Wettbewerbsintensität, Unternehmensgröße
Aufbauend auf dem Gesamtmodell wird in diesem Abschnitt der Einfluss moderierender Variablen überprüft.1167 Variablen werden genau dann als Moderator bezeichnet, wenn sie dazu geeignet sind, die Beziehung zweier anderer Variablen vorherzusagen, d. h. zu moderieren. Der Moderationsmechanismus beruht damit auf einem Interaktionseffekt.1168 Es lassen sich zwei Arten von Moderatorvariablen unterscheiden: reine Moderatorvariablen und Quasi-Moderatorvariablen. Der Unterschied liegt in der Beziehung der Moderatorvariablen zur endogenen Variable. Quasi-Moderatorvariablen weisen einen direkten messbaren Zusammenhang auf, während dieser bei reinen Moderatoren nicht feststellbar ist.1169 Abbildung 45 stellt die drei zu beurteilenden Effekte dar.1170
Exogene Variable
Exogene Variable x Moderatorvariable
Moderatorvariable
a
b
c
Endogene Variable
Abbildung 45 Moderatorenmodell
Aufgrund der Tatsache, dass das PLS-Verfahren ohne die Annahme unkorrelierter Fehler auskommt, eignen sich PLS-Verfahren besonders für die Schätzung von Moderationseffekten.1171 Im Folgenden wird die Vorgehensweise zur Bestimmung von Moderationseffekten genutzt, die bei EGGERT/FASSOTT/HELM (2005) beschrieben wird. Demzufolge wird die Moderatorenhypothese unterstützt, sobald die Interaktionsbeziehung (c) signifikant auf dem 5 %-Niveau ist. In den nächsten Abschnitten werden die vermuteten Moderatoren „Lösungsorientierung“, „Wettbewerbsintensität“, und „Unternehmensgröße“ untersucht. Folgende Zusammenhänge werden aufgrund der Erkenntnisse der Hypothesenüberprüfung ausgeklammert: Die Beziehung LO – OPERF wird aufgrund des Pfadgewichts nahe null nicht einbezogen. Ebenso werden die 1167
Als Moderator bezeichnen Baron/Kenny (1986), S. 1174 „[…] a qualitative (e.g., sex, race, class) or quantitative (e.g., level of reward) variable that affects the direction and/or strengths of the relation between independent or predictor variable and a dependent or criterion variable.“
1168
Vgl. Kline (2005), S. 24.
1169
Vgl. Sharma/Durand/Gur-Arie (1981), S. 293.
1170
In Anlehnung an Eggert/Fassott/Helm (2005).
1171
Vgl. Chin/Marcolin/Newsted (2003), S. 193.
5.3 Analyse moderierender Effekte: Lösungsorientierung, Wettbewerbsintensität, Unternehmensgröße
275
Beziehungen von IO und LO zu NPS nicht untersucht, da NPS aufgrund des sehr niedrigen R2Werts ohnehin nur einen niedrigen Erklärungsgehalt aufweist.1172
5.3.1
Lösungsorientierung
Die Beschaffung von Industriegütern wird in Kapitel 2.1.1 als eine komplexe Problemstellung charakterisiert, deren Lösung multiorganisationale/multipersonale Prozesse und Interaktionen benötigt. In Kapitel 2.1.2 wurde der Trend der Lösungsorientierung kurz dargestellt. Lösungsorientierung beschreibt, dass Anbieterunternehmen nicht nur Produkte, sondern ganze Lösungspakete und Komplettlösungen anbieten und damit selbst Komplexität internalisieren bzw. Komplexität für die Kundenunternehmung reduzieren. Aus Sicht eines rein produktorientierten Unternehmens stellt jeder Schritt in Richtung Lösungsorientierung eine Vorwärtsintegration dar, da die Generierung von Teil- oder Gesamtlösungen die Erstellung zusätzlicher Dienstleistungen, Produkte, die Integration weiterer Produkte oder auch die Koordinierung ganzer betrieblicher Abläufe des Kundenunternehmens erfordert. Lösungsorientierte Anbieter brauchen im Rahmen ihrer Arbeitsaufgabe demnach mehr Abstimmung mit dem einzelnen Kunden, um das nötige Technologie- und Nutzungswissen in einer Lösung zu vereinen (vgl. Kapitel 2.2.1.3.1). Folglich ist zu erwarten, dass der Grad der Lösungsorientierung eines Unternehmens Auswirkungen auf die Ausprägung des Wirkzusammenhangs von IO bzw. LO auf RELPERF bzw. OPERF hat und damit als Moderator wirkt. Demzufolge lassen sich drei Moderationshypothesen aufstellen: HM1/2: Die Ausprägung einer Lösungsorientierung beeinflusst den Zusammenhang zwischen einer (1) Interaktionsorientierung (IO) bzw. (2) Lernorientierung (LO) und Beziehungserfolg (RELPERF) positiv. HM3: Die Ausprägung einer Lösungsorientierung beeinflusst den Zusammenhang zwischen einer Interaktionsorientierung (IO) und wirtschaftlichem Gesamterfolg (OPERF) positiv.
Zudem ist zu vermuten, dass der Grad der Lösungsorientierung auch den Zusammenhang zwischen den beiden Erfolgsgrößen RELPERF und OPERF beeinflusst. Die Begründung liefert die Betrachtung der Veränderung des Anwendungswissens als zentrale Erfolgsgröße der Kundeninteraktion. Die einzige direkte Möglichkeit, dieses zu erhalten, ist die Kundeninteraktion bzw. Kundenbeziehung.1173 Generell zeigt der Pfad 4b, dass sich erfolgreiche Kundenbeziehungen in wirtschaftlichem Erfolg niederschlagen (z. B. durch höhere Kundenbindung, höhere Marktanteile, höhere Margen etc.). Diese Effekte sollten sich einstellen unabhängig vom Grad der Lösungsorientierung. Zusätzlich moderiert jedoch der Grad der Lösungsorientierung diesen Zusammenhang, da im Vergleich zum reinen Produktverkauf die Lösung ganzer Kundenprobleme bzw. Kundenteilprobleme die Geschäftsbeziehung wertvoller für den Kunden macht, 1172
In der Betrachtung verbleiben die Pfade 1a, 1c, 2a, und 4b.
1173
Vgl. z. B. Plinke (2000), S. 92.
276
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
was letztlich höhere Margen des Anbieterunternehmens ermöglicht. Es wird deshalb erwartet, dass der Zusammenhang zwischen Beziehungs- und wirtschaftlichem Gesamterfolg stärker wird, wenn der Grad der Lösungsorientierung steigt. HM4: Die Ausprägung einer Lösungsorientierung beeinflusst den Zusammenhang zwischen Beziehungserfolg (RELPEF) und wirtschaftlichem Gesamterfolg (OPERF) positiv.
Abbildung 46 zeigt die Einstufungen der einzelnen Befragten auf der Skala zwischen Produktund Lösungsorientierung.1174 Die Übersicht verifiziert den in Kapitel 2.1.2 vermuteten Trend zur Lösungsorientierung, weist jedoch in allen dargestellten Klassen Unternehmen auf. Die Verteilungen weisen in allen Branchen ähnliche Verläufe auf, sodass ein versteckter Effekt, der aufgrund der Branchenzugehörigkeit entsteht, ausgeschlossen werden kann.
Abbildung 46 Verteilung des Grades der Lösungsorientierung
Tabelle 59 fasst die Ergebnisse der Untersuchung der moderierenden Effekte des Grades der Lösungsorientierung auf die relevanten Pfade zusammen. Die Untersuchung der direkten Effekte der Moderatorvariable „Grad der Lösungsorientierung“ (b) zu den jeweils endogenen Variablen zeigt auf dem 5 %-Niveau keine signifikanten Effekte.1175 Das heißt, der Grad der Lösungsorientierung eines Unternehmens muss als reiner Moderator verstanden werden. Das Bootstrapping zeigt nur für die Beziehung LO – RELPERF einen signifikanten moderierenden Effekt, der jedoch im Widerspruch zur Hypothese HM2 steht. Demnach gilt der moderierende Effekt: Je höher der Grad der Lösungsorientierung, desto geringer wirkt sich Lernorientierung auf den Beziehungserfolg aus. Abschließend wird nach Gründen für das Zustandekommen dieses Effekts gesucht: Im Einklang mit den Aussagen in Kapitel 2.1.2 ist Lösungsorientierung hauptsächlich eine Reaktion der Anbieterunternehmen auf steigende Komplexität und zugleich ein Versuch bzw. evtl. auch ein 1174
Lösungsorientierung wurde mittels eines siebenstufigen semantischen Differenzials direkt erhoben (1 Item).
1175
Der Pfad Lösungsorientierung – OPERF ist lediglich auf dem 10 %-Niveau signifikant.
5.3 Analyse moderierender Effekte: Lösungsorientierung, Wettbewerbsintensität, Unternehmensgröße
277
Muss, um sich durch Komplexitätsreduktion für den Kunden vom Wettbewerb abzuheben.1176 Bei einem durchschnittlichen Grad der Lösungsorientierung1177 wirkt sich die Lernorientierung relativ stark auf den Beziehungserfolg aus (2c = 0,63), im Gesamtmodell ohne Moderation trägt der gleiche Pfad jedoch ein geringeres Pfadgewicht (2c = 0,19). An dieser Stelle ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, was Lernorientierung eigentlich bewirkt: Organisationales Lernen zielt im Verständnis einer Kundeninteraktionskompetenz darauf ab, dass ein Anbieterunternehmen durch bestimmte Charakteristika in der Lage ist, in Interaktion mit dem Kunden Anwendungswissen anzueignen. Daraus sollen bessere Angebote an den Kunden realisiert werden, wodurch ein höherer Erfolg der Kundenbeziehung entsteht. Lösungsorientierung versucht hingegen generell, dem Kunden Komplettlösungen anzubieten, sodass eigentlich schon vor der Kundeninteraktion die Wissensaneignung zu weiten Teilen erfolgt sein müsste, damit ein Anbieterunternehmen überhaupt zur dieser Art Interaktion mit dem Kunden befähigt ist. Das heißt, dass die Lernorientierung eines Unternehmens in aktuellen Interaktionsepisoden geringer zum Tragen kommt. Soweit allerdings gelernt wird, kommt dieses Anwendungswissen hauptsächlich den folgenden Kundenbeziehungen zugute und kann dort den Beziehungserfolg durch ein Mehr an Interaktionsmöglichkeiten der Anbieterorganisation verbessern. Dieser Argumentationsstrang liefert drei Erkenntnisse: Erstens sind so die vorgestellten Befunde erklärbar. Zweitens kann daraus ein konkurrierendes Verhältnis zwischen Lösungs- und Lernorientierung abgeleitet werden. Drittens bestärkt dies die Vermutung, dass Interaktionsorientierung die Wirkungen einer Lernorientierung mediiert. Diese Ergebnisse bedürfen jedoch weiterer Untersuchung, die u. a. eine detaillierte Operationalisierung des Konstrukts Lösungsorientierung beinhalten muss. Moderierter Pfad
Pfadgewicht (a)
Pfadgewicht (b)
Pfadgewicht (c)
t-Wert1178 (p-Wert)
1a
IO – RELPERF
0,254
0,007
0,382
1,335 (n.s.)
2a
LO – RELPERF
0,634
0,007
-0,573
2,074 (p < 0,05)
1c
IO – OPERF
0,217
-0,208
-0,059
0,389 (n.s.)
4b
RELPERF – OPERF
0,332
-0,208
0,326
1,814 (p < 0,1)
Kommentar HM1: 8
HM2: 8 HM3: 8
HM4: 8
Effektstärken: f2(RELPERF) = 0,02 (klein); f2(OPERF) = 0,05 (klein)
Tabelle 59 Moderierende Effekte des Grades der Lösungsorientierung1179
1176
Ein Indiz dafür, dass Lösungsorientierung aus einem Differenzierungszwang heraus entstehen kann und letztlich nicht profitabel sein muss, ist das negative Pfadgewicht des Moderators auf OPERF (p < 0,1).
1177
Mittelwert der Lösungsorientierung = 5,16 (unzentriert).
1178
Das Bootstrapping-Verfahren wurde mit 500 Wiederholungen durchgeführt. Der p-Wert zeigt das Ergebnis eines zweiseitigen Tests.
1179
Die Ergebnisse der Tabelle zeigen die Pfadgewichte des PLS-Pfadmodells, d. h. eines simultanen Regressionsverfahrens. Die Analyse der einzelnen Regressionen liefert die gleichen Erkenntnisse. Die R2-Werte der endogenen Variablen erhöhen sich leicht gegenüber denen des Gesamtmodells. Die korrespondierenden FWerte liegen über den notwendigen Werten und sind hoch signifikant (p < 000,1).
278
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
5.3.2
Wettbewerbsintensität
Die Wettbewerbsintensität wurde als zweiter Moderator gewählt. In Industrien mit einer höheren Wettbewerbsintensität erodieren die produktbezogenen Vorteile aufgrund intensiver Tätigkeit der Wettbewerber schneller als in Industrien geringer Wettbewerbsintensität.1180 Als Konsequenz ist zu erwarten, dass für Unternehmen in einem Umfeld mit höherer Wettbewerbsintensität die Interaktion mit und Lernen von und mit dem Kunden erfolgswirksamer ist als bei geringerem Wettbewerbsdruck. Aufgrund dieser intuitiven Argumentationskette wird Wettbewerbsintensität in vielen, inhaltlich nahen Studien als Moderator untersucht.1181 Auch wenn der Effekt häufig nicht empirisch belegt werden kann, soll Wettbewerbsintensität als Moderator auch in dieser Untersuchung einbezogen werden.1182 In Märkten mit geringerem Wettbewerb ist es Kunden in geringerem Umfang möglich, spezifische Leistungen (Industriegüter) vieler Anbieterunternehmen zu vergleichen. Die differenzierende Wirkung auf den Kundennutzen einer Interaktions- und Lernorientierung ist damit nur beschränkt erfolgsrelevant. In Märkten mit hoher Wettbewerbsintensität ist dagegen zu erwarten, dass IO und LO als Differenzierungsmerkmale stärker entscheidend für den Kundennutzen bzw. stärker erfolgsrelevant sind. Dementsprechend können die folgenden Hypothesen abgeleitet werden. HM5/6: Hohe Wettbewerbsintensität beeinflusst den Zusammenhang zwischen einer (5) Interaktionsorientierung (IO) bzw. (6) Lernorientierung (LO) und Beziehungserfolg (RELPERF) positiv. HM7: Hohe Wettbewerbsintensität beeinflusst den Zusammenhang zwischen einer Interaktionsorientierung (IO) und wirtschaftlichem Gesamterfolg (OPERF) positiv.
Da hoher Wettbewerbsdruck zu einer stärkeren Kundenposition führt, ist zudem zu erwarten, dass sich der Beziehungserfolg nur in geringerem Maße in wirtschaftlichen Erfolg wandeln lässt: HM8: Hohe Wettbewerbsintensität beeinflusst den Zusammenhang zwischen Beziehungserfolg (RELPEF) und wirtschaftlichem Gesamterfolg (OPERF) negativ.
Wettbewerbsintensität wurde als ein reflektives Messmodell mit drei Indikatoren in Anlehnung an JAWORSKI/KOHLI (1993) operationalisiert. Das Konstrukt weist eine gute Erfüllung der Gütekriterien auf.1183 Zunächst soll aber die Verteilung der Wettbewerbsintensität zwischen den
1180
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 32.
1181
Vgl. Kirca/Jayachandran/Bearden (2005), S. 36.
1182
Vgl. Kapitel 5.4.1. Vgl. weiterhin Kirca/Jayachandran/Bearden (2005), S. 36 oder Ramani/Kumar (2008), S. 38. Jaworski/Kohli (1993), S. 62 belegten z. B. einen Effekt auf das Erfolgsteilkonstrukt „Market Share“ jedoch nicht auf „Overall Performance“.
1183
Vgl. Jaworski/Kohli (1993), S. 68. Indikatorreliabilität: 0,510,91; Faktorreliabilität: 0,90; DEV: 0,75; Erklärte Varianz: 75,40 % und Cronbachs Alpha: 0,89.
5.3 Analyse moderierender Effekte: Lösungsorientierung, Wettbewerbsintensität, Unternehmensgröße
279
untersuchten Branchen dargestellt werden (vgl. Abbildung 47). Es zeigt sich, dass die Wettbewerbsintensität in allen Branchen ähnlich verteilt ist. Insgesamt weisen alle Branchen eine sehr starke Wettbewerbsintensität auf, da über 79 % der Befragten die ersten beiden von sieben möglichen Kategorien wählten und auf die letzten beiden Kategorien keine Antworten entfielen.
Abbildung 47 Verteilung des Grades der Wettbewerbsintensität
Die Prüfung der Wettbewerbsintensität auf die Eignung als Moderator für das entworfene Modell erfolgt analog zur Prüfung des Grades der Lösungsorientierung. Wettbewerbsintensität hat einen negativen signifikanten direkten Effekt (p < 0,05) auf den wirtschaftlichen Gesamterfolg, d. h., die Hypothesen HM7 und HM8 vermuten einen Quasi-Moderationseffekt. Tabelle 60 zeigt, dass für keine der getesteten Hypothesen des Interaktionsterms (vgl. grauer Bereich) ein signifikanter Zusammenhang auf dem 5 %-Niveau festgestellt werden kann. Die Moderationshypothesen HM5 mit HM8 sind dementsprechend abzulehnen.1184 Moderierter Pfad
Pfadgewicht (a)
Pfadgewicht (b)
Pfadgewicht (c)
t-Wert1185 (p-Wert)
Kommentar HM5: 8
1a
IO – RELPERF
0,589
-0,200
-0,124
0,587 (n. s.)
2a
LO – RELPERF
-0,016
-0,200
0,338
1,405 (n. s.)
1c
IO – OPERF
0,208
-0,243
-0,014
0,104 (n. s.)
4b
RELPERF – OPERF
0,448
-0,243
0,097
0,671 (n. s.)
HM6: 8 HM7: 8 HM8: 8
Effektstärken: f2(RELPERF) = 0,01 (kein); f2(OPERF) = 0,07 (klein)
Tabelle 60 Moderierende Effekte des Grades der Wettbewerbsintensität
Als Moderator muss „Wettbewerbsintensität“ verworfen werden. Denkbar ist jedoch auch die Wirkung als Antezedenzbedingung für die Ausprägung einer IO und LO (vgl. Kapitel 5.4.1).
1184
Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen von u. a. Ramani/Kumar (2008) und Jaworski/Kohli (1993).
1185
Das Bootstrapping-Verfahren wurde mit 500 Wiederholungen durchgeführt. Der p-Wert zeigt das Ergebnis eines zweiseitigen Tests.
280
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
5.3.3
Unternehmensgröße
In Kapitel 2.3.2 wurde festgestellt, dass Systeme, d. h. auch Unternehmen, Umweltkomplexität internalisieren, um (Kunden-)Probleme lösen zu können. Es ist daher zu vermuten, dass die Beschaffenheit und die interne Struktur eines Unternehmens einen Einfluss darauf haben, wie stark sich die Konsequenzen strategischer Entscheidungen auf den Unternehmenserfolg niederschlagen.1186 Ein Indiz für die Struktur des Unternehmens ist seine Größe, da anzunehmen ist, dass ein größeres Unternehmens entsprechend komplexere interne Strukturen und mehr Subsysteme beinhaltet. Ein Indikator für Unternehmensgröße ist die Höhe des Umsatzes. Sie kann als Maß für die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens gesehen werden. Ein zweites Maß ist die Mitarbeiteranzahl als Gradmesser für die soziale Komplexität. In der Regel entwickeln sich beide Größen ähnlich,1187 die strategische Herausforderung einer Kundeninteraktionskompetenz stellt jedoch nicht die Höhe des Umsatzes dar, sondern die Verankerung der beiden strategischen Orientierungen im sozialen System Unternehmen. Aus diesem Grund wird diese Analyse auf die moderierende Wirkung der Mitarbeiteranzahl beschränkt.1188 Eine die Ausprägung einer Interaktionsorientierung zielt darauf ab, einzelne Kundeninteraktionen und die gesamten Kundenbeziehungen derart zu gestalten, dass Anbieter und Kunde mit der Beziehung zufrieden sind. Je größer ein interagierendes System (Unternehmen) ist, desto schwieriger wird die Koordination einzelner Beteiligter und verschiedener Interaktionen. Dies gilt sowohl für den Fall, dass viele unterschiedliche Akteure einer Anbieterorganisation bei interorganisationalen Interaktionen existieren, als auch dafür, dass viele intraorganisationale Interaktionen aufgrund der Arbeitsorganisation/Unternehmensorganisation vorgesehen sind. Erster Fall führt z. B. zu unterschiedlichen Botschaften und Ineffizienzen, der zweite Fall führt z. B. zu längeren Wartezeiten oder unvollständigen Bildern der einzelnen Akteure. Eine hohe Mitarbeiteranzahl, sofern sie mit der Arbeitsteilung in der Bearbeitung des Kundenproblems einhergeht, führt deshalb zu einem verringerten Effekt von IO auf den Beziehungserfolg. HM9: Steigende Mitarbeiterzahlen (soziale Komplexität des Unternehmens) beeinflussen den Zusammenhang zwischen einer Interaktionsorientierung (IO) und den Beziehungserfolg (RELPERF) negativ.
Die vorliegende Konzeptualisierung der LO läuft diesem Effekt genau entgegen. LO strebt danach, Kollektivierungsprozesse zu optimieren, und strebt an, aus fehlgeleiteten, komplexen
1186
Vgl. Kapitel 2.3.2.3.
1187
Der Datensatz zeigt eine bivariate Korrelation von r = 0,685.
1188
Eine Untersuchung der Größe Umsatz auf moderierende Wirkungen wurde durchgeführt, weist erwartungsgemäß jedoch keine moderierende Wirkung auf.
5.3 Analyse moderierender Effekte: Lösungsorientierung, Wettbewerbsintensität, Unternehmensgröße
281
Interaktionen zu lernen. Praktiken und Prozesse der Lernorientierung kommen jedoch erst dann voll zur Geltung, wenn die soziale Komplexität steigt. Hieraus lässt sich Hypothese HM10 ableiten: HM10: Steigende Mitarbeiterzahlen (soziale Komplexität des Unternehmens) beeinflussen den Zusammenhang zwischen einer Lernorientierung (LO) und den Beziehungserfolg (RELPERF) positiv.
Tabelle 61 fasst die Erkenntnisse zusammen. Die Mitarbeiteranzahl als Indikator für die Unternehmensgröße wurde durch die Einordnung in fünf Größenklassen befragt. Die Mitarbeiteranzahl weist einen signifikanten positiven Effekt auf den Beziehungserfolg auf (p < 0,05), d. h., die untersuchten Effekte beschreiben eine Quasi-Moderation. Es zeigen sich die zwei vermuteten moderierenden Wirkungen: (1) Je mehr Mitarbeiter zu einem Unternehmen gehören, desto geringer wirkt sich Interaktionsorientierung auf den Beziehungserfolg aus. Und: (2) Je mehr Mitarbeiter zu einem Unternehmen gehören, desto stärker wirkt sich Lernorientierung auf den Beziehungserfolg aus. Die festgestellten Moderationswirkungen werden von der theoretischen Fundierung unterstützt, die Unternehmen und ihre Interaktionspartner als soziale Gebilde betrachtet. Aus der Argumentationskette der Hypothese HM10 lässt sich auch eine Antezedenzbedingung der Mitarbeiteranzahl ableiten, die im Folgenden noch geprüft werden soll. Moderierter Pfad
Pfadgewicht (a)
Pfadgewicht (b)
Pfadgewicht (c)
t-Wert1189 (p-Wert)
1a
IO – RELPERF
1,102
0,305
-0,587
2,638 (p < 0,01)
2a
LO – RELPERF
-0,125
0,305
0,399
1,803 (p < 0,05)
Kommentar HM9: 9
HM10: 9
Effektstärken: f2(RELPERF) = 0,08 (klein)
Tabelle 61 Moderierende Effekte des Grades der Unternehmensgröße
Am Ende dieses Teilkapitels werden in Abbildung 48 die bestätigten Pfade des Strukturmodells und die signifikanten moderierenden Wirkungen zusammengefasst. Im nächsten Schritt werden noch einzelne Aspekte des Modells zum besseren Verständnis des Gegenstandbereichs untersucht, um im Anschluss alle Ergebnisse zu diskutieren und entsprechende Implikationen abzuleiten.
1189
Das Bootstrapping-Verfahren wurde mit 500 Wiederholungen durchgeführt. Der p-Wert zeigt das Ergebnis eines zweiseitigen Tests.
282
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Unternehmensgröße
Interaktionsorientierung (IO)
1a
Beziehungserfolg (RELPERF)
+ 4a
1c
Neuprodukterfolg (NPS)
3
4b
2a 5
2b Lernorientierung (LO)
organisationale Kundeninteraktionskompetenz
-
wirtschaftlicher Gesamterfolg (OPERF)
Grad der Lösungsorientierung
Abbildung 48 Detaillierte(s) Strukturmodell/Kernhypothesen „Kundeninteraktionskompetenz“ inklusive signifikanter Moderatoren
5.4
Deskriptive und partielle Analysen
In diesem Teilkapitel werden weitere Aspekte einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten untersucht. Zunächst wird der grundsätzlichen Frage nachgegangen, ob bei IO und LO überhaupt von Handlungsoptionen im Sinne einer freien Entscheidung des Unternehmens oder Managements ausgegangen werden kann (vgl. Kapitel 5.4.1). Da ein Unternehmen nicht gezwungenermaßen nur eine der vorgestellten Orientierungen ausbilden kann, werden im Anschluss die einzelnen Partialmodelle untersucht (vgl. Kapitel 5.4.2). Abschließend werden einige wichtige Aspekte der deskriptiven Analyse einzelner Gestaltungsmerkmale diskutiert (vgl. Kapitel 5.4.3).
5.4 Deskriptive und partielle Analysen
5.4.1
283
Interaktions- und Lernorientierung – Vorbestimmt oder strategische Handlungsalternativen?
Die Erfolgswirkungen der Interaktions- und Lernorientierung wurden im letzten Abschnitt geklärt. Offen bleibt allerdings die Frage, ob es sich bei den Konstrukten wirklich um strategische Orientierungen, d. h. Optionen bzw. Handlungsmöglichkeiten, handelt oder die Ausprägung der jeweiligen Orientierung durch externe Faktoren angeregt bzw. vorhersagbar ist.1190 Kurz: Ob überhaupt eine Freiheit des Managements, sich aktiv für eine IO bzw. LO zu entscheiden, existiert. Für den Fortgang der Untersuchung ist es bedeutend, ob externe/nicht direkt beeinflussbare Größen existieren, die die Ausprägung der beiden untersuchten strategischen Orientierungen steuern können. RAMANI/KUMAR (2008) untersuchen beispielsweise acht Antezedenzgrößen für ihr IO-Konstrukt.1191 Im Rahmen der aktuellen Fragestellung erscheinen diese Antezedenzbedingungen (z. B. die Entlohnung in Abhängigkeit von Kundenmetriken) jedoch nicht sinnvoll, da sie durchaus durch das Unternehmen entwickelt werden können und nicht extern gegeben bzw. nicht direkt beeinflussbar sind. In Kapitel 3.3.2 wurden mit der Entwicklungsperspektive bzw. der Developmental School zwei Forschungstraditionen des organisationalen Lernens vorgestellt, die organisationales Lernen als evolutionär bestimmt betrachten. Derartige Ansätze sehen kaum Einflussmöglichkeiten des Managements und analysieren vorwiegend Faktoren, die durch Managementaktivität entweder nicht oder nicht mehr veränderbar sind (z. B. Alter, Größe, Erfahrung, Industriewachstum oder Lebenszyklus des Unternehmens). Ein starker Zusammenhang derartiger Größen auf die Ausprägung der strategischen Orientierungen IO und LO würde dafür sprechen, dass die gemessenen Ausprägungen nicht oder nur in geringem Maße durch das Management beeinflussbar sind. Trifft dies zu, wären die entwickelten Messinstrumente hauptsächlich deskriptiv einzusetzen. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden mehrere mögliche Antezedenzvariablen erhoben. In die Gruppe der Unternehmenscharakteristika fallen: Alter (ein Indikator), Unternehmensgröße gemessen als Umsatzhöhe und Mitarbeiteranzahl (jeweils ein Indikator) und Branchenzugehörigkeit (jeweils eine Dummy-Variable je Branche). In die Gruppe der Branchen- und Marktcharakteristika fallen: Wettbewerbsintensität und Kundenmacht (jeweils drei Indikatoren).1192
1190
Vgl. Kapitel 2.2.2. Bei Plinke (2002), S. 8 wird der Wahlcharakter einer strategischen Orientierung hervorgehoben.
1191
Entlohnung in Abhängigkeit von Kundenmetriken, Ausmaß der Abhängigkeit von Patent- und Markenschutz, Outsourcing-Expertise, institutionaler Druck zur Adoption interaktiver Technologien und Einordnung in B2BMärkte. Vgl. auch die Untersuchung von Antezedenzen des MO-Konstrukts (vgl. z. B. JiménezJiménez/Cegarra-Navarro (2007), S. 696).
1192
Die Skalen wurden in Anlehnung an Jaworski/Kohli (1993) und Schuppar (2006) reflektiv gemessen. Die Reliabilität und Validität der Messinstrumente wurden überprüft und zeigten gute Werte (vgl. Kapitel 5.3.2 für die Gütekriterien des Konstrukts Wettbewerbsintensität; Gütekriterien für das Konstrukt Kundenmacht: Indikatorreliabilität: 0,570,85; Faktorreliabilität: 0,89; DEV: 0,72; Erklärte Varianz: 73,59 % und Cronbachs Alpha: 0,89).
284
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Zur Untersuchung der Eignung als Antezedenzvariablen werden die einzelnen Größen als Antezedenzen in ein Modell eingebettet, das auch als MIMIC-Modell (hier „Causes“) verstanden werden kann (vgl. z. B. Kapitel 4.2.1.3). Als Indikatoren für IO (bzw. LO) dienen die vier (bzw. drei) reflektiven Items, die bereits zur Konstruktvalidierung der beiden exogenen Variablen verwendet wurden. Abbildung 49 zeigt eine Zusammenfassung beider Modelle.
Alter
LO1
IO1 Umsatzhöhe -0,28
LO2
Mitarbeiteranzahl
LO
IO2
-0,24
IO Branche*
IO3
Wettbewerbsintensität
LO3
IO4 Kundenmacht
* Branchenzugehörigkeit wird durch vier Dummy-Variablen getestet
Abbildung 49 Antezedenzen einer IO und LO
Das errechnete Modell des IO-Konstrukts (2/df = 0,893; GFI = 0,982; AGFI = 0,944) zeigt lediglich einen signifikanten Zusammenhang (p < 0,05) für die Mitarbeiteranzahl und IO mit einem Pfadgewicht von -0,24. Ein ähnliches Bild zeigt das Modell des LO-Konstrukts (2/df = 0,704; GFI = 0,991; AGFI = 0,960). Auch hier weist die Mitarbeiteranzahl den einzigen signifikanten Pfad (p < 0,05) mit einem Gewicht von -0,28 auf. Eine steigende Anzahl an Mitarbeitern führt damit zu einer geringeren Ausprägung von IO und LO. Wie ist der Befund nun vor dem Hintergrund der Fragestellung dieses Abschnitts zu interpretieren? Mit Ausnahme des Faktors Mitarbeitergröße kann für keine der vermuteten Einflussgrößen ein signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden. Die Anzahl der Mitarbeiter hemmt die Bestrebungen zur Ausprägung einer IO und LO. Eine Erklärung hierzu findet sich im systemtheoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit. Die Mitarbeiteranzahl ist Ausdruck der Komplexität der Arbeitsaufgabe, die sich wiederum in der Binnenkomplexität des sozialen Systems „Unternehmen“ niederschlägt. Ohne jegliche gegensteuernde Maßnahmen bedeutet dies, dass Interaktionen und Lernprozesse des Systems damit unwahrscheinlicher werden, wodurch eine steigende Mitarbeiterzahl hemmend auf die Ausprägung von IO und LO wirkt. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass in größeren Unternehmen mehr Aktivitäten nötig sind, um Kundeninteraktion und organisationales Lernen (Kundeninteraktionskompetenz) zu forcieren. Insgesamt konnte bei allen zur Verfügung stehenden Indikatoren lediglich eine hemmende Wirkung aufgrund gestiegener sozialer Komplexität nachgewiesen werden. Auf Basis der Befunde kann nicht belegt werden, dass die Ausprägung einer IO oder LO von externen Zwängen oder
5.4 Deskriptive und partielle Analysen
285
Sachzwängen aufgrund der Unternehmenscharakteristika ausgelöst wird.1193 Sowohl Interaktionsals auch Lernorientierung stellen strategische Optionen dar, d. h. bewusste Wahlmöglichkeiten des Unternehmens bzw. des Managements des Unternehmens. Da nun festgestellt wurde, dass IO und LO einzelne Handlungsoptionen sind, sollen im Folgenden die Auswirkungen der einzelnen strategischen Orientierungen untersucht werden.
5.4.2
Partialmodelle: Interaktions- und Lernorientierung
Da IO und LO wirkliche Handlungsoptionen darstellen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass immer beide Optionen im Sinne dieser Arbeit gewählt werden. Beispielsweise könnte nur eine der beiden Realisierungen als erstrebenswert betrachtet werden. Es stellen sich also folgende Fragen: Wie wirken die strategischen Orientierungen einzeln? Und welche strategische Orientierung sollte zuerst realisiert werden?
5.4.2.1
Interaktionsorientierung
Zur Untersuchung dieser Fragestellungen wird das vereinfachte Strukturmodell betrachtet (vgl. Abbildung 50). Für die Überprüfung der Güte des Partialmodells kann auf die Analyse in Kapitel 5.2.2 verwiesen werden. Das Partialmodell unterstützt alle Befunde des Hypothesentests des gesamten Strukturmodells. Bedeutend ist, dass IO eine ähnlich hohe Varianzaufklärung des Erfolgskonstrukts Beziehungserfolg erzeugen kann wie beide strategischen Orientierungen zusammen.1194 Dieser Befund ist vor allem für die Modelldiskussion in Kapitel 5.5 von Bedeutung.
HIa(+) Interaktionsorientierung (IO)
1a = 0,665***
Beziehungserfolg (RELPERF)
1b = -0,053 (n.s.) 4a 1c = 0,169 *
HIb(+) Neuprodukterfolg (NPS)
HIc(+)
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001
4b
5 wirtschaftlicher Gesamterfolg (OPERF)
Abbildung 50 Partialmodell Interaktionsorientierung
1193
Die Modellierung des MIMIC-Modells als PLS-Pfaddiagramm weist zudem nur eine sehr geringe Varianzaufklärung auf (R2(IO) = 0,065 und R2(LO) = 0,104).
1194
Partialmodell: R2(RELPERF) = 0,432; Gesamtes Strukturmodell: R2(RELPERF) = 0,446.
286
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Besonders interessant erscheint der Pfad IO – NPS. Im Unterschied zur Betrachtung des gesamten Strukturmodells kann im Partialmodell für diesen Pfad keinerlei Signifikanz nachgewiesen werden (p > 0,1). Dennoch trägt der Pfad im Einklang mit den vorherigen Befunden ein negatives Pfadgewicht, was entgegen der Hypothese steht, dass sich Kundeninteraktion positiv auf den Innovationserfolg auswirkt.1195 Im Bewusstsein, dass das Konstrukt Neuprodukterfolg nur ein geringes Bestimmtheitsmaß erreicht (R2 = 0,09 bzw. 0,11 im gesamten Strukturmodell), sollen die Gründe für diesen Befund weiter analysiert werden: Hypothese HIb geht davon aus, dass alltägliche Kundeninteraktionen (auf diese sind die Gestaltungsmerkmale einer strategischen Interaktionsorientierung hauptsächlich ausgerichtet) in der Lage sind, die Entwicklung und den Erfolg von Neuprodukten zu bestimmen. Dahinter steht die Annahme, dass gewonnenes Anwendungswissen nicht nur die aktuelle Problemstellung lösen, sondern auch in neue Produkte und Lösungen eingebunden werden kann. Der Befund des Pfads IO – NPS lässt verschiedene Schlüsse zu: (1) In regulären Kundeninteraktionen gewonnenes Anwendungswissen ist nicht ausreichend oder von einem zu geringen Neuheitsgrad, um die Neuproduktentwicklung und den Neuprodukterfolg positiv zu beeinflussen. Dieser Befund würde implizieren, dass es unterschiedliche Klassen von Anwendungswissen geben muss, die unterschiedliche Methoden bzw. Interaktionsprozesse nutzen.1196 (2) Da reguläre direkte Kundeninteraktionen meist durch Marketing, Vertrieb und Geschäftsführung ausgeführt werden, kann es sein, dass das konkrete Anwendungswissen nur für aktuelle Probleme genutzt wird und nicht gespeichert bleibt. Ohne diesen Vorgang können keinerlei Kollektivierungsprozesse greifen (Nicht-Wollen). (3) Anschließend an den vorherigen Punkt, kann es auch durchaus sein, dass eine Speicherung stattfindet, jedoch die organisationalen Schnittstellen (z. B. zum F&E-Bereich) nicht vorhanden sind, sodass dieses Wissen aus diesem Grund nicht kollektivierbar ist (Nicht-Können).1197 (4) Zusätzlich können noch zwei methodische Einwände vorgebracht werden: Einerseits wurden nur Adressaten befragt, die zumindest im klassischen Verständnis nicht direkt in typische Innovationsprozesse involviert sind. Andererseits wurde die Innovation in der Untersuchung relativ undifferenziert eingesetzt. Beide Aspekte könnten zu Verzerrungen führen. Für jeden der angeführten Aspekte findet sich Unterstützung in Theorie und Praxis. Der Einsatz spezieller Methoden im Innovationssektor, wie z. B. Lead-User-Studien, Delphi-Methode, Ideenwettbewerbe etc. lässt vermuten, dass die Generierung von Anwendungswissen für größere Entwicklungs-/Innovationsschritte andere Methoden erfordert (vgl. Punkt 1). Unterstützende Aussagen für diese These lassen sich auch aus den explorativen Interviews dieser Studie ziehen:
1195
Vgl. Kapitel 3.2.3.3.
1196
Vgl. z. B. die Lead-User-Methode bei v. Hippel (1986).
1197
Die Punkte 2 und 3 finden teilweise Unterstützung in dem Befund in Kapitel 5.4.3.1.2.
5.4 Deskriptive und partielle Analysen
287
„Very few customers provide input about anything in the future. 99.9% of the explicated wants of a customer are provided for the period of three to six months into the future. That is a short focal point.“1198
Eigene Studien der elektronisch unterstützten Zusammenarbeit von Gruppen in einem Elektronik-/Elektrotechnikunternehmen im Industriegütersektor liefern Erkenntnisse darüber, dass sowohl Nicht-Können (fehlende Schnittstellen) als auch Nicht-Wollen (Motivationsaspekte) bei der Kollektivierung von Anwendungswissen auftreten (vgl. Punkte 2 und 3).1199 Letztlich liefern die Studien von GRUNER (1997) und GRUNER/HOMBURG (2000) Belege, dass die einzelnen Schritte von Innovationsprozessen in unterschiedlichem Maße auf die Interaktion mit Kunden angewiesen sind.1200 Die Ergebnisse von GRUNER/HOMBURG (2000) zeigen, dass in der Engineering-Phase, d. h. die Phase, in der es beispielsweise um Modifikationen geht, viel bereits existierendes Anwendungswissen/Know-how des Anbieterunternehmens in Interaktionen von Bedeutung ist. Obwohl die Ergebnisse nicht signifikant sind, weist auch hier der entsprechende Koeffizient ein negatives Vorzeichen auf.1201 Damit liefern die Ergebnisse Hinweise, dass die Konzeptualisierung der IO möglicherweise Aspekte betont, die in der Engineering-Phase benötigt werden (vgl. Punkt 4). Dieser Schluss muss aber nicht notwendigerweise ein berechtigter methodischer Einwand sein, da die Nähe von Kundeninteraktion und Engineering aufgrund komplexer Problemstellungen in Industriegütermärkten durchaus beobachtbar ist.
5.4.2.2
Lernorientierung
Abbildung 51 zeigt das Partialmodell für die strategische Lernorientierung. Zur Überprüfung der Gütemaße des Modells wird wiederum auf Kapitel 5.2.2 verwiesen. Die Ergebnisse der Hypothesentests des Partialmodells bestätigen die Befunde des gesamten Modells und werden daher im Folgenden nicht weiter diskutiert. Im Vergleich zum Partialmodell des IO-Konstrukts kann der Einfluss des LO-Konstrukts einen wesentlich geringeren Varianzanteil des Konstrukts Beziehungserfolg aufklären.1202 Auch dies ist ein Befund, der in Kapitel 5.5 erneut aufgegriffen werden wird. Der starke Unterschied des LO – RELPERF-Pfadgewichts im Gesamt- und Partialmodell ist ein Indiz dafür, dass auch das Zusammenspiel der beiden strategischen Orientierungen betrachtet werden muss.
1198
Zitat aus einem Interview mit einem Technologie-/Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Elektronik/ Elektrotechnik.
1199
Bisher unveröffentlichte Diplomarbeit zum Thema „Management of Inter-Relationships: Ontologies as a Means to Enhance Interactions between Disparate Groups“ am Lehrstuhl für Information, Organisation und Management, Technische Universität München.
1200
Vgl. Gruner/Homburg (2000), S. 10 f. und Cooper (1993), S. 58 f.
1201
Vgl. Gruner/Homburg (2000), S. 10. Ähnliche Ergebnisse zeigen Stump/Athaide/Joshi (2002) für „product knowledge generation activities of customization“ auf Zufriedenheit.
1202
Partialmodell: R2(RELPERF) = 0,265; Gesamtes Strukturmodell R2(RELPERF) = 0,454.
288
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Beziehungserfolg (RELPERF)
HIIa(+)
4a
2a = 0,514*** Neuprodukterfolg (NPS)
4b
HIIb(+) 2b = 0,102 (n.s.) HIIc(+) Lernorientierung (LO)
2c = 0,050 (n.s.)
5 wirtschaftlicher Gesamterfolg (OPERF)
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001
Abbildung 51 Partialmodell Lernorientierung
Für LO lässt sich im Unterschied zur IO kein direkter Zusammenhang auf den wirtschaftlichen Gesamterfolg belegen. Damit wird das Dilemma organisationalen Lernens deutlich: Obwohl positive Auswirkungen auf verschiedenste Unternehmensbereiche existieren und nachgewiesen werden können, ist der direkte Nachweis in Form direkter Verbesserungen von Finanzkennzahlen schwierig.1203 Sowohl die Nichtsignifikanz als auch das wechselnde Vorzeichen des Pfadgewichts in der Gesamt- und Partialanalyse wird in dieser Untersuchung einerseits als Ausdruck der indirekten Wirkung von Lernprozessen gewertet und andererseits als Indiz dafür, dass organisationales Lernen nicht nur mit Nutzen verbunden wird, sondern auch mit Kosten.1204 Das Partialmodell deutet ebenfalls auf die positive Wirkung der Lernorientierung bzw. organisationalen Lernens auf den Innovationserfolg (LO – NPS) hin. Im Vergleich zu anderen Studien fällt das Pfadgewicht jedoch relativ gering und nicht signifikant aus.1205 Analog zur Argumentationslinie beim IO-Konstrukt1206 kann hier ebenfalls angeführt werden, dass die untersuchten Gestaltungsmerkmale schwerpunktmäßig auf reguläres Lernen im Vertriebsprozess ausgerichtet sind und bewusst keine Mitarbeiter aus typischen Innovationsbereichen in die Untersuchung einbezogen wurden. Bisher unbeantwortet sind die beiden Fragen, die zu Beginn des Kapitels 5.4.2 aufgeworfen wurden. Die Ausprägung beider strategischer Orientierungen hat eine starke Auswirkung auf den 1203
Baker/Sinkula (2005), S. 493 weisen z. B. die Ausprägung bestimmter Lernstrategien auf den Gesamterfolg über Innovations- und Neuprodukterfolg nach. Die in Kapitel 3.3.2.3 dargestellten Erfolgsnachweise verwenden oft subjektive Kriterien oder beziehen vorökonomische Größen ein, sodass beide Aussagen in dieser Untersuchung koexistieren können. Vgl. auch Wildemann (1995), S. 19.
1204
Vgl. Kapitel 3.3.1.
1205
Vgl. z. B. Baker/Sinkula (1999a), S. 304 oder Calantone/Cavusgil/Zhao (2002), S. 522. Wird lediglich ein einseitiger t-Test verwendet, ist der Pfad LO – IO signifikant auf dem 10 %-Niveau.
1206
Vgl. dort die Punkte 1 und 4.
5.4 Deskriptive und partielle Analysen
289
Beziehungserfolg. Interaktionsorientierung wirkt dabei direkter, sodass neben einem Zusammenhang zu vorökonomischen Erfolgsgrößen auch ein Zusammenhang zum wirtschaftlichen Gesamterfolg nachweisbar ist. Lernorientierung hingegen wirkt indirekter als IO. Hier sind nur Zusammenhänge zu vorökonomischen Erfolgsgrößen nachweisbar. Die Frage, welche strategische Ausrichtung im Zweifel zuerst verfolgt werden sollte, lässt sich jedoch ohne eine strategische Zielsetzung nicht sinnvoll beantworten und kann deshalb erst in Kapitel 6 erfolgen. Die getrennte Betrachtung der Partialmodelle verstärkt die Vermutung eines synergetischen Zusammenhangs beider strategischer Orientierungen.
5.4.3
Deskriptive Analyse einzelner Gestaltungselemente
Die nun folgende deskriptive Analyse dient hauptsächlich der Vorbereitung der praxeologischen Konsequenzen (vgl. Forschungsfrage II) in Kapitel 6 Diesem Abschnitt liegt ein selektives Vorgehen zugrunde: Lediglich besonders hervortretende Ergebnisse werden hier detailliert betrachtet.
5.4.3.1
Interaktionsorientierung
Einbezogen in die weitere Analyse der Dimensionen der Interaktionsorientierung werden die neue Werte- bzw. Normdimension Customer Problem Understanding (CPU) sowie die beiden Dimensionen Interaction Responce Capacity (IRC) und Customer Empowerment (CE), die Praktiken und Prozesse als konkrete Realisierungen einer Interaktionsorientierung betrachten.1207 5.4.3.1.1
CPU – Customer Problem Understanding/Verständnis für Kundenprobleme
Interaktionsorientierung wird durch die Norm des Verständnisses für Kundenprobleme (CPU) bzw. der Wertschätzung für Kundenprobleme positiv beeinflusst. Die Mittelwerte für die einzelnen, gemessenen Indikatoren implizieren erwartungsgemäß eine generell hohe Bedeutung von Kundenproblemen in Industriegüterunternehmen. Die einzelnen Indikatoren messen die CPU-Dimension zwar reflektiv, zeigen die Dimension jedoch in unterschiedlichen Facetten und Zusammenhängen, sodass eine deskriptive Analyse der einzelnen Items dennoch dazu geeignet ist, Aussagen über die unterschiedlichen Zusammenhänge zu generieren. Gegenüber dem allgemein gehaltenen Indikator CPU1 fallen die Mittelwerte für CPU2 und CPU3 geringer aus (vgl. Abbildung 52). Während sich CPU1 auf das Verständnis von Problemen eigener Kunden richtet, untersucht CPU3 das Bestreben, die Probleme der eigentlichen Endkunden („Kunden unserer Kunden“) zu verstehen. Entsprechend den Erwartungen fällt das Bestreben, die Probleme der Endkunden zu verstehen, geringer aus als das Bestreben um das Verständnis der Probleme des direkten Kunden.
1207
Da alle erhobenen Indikatoren in qualitativen Interviews bestätigt wurden bzw. daraus abgeleitet sind, werden in der deskriptiven Analyse auch die Indikatoren betrachtet, die in der Validierungsphase eliminiert wurden.
290
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Der Aspekt der Nähe zum Kunden bzw. Endkunden ist hier von Bedeutung. HOMBURG (2000) zeigt, dass Kundennähe von Industriegüterunternehmen zu positiven Effekten auf die Profitabilität führt.1208 Dabei wirkt die Kundennähe des Leistungsangebots stärker positiv auf die Profitabilität als die Kundennähe des Interaktionsverhaltens.1209 Werden diese Erkenntnisse in die Analyse der CPU-Dimension einbezogen, lässt sich ein Problem erklären, das typisch für Industriegütermärkte ist. Die letztendliche Verwendung des Produkts findet beim Endkunden statt, dieser beeinflusst demnach stark die Nähe des Leistungsangebots und damit auch die Profitabilität des Unternehmens. Eben jener indirekten Kundengruppe räumen die Befragten dieser Untersuchung jedoch weniger Raum ein. Damit steigt die Gefahr für Industriegüterunternehmen, marktferne Leistungen anzubieten.1210 Mein Unternehm en/m eine Geschäftseinheit …
CPU1 – versucht aktiv, die Geschäftsprozesse und Probleme der Kunden zu verstehen.
1,59
CPU2 – verfügt über eine systematische Vorgehensw eise zur Analyse individueller Kundenprobleme.
2,87
CPU3 – versucht aktiv, die Problemstellungen der Endkunden (Kunden unserer Kunden) zu verstehen.
2,06
1
2
stimme voll und ganz zu
3
4
5
6
7
stimme überhaupt nicht zu
Abbildung 52 Deskriptive Analyse des Verständnisses für Kundenprobleme (CPU)
Eine ähnliche Diskrepanz kann zwischen CPU1 und CPU2 beobachtet werden: Während CPU1 Kundenprobleme allgemein thematisiert, untersucht CPU2 explizit die Vorgehensweise bei individuellen Kundenproblemen. Dies unterstreicht die Erkenntnisse der Experteninterviews, wonach die von RAMANI/KUMAR (2008) angeführte, extrem individualisierte Perspektive in Industriegütermärkten (noch) nicht Realität ist.
1208
Vgl. Homburg (2000), S. 176 ff.
1209
Vgl. Homburg (2000), S. 179.
1210
Kleinaltenkamp/Rudolph (2002), S. 291 ff. zeigen Wirkungsmechanismen und Lösungsmöglichkeiten im mehrstufigen Marketing.
5.4 Deskriptive und partielle Analysen
291
CPU-Werte produkt- und lösungsorientierter Unternehm en
eher lösungsorientierte Unternehmen
2,03*
eher produktorientierte Unternehmen
2,35*
1
2
3
4
5
stimme voll und ganz zu
6
7 stimme überhaupt nicht zu
* Mittelw ertvergleich signifikant mit p < 0,05
Abbildung 53 CPU und Lösungsorientierung
Abbildung 53 zeigt abschließend den Einfluss des Grades der Lösungsorientierung auf die Wert- bzw. Normdimension CPU. Erwartungsgemäß zeigen Unternehmen, die angeben, überdurchschnittlich lösungsorientiert zu sein, eine bessere Ausprägung der CPUDimension.1211 Interessanterweise ergibt die differenziertere Betrachtung auf Basis der einzelnen Indikatoren eben diesen signifikanten Unterschied der Mittelwerte nur für die Indikatoren CPU2 und CPU3, d. h. diejenigen Items, in denen die Individualisierung des Kundenproblems und die Bedeutung der Endkundenprobleme untersucht werden. Dieser Aspekt sollte für die detaillierte Konzeptualisierung einer Lösungsorientierung von Bedeutung sein. 5.4.3.1.2
IRC – Interaction Response Capacity/Interaktionsfähigkeit
Die IRC-Dimension wies im Rahmen der Validierung des Messmodells die Besonderheit auf, dass eine starke Beziehung zur CPU-Dimension existiert, jedoch nur eine schwache Verbindung zum IO-Konstrukt. Bei der Analyse der einzelnen Indikatoren ist ein negativer „Ausreißer“ besonders bemerkenswert (vgl. Abbildung 54). IRC3 fragt nach der Analyse bestehender Kundendaten zur Optimierung der zukünftigen Kundeninteraktion und Entwicklung. Erstaunlicherweise zeigen die Praktiken und Prozesse mit Zukunftsbezug die geringste Ausprägung. Dieser Befund impliziert, dass die regelmäßige Interaktion von Unternehmen stärker auf das „Hier und Jetzt“ bzw. die Vergangenheit gerichtet ist als auf die zukünftige Existenzsicherung, das heißt z. B. ihre Innovationsfähigkeit. Diese Erkenntnis unterstützt die Vermutung in Kapitel 5.4.2.1, wonach die nicht messbare Wirkung von Interaktionsorientierung auf den Neuprodukterfolg auf Nicht-Wollen oder Nicht-Können der Organisation(smitglieder) zurückzuführen ist.1212 Aufgrund der Tatsache, dass die Befragten aber angeben, mit diversen bestehenden 1211
Der Mittelwertunterschied ist signifikant auf dem 5 %-Niveau.
1212
Vgl. dort die Punkte 2 und 3.
292
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Systemen Kundendaten zu erfassen, lässt sich die Vermutung ableiten, dass die resultierende Datenbasis eine zu gering genutzte Ressource in Industriegütermärkten ist. Ein Vergleich der Bewertungen der Interaktionsfähigkeit (IRC-Ausprägung) der Befragten mit hohen und niedrigen Ausprägungswerten der relativen Interaktionshäufigkeit und Interaktionsintensität zeigt wenig überraschende Ergebnisse: Diejenigen Unternehmen, die überdurchschnittlich häufig und intensiv interagieren, besitzen stärker ausgeprägte Praktiken und Prozesse im Bereich der Interaktionsfähigkeit.1213 Über die Richtung des Kausalzusammenhangs kann hier jedoch keine Aussage getroffen werden, da beide Richtungen sinnvoll begründbar sind. Die Erkenntnisse der Konstruktvalidierung und der Identifizierung von IO als strategische Handlungsoption deuten jedoch an, dass Interaktionsintensität und -häufigkeit zumindest teilweise durch die existierenden Praktiken und Prozesse bestimmt werden. Mein Unternehm en/m eine Geschäftseinheit ... IRC1 – verw endet formale Systeme, die stets Informationen zu einzelnen Kunden(trans)aktionen aufzeichnen.
3,00
IRC2 – kann alle Transaktionen identifizieren, die einem einzelnen Kunden zuzuordnen sind.
2,52
IRC3 – analysiert Transaktionen, um zukünftige Transaktionen, Bedürfnisse und Potenziale einzelner Kunden frühzeitig zu erkennen.
3,36
IRC4 – ermöglicht allen Mitarbeitern mit Kundenkontakt jederzeit Zugriff auf Informationen zu einzelnen Kunden.
2,76
IRC5 – ordnet systematisch Vertriebs- oder Support-Mitarbeiter längerfristig einzelnen Kunden zu.
2,40
IRC6 – bearbeitet Anfragen mit höherer Komplexität oder Individualität in eigenen Abteilungen.
2,50
1
2
3
stimme voll und ganz zu
4
5
6
7
stimme überhaupt nicht zu
Abbildung 54 Deskriptive Analyse der Interaktionsfähigkeit (IRC)
1213
Die Mittelwertvergleiche sind signifikant auf dem 5 %-Niveau. Interaktionsintensität und -häufigkeit wurden mit jeweils einem Indikator gemessen, IRC wurde als Mittelwert der drei Indikatoren des Messmodells berechnet.
5.4 Deskriptive und partielle Analysen
5.4.3.1.3
293
CE – Customer Empowerment/Kundenmotivation
Die CE-Dimension beschreibt die Praktiken und Prozesse, mit denen Anbieterunternehmen ihre Kunden zur Interaktion anregen. Besonders auffällig ist der Indikator CE2. Die Förderung des Meinungsaustauschs zwischen Kunden (Communities) erhält einen signifikant schlechteren Mittelwert im Vergleich aller CE-Indikatoren (vgl. Abbildung 55). Dieser Effekt trägt maßgeblich zur Eliminierung des Indikators im Rahmen der Konstruktvalidierung bei. Die Praktiken und Prozesse zur Kundenmotivation weisen signifikant unterschiedliche Mittelwerte auf, wenn überdurchschnittlich häufig interagierende Unternehmen mit Unternehmen verglichen werden, die seltener als der Durchschnitt mit ihren Kunden in Austausch treten. Das gleiche Bild ergibt sich, wenn die CE-Werte von Unternehmen mit hohen bzw. niedrigen Kundeninteraktionsintensitäten gegenübergestellt werden.1214 Signifikante Unterschiede der CE-Werte ergeben sich hingegen nicht für einen Vergleich der Werte von Unternehmen mit unterschiedlichem Neuprodukterfolg.1215
Mein Unternehm en/m eine Geschäftseinheit erm untert die Kunden aktiv dazu, …
CE1 - ihre Meinungen zu unseren Produkten und Services dem Unternehmen mitzuteilen.
2,29
CE2 - ihre Meinungen zu unseren Produkten mit anderen Kunden auszutauschen.
3,71
CE3 - Ideen zu Neu- und Weiterentw icklungen dem Unternehmen mitzuteilen.
2,46
CE4 - bei der Entw icklung neuer Produkte und Services in einem interaktiven Austausch mitzuw irken.
2,75
1
2
3
stimme voll und ganz zu
4
5
6
7
stimme überhaupt nicht zu
Abbildung 55 Deskriptive Analyse der Kundenmotivation (CE)
Die Ergebnisse dieses Abschnitts implizieren, dass die Häufigkeit und Intensität der Interaktion mit dem Kunden durch Maßnahmen des Customer Empowerments verändert werden kann. 1214
Mittelwerte, der Indikatoren des CE-Messmodells: 2,14 (Gruppe mit höherer Kundeninteraktionshäufigkeit) vs. 2,70 (Gruppe mit niedrigerer Interaktionshäufigkeit) und 2,21 (Gruppe mit höherer Kundeninteraktionsintensität) vs. 2,77 (Gruppe mit niedrigerer Interaktionsintensität). Die Mittelwertunterschiede sind signifikant auf dem 1 %-Niveau. Kundeninteraktionshäufigkeit und -intensität wurden mit einem Indikator gemessen. Der gleiche Effekt tritt auf, wenn die Indikatoren einzeln betrachtet werden (p < 0,05).
1215
Neuprodukterfolg wurde über den Mittelwert der reflektiven Indikatoren aus Kapitel 5.1 gemessen.
294
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Abschließend ist festzuhalten, dass die Nutzung und das Management von CommunityInformationen bzw. der Einbindung von Kunden-Communities eine interessante Handlungsoption zur Realisierung einer strategischen Interaktionsorientierung darstellt und derzeit in Industriegütermärkten unterrepräsentiert ist (z. B. durch eine Intensivierung der Kundenbeziehung und Kundenbindung, die Nutzung der „Botschafter“-Funktion des Kunden oder die Verbesserung des Zugangs zu Lead Usern). Belege für die Wirkung der Einbindung von Communities auf den Innovationserfolg1216 konnten in dieser Untersuchung jedoch nicht erbracht werden.
5.4.3.2
Lernorientierung
Analog zum Vorgehen bei der Interaktionsorientierung werden auch die Praktiken und Prozesse des Konstrukts Lernorientierung einer deskriptiven Analyse unterzogen. 5.4.3.2.1
TIP – Transfer and Integration Processes/Transfer- und Integrationsprozesse
In der TIP-Dimension wurden Praktiken und Prozesse zusammengefasst, die das Informationsund Kollektivierungsproblem als Element des organisationalen Lernens beschreiben. In m einem Unternehm en/m einer Geschäftseinheit …
TIP1 – gibt es Systeme, die Kunden- und Branchenw issen im Unternehmen zugänglich machen.
3,46
TIP2 – w ird Kunden- und Branchenw issen gezielt auf informellem Weg gesammelt (z. B. Gespräche mit Handelspartnern und Branchenkennern).
3,20
TIP3 – w erden unabhängig von der Organisationsebene Misserfolge und Fehler stets diskutiert und analysiert.
3,04
TIP4 – gibt es systematische Vorgehensw eisen und Tools zur Verteilung relevanter Informationen im Unternehmen.
3,14
TIP5 – haben Mitarbeiter die Möglichkeit, sich untereinander über aussichtsreiche Ideen, Programme und Aktivitäten auszutauschen.
2,72
TIP6 – bleibt Erlerntes aufgrund des Einsatzes verschiedener Instrumente (z. B. Routinen oder Datenbanken) auch dann erhalten, w enn Mitarbeiter ausscheiden.
3,41
1
2
3
4
stimme voll und ganz zu
5
6
Abbildung 56 Deskriptive Analyse der Transfer- und Integrationsprozesse (TIP)
1216
Vgl. z. B. West/Lakhani (2008), S. 6 und Kuß/Tomczak (2007), S. 230 ff.
7
stimme überhaupt nicht zu
5.4 Deskriptive und partielle Analysen
295
Im Vergleich zur Dimension für unterstützende Praktiken und Prozesse für Kundeninteraktionen (IRC) weist die TIP-Dimension insgesamt niedrigere Ausprägungswerte auf (vgl. Abbildung 56). Die Indikatoren für die einzelnen Bereiche Akquisition, Distribution/Interpretation und Speicherung weisen ähnliche Ausprägungen auf. Interessanterweise zeigen die Praktiken und Prozesse am Anfang und Ende des Informationsprozesstrichters (vgl. Abbildung 8 auf Seite 47) die schlechtesten Ausprägungswerte. Obwohl die Ausschläge nicht erheblich sind, sind sie doch bedenklich, da dies einerseits ein Anzeichen dafür ist, das relativ gesehen zu den Praktiken und Prozessen im weiteren Kollektivierungsprozess zu wenig (Anwendungs-)Wissen in das Unternehmen gelangt.1217 Andererseits geht zu viel wertvolles (Anwendungs-)Wissen, das in Mitarbeitern „verankert“ ist, im Falle ihres Ausscheidens zum Teil unwiederbringlich verloren. Auf Ebene der einzelnen Indikatoren zeigen weder der Vergleich zwischen großen und kleinen Unternehmen (Mitarbeiteranzahl) noch die Gegenüberstellung von alten und jungen Unternehmen nennenswerte Unterschiede in der Ausprägung der TIP-Praktiken und -Prozesse. An dieser Stelle muss aber eine Erkenntnis der explorativen Interviews in Erinnerung gerufen werden, wonach eine sehr hohe Bandbreite an Informations- und Kollektivierungsmechanismen zur Realisierung der TIP-Dimension existiert. So ist zu vermuten, dass zwar die Ausprägung der TIP-Dimension in unterschiedlich großen bzw. alten Unternehmen keine signifikanten Unterschiede erkennen lässt, dass jedoch die Realisierung (in Form technischer Systeme, Praktiken oder Prozesse) sehr unterschiedlich gestaltet ist.
TIP-Werte von Unternehm en m it geringem und hohem Neuprodukterfolg
Unternehmen mit höherem Neuprodukterfolg
2,93*
Unternehmen mit geringerem Neuprodukterfolg
3,47*
1
2
3
4
5
stimme voll und ganz zu
6
7 stimme überhaupt nicht zu
* Mittelw ertvergleich signifikant mit p < 0,01
Abbildung 57 TIP und Neuprodukterfolg
Konzeptualisierungen einer Lernorientierung, die Transfer- und Integrationsprozesse beinhalten, finden sich in der Literatur als Vorbedingung für Innovativität und Neuprodukterfolg.1218 Der positive Effekt der Ausprägung von Informationsprozessen und -praktiken zeigt sich als 1217
Vgl. z. B. Foss/Laursen/Pedersen (2006).
1218
Vgl. z. B. Calantone/Cavusgil/Zhao (2002).
296
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
signifikanter Effekt auf dem 5 %-Niveau in dieser Analyse:1219 Unternehmen mit überdurchschnittlich hohem Neuprodukterfolg verfügen demzufolge über eine höhere Ausprägung der Praktiken bzw. Prozesse, die die TIP-Dimension abbilden. Dieses Ergebnis ist im Einklang mit LAURSEN/SALTER (2006), in deren Arbeit eine ähnliche Kausalkette wie in der TIP-Dimension zu finden ist.1220 5.4.3.2.2
HRP – HR Practises/HR-Praktiken
Die HRP-Dimension wurde als Verfügbarkeit von Personalentwicklungsmöglichkeiten mit vier Indikatoren konzeptualisiert (vgl. Abbildung 58). Innerhalb der vier Operationalisierungen ist die signifikant geringere Ausprägung des Items „Persönliche Entwicklungspläne für Mitarbeiter“ auffällig. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass Weiterbildung in der Praxis oft ungeplant erfolgt, was auf weiteres Potenzial für individuelles und organisationales Lernen schließen lässt. Nicht in dieser Untersuchung verwendete Indikatoren deuten zudem darauf hin, dass Weiterbildungsmaßnahmen nicht nur in zu geringem Maße geplant, sondern auch ineffizient incentiviert werden.
Praktiken der Personalentw icklung
HRP1 – Persönliche Entw icklungspläne für Mitarbeiter
3,96
3,22
HRP2 – Firmeninterne Weiterbildungen
HRP3 – Firmenexterne Weiterbildungen
3,28
HRP4 – Unterstützung der Weiterbildung durch das Unternehmen (z. B. durch Freistellungen, Zuzahlungen)
3,29
1
2
stimme voll und ganz zu
3
4
5
6
7
stimme überhaupt nicht zu
Abbildung 58 Deskriptive Analyse der HR-Praktiken (HRP)
1219
Der Effekt zeigt sich sowohl für den Mittelwert der Indikatoren des Messmodells (p < 0,01) als auch in der Betrachtung aller Indikatoren einzeln (p < 0,05). Neuprodukterfolg wurde über den Mittelwert der reflektiven Indikatoren aus Kapitel 5.1 gemessen.
1220
Vgl. z. B. Laursen/Salter (2006): Interaction with Customers (Involvement in Development Projects, Communication with Customers) Æ Knowledge Sharing Æ Innovation Capacity.
5.5 Modellierung der Wechselwirkungen zwischen Interaktions- und Lernorientierung
297
Die Verfügbarkeit und der Einsatz interner und externer Weiterbildungen ist in Unternehmen mit höherem Neuprodukterfolg signifikant höher als bei Unternehmen mit geringerem Neuprodukterfolg (p < 0,05). Demzufolge scheint individuelle Weiterbildung auch die Bedingung für die Innovationskraft des ganzen Unternehmenssystems zu sein. Nicht überraschend erscheint, dass größere Unternehmen (Mitarbeiteranzahl) eine höhere Verfügbarkeit interner und externer Weiterbildungen gewährleisten bzw. diese dort stärker zum Einsatz kommt.1221 In der Zusammenschau der deskriptiv untersuchten Dimensionen wird klar, dass zwei „Empowerment“-Konstrukte existieren, die anhand der Systemgrenze des Unternehmens unterschieden werden können: Während CE sich auf die Kunden (Umwelt) fokussiert, richtet sich HRP auf die Mitglieder des Systems „Unternehmen“. Bisher wurden in diesem Kapitel das angenommene Strukturmodell und seine Elemente empirisch überprüft. Das nächste Teilkapitel tritt nochmals einen Schritt zurück und stellt die Frage, inwieweit das zugrunde liegende Strukturmodell dem synergetischen Wechselspiel zwischen Interaktions- und Lernorientierung gerecht wird.
5.5
Modellierung der Wechselwirkungen zwischen Interaktions- und Lernorientierung
Das detaillierte Strukturmodell in Kapitel 5.2 suggeriert einen synergetischen Effekt zwischen Interaktions- und Lernorientierung im Sinne einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz. Im bisherigen Verlauf der Untersuchung wurde ein direkter, positiver Pfad von LO auf IO angenommen und theoretisch fundiert (vgl. Kapitel 2.4 und 5.2). Den empirischen Beleg zugunsten dieses Modells und entgegen weiterer, möglicher Modelle, bleibt diese Arbeit bislang jedoch schuldig. Dieser noch fehlende Untersuchungsschritt wird in diesem Abschnitt behandelt und bereitet damit die Beantwortung der zentralen ersten Forschungsfrage vor. Bereits Kapitel 4.3 lieferte erste Indizien zur Beantwortung der Frage nach den Wechselwirkungen zwischen IO und LO. Dort wurde zum einen empirisch festgestellt, dass IO und LO unterschiedliche Sachverhalte messen. Entsprechend der theoretischen Fundierung wurde zum anderen die Wirkung beider strategischer Orientierungen auf eine KIK empirisch belegt. Darüber hinaus wurde ebenfalls vermutet, dass nicht zu vernachlässigende Zusammenhänge zwischen IO und LO existieren. Einen weiteren Aspekt zur Beantwortung der Wechselwirkungsfrage stellen die Ergebnisse der Analyse der Partialmodelle in Kapitel 5.4.2 dar. Sowohl IO als auch LO weisen hohe signifikante Pfade zum Konstrukt Beziehungserfolg auf (1a = 0,665 und 2a = 0,514). Während Interaktionsorientierung in dem entsprechenden Teilmodell eine ähnlich hohe Varianzaufklärung des 1221
Der Mittelwertvergleich ist signifikant auf dem 5 %-Niveau.
298
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Konstrukts Beziehungserfolg leisten kann wie das Gesamtmodell, unterschreitet der R2-Wert des LO-Partialmodells den Wert des Gesamtmodells deutlich. Dies bedeutet einerseits, dass beide Konstrukte einen signifikanten Einfluss auf den Beziehungserfolg haben. Andererseits deuten die hohen Pfadwerte gepaart mit den Veränderungen der Bestimmtheitsmaße darauf hin, dass LO durch IO mediiert wird. Die Befunde der Gesamt- und Partialanalysen weisen den Pfaden IO/LO Æ RELPERF eine besonders hohe Bedeutung zu. Aus diesem Grund fokussiert sich die folgende Diskussion auf dieses Partialmodell und belässt die Erfolgskonstrukte NPS und OPERF außerhalb der Modellanalyse.1222 Für das Zusammenspiel von IO und LO sind verschiedene Modelle denkbar (vgl. Tabelle 62). Wirken die strategischen Orientierungen unabhängig voneinander, existieren nur direkte Effekte auf endogene Konstrukte (Modell 0). Wirken IO und LO auch als Prädiktoren in gegenseitiger Abhängigkeit zueinander, gibt es zwei grundsätzliche Formen: Moderatoreneffekte und Mediatorbeziehungen.1223 Die erstgenannten Moderatoreneffekte wurden bereits in Kapitel 5.3 dargestellt (Modelle 1 mit 2).1224 Mediation hingegen kann wie folgt beschrieben werden: „Eine Variable wird dann als Mediator bezeichnet, wenn eine Prädiktorvariable zuerst einen Effekt auf die Mediatorvariable bewirkt und diese wiederum die Prognosevariable beeinflusst.“1225 Die Mediatorbeziehung kann entweder als vollständiger (Modelle 3 mit 4) oder als partieller Mediationseffekt, d. h. als mediierender und direkter Effekt (Modelle 5 mit 6), auftreten. In der Literatur findet sich eine ähnliche Diskussion über das Zusammenwirken des inhaltlich nahen MO-Konstrukts mit dem LO-Konstrukt.1226 BAKER/SINKULA (1999B) stellen beispielsweise eine moderierende Wirkung von LO fest. FARRELL/OCZKOWSKI (2002) finden heraus, dass MO allein umfassender gegenüber den meisten Erfolgsvariablen wirkt als das LO-Konstrukt.1227 Sie schließen daraus: „ […] market orientation is the pre-eminent strategy.“1228 Eine ähnliche Schlussfolgerung erscheint auf Basis der Ergebnisse der Partialmodelle auch für das Verhältnis zwischen IO und LO denkbar. Trotz dieser Feststellungen sehen FARRELL/OCZKOWSKI (2002) LO als Prädiktor für MO, d. h. als „[…] underlying set of organizational values […] from which market orientation is developed.“1229 Die Übertragung dieser Aussagen auf den Sachverhalt dieser 1222
Die Verwendung der PLS-Methode zur Schätzung der Teilmodelle führt dazu, dass in Tabelle 62 unterschiedliche Werte für Pfade, t-Werte und R2-Werte erscheinen.
1223
Vgl. z. B. Müller (2007a), S. 245.
1224
Der Moderatoreffekt zwischen X1 und X2 wird mit einem Interaktionsterm in Regressionsgleichungen integriert: Y = 0 + 1X1 + 2X2 + 12X1X2 + e.
1225
Müller (2007a), S. 253.
1226
Vgl. Tabelle 17 in Kapitel 3.3.2.3.
1227
Vgl. Farrell/Oczkowski (2002), S. 207 ff. Diese Beobachtung konnte nicht für NPS und Sales Growth gemacht werden. Auch Zhou/Yim/Tse (2005), S. 46, 50 stellen die Mediationshypothese auf und könnten diese z. T. empirisch belegen.
1228
Farrell/Oczkowski (2002), S. 209.
1229
Farrell/Oczkowski (2002), S. 201 f.
5.5 Modellierung der Wechselwirkungen zwischen Interaktions- und Lernorientierung
299
Untersuchung lässt auf eine Mediatorbeziehung zwischen LO und IO schließen (mit IO als Mediatorvariable). Modell/Pfad
Pfadgewicht
t-Wert/p-Wert [500 W.]
t-Wert/p-Wert [1.000 W.]
R2-Werte
Modell 0: Direkte Effekte 0,559 9,322 (p < 0,001) 0,179 2,457 (p < 0,05)
9,435 (p < 0,001) 2,480 (p < 0,05)
0,462 (RELPERF)
Modell 1: IO Moderator 0,345 2,258 (p < 0,05) (-0,087) 0,659 (n.s.) 0,437 1,657 (n.s.)
2,321 (p < 0,05) 0,669 (n.s.) 1,646 (n.s.)
0,472 (RELPERF)
Modell 2: LO Moderator 0,345 2,258 (p < 0,05) (-0,087) 0,659 (n.s.) 0,437 1,657 (n.s.)
2,321 (p < 0,05) 0,669 (n.s.) 1,646 (n.s.)
0,472 (RELPERF)
IO LO
REL
IO Æ RELPERF LO Æ RELPERF IO LO
REL
IO Æ RELPERF LO Æ RELPERF IO Æ (LO Æ RELPERF) LO IO
REL
IO Æ RELPERF LO Æ RELPERF LO Æ (IO Æ RELPERF) IO LO
REL
IO Æ RELPERF LO Æ IO
Modell 3: IO Mediator (voll mediiert) 0,655 5,485 (p < 0,001) 5,618 (p < 0,001) 0,394 18,474 (p < 0,001) 20,554 (p < 0,001)
0,429 (RELPERF) 0,477 (IO)
Modell 4: LO Mediator (voll mediiert) 0,515 10,223 (p < 0,001) 10,525 (p < 0,001) 0,205 3,227 (p < 0,01) 3,085 (p < 0,01)
0,265 (RELPERF) 0,616 (LO)
IO LO
REL
LO Æ RELPERF IO Æ LO IO LO
REL
IO Æ RELPERF LO Æ RELPERF LO Æ IO
Modell 5: IO Mediator (direkter Effekt & mediierender Effekt) 0,542 9,694 (p < 0,001) 9,232 (p < 0,001) 0,450 (RELPERF) 0,477 (IO) 0,189 2,746 (p < 0,01) 2,662 (p < 0,05) 0,393 5,604 (p < 0,001) 5,627 (p < 0,001)
IO LO
REL
IO Æ RELPERF LO Æ RELPERF IO Æ LO
Modell 6: LO Mediator (direkter Effekt & mediierender Effekt) 0,527 8,708 (p < 0,001) 8,770 (p < 0,001) 0,440 (RELPERF) 0,617 (LO) 0,198 2,714 (p < 0,01) 2,661 (p < 0,01) 0,210 3,168 (p < 0,001) 3,245 (p < 0,01)
Tabelle 62 Modellvergleich: Zusammenspiel von IO und LO
Zur Feststellung der Art des Zusammenspiels der beiden strategischen Orientierung bedarf es allerdings noch Kriterien anhand derer die Güte der Modelle beurteilt werden können. Da alle drei untersuchten Konstrukte (IO, LO, RELPERF) formativ gemessen sind, scheiden die kovarianzerklärenden Methoden aus, sodass weiterhin auf die Modellanalysekriterien der varianzerklärenden Methoden zurückgegriffen werden muss.1230 Zur Beurteilung dienen damit wiederum Pfadgewichte, Signifikanzen und die Analyse der Bestimmtheitsmaße.
1230
Vgl. Kapitel 4.1.3.3.
300
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Die Modelldiskussion geht von einem Modell aus, das lediglich direkte Effekte der beiden strategischen Orientierungen auf den Beziehungserfolg kennt (Modell 0). Entsprechend den bisherigen Befunden dominiert IO als Prädiktor. Es wird mit einem R2-Wert von 0,46 ein durchschnittliches Bestimmtheitsmaß erreicht. Dennoch trifft das Modell 0 die gleiche Kritik, die auch das KIK-Modell in Kapitel 4.3 trifft: Es ist nicht in der Lage, den theoretisch untermauerten und empirisch belegbaren (z. B. durch signifikante Regressionskoeffizienten) Zusammenhang zwischen IO und LO zu erklären. Da auch das Bestimmtheitsmaß des endogenen Konstrukts in Modell 0 nicht als signifikant besser zu werten ist als in dem bisher angenommenen Modell (Modell 5), kann Modell 0 nicht als eine Modellverbesserung akzeptiert werden. Die Modelle 1 und 2 ergründen im Gegensatz zu Modell 0 den Zusammenhang zwischen IO und LO. Die Ergebnisse der Schätzungen der Modelle 1 und 2 weisen die gleichen Werte auf, da ungeachtet davon, ob IO oder LO den Moderator darstellt, die untersuchte Regressionsgleichung die gleiche bleibt. In beiden Modellen kann die Signifikanz des Interaktionsterms nicht festgestellt werden.1231 Auf Basis dieses Befunds kann nicht von einem signifikanten Moderationseffekt ausgegangen werden, die Modelle 1 und 2 müssen damit ebenfalls verworfen werden. Im nächsten Schritt gilt es, verschiedene Mediatorbeziehungen zu überprüfen (Modelle 3 mit 6). Hierfür ist zunächst zu klären, ob es sich um eine vollständige oder partielle Mediation handeln kann. Hierzu eignen sich die bei EGGERT/FASSOTT/HELM (2005) oder MÜLLER (2007a) beschriebenen Vorgehensweisen.1232 Die ermittelten Pfadkoeffizienten zwischen den jeweils exogenen und endogenen Variablen sind signifikant unterschiedlich von null, was nur noch den Schluss zulässt, dass es sich um eine partielle Mediation handelt. Die Modelle 3 und 4 entfallen damit ebenfalls aus der weiteren Betrachtung.1233 Partielle Mediatorbeziehungen sind in den verbleibenden Modellen 5 mit 6 zu finden. Unklar bleibt, welche der beiden strategischen Orientierungen die Funktion eines Mediators einnimmt. Hinweise hierzu ergeben sich aus der Betrachtung der Bestimmtheitsmaße der Modelle 5 und 6. Der R2-Wert des endogenen Konstrukts ist leicht besser bei Modell 5, das IO als Mediator versteht. Darüber hinaus verbessert sich in Modell 5 der R2-Wert des Mediators IO im Vergleich zum Modell 0 deutlich um 0,12 auf 0,48. Dieser Befund legt die Vermutung nahe, dass die Annahme von FARRELL/OCZKOWSKI (2002), wonach LO eine Vorbedingung darstellt, der Realität entspricht. Eine derartige Verbesserung des Bestimmtheitsmaßes tritt bei Modell 6 für den Mediator LO nicht ein. Folgt man dem Schema von Eggert/Fassott/Helm (2005), werden zunächst die Pfade zwischen der exogenen und der mediierenden Variable sowie zwischen der mediierenden und der endogenen Variable geprüft. Beide Pfade sind in Modell 5 und Modell 6 positiv und signifikant. 1231
Das Vorgehen ist angelehnt an Eggert/Fassott/Helm (2005).
1232
Müller (2007a), S. 254 f. beschreibt die Überprüfung einzelner Regressionen und Eggert/Fassott/Helm (2005), S. 105 f. stellt ein simultanes Verfahren vor. Diese Analyse knüpft an das letztgenannte Verfahren an.
1233
Die Analyse der Pfadgewichte, Signifikanzen und Bestimmungsmaße in Tabelle 62 führt zu den gleichen Schlüssen.
5.6 Standpunkt V: Erfolgswirksamkeit – Beantwortung Forschungsfrage Id
301
Im letzten Schritt wird gefordert, dass der Pfadkoeffizient zwischen der exogenen und der endogenen Variable signifikant kleiner ist als in einem Alternativmodell ohne die Mediatorvariable. In Modell 5 beträgt der Pfadkoeffizient des Pfads LO – RELPERF 0,19 und im Alternativmodell ohne Mediator 0,52. Damit zeigt Modell 5 den signifikant niedrigeren Zusammenhang und erfüllt alle Anforderungen einer Mediation. In Modell 6 beträgt der Pfadkoeffizient des Pfads IO – RELPEF 0,53 im Modell mit und 0,67 im Modell ohne Mediation. Modell 6 erfüllt so die Bedingungen einer Mediation nicht und wird verworfen. Das vermutete Strukturmodell dieser Untersuchung (Modell 5) kann somit bestätigt werden. Der Zusammenhang zwischen LO und IO ist damit sowohl theoretisch fundiert als auch empirisch belegt. Aufgrund der Tatsache, dass beide strategischen Orientierungen direkte positive Erfolgswirkungen haben und ein Mediationseffekt nachgewiesen werden kann, ist das synergetische Zusammenspiel beider Orientierungen im Sinne einer KIK im Modell belegt. In Kapitel 6.1.1 wird die zentrale Bedeutung der Wertschätzungsgrundlage für eine KIK deutlich. Das Kapitel der empirischen Überprüfung wird nun mit der Beantwortung der Teilforschungsfrage Id abgeschlossen.
5.6
Standpunkt V: Erfolgswirksamkeit – Beantwortung Forschungsfrage Id
Die Analysen der vorangegangenen Teilkapitel verfolgten zweierlei Ziele. Einerseits dient die Einbettung der beiden strategischen Orientierungen in ein nomologisches Netz (gesamtes Strukturmodell) als Indiz dafür, dass IO und LO in ihrem Zusammenwirken als organisationale Kundeninteraktionskompetenz interpretiert werden können. Andererseits ermöglicht die Analyse der einzelnen Erfolgswirkungen die Beantwortung der letzten Teilforschungsfrage im Bereich der Forschungsfrage I.1234 Die Beweisführung für den ersten Aspekt wurde bereits in Kapitel 4.3 geliefert, sodass die Ergebnisse dieses Kapitels die dort getroffenen Aussagen untermauern. Dieser Standpunkt widmet sich damit voll und ganz der Beantwortung der Teilfragefrage Id. Der in Kapitel 2.4 dargestellte Unternehmenserfolg erscheint für eine detaillierte Betrachtung der Erfolgswirkungen der untersuchten strategischen Orientierungen zu unspezifisch. Im Einklang mit der Feststellung von BAKER/SINKULA (2005) werden neben dem wirtschaftlichen Gesamterfolg (OPERF) deshalb auch die vor- bzw. zwischenökonomischen Größen Beziehungserfolg (RELPERF) und Neuprodukterfolg (NPS) analysiert.1235 Die interne Struktur der endogenen Konstrukte zeigt erwartungsgemäß eine mediierende Funktion der vor- bzw. zwischenökonomischen Größen RELPERF und NPS.
1234
Eine abschließende Beantwortung der Forschungsfrage I erfolgt in Kapitel 6.
1235
Vgl. Baker/Sinkula (2005), S. 484.
302
5 Empirische Überprüfung der Erfolgswirksamkeit einer Interaktions- und Lernorientierung
Ähnlich der Hypothese von FARRELL/OCZKOWSKI (2002) für das Konstrukt Marktorientierung1236 lautet der Hauptwirkungspfad des gesamten Strukturmodells: LO Æ IO Æ RELPERF Æ OPERF. Darüber hinaus können weitere Zusammenhänge festgestellt werden, die aber aufgrund ihrer Pfadgewichte und Signifikanzen als sekundäre Effekte bezeichnet werden müssen. Interaktionsorientierung zeigt weiterhin einen direkten Effekt auf den OPERF. Für Lernorientierung können zwei weitere positive, direkte Erfolgszusammenhänge auf RELPERF und NPS festgestellt werden. Abgelehnt werden müssen lediglich zwei Kernhypothesen: Erstens kann kein Zusammenhang zwischen LO und dem wirtschaftlichen Gesamterfolg belegt werden (HIIc). Dieser Befund stellt die grundsätzlich positive Haltung vieler Studien gegenüber organisationalem Lernen in Frage.1237 Die Zweifel werden aber relativiert durch die festgestellten erheblichen indirekten Wirkungen einer strategischen Lernorientierung. Zugleich verdeutlicht die Ablehnung der entsprechenden Hypothese jedoch auch das Dilemma von Bildungsinvestitionen in Unternehmen: Einerseits können derartige Investitionen langfristig und indirekt eine starke Wirkung entfalten. Andererseits lässt sich der wirtschaftliche Wert nicht unmittelbar anhand harter Fakten und direkter Erfolgszusammenhänge belegen. Zweitens konnte auf Basis der vorliegenden Daten keine positive signifikante Beziehung zwischen Interaktionsorientierung und Neuprodukterfolg festgestellt werden (HIb). Aufgrund des geringen negativen Pfadgewichts und dem niedrigen Bestimmtheitsmaß des NPS-Konstrukts im gesamten Strukturmodell muss diese Beziehung jedoch mit Vorsicht interpretiert werden.1238 Nichtsdestotrotz scheint die untersuchte Interaktionsorientierung nicht in der Lage zu sein, entsprechendes bzw. relevantes Anwendungswissen für die Entwicklung neuer Produkte zu generieren. Demzufolge kann geschlossen werden, dass es zwei Klassen von Anwendungswissen gibt, die auch unterschiedlicher Interaktionsorientierungen bedürfen.1239 Neben dem gesamten Strukturmodell wurden auch die einzelnen Partialmodelle analysiert. Die jeweiligen Befunde des Strukturmodells konnten im Wesentlichen bestätigt werden. Darüber hinaus zeigt sich, dass das IO-Partialmodell allein eine ähnlich hohe Varianzaufklärung beim Erfolgskonstrukt RELPERF erzeugt, wohingegen das LO-Partialmodell ein wesentlich niedrigeres Bestimmtheitsmaß für das Beziehungserfolgskonstrukt aufweist. Dieses Ergebnis deutet auf eine Mediatorbeziehung zwischen IO und LO hin. Auf Basis dieser einzelnen Erkenntnisse lässt sich nun die vierte Teilfrage (Id) umfassend beantworten (vgl. Kasten weiter unten).
1236
Vgl. Farrell/Oczkowski (2002), S. 210.
1237
Vgl. Fiol/Lyles (1985), S. 803, Palmer/Hardy (2006), S. 198 und Kapitel 3.3.1.
1238
Der Pfad (IO – NPS) ist im IO-Partialmodell nicht signifikant.
1239
Vgl. hierzu den Entwurf einer generellen organisationalen Interaktionskompetenz in Kapitel 2.2.2.3.
5.6 Standpunkt V: Erfolgswirksamkeit – Beantwortung Forschungsfrage Id
303
Für die festgestellten Erfolgswirkungen konnten zudem moderierende Beziehungen für die Größen Grad der Lösungsorientierung und Mitarbeiteranzahl festgestellt werden.1240 Darüber hinaus wurden in diesem Kapitel beide strategischen Orientierungen auf ihre Antezedenzbedingungen hin untersucht. Mit Ausnahme der Mitarbeiteranzahl konnte für keine der erhobenen Antezedenzbedingungen ein signifikanter externer (bzw. durch das Management kaum zu beeinflussender) Einfluss festgestellt werden. Diese Erkenntnis bestätigt zwei implizite Annahmen dieser Untersuchung: Zum einen zeigt die Systemkomplexität (Mitarbeiteranzahl) sowohl moderierende Effekte als auch Antezedenzeffekte für IO und LO.1241 Damit kann gezeigt werden, dass die grundlegenden Gedanken der systemtheoretischen Betrachtung innerhalb des theoretischen Bezugsrahmens der Arbeit zentrale Erklärungsbeiträge liefern können. Zum anderen sind die fehlenden Einflüsse aller verbleibenden erhobenen Antezedenzen Indizien dafür, dass es sich bei IO und LO um echte strategische Handlungsalternativen des Managements handelt. Welche Implikationen sich für eine Kundeninteraktionskompetenz hieraus ergeben, ist die zentrale Frage des nächsten Kapitels. Forschungsfrage Id:
Wie wirken sich die strategischen Orientierungen (1) Interaktionsorientierung und (2) Lernorientierung auf den Unternehmenserfolg (= Beziehungserfolg, Neuprodukterfolg und wirtschaftlicher Gesamterfolg) aus?1242
Antwort Id:
Der festgestellte Hauptwirkungspfad lautet: LO Æ IO Æ Beziehungserfolg Æ Wirtschaftl. Gesamterfolg
Teilantwort (1):
Die Ausprägung einer Interaktionsorientierung beeinflusst den Beziehungserfolg und den wirtschaftlichen Gesamterfolg positiv. Ein positiver Wirkzusammenhang zwischen Interaktionsorientierung und Neuprodukterfolg kann nicht festgestellt werden.
Teilantwort (2):
Die Ausprägung einer Lernorientierung beeinflusst den Beziehungserfolg und den Neuprodukterfolg positiv. Ein positiver Wirkzusammenhang zwischen Lernorientierung und wirtschaftlichem Gesamterfolg kann nicht festgestellt werden.
1240
Vgl. Kapitel 5.3.
1241
Vgl. z. B. auch Aussagen von Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 79 über den sozialen Charakter organisationalen Lernens.
1242
Das Erfolgskonstrukt wird aufgrund der Ergebnisse in Kapitel 5.1 detailliert betrachtet.
6
Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Im Fokus dieser Untersuchung steht die Kundeninteraktionskompetenz von Anbieterunternehmen in Industriegütermärkten. Im Verlauf der Untersuchung wurde der Fokus stark auf die einzelnen Elemente der Kundeninteraktionskompetenz gelegt, d. h. auf die Interaktions- und die Lernorientierung. In diesem Kapitel werden die beiden strategischen Ausrichtungen in ihrem Zusammenspiel als Kundeninteraktionskompetenz betrachtet (vgl. Kapitel 2.4) und entsprechende Implikationen für die Theorie und Praxis abgeleitet. Zunächst werden die Facetten und Erfolgswirkungen einer Kundeninteraktionskompetenz zusammengefasst und diskutiert. Dabei werden die Standpunkte der einzelnen Kapitel integriert, wodurch die erste Hauptforschungsfrage beantwortet werden kann (vgl. Kapitel 6.1). Im zweiten Schritt werden die Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz für die Praxis abgeleitet. In diesem Schritt wird der Standpunkt des strategischen Managements eingenommen und besonders beachtet, dass eine Kundeninteraktionskompetenz nicht nur die Zusammenfassung aller Gestaltungselemente, sondern auch ein aktives Management des Zusammenspiels beider strategischer Orientierungen beschreibt. Aus diesem Grund werden die Praxisimplikationen auf zwei Ebenen dargestellt: Einerseits wird mit der KundeninteraktionskompetenzMatrix der Status des Zusammenspiels der beiden strategischen Orientierung analysiert und entsprechende Normstrategien abgeleitet. Andererseits werden konkrete Gestaltungsempfehlungen für einzelne Elemente der strategischen Interaktions- und Lernorientierung vorgestellt (vgl. Kapitel 6.2). Im abschließenden dritten Schritt werden die Implikationen dieser Untersuchung für die Forschung gewonnen. Aufbauend auf den Erkenntnissen des zweiten Schritts wird damit die zweite Hauptforschungsfrage vollständig beantwortet und ein Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf im Bereich der Kundeninteraktionskompetenz gegeben (vgl. Kapitel 6.3).
6.1
Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten – Konsolidierung und Diskussion
In diesem Teilkapitel werden die Erkenntnisse zu einer Kundeninteraktionskompetenz für Anbieterunternehmen in Industriegütermärkten konsolidiert und diskutiert. Der Aufbau der Untersuchung wurde durch die Teilfragen der ersten Hauptforschungsfrage geleitet, die in diesem Kapitel abschließend beantwortet wird und zugleich die Grundlage für die Beantwortung der zweiten Hauptforschungsfrage ist.
F. Danzinger, Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten doi: 10.1007/978-3-8349-8482-1_6, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
306
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Existiert ein erfolgswirksamer synergetischer Effekt zwischen den strategischen Orientierungen Interaktions- und Lernorientierung im Sinne einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz? Forschungsfrage Ia): Zur Beantwortung der ersten Hauptforschungsfrage muss zunächst die theoretische Verankerung des Konstrukts „Kundeninteraktionskompetenz“ geklärt werden (vgl. Kapitel 2).1243 KIK wird in dieser Untersuchung als eine organisationale Kompetenz in einem holistischorganisationalen Verständnis definiert. Ziel der Etablierung einer KIK in Industriegüterunternehmen ist die Optimierung1244 der knappen Ressource „Anwendungswissen“ in Interaktion mit dem Kunden. Die Existenz und Nutzung von Anwendungswissen wird als Erfolgsfaktor für die (gemeinschaftliche/interaktive) Kundenproblemlösung verstanden und damit auch als Schlüssel zum Unternehmenserfolg in Industriegütermärkten, deren besonderes Merkmal u. a. ein hoher Komplexitätsgrad von Kundenproblemen ist. Die Erfolgsrelevanz der Interaktion um Anwendungswissen macht eine KIK zu einer Frage des strategischen Managements. KIK wird daher in Kapitel 2 als Management relevanter strategischer Orientierungen in Anbieterunternehmen definiert. Entsprechend der Befunde in der Literatur werden die Ausrichtungen Interaktions- und Lernorientierung als relevant identifiziert. In Anlehnung an die Betrachtung von BOWMAN/AMBROSINI (2000), werden Interaktions- und Lernorientierung als Anwendungswissen-schaffende bzw. Anwendungswissen-aneignende Orientierungen aufgefasst.1245 Die theoretische Verankerung einer KIK ist damit in den Ansätzen organisationaler Kompetenzen, Ansätzen des strategischen Managements sowie in den Beiträgen der Interaktionsforschung und des organisationalen Lernens zu suchen. Zugleich bietet sich die Einbettung des KIKKonstrukts in ressourcenbasiertes Denken und eine konstruktivistisch/systemtheoretische Perspektive als höhere Theoriezusammenhänge an. Forschungsfragen Ib) und Ic): Die Untersuchung einer KIK erfordert ein valides Erhebungsinstrumentarium zur Analyse einzelner organisationaler „Stellhebel“ sowie deren Zusammenspiel (vgl. Kapitel 3 und 4).1246 Interaktions- und Lernorientierung als zentrale strategische Stellhebel sind wiederum gestaltbar durch zwei Typen von Dimensionen: Wert- bzw. Normdimensionen und Praktik- bzw. Prozessdimensionen. Während Werte und Normen sowohl direkt als auch indirekt auf die Ausprägung der jeweiligen strategischen Orientierung wirken, haben Praktiken 1243
Forschungsfrage Ia: „Wie kann eine organisationale Kundeninteraktionskompetenz als Ausdruck der strategischen Orientierungen Interaktions- und Lernorientierung theoretisch verankert werden?“
1244
Es wird hier bewusst von „Optimierung“ und nicht von „Maximierung“ gesprochen, da auch organisationale Vergessens- bzw. Verlernensprozesse betroffen sind.
1245
Vgl. Kapitel 2.2.1.3.3.
1246
Forschungsfrage Ib: „Wie lassen sich die strategischen Orientierungen (1) Interaktionsorientierung und (2) Lernorientierung konzeptualisieren?“; Forschungsfrage Ic: „Wie sieht ein Messinstrument aus, das (1) die Interaktionsorientierung und (2) die „Lernorientierung“ einer Unternehmung valide und branchenübergreifend messbar macht?“
6.1 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten – Konsolidierung und Diskussion
307
und Prozesse lediglich indirekte Auswirkungen. In Anlehnung an RAMANI/KUMAR (2008) beinhaltet das valide Messinstrument für das Konstrukt Interaktionsorientierung (IO) die folgenden Gestaltungselemente: Verständnis für Kundenprobleme (CPU, Customer Problem Understanding), Interaktionsfähigkeit (IRC, Interaction Response Capacity), Kundenmotivation (CE, Customer Empowerment) sowie Kundenwertmanagement (CVM, Customer Value Management).1247 Das Konstrukt Lernorientierung (LO) ist hingegen valide messbar über die Gestaltungselemente Lernausrichtung (LC, Learning Commitment), gemeinsame Vision (SV, Shared Vision), Experimentierfreude und Offenheit (EO, Experimentation and Openness), Transfer- und Integrationsprozesse (TIP, Transfer and Integration Processes) sowie HRPraktiken (HRP, HR Practises).1248 Es ist die Aufgabe dieses Teilkapitels, eine integrierte Kundeninteraktionskompetenz-Perspektive einzunehmen, d. h. die Elemente beider Erhebungsinstrumente bzw. Gestaltungswerkzeuge auch in ihrem Zusammenspiel darzustellen. In diesem Zusammenhang machen weitere Strukturierungen der Gestaltungselemente beider Messmodelle Sinn. Beispielsweise führt neben der Unterscheidung nach Werten/Normen und Praktiken/Prozessen auch eine funktionale Strukturierung zu einer besseren Handhabbarkeit für den Einsatz in der Praxis. Die Aufgabe einer integrierten Darstellung aller Gestaltungselemente übernimmt das nächste Unterkapitel, bevor im Weiteren die verbleibenden Teilforschungsfragen diskutiert werden.
6.1.1
Gestaltungselemente einer Kundeninteraktionskompetenz
Die Konzeptualisierung der Messmodelle in dieser Arbeit folgt der kulturellen Perspektive, wonach Werte und Normen in Unternehmen sich in deren Praktiken und Prozessen niederschlagen (vgl. Abbildung 59). Insbesondere zwei Wert- bzw. Normenkategorien sind von zentraler Bedeutung für eine KIK: das Verständnis für die Bedeutung von Kundenproblemen (CPU) sowie ein geteiltes Verständnis der Unternehmensvision (SV). CPU stellt die Verankerung eines Gespürs für relevantes (Kunden-)Wissen dar. Die gemeinsame Vision (SV) hingegen hebt die Bedeutung hervor, dass alle Organisationsmitglieder ein ähnliches Gefühl und Wissen dafür besitzen sollten, welches AW bereits in der Unternehmung vorhanden ist und warum welches neue AW für die Organisation wertvoll ist. Beide Gestaltungselemente können deshalb als Wertschätzungsgrundlage gedeutet werden. Relevantes Anwendungswissen kann in bestimmten Grenzen durch Organisationsmitglieder selbst innerhalb des Systems Unternehmen erzeugt werden (z. B. durch Förderung der Interaktion zwischen unterschiedlichen AW-Trägern in verschiedenen Abteilungen). Relevantes AW kann jedoch auch durch Interaktion mit externen Wissensträgern (z. B. Kundenunternehmen) generiert werden. Im Rahmen der Untersuchung der KIK ist deshalb eine Betrachtung der
1247
Normen und Werte: CPU; Praktiken und Prozesse: IRC, CE, CVM. Insgesamt 13 Indikatoren.
1248
Normen und Werte: LC, SV, EO; Praktiken und Prozesse: TIP, HRP. Insgesamt 17 Indikatoren.
308
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Handlungsnormen bezüglich der Aneignungsstrategien auf beide interne und externe AWQuellen bedeutsam. Während die Ausprägung einer Lernausrichtung (LC) den Fokus stärker auf die intraorganisationale Interaktion legt, weisen Werte und Normen der Experimentierfreude und Offenheit einen Fokus auf die interorganisationale Interaktion (Interaktions-Fokus) auf. Erwartungsgemäß zeigt sich, dass Werte und Normen entsprechende Praktiken und Prozesse auslösen. So beeinflusst die Ausprägung von Praktiken des Kundenwertmanagements (CVM) eine KIK positiv. Im Sinne der Kausalkette „Strategische Orientierungen“ in Kapitel 2.2.2.3 wirkt CVM als Bewertungsgrundlage organisationalen Handelns, wenn es darum geht, organisationale Ressourcen aufzuwenden, um neue Ressourcen in Form von AW zu generieren (Kosten-/ Erwarteter-Nutzen-Betrachtung). Im Sinne der Werte- und Normdimensionen CPU und SV stellen die Praktiken und Prozesse so die organisationale Ausprägung der Wertschätzungsgrundlage dar. Diese Art der Strukturierung der KIK-Gestaltungselemente suggeriert eine Über- bzw. Unterordnung. An dieser Stelle ist es jedoch wichtig hervorzuheben, dass weder Werthaltungen noch operative Instrumente alleine ihre volle Kraft auf eine KIK entfalten können.
Werte und Normen
Interaktionsorientierung interorgan. Interaktionsfokus Wertschätzungsgrundlage intraorgan. Interaktionsfokus
Verständnis von Kundenproblemen (CPU)
Praktiken und Prozesse
Lernorientierung
Interaktionsorientierung
Experimentierfreude und Offenheit (EO)
Praktiken der Kundenmotivation (CE)
KundenEmpowerment
Gemeinsame Vision (SV)
Praktiken des Kundenwertmgmts. (CVM)
Wertschätzungsgrundlage
Lernausrichtung (LC)
Prozessunterst. der Interaktionsfähigkeit (IRC)
Lernorientierung
Unterstützende HR-Praktiken (HRP)
MitarbeiterEmpowerment
Trans fer- und Integrations prozesse (TIP)
Unterstütz. Prozesse, Systeme und Tools
Organisationale Kundeninteraktionskompetenz
Abbildung 59 Gestaltungselemente einer Kundeninteraktionskompetenz
Zwei weitere Gestaltungselemente der KIK in Abbildung 59, CE und HRP, unterstreichen das systemische Verständnis organisationaler Interaktion. HR-Praktiken stimulieren die Mitglieder und Subsysteme in Unternehmen dazu, ihre individuellen kognitiven Landkarten und damit die organisationale kognitive Landkarte den Umweltbedingungen entsprechend anzupassen. Letztendlich bedeutet dies u. a. auch, dass Interaktionen mit der Umwelt angestoßen werden. Auch Praktiken der Kundenmotivation (CE) wirken stimulierend: Sie sollen Kundenunternehmen anregen, in Interaktion mit dem Unternehmen zu treten. Beide Praktiken können daher unter
6.1 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten – Konsolidierung und Diskussion
309
dem Dach „Empowerment“ vereint werden (Mitarbeiter-Empowerment und Kunden-Empowerment).1249 Analog zur Argumentation des Stellhebels CVM können beide Empowerment-Stellhebel (Empowerment-Fokus) auch als Operationalisierungen der Werte und Normkategorien mit intrabzw. interorganisationalem Interaktionsfokus gedeutet werden.1250 Die unterstützenden Prozesse, Systeme und Tools (Supportpraktiken und -prozesse), die in den Kategorien IRC und TIP gesammelt sind, zeigten in der Konstruktvalidierung keine signifikanten direkten Einflüsse auf die jeweiligen Konstrukte. Sie dürfen aber in der Gesamtbetrachtung einer KIK nicht fehlen. Der empirisch belegbare Grund hierfür ist die Existenz starker Zusammenhänge der IRC- und TIP-Dimension zu den bereits angesprochenen Werten und Normen.1251 Die Logik dieses Befunds kann am besten mit einem Zitat aus dem Interview der Konzeptualisierungsphase veranschaulicht werden: „Die Tools, die dazu dienen, diese Gedanken [bezogen auf Kundeninteraktion und organisationales Lernen] umzusetzen, kommen i. d. R. erst später. Ohne die Nutzungsbereitschaft einer Organisation für z. B. Wissensmanagement-Tools, werden diese Tools, Mittel und Prozesse nicht erfolgreich sein.“1252
Das Vorhandensein von Prozessunterstützungen der Interaktionsfähigkeit (IRC) sowie Transferund Integrationsprozesse (TIP) in Unternehmen ist damit lediglich ein Indiz für die Existenz entsprechender Normen. Eine hinreichende Bedingung für die Ausprägung strategischer Orientierungen, die für eine KIK relevant sind, ist die Existenz derartiger Prozesse, Systeme und Tools jedoch nicht.1253 In der Darstellung dieses Abschnitts erfolgte hauptsächlich eine Integration der einzelnen Gestaltungselemente einer KIK. Die einzelnen Elemente einer KIK können somit ebenfalls entlang der Funktionen Wertschätzungsgrundlage, Kunden-Empowerment/externer Interaktionsfokus, Mitarbeiter-Empowerment/interner Interaktionsfokus sowie Supportpraktiken und prozessen beschrieben werden. Im nächsten Abschnitt werden die Erkenntnisse zu den Erfolgswirkungen und dem Zusammenspiel der beiden strategischen Stellhebel IO und LO zusammengefasst.
1249
Vgl. z. B. Yukl (2002), S. 106 ff.
1250
Ähnliche Ideen finden sich im internen/externen Marketing (vgl. z. B. Doole/Lowe (2004), S. 294 f.).
1251
Vgl. Kapitel 4.2.
1252
Zitat aus dem Interview mit einem Vertriebsverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau. Vgl. hierzu auch Brown/Duguid (1991), S. 54, Boulding et al. (2005), S. 158 und Kapitel 3.3.5.5.
1253
Diese Beobachtung ist im Einklang mit Mauch (2007), S. 979.
310
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
6.1.2
Erfolgswirkung einer Kundeninteraktionskompetenz – synergetischer Effekt aus Interaktions- und Lernorientierung
Im Einklang mit BOWMAN/AMBROSINI (2000) sind strategische Maßnahmen verbunden mit dem Ziel einer Erfolgswirkung bzw. der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen.1254 Dementsprechend muss die Bedeutung einer Kundeninteraktionskompetenz (als eine strategische Zielvorstellung) auch an ihren empirisch belegbaren Erfolgswirkungen gemessen werden. Mit diesen Erfolgswirkungen befasst sich die nächste Teilforschungsfrage. Forschungsfrage Id):1255 Die Messung des Unternehmenserfolgs als eindimensionale Größe greift vor dem Hintergrund der theoretischen Grundlagen und der aktuellen Praxis zu kurz (vgl. Kapitel 5.1).1256 Die differenzierte Erfolgsbetrachtung in dieser Studie umfasst daher die beiden vorökonomischen Konstrukte Beziehungserfolg (RELPERF) und Neuprodukterfolg (NPS) sowie das aggregierte ökonomische Erfolgskonstrukt wirtschaftlicher Gesamterfolg (OPERF), das Markt- und Erfolgskennzahlen vereint.
Abbildung 60 Erfolgswirkungen einer Kundeninteraktionskompetenz
Interaktions- und Lernorientierung weisen direkte Erfolgswirkungen im Strukturmodell auf: Die Ausprägung einer strategischen Interaktionsorientierung beeinflusst direkt den Beziehungserfolg und den wirtschaftlichen Gesamterfolg positiv. Die Ausprägung einer strategischen Lernorientierung zeigt signifikant positive Effekte auf den Beziehungserfolg und den Neuprodukt-
1254
Vgl. Bowman/Ambrosini (2000), S. 5.
1255
Forschungsfrage Id: „Wie wirken sich die strategischen Orientierungen (1) Interaktionsorientierung und (2) Lernorientierung auf den Unternehmenserfolg aus?“
1256
Vgl. die Anforderung der Theorie der multipler Perspektiven in Kapitel 3.2.2.2 sowie Baker/Sinkula (2005), S. 484.
6.1 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten – Konsolidierung und Diskussion
311
erfolg.1257 Gemessen an den Pfadgewichten wird als Hauptwirkungspfad einer Kundeninteraktionskompetenz „LO Æ IO Æ Beziehungserfolg Æ wirtschaftlicher Gesamterfolg“ festgestellt. In einer aggregierten Betrachtung beider strategischen Orientierungen weist die KIK signifikant positive direkte Effekte auf alle drei Erfolgsgrößen auf. Während Beziehungserfolg und wirtschaftlicher Gesamterfolg hoch signifikante positive Pfadgewichte zeigen, ist der Pfad KIK – NPS u. a. aufgrund des niedrigen Bestimmtheitsmaßes problematisch (vgl. Abbildung 60).1258 In der detaillierten Betrachtung konnte entgegen den Erwartungen kein positiver Effekt der Ausprägung einer Interaktionsorientierung auf den Neuprodukterfolg sowie der Ausprägung einer Lernorientierung auf den wirtschaftlichen Gesamterfolg bestätigt werden. Während der letztgenannte Befund das Dilemma von Bildungsinvestitionen in Unternehmen vor Augen führt, scheint der erstgenannte Befund vor dem Hintergrund der breiten Forschung von Kundeninteraktion zur Neuproduktentwicklung sonderbar. Er lässt mehrere Schlüsse zu und generiert weiteren Forschungsbedarf:1259 Mangelnder Neuheitsgrad als Gegenstand alltäglicher Kundeninteraktionen, mangelnde Speicherung von Anwendungswissen oder fehlende intraorganisationale Innovationskommunikation sind mögliche Begründungen des Befunds und generieren weiteren Forschungsbedarf.1260 Forschungsfrage I (Synergetischer Effekt zwischen Interaktions- und Lernorientierung): Entsprechend der theoretischen Basis und den empirischen Ergebnissen sind Interaktions- und Lernorientierung trotz Schnittstellen zwei unterschiedliche strategische Handlungsoptionen des Managements, die unabhängig voneinander eingesetzt werden können und wirken.1261 Kundeninteraktionskompetenz im Sinne der Definition dieser Arbeit entsteht jedoch erst durch das Zusammenspiel beider strategischer Orientierungen („synergetischer Effekt“). Ähnlich der Annahme bei FARRELL/OCZKOWSKI (2002) wurde in dieser Studie eine partielle Mediation angenommen.1262 Die empirischen Befunde belegen die Annahme, dass Lernorientierung sowohl einen direkten Effekt auf Beziehungserfolg aufweist, als auch durch Interaktionsorientierung auf Beziehungserfolg mediiert wird. Letztlich bestätigen auch die Ergebnisse der Prüfung unterschiedlicher Wechselwirkungsmodelle in Kapitel 5.5 den Hauptwirkungspfad bzw. das Modell einer Kundeninteraktionskompetenz in dieser Untersuchung. Die Konsolidierung und Diskussion der Ergebnisse dieser Untersuchung ermöglicht nun abschließend die Beantwortung der ersten Hauptforschungsfrage (vgl. Kasten).
1257
Vgl. Kapitel 5.2.3.
1258
Vgl. Kapitel 4.3. Werden interne Beziehungen innerhalb der endogenen Konstrukte zugelassen, verliert der Pfad KIK – NPS seine Signifikanz.
1259
Vgl. Kapitel 3.2.3.3, 5.4.2.1 und 6.3.3.
1260
Zudem wird in Kapitel 5.4.2.1 auch auf die Möglichkeit von Verzerrungen aufgrund des Befragtenkreises hingewiesen.
1261
Vgl. Kapitel 5.4.1.
1262
Vgl. Farrell/Oczkowski (2002), S. 210.
312
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Forschungsfrage I:
Existiert ein erfolgswirksamer synergetischer Effekt zwischen den strategischen Orientierungen Interaktions- und Lernorientierung im Sinne einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz?
Antwort:
Interaktions- und Lernorientierung betrachten zusammen sowohl die intra- als auch interorganisationalen Aspekte einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz. Bei der Verankerung einer der beiden strategischen Orientierungen sind Wechselwirkungen auf die jeweils andere Orientierung empirisch messbar. Das Modell, in dem LO durch IO partiell mediiert wird, erfüllt als Einziges die Anforderungen an eine Mediationsbeziehung und wird bestätigt. Als echte strategische Handlungsoptionen des Managements zeigen sowohl IO als auch LO einzeln als auch aggregiert in Form einer KIK positive Wirkungen auf den Unternehmenserfolg. Zugleich zeigen die Ergebnisse der Modelldiskussion, dass die gleichzeitige Ausprägung von IO und LO (als Kombination AW-schaffender und AW-aneignender strategischer Orientierungen) die vermuteten synergetischen Effekte im Sinne einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz aufweist.
Diese Studie hat mit der Feststellung von vier Forschungsdefiziten im Umfeld einer (Kunden-) Interaktionskompetenz begonnen (vgl. Kapitel 1.1). Bevor nun die zweite Hauptforschungsfrage nach den praktischen und wissenschaftlichen Implikationen einer KIK beantwortet wird, soll zunächst abschließend entlang der adressierten Forschungsdefizite die Bedeutung der hier vorgestellten KIK diskutiert werden. (1) Die vorgestellte KIK ist ein Konzept, das in der Lage ist, die Schaffung und Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen zu erklären, ohne auf ein Metakonzept zurückgreifen zu müssen. Die Erfolgswirkung einer KIK (sowohl in der aggregierten als auch in der unaggregierten Form als strategische Interaktions- und Lernorientierung) konnte in Kapitel 5 eindeutig empirisch belegt werden. Im Sinne der ressourcenorientierten Ansätze ist es die Aufgabe einer Strategie bzw. strategischen Orientierung, „[…] long-lived rents, or competitive advantage“1263 sicherzustellen. Aufgrund der Tatsache, dass die vorliegende Studie als Querschnittsstudie konzipiert wurde, kann an dieser Stelle für die Nachhaltigkeit der Wettbewerbsvorteile kein empirischer Beleg erbracht werden. Aufgrund der identifizierten Gestaltungselemente, wie z. B. eine Werthaltung des Verständnisses für Kundenprobleme, ist jedoch nicht zu erwarten, dass eine derart ausgeprägte KIK in einem Unternehmen schnell erodiert. Auf Basis
1263
Bowman/Ambrosini (2000), S. 5.
6.1 Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten – Konsolidierung und Diskussion
313
dieser Überlegung wird der Wettbewerbsvorteil aus einer KIK als nachhaltig eingestuft. 1264 Ein weiterer bedeutender Aspekt in der Analyse der Ausgangssituation war die Feststellung, dass eine große Anzahl an organisationalen Metakompetenzkonstrukten existiert, deren Ziel die Erklärung der Veränderungsfähigkeit bzw. Anpassbarkeit von Unternehmen ist. In Kapitel 2.2.1.2 wurde deshalb die Anforderung aufgestellt, dass eine KIK messbar sein müsse und zugleich kein Metakompetenz-Konstrukt darstellen darf.1265 Die hier entworfene KIK erfüllt beide Anforderungen: Sie ist messbar und wird in konkreten Handlungsmöglichkeiten des strategischen Managements deutlich. Diese strategischen Handlungsmöglichkeiten werden als Implikationen für die Praxis bzw. für das strategische Management im nächsten Teilkapitel detailliert dargestellt. (2) Kundeninteraktionskompetenz umfasst eine Operationalisierung des Konstrukts Interaktionsorientierung, das einer empirischen Prüfung standhält und handhabbar für den Einsatz in der Praxis ist. Während Lernorientierung in der Literatur in verschiedenen Kontexten bereits überprüft wurde, finden sich kaum Operationalisierungen für eine strategische Interaktionsorientierung (eine Ausnahme stellt das Konzept von RAMANI/KUMAR (2008) dar). In der Konzeptualisierungsphase wurden in Anlehnung an das Verfahren bei TULI/KOHLI/ BHARADWAJ (2007) die Gestaltungselemente einer Interaktionsorientierung durch Experteninterviews von Grund auf abgeleitet, wodurch ein valides Messinstrument für Industriegütermärkte entstanden ist (mit vier Dimensionen und 13 Indikatoren). Neben zu erwartenden Anpassungen des Konzepts von RAMANI/KUMAR (2008) aufgrund des Forschungsgegenstands sowie sprachlicher Veränderungen, beschreibt der Einbezug der Dimension „Verständnis für Kundenprobleme (CPU)“ eine bedeutende Verschiebung der grundlegenden Ideen des IO-Konstrukts: Das Konstrukt von RAMANI/KUMAR (2008) ist sehr stark durch die Individualisierungshypothese geprägt, das IO-Konstrukt dieser Arbeit hingegen beschreibt gegenseitiges Verständnis als die zentrale Norm. (3) Kundeninteraktionskompetenz ist als Verbindung organisationaler Interaktion und organisationalem Lernen zu verstehen. RAMANI/KUMAR (2008) schlagen vor, das Wechselspiel von Interaktions- und Lernorientierung als zukünftiges Forschungsfeld zu nutzen. Zahlreiche Anregungen können aus der Literatur zu dem Zusammenspiel von Markt- und Lernorientierung gewonnen werden.1266 Die vorangegangene Konsolidierung der Erfolgswirkungen und Wechselwirkungen zwischen LO und IO zeigen, dass beide strategischen Orientierungen sowohl direkte Erfolgswirkungen besitzen, jedoch LO partiell durch IO mediiert wird. Dieser Befund steht im Rahmen der MO/LO-Diskussion im Einklang mit den Aussagen von FARRELL/OCZKOWSKI (2002).1267
1264
Nachhaltigkeit wird neben Aneignungsfähigkeit von Bamberger/Wrona (1996), S. 136 als Vorbedingung zur Aneignung überdurchschnittlicher Renditen gesehen.
1265
In Anlehnung an Moldaschl (2007), S. 34.
1266
Vgl. z. B. Baker/Sinkula (1999a), Farrell/Oczkowski (2002) und Baker/Sinkula (2007).
1267
Vgl. Farrell/Oczkowski (2002), S. 210.
314
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
(4) Neuprodukterfolg ist durch die konzeptualisierte Kundeninteraktionskompetenz nur in geringem Maße erklärbar. Die Kundeninteraktionskompetenz dieser Studie wurde für Anbieterunternehmen in Industriegütermärkten konzeptualisiert. Diese stellen einen Markt dar, der durch hohe Problemkomplexität und kundenindividualisierte Produktion gekennzeichnet ist. Eine grundlegende Annahme dieser Untersuchung ist, dass aufgrund der Ähnlichkeit der Problemstellungen im alltäglichen Vertrieb und Innovationsbereichen in Industriegütermärkten, die Ausprägung einer Kundeninteraktionskompetenz für reguläre organisationale Interaktionen auch den Erfolg in der Neuproduktentwicklung erhöhen müsste. Diese Hypothese konnte nicht bestätigt werden. Lediglich die strategische Lernorientierung weist einen schwachen positiven Effekt auf den Neuprodukterfolg auf. Damit können die Ergebnisse dieser Studie nur in geringem Maße das festgestellte vierte Defizit beheben. Als Gründe hierfür können angeführt werden: ein zu geringer Ähnlichkeitsgrad regulärer, alltäglicher Problemlösungen und Innovationslösungen als vermutet oder auch Probleme der intraorganisationalen Interaktion, die jedoch aufgrund der holistisch-organisationalen Perspektive nur ansatzweise betrachtet werden konnten.
6.2
Implikationen für die Praxis
Während sich die erste Hauptforschungsfrage mit der Gestaltung und Wirkung einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz auseinander gesetzt hat, widmet sich die zweite Hauptforschungsfrage den Konsequenzen einer KIK: Forschungsfrage II:
Welche praxeologischen Konsequenzen und wissenschaftlichen Aussagen können aus den durchgeführten Untersuchungen abgeleitet werden?
Analog zum bisherigen Vorgehen wurde auch die zweite Hauptforschungsfrage in einzelne Teilforschungsfragen untergliedert, die wiederum die Struktur der nächsten Abschnitte vorgeben. Die praxeologischen Konsequenzen bzw. die Implikationen für das Management werden in diesem Teilkapitel beantwortet.1268 Hierzu wird zunächst eine KundeninteraktionskompetenzMatrix vorgestellt, die sowohl eine Analyse der Ist-Situation erlaubt als auch die Ableitung von Normstrategien ermöglicht (vgl. Kapitel 6.2.1). In einem zweiten Schritt werden Empfehlungen für das Management zur Ausgestaltung einzelner Funktionen und Elemente der Interaktionsund Lernorientierung gegeben, die in der Lage sind, die KIK-Matrix-Position zu verbessern (vgl. Kapitel 6.2.2).
1268
Forschungsfrage IIa: „Welche Implikationen für die Unternehmenspraxis können aus einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz abgeleitet werden?“
6.2 Implikationen für die Praxis
6.2.1
315
Kundeninteraktionskompetenz-Matrix – ein Werkzeug des strategischen Managements
Ausprägung der strategischen Interaktionsorientierung (IO)
In diesem Kapitel wurden bisher die Gestaltungselemente und Erfolgswirkung einer Kundeninteraktionskompetenz diskutiert. Als Werkzeug für den praktischen Einsatz im strategischen Management ist ein derart analytisches Vorgehen jedoch nicht immer zielführend. Um die Handhabbarkeit einer KIK für die Praxis zu erhöhen, wird im Folgenden den typologieorientierten Ansätzen gefolgt und (aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen) eine Kundeninteraktionskompetenz-Matrix vorgestellt.1269
stark
gering
III
IV
problemorientierte Kundeninteraktionskompetenz
integrierte Kundeninteraktionskompetenz
I
II
keine Kundeninteraktionskompetenz
entwicklungsorientierte Kundeninteraktionskompetenz
gering
stark
Ausprägung der strategischen Lernorientierung (LO)
Abbildung 61 Kundeninteraktionskompetenz-Matrix
6.2.1.1
Entwicklung einer Kundeninteraktionskompetenz-Matrix
Kundeninteraktionskompetenz baut auf die strategischen Handlungsoptionen Interaktions- und Lernorientierung auf. Entsprechend der Wahl- und Ausprägungsmöglichkeiten ergibt sich eine 2×2-Matrix der Handlungsoptionen.1270 Der Aufbau einer Kundeninteraktionskompetenz-Matrix (vgl. Abbildung 61) ähnelt der Vorgehensweise bei BERTHON/HULBERT/PITT (1999), die in Kapitel 1269
Der bisherige Gang der Untersuchung kann in die dimensionsorientierten Ansätze der Unternehmenskultur (z. B. O'Reilly/Chatman/Caldwell (1991) und Kitchell (1995)) eingeordnet werden, wohingegen das folgende Vorgehen den Studien des typologieorientierten Ansatzes (z. B. Deshphande/Farley/Webster (1993)) zuzurechnen ist (vgl. Krohmer (1999), S. 28 f.).
1270
Im Hinblick auf die notwendigen organisationalen Ressourcen der Ausprägung einer strategischen Orientierung ist anzumerken, dass IO und LO zwar gemeinsam als KIK wirken, jedoch um limitierte Ressourcen konkurrieren (vgl. z. B. Minzik/Jacobson (2003)).
316
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
2.2.2.1 beschrieben wurde. Des Weiteren ermöglicht sie im Folgenden auch die Ableitung von Normstrategien.1271 Die einzelnen Quadranten der KIK-Matrix sollen nun kurz erläutert werden. Keine strategische Verankerung einer Kundeninteraktionskompetenz (I): Unternehmen im ersten Quadranten weisen sowohl für IO als auch für LO Werte unterhalb des Mittelwerts der jeweiligen strategischen Orientierung auf.1272 In diesem Quadranten sammeln sich 28,8 % der befragten Unternehmen (vgl. Abbildung 62). In Kapitel 2 wurde die Zielgröße „Anwendungswissen“ als eine wertvolle Ressource identifiziert. Sie ist dazu geeignet, Wettbewerbsvorteile zu erklären. Unternehmen im ersten Quadranten zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine oder kaum Werte, Normen, Praktiken und Prozesse einsetzen, die zur Schaffung und zur Aneignung von Anwendungswissen (in Zusammenarbeit mit Kunden) besonders geeignet sind. Auf Basis der theoretischen Fundierung sollten derartige Unternehmen signifikant schlechtere Erfolgsgrößen aufweisen.1273 Entwicklungsorientierte Kundeninteraktionskompetenz (II): Unternehmen im zweiten Quadranten zeichnet eine überdurchschnittliche Lernorientierung und eine unterdurchschnittliche Interaktionsorientierung aus. 13,5 % der befragten Unternehmen fallen in diesen Quadranten (vgl. Abbildung 62). Diese Unternehmen haben eine stärker ausgeprägte AWaneignende Kundeninteraktionskompetenz (LO) als die Ausprägung der AW-schaffenden Kundeninteraktionskompetenz (IO) erwarten lässt. Dieser Befund lässt zwei Schlüsse zu: Einerseits könnte die „überschüssige“ Lernorientierung dazu genutzt werden, in Interaktion mit anderen AW-Quellen zu treten (z. B. Forschungseinrichtungen).1274 Diese These kann jedoch aufgrund der bewussten Einschränkungen des Untersuchungsdesigns nicht empirisch überprüft werden. Andererseits könnte es sein, dass sich diese Unternehmen stärker darauf konzentrieren, eigene Innovationen voranzutreiben und somit mangelnde Kundeninteraktion durch ein Mehr an interner oder externer Forschungs- und Entwicklungsleistung kompensieren. Als Anzeichen für diese These kann der Befund zu Hypothese HIIb gewertet werden, dass der Pfad LO – NPS im gesamten Strukturmodell positiv signifikant ist.1275 Aufgrund dieser These wurde in Abbildung 61 der zweite Quadrant zusätzlich als „entwicklungsorientiert“ bezeichnet. Im Einklang mit der Definition Kundeninteraktionskompetenz ist zu erwarten, dass Unternehmen im zweiten Quadranten Erfolgskennziffern aufweisen, die oberhalb derer der Unternehmen in Quadrant I liegen, jedoch unterhalb derer der Unternehmen in Quadrant IV. Eine
1271
Vgl. Kapitel 6.2.1.2.
1272
Die Nutzung der Medianwerte würde zu einer leichten Verkleinerung des Quadranten IV führen. Die Aussagen würden sich hierdurch jedoch nicht verändern.
1273
Eine teilweise Kompensation der mangelnden strategischen Orientierungen, insbesondere bei IO, ist zwar denkbar (vgl. auch die Erklärung zu Quadrant II), jedoch sprechen die niedrigen Werte für IO und LO gegen eine derartige Kompensation.
1274
Vgl. den Entwurf einer generellen organisationalen Interaktionskompetenz in Kapitel 2.2.2.3.
1275
Vgl. Kapitel 5.2.3.
6.2 Implikationen für die Praxis
317
vergleichende Einschätzung der Erfolgswirkungen der Quadranten II und III erscheint auf Basis der bisherigen theoretischen Fundierung nicht möglich. Problemorientierte Kundeninteraktionskompetenz (III): Unternehmen im dritten Quadranten zeichnet eine starke Ausprägung der strategischen Interaktionsorientierung aus, wohingegen die Lernorientierung vergleichsweise unterentwickelt ist. Abbildung 62 zeigt, dass 10,5 % der befragten Unternehmen diesem Quadranten zuzurechnen sind. Im Gegensatz zum zweiten Quadranten ist hier die AW-Schaffung im Kontext von Kundenproblemen stärker ausgeprägt als die Fähigkeit, sich dieses Wissen anzueignen. Auf Basis dieser Informationen können ebenfalls zwei Schlüsse gezogen werden: Einerseits ist es möglich, dass ein großer Teil der generierten Informationen keine Verwendung findet.1276 Trifft diese Argumentationslinie zu, würde eine derartige Ausrichtung zur Verschwendung organisationaler Ressourcen führen bzw. das Potenzial eines Unternehmens ungenutzt lassen. Beides führt letztlich zu ineffizientem Verhalten. Andererseits könnte es auch sein, dass sich Unternehmen in Märkten bzw. Problemsituationen befinden, in denen sehr viel kundenspezifisches Anwendungswissen ausgetauscht und verwendet werden muss. Zusätzlich hat dieses ausgetauschte und verwendete Anwendungswissen jedoch einen mangelnden Wiederholcharakter, weshalb es absehbar erscheint, dass das geschaffene Anwendungswissen nur zu einem sehr geringen Anteil für das Anbieterunternehmen nutzbar ist (problem- bzw. einzelproblemorientiert). Demzufolge wäre der Aufwand zur Aneignung derartigen Wissens ineffizient und würde totes Wissen bzw. Ballast für die Organisation erzeugen. Im Rahmen dieser Studie ist ein derartiger Effekt z. B. für Systemintegratoren oder Hersteller von Spezialmaschinen und Spezialanlagen denkbar.1277 Analog zur Argumentation in Quadrant II ist zu erwarten, dass Unternehmen im dritten Quadranten Erfolgskennziffern aufweisen, die über denen der Unternehmen in Quadrant I liegen, jedoch unterhalb der Unternehmen in Quadrant IV. Eine Aussage zum Erfolgsvergleich zwischen Unternehmen in den Quadranten II und III erscheint ebenfalls auf der zugrunde liegenden theoretischen Fundierung nicht möglich. Integrierte Kundeninteraktionskompetenz (IV): Unternehmen im vierten Quadranten weisen eine überdurchschnittliche Ausprägung ihrer Interaktions- und Lernorientierung auf. Im Sinne der Definition der Kundeninteraktionskompetenz in dieser Arbeit bietet sich ein balanciertes Bild zwischen der AW-schaffenden und AW-aneignenden strategischen Ausrichtung. In diesen Quadranten fallen 47,2 % der befragten Unternehmen. Die Balance zwischen Schaffung und Aneignung von AW führt zu einem effizienten Umgang mit AW, wobei gleichzeitig ein hohes Maß desselben verfügbar ist. Geht man davon aus, dass alle Unternehmen nach einer effizienten Schaffung und Aneignung von AW streben, stellt die Regressionsgerade, die durch den ersten
1276
Vgl. z. B. auch Zahra/George (2002), S. 194 zur Wirkungsweise sozialer Integrationsmechanismen (dort auch „efficiency factor “ genannt).
1277
Es bietet sich daher an, die Zuordnungen der Branche Anlagenbau gegenüber den übrigen Branchen insgesamt sowie gegenüber dem Maschinenbau (als inhaltlich am nächsten gelegene Branche) im Speziellen zu vergleichen.
318
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
und vierten Quadranten verläuft, ebenfalls einen Richtwert dar. Dies würde andeuten, dass im vierten Quadranten die festgestellten Synergieeffekte besser genutzt werden als in den Quadranten II und III.1278 Dementsprechend sollten solche Unternehmen die besten Erfolgskennziffern aufweisen.
Ausprägung der strat. Interaktionsorientierung (inv./stand.)
stark III: 10,5%
IV: 47,2%
I: 28,8%
II: 13,5%
R2 = 0,347
gering gering
stark Ausprägung der strat. Lernorientierung (inv./stand.)
Abbildung 62 KIK-Matrix der untersuchten Unternehmen1279
Die anteilsmäßig geringere Zuordnung der Befragten zu den Quadranten II und III kann auf zwei Gründe zurückgeführt werden: Zum einen kann die Über- bzw. Untergewichtung einer der strategischen Orientierungen eine Antwort auf sehr spezielle Umweltgegebenheiten sein. Zum anderen ist es möglich, dass die Quadranten II und III langfristig keine ressourceneffiziente Position darstellen und deshalb als Transitpunkte strategischer Kompetenzentwicklung gesehen werden müssen.1280
1278
Vgl. Kapitel 6.1.1. Regressionskoeffizient: 0,59 (R2 = 0,347, p < 0,001).
1279
Die Darstellung verwendet die standardisierten und invertierten Latent Variable Scores für IO und LO des PLS-Pfadmodells in Kapitel 5.2 dar. In dem Diagramm fallen insbesondere zwei Ausreißer in den Quadranten I und II auf. Diese wurden nicht eliminiert, da davon ausgegangen wird, dass alle IO-LO-Kombinationen möglich sind.
1280
Vgl. Argumentation bei Penttinen/Palmer (2007), S. 561.
6.2 Implikationen für die Praxis
319
Die Positionierung eines Unternehmens in den jeweiligen Quadranten lässt nur dann die Ableitung normativer Aussagen zu, wenn die Erfolgswirkungen, die den einzelnen Quadranten zugeschrieben wurden, auch in der Realität eintreffen. Abbildung 63 zeigt die Mittelwertvergleiche der drei Erfolgskonstrukte dieser Untersuchung aufgegliedert nach der Zuordnung zu den einzelnen Quadranten. Die Ergebnisse bestätigen insbesondere für die Erfolgskonstrukte auf dem festgestellten Hauptwirkungspfad (Beziehungserfolg und wirtschaftlicher Gesamterfolg) die getroffenen Erfolgsvermutungen: Unternehmen ohne klare strategische Verankerung einer Kundeninteraktionskompetenz (Quadrant I) weisen die schlechtesten Mittelwerte auf (1 = starke Ausprägung, 7 = schwächste Ausprägung). Unternehmen, die Quadrant IV zugeordnet sind, weisen dagegen für alle drei Erfolgskonstrukte die niedrigsten Mittelwerte auf. Zudem sind mit wenigen Ausnahmen die Mittelwertunterschiede in Bezug auf die Erfolgsgrößen Beziehungserfolg und wirtschaftlicher Gesamterfolg signifikant. Auch die Annahme, dass die Erfolgskennziffern der Unternehmen der Quadranten II und III zwischen den durchschnittlichen Ergebnissen der Unternehmen in den Quadranten I und IV liegen sollten, wird empirisch bestätigt. Ebenfalls im Einklang mit den Erwartungen kann keine klare Abstufungsaussage der Erfolgskennzahlen zwischen Unternehmen in den Quadranten II und III getroffen werden.
Neuprodukterfolg (NPS)
Beziehungserfolg (RELPERF) III: 2,29
IV: 2,06 ***
** I: 3,08
**
*** II: 2,57
III: 3,39
IV: 2,96 ***
* I: 3,67
*
Wirt. Gesamterfolg (OPERF) III: 2,76
*
** II: 3,14
I: 3,49
IV: 2,35 ***
**
** II: 2,87
* p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001
Abbildung 63 Erfolgsunterschiede in der KIK-Matrix1281
Basierend auf diesen Beobachtungen können für eine Kundeninteraktionskompetenz drei Schlussfolgerungen gezogen werden: Erstens deuten die Mittelwertvergleiche an, dass die Kundeninteraktionskompetenz eines Unternehmens idealerweise beide Elemente, IO und LO, umfassen sollte, um den bestmöglichen Unternehmenserfolg sicherzustellen. Zweitens zeigt sich auch hier der synergetische Effekt, da 76 % der untersuchten Unternehmen in die KIKQuadranten I und IV fallen. Drittens deuten die Ergebnisse an, dass zwischen IO und LO aus einer Erfolgssicht konkave Isolinien (d. h. Ausprägungskombinationen von IO und LO mit gleichem Unternehmenserfolgsniveau) in der vorgestellten Matrix existieren.
1281
Abbildung 63 enthält die Mittelwerte der unstandardisierten Latent Variable Scores. Der unterschiedlichen Spezifizierung von NPS bzw. RELPERF/OPERF wird damit Rechnung getragen.
320
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Für die Quadranten II und III wurden in der Beschreibung die Thesen generiert, sie zusätzlich als „entwicklungssorientiert“ bzw. „problemorientiert“ zu kennzeichnen. Abbildung 63 liefert eine leichte Unterstützung für die These, dass Unternehmen in Quadrant II stärker entwicklungsorientiert und so in geringerem Umfang auf Kundeninteraktionen ausgerichtet sind. Mit einem Mittelwert von 3,14 unterscheidet sich der Neuprodukterfolg stark von Unternehmen in Quadrant I und nur in geringem Maße von Unternehmen in Quadrant IV. Aufgrund des geringen Bestimmtheitsmaßes des NPS-Konstrukts und der nur schwachen Indizien aus den vorliegenden Mittelwertvergleichen, bedarf diese Hypothese weiterer empirischer Überprüfung, die jedoch nicht mehr Bestandteil dieser Arbeit ist. Die Frage, ob für die Unternehmen des dritten Quadranten aufgrund ihrer Aufgabencharakteristika keine höhere Ausprägung einer strategischen Lernorientierung erforderlich wäre, kann durch eine Analyse der Häufigkeiten der Quadrantenzuordnungen aufgegliedert nach Branchen untersucht werden. Mittelwert
28,82
I
II 13,54
III 10,48
47,16
IV
Maschinenbau Anlagenbau Elektronik/ Elektrotechnik Medizintechnik
23,89 (-4,93) 21,74 (-7,08) 38,98 (10,16)
14,16 (0,62) 13,04 (-0,5) 11,86 (-1,68)
8,85 (-1,63) 17,39 (6,91) 11,86 (1,38)
53,1 47,83 37,29
(5,94) (0,67) (-9,87)
29,17 (0,35)
16,67 (3,13)
12,5 (2,02)
41,67
(-5,49)
Tabelle 63 KIK-Matrix nach Branchen
Tabelle 63 zeigt die Zugehörigkeiten zu den einzelnen Quadranten nach Branche, sowie die prozentuale Über- bzw. Untergewichtung in Prozent in Klammern. Die Branche Maschinenbau zeigt eine stärkere Internalisierung des Kundeninteraktionskompetenz-Konzepts als die übrigen Branchen. Rund 6 % mehr Maschinenbauunternehmen im Vergleich zum Durchschnitt sind Quadrant IV zuzuordnen, während ungefähr der gleiche Prozentsatz in der Gruppe der Unternehmen ohne strategische Verankerung (Quadrant I) vertreten ist. Die Branche Elektronik/Elektrotechnik hingegen verzeichnet genau den umgekehrten Trend: Rund 10 % mehr Unternehmen als der Gesamtdurchschnitt zeigen keine ausgeprägte strategische Verankerung einer Kundeninteraktionskompetenz. Die Medizintechnik zeigt ein ausgewogeneres Bild, eine überdurchschnittliche Zuordnung in den Quadranten II und III, die zu Lasten des Quadranten IV geht. Für den Anlagenbau wurde bereits vermutet, dass aufgrund des Aufgabentyps eine überdurchschnittlich hohe Zuordnung zu Quadrant III erfolgen sollte. Diese Vermutung wird bestätigt: Rund 7 % mehr Unternehmen als der Gesamtdurchschnitt sind hier einzuordnen. Ähnlich zu dem Befund im Maschinenbau geht diese Verschiebung hauptsächlich zu Lasten des Quadranten I. Die These, dass Unternehmen in Quadrant III als problem- bzw. einzelproblemorientiert zu kennzeichnen sind, erhält damit Unterstützung.
6.2 Implikationen für die Praxis
321
An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Branchen Medizintechnik und Anlagenbau nur mit einer relativ geringen Anzahl an Befragten erhoben werden konnten,1282 weshalb die dargestellten Befunde noch keine stark belastbaren Ergebnisse liefern können. Analog zum Befund des zusätzlichen Kennzeichens für den zweiten Quadranten muss auch die These, wonach der dritte Quadrant als problemorientiert gekennzeichnet werden kann, einer weiteren empirischen Überprüfung unterzogen werden. Die KIK-Matrix lässt neben der Standortbestimmung auch die Ableitung von Normstrategien zu, die Hinweise enthalten, welche Gestaltungselemente gezielt eingesetzt werden sollten. Die Normstrategien bzw. Handlungsoptionen werden im Folgenden dargestellt.
6.2.1.2
Strategische Handlungsoptionen auf Basis der Kundeninteraktionskompetenz-Matrix
Die Grundlage für die Beurteilung bestimmter IO-LO-Kombinationen und die Ableitung entsprechender Normstrategien baut auf die Positionierung eines Anbieterunternehmens in der Kundeninteraktionskompetenz-Matrix im vorangegangenen Kapitel auf. Demzufolge ergeben sich vier Normstrategien, die im Folgenden dargestellt werden. (1) Unternehmen in KIK-Matrix-Quadrant I (geringe IO, geringe LO): In diesen Unternehmen sind weder organisationales Lernen noch die Bedeutung der Kundeninteraktion strategisch verankert. Im Sinne der kulturellen Perspektive1283 beeinflussen Werte und Normen entsprechende Praktiken und Prozesse. Das Management von Unternehmen in Quadrant I sollte deshalb Werte und handlungsleitende Normen integrieren, die den Stellenwert des Kundenproblems (z. B. durch Anpassung der Unternehmensvision, Institutionalisierung von Kundenevents) und des organisationalen Lernens (z. B. durch Initiierung von Weiterbildungsinitiativen) hervorheben und für alle Unternehmensmitglieder sichtbar herausstellen. Die empirischen Belege zeigen, dass Unternehmen mit der strategischen Verankerung der KIK als der Schaffung und Aneignung von Anwendungswissen ihre Wettbewerbsposition verbessern, egal ob zuerst die Etablierung einer IO oder einer LO angestrebt wird. Dennoch sollte diese normative Empfehlung entsprechend der Aussagen von BELL/ WHITWELL/LUKAS (2002) nicht ohne Berücksichtigung der Unternehmensumwelt entschieden werden.1284 Zwei wesentliche Aspekte können aus den Ergebnissen dieser Studie abgeleitet werden: Einerseits spielt die Branche bzw. das Geschäftsmodell des Anbieterunternehmens eine große Rolle für die Entscheidung der Ressourcenverteilung zugunsten der Etablierung einer IO oder LO: Sind längerfristige, größere Innovationsschritte in der Branche üblich oder in der Vision des 1282
N(Medizintechnik) = 24; N(Anlagenbau) = 23.
1283
Vgl. Kapitel 3.1.
1284
Vgl. Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 77.
322
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Unternehmens verankert, ist zunächst die Etablierung einer LO sinnvoll. Entsprechend dem festgestellten Hauptpfad des Strukturmodells wird sich dieses Bestreben auch positiv auf die Entwicklung einer IO auswirken. Ist das Unternehmen in problemorientierten Großprojekten mit geringem Wiederholungscharakter (z. B. Spezialmaschinenbau) tätig, sollte zuerst die Etablierung einer IO erfolgen. Andererseits spielt die erwartete unmittelbare Wirkung eine Rolle für die Entscheidung, welche strategische Orientierung zuerst implementiert werden sollte. Entsprechend dem festgestellten Hauptpfad des Strukturmodells wirkt IO unmittelbarer und stärker direkt auf die Erfolgsgrößen als die Ausprägung einer LO. Letztgenannte erzeugt hingegen langfristige Effekte und ist ein wesentlicher Einflussfaktor für die direkt erfolgswirksame Interaktionsorientierung. Zusammengefasst lautet die Normstrategie für Unternehmen dieses Quadranten: „Kundeninteraktionskompetenz strategisch verankern“. (2) Unternehmen in KIK-Matrix-Quadrant II (geringe IO, starke LO): Unternehmen dieser Gruppe mangelt es an der Verankerung einer AW-schaffenden KIK-Elementen. Da KIK nur auf die wohl bedeutendste Stakeholdergruppe „Kunden“ hin konzeptualisiert wurde, muss zunächst untersucht werden, ob relevantes Anwendungswissen der Organisation nicht über andere Interaktionen zufließt (z. B. durch Interaktionen mit Forschungseinrichtungen). Je nachdem wie diese Entscheidung ausfällt, sollte die Stärke der Etablierung einer IO gestaltet werden. Dass aber eine höhere IO ausgeprägt werden sollte, steht im Hinblick auf die durchschnittliche Erfolgssituation der Unternehmen dieses Quadranten außer Frage. An dieser Stelle sei besonders auf die positiven Effekte des Einbezugs von Lead Usern oder Kunden-Communities in den Kapiteln 3.2.3.3 und 3.2.5.3 hingewiesen. Zusammengefasst lautet die Normstrategie für Unternehmen dieses Quadranten: „Kunden-Anwendungswissen generieren“. (3) Unternehmen in KIK-Matrix-Quadrant III (starke IO, geringe LO): Unternehmen dieses Felds mangelt es im Vergleich zur Ausprägung ihrer IO an AW-aneignenden KIKElementen. Ähnlich der Empfehlung für den vorherigen Quadranten muss zunächst eine Analyse stattfinden, warum diese Diskrepanz existiert. Insofern die Aufgabencharakteristika einen starken Austausch an Anwendungswissen erfordern, das jedoch zu spezifisch für eine Wiederverwendung ist, ist im Sinne der Ressourcenschonung eine gewisse Diskrepanz zwischen IO und LO sogar sinnvoll. Dennoch sollte aufgrund des dargestellten durchschnittlich geringeren Unternehmenserfolgs auch hier die Verstärkung einer Lernorientierung forciert werden. Trotz des geringen Wiederholungscharakters des neuen Anwendungswissens, kann es beispielsweise durch die Etablierung von Prozesskritikprozeduren, die Extrahierung bestimmter grundlegender Wirkprinzipien oder den Ausbau eines derartigen Projekts als Referenz dazu dienen, langfristig wichtiges Wissen im Unternehmen zu verankern. Diese verstärkte Verankerung von Anwendungswissen kann damit auf Dauer auch die starke IO gegenüber diesem und anderen Kunden
6.2 Implikationen für die Praxis
323
sicherstellen.1285 Zusammengefasst lautet die Normstrategie für Unternehmen dieses Quadranten: „Kunden-Anwendungswissen aneignen“. Für die Quadranten II und III gilt besonders der Hinweis von BELL/WHITWELL/LUKAS (2002), wonach Normstrategien nicht ohne den Kontext der Entscheidung eingeleitet werden sollten.1286 Während im Falle der Positionierung in Quadrant II die Existenz sowie der Zugang und die Effizienz anderer AW-Quellen auf jeden Fall geprüft werden müssen, sollten bei einer Positionierung in Quadrant III unbedingt die Erfordernisse und Spezifikationen der auftretenden Problemstellungen genau analysiert werden. (4) Unternehmen in KIK-Matrix-Quadrant IV (starke IO, starke LO): In Hinblick auf die durchschnittlichen Erfolgskennziffern dieser Gruppe entfalten diese Unternehmen bereits die effektivste Form der KIK. Dementsprechend lauten die Normstrategien hier: „Kundeninteraktionskompetenz halten und optimieren“. Diese Empfehlung hat zwei wesentliche Implikationen: Einerseits kann auch die Realisierung einer KIK veralten bzw. nicht mehr anforderungsgemäß erscheinen (z. B. durch Veränderungen in der Individualisierbarkeit von CRM-Tools), sodass derartige Positionierungen als dynamisch zu verstehen sind. Andererseits tritt in diesem bereits stark ausgeprägten KIK-Quadranten die Frage nach der Effizienz, d. h. der Abstimmung von IO und LO, deutlicher hervor.1287 Die Vorraussetzungen und Anwendbarkeit der Empfehlungen sind im Einzelfall zu klären. Im Sinne der ressourcenbasierten Ansätze gilt für das Management ebenfalls, dass es den Ressourcenzufluss aus der erwarteten AW-Nutzung und den Ressourcenverbrauch für die Etablierung einer geeigneten KIK längerfristig gegeneinander abschätzen muss (Kosten/Nutzen-Analyse). Nur so kann der gewünschte Wettbewerbsvorteil erreicht werden.1288 Abschließend werden in Abbildung 64 die Normstrategien der KIK-Matrix zusammengefasst.
III
IV
III
IV
III
IV
III
IV
I
II
I
II
I
II
I
II
Kundeninteraktionskompetenz strategisch verankern
KundenAnwendungswissen generieren
KundenAnwendungswissen aneignen
Kundeninteraktionskompetenz halten und optimieren
Abbildung 64 Normstrategien der KIK-Matrix
1285
Vgl. den identifizierten Hauptpfad des Strukturmodells (LO Æ IO Æ RELPERF Æ OPERF).
1286
Vgl. Bell/Whitwell/Lukas (2002), S. 77.
1287
Vgl. auch die Diskussion des „efficiency factor “ bei Zahra/George (2002), S. 194.
1288
Vgl. hierzu auch die Kausalkette „Strategische Orientierungen“ in Kapitel 2.2.2.3.
324
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Die vorgestellten Messinstrumente und die daraus entwickelte KIK-Matrix dienen zur Positionsbestimmung und als Navigationshilfe des Managements zur Entwicklung der Interaktionskompetenz eines Unternehmens. Konkrete Gestaltungshinweise für die Realisierung der einzelnen Normstrategien werden im nächsten Abschnitt gegeben.
6.2.2
Strategische Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von Lern- und Interaktionsorientierung
In Anlehnung an die Forderung von HEINEN (1991) wurde in dieser Arbeit sowohl die theoretische als auch die praktische Durchdringung der organisationalen Kundeninteraktionskompetenz angestrebt.1289 Das für die Praxis wohl wichtigste Resultat ist, dass über die Hälfte der untersuchten Industriegüterunternehmen (52,8 %) unterhalb des aus Unternehmenserfolgsgesichtspunkten optimalen Kundeninteraktionskompetenz-Niveaus agieren.1290 Im Hinblick auf die eingangs erwähnten Veränderungen in der Unternehmensumwelt wird die Bedeutung der Anbieter-Kunde-Interaktion weiter ansteigen. Mit geringen Einschränkungen im Hinblick auf die Unternehmensgröße, ist die Ausprägung einer KIK (ob sie nun als solche bezeichnet wird oder nicht1291) damit eine generelle Herausforderung des strategischen Managements. Entsprechend der Definition der KIK existieren zwei Steuerungsebenen des Managements: Einerseits die Abstimmung des Zusammenspiels der beiden relevanten strategischen Orientierungen IO und LO (vgl. Kapitel 6.2.1.2). Andererseits die konkrete Ausgestaltung der Interaktions- und/oder Lernorientierung durch die Etablierung bestimmter Werte und Normvorstellungen sowie durch den Einsatz bestimmter Praktiken und Prozesse. Dabei dürfen die beiden Ebenen nicht als Alternativen des Managements verstanden werden, sondern als voneinander abhängig. Bereits im Rahmen der Darstellung der Normstrategien wurden einige Maßnahmen für die entsprechende KIK-Matrix-Position genannt. Während dort die Maßnahmen entlang der beiden Instrumente Interaktions- und Lernorientierung beschrieben wurden, wird im Folgenden eine integrierte, holistische Kundeninteraktionsperspektive eingenommen, die der Darstellung in Kapitel 6.1.1 entspringt. Die Struktur der Empfehlungen basiert auf dem besonderen Stellenwert der Wert- bzw. Normkategorien (1), den abgeleiteten Funktionen der einzelnen Gestaltungselemente (2 mit 4) sowie den Befunden zum Verhältnis zwischen der KIK und Neuprodukterfolg (5).
1289
Vgl. Heinen (1991), S. 4.
1290
Vgl. Abbildung 62 auf Seite 318.
1291
Friedman (2008), S. 251 schlägt z. B. horizontal ausgerichtete Wertschöpfungs- und Wettbewerbsstrategien vor und meint damit den Kern der hier konzeptualisierten KIK.
6.2 Implikationen für die Praxis
325
(1) Ausprägung einer Kundeninteraktionskompetenz durch die Förderung entsprechender Werte und Normen: Zunächst geht es darum, im Unternehmen eine Wertschätzung für Kundenprobleme zu erzeugen.1292 Kundenprobleme beinhalten zwei bedeutende Elemente/Perspektiven des Anwendungswissens: Nutzungswissen, aus dem die Problemstellung des Kunden erwächst, und Technologiewissen, das teilweise schon (beim Anbieter) existiert, jedoch das Kundenproblem noch nicht (vollständig) lösen kann.1293 In der Literatur finden sich zahlreiche Beiträge zur Implementierung von Werten und Normen in Unternehmen, die auch auf die Wertschätzung gegenüber Kundenproblemen übertragbar sind. Zum einen sollte das Management diese Werte und Normen in Form entsprechender Passagen in Visionen, Missionen oder dem so genannten „Code of Conduct“ explizieren.1294 Zum anderen sollte darauf geachtet werden, dass derartige Wertaussagen auch Einsatz im operativen Geschäft finden und zugleich in kundeninteraktionsnahen Medien genutzt werden. Beispielsweise können diese Wertaussagen in Mitarbeiterhandbüchern oder Unternehmensbroschüren verwendet werden. Zudem können Webseiten eingesetzt werden, in denen das Kundenproblem den Ausgangspunkt der Argumentation darstellt (z. B. durch Darstellung von Referenzlösungen) oder Anwendungen, die den Problemlösungsprozess mit dem Kunden und die Aufnahme von Anwendungswissen erleichtern.1295 Auch die Adressierung von Kundenproblemen in Belegschaftsversammlungen ist möglich (z. B. durch Thematisierung des Trends der Lösungsorientierung oder Individualisierung).1296 Insbesondere der letztgenannte Aspekt hebt das Engagement (Commitment) des Managements hervor, das für die Etablierung neuer Werte und Normen besonders wichtig ist.1297 Die Verankerung der Wertschätzung für Kundenproblemstellungen bzw. Anwendungswissen wird idealerweise als gemeinsame Vision von allen Unternehmensmitgliedern geteilt. Herrscht innerhalb eines Unternehmens hohe Übereinstimmung sowohl in der Zielvorstellung als auch für die Bedeutung von Kundenproblemen, erhöht sich die Identifizierung und Weitergabe wertvollen Anwendungswissens (z. B. Kundenbeschwerden), gleichgültig ob es sich um internes oder externes Wissen handelt. Deshalb sollte bereits die Er- bzw. Überarbeitung der Unternehmensziele als ein interaktiver Prozess gestaltet werden, der auch Mitarbeitern außerhalb des Manage-
1292
Zur Feststellung der aktuellen Unternehmenswerte und Unternehmensnormen kann neben der Positionierung in einer KIK-Matrix auch eine separate Analyse der Wertvorstellungen angestoßen werden. Hierzu dienen z. B. Wertvorstellungsprofile und der Einsatz morphologischer Kästen (vgl. Thommen/Achleitner (2009), S. 1009 ff.).
1293
Vgl. Gemünden (1981), S. 19 ff. und Kapitel 2.2.1.3.1.
1294
Vgl. z. B. Begley/Boyd (2000), S. 10.
1295
Prototypisch wurde ein derartiges, auf Referenzdaten basierendes System mit Funktion wie z. B. einer Anwendungssuche für die Maschinenbaubranche an der Technischen Universität München umgesetzt (vgl. Danzinger/Mutke/Reichwald (2008), S. 11 f., Danzinger et al. (2008), S. 45, 52 und Ihlenburg (2009), S. 21 f.).
1296
Vgl. Urbany (2005), S. 169 und AMA (American Marketing Association) (2002).
1297
Vgl. z. B. Garvin/Edmondson/Gino (2008), S. 112 f.
326
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
ments Mitwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeiten lässt.1298 Ziele hierbei sind, dass aus Betroffenen Beteiligte gemacht werden und die Entscheidungsfindung demokratisiert wird bzw. in zirkulären Prozessen abläuft.1299 Zur Vermittlung zwischen Management und Mitarbeitern bietet sich z. B. die Positionierung eines „Change Agents“ an.1300 Allein das Erkennen und Aneignen neuen Anwendungswissens erzeugt jedoch noch keine neuen, wertschaffenden Lösungen. Deshalb ist es ebenfalls die Aufgabe des Managements, Werte und Normen zu fördern, die das Erlernen nötigen Anwendungswissens unterstützen.1301 Identifizierte AW-Lücken können häufig am besten dadurch gelöst werden, dass das Unternehmen offen gegenüber möglichen Lösungsansätzen und -wegen aus unternehmensfremden Quellen ist (z. B. Kundeninformationen). Um externe Quellen nutzbar zu machen bzw. zu halten, ist es die Aufgabe des Managements, Werte und Normen aufzubauen bzw. zu erhalten, die eine Balance der Wertschätzung für unternehmenseigenes und unternehmensfremdes Wissen schaffen (z. B. Abbau des NIH-Syndroms).1302 Für das Management besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Wertschätzung der Verbindung von internem und externem Wissen zum Ausdruck zu bringen. Beispielsweise ist es denkbar, dass die Unternehmensleitung jährlich einen Preis auslobt, mit dem das innovativste Kundenprojekt herausgehoben wird.1303 Eine weitere Möglichkeit der Darstellung einer Wertschätzung der Verbindung unterschiedlicher Wissensquellen kann auch die Ernennung eines Alliance Managers oder Liaison Officers darstellen, der die Aufgabe eines Gatekeepers einnimmt und vermittelnd zwischen unterschiedlichen Wissens- und Ideenquellen wirkt.1304 (2) Ausprägung einer Kundeninteraktionskompetenz durch Kunden- und MitarbeiterEmpowerment: Die „Selbstbefähigung“ der Interaktionspartner ist eine bedeutende Größe der KIK. Praktiken und Prozesse des Empowerments richten sich an zwei Zielgruppen: zum einen an (potenzielle) Kundenunternehmen und zum anderen an die Mitarbeiter des Unternehmens. Kundenunternehmen sollen zum Austausch mit und über das Anbieterunternehmen angeregt werden (z. B. durch das Angebot von Auslegetools und Produktkonfiguratoren, die Freigabe von CAD-Daten, problemorientierte Suchmöglichkeiten, die Nutzung von Referenzdatenbanken, Einsatz von Kundenhausmessen, Veranstaltung von Lead User Workshops und Innovationsmessen etc.). Die Befunde der vorliegenden Studie haben zudem gezeigt, dass die Förderung von
1298
Vgl. z. B. Hurley/Hult (1998), S. 51 f. Vgl. zur Wirkung partizipativer Prozesse auch Yukl (2002), S. 82 ff.
1299
Vgl. z. B. Bea/Haas (2005), S. 207 f. und Thommen/Achleitner (2009), S. 928 f.
1300
Vgl. Thom (1992), Sp. 1480 f.
1301
Zur Identifizierung von AW-Gaps bietet sich z. B. die Methodik des Technologie- und Marktroadmappings für einen systematischen Prozess an: Mittels Roadmaps können Unternehmen ihre Ist- und Zukunftsposition sowie Entwicklungspfade und Lücken aus Markt- und Technologiesicht strukturiert planen, abstimmen und steuern (vgl. z. B. Behrens (2003), S. 433 und Phaal/Farrukh/Probert (2004), S. 10).
1302
Vgl. z. B. Katz/Allen (1982), Haragadon/Sutton (2000), S. 163 und Menon/Pfeffer (2003).
1303
Vgl. Yukl (2002), S. 300.
1304
Vgl. Allen (1977) und Reichwald/Piller (2009), S. 108 f.
6.2 Implikationen für die Praxis
327
Kunden-Communities (d. h. der Austausch über Produkte und Services) eine weitere Empowerment-Maßnahme darstellt. Kunden-Communities werden derzeit aber im deutschen Industriegütermarkt lediglich in geringem Ausmaß genutzt, weshalb die aktive Nutzung von Kunden-Communities eine Differenzierungsmöglichkeit für Anbieterunternehmen darstellt. Das Empowerment von Mitarbeitern, bisher als HR-Praktiken bezeichnet, befähigt Individuen, für das Unternehmen kompetent zu interagieren, AW zu erkennen und sich AW anzueignen (z. B. durch interne und externe Fortbildungen, finanzielle Unterstützung von Weiterbildungen, persönliche Entwicklungspläne etc.). Darüber hinaus ist die Fortentwicklung des Kompetenzbestands eines Unternehmens auch durch den Zugewinn weiterer Mitarbeiter mit entsprechenden Kompetenzen möglich.1305 Dieser Aspekt wurde nicht in die Untersuchung einbezogen, jedoch scheint es sinnvoll, dass auch bei neu rekrutierten Mitarbeitern auf die entsprechenden Eigenschaften und Fortbildungen geachtet werden sollte. Obwohl der Fokus in dieser Arbeit nicht darauf liegt, die Abstimmung des Mitarbeiter- und Kunden-Empowerments zu analysieren, zeigt die hohe Bedeutung beider Empowerment-Konzepte, dass eine Abstimmung beider Konzepte sinnvoll erscheint (z. B. durch die Sicherstellung, dass Kundenprobleme in der Aus- und Weiterbildung einen hohen Stellenwert genießen1306). (3) Ausprägung einer Kundeninteraktionskompetenz durch Kundenwertmanagement: Während eine gemeinsame Vision in Unternehmen eine grobe Zielrichtung für alle Mitglieder eines Unternehmens vorgeben kann, bedarf es in der täglichen Umsetzung dieses Ziels weiterer Detaillierungen. Wie ressourcenintensiv die Interaktion mit einem bestimmten Kundenunternehmen geführt werden soll, richtet sich optimalerweise nach dem Wert, den dieser Kunde bereits generiert hat bzw. in der Zukunft generieren wird. PEPPERS/ROGERS (2004) sprechen bei dieser Potenzialbewertung von „Identifying Customers“1307. Aufgrund der Individualisierung der Problemstellungen müssen Informationen zum jeweiligen Wert des Kunden für jeden Mitarbeiter, der Berührungspunkte mit Vertretern der Kundenorganisation besitzt, jederzeit verfügbar sein. Hierzu existieren zahlreiche analytische Verfahren (z. B. nach Neuheit, nach Kauffrequenz, nach Geldwert, vergangenheitsorientierter Kundenwert, Customer Lifetime Value etc.1308). Die Sicherstellung der Verfügbarkeit individueller Kundenwertdaten ist im Hinblick auf eine KIK ein erster Schritt. Die Ergebnisse in Kapitel 5.4.3.1.2 implizieren jedoch, dass eine Vielzahl bereits bestehender Datenquellen und -bestände in vielen Unternehmen noch nicht effektiv genug genutzt wird. Derzeitige Kundenwertmanagementsysteme bleiben zudem aus zwei Gründen, die zugleich das Weiterentwicklungspotenzial aufzeigen, nur eine Näherungslösung für den Kundenwert:
1305
Vgl. Arnold (1997), S. 76 f. und Sloane/Twardy/Buschfeld (2004), S. 257.
1306
Die Praxisrelevanz einer derartigen Abstimmung wurde in den explorativen Interviews bestätigt.
1307
Peppers/Rogers (2004), S. 87.
1308
Vgl. z. B. Boulding et al. (2005), S. 160 und Kumar/Reinartz (2006), S. 108 ff.
328
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Einerseits überbetonen die existierenden Kundenwertinstrumente den Umsatzaspekt und unterrepräsentieren AW-Effekte und Zukunftsaspekte. Andererseits muss ein Anbieterunternehmen, das den AW-Effekt in die Kundenwerteinschätzungen mit einbeziehen möchte, eine genaue Kenntnis des eigenen kurz-, mittel- und langfristigen AW-Bedarfs haben (z. B. durch Technologie-Roadmapping) und diesen dem erwarteten AW-Potenzial des Kunden gegenüberstellen.1309 Die aufgeführten Aspekte in den Punkten (1) mit (3) müssen in ihren konkreten Ausgestaltungen gemäß dem Stimmigkeitspostulat überprüft werden:1310 Während diese Untersuchung den Schwerpunkt hauptsächlich auf die Adressierung der Gestaltung organisationaler Variablen gelegt hat, sollten zur Implementierung einer KIK Aspekte der konkreten KIK-Detaillierung (Punkte 2 und 3) sowie Aspekte der Führung und Kommunikation (Punkt 1) ausgeglichen und untereinander stimmig adressiert werden.1311 Für ein nachhaltiges, abgestimmtes Management einer KIK bzw. deren Einzelaspekte sollten relevante Zielgrößen in ein Managementinformationssystem aufgenommen werden (z. B. durchschnittliche Reaktionszeit des Vertriebs auf Kundenanfragen, Anzahl an Weiterbildungen etc.). Beispielsweise könnten im Rahmen einer traditionellen Balanced Scorecard entsprechende Größen z. B. in die Bereiche Kundenperspektive sowie Lern- bzw. Entwicklungsperspektive integriert werden.1312 (4) Unterstützende Prozesse, Systeme und Tools sind Schmierstoff, aber nicht der Motor einer Kundeninteraktionskompetenz: Die untersuchten Praktiken und Prozesse zur Unterstützung der Interaktion und Informationsverarbeitung (IRC und TIP), i. d. R. durch den Einsatz von IKT, sind zwar Reflektionen einer KIK, jedoch wird der Grad der Ausprägung durch sie nur in geringem Maße beeinflusst. Da die KIK eines Unternehmens ein soziales Phänomen ist, sollten Praktiker deshalb genau prüfen, welche sozialen Interaktionen durch den Einsatz derartiger Systeme und Tools angeregt oder unterstützt werden sollten und welche tatsächlich von der technischen Lösung gefördert werden.1313 (5) Förderung der intraorganisationalen Interaktion zur Steigerung des Neuprodukterfolgs: Der Erfolg von Unternehmen mit einer ausgeprägten KIK stützt sich im Wesentlichen auf die alltägliche Lösung von Kundenproblemen. Obwohl zahlreiche Studien im Kontext der Innovationsforschung Kundeninteraktion und Neuprodukterfolg (zumindest in frühen Entwicklungsphasen) eine starke positive Wirkung zuschreiben,1314 konnten lediglich schwächere
1309
Ein erster Schritt in diese Richtung könnte z. B. die Erhebung und Auswertung der bei Gruner/Homburg (2000), S. 10 erhobenen Kundenmerkmale sein (z. B. Lead-User-Charakteristika und Technische Attraktivität).
1310
Vgl. Krohmer (1999), S. 16.
1311
Vgl. Krohmer (1999), S. 17 ff. Beispielsweise sind die konkreten Empfehlungen für ein Kundenwertmanagementsystem in Punkt (3) als Strategiedetaillierung zu betrachten und die Anforderung an ManagementCommitment in Punkt (1) als Führungsinstrument.
1312
Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 9 und z. B. Bütikofer (1999), S. 327.
1313
Vgl. Übersicht zu „Propositions“ 4 und 5 bei Boulding et al. (2005), S. 158.
1314
Vgl. z. B. Gruner/Homburg (2000), S. 10.
6.3 Implikationen für die Forschung und weiterer Forschungsbedarf
329
Zusammenhänge zwischen einer KIK und dem Neuprodukterfolg festgestellt werden. Für Praktiker ergeben sich hieraus zwei Schlüsse: Entweder es müssen gesonderte Innovationsinteraktionsprozesse etabliert werden (Lead-User-Methode, Delphi-Befragungen etc.) und/oder bereits in regulären Kundeninteraktionen generiertes AW muss effizienter genutzt und verteilt werden.1315 Zu den Mitteln zur Steigerung der intraorganisationalen Interaktion zählen u. a. der Einsatz interdisziplinärer Teams (z. B. zur Aufarbeitung bestimmter Kundenprobleme, zum Aufbau von Referenzdatenbanken), die Incentivierung des AW-Austauschs und die Vernetzung unterschiedlicher Abteilungen/Teilsysteme des Anbieterunternehmens über ontologiebasierte Informationssysteme.1316
6.3
Implikationen für die Forschung und weiterer Forschungsbedarf
Neben den Implikationen für die Praxis ist ein weiteres Teilziel dieser Untersuchung die wissenschaftliche Erschließung einer KIK im Industriegüterkontext. Insbesondere wurde nach den strategischen Gestaltungselementen dieses Phänomens gesucht.1317 Das letzte Teilkapitel beantwortet mit den theoretischen Beiträgen und Implikationen die Forschungsfrage IIb,1318 benennt die Restriktionen der Untersuchung und gibt abschließend einen Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf.
6.3.1
Theoretischer Beitrag und Implikationen
Entsprechend der einzelnen Schritte dieser Untersuchung existieren verschiedene theoretische Beiträge und Implikationen: (1) Beitrag zur semantischen Klarheit einer Kundeninteraktionskompetenz: Diese Studie ist mit dem Anspruch angetreten, nicht zu dem „Gestrüpp an allgemeine[n] Kompetenz-, Fähigkeits- und Vermögensbegriffe[n]“1319 beizutragen sowie keine weitere Metakompetenz zu entwerfen, deren Umsetzung in der Praxis problematisch erscheint.1320 Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass Interaktionen als kurzfristigere Austauschepisoden zwischen Mitarbeitern verschiedener Unternehmen verstanden werden.1321 Da einzelne
1315
Vgl. z. B. Zhou/Yim/Tse (2005), S. 46.
1316
Vgl. z. B. Bullinger (2008).
1317
Damit grenzt sich die Untersuchung von Arbeiten ab, die das Ziel haben, das Zustandekommen (einzelner) interorganisationaler Beziehungen oder Interaktionen zu erklären (vgl. z. B. Canning/Hanmer-Lloyd (2002)).
1318
Forschungsfrage IIb: „Welche theoretischen Beiträge und Implikationen können aus einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz abgeleitet werden?“
1319
Moldaschl (2007), S. 5.
1320
Vgl. Kapitel 1.1 „Defizite“ und Kapitel 2.2.1.2 „Anforderungen an organisationale Kompetenzkonstrukte“
1321
Vgl. Canning/Hanmer-Lloyd (2002), S. 616.
330
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Mitarbeiter jedoch in ihrer Rolle für das Unternehmen handeln, richtet sich KIK als organisationales Phänomen auf die Werte, Normen, Praktiken und Prozesse des gesamten Systems Unternehmen. Diese von der kulturellen Perspektive geprägten Dimensionen eines Unternehmens zielen darauf ab, das AW des Unternehmens in Interaktion mit Kundenunternehmen zu optimieren. Die folgenden Aspekte grenzen die hier konzipierte KIK von Kompetenzkonstrukten ab, die als Metakompetenzen bezeichnet werden. Erstens ist die KIK im Gegensatz zu anderen Kompetenzkonzepten nicht auf die Generierung und Veränderung von Kompetenzen des Unternehmens gerichtet,1322 sondern zielt direkt auf die Schaffung und Aneignung von Anwendungswissen ab. Zweitens wird die Anpassungsfähigkeit nicht in einer Kernkompetenz oder einem besonderen Prozess gesehen, sondern als fortwährende Aufgabe des strategischen Managements bzw. der Individuen, die diese Aufgabe ausfüllen.1323 Drittens beinhalten die Konzeptualisierungen der KIK-Stellhebel konkrete Praktiken und Prozesse, die eine direkte praktische Umsetzung des Konzepts ermöglichen. Überspitzt dargestellt schafft eine KIK die Rahmenvoraussetzungen für Interaktionen und Lernen von Gruppen bzw. sozialen Systemen. Es ist deshalb unumgänglich, dass „[…] gerade auf diesem verhaltenswissenschaftlichen Gebiet die Auseinandersetzungen um diese oder jene Theorie mit weltanschaulich beeinflussten Argumenten geführt werden.“1324 Zur semantischen Klarheit gehört deshalb ebenfalls die Offenlegung der zugrunde gelegten Paradigmen und Menschenbilder. Während zahlreiche betriebswirtschaftliche Arbeiten in diesem Bereich diese zum Teil erkenntnistheoretische Fundierung ausblenden,1325 wurde in der vorliegenden Untersuchung KIK sowohl in ressourcenorientierte als auch in konstruktivistisch-systemtheoretische Zusammenhänge eingeordnet. Letztlich werden diese explizierten Grundannahmen auch von den empirischen Ergebnissen unterstützt.1326 Als wesentlicher theoretischer Beitrag dieser Arbeit muss auch die Verankerung einer KIK bzw. IO in der Theorie multipler Perspektiven gewertet werden. Auf Basis der durchgeführten Literaturstudie wurde diese theoretische Fundierung bisher nicht genutzt, obwohl sie in der Lage ist, starke Erklärungsbeiträge für die Bedeutung und das Zustandekommen von Anwendungswissen zu liefern.
1322
Vgl. z. B. Teece/Pisanu/Shuen (1997), S. 516: „We define dynamic capabilities as the firm’s ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments.“
1323
Vgl. Sinkovics/Roath (2004), S. 44: „The strategic orientation concept reflects managers’ perceptions of the environment and their reactions to environmental conditions.“
1324
Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 320.
1325
Beispielsweise kommen auch die in dieser Arbeit häufig genannten Arbeiten von Ramani/Kumar (2008) und Baker/Sinkula (1999b) ohne eine explizite Klarstellung dieser Paradigmen aus.
1326
Die Erfolgswirkungen der einzelnen strategischen Orientierungen im Strukturmodell bestätigen die erwarteten ressourcenbasierten Annahmen (vgl. Kapitel 5.2.3). Zugleich können Moderatoren- und Antezedenzfunktionen für die Mitarbeiteranzahl festgestellt werden, was als Maß der Systemkomplexität gedeutet werden kann (vgl. Kapitel 5.4.1 und 5.3.3).
6.3 Implikationen für die Forschung und weiterer Forschungsbedarf
331
(2) Verortung der Bestandteile der Kundeninteraktionskompetenz im Feld strategischer Orientierungen: Die Literatur zu strategischen Orientierungen zeigt sich ähnlich vielschichtig wie die im Bereich organisationaler Kompetenzen. Zur besseren Abgrenzung wurden in dieser Untersuchung die Bestandteile der KIK in das Entwicklungsphasenschema der Unternehmensführung von BRUHN eingeordnet.1327 Dieses Vorgehen fördert einerseits das Verständnis für die Handlungsoptionen des Managements. Andererseits werden durch die Entwicklungsphasen auch Zusammenhänge zwischen einzelnen Orientierungen und der Einfluss der Umwelt auf das Unternehmen deutlich. Das dargestellte modifizierte Phasenschema umfasst dabei aber nicht alle denkbaren strategischen Orientierungen. Insbesondere wurde aufgrund der Annahme, dass eine KIK sowohl die reguläre Aufgabenbewältigung (Lösung aktueller Kundenprobleme) als auch die Neuproduktentwicklung unterstützt, eine Innovationsorientierung bewusst nicht in das modifizierte Schema integriert.1328 (3) Weiterentwicklung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung: Die vorliegende Studie greift die aktuellen Forschungsanregungen von RAMANI/KUMAR (2008) auf.1329 Zum einen wurde die Konzeptualisierung der Interaktionsorientierung erweitert und zum anderen wurden die Faktoren Lernorientierung und Innovativität in die Untersuchung einbezogen. Basierend auf den in der Literatur existierenden Konzepten erfolgte eine Neukonzeptualisierung für Industriegütermärkte. Das Vorgehen hierzu lehnt sich an das Verfahren bei TULI/KOHLI/ BHARADWAJ (2007) an. Insbesondere für das IO-Konstrukt ergaben sich grundlegende Veränderungen, die auf den Neuheitsgrad des Konstrukts zurückzuführen sind. RAMANI/KUMAR (2008) bezeichnen die Wert-/Normdimension eines individualisierten Kundenverständnisses (Customer Concept) als „basic underlying belief“1330 einer IO. Dagegen zeigte sich in der Neukonzeptualisierungsphase, dass in Industriegütermärkten das Verständnis für Kundenprobleme und die Orientierung zu Lösungsangeboten für Kunden wesentlich bedeutender sind. Demzufolge ist es nicht die Wertschätzung eines individualisierten Kundenbilds, sondern ein grundlegendes Verständnis für individualisierte Kundenprobleme, dem ein zentraler Stellenwert in Industriegüterunternehmen eingeräumt werden sollte. Wird diese Argumentationslinie weiterverfolgt, dann erscheint die beste Lösung des Problems der Kundenorganisation bedeutender als lediglich eine hoch individualisierte Behandlung des Kunden. Für die Anbieterorganisation stellt sich also die Frage, welche Problemklassen gelöst werden können bzw. welche Problemklassen das Unternehmen gerne lösen können würde.1331
1327
Vgl. Kapitel 2.2.2.2
1328
Vgl. z. B. Manu/Sriram (1996), S. 80 f.
1329
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 41 f.
1330
Vgl. Ramani/Kumar (2008), S. 28.
1331
In diesen Kontext kann z. B. auch die Aussage aus dem Interview mit einem Produktmanagementverantwortlichen aus dem Bereich Maschinenbau eingeordnet werden: „Das heißt, es ergibt sich das Problem, dass aus einer derart heterogenen Kundenstruktur Produkte gestaltet werden müssen, die für die meisten Kunden passen. Obwohl es also auch kundenspezifische Entwicklungen geben muss, ist es wichtig, dass eine Vielzahl an Kunden auch mit Standardlösungen befriedigt werden kann.“
332
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
Auf der Suche nach Gründen für die unterschiedlichen Befunde für die Werte- bzw. Normdimensionen einer IO finden sich zwei Aspekte: Zum einen könnte der Unterschied in den grundsätzlichen Merkmalsunterschieden zwischen Konsum- und Industriegütermärkten liegen. Während in Konsumgütermärkten die Kommunikation von Anwendungswissen und individualisierte Lösungsräume besonders relevant sein könnten, könnten in komplexen Industriegütermärkten die Rückkanäle und die gemeinsame Problemlösung bedeutender sein. Obwohl RAMANI/KUMAR (2008) B2B-Unternehmen befragte, hat die Zugehörigkeit zu einem der beiden Märkte dort keine Antezedenzfunktion.1332 Zum anderen ist auch ein grundsätzlicher Unterschied in der Unternehmenskultur zwischen Unternehmen im amerikanischen und deutschen Raum denkbar. Im Unterschied zur Werte- bzw. Normdimension von RAMANI/KUMAR (2008) wurde die Bedeutung der Kundenmotivationspraktiken und des Kundenwertmanagements für das IOKonstrukt bestätigt. Für die Dimension, in der Praktiken und Prozesse der Interaktionsfähigkeit konzeptionalisiert wurden, wurde zwar eine starke reflektierende Wirkung des zugrunde liegenden Werts (CPU) festgestellt, jedoch nur eine geringe Wirkung auf das IO-Konstrukt. Dementsprechend werden die Praktiken und Prozesse der Interaktionsfähigkeit als Supportpraktiken und -prozesse klassifiziert. Das LO-Konzept von SINKULA/BAKER/NOORDEWIER (1997) wurde erwartungsgemäß bestätigt. Demzufolge dienen Werte und Normen der Lernausrichtung, der Experimentierfreude und Offenheit sowie der gemeinsamen Vision als Indikatoren für Ein- und Zweischleifen-Lernprozesse sowie als vermittelnde Norm. Aufgrund der Befunde der explorativen Interviews wurde das LO-Konstrukt zudem um Praktiken und Prozesse einer Lernorientierung, die als HRPraktiken sowie Transfer- und Integrationsprozesse konzeptualisiert sind, erweitert. Diese Erweiterung führt dazu, dass Lernorientierung in der konkreten betrieblichen Realität greifbar und konkret verankerbar ist. Während die HR-Praktiken einen signifikanten Einfluss auf das LOKonstrukt und eine Reflektion der entsprechenden Werte und Normen darstellen, sind Transferund Integrationsprozesse lediglich Reflektionen der Werte und Normen und haben nur geringen Einfluss auf das LO-Konstrukt. Aufgrund dieser Eigenschaft sind sie ebenfalls als Supportpraktiken bzw. -prozesse zu verstehen. Damit haben sie einen notwendigen, jedoch nicht hinreichenden Aussagegehalt. Diese Erkenntnis stellt die Wirksamkeit einiger angrenzender Konstrukte in Frage, die hauptsächlich Transfer- und Integrations- bzw. Informationsprozesse abbilden.1333 Der Begriff „strategische Orientierung“ suggeriert, dass es sich um eine echte Handlungsalternative des Managements handelt und damit die Ausprägung einer KIK durch das Unter-
1332
An dieser Stelle muss auf den Definitionsunterschied zwischen B2B- und Industriegütermärkten in Kapitel 2.1.1 hingewiesen werden.
1333
Vgl. z. B. die MARKOR-Skala von Kohli/Jaworski/Kumar (1993). In diesem Kontext muss auch auf die Tatsache hingewiesen werden, dass die Erfolgswirkung von CRM-Systemen in Unternehmen kritisch diskutiert wird (vgl. z. B. Kotorov (2003), S. 567 und Roh/Ahn/Han (2005), S. 641 f.).
6.3 Implikationen für die Forschung und weiterer Forschungsbedarf
333
nehmen selbst geleistet werden muss. Die Untersuchung möglicher Antezedenzen in der Unternehmensumwelt bzw. unveränderbarer Systemmerkmale konnte mit Ausnahme der Mitarbeiteranzahl keine weiteren Einflussfaktoren mit signifikanter Wirkung feststellen.1334 Damit wird der Charakter von IO und LO als echte strategische Handlungsoptionen unterstützt. (4) Typologie einer Kundeninteraktionskompetenz (KIK-Matrix): Da die identifizierten Bestandteile einer KIK echte Handlungsalternativen des Managements darstellen, sind grundsätzlich vier verschiedene Ausprägungsmöglichkeiten und Normstrategien einer KIK denkbar.1335 In dieser Betrachtung zeigt sich zugleich der dynamische Charakter des Konzepts KIK. Einerseits ist im Einklang mit der ressourcenbasierten Perspektive die Ausprägung einer KIK in Abhängigkeit zum Wettbewerbsumfeld zu betrachten. Andererseits zeigt dies auch, dass das soziale System Unternehmen ständig Ressourcen zur Aufrechterhaltung der jeweiligen KIKPosition aufwenden muss, da das Unternehmen selbst beständig durch die Aufnahme oder Abgabe von Anwendungswissen modifiziert wird (z. B. durch den Aufbau von Wissensspeichern oder das Ausscheiden von Individuen, die AW tragen). Analog zum bisherigen Vorgehen sollen nun auch die Ergebnisse für die zweite Hauptforschungsfrage zusammengefasst werden: Forschungsfrage II:
Welche (a) praxeologischen Konsequenzen und (b) wissenschaftlichen Aussagen können aus den durchgeführten Untersuchungen abgeleitet werden?
Antwort:
a) Praxeologische Konsequenzen: Das Management der Kundeninteraktionskompetenz (KIK) eines Unternehmens ist eine strategische Aufgabe. Zur Analyse des Zusammenspiels der Interaktionsund Lernorientierung eignet sich die KIK-Matrix, deren Positionierungsaussagen die Ableitung von Normstrategien ermöglicht. Zur Gestaltung der KIK eignet sich …
die Förderung entsprechender Werte und Normen. die Förderung von Kunden- und Mitarbeiter-Empowerment. die Förderung eines Kundenwertmanagements. der selektive Einsatz von Prozessen, Systemen und Tools. die Förderung der intraorganisationalen Interaktion.
1334
Untersucht wurden Alter, Branchenzugehörigkeit, Höhe des Umsatzes, Wettbewerbsintensität und Kundenmacht.
1335
In dieser Betrachtung wird vereinfachend von dichotomen Ausprägungen der einzelnen strategischen Orientierungen ausgegangen (gering und stark ausgeprägt).
334
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
b) Theoretischer Beitrag und Implikationen: Aus der vorliegenden Untersuchung kann als theoretischer Beitrag abgeleitet werden … ein Beitrag zur semantischen Klarheit. die Verortung der KIK im Feld strategischer Orientierungen. die Weiterentwicklung der Konstrukte Interaktions- und Lernorientierung. die Entwicklung einer KIK-Typologie/-Matrix.
6.3.2
Restriktionen
Im Bewusstsein der Leistungen und Beiträge der Untersuchung müssen jedoch auch einige Restriktionen anerkannt werden, deren Offenlegung einem ähnlichen Zweck dient, wie die Aufklärung der grundlegenden Paradigmen in Kapitel 2.3. (1) Übertragbarkeit theoretischer Grundlagen: Viele theoretische Grundlagen in den Bereichen organisationale Interaktion und organisationales Lernen entstammen zu weiten Teilen psychologischen und soziologischen Forschungsrichtungen, die das Individuum in das Zentrum der Betrachtung stellen. Die grundsätzliche Frage der Übertragbarkeit dieser theoretischen Aspekte auf Institutionen bzw. Unternehmen wurde in dieser Untersuchung im Einklang mit zahlreichen anderen Studien angenommen. Obwohl diese Annahme im Einklang mit anderen Autoren getroffen wird, existiert seit Aufkommen der Idee organisationalen Lernens eine Diskussion über den Zusammenhang individuellen und organisationalen Lernens.1336 Eine einfache Zusammenführung beider Konzepte wird deshalb von einigen Autoren abgelehnt.1337 Dieser Kritik wurde versucht Rechnung zu tragen, indem der Anregung von BERENDS/ BOERSMA/WEGGEMAN (2003) gefolgt und eine KIK mit sozialwissenschaftlichen Grundlagen fundiert wurde.1338 (2) Konzeptualisierung und Erhebung einer Kundeninteraktionskompetenz: Eine erhebliche Eingrenzung erfolgt durch die Beschränkung auf die Stakeholdergruppe Kunde.1339 Indem die Lösung von Kundenproblemen und der resultierende wirtschaftliche Erfolg als für Unternehmen existenziell identifiziert gewertet werden, wurden weitere potenzielle Träger von AW und so die Interaktion mit diesen Stakeholdern ausgeblendet (z. B. Lieferanten, Forschungseinrichtungen, externe Berater etc.).1340 Dennoch wird diese Einschränkung für unerlässlich befunden, um einerseits überhaupt zu empirisch gestützten Ergebnissen zu gelangen und
1336
Vgl. z. B. Cangelosi/Dill (1965) und Crossan/Lane/White (1999).
1337
Vgl. Berends/Boersma/Weggeman (2003), S. 1037.
1338
Vgl. Berends/Boersma/Weggeman (2003), S. 1038.
1339
Vgl. z. B. die Deutung des KIK-Matrix-Quadranten II in Kapitel 6.2.1.1.
1340
Vgl. z. B. Laursen/Salter (2006), S. 133, 136.
6.3 Implikationen für die Forschung und weiterer Forschungsbedarf
335
andererseits die Spezifität und Umsetzbarkeit der Aussagen dieser Untersuchung zu gewährleisten. Da insbesondere die aneignende KIK-Komponente nicht spezifisch auf kundenbasiertem Anwendungswissen beruht, stellt ein ähnliches Vorgehen mit Fokus auf anderen AW-Trägern ein sinnvolles weiteres Vorgehen für die Forschung dar.1341 Eine weitere Restriktion, die dieser Kategorie zuzuordnen ist, liegt im Forschungsdesign begründet. Ausgehend von einer systemtheoretischen Perspektive wurde die Umwelt als komplex und kontingent begriffen. Im Einklang mit Beobachtungen aus der Praxis wurde geschlossen, dass Anbieterunternehmen nicht direkt auf Kundenunternehmen einwirken können. Die Datenerhebung erfolgte demnach nur aus Anbietersicht. Obwohl an Interaktionen zugleich immer Anbieter und Kunde beteiligt sind, birgt diese nicht-dyadische Untersuchung die Gefahr eines Halo-Effekts.1342 Aufgrund der Tatsache, dass Interaktion mit Kunden und organisationales Lernen im allgemeinen Verständnis als erstrebenswert und positiv erscheinen, kann es sein, dass zugehörige Gestaltungselemente von Befragten als zu positiv gewertet werden, um die eigene kognitive Konsistenz zu wahren.1343 Diese Untersuchung ist sich dieser möglichen Quelle für Verzerrungen bewusst. Dennoch wurde dieses Vorgehen aus zwei Gründen gewählt: Erstens ist der Adressatenpool im Bereich komplexer Industriegüter sehr eingeschränkt verfügbar. Eine ausschließlich dyadische Betrachtung hätte den auswertbaren Rücklauf weiter verringert, wodurch eine derartige quantitative Analyse nur noch eingeschränkt möglich gewesen wäre. Zweitens wurde angestrebt, die KIK eines Anbieterunternehmens über alle Kundenbeziehungen darzustellen. Das Herausgreifen einzelner Interaktionsbeziehungen, ggf. sogar von Key AccountBeziehungen, hätte gleichfalls zu Verzerrungen geführt und dem grundsätzlichen Forschungsziel widersprochen. Letztlich muss in dieser Klasse an Restriktionen auch der Punkt der Vollständigkeit der Konzeptualisierungen angesprochen werden. Grundsätzlich wird aufgrund der theoretischen Fundierung und empirischen Ergebnisse davon ausgegangen, dass die herausgearbeiteten Dimensionen einer KIK (bzw. IO und LO) zur Beschreibung der Kompetenz eines Anbieterunternehmens in der Interaktion mit Kunden bzw. der Kompetenz im Umgang mit kundenspezifischem Anwendungswissen gut geeignet ist.1344 Die schwachen Effekte zwischen den KIK-Stellhebeln und dem Neuprodukterfolg erscheinen vor dem Hintergrund, dass in der Literatur der Kundeninteraktion und dem Neuprodukterfolg ein starker Zusammenhang bestätigt wird, unerwartet. Es dient damit als eine Anregung, die entwickelte Konzeptualisierung zukünftig in dieser Richtung weiter zu entwickeln und in Kontext zu weiteren strategischen Orientierungen
1341
Vgl. den Entwurf einer generellen organisationalen Interaktionskompetenz in Kapitel 2.2.2.3.
1342
Vgl. Forgas (1999), S. 61 ff., Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 310 und Bortz/Döring (2006), S. 183.
1343
Mit ähnlicher Argumentation könnte an dieser Stelle auch der „Self Serving Bias“ (vgl. Bortz/Döring (2006), S. 184) als Restriktion angeführt werden.
1344
Vgl. die als durchschnittlich zu beurteilenden Werte der Varianzaufklärung (R2) in Kapitel 4.2.
336
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
zu setzen.1345 Ebenso darf die Untersuchung weiterer Antezedenzvariablen noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden.1346 (3) Verwendete Datengrundlage: Eine starke Restriktion stellt die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands auf Industriegütermärkte dar. Aufgrund der Tatsache, dass Unternehmen, die auf diesen Märkten tätig sind, einen Großteil der Wirtschaftsleistung in Deutschland liefern, ist eine gesonderte Untersuchung dieses Segments jedoch gerechtfertigt. Durch die Komplexität der typischen Problemstellungen auf diesen Märkten scheint hier zudem der Nutzen der Ausprägung einer KIK am höchsten. Ähnlich dem Konzept des Beziehungsmarketings, das starke Wurzeln im Industriesektor hat,1347 ist vorstellbar, dass der Gedanke einer KIK auch in Konsumgütermärkten einsetzbar ist.1348 Es ist jedoch davon auszugehen, dass bestimmte Dimensionen (z. B. Kundenwertmanagement oder Kundenproblemverständnis) entsprechende Anpassungen bei der Übertragung des Konzepts benötigen.1349 Neben der Beschränkung auf den Industriegütersektor war der Kreis der Befragten dieser Erhebung auch regional auf Unternehmen in Deutschland beschränkt. Da die kulturelle Perspektive in dieser Studie als eine theoretische Grundlage gewählt wurde, d. h. Werte und Normen eingeschlossen wurden, ist es möglich, dass sich die Ergebnisse verändern, wenn das Instrument in unterschiedlichen Kulturkreisen eingesetzt wird. Die letzte Restriktion bezogen auf die Datengrundlage stellt die Verzerrung des Samples zugunsten größerer Unternehmen dar. Gemessen am realen Branchendurchschnitt wurden tendenziell zu große Unternehmen betrachtet. Die Tatsache, dass die Mitarbeiterzahl einen signifikant negativen Einfluss auf die Ausprägung von IO und LO geliefert hat, würde demnach darauf hindeuten, dass der Effekt der KIK tendenziell sogar unterschätzt wurde, und schmälert somit nicht den Aussagewert dieser Studie. Zugleich muss hinzugefügt werden, dass extrem kleine Unternehmen einige der untersuchten Praktiken und Prozesse in der Regel aufgrund einer geringen Kundenzahl gar nicht explizit ausbilden müssen. Hieraus folgt auch die Einschränkung, dass sich dieses Konzept insbesondere in seiner Beschreibung der Praktiken und Prozesse nicht primär an das Management von Kleinstunternehmen (< 20 Mitarbeiter) richtet.1350
1345
Vgl. z. B. das Verhältnis zwischen Lern- und Lösungsorientierung in Kapitel 5.3.1.
1346
Mögliche weitere Einflussfaktoren könnten z. B. Marktturbulenzen oder eine turbulente technologische Entwicklung in der betrachteten Branche sein.
1347
Vgl. Bruhn (2001), S. V, 13.
1348
Vgl. z. B. Ramani/Kumar (2008), die keine signifikante Antezedenzbeziehung der B2C-/B2B-Zugehörigkeit belegen können.
1349
Vgl. Bortz/Döring (2006), S. 253.
1350
Die Werte- und Normdimensionen des KIK-Konzepts werden hingegen als universell einsetzbar gesehen.
6.3 Implikationen für die Forschung und weiterer Forschungsbedarf
337
(4) Restriktionen aufgrund methodischer Aspekte: Die Befragten dieser Studie können als so genannte Key Informants (Schlüsselinformanten) bezeichnet werden.1351 Um Verzerrungen zu vermeiden, die aufgrund der besonderen Position des Befragten entstehen (Key Informant Bias), müssten alle oder zumindest mehrere Mitglieder der gleichen Organisation befragt werden. Da derartige Erhebungen i. d. R. nicht möglich sind und die Adressatenpools in Industriegütermärkten ohnehin schwer zugänglich sind, wurde eine mögliche Verzerrung unter Rücksicht auf das eigentliche Erkenntnisinteresse in Kauf genommen. Zur Minimierung des Key Informant Bias wurde zudem den gängigen Hinweisen der Literatur gefolgt und es wurden entsprechende Maßnahmen ergriffen.1352 Weiterhin können aufgrund des Querschnittscharakters keine Aussagen über längerfristige Wirkungen von Managementaktivitäten bezüglich der einzelnen untersuchten Dimensionen getroffen werden. Abhilfe könnten hierbei, wie auch von RAMANI/KUMAR (2008) vorgeschlagen, Längsschnittstudien schaffen. Derartige Aussagen waren noch nicht das Ziel dieser Untersuchung, allerdings bieten die nun vorliegenden Erkenntnisse einen guten Startpunkt dafür, um Unternehmen mit besonders interessanten IO-LO-Konstellationen in einer Längsschnittstudie zu analysieren. Als dritte methodische Einschränkung ist die Erhebung abhängiger und unabhängiger Größen durch den gleichen Befragten zu nennen (Common Method Bias). Auch hier wurde den entsprechenden Hinweisen in der Literatur zur Minimierung und Überprüfung der resultierenden Verzerrung gefolgt.1353 Die Ergebnisse dieser Analysen in Kapitel 4.1.2 weisen dem Common Method Bias jedoch für diese Untersuchung nur geringe Bedeutung zu. Abschließend ist als methodische Restriktion auch das Fehlen eines Re-Tests anzuführen, mit dem die Messinstrumente und Ergebnisse zusätzlich validiert werden könnten. Auch hier stellt sich die Verfügbarkeit der Befragten als limitierender Faktor heraus. Aufgrund der begrenzten Anzahl an Unternehmen im Bereich komplexer Industriegüter hätte die Befragung die gleiche Zielgruppe adressieren müssen, was jedoch insbesondere aufgrund des extensiven Fragebogendesigns nicht möglich war.
1351
Vgl. die Kritik bei Phillips (1981) und weiterhin die Übersicht verschiedener Studien im Bereich des Key Informant Bias bei Hurrle/Kieser (2005), S. 585 ff.
1352
Für weitere Ausführungen vgl. Kapitel 4.1.1 und 4.1.2.
1353
Von der Erhebung zusätzlicher objektiver Erfolgsdaten wurde abgesehen.
338
6 Gestaltung und Implikationen einer Kundeninteraktionskompetenz
6.3.3
Weiterer Forschungsbedarf
Der letzte Abschnitt soll dem Leser einen Ausblick über vier zentrale Ansatzpunkte der zukünftigen Forschung im Bereich der Kundeninteraktionskompetenz bieten. (1) Vertiefung und Erweiterung des Verständnisses einer Interaktionskompetenz: Bereits die vorliegende Konzeptualisierung der KIK ist gut geeignet, um das Zustandekommen von Wettbewerbsvorteilen aufgrund bestimmter strategischer Orientierungen theoretisch und praktisch zu erklären. Weitere Erklärungsbeiträge versprechen eine vertiefte Betrachtung der Positionierung in der KIK-Matrix im Zeitverlauf, der Wirkung konkreter Gestaltungselemente (z. B. verstärkter Einsatz von Community-Informationen) und der Charakteristika der Unternehmen in den KIK-Matrix-Quadranten II und III. Zur Analyse dieser Effekte bieten sich Längsschnittstudien oder detaillierte Fallstudien mit einer reduzierten Zahl an Beobachtungsobjekten an.1354 Neben der Vertiefung der präsentierten Konzeptualisierung sollte auch eine Erweiterung des Konzepts erfolgen: Einerseits erscheint es sinnvoll, die Interaktion mit weiteren Trägern von Anwendungswissen (z. B. Forschungseinrichtungen, Zulieferer, Allianzpartner) einzubeziehen. Andererseits zeigen die Befunde, dass Innovationsprozesse stärker als bisher in die Konzeptualisierung einer Interaktionskompetenz-Konzeptualisierung einbezogen werden sollten, um ein holistisches (Kunden-)Interaktionskompetenz-Konstrukt zu erhalten.1355 (2) Zusätzliche Sichtweisen auf die Kundeninteraktionskompetenz eines Anbieterunternehmens: Die vorliegende Untersuchung nimmt die organisationale Perspektive des Anbieterunternehmens in Industriegütermärkten ein. Weitere Studien sollten diese Perspektive zum einen um den Blickwinkel des Kunden und zum anderen um den Blickwinkel des Individuums innerhalb der Anbieterorganisation erweitern. Die Kundensicht ist dazu geeignet, mögliche Wahrnehmungsverzerrungen zu reduzieren und weitere, aus Kundensicht bedeutende Aspekte und Gestaltungsmerkmale1356 (im Sinne oben genannter Vertiefung der Konzeptualisierung) zu ergänzen.1357 Die Sichtweise der Mitglieder des Unternehmens als „Betroffene“ und „Umsetzer“ einer KIK sollte zusätzliche Informationen über die Einflussfaktoren der individuellen Identifizierung, Speicherung und Weitergabe von Anwendungswissen liefern. (3) Typologisierung von Anwendungswissen: In der theoretischen Betrachtung ist die Unterscheidung von Anwendungswissen in die Bestandteile Technologie- und Nutzungswissen sinnvoll und genügt dem Ziel der Identifizierung relevanter Gestaltungsmerkmale einer KIK. In der täglichen Praxis ist die Unterscheidung jedoch schwierig, welche Information, die in einer
1354
Vgl. z. B. Ramani/Kumar (2008), S. 41 f.
1355
„Holistisch“ wird hier derart verstanden, dass alle Wertschöpfungsphasen gleichermaßen berücksichtigt werden. (vgl. Reichwald/Piller (2009), S. 52).
1356
Hierzu zählt z. B. das Phänomen des „Free Revealing“ (vgl. Harhoff/Henkel/v. Hippel (2003)).
1357
Eine ähnliche Perspektive wird z. B. bei Ihl et al. (2006) in Bezug auf Mass Customization eingenommen.
6.3 Implikationen für die Forschung und weiterer Forschungsbedarf
339
Kundeninteraktion gewonnen wurde, für das eigene Unternehmen Anwendungswissen darstellt und welche nicht. Eine Typologisierung bzw. ein Bewertungsschema für Anwendungswissen verspricht positive Effekte auf die Bedarfsplanung, auf die Identifizierung und auf die Weiterleitung entsprechenden Anwendungswissens sowie auf den Aussagegehalt des Instruments des Kundenwerts.1358 (4) Ausweitung des Einsatzbereichs des Messinstruments: Aufgrund der Markt- und Aufgabencharakteristika wurde für diese Studie der deutsche Industriegütersektor gewählt, da die Auswirkungen eines Interaktionsansatzes hier besonders deutlich erscheinen.1359 Die Überprüfung des Messinstruments in Konsumgütermärkten sollte einerseits zeigen, ob diese Annahme gerechtfertigt erscheint. Andererseits sollte die Validierung des Messinstruments in Konsumgütermärkten zur Ableitung weiterer spezifischer Gestaltungselemente für Konsumgütermärkte führen. Darüber hinaus handelte es sich bei der Stichprobe um in Deutschland ansässige Unternehmen. Aufgrund der Tatsache, dass eine Kundeninteraktionskompetenz stark von Wert- und Normdimensionen geprägt ist, sollte das Messinstrument auch in anderen Kulturkreisen auf seine Wirksamkeit überprüft und ergänzt werden (z. B. in Japan und den USA1360). Am Ende dieser Untersuchung ist festzuhalten, dass die vorgestellte Kundeninteraktionskompetenz sicherlich keine „PerfectAbility“ darstellt, wie sie bei MOLDASCHL (2007) kritisiert wird.1361 Die Ausprägung einer Kundeninteraktionskompetenz ist jedoch eine Antwort auf die Anforderungen einer erhöhten Umweltdynamik bzw., um mit den Worten der Einleitung zu sprechen, eine Wertschöpfungs- und Wettbewerbsstrategie zeitgemäßen Wirtschaftens in einer „flachen Welt“.1362 Das Konstrukt der Kundeninteraktionskompetenz entwickelt sich damit zu einem bedeutendem Hilfsmittel des strategischen Managements. Die Etablierung einer organisationalen Kundeninteraktionskompetenz fördert die horizontale Kooperation1363 bzw. die interaktive Wertschöpfung mit der bedeutendsten Stakeholdergruppe eines Unternehmens, den Kunden.
1358
Anregungen und Ansatzpunkte finden sich z. B. in der Analyse des Nachfragerpotenzials bei Kleinaltenkamp (2002), S. 80 ff.
1359
Vgl. z. B. Kern (1990), S. 4
1360
Beide Länder erscheinen aufgrund unterschiedlicher Kultur und ähnlicher Industriestruktur besonders geeignet für eine vergleichende Betrachtung (vgl. z. B. auch das Vorgehen bei Reichwald/Ihl/Schaller (2003)). Regionale Unterschiede in der Umsetzung von Strategien stellt beispielsweise auch Krohmer (1999), S. 182 ff. fest.
1361
Vgl. die Kritik bei Moldaschl (2007), S. 14.
1362
Vgl. Kapitel 1.1.
1363
Als „horizontale Wertschöpfungsprozesse“ werden bei Friedman (2008), S. 251 Strategien bezeichnet, die als Erfolg versprechend in einer „flachen Welt“ gelten.
Anhang Anhang 1 Metakompetenz-Konstrukte Ausgehend von der Anforderung an Unternehmen, die Wettbewerbsfähigkeit erhalten und ausbauen zu müssen, d. h. veränderungs- und anpassungsfähig zu bleiben1364, ist ein Gewirr an verschiedenen organisationalen Meta-Fähigkeitsbegriffen entstanden. Eine (nicht abgeschlossene) Auswahl dieser Begriffe stellt MOLDASCHL (2007) vor: 1365
x
Innovationsfähigkeit (Witte (1973)),
x
Zukunftsfähigkeit,
Lernfähigkeit
(ubiquitär),
Evolutionsfähigkeit
(Kappelhoff
(2004)),
x
Organisationale Kompetenz und Kernkompetenz (Prahalad/Hamel (1990)),
x
Organizational Intelligence (Quinn (1992)),
x
Organisationales Interpretations- und Kooperationsvermögen (Schreyögg/Kliesch (2003)),
x
Resonanzfähigkeit (Kirsch (1998)),
x
Netzwerkfähigkeit (Davidow/Malone (1993)),
x
Absorptive Capacity (Cohen/Levinthal (1990)),
x
Dynamic Capabilities (Teece/Pisanu/Shuen (1997)),
x
Combinative Capabilities (Kogut/Zander (1992)),
x
Strategic Change Capabilities (Pettigrew/Whipp (1993))
x
Knowledge Processing Capabilities (Jantunen (2005)),
x
Architectural Capability (Henderson/Clark (1990)),
x
Reconfigurability, …
1364
Vgl. Friedlander (1983), S. 193.
1365
Vgl. Moldaschl (2007), S. 5
F. Danzinger, Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten doi: 10.1007/978-3-8349-8482-1, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
342
Anhang
Anhang 2 Zusammenfassung getesteter Hypothesen Hypothesen der internen Struktur der exogenen Konstrukte: Interaktionsorientierung (vgl. Seite 255) Hypothese H51 H52 H53 H61 H62 H63 H71 H72 H73 H8 H9
LC – LO LC – HRP LC - TIP SV – LO SV – HRP SV - TIP EO – LO EO – HRP EO - TIP HRP – LO TIP - LO
+/+ + + + + + + + + + +
Pfadgewicht
t-Wert1366
51 = 0,225 52 = 0,426 53 = (0,088) 61 = 0,256 62 = 0,240 63 = 0,438 71 = 0,167 72 = (0,112) 73 = 0,245 8 = 0,256 9 = (0,016)
3,487 5,645 (0,996) 3,085 3,000 5,256 2,062 (1,580) 2,836 4,572 (0,222)
Pfadgewicht
t-Wert
51 = 0,225 52 = 0,426 53 = (0,088) 61 = 0,256 62 = 0,240 63 = 0,438 71 = 0,167 72 = (0,112) 73 = 0,245 8 = 0,256 9 = (0,016)
3,487 5,645 (0,996) 3,085 3,000 5,256 2,062 (1,580) 2,836 4,572 (0,222)
Kommentar1367
9 9 8 9 9 9 9 8 9 9 8
p < 0,001 p < 0,001 nicht signifikant p < 0,01 p < 0,01 p < 0,001 p < 0,05 nicht signifikant p < 0,01 p < 0,001 nicht signifikant
Lernorientierung (vgl. Seite 258) Hypothese H51 H52 H53 H61 H62 H63 H71 H72 H73 H8 H9
LC – LO LC – HRP LC - TIP SV – LO SV – HRP SV - TIP EO – LO EO – HRP EO - TIP HRP – LO TIP - LO
+/+ + + + + + + + + + +
Kommentar
9 9 8 9 9 9 9 8 9 9 8
p < 0,001 p < 0,001 nicht signifikant p < 0,01 p < 0,01 p < 0,001 p < 0,05 nicht signifikant p < 0,01 p < 0,001 nicht signifikant
1366
Das Bootstrapping-Verfahren wurde mit 500 und 1.000 Wiederholungen durchgeführt. Die tabellierten Ergebnisse entsprechen 500 Wiederholungen. Die Verwendung von 1.000 Wiederholungen zeigt das gleiche Bild.
1367
Der p-Wert errechnet sich aus einem zweiseitigen Signifikanztest und folgt damit den Empfehlungen des SmartPLS-Anwenderforums. In anderen Arbeiten (z. B. Dees (2005), S. 216) wird der weniger strenge einseitige Signifikanztest auf Basis der t-Statistik gewählt. Der p-Wert der Dimension TIP bleibt jedoch auch bei Wahl des einseitigen Signifikanztests nicht signifikant.
Anhang
343
Kernhypothesen: Aggregiertes KIK-Modell (vgl. Seite 251) Hypothese H0a H0b H0c
KIK – RELPERF KIK – NPS KIK – OPERF
+/+ + +
Pfadgewicht
t-Wert
0a = 0,642 0b = 0,204 0c = 0,588
16,602 3,020 11,242
Kommentar
9 9 9
p < 0,001 P < 0,01 p < 0,001
Unaggregiertes KIK-Modell (vgl. Seite 272) Hypothese
+/-
Pfadgewicht
t-Wert
Kommentar
HIa HIb
IO – RELPERF IO – NPS
+ +
1a = 0,541 1b = -0,122
10,150 1,595
9 8
HIc HId HIIa HIIb HIIc HIId HIIIa HIIIb
IO – OPERF 1a > 1b; 1c LO – RELPERF LO – NPS LO – OPERF 2c<2a; 2b LO – IO
+ -+ + + -+ --
1c = 0,173 -2a = 0,194 2b= 0,150 2c= -0,011 -3 = 0,394 --
2,342 -2,806 2,011 0,270 -5,405 --
9 9 9 9 8 9 9 9
p < 0,001 nicht signifikant (p < 0,1) p < 0,05 (0,01) p < 0,01 p < 0,05 nicht signifikant p < 0,001
Hypothesen zur Wirkung von Erfolgskonstrukten (vgl. Seite 265): Hypothese
+/-
Pfadgewicht
t-Wert
Kommentar
HIVa
RELPERF – OPERF
+
4a = 0,673
14,823
9
p < 0,001
HIVb
RELPERF – NPS
+
4b = 0,311
4,125
9
p < 0,001
HV
NPS – OPERF
+
5 = 0,194
3,539
9
p < 0,001
344
Anhang
Hypothesen zu moderierenden Beziehungen: Moderator: Grad der Lösungsorientierung (vgl. Seite 277) Moderierter Pfad
Pfadgewicht (a)
Pfadgewicht (b)
Pfadgewicht (c)
t-Wert (p-Wert)
Kommentar HM1: 8
1a
IO – RELPERF
0,254
0,007
0,382
1,335 (n.s.)
2a
LO – RELPERF
0,634
0,007
-0,573
2,074 (p < 0,05)
1c
IO – OPERF
0,217
-0,208
-0,059
0,389 (n.s.)
4b
RELPERF – OPERF
0,332
-0,208
0,326
1,814 (p < 0,1)
HM4: 8
Pfadgewicht (b)
Pfadgewicht (c)
t-Wert (p-Wert)
Kommentar HM5: 8
HM2: 8 HM3: 8
Moderator: Wettbewerbsintensität (vgl. Seite 279) Moderierter Pfad
Pfadgewicht (a)
1a
IO – RELPERF
0,589
-0,200
-0,124
0,587 (n.s.)
2a
LO – RELPERF
-0,016
-0,200
0,338
1,405 (n.s.)
1c
IO – OPERF
0,208
-0,243
-0,014
0,104 (n.s.)
4b
RELPERF – OPERF
0,448
-0,243
0,097
0,671 (n.s.)
HM8: 8
Pfadgewicht (b)
Pfadgewicht (c)
t-Wert (p-Wert)
Kommentar
HM6: 8 HM7: 8
Moderator: Unternehmensgröße (vgl. Seite 281) Moderierter Pfad
Pfadgewicht (a)
1a
IO – RELPERF
1,102
0,305
-0,587
2,638 (p < 0,01)
2a
LO – RELPERF
-0,125
0,305
0,399
1,803 (p < 0,05)
HM9: 9
HM10: 9
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Wettbewerbsstrategie,
Berlin.
Stichwortverzeichnis Abgeleitete Nachfrage .................................. 19 Absorptive Kapazität .................................... 44 Akkommodation..........................................166 Akquisition ..................................................... 45 Anwendungswissen........................ 38, 41, 306 Assimilation........................................... 45, 166 Ausgangsituation ............................................. 4 Austauschtheorie .........................................121 Autopoiesis..................................................... 91 Behaviorismus................................................ 90 Belohnung ....................................................123 Bestrafung.....................................................123 Beziehung .....................................................116 Beziehungserfolg .........................................261 Bildungsinfrastruktur ..................................181 Business-to-Business..................................... 18 Buying-Center ..............................................113 Common Method Bias ...................... 196, 201 Communications Picture............................113 Community.......................................... 150, 294 Competence-Based View ............................. 83 Customer-Active Paradigm.......................... 25 Developmental School ...............................161 Doppelte Kontingenz .................................157 Economic School ........................................161 Elektronik/Elektrotechnik................ 195, 320 Empowerment .............................................297 Fokus ........................................................309 Kunden- ...................................................309 Mitarbeiter- ..............................................309 Entwicklungsperspektive............................159 Episode .........................................................116 Fähigkeitsperspektive..................................159 Forschungsziel ................................................. 7 Funktion .......................................................309 Hauptwirkungspfad.....................................302
Holistisch-organisationale Perspektive ........................................ 30, 306 Hybride Produkte ..........................................23 Industriegütermarketing ...............................17 Integration ......................................................16 Interaktion ......................................................15 Fokus.........................................................308 im org. Kauf- und Verkaufsverhalten ..128 in der Neuproduktentwicklung .............128 in Unternehmensnetzwerken.................128 Interaktionsansatz ............................ 21, 115 interorganisational...................................308 intraorganisational...................................308 proaktive...................................................149 Interaktionistisch-dialektisches Paradigma 89 Interaktionsorientierung ..... 53, 103, 185, 252, 266, 306 International Marketing and Purchasing Group(IMP) ........................118 Kernhypothesen.................................. 105, 272 Key Accounts...............................................148 Key Informant Bias ............................ 196, 200 Kognitive Landkarte...................166, 171, 172 Kognitivismus ................................................90 Kollektivierung.............................................181 Kommunikation...................................... 16, 92 Kompetenz .....................................................27 Meta- .................................................. 33, 172 organisationale .................................. 32, 306 Komplexität....................................................18 Konstruktivismus...........................................90 Kovarianzerklärend .....................................206 Kulturelle Perspektive.................................110 Kundenindividuelle Produktion ..................23 Kundeninteraktionskompetenz ......3, 37, 102 KundeninteraktionskompetenzMatrix............................................... 315, 321 Kundenorientierung .......................61, 64, 153
F. Danzinger, Kundeninteraktionskompetenz in Industriegütermärkten doi: 10.1007/978-3-8349-8482-1, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
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Kundenwert .......................................... 66, 151 Kundenwertmessung ..................................151 Lead User......................................................137 Lernen ............................................................. 99 am Modell ................................................168 Deutero- ...................................................171 Doppelschleifen-.....................................171 Einschleifen-............................................171 individuelles .............................................156 Lernauslöser.............................................173 Lernsubjekt ..............................................157 Lerntheorie...............................................100 Lernträger.................................................173 organisationales .............................. 155, 157 Lernorientierung..... 53, 103, 188, 255, 268, 306 Lösungsorientierung ............................ 23, 275 Managerial School .......................................162 Manufacturer-Active Paradigm ................... 24 Marktorientierung................................. 61, 153 Maschinen- und Anlagenbau ............ 195, 320 Medizintechnik ................................... 195, 320 Messmodell...................................................204 Methodologischer Individualismus............. 30 Multiorganisationalität .................................. 18 Multipersonalität............................................ 18 Neuprodukterfolg........................................264 Non-Response Bias............................ 196, 201 Normative Perspektive ...............................158 Normen.........................................................110 Normstrategie ..............................................321 Not-Invented-Here .....................................126 Operationale Geschlossenheit..................... 90 Organisationale Ressourcen......................... 38 Perspektivenübernahme .............................145 Potenzialkonzept .........................................117 Praktiken.......................................................110 Problemstellung............................................... 5 Process School.............................................162 Produktorientierung...................................... 61
Stichwortverzeichnis
Prozesse.................................................. 92, 110 Qualifikation...................................................29 Reduktion........................................................92 Regimes of Appropriability ..........................46 Relationship Marketing.................................64 Resource Dependence View ........................85 Resource-Based View....................................80 Ressourcenorientierte Ansätze ....................78 Reziproke Abhängigkeit..............................168 Selbstreferenz .................................................91 Selling Center ...............................................113 Sinn ..................................................................92 Soziales System ..............................................96 Strategische Orientierung .............................56 Strukturen .......................................................92 Strukturmodell .............................................269 Supportpraktiken und -prozesse................309 Systemtheorie .................................................92 System-Umwelt-Differenz............................92 Theorie der multiplen Perspektiven..........123 Theories-in-use.............................................171 Transaktion...................................................116 Transaktionskonzept...................................117 Transformation ..............................................46 Umfeldorientierung .......................................62 Unternehmensgröße....................................280 Varianzerklärend..........................................206 Verwertung .....................................................46 Wertaneignung ...............................................51 Werte .............................................................110 Wertschaffung................................................51 Wertschätzungsgrundlage.................. 307, 308 Wettbewerbsintensität.................................278 Wettbewerbsorientierung .............................61 Wirtschaftlicher Gesamterfolg...................263 Zielbezug.........................................................44 Zielsystem .....................................................125