HISTORISCHE LAUT- UND FORMENLEHRE DES MITTELHOCHDEUTSCHEN VON
GERHARD EIS
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HISTORISCHE LAUT- UND FORMENLEHRE DES MITTELHOCHDEUTSCHEN VON
GERHARD EIS
VEB
l\1AX NIEMEYER VERLAG· HALJ,E (SAALE)
1958
r., Lizenzausgabe des earl Winter Universitätsverlages GmbH., Heldelberg für den Bereich der Deutschen Demokratischen Republik
Alle Rechte vorbehalten Copyright 1950 by earl Winter Universitätsverlag GmbH., Heidelberg
Veröffentlicht unter der LIzenznummer 259-315/18/58 Druck: Ullmann GmbH., Zwlckau
INHALTSVERZEICHNIS
A. Allgemeiner Teil
1. 2. 3. 4. 5. 6.
Zeitliche Begrenzung und Einteilung § 1 Riumliche Gruppierung § 2 . . . Die Schrift § 3 . . . . . . . . Mundart und DichterSprache § 4 . Editionsmethoden § 5 . . . . . Aufgabe und literarische Hilfsmittel der mhd. Grammatik § 6
11 11 14 15 17 18
B. Lautlehre I. Betonung und Aussprache 1. Die Betonung § 7 . . . . . . . . . 2. Laut und Buchstabe § 8 . . . • • . 3. Aussprache und Schreibung der Vokale § 9 4. Aussprache und Schreibung der Konsonanten § 10 5. Intensität der Konsona.nten § 11 . 6. Artikulationsart von b, d, g, h § 12 . . . . . . .
n.
20 22 23 25 27 28
Die Entstehung der mhd. Laute 110) Vokale Ot) Das Verhältnis zu den ahd. und urgerm. Vokalen
1. 2. 3. 4.
Die kurzen Vokale der Hauptsilben § 13 . Die langen Vokale der Hauptsilben § 14 . Die Diphthonge der Hauptsilben § 15 . . Übersicht über die mhd. und ahd. Vokale der be. tonten Hauptsilben § 16 . • . . . . . . . . . 5. Die Vokale der Nebensilben (Erhaltung voller Vokale § 17, Abschwächung zU 6 § 18, Schwund § 19) . . . • . . . • . • . . . . . . . . .
30 32 34 35
'35
1 nhaltslXlTzeichnis
8
ß) Geregelter Vokalwechsel
1. Der Ablaut § 20 . • . . . . . . . . . . • . . 2. Kombinatorische La.utveränderungen (übergang von e zu i § 21, J3rechung § 22, Wechsel von iu lmd ie § 23, Der Umlaut § 24, Umla.utatörungen § 25, Wechsel von ~ - ei und 6 - 01.' § 26, Wechsel zwischen langem und kurzem Vokal § 27) . . . b) Konsonanten IX) Das Verhältnis zu den ahd. und urgerm. Konsonanten 1. Die Halbvokale; und w § 28 2. Die Liquidae l und r § 29 3. Die Na.aaJ.e m, n, ng § 30 . . 4. Der Hauchlaut h § 31 . . . 6. Die ReibeJa.ute tJ, f, 8, 3, sch, h, ch § 32 6. Die Verschlußlaute und Affrica.ta.e § 33
ß)
Geregelter KOD.aODlI.ntenwechsel 1. Die erste Lautverschiebung § 35 2. Verners Gesetz § 36 . . . . . 3. Doppelkonsonanten § 37 . . . 4. Die zweite La.utverachiebung § 38 6. Auslaut § 39 . . . 6. Notkera Regel § 40 . 7. AsaimiJa.tion § 41 . 8. DissimiJa.tion § 42 . 9. Anaatoßung von Konsonanten § 43 10. Konsona.ntenwechael vor t § 44 11. Sonstige Veränderungen. § 45
38
42
46 47 49 49 50 52 54
54 56 67
69 60 60
61 62 63 63
111. Die Entwicklung der mhd. Laute a) Vokale 1. Dehnung § 46 . . . . 2. Kürzung § 47 . . . . 3. Diphthongierung § 48 . 4. Monophthongierung § 49 5. Labialisierung § 50 . . . 6. Entrundung § 51 . . . . 7. Sonstige Vokalverinderungen § 52 b) Konsonanten 1. 5, 3, Beh § 53 . . . . . . . . . . 2. i, w, h § 54 . . . . . . . • . • . . , 3. Wandlung einzelner Verachlußlaute § 65
64
68 68 70
71 71
72
72 74 76
1nhaltsverlJeichnis
9
C. Formenlehre Allgemeines § 56 . ••
•••••.•.•••••.•••
77
I. Das Nomen 1. Das Substantivum 78 a.) Der Stammauslaut § 57 b) Die Flexionsendungen § 58 . 80 c) Die vok.a.lischen Deklinationen 1. Die a·Deklination § 59, Die ja.Deklination § 60 Die wa.Deklination § 61 . . . . . . . . . . 82 2. Die Il.Deklination § 62, Die jll.Deklination § 63 Die wll.Deklination § 64 87 3. Die ..Deklination § 65. . . . 90 92 4. Die ".Deklination § 66 . . . . d) Die konsonantischen Deklinationen 1. Die n.Deklination § 67 . . . . 92 2. Neutra.le r.Stämme § 68 . . . 95 96 3. Verwandtscha.ftsnamen auf ·er § 69 96 4. Wurzelstämme § 70 . . . . . . . 97 5. Substantivierte Participia praeseutls § 71 e) Flexion der Personennamen 98 1. Deutsche Personennamen § 72 99 2. Entlehnte Personennamen § 73 99 f) Endungslosigkeit § 74 . . 100 g) Substantivadverbia § 75 . . . . . 2. Das Pronomen a) Das Personalpronomen oe) Das ungeschlechtige Persona.lpronomen § 76 . 101 ß) Das geschlechtige Persona.1pronomen § 77 103 b) Das Possessivpronomen § 78 . . . . . . . . . 104 c) Demonstrativpronomina und bestimmter Artikel § 79, 80 104 d) Relativpronomina. § 81 . . 107 e) Interroga.tivpronomina § 82 . . 108 f) Indefinitpronomina § 83 . . . 109 Anhang: Pronomina.1a.dverbia § 84 110 3. Das Adjektivum a) Deklination § 85-88 . . . . . 111 oe) Die starke Deklina.tion § 86 112 113 ß) Die schwache Deklination § 87 114 y) Endungslosigkeit § 88 114 b) Steigerung § 89 . . . .. 116 c) Adjektivadverbia § 90. . .
10
4. Das Zahlwort a) Kardinalzahlen § 91 . . • . . . . . Anhang: Der Ullbestimmte Artikel § 92 b) Ordinalzahlen § 93 . . . . . . . . 0) Zahladverbia und Zahladjektiva § 94
n.
.(
1nhaltsvsrzeich"ia
Das Verbum 1. Die Verbalformen a) Die konjugierten Verbalformen § 95 . . . . . . b) Die deklinierten VerbaHormen § 96 . . . . . . 0) Übersicht der mhd. VerbaHormen in ihrem Ver. hältnis zu den ahd. § 97 . . 2. Das starke Verbum 110) Wurzel und Bindevokal § 98 b) Die Ablautklassen 1-6 § 99 . c) Die AblautkIasse 7 (reduplizierende Verba) § 100 3. Das sohwache Verbum a) Bindevokale § 101 . b) jan.Verba § 102 . . . c) c1n- und en.Verba § 103 4. Unregelmäßige Verba a) Mischung starker lind schwaoher Flexion § 104 b) Präteritopräselltia § 105 . . . . . . 0) Athematische Wurzelverba § 106-109 d) wellen § 110 . . . . . . e) Kontrahierte Verba § 111. . . . . .
III. Indeklinable Wörter 1. Adverbia § 112 . . 2. Präpositionen § 113 . 3. Konjunktionen § 114 4. Interjektionen § 115
118 119
120 121
121 124 126 127 128 132 133 134 136 137 137 139 142 143 145 146 147 147
D. Die wichtigen Merkmale der Hauptdialekte 1. Unterschiede des Md. und Obd. § 116 2. Die md. Dialekte . . . . . a) Westmitteldeutsch § 117 b) Ostmitteldeutsch § 118 3. Die obd. Dialekte. '. . 110) Alemannisch § 119 . b) Bairisch § 120. Abkürzungen •.•...
149 151 151 154 155 155 157 159
A. ALLGEMEINER TEIL
l. Zeitliohe Begrenzung und Einteilung § l. Mittelhoohdeutsoh ist die Spmohe der Oberdeut· sohen und Mitteldeutsohen von ungefähr 1070 bis 1520. Die HemusgrenzungdiesesZeitraums als einer besonderen Epoohe trägt sowohl spmohgesohiohtliohen als auoh litemrhistori· sohen Tatsa.ohen Reohnung. Für die Absetzung gegenüber dem Ahd. überwiegen spmohliche, gegenüber dem Nhd. geistesgesohiohtliohe Gründe. Die Übergänge waren fließend und fanden nicht allerorten zur gleiohen Zeit statt. Innerhalb dieses Zeitraums vollzog sich die Entwicklung in mehreren Stufen. Man unterscheidet drei Zeiträume: frühmhd. (ca. 1070-1170), mhd. (oa.. 1170-1370) und spät· mhd. (ca. 1370-1520); das Spätmhd. wird zuweilen auoh zusammen mit der Spraohe des 16. Jahrhunderts frühnhd. genannt. 2. Räumliohe Gruppierung § 2. Die drei ahd. Dialekte Alem., Bair. und Fränk. setzen sioh im Mhd. fort. Während aber im Ahd. jede der drei Hauptmundarten nur an wenigen Sohreibzentren geschrie. ben wurde, ist in der mhd. Zeit die Sohreibtätigkeit an vielen Orten rege, so daß eine genauere Begrenzung der Spmoh. räume möglich und erforderlioh ist. Das Geltungsgebiet der deutsohen Spmohe wurde während der mhd. Zeit naoh Osten weit vorgesohoben; die Grenze ist eine Linie, welohe das BaI· tikum mit Siebenbürgen verbindet. Auf dem neuen SiedeI· boden entstanden neue md. und obd. Mundarten; das nd. Element spielt nur eine untergeordnete Rolle. Zwischen den Mundarträumen gibt es keine soharfen Grenzlinien, sondern mehr oder weniger breite Übergangs. zonen. Die Grenze zwisohen Mhd. und Mnd. verlief von der westliohen Volksgrenze bei Eupen über Aaohen, Solingen, das
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Allgemeiner Teil
Rothaargebirge, Kaasel, Nordhausen, längs der Unstrut und Saale, Luckenwalde, Lübben, Fürstenberg und Frankfurt a. d. O. zur östlichen Volkstumsgrenze bei Birnbaum. Sie lag nicht unverrückbar fest; im 14. Jahrhundert wa.ren 2:. B. Halle, Wittenberg, Zossen und MÜDcheberg noch nd., wäh. rend sich später die Grenze des Md. nach Norden verschob. Im Ordensland Preußen mischten sich mnd. mit mhd. EIe. menten, wobei die letztern das Übergewicht gewannen. Der Übergang zum Nd. war im äußersten Westen weniger sohroff a.ls im übrigen Grenzgebiet. Daa Mhd. zerfällt in Md. und Obd. Die Grenze verlief von der Spra.chgrenze bei Zabern über Niederbronn, Murg, Bietigheim, Crailsheim, Nördlingen, Donauwörth, Gunzen· hausen, Fürth, Wunsiedel, Adorf, quer durch Böhmen, Mäh· ren und die Slowakei, wo sioh daa deutsche Sprachgebiet eng mit tsoheohischem, slowakisohem und magyarischem ver· zahnte. Daa Md. umfaßt die sohon in ahd. Denkmälern vertre. tenen fränk. Mundarten Mittel., Rhein. und Ostfränkisch (Westmd.) und Thür., Obersäohs. und SchIes. (Ostmd.). Als Grenze zwisohen Westmd. und Ostmd. gilt die Waasersoheide von Werra und Fulda.. Daa Mittelfränkisohe (Mirk.) spaltet sich in Ripuarisch (Rip.) und Moselfränkisoh (Mslfrk.); daa Rheinfränkische (Rhfrk.) in Hessisoh (Hess.) und Pfälzisch (Pfälz.); zum Ostfränkisohen (Ofrk.) gehört auch daa Südfränkische, daa auoh Südrheinfränkisch genannt wird. Daa Rip. gilt nördlich der Eifel und der Linie Linz a. Rh. - Freudenberg (Hauptorte Aaohen, Köln, JÜlich). Daa Msl. frk. wird nördlich des Hunsrftck und der Linie BoppardSiegen gesprochen (Hauptorte Trier und Koblenz). Daa Rhfrk. wird in der Rheinpfalz, Nordbaden, Hessen·Darm· stadt und Hessen.Naasau gesprochen; die Scheidezone zwi· schen Hess. und Pfälz. verläuft längs der Flüsse Nahe, Rhein und Main. Als Grenze zwischen Ostfrk. und Südfrk. gilt der Neck.a.r; daa Ostfrk. schließt im Osten heute auch daa Vogt. land mit ein.
Riiumliche Gruppierung
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FMt dM ganze ostmd. Gebiet war nach der Völkerwanderung bis zur deutschen Wiederbesiedlung von slawisohen Stämmen besetzt. Die deutschen Kolonisten fanden sich aus verschiedenen westmd. Ge bieten zusammen, so daß Mundartmischungen entstanden. Thüringen und Sachsen wurden früher als die Lausitz und Schlesien neubesiedelt. DM thür.obersächs. Sprachgebiet kann weder im Westen noch im Osten genau begrenzt werden. Im groben Umriß wird es von der Linie Lehesten-Ziegenrfick-Gera-Werdau-Zwickau Stollberg-Zschopau-Geising, südlich des Erzgebirgskamms über Nollendorf zur oberlausitzischen Grenze-Torgau umschlossen. DM nordwestböhmische Becken gehörte mit zum erzgebirgisch-obersächsischen Sprachgebiet, nicht aber das Egerland. Die Scheidelinie zwischen dem Thür. und dem Obersächs. verläuft in der Richtung Altenburg-Halle. DM Ostmd. im engem Sinne umfaßt das Schlesische, dem auch das Oberlausitzische, dM Nordböhmische östlich der EIbe, das Nordmährische und die insel- und streudeutschen Siedlungen in den Karpaten und in Polen beizureohnen sind, und die Sprache der Deutschordensliteratur; ostmd. waren auch bis in die jüngste Zeit die ostpreuß. Enklaven um Pr.Holland, Riesenburg, Freystadt, Rosenberg, Liebemühl, Mohrungen, Guttstadt, Seeburg, Heilsburg und Wormditt. Das Obd. zerfällt in zwei Hauptmundarten, dM Alemannische (Alem.) im Westen und das Bairische (Bair.) im Osten. Die Grenzzone verläuft längs der tirolisch-schweizerisohen Grenze, östlich Vorarlbergs, dann längs des Lech bis zu seiner Mündung in die Donau. DM Alem. ist in das Nord- und Südalemannische zu teilen. Die Grenze verläuft längs der deutsch-sohweizerisohen Grenze, doch gehört der südwestlichste Teil Badens zum Südalemannischen, Basel zum Nordalemannischen. Man nennt das Südalemannische auch Hochalemannisch und unterscheidet des genaueren Mittelalemannisch und Oberalemannisch (auch Höchstalemannisch genannt). DM Nordalemannische wird in das Niederalemannische (im Westen) und das Schwäbisohe (im Osten) gegliedert. Niederalemannisch ist
Allgemeiner Teil
das Elsaß, Baden bis zur fränk. Grenze, aber ohne den Südwesten, und die Gegend von Basel; S
Die Schrifl. Mundart u. DichlerBPracM
und die moderne Lateinschrift entwickelt. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wandelte sich die Kursive zur Kurrentschrift. Die Paläographie ermöglicht es, das Alter von Handschriften auf ein halbes Jahrhundert genau zu bestimmen. Auoh Anhaltspunkte für die Heimat des Schreibers können aus der Schrift gewonnen werden. In der Schriftentwicklung folgt der Osten und Norden dem Südwesten in einem Abstand von einigen Ja.hrzehnten. Besonders in jüngeren Handschriften sind Abkürzungen häufig. Ein waagreoht übergeschriebener gerader oder gebogener Strich ersetzt ein folgendes n oder m (qua - quam, tuget - tugent). Das Abkürzungszeiohen für die Lautgruppe er sieht wie ein dünnes, hochgestelltes s oder Komma aus (hSze - herze, "nd' - under). & bedeutet et (trum& - trumet). Die Endung -us wird :l oder 9 abgekürzt "ancn:l ~ "ancnus, Cost 9 - Costus). Bei "fi, kann man an der Hand der meist daneben auch unabgekürzt vorkommenden Sohreibungen entscheiden, ob der Sohreiber und oder unde meinte. Ein u-ähnliches Zeiohen, das sioh aus der Unziale a entwiokelt hat, bezeichnet den Ausfall eines ra (spch - sprach). Naoh w wird u oft weggelassen (wnd' - wunder). Manohe Abkürzungen sind örtlich begrenzt, z. B. dc, wc, bc für da3, wa3, ba3 im Alem. Allgemein verbreitet sind di~ Schreibungen xjJc (- Christus), ihs (Jhesus), dns (dominus). Die Schreibgrundlage ist bis ins 14. Jahrhundert Pergament. Im 15. Jahrhundert wird Papier häufiger. Für Urkunden blieb Pergament länger iI\ Gebrauch. Bei Papierhandschriften kann das Wasserzeichen Anhaltspunkte für die Lokalisierung bieten. Für die Entzifferung verblichener oder abgeschabter Schriften werden heute keine flüssigen Reagenzien mehr gebraucht, da die Quecksilberquarzlampe bessere ErgebniBSe ermöglicht (Palimpsestphotographie).
4. Mundart und Diohterspraohe § 4. Phonetisoh genaue Aufzeiohnungen der gesprochenen Mundarten gibt es aus dem Hochmittelalter nicht. Die im Wesen jeder Schreibtradition liegende Neigung zur Normierung kommt auch in den lantsprachen zur Geltung. Die Laut-
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Allgemeiner Teil
treue ist meist geringer als im Ahd., aber noch merklich besser als in der nhd. Schriftsprache. Besonders aufschluß. reich für die gesprochenen Mundarten sind vereinzelte Auf· zeichnungen von Nichtdeutschen, welche die mit dem Ohr aufgenommenen Laute ohne Rücksicht auf die deutschen Schreibgewohnheiten transliterierten. Denkmäler mit eng begrenztem Wirkungsanspruch gestatten sich meist stärkere Provinzialismen als Hochleistungen der höfischen Literatur und Schriftstüoke der landesfürstlichen Kanzleien. Manche Sohreibsprachen gewannen eine über ihren ur· sprünglichen Wirkungsbereich hinausreichende Geltung, doch erlangte keine den Rang einer allgemein anerkannten Schriftsprache. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts entwik. kelte sich am mittleren Rhein eine Literatursprache auf mfrk. Grundlage. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts bewirkte die Vormachtstellung des thüringischen Hofes, daß sich auch nd. Dichter einer md. gefärbten Spraohe bedienten. Zur gleichen Zeit wurde das Vorbild der großen süddeutschen Dichter wirksam, deren Sprache, das "klassisohe Mhd.", bis ins 14. Jahrhundert von Diohtern der höfischen Richtung bevor· zugt wurde. Diese Dichtersprache des "schwäbisohen Zeit· punkts" ruht auf alem. Grundlage, doch nahm sie auch fremde Einflüsse auf (auch solche aus dem Nordwesten, der dem Einfluß des nordfranzösischen Ritterwesens offenlag) . Sie meidet grobmundarthche Elemente und entwickelt auch in der Laut. und Formenlehre sowie im Wortgebrauch und in der Syntax ein eigenes Gepräge. Da diese Dichtersprache in der Hauptsache vom Ritter· stand getragen und nur für bestimmte Formen und Rich. tungen der Literatur angewendet wurde, ging sie im 14. Jahr· hundert wieder verloren. Gegen Ende des Mittelalters traten die Mundarten wieder stärker hervor. Die nhd. Schrift· sprache setzt nicht die südwestdeutsche Dichtersprache fort; sie ging aus den Kanzleien des Ostens hervor, wobei der kaiserlichen Kanzlei in Prag eine besondere Rolle zufiel. Für ihre Annahme in Niederdeutschland war Luthers Bibelüber· setzung entscheidend.
Editionsmethoden
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5. Editionsmethoden § 5. Bei der Herausga.be mhd. Texte werden verschiedene Methoden a.ngewandt, die verschiedenartigen Zielen entsprechen. Das eine Extrem ist die genaue Wiedergabe einer Handschrift, wobei alle Eigenheiten des Schreibers erfaßt werden sollen; das andere ist die Rekonstruktion der Urschrift unter Beseitigung aller Entstellungen und Veränderungen durch Abschreiber. Dazwischen liegen mehrere vermittelnde Stufen. Die genaueste Wiedergabe ist naturgemäß die phototypische, die Lesefehler ausschließt, den Sorgfaltsgrad und alle Feinheiten der Schrift, Anordnung und Ausstattung widerspiegelt und manchmal auch verblaßte Stellen herausbringt, die sich dem unbewaffneten Auge entziehen. Gute photographische Wiedergaben ganzer Handschriften sind: Die Weingartner Liederhandschrift in Nachbildung mit Geleitwort von K. Löffler, Stuttgart 1927; Facsimileausgabe der Manessischen Handschrift, Leipzig 1925-28; Die kleine Heidelberger Liederhandschrift in Nachbildung, hrsg. von C. v. Kraus, Stuttgart 1932. Je eine Tafel ist den Bänden der "Deutsohen Texte des Mittelalters" und häufig auch anderen Textausgaben beigegeben. Das stattlichste Tafelwerk ist Petzet und Glauning, Deutsche Schrifttafeln des 9. - 15. Jahrhunderts, 5 Bde., 1910-30. Möglichst genaue Textwiedergabe streben die diplomatischen Abdrucke an, die alle mundartlichen Besonderheiten und auch ein gut Teil der Schreiberwillkür beibehalten. Häufig gebrauchte, genaue Textwiedergaben sindF.Pfeifferund F.Fellner,Die WeingartnerLiederhandschrift, Stuttgart 1844, F. Pfeiffer, Die alte Heidelberger Liederhandschrift, Stuttgart 1844, F. Pf aff, Die große Heidelberger Liederhandschrift, Heidelberg 1909 sowie mehrere Übungsbücher (F. Pfeiffer, Altdeutsches Übungsbuch, Wien 1866, H. Meyer-Benfey, Mittelhochdeutsche Übungsstücke, Halle 1909, C. v. Kraus, Mittelhochdeutsches Übungsbuch, Heidelberg 1912). Für die Herausgabe der "Deutschen Texte des Mittelalters" wurden gen aue Weisungen ausgearbeitet, die für alle Mitarbeiter ver2 Eis, Mhd. Oramm.
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Allgemeiner Teil
bindlieh sind; hier werden die Abkürzungen aufgelöst, Großschreibung, Interpunktion, Schreibung von u und ", i und j geregelt und der Lesartenapparat begrenzt. Die klassische Schule Lachmanns beseitigte alle Zufälligkeiten der Handschriften und suchte Texte "herzustellen", welche den nicht erhaltenen Urfassungen nahekommen sollten. Dabei wird der ganze Text in die normalisierte Dichterspraohe umgeschrieben. Ist es auch bedenklich, Autoren des 12. und 14. Jahrhunderts naoh diesem Verfahren zu behandeln, so ist es doch für die Schulung des Anfängers wertvoll. Die meisten bedeutenden Denkmäler liegen in Ausgaben vor, die naoh Laohmanns Grundsätzen gestaltet sind. Besonderen Wert haben die diesen Ausgaben beigegebenen Lesarten aller wichtigen Handschriften. Proben verschiedener Editionstechnik zeigt G. Eis, Mittelhoohdeutsche Lieder und Sprüche, Mün· chen 1949. 6. Aufgabe und literarische Hilfsmittel der mhd. Grammatik
§ 6. Die historische Grammatik des Mhd. hat die Aufgabe, diese Stufe der Sprachentwicklung in ihrem Zusammenhang mit dem Ahd. und Urgerm. und ihre Entwicklung zum Nhd. hin darzustellen. Für die Syntax muß auf die unten angeführten größeren Werke verwiesen werden, denen auch dieser Abriß der Laut- und Formenlehre verpfliohtet ist. Als Mhd. wird hier die Dichtersprache des 13. Jahr-. hunderts betraohtet, doch werden auch stammessprachliche Erscheinungen berücksichtigt, wo dies notwendig ist; vgl. §§ 116-120. Eingehende Darstellungen der historischen Grammatik des Deutschen sind:
J. Grimm, Deutsche Grammatik, 4 Bde., Göttingen 1822 bis 1836. H. Paul, Deutsche Grammatik, 5 Bde., 4.-5. Aufl., Halle a,. d. S. 1957/58. O. Behaghel, Geschichte der deut.schen Sprache, 5. Aufl., Beriin 1928.
Literarische Hilfsmittel
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O. Bchaghel, Deutsche Syntax, 4 Bde., Heidelberg 1923ff. W. Willmanns, Deutsche Grammatik, Gotisch, Alt-, Mittel- und Neuhochdeutsch, Straßburg 1906-1l. H. Hirt, Geschichte der deutschen Sprache, 2. Auf1., München 1929. Ausführlichere Darstellungen der mhd. Grammatik sind: K. Weinhold, Mittelhochdeutsche Grammatik, 2. Auf1., Paderborn 1883. V. Michels, Mittelhochdeutsches Elementarbuch,4.AufI.. Heidelberg 1921. H. Paul, Mittelhochdeutsche Grammatik, 16. AufI. (besorgt von L. E. Schmitt), Halle a. d. S. 1953. Knappe Leitfäden bieten: K. Weinhold, Kleine mittelhochdeutsche Grammatik. Bearb. von G. Ehrismann. 11. Aufl., neu bearb. v. H. Moser. Wien-Stuttgart 1955. F. Kauffmann, Deutsche Grammatik, Kurzgefaßte Laut- und Formenlehre des Gotischen, Alt-, Mittelund Neuhochdeutschen, 5. Aufl., Marburg 1909. K. Meisen, Altdeutsche Grammatik, Bonn 1947. H. Schulz, Abriß der deutschen Grammatik, 3. Auf I. (bearb. von F. Stroh), Berlin 1947 (ohne Paradigmen). Über die Mundarten handeln: F. Wrede, Deutsche Dialektgeographie, Berichte und Studien über G. Wenkers Sprachatlas des Deutschen Reichs, Marburg 1909ff. O. Bremer, Beiträge zur Geographie der deutschen Mundarten in Form einer Kritik von Wenkers Sprachatlas des Deutschen Reichs, Leipzig 1895. O. Ma usser, Mittelhochdeutsche Grammatik auf vergleichender Grundlage, 3 Bde., München 1932f. H. Reis, Die deutschen Mundarten (Sammlung Göschen Nr. 605), Berlin u. Leipzig 1912.
B. LAUTLEHRE
I. Betonung und Aussprache 1. Die Betonung § 7. Während im Idg. der Wortton frei war, d. h. Vorsilben und Suffixe ebenso wie die Stammsilben betont werden konnten, hat das Germanische bereits in vorliterarischer Zeit den Ton auf die erste Silbe festgelegt. Dies erfolgte nach der Durchführung von Ve rn e rs Gesetz (s. § 36) und schuf die Voraussetzung für die nur bei den Germanen entwickelte Stabreimdichtung. Bereits die ältesten bekannten genealogischen Namenreihen sind durch den Stabreim gebunden. Da von den Zusammensetzungen nur die Nominalkompositionen Erstsilbenbetonung zeigen, während bei Verbalkompositionen die Wurzelsilbe den Akzent trägt, muß die Zusammensetzung bei Verben erst in einer Zeit festgeworden sein, als der Übergang vom freien Wortton zur Erstsilbenbetonung schon beendet war. Dieses noch im Nhd. erkennbare Betonungsgesetz hat naturgemäß auch im Mhd. Geltung. Nominale Zusammensetzungen sind urloup, antwürte, verbale erMuben, emphdn. Wenn Verben von zusammengesetzten Substantiven abgeleitet sind, tragen sie den Akzent der Nominalkomposition (antwürten); von Verbalkompositionen abgeleitete Substantive werden wie VerbaIkompositionen betont (erMubunge). In der natürlichen Rede und im Vers unterscheiden sich die Silben durch verschieden starke Betonung. Vom überstarken Hervorheben bis zum Verschlucken gibt es zahlreiche Stufen, doch genügt es für grammatische und metrische Zwecke, drei Stärkegrade zu unterscheiden: Hauptton, Nebenton und Unbetontheit. Der Hauptton wird in der Regel mit dem Akut, der Nebenton mit dem Gravis bezeichnet; die unbetonten Silben erhalten kein Zeichen. Im akzen-
Betonung u. Aussprache
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tuierenden Vers bilden ha.upttonige Silben die Hebung, unbetonte die Senkung; nebentonige Silben können sowohl als Hebung wie a.uch a.ls Senkung verwendet werden. Der mhd. Vers ha.t noch die in der Neuzeit verlorengega,ngene Möglichkeit, a.uf eine übersta.rk betonte Silbe eine zweite Hebung folgen zu lassen, ohne da.ß eine Senkung da.zwischen erforderlich ist (beschwerte Hebung), z. B.: der was Hartman genant - Ix xIX Ix x IX. Es ist mit einem größeren Absta.nd zwischen ha.upttonigen und unbetonten Silhen zu rechnen a.ls im nhd. Vers. Nichtsdestoweniger wird im mhd. Vers neben dem Akzent auch die Quantität berücksichtigt. Nur lange Silben können als beschwerte Hebungen auftreten. Kurz sind nur offene Silben mit kurzem Tonvokal, die es in der nhd. Schriftsprache nicht mehr gibt. Lang sind Silben mit langem Vokal und geschlossene Silben mit langem oder kurzem Tonvokal. Dreisilbige wörter können zweisilbigen Wörtern metrisch gleichwertig sein, wenn zwei ihrer Silben zu einer Hebling oder Senkung zusammengefaBt werden können; in tageliet entsprechen die zwei ersten Silben einer . einzigen langen Silbe (Verschleifung auf Hebung), während in herzoge die zwei letzten Silben den Wert einer Silbe haben (Verschleifung in der Senkung).
Ma.nche Fremdwörter und fremde Eigennamen, die heute längst nach deutscher Art betont werden, ha.tten im Mhd. noch den fremden Akzent. So wurde im Vers noch Ad&m, Abh, Dallid gesprochen. Ständig einwirkender Einfluß der Kirchenspmche störte und verzögerte die Festlegung der deutschen Betonung a.uch bei Namen, die schon im Heliand Erstsilbenbetonung hatten. Neben Mdrta, das zu Merge eingedeutscht wurde, findet sich weiterhin Maria. Die nhd. Tonverschiebungen lebendig, Holunder, WachOLder, Forelle, Hornisse ha.t das Mhd. noch nicht; es ist lebendec, holunder, wecholter, IIorhele, hOrnu3 zu lesen. Der Nebenton in mehrsilbigen Wörtern ist nicht davon abhängig, ob die erste Silbe lang oder kurz ist. Der Gravis kann auf die zweite oder dritte Silbe fallen; regelmäßig tmgen die Ableitungssilben -unge, -sal, -nisse, -inne, -in, -Un, -lfeh,- rere einen Nebenton; infolgedessen wurden ihre Vokale nicht zu -e- abgeschwächt. In viersilbigen Wörtern trägt die
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Lautlehre
erste Silbe den Hauptakzent, die dritte einen Nebenakzent, sofern es sich nicht um eine Verbalkomposition handelt. Bei diesen trägt die Wurzelsilbe den Hauptakzent ; ist der erste Bestandteil einsilbig, so bleibt er unbetont; ist er zweisilbig, so erhält seine erste Silbe einen Gravis. Das Mhd. entsprioht also auch hierin dem Nhd. In dreisilbigen Fremdwörtern auf ·ieren fällt im Part. Prät. auf die sonst stets unbetonte Vor. silbe ge· ein Nebenton (geflOrieret : gezimteretParz. 341, 3). Wenn ein zusammengesetztes Wort weiterhin mit einem Wort zusammengesetzt wird, tntt - wie im Nhd. - eine Ab· stufung der Betonung ein. In hantwercliute ist liu· stärker betont als werc, in houbet.buochstap ist buoch stärker betont als stap. Innerhalb des Satzes können bestimmte Glieder be. sonders hervorgehoben werden; die haupttonigen Silben sind einander nicht völlig gleich. Im Vers sind Abweichungen von der natürlichen Beto· nung in gewissen Grenzen statthaft und üblich (besonders die schwebende Betonung am Versanfang).
2. Laut und Buchstabe § 8. Die Wiedergabe deutscher Sprachlaute durch das lateinische ABC ist unvollkommen. Die Quantität undKIang. farbe der Vokale sowie die Artikulation der Konsonanten sind aus dem Schriftbild nicht mit der wünschenswerten Ge. nauigkeit zu erkennen. Für einige Laute mußten neue Zei· ohen geschaffen werden. Der Gebrauch der Schreiber ist nicht einheitlich. Häufig wird ein für einen bestimmten Laut gebräuchlicher Buchstabe auch dann noch geschrieben, wenn sich der Laut gewandelt hat (konservative Schreibung); der ursprünglich nur den neuen Laut bezeichnende Buchstabe wird dann gelegentlich auch zur Bezeichnung des Ausgangslautes angewendet (umgekehrte Schreibung). In kritischen Textausgaben, Wörterbüchern und grammatischen Werken ist die Lautschreibung in z. T. verschiedener Weise geregelt.
Laut u. Buchstabe, AusBprache u. Schreibung
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3. Aussprache und SChreibung der Vokale § 9. Nur selten unterschieden die Schreiber die langen Vokale von den kurzen, indem sie die langen mit Akzenten (A oder ') bezeichneten, In kritischen Texten werden die Langvokale a, 0, u, ~, f, te, re, iu, die Kurzvokale a, 0, u, e, i, ä, ö, ü geschrieben. Kriterien für den Ansatz von Länge und Kürze bieten die Lautgeschichte, die heutigen Mundarten und die Reime formstrenger Dichter. Die Zeichen ä, ö, ü für die kurzen, durch Umlaut oder Systemzwang entstandenen Trüblaute wurden erst in der mhd. Zeit gebräuchlich, desgleichen ÖU und üe. a wurde wie nhd. a gesprochen. Wo 0 für a erscheint, ist auch die Klangfarbe verändert. Die Länge des a ist in den Handschriften meist nicht bezeichnet; im Rip. ist ai - ä (hait = Mt). au oder d für ä zeigen Zerdehnung an. Im Mhd. sind sechs verschiedene e-Laute zU unterscheiden: 1. Geschlossenes, kurzes e, dem i in der Aussprache nahestehend. Es wird in den Handschriften meist e, selten ei oder i geschrieben. Es ist durch alten Umlaut aus a entstanden (Umlauts-e). Zur Unterscheidung von andern e-Lauten wird es in grammatischen Werken durch ~ wiedergegeben. ,2. Das e der unbetonten Silben, das wie im Nhd. wahrscheinlich kein Vollvokal war; es wird in Handschriften meist und in kritischen Texten stets durch e wiedergegeben. Handschriften, die i dafür bieten, deuten eine i-ähnliche Aussprache an (md.). 3. Mittleres, kurzes e; in den Handschriften und kritischen Texten e, in Wörterbüchern und grammatischen Werken meist e geschrieben (Brechungs-e). 4. Mittleres, langes e; in den Handschriften meist e, selten ~ oder e, im Rip. ei; in der Grammatik, in Wörterbüchern und kritischen Texten ~. 5. Ganz offenes, kurzes e, das sich dem a nähert (wie engl. man); die Handschriften bieten e, ä, J, a; in der Grammatik, in Wörterbüchern und kritischen Texten ä.
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Lautlehre
6. Ganz offenes, langes e; die Handsohriften bieten dafür e, (l, ~; im Druck ~. i und t werden i oder y, im 15. Jahrhundert auch j geschrieben. e für i zeigt Senkung zu e, ei für t Diphthongierung an. Für 0 und 6 bieten die Handschriften o. Die Ausspraohe nähert sioh in verschiedener Stellung und in versohiedenen Gegenden bald mehr dem u (ulte, genumen für olte, genomen in md. HalJdschriften), bald mehr dem a (labe, bate für lobe, bote iu der Elisabeth). Im Rip. wird 6 durch oi wiedergegeben. Der Umlaut von 6 ist re, wofür häufig 0 steht. ö ist selten echter Umlaut, sondern meu.t durch Systemzwang entstanden (vgl. § 13).· In der Spätzeit wird für ö und re oft ~, Ö, oi, J, oe und re gesetzt. u und u werden u oder" gesohrieben. Aus optischen Gründen wird vor m und n, seltener auoh vor 1, r und im Anlaut zl und v (für Länge und Kürze) gesetzt. Im Md. war zwischen dem langen und dem kurzen u auoh ein qualitativer Untersohied, da Reime u: ugemieden werden; uwurde hier geschlossener als u gesproohen; u konnte durch 0 vertreten werdelJ. Der Umlaut von u ist ü, der von t1 ist iu. Für beide Laute wurde oft u oder" geschrieben. In iu ist der ahd. Diphthong iu mit dem ahd. Umlaut von tl und dem Umlaut von iu zusammengefallen; die verschiedene Herkunft wird in manchen Handschriften angedeutet, indem für iu, daa aus dem Diphthong entstand, i", J, t, u, y geschrieben wird, wähe rend u oder " den alten Umlaut bezeichnet. Aber auch für daa a1,lS dem Diphthong entstandene iu treten u und " auf, und ~, u stehen auch für ü, daa bisweilen auch durch ue, 4 und ü bezeichnet wird. Der Diphthong ei (äi zu sprechen) wird ei, :i, seit dem Ende des 13. Jahrhunderts auch ey geschrieben. Während im Bair. t zu ei zerdehnt wurde, entwickelte sioh mhd. ei zu ai weiter, das ai, aei. ~i, äi, ai geschrieben wurde und in der Regel von ei <: f geschieden blieb. e ie (f.e zu sprechen) wird in den Handschriften ie, i, seltener auch i und ei geschrieben. Eine lautliche Scheidung
i,
Aussprache u. Schreibung
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des aus ahd. ia und des aus ahd. io entstandenen ie soheint im Reimgebrauoh der Vorauer Genesis vorzuliegen. Die nhd. Monophthongierung ie > t nahm vom Md. ihren Ausgang. 00 (u..o zu spreohen) wird 00, vo, ~, 4, auoh 0, OV, spät oft ue, a und ue gesohrieben. Die (md.) Sohreibung u, v zeigt Monophthongierung zu ü an; im Westmd. erscheint dafür zuweilen o. Für üe bieten die Handsohriften ,1e, ue, zie, 4, ~ und zahlreiohe andere Schreibungen, auch u und v. ou wird OU, OV, 0, seltener~, v und 0 geschrieben. Die bair. und ostschwäb. Schreibungen au, av, du, &u deuten die geänderte mundartliche Aussprache an. Auch die Schreibungen für öu (sprich öü) sind sehr mannigfaltig. Häufig begegnet ou und OV, daneben auch eu, ev, ew und &, &v, ou. &für öu ist als umgekehrte Schreibung aus der schwäb. Zerdehnung von ce zu öu, dM nicht denselben Klang wie mhd. ÖU gehabt haben muß, zu erklären. 4. Aussprache und Schreibung der Konsonanten
§ 10. Folgende dem alten ABC fehlende Buchstaben wurden in der mhd. Zeit gebräuchlich: w für ahd. uu, uv, vv, dM sich gegen Ende des ll. Jahrhunderts durchsetzte; sch, das im 12. Jahrhundert gegenüber sk, sc, sh den Vorrang erlangte; j, das am Ende des Mittelalters aus i am Wortanfang entstand. Die Ausspmche und der Schreibgebmuch weichen bei den Konsonanten mehrfach vom Nhd. ab. Das labiodentale f wird durch f oder v bezeichnet. Daß v (oder u) den stimmlosen Laut bezeiohnet, dürfte auf den Einfluß der irischen Schreibtradition zurüokzuführen sein, da im Irischen das lat. " stimmlos gesprochen wurde. Die Schreibung u oder v für f aus idg. p ist ganz selten. Vor r, l und u wird häufig f für" geschrieben, immer in durfen, dürfen. Auch im Auslaut und in der Gemination kommt nur f vor. Nach stimmlosen Lauten hat f den Vorzug vor v (vtihen, aber entfahen). Am Ende des Mittelalters ist ff im Anlaut häufig.
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Lautlehre
Affrikata. pi wird in der älteren Zeit meist ph, später pi geschrieben; pph und ppl kommen besonders inlautend zwi· sehen Vokalen vor. Zuweilen bezeichnet ph auch die Spirans fortis I, besonders vor t. Der durch die Lautverschiebung aus t entstandene s·Laut wird zum Unterschied von altem s mit 5 bezeichnet. Im 13. Jahrhundert wird s von 5 im Reim geschieden; später fielen die beiden Laute zusammen, doch blieb das Zeichen noch lange im Gebrauch und wurde häufig auch für s ver· wendet. In manchen Handschriften und Neuausgaben wird z für 5 gesetzt. In der Regel bezeichnet z die Affrikata, die häufig auch durch tz, ez, ze, zz und e wiedergegeben wird. ez, ze werden hauptsächlich inlautend zwischen Vokalen verwendet, in der Spätzeit auch im Anlaut. tz kommt besonders im Auslaut, in der Spätzeit aber ebenfalls im Anlaut vor. ze steht nie im Auslaut, zz nie im Anlaut. Im 15. Jahrhundert sind Konsonantenhäufungen beliebt, die in den meisten Ausgaben gemildert werden. Die gutturale Verschlußfortis wird durch k, kk, ek und e ausgedrück.t, wobei e nur vor dunklen Vokalen vorkommt und kk und ek nur im Wortinnern oder im Auslaut verwendet werden. Die Schreibungen kh, keh, eh, hk, ehk deuten die Verschiebung des Verschlußlautes zur Affrikata an. qu wird meist qu, seltener kw geschrieben. Daß q für k vorkomme, kann aus vereinzelten Schreibungen, die vielleicht nur versehentlich entstanden, nicht geschlossen werden. Archaistische sk, sc, sh kommen noch lange neben 8eh vor; im Md. steht zuweilen sg für seh. Da seine seh-ähnliche Aussprache hatte, wird auch s oder ss für seh geschrieben. Das frz. stimmhafte seh wird in Lehnwörtern durch s wiedergegeben (mhd. mansier = altfrz. mangier "essen"), und die Slawen geben das s deutscher Ortsnamen y und Lehnwörter als stimmhaftes sekwieder (Senftenberg - Zamberk, Fasan = bazant).
Intensität d. Konsonanten
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Konsonantisches !I wird meist mit w bezeichnet; nach Konsonanten und vor u wird u bevorzugt. Die alte bilabiale Aussprache galt noch lange Zeit, während f und f1 im Mhd. labiodental gesprochen wurden. Für j wurde meist i oder y, auch gi und g geschrieben. Für r ist in der Hauptsache alveolare Aussprache anzunehmen, doch kannte das Fränk. auch die uvulare Aussprache. ch konnte palatal (wie nhd. "ich") oder postpalatal und velar (wie nhd. "ach") gesprochen werden. Da der ach·Laut im Alem. nach jedem Vokal gesprochen wird, kann es nicht entschieden werden, ob man mhd. in denselben Fällen wie im Nhd. den ich-Laut oder den ach· Laut sprach; gewiß gab es mundartliche Unterschiede. Nach l und r dürfte meist der ach-Laut gesprochen worden sein. 5. Intensität der Konsonanten § 11. H. Paul erkannte, daß sich im Mhd. Fortis und Lenis nur in der Intensität der Aussprache unterschieden, nicht auch qualitativ wie in der nhd. Bühnenaussprache. Die Lenes b, d, g, s waren keine tönenden oder stimmhaften Laute wie in den romanischen, slawischen und in den andem germ. Sprachen. Nur die Niederdeutsohen, Ostmitteldeutschen, ripuarischen und Moselfranken kannten das Schwingen der Stimmbänder. Die mhd. Verschlußlenis vertritt die roma· nisohe minder intensive Verschlußfortis. Daher rührt der Wechsel von d und t im Mhd. (besonders im In- und Auslaut und nach Nasal). Während im Nhd. die anlautenden Fortes p, t, k vor Vokal behaucht zu sprechen sind, ist im Mhd. nur für k die Behauchung wahrscheinlich; in den Mundarten gibt es starke Unterschiede. Gemination ist im Mhd. zwischen Vokalen, deren erster kurz sein muß, bei b, d, g, j, s, 3, p, t, k, m, n, l und r möglich. Die geminierten Lenes bb, gg können duroh pp, kk (ck) vertreten werden; dd wird regelmäßig durch tt oder dt ersetzt. Selten erscheinen die Schreibungen bp, pb, gk, cg.
Lautlßhre
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bb .. pp: ribbe - rippe "Rippe", stiibbe - stüppe "Staub". gg = ck: rügge - rücke "Rücken", brügge - brücke
"Brücke" • = tt: smitte "Schmiede". Zwischen der ehemaligen Doppellenis ck und der eigentlichen Doppelfortis ck blieb in weiten Gebieten ein Intensitätsunterschied bestehen, 80 daß für die Doppelfortis behauchte Ausspra.che anzunehmen ist. *dd
6. Artikulationsan "on b, d, g, h
§ 12. b kann sowohl den Verschlußlaut als auch den Reibelaut (&) bezeichnen. Im An- und Auslaut kam nur noch der Verschlußlaut vor. Den Reibelaut hatte in zwischenvokaIischer Stellung das Elsäß., Sfrk., Rhfrk., Mslfrk., Thür.-Obs. und Ostmd., wie gelegentlicher Ersatz durch " und f anzeigt; dies entspricht weitgehend den heutigen Mundarltln. Auch im bair. Sprachgebiet ist der Reibelaut häufig, doch sind die Grenzen noch nicht genau ermittelt. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts sind Schreibungen von w für b im Bair. häufig (waden - bade", wehalten - behalten); die umgekehrte Schreibung tritt massenhaft auf (gebanheit = gewonheit, zbischen - zwischen). Eine österreichische Kanzleinotiz aus dem Jahre 1363 sagt: Wer dise" brief iemer gelese, der merche und "erste, daz nach der gewonheit dez land ze Payrn an manigen $letten ein lindes b gesetzt ist für ein zwi"alt w, und hin wider ain zwi"alt w für ein lindes b. Darumb nach bezaichnusse der worten und des sinnes begreilfe das ain ieglicher "ernünftiger leser. Auch d, dBti in der Hauptsache als Verschlußlaut gesprochen wurde, konnte noch spirantisch (a) sein, doch war a weitaus seltener als &. Nach Nasal, fast überall im Anlaut und wahrscheinlioh nach Liquida war d Verscblußlaut. "Ober den Gebrauch in den Mundarten kann aus dem Wechsel mit t, bzw. aUb der strengen Auseinanderhaltung von d und tein Schluß auf die Aussprache insofern gezogen werden, als WeohBel mit t beweisend für die Ausspra.che als Verschlußlaut ist. Bei strenger Soheidung von d und t kann d spiran-
Artikulationsart von b, d, g, h
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tisch gesprochen worden sein. Spirantische Aussprache galt in einem Teil des Westmd., wo die heutige Mundart r für d hat. g wurde gleichfalls als Verschluß- und als Reibelaut gesprochen. Der Spirant war vorherrschend im Md., Niederalem., nordbair. und Niederöst., wobei er mancherorts velar, anderwärts pu.latal ausgesprochen wurde. Er wurde vorwiegend in zwischenvoka.Iischer Stellung gesprochen, während im An- und AUBlaut meist der Verschlußlaut stand. Nur im Rip., in einem Teil des MsIfrk. und im Nordthür. wurde aucb im Anlaut (palataler) Spirant gesprochen. Im Rhfrk., Thür. und Ostmd. war auslautendes g hinter betontem Vokal Verschlußlaut. Auch nach Nasal war g Verschlußlaut. Für den Verschlußlaut wurde meist gk, für Spirans g geschrieben. Im Rip. und MsIfrk. wurde g nach i und e in unbetonter Silbe wie stimmhaftes j gesprochen. h wurde als Reibelaut und als Hauchlaut gesprochen. Im Südwesten hatte h eine kräftigere Artikulation als anderwärts. Am Wortanfang wurde h überall als Hauchlaut gesprochen, meist auch im Wortinnem nach Vokal als Anlaut einer unbetonten Folgesilbe. In dieser Stellung konnte es häufig ganz verstummen, bewahrte aber die spirantische Aussprache z. B. im Tirolischen und Schweizerischen, wo es im 14. Jahrhundert an Boden gewann. Die spirantische Aussprache ist an Schreibungen von eh für h (sechen ... sehen,) und an Reimen (wihen: rfehen) zu erkennen. Niklas von Wyle forderte im 15. Jahrhundert ausdrücklich die Schreibung von gesehechen statt geseheen (= geschehen). Im Silben. auslaut und vor Konsonanten steht in der Regel Spira,ns (sach, gesiht), im Obd. auch nach r und l (beleihen, lorhe). Für eh begegnet in den Handschriften eh und h, westmd. auch eh. In kritischen Texten wird zwischen Vokalen und im Auslaut eh, vor und hinter Konsonanten h gesetzt (spriehet, weh, durch, niht, vorhte). In westmd. Handschriften wird auch g für eh gesetzt.
J
so
Lautlehre
II. Die Entstehung der mhd. Laute
a) Vokale cx) Das Verhältnis zu den ahd. und urgerm. Vokalen
Die Vokale der betonten Hauptsilben entwickelten sich anders als die Vokale der unbetonten Silben, die kurzen an· ders als die langen. 1. Die kurzen Vokale der Hauptsilben § 13. Mhd. a setzt ahd. und urgenn. a fort; got. gasts, ahd. gast, mhd. gast "Gast"; got. akrs, ahd. akkar, mhd. acker "Acker". Mhd. ~ setzt meist das schon im Ahd. durch Umlaut aus a entstandene ~ fort. Dieser "alte" Umlaut von a wurde auch bei den anderen Westgermanen und den Nordgermanen, aber nicht im Gotischen durchgeführt. Got. satjan, ahd. s~zzen, mhd. s~zen "setzen"; got. hafjis, hafjip, ahd. h~is, hefit, mhd. h~best, h~bet "hebst, hebt"; got. batiza, ahd. b~zziro, mhd. b~er "besser". ~ erscheint auch in Lehnwörtern aus dem Lateinischen, b~lli3, b~l3 (mIat. pellicia) " Pelz ", p~nster (vulgärlat. fenistra) "Fenster" (daneben auch penster). Auch wegen benachbarter Laute (besonders s und sch) kann ~ statt e erscheinen: p~ls "Fels", sch~lm "Auswurf, Pest, Seuche", w~e "wußte". Häufig sind Doppelformen mit ~ und e: swester - swester "Schwester", dr~chen - dreschen "dreschen", n~t - nest "Nest". Da in der Schrift ~ von e nicht unterschieden wird, lassen nur die Reime die Lautqualität erkennen. Im Ostbair. und in einem Teil des Ostfrk. wird etymologisches e vor b, d, g, t zu ~ gereimt (erh~bet: lebet, ~dele: sedele, l~gen: degen, st~te : bete). Mhd. ä ist jüngerer Umlaut von a. Er geht gleichfalls schon ins Ahd. zurück, kommt aber in der Schrift erst spät zum Ausdruck. Ahd. zahari, mhd. zähere "Zähre", ahd. ma· gadi, mhd. mägede "Magd", ahd. frapali, mhd. fräpele "Fre. vel, Kühnheit".
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Vokalismus. Kurze Vokale
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Mhd. e setzt ahd. e und e Iort. Das ahd. e hat doppelten Ursprung: urgenn. e und urgenn. i. Urgenn. e liegt vor in an. afries. eta, ags. &S. etan, ahd. e3.~an, mhd. e.?3en "essen"; an. afries. ags. aso fell, ahd. fel, mhd. "el "Haut" (got. erscheint i: itan "essen", prutsfill "Aussatz"). Aus urgenn. i wurde ebenfalls e, wenn in der Folgesilbe ein a, e oder 0 stand (a-Umlaut oder Brechung, daher "Brechungs"-e). Die Brechung fand in vorliterarischer Zeit statt und betraf das West- und Nordgenn. Brechungs-e liegt vor in urgenn. *wigaz, got. wigs, ahd. weg, mhd. wec "Weg", ahd. quec (ags. cwic), mhd. quec "lebendig, mutig"; urgenn. *wiraz, ahd. wer, mhd. wer "Mann". - Ahd. e > mhd. e: ahd. ker(i)ro, mhd. kerre (neben kerre) "Herr", ahd. meriro, mhd. merre (neben merre) "mehr", ahd. eriro, mhd. erre (neben erre) "eher" . Mhd. i hat zweierlei Ursprung: es setzt urgenn. ahd. i und urgenn. e > ahd. i fort. Got. fisks, ahd. f/'sc, nhd. "isch "Fisch"; got. witum, ahd. wi35um, mhd. wiö5en "wir wissen". Der Übergang von e zU i trat im West- und Nordgerm. vor gedecktem Nasal und Vor i, j oder u der Folgesilbe ein. Lit. bendras "Genosse", ahd. binta "Binde", mhd. bint "Band, Verbindung"; gr. tO''t't, ahd. i.st, mhd. ist "ist";· lat. medius, ahd. mitti, mhd. mitte "mitten"; lat. pecus, ahd. fihu, mhd. "ike "Vieh". Daraus erklärt sich ahd. nimu, nimis, nimit (zu neman), mhd. nime, nimst, nimt (Inf. nemen) "ich nehme, du nimmst, er nimmt". Mhd. 0 setzt ahd. 0 fort, das durch a-Umlaut aus u entstanden ist. Lat. iugum, ahd. joch, mhd. joch "Joch"; urgenn. *gulpa-, ahd. gold, mhd. golt "Gold"; zu urgerm. *wurkjan (Inf.) ahd. Prät. worahte, mhd. worhte "wirkte". Urgerm. e scheint in mhd. doch, noch, obe "ob, wenn", ode, oder zugrunde zU liegen. Zu mhd. wol bietet das Ahd. wola und wela, zu woche gehört ahd. wohha und wehha, zu wolte ahd. wolta und welta. Da 0 nur dort aus u entstand, wo in der Folgesilbe ein a, e oder 0 stand, während vor den i-Umlaut bewirkenden i und j der Folgesilbe u erhalten blieb, gibt es wenig echte Umlaute aus O.
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~-----
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LautZehre
Die meisten mhd. ö sind durch Systemzwang (in Anlehnung an andere Umlaute) gebildet worden. Mhd. dorf - dörfer ist wie lamp -lember (ahd. lamb -lembir) gebildet, mhd. bocböcke wie gast - geste (ahd. gast - gesti). Vgl. §§ 9, 24. Mhd. u setzt urgerm. ahd. u fort: germ. *hundaz, ahd. hunt, mhd. hunt "Hund; got. sunus, ahd. sunu, mhd. sune "Sohn", Hierher gehören die Plur. Prät. wurfen "warfen", hulten "halfen", bunden "banden" u. a. Mhd. ü ist durch i-Umlaut aus ahd. u entstanden: ahd. kunni, mhd. künn.e "Geschlecht", ahd. suntia, mhd. sünde "Sünde", ahd. kunsti, mhd. künste "Künste". 2. Die Zangen Vokale der HauptsiZben
§ 14. Mhd. 11 setzt ahd. 11 fort, das aus urgerm. -anh- und urgerm. e entstanden ist. Urgerm. *branhtö, ahd. brllhta, mhd. brllhte "brachte", urgerm. *jJanhto, ahd. dahta, mhd. dähte "dachte"; got. mena, ahd. mllno, mhd. mllne "Mond", got. slepan, ahd. sUifen, mhd. slllfen "schlafen". Hierher gehören die Plur. Pl'ät. got. nemum, ahd. nllmum mhd. namen "wir nahmen". Mhd. IB ist durch i-Umlaut aus ahd. 11 entstanden: ahd. swllri, mhd. sWlBre "schwer", ahd. lari, mhd. lIBre "leer". Hierher gehört der Konj. Prät. ahd. nami, mhd. nreme 2;U nemen "nehmen". Mhd. esetzt ahd. efort, das vor r, h, w und im absoluten Auslaut aus germ. ai elltstanden ist. Got. airis, ahd. er, mhd. er "eher"; got. ga-jJlaihan, ahd. fUMn, mhd. "Uhen "anflehen"; got. aiws, ahd. ewa, mhd. ewe "lange Zeit"; got. wai, ahd. wa, mhd. we "weh". - Außerdem geht a auch auf lat. e zurück (z. B. cedrus, mhd. zMer). Mhd. t setzt ahd. t fort, dll8 entweder aus urgerm. I oder -inh- entstanden ist. Aga. 118. ahd. wEs, mhd. wEs "weise", ags. 118. gripan, ahd. grtffan, mhd. grifen "greifen". Urgerm. *sinh-, ahd. sthan, mhd. sEhen "seihen", *jJinhö-, ahd. dthu, mhd ge-dthe "ich gedeihe" Weiters entstand t durch Kontraktion von -idi-, -ibi-, -igi-: ahd. quidit, mhd. quU "er sagt", a.hd. gibit, mhd. gU "er gibt", ahd. ligit, mhd. ZU "er liegt". Dehnung von i > t liegt vor bei bf "bei", in "hin?in".
VokaliimuB. Lange Vokale
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Mbd. 0 setzt ahd. 11 fort, welches auf urgerm. ö oder au oder ajl zurückgeht. Urgerm. ö erscheint ahd.jmhd. in der Regel als uo, aber in unbetonter Stellung konnte ö erhalten bleiben. Daher erscheint die Partikel do "als" neben seltenerem duo. Urgerm. au wurde vor h und Dentalen zu 0; got. hauhs, ahd. kOh, mhd. Mch, M "hoch", got. daujJu8, ahd. tod, mhd. tot "tot", got. laus, ahd. lOs, mhd. lOs "los, leer", got. laun, ahd. lOn, mhd. Mn "Lohn". Urgerm. a!lliegt zugrunde in mhd. "ro ,froh", stro (neben strou, strouw) "Stroh", Gen. strowes (*strawes). Mhd. re ist Umlaut von 0; ahd. kOkt, mhd. hrehe "Höhe", ahd. Mhiro, mhd. hreher "höher", ahd. rotf, mhd. rrete "Röte". Mhd. u geht auf ahd.jurgerm.jidg. u zurück. Lat. müs, ahd. müs, mhd. mtls "Maus"; ahd. bruchan, mhd. brachen "brauchen"; ahd.jmhd. zun "Zaun". Weiters entstand ahd.j mhd. u aus -unh-: germ. *fJunhtö, ahd. duhta, mhd. duhte "dünkte". Doppelformen haben nu und dfi (= nu und du, nhd. "nun" und "du"). Mbd. iu hat dreierlei Ursprung. Es setzt einmal den ahd. Diphthong iu fort. In Mundarten hat sich die diphthongische Aussprache bis heute erhalten (bair. ui). Der westgerm./ahd. Diphthong liegt zugrunde in biute (a,hd. biutu "biete"), "Ziuge (ahd.jliugu "fliege"), Dat. Plur. iu "euch", hiute "heute", liuml~nt "Ruhm". In der Aussprache trat die Kontraktion des Diphthongs um 1000 ein. Das zweite mhd. iu ist Umlaut von a; ahd. Gen. Dat. Sing. und Plur. brtlti, mhd. briute "junge Frau, Braut", ahd. husir, mhd. hiuser "Häuser", ahd. surf, mhd. siure "Säure". Die nhd. Orthographie verwendet die Schreibung äu nur für dieses aus u umgelautete und später zu äu diphthongierte iu, während für die aus den beiden anderen iu entstandene Diphthonge die Schreibung eu gilt. Das dritte mhd. iu ist der Umlaut des ahd. Diphthongs iu, dessen u zu ü gerundet und mit i verschmolzen wurde. Daher wird dieses iu zuweilen iü geschrieben; ahd. tiuri, mhd. tiure (tiüre) "teuer", ahd. diu3 Eis, Mhd. Oramm.
Lautlehre
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tisk, mhd. tiutseh (tiütseh) "deutsch", ahd. gi-triuwi, mhd. triuwe (triüwe) "treu". 3. Die Diphthonge der Hauptsilben
§ 15. In mhd. ie setzen sich sechs verschiedene ahd. Diphthonge fort: 1. Mhd. ie - ahd. io< eo, germ. eu (got. iu). Got.piuda, ahd. deot(a), diot(a), mhd. diet "Volk, Leute". 2. Mhd. ie - ahd. iu < urgerm. eu vor Labialen und Gutturalen. Ahd. diub, mhd. diep "Dieb", ahd. tiuf, mhd. tief "tief". Im Obd. wurde iu vor b, f, m, p, g, k, eh bewahrt (vliuge "fliege", liuf "lief"), doch setzte sich daneben auch die Schreibung mit ie durch. 3. Mhd. ie = ahd. io, eo aus ew < urgerm. aiw. Got. aiw, ahd. eo, mhd. ie "immer"; got. Ivaiwa, ahd. (h)weo, mhd. . "• wte "WIe 4. Mhd. ie = ahd. ea, ia > urgerm. es. Got. her, ahd. hear, kiar, mhd. hier, hie "hier", got. Kreks, ahd. Kriah, mhd. Kriech "Grieche", ahd. hiao, mhd. hies "hieß". 5. Mhd. ie - ahd. io. Ahd. tiofel, tiofal (= diahoZus), mhd. ti.evel neben tiuvel "Teufel". 6. Mhd. ie = ahd. e + a in Ace. Fem. die "die" (ahd. dia<
.
dea< dea). Mhd. ei setzt ahd. ei < urgerm. ai fort. Got. wait, ahd. weio, mhd. weio "weiß"; got. stains, ahd. stein, mhd. stein "Stein". Weiters ist mhd. ei durch Kontraktion von -agiund -egi- entstanden: magister > meister "Meister", ahd. egida, mhd. eide "Egge", ahd. gegini, mhd. gein(e) "gegen". Mhd. ou setzt a·hd. ou fort, das aus urgerm. au entstanden ist. Got. hlaupan, ahd. loufan, mhd. loufen "laufen"; got. augö, ahd. ouga, mhd. ouge "Auge". Mhd. äu ist der Umlaut von ou. Germ. *ougjan, ahd. ougen, mhd. äugen "vor Augen bringen", ahd. loufit, mhd. läufet "läuft". Außerdem ist äu aus ahd. -ewi-, urgerm. -awientstanden: *gawjes > *gawwjes > ahd. geuues > mhd. gäuwes neben gouwes, Nom. gäu "Gau"; ahd. heuui, mhd.
l
höu "Heu".
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Vokalismus. Diphthonge
Mhd. uo setzt ahd. uo, ua fort, das auf urgenn. ö zurückgeht. Got. bröpar, ahd. bruoder, mhd. bruoder "Bruder", got. flöpus, ahd. fluot, mhd. vluot "Flut". Mhd. üe ist der Umlaut von uo. Ahd. fuori, mhd. füere (Konj.) "führe", ahd. truogi, mhd. trüege (Konj.) "truge". 4. Vbersicht über die mhd. und ahd. Vokale der betonten Hauptsilben
§ 16. Kürzen
Mhd. a
=
~ =
e (vors, sch)
Mhd.
re-
a-
a a e
e=
f -
f 0
e
o-
=
u= ü=
u u
0-
0
ö-
0
ahd.
e-
a
ä=
i
Längen
ahd. a ~ (a),
m-
o
U iu -
U iu,
-
u
Diphthonge
Mhd. ou
=
ÖU -
ez
~
~=
iu uo = üe -
ahd. ou< au ou, ewi ei w>~~~>w>~~>w>~
io, ea > ea > ia iu, iu vor i, j der Folgesilbe, uo, ua uo
u
5. Die Vokale der Nebensilben
Durch den Vokalismus der Nebensilben unterscheidet sich das Mhd. am stärksten vom Ahd. Der Beginn des Abschwächungsprozesses fällt noch in die ahd. Zeit; er wird im 12. Jahrhundert beendet. Volle Vokale erhielten sich nur in nebentoniger Stellung; in unbetonten Silben wurden alle vollen Kurzvokale (nicht aber der Diphthong iu) zu e abgeschwächt oder durch Synkope und Apokope völlig beseitigt. 3·
36
Lautlehre
Erhaltung voller Vokale
§ 17. Volle Vokale erhielten sioh in den sohweren Ableitungssilben -unge, -nisse (-nusse, -nüsse), -rere, -inne (-in, -in), -Un, die einen Nebenton trugen: ahd. manunga, mhd. manunge "Mahnung", ahd. pinstarnissi, mhd. vinsternisse "Finsternis", ahd. scrfbari, mhd. schrfbrere "Sohreiber", ahd. kuninginna, mhd. küneginne "Königin", ahd./mhd. kindeUn "Kindlein". Auoh in -Uch und -rtch blieb i erhalten, wurde aber gekürzt (lobeUch neben lobelieh, Dietertch neben Diet-
rich). -iu blieb im Nom. Sing. Fem. und Nom. Aoe. Plur. N. des starken Adjektivs erhalten (blintiu, micheliu). -ant ist in den substantivierten Part. Praes. heilant "Heiland", vtant (daneben auch vfent, vint) "Feind", wigant "Kämpfer" und valant "Teufel" erhalten; -unt in liumunt (daneben liument, liumt) "Ruhm"; -uot in armuot "Armut", heimuot "Heimat"; -ohi in hoveroht (neben hovereht) "höckerig". Ahd. -onti setzt sioh in den obd. Part. Praes. auf -unde fort; wunderunde "sich wundernd". Diese Endung der -onVerba. wurde auch auf andere Verba übertragen. In der älteren Zeit bewahrt das Obd. die Endung -ot der Abstrakta; klagot "Klagen", arnot "Ernte"; Fortbildungen davon sind gegenote "Gegend", einrete "Einsamkeit". -in ist erhalten in trähtin (daneben trähtin) "Herr", guldEn "golden" u. a. Im Md. und Alem. erhält sich das anderwärts zu ·e- abgeschwächte i der Endsilben (wazzir, vinstir); in Vorsilben erscheint hier neben i a.uch 0 und u (irschein, vorgebin, zurZegin "auseina.nderlegen"). Im Südalem., Schwäb. und Südbair. setzt sich gedecktes ahd. -0als 0 fmt (wandelot; vgl. auch tusuntj, doch kommen daneben auch die abgeachwä.chten -e- vor. Abschwä.chung zu
/J
§ 18. Die ahd. kurzen Vokale im gedeokten Auslaut und in Mittelsilben sowie i im freien Auslaut sind sohon bei N otker zu e geworden.
Vokalismus der Nebensilben
87
ahd. mhd. Notker uuesan uuesen wesen "sein" zttin ztten ztten "Zeiten" (Dat. PI.) enti ende ende "Ende" Die ahd. Endungen -ag, -tg, -ing fielen mhd. zu -ec zusammen; ahd. heilag, mhd. heilec "heilig", ahd. saUg, mhd. Slelec "selig", 8.hd. kuning, mhd. künec "König". Ahd. -tJrol -iro und -osto/-isto wurden mhd. zu -er und -est; ahd. hOhiro, hohOro, mhd. hreher "höher", ahd. hOhisto, hOhOsto, mhd. hrehest, hOhest "höchst". Im offenen Auslaut wurden die kurzen ahd. Vokale im 12. Jahrhundert sämtlich zu oe; ahd. fogala, mhd. pogele "Vogel", ahd. edili, mhd. edele "edel", ahd. demu, demo, mhd. deme "dem", ahd. sunu, mhd. sune "Sohn". Schwund
§ 19. In dreisilbigen Wörtern konnten lange und kurze Mittelvokale nach langer Hauptsilbe synkopiert werden. Kurze Mittelvokale fielen am häufigsten nach Nasalen und Liquiden sowie bei gleichem oder ähnlichem Anlaut der beiden letzten Silben aus. Ahd. h2rison, mhd. h2rsen "herrschen", ahd. salida, mhd. smlde "Güte, Segen, Heil", ahd. be33isto, mhd. beste "beste". Lange Mittelvokale fielen besonders im Praet. und im fiektierten Part. Praet. der schwa.chen Verba aus, doch erhielten sich Doppelformen mit -e-: ahd. warteta, mhd. wartte "spähte", ahd. tihtota, mhd. tihte "dichtete, diktierte", (daneben wartete, tihtete). In der dritten Silbe schwand der ahd. Vokal, wenn die Hauptsilbe lang war; nach kurzer Hauptsilbe blieb er a.ls e erhalten. Ahd. eichila, mhd. eichel "Eichel", ahd. grtJ:;iro, mhd. groe3er "größer", ahd. uuuntaron, mhd. wundern "sich wundem"; dagegen ahd. widaro, mhd. widere "wieder, zurück". Wenn die zweite Silbe lang und nebentonig war, wurde das e der dritten Silbe meist apokopiert; boumgart (neben boumgarte) "Baumgarten", Gen. Sing. tibents (neben abendes) "Abends". Zweisilbige Wörter werden in aatzunbetonter Stellung einsilbig (duroh Apokope oder Synkope). So bestehen an, ab,
38
Lautlehre
mit, ob, um(b), und, wan(d) neben ane, abe, mite, obe, umbe, unde, wande; siht, vint, riet, mins neben sihet, vindet, rretet, mEnea. her und her für herre und vrou für vrouwe begegnen besonders vor Namen und Titeln. Nach betonten kurzen Hauptsilben schwindet e durch Apokope und Synkope besonders nach Nasalen, Liquiden und dentalen Verschlußlauten. hin "hin", nam "Name"; wont "wohnt", nimt "nimmt"; ar "Adler", zeln "zählen"; bot (neben bote) "Bote", bestat (neben beatatet) zu beataten "an eine SteUe bringen". Durch Elision an einen folgenden Anlautvokal kann auch -iu verschwinden (dis aventiure = disiu aventiure). In den Vorsilben ge- und be- ist bei vokalischem Anlaut der Folgesilbe e schon im Ahd. verstummt; günnen "gönnen", ge33en "gegessen". Im Mhd. schwindet es auch häufig vor r, l, n, seltener vor w; grat - gerat "rasch", gUch - gelEch "gleich", gnade - genade "Gnade", gwis - gewis "gewiß". In ver- ist e geschwunden in vr-e33en "aufessen", vr-eise "Schrecken, Gefahr". Wegfall der Präfixe (selle für geselle, gunde für begunde) ist erst im 14. Jahrhundert im Obd. nachzuweisen.
ß) Geregelter Vokalweohsel Für das Verständnis des Wechsels bestimmter Vokale in verwandten Wörtern und Wortformen ist die Kenntnis einiger Erscheinungen erforderlich, die der idg., urgerm. und ahd. Grammatik angehören. 1. Der Ablaut
§ 20. Als Ablaut bezeichnet man den regelmäßigen Wechsel verschiedener Vokale in wurzelverwandten Wörtern. Er herrscht schon im Idg. und ist mit dem Vokalwechsel der wurzelflektierenden (semitischen) Sprachen zu vergleichen. Im Germ. wurde der idg. Ablaut systematisch fortgebildet. Er ist besonders für da.s starke Verbum bedeutungsvoll, doch kommen sämtliche dort entwickelten Ablautreihen auch außerhalb des Verbums vor.
39
D6r Ablaut
Man unterscheidet einen qualitativen Ablaut oder Abtönung (Wechsel in der Klangfarbe des Vokals) und einen quantitativen Ablaut oder Abstufung (Wechsel in der Dauer des Vokals). Beide Arten kommen meist zugleich vor. Sie entstanden infoIge des wechselnden Wortakzents im Idg. Im Idg. stehen e und 0 miteinander im Abtönung&verMItnis, und desgleichen a und o. Der e/o-Ablaut ist häufiger als der a/o-Ablaut; beide Vokalpaa.re können auch lang auftreten (e/ö bzw. ä/ö). Bei der Abstufung sind drei Stufen zu unterscheiden: Normalstufe oder Vollstufe, Dehnstufe, Schwundstufe (Ku~ vokal als Normalstufe, Langvokal als Dehnstufe, Fehlen des Vokals in der Schwundstufe; zeigt die Normalstufe Langvokal, so gibt es keine Dehnstufe und in der Schwundstufe tritt ;J auf). Da idg. e im Germ. als e oder i und idg. 0 im Germ. als a erscheint, entspricht dem idg. e/o-Ablaut im Germ. e, i/a. Den idg.Diphthongen ei/oi entsprechen germ. i/ai; idg. eu/ou germ. iu, eu/au; idg. en/on, em/om, er/or, el/ol germ. in/an, im/am, er/ar, eI/al usw. Im Germ. sind sieben Ablautreihen entwickelt. Die Reihen 1-4 zeigen idg. e/o mit begleitendem Halbvokal, Liquida oder Nasal als Grundstufe; Reihe 5 idg. e/o ohne Begleitlaut; Reihe 6 idg. a/o; Reihe 7 idg. e/ö. Die größte Bedeutung haben diese Reihen für das starke Verbum; da dieses § 99 gesondert behandelt wird, beschränkt sich die folgende Aufstellung auf andere Beispiele. 1. Ablautreihe Vollstufe
Vollstufe
Schwundstufe
ej idg. i oi prm. l ~ i mhd. i ei, e i idg. (gr.) Ael1tcu "lasse" AtAo&1ttX (Perl.) n&1tO\l (Aor.) germ. (got.) weitwöds "Zeuge" wait "weiß" witubni "Kenntnis" mhd. wfse "weise" wei3 "weiß" gewi33en "Kenntnis"
c
Lavtlehrt
40
2. Ablautreihe Vollstufe
Vollstufe
Schwundstufe
idg. u elfoll germ. iu, eu au u mhd. ie ou,6 u idg. (gr.) eAe:uao/l«L e:t'(~AOU.&« ijAU&oV (Aor.) "werde kommen" (Perl.) germ. (got.) liufs "lieb" ga-laufs "kostbar" luM "Liebe" mhd. liep "lieb" ge-louben "gla.uben" lop "Lob" 3. Ablautreihe Vollstufe
Vollstufe
Schwundstufe
on, om, 01, or tt, 1p., J, r an, am, al, ar u, 0 + n, m, r, l an, am, al, ar u, 0 + n, m, r, l 'ltE1roV&« "erlitt" 'It&..&OC;' a < tt) "Erleiden" germ. (an.) binda "Band" band ,.Fesse!" burntin "Garbe" mhd. bint "Band, bant "Fessel, bunt "Verband, Verbindung" Band" Knoten"
idg. en, em, el, er, germ. i, e + n, m, r, I mhd. i, e + n, m, r, 1 idg. (gr.) 'ltEV&OC; "Trauer"
4. Ablautreihe Vollstufe
idg. westgerm. mhd. idg. (gr.) ahd. mhd.
Dehnstufe
idg. westgerm. mhd. idg. (gr.) ahd. mhd.
Vollstufe
en, em, el, er on, om, ol, or en, em, el, er an, am, al, ar en, em, el, er an, al, am, ar o"rEAACJ) "stelle, rüste" G-r6AoC; "Rüstung" (air.) celim beran "tragen" barn "Kind" bern "hervorbringen" barn "Kind" ~n,
em, el, er än, äm, äl, är än, äm, äl, är (lat.) celäre gibari "beschaffen" gebdr "Benehmen"
Schwundstufe
tt, 'P, I, r u,o+n, m, I, r u, 0 + n, m, l, r la-r«A!lOtL (Perf.) (lat.) clam giburt " Geburt" geburt "Geburt"
Der Ablaut
5. Ablautreihe Vollstufe
e idg. germ. e mhd. e idg. (gr.) AtyCJ) "sage" germ. (got.) sitls, (ahd.) sedel " Sitz" mhd. sedeZ "Sessel, Sattel"
Vollstufe
o a
a A6yo~ "Rede"
(got.) satjan "setzen" saz "Ort, wo etwas hingesetzt wird"
Debnstufe
e idg. got. e, westgerm. ä germ. a mhd. (Iat.) Lex "Satzung" idg. germ. (got.) anda-scts "verabscheuenswert" geste3e "Lager, Wohnsitz" mhd. Vollstufe a
idg. germ. a mhd. a idg. (gr.) 1J.YCJ) "treibe"
6. Ablautreihe Dehnstufe d ö
Schwundstufe
uo (lat.) amb-äges ai.j-man- "Bahn" "Umgang" germ. (got.) graba" Graben" gröba" Grube" mhd. grap "Grab" gruobe " Grube" 7. AbIa.utreihe Vollstufe M~
e
Vollstufe Ö
germ. (got.) e (westgerm.) tl Ö mhd. a UO idg. (gr.) ",L.&'tjIL' "setze" .&CJ)!J.6~ "Schober" germ. (got.) mana-sefis "Menschensaat" sauij "ich säte" (ahd.) tat "Tat" tuon "tun" mhd. tat "Tat" tuon "tun" Die Wirkung des Ablauts in den Ableitunss- und Flexionsendungen ist im Mhd. nicht mehr siohtba.r.
42
Lautlehre
2. Kombinatorische Lamveränderungen
Übergang von e zu i
§ 21. Vor gedecktem Nasal, vor i, j und u der Folgesilbe wurde idg. e zu i; vgl. § 13. Während die Wirkung von gedecktem Nasal, i und j regelmäßig zutage tritt, unterblieb im Ahd. der Übergang von e zu i vor u häufig. Dementsprechend hat auch das Mhd. unveränderte e vor u der Folgesilbe : eber (ahd. ebur) "Eber", ernest (ahd. ernust) "Ernst", mete (ahd. metu) "Met". Neben vihe besteht ~'ehe (ahd. lihu und lehu). Brechung
§ 22. Brechung oder a-Umlaut wurde durch ein a, e oder 0 der Folgesilbe bewirkt. Betroffen werden hauptsächlich i und u der vorangehenden Silbe, die zu e und 0 gewandelt werden (vgl. § 19); ahd. leccon (lat. lingere), mhd. lecken "lecken", ahd. wehsal (lat. vicis) , mhd. wehsel "Wechsel". Auch die Brechung erleidet zahlreiche Ausnahmen, da sie nicht streng durchgeführt wurde und - sofern sie durchgeführt war - oft durch Angleichung wieder beseitigt wurde. Häufig bestehen Doppelformen: misse - messe (lat. missa), krisme - kresme "Chrisma", schiff - schel "Schiff", wisse, wiste - wesse, weste "wußte". Der durch Brechung entstandene Laut ist e, doch erscheint nicht selten auch~. Dies ist durch die Einwirkung benachbarter Laute zu erklären. Hauptsächlich wurde die Brechung des i bis zum halboffenen e durch nachfolgendes i verhindert, das eine Art Umlaut bewirkte, so daß die Brechung bei dem geschlossenen ~ stehen blieb. Das i braucht nur in einigen Formen des Wortes aufgetreten oder auch nur in bestimmten Wortfolgen häufig hmter dem beeinflußten Wort gestanden sein. etewa3 konnte unter dem Einfluß von ~tesUch zu ~ewa3 werden, tete unter der Wirkung des i in der Stellung tete ich zu t(Jte. Aus ahd. sehsi erklärt sich s(Jhs und s~hse, während in sehzehen und sehzec e vorliegt. In Lehnwörtern erscheint ~ besonders dann, wenn das i in der zweiten, das a erst in der dritten Silbe auftritt: b~lliz, b(Jlz
Kombinatorischer Lautwandel
43
(miat. pellicia), v(Jnster (miat. tenistra). Häufig steht (J vor sch und st; dre,schen, le,scken, dC,Ste, ge,stern. Neben w(Jrt "Insel" und hf;.U "Held" kommen a.uoh wert und heU vor. Na.oh K. Zwierzina wurden diese beliebten literarisohen Reimwörter "mit beliebiger Aussprache" verwendet.
Die Brechung u > 0 unterblieb vor gedecktem Nasal; an. tunga, ahd. zunga, mhd. zunge "Zunge", as. wunda, ahd. wunta, mhd. wunde "Wunde". Weohsel von iu und ie
§ 23. Nach der gleichen Regel wechselten im Ahd. io und iu: vor Silben mit a, e oder 0 steht io (durch Brechung aus iu), während vor gedecktem Nasal und Silben mit u das iu erhalten blieb. Vor Silben mit i oder j lautete iu zu iü um. Ahd. io wurde mhd. ie, ahd. iu und iU fielen in mhd. iu zusammen (vgl. § 14). Daher erklärt sich der Wechsel von ie und iu in ich ziuke, du ziukest, er ziuket - Inf. zieken (ahd. ziuhu, ziuhis, ziuhit - ziokan); vgl. lieht - liuhten, siech -
siucke, bieten - biutel. Die Brechung unterblieb vor w. Deshalb heißt es mhd. briuwen, obwohl imAhd. die Folgesilbe a aufweist (briuuuan) "brauen"; ebenso riuwe (ahd. riuuua) "Reue", triuwe (ahd. triuuua) "Treue". Bei manchen Wörtern bestehen infolgeAusgleichsDoppelformen; so flektiert "Knie" sowohl knie - kniewes als auch kniu - kniuwes (lautgesetzlich wäre knie - kniuwes). Der Umlaut
§ 24. Unter Umlaut schlechtweg versteht tnan den i-Um. laut. Er besteht in einer teilweisen Angleichung eines betonten Vokals an ein in- der unbetonten Folgesilbe enthaltenes i oder j. Der i-Umlaut ist mit der Vokalharmonie der finnisch-ugrischen Sprachen zu vergleichen, die in noch viel weitergehendem Umfang benachbarte Vokale auf einander abstimmt. Der i-Umlaut ging vom Norden aus und wurde bei Nord- und Westgermanen (auch bei den benachbarten Slawen und Magyaren) wirksam.
Lautlehre
Im Ahd. ist der Umla.ut a > e bereits in den Denkmälern des 8. Jahrhunderts durchgeführt; der Umlaut a > ä erfolgte z. T. erst während der mhd. Periode. Der Umlaut a > iu erfolgte um 1000; die anderen Laute wurden erst in der mhd. Zeit erlaßt. Die Vokale wurden nicht mit gleichmäßiger Regelmäßigkeit gewandelt; auch gibt es starke mundartliche Unterschiede. Dasselbe Grundwort ist in "Osnabrück" umgelautet, in "Innsbruck" nicht. Der i-Umlaut wandelte a zu e und ä, azu IB, 0 zu Ö, 8 zu lB, U zu ü, t1 zu iu, ou zu öu, tu zu iü, uo zu üe. a >~: gast - geste (ahd. gesti), lamp -lcmber (ahd. lembir), (lQ1' "erst "erl (ahd. faru feris ferit) "fahre fährst fährt". a > ä: mahl - mähte "Macht", twaken "waschen" - twähele "Handtuch", wahsen - wähset "wachsen". a >IB: "are "Nachstellung"-gePlBre (ahd.gifari) "Nachstellung",!. Plur. Praet. namen (ahd. namum) "wir nahmen" - 1. Sing. Praet. Conj. nlBme (ahd. nami). o > ö: boc "Bock" - böckelfn (ahd. pocchilt) "Böcklein", mohte (ahd. mohta) - möhte (ahd. mohtt). 8 > lB Mch - hlBher, hlBhest (ahd. Mhiro, h6histo) "hoch, höher, höchst". u > ü: Plur. Pra.et. Ind. sungen - Conj. süngen (ahd. 8ungum - lungtm). t1 > iu: htls - hiuser (ahd. htlsir) "Haus". ou > öu: loup -löuber (a.hd.loubir) "Laub", louf -löufel (ahd. loufil) "Läufer". iu > iü: Um "Volk" - liute (ahd. liuti) "Leute". uo > üe: guot "gut, Gut" - güete (ahd. guott) "Güte", gruo3 "Gruß" - grützen (*gruoJjan) "grüßen". Im Mhd. wirkte der i- Umlaut häufig über die unmittelbar vorangehende Silbe hinweg auf die zweitvorhergehende, wofür es auch schon im Ahd. Bebpiele gibt. So bewirkte in adali das i zunächst eine Assimilierung des Vokals der zweiten Silbe (adili), der dann seinerseits in der ersten Silbe Umla.ut herbeiführte (edili); im Mhd. sind die i zu e geworden (edele). Ebenso: ahd. framadi > framidi > fremidi > mhd. "remde; ahd. managt> manigt > menigt > mhd. menege
.
-
KombinatoriBcher Lautwandel
45
"Menge". Besonders häufig wirkte das t der Suffixe -tn, -Un, -lieh auf die zweitvorhergehende Silhe ein. Der Umlaut ist für die Biegung des Substantivs (kraftkrefte) und des Verbums (ich grabe, du gr~best) sowie für die Wortbildung (wurf- würfel, bachen "backen" -b~cke "Bäkker") von Bedeutung. Im Alem., Schwäb. und Md. wird a a.uch durch folgendes Bch zu ä palatalisiert (asche - alem. äsche, tasche - alem. täsche). Umlautstörungen
§ 25. Die gleichmäßige Durchführung des Umlauts wurde durch bestimmte Konsonanten und Konsonantengruppen verhindert und durch Systemzwang gestört. Der alte Umlaut von a > ~ wurde durch ht, hs, rund l + Velar oder Labial verhindert, und das a wurde erst durch jüngeren Sekundärumlaut zu ä palatalisiert. Deshalb steht vor diesen Konsonanten mhd. meist ä statt ~: mähte "Mächte", wähset "wächst", värwen "färben", pfärit .,Pferd". Auch vor iu der Folgesilbe und bei Neubildungen tritt Sekundärumlaut auf: älliu "alle", zämen, ahd. zam6n "zähmen". Häufig unterblieben oder nicht bezeichnet ist der Umlaut von u vor gedecktem Nasal (jungeste "jüngste"), vor ge. deckter Liquida (hulde, ahd. huldt "Huld"), vor Guttural (kuchen neben küchen, lat. coquina "Küche") und vor tz, 33, st (nutze neben nütze, schu3.3e neben schüne, bruste neben brüste). Das gleiche gilt für den durch j der Folgesilbe bewirkten Umlaut (dunken neben dünken; rugge, rucke neben rücke "Rücken"), doch störte vor jauch pf di~ Durchführung des Umlauts (slupfen neben sZüpfen). Im Md. ist der Umlaut von und dem hier als t1 erscheinenden UD häufig unterblieben, doch fehlt er nicht gänzlich. Im Obd. unterblieb der Umlaut von t1 und UD nur vor m häufiger (rumen " räumen "), während er vor anderen Lauten stehen oder fehlen kann (üeben neben uoben, rüefen neben ruofen). Der Umlaut von 6 wird oft nicht bezeichnet, unterblieb aber auch in der gesprocheJJen Rede, wie Reime wie sch6ne : kr6ne zeigen; geh6rt wird häufig zu wort gereimt.
u
46
Lautlehre
Der Umlaut von ou wird nur selten durchgeführt; vor Labialen und Velaren unterbleibt er im Obd. stets: houbet, gelouben, sougen usw. sind weitaus häufiger als Mubet, gelöaben, säugen usw. Der Umlaut von iu unterblieb meist vor w, r und wohl auch g (niuwe "neu", stiure "Steuer", urliuge "Krieg"). !,(Ol..i 'In. q-lA,I(?N Wechsel von ß - ei und ß -
011.
§ 26. Germ. ai wurde zu ei, aber vor h, w, r, im Auslaut und in unbetonter Silbe zu e. Daher rührt der Wechsel von ei und e bei mere "mehr" - meist "meist", spe "spie", gedech "gedieh" - beleip "blieb", neic "neigte". Doppelformen hat bede - beide "beide"; wenec gehört zu weinen. Germ. au wurde zu ou, aber vor d, t, z, Ö, s, n, r, 1, vor germ. h, im Auslaut und in unbetonten Silben zu o. Daher rührt der Wechsel von ou und 0 in drouwe - dro "Drohung", bouc "bog", krouch "kroch", schoup "schob" - sot "sott", verlOs "verlor", zoch "zog". Wechsel zwischen la.ngem und kurzem Vokal
§ 27. Im Mhd. bestehen einzelne Formen mit langem und kurzem Vokal nebeneinander. Es handelt sich dabei zuweilen um Kürzung langer Vokale (-lieh und -rich aus -lEch und -rfch), mitunter um Dehnung (in aus in), gelegentlich auch um verschiedene Bildungsweise (rUer neben riter, snfder neben sniter). b) Konsonanten
IX) Das VerhäUnis zu den ahd. und urgerm. Konsonanten
Für die Konsonanten ist der Wortakzent und die Satzbetonung von geringerer Bedeutung als für die Vokale; s. aber § 36. 1. Die Halbvokale i und w § 28. Am Wortanfang entspricht mhd. j dem ahd. j, ur· germ. i: got. juk, ahd. joh, mhd. joch "Joch". In Lehnwörtern aus dem Lat. steht es zuweilen für g: geneö (neben
Konsonantismus
47
jene3) für genetium. Als Übergangslaut zwischen Vokalen ist es im Alem. häufig, anderwärts seltener (Wiejen, blüejen neben Wien, blüen). Im Anlaut vor i wurde j zu g: er giht (Inf. jehen "sagen"), gist, girt (Inf. jesen, daneben durch Anglei. chung gesen "gären"). Im Inlaut wurdej nach i zu g (eiger, Gen. PI. zu ei "Ei") und nach r und l, wenn diesen ein kurzer Vokal voranging (scherge "Scherge", lilge "Lilie"). Mhd. w entspricht im An· und Inlaut meist ahd. w (uu) und germ. !/, z. B. waööer "Wasser", swester "Schwester", im Anlaut auch ahd. hw, got. Iv, z. B.. wer, ahd. hwer > wer, got. Ivas. Zwischen Vokalen erscheint wals Übergangslaut wie im Ahd. (bUwen "bauen"). Die Verbindung ·uw· setzt die ältere Geminata fort, die entweder- westgerm. Entste. hung ist (z. B. ouwe ",Aue", niuwe "neu") oder schon im Urgerm. bestand (*ble!/ana. > *ble!/lJana. > got. bliggwan, ahd. bliuwan, mhd. bliuwen "schlagen, bläuen", ebenso schouwen "schauen"). Im Silbenauslaut wurde uw zu u, z. B. tou "Tau" (aber Gen. touwes), triu·Uch "treulich" (aber triuwe "Treue"). Reines w im Silbenauslaut schwand durch Kontraktion mit dflm vorangehenden Vokal ((Ira, ahd. Iro > *Irao, Stamm *Iraw-; stro, ahd. stro > *strao, Stamm *straw·; sne, Gen. snewes). Nach Konsonanten wurde w zu e abgeschwächt oder abgestoßen, besonders hinter rund 1nach kurzem Vokal: schate "Schatten", Gen. schat(e)wes, Dat. schat(e)we, ahd. seato; lal "fahl", Gen. falwes, ahd. lalo. Anlautendes kw wird in manchen Gebieten zu k, wobei das w mit folgendem e, i, f zu ö, ü, iu verschmilzt. Daher erklären sich die Doppelformen quec "lebendig" - köc, erquicken "zum Leben erwecken" - erkücken, qutt (aus quidit "sagt, bedeutet") - kiut. Ebenso wird qua. zu ko- und quazu ko- (alem. ka· und kd-), z. B. quarter "Herde" - korter, qudt "Kot" - kot. 2. Die Liquida.e Z und r § 29. Mhd. 1setzt im An· und Inlaut ahd ..urgerm. 1fort (ligen "liegen", kil "Keil"), im Anlaut auch urgerm. wl, das schon ahd. zu 1geworden war (got. wlits, mhd. ant-litze "Antlitz"), sowie h~ das während des 9. Jahrhunderts das h ver·
48
Lautlehre
lor (ahd. hlllt, mhd. ltlt "laut"). Gelegentlich steht im Mhd. l nach langem Vokal und im Auslaut für westgerm. ·ll· (teilen "teilen"). Zwischen mund r wurde im (Nord. und) Westgerm. beingeschoben; got. timrjan, ahd. zimbaron, mhd. zimbern "bauen, zimmern". Mhd. -ll- setzt ahd.-urgerm. -ll- fort (wallen "umherstreifen"), ferner auch ahd. -ll-, das aus westgerm ·lU- < urgerm -Li- entstanden ist (z. B. helle "Hölle", got. halja, an. hel, Gen. heljar, &Sä. hellia, ags. hell, hyll, ahd. hella). Auoh duroh Assimilation konnte mhd. ·llentstehen: guotUch > guollich "gütlich", zwineline > zwilUne "Zwilling" zu ahd. zwinal "Zwilling". Mhd. r setzt im An- und Inlaut ahd.-urgerm. r fort (rede, • ahd. reda "Rede", herze, ahd. herza "Herz"), im Inlaut auoh ahd. r, das aus urgerm. z entstanden ist (m~r "mehr", gote mais, kort "Hort", got. huzd). Ferner setzt mhd. r jenes ahd. r fort, das aus urgerm. Tj nach langem Vokal entstanden ist (swrere, ahd. swari "sohwer"), und ahd. raus urgerm. zj nach langem Vokal (hreren "hören", got. hausjan). Im Anlaut vertritt r das urgerm. hr, das auch im frühen Ahd. nooh ' erhalten ist (ahd.hrind, mhd. rint "Rind"), sowie auch urgerm. wr, von dem das Ahd. noch Spuren hat, die sich im Rip. bis in die mhd. Zeit erhielten (wrechen, rechen "rächen", got. wrikan, an. reka aus vreka, ags. wrecan, asä. wrekan; wrwen, rwen "reiben", an. rila, mnd. wrtllen). Mhd. rr setzt ahd. rr fort, das aus Verbindung von r mit einem anderen Konsonanten entstanden iet, zumal aus rn, rs und rio Got. statrnij setzt sich einerseits in ahd. sterna, nhd. Stern fort, anderseits in ahd. sterro, mhd. sterre; daneben ist auch mhd. sterne durch den Reim sterne: verne: gerne gesichert. Auf -rz- geht mhd. irre zurück: got. atrzeis, &Sä. ahd. irri. Mhd. nerren (neben häufigerem nern "am Leben erhalten, retten") setzt ahd. nerren (neben neren, nerjan) fort, dem got. nasjan vorausgeht. Durch sekundäres Zusammentreffen entstand rr in ahd. Zeit in herre, ahd. h2r(i)ro "Herr". Im Silben auslaut fiel r nach langem Vokal ab (da aus dar), während es vor Vokal erhalten blieb und zur folgenden Silbe gezogen wurde (hierinne) .
I 1
Konsonantismus
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3. Die Nasale m, n, ng
§ 30. Mhd. m setzt abd.-urgerm. m fort (man "Mann", ahd. man; nemen "nehmen", ahd neman, got. niman, buosem "Busen", ahd. puosum), ferner ahd. maus urgerm. mm (got. Dat.pamma, ahd. demo, mhd. deme "dem") und abd. m aus westgerm. mm (ahd. summan und suman, mhd . .~umen "verzögern, llÖ.umen", ahd. rumman, ruman, mhd. rumen "räumen·'). Mhd. mm setzt ahd. mm fort, dem urgerm. mm, mi, mmj oder mn entspricht. Urgerm. mm liegt mhd. swimmen, ahd. suuimman "sohwimmen" zugrunde; urgerm. mi mhd. premmen, prümmen, /rumman "frommen"; urgerm. mmj mhd. temmer, "mit einem Damm umgeben", got./aurdammjan "eindämmen, verwehren"; urgerm. mn mhd. stimme "Stimme", daneben auch noch mhd. stimne (MIrk. Legendar). Das dentale mhd. n gebt auf ahd.-urgerm. n zurück (mhd. naht, ahd. naht "Nacht", mhd. hane, ahd. hano "Hahn"), im Anlaut auch auf ahd.-urgerm. hn (mhd. nfgen, ahd. hnigan "neigen"). Im Auslaut hatte das Abd. öfters m, das mhd. zu n wurde (z. B. im Dat. Pl.). Mhd. nn setzt ahd. nn fort, das auf urgerm. nn, ni, nni zurückgebt. Auf urgenn. nn geht mhd. minner zurück, got. minniza, ahd. minniro (Komp. ohne Pos., minor, minus); auf ni mhd. künne "Geschlecht", got. kuni, ahd. chunni; auf nni mhd. bekennen (zu. got. kannjan "bekannt machen", abd. pichennan, asä. anlkennian). Durch As!limilation ist nn in phenni"c entstanden (ahd. phending, phantinc). Mhd. ng (r,), daR nur vor Gutturalen ersch~int, ist schon im Ahd. und Urgermanischen in derselben Stellung vorhanden (mhd. dinc, ahd. ding, as. und afries. thing "Ding", mhd. danc, got. panks, ahd. dank "Dank"). 4. Der Ha.uchlaut h
§ 31. Mbd. h entspricht ahd. h und urg~rm. h (x) im An- und Inla.ut vor Vokalen (got. ha/da", ahd haltan, mhd. hluten halten", got. /alhu, ahd. /ihu, mhd. pihe "Vieh"), ferner ahd. h, das urgerm. x,w in zwischen vokalischer Stellung 4 Eis, Mhd. Oramm.
Lautkhre
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fortsetzt (got. sailvan, ahd. sehan, mhd. sehen "sehen", got alva, ahd. aha, mhd. ahe "Wasser, Fluß") sowie das seltene vor u bewahrte hw (mhd. huoste "Husten, ahd. huosto und huosta, ag~. hwosta, in eng!. Mundarten whoost, schweiz. der wusten). Der Hauchlaut h ist aus der gutturalen Spirans
fortis (xJ vor Vokalen entstanden, die im Mhd. im Silbenauslaut und vor Konsonanten an Stelle von herscheint: hOher - hOch, geschehen - geschach. In manchen Gebieten schwand h vor e nach langem Vokal (pahen - pan "fangen"), was durch den Reimgebrauch erhärtet wird (naher: war,
h6her : kor). 5. Die Reibela.ute v, /, s, 3, seh, h, eh
§ 32. Als Lenis entspricht p dem ahd. I im Inlaut neben tönenden Lauten (mhd. nepe, ahd. nelo "Neffe", mhd. open, ahd. ofan "Ofen"); in unbetonter Silbe entspricht es ahd. f und f1, das aus p entstanden ist (mhd. PI. bischope, ahd. piscof
- episcopus). Mhd. f, das im Anlaut meist" geschrieben wird, entspricht im An- und Auslaut stets, im Inlaut neben Konsonanten dem ahd.-urgerm. f (got. frops, ahd. Iruot, mhd. pruot "wacker, verständig", ahd. frouwa, mhd. "rouwe, frouwe "Frau"). Vor l vertritt im (Nord- und) Westgerm. f ein urgerm. Pi got. pliuhan, ahd. fliohan, mhd. pliehen "fliehen". Mhd. ff setzt im Inlaut nach kurzem Vokal ahd. ff fort, das aus urgerm. p entstanden ist (as. opan, ahd. offan, mhd. offen "offen"). Mhd. sentspricht ahd.-urgerm. s (got. sibun, ahd. sibun, mhd. siben "sieben", got. lustus, ahd. lust, :rnhd. lust "Lust"), im Auslaut ahd. s, das urgerm. ss fortsetzt (an. piss, ahd. giwis, mhd. gewis "gewiß"). In einigen Wörtern setzt mhd. s germ. hs fort, z. B. got. maihstus, ags. meohx, ahd. mist, mhd. mist "Mist" ,got. taihswo, ahd. zeswa, mhd. zeswe "rechts". Vor t wurde 3 oder 33 + s zu s: ahd. sazta, mhd. sa3te > saste "setzte", ahd. beuisto, mhd. beste "beste", ahd. le33isto, mhd. leste "letzte". ss, das nur inlautend nach kurzem Vokal vorkommt, setzt ahd.-urgerm. ss fort, z. B. got. missadeds, ahd. missatat, mhd. missetat "Missetat", ahd. missan, mhd. missen
Konsonantismus
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"missen"; andere ss sind westgerm. durch Gemination vor j entstanden, wie ahd. chnussan, ags cnyssan, mhd. 'knüssen "zerstoßen". Lehnwörter aus dem Romanischen sind mhd. grosse" Groschen" (lat. grossus), mhd. küssen "Kissen" (miat. cussinus). Durch Zusammensetzung entstand ss, z. B. in halsslac "Halsschlag" . Mhd. 3 geht auf ahd. 3 zurück, das aus urgerm. t entstanden ist. Es kommt im Inlaut nur nach langen Vokalen, im Auslaut auch nach kurzen vor; aso fliotan, ahd. flioJan, mhd. "ZieJen "fließen", got. fötus, ahd. fuo3, mhd. "uo3 "Fuß", got *batis, ags. bel, aso bat und bet, ahd. pa3, mhd. ba5 "besser". Im Inla.ut nach kurzem Vokal wurde urgerm. tim Ahd.Mhd. zu J3: got. itan, ahd. eJJan, mhd. e3Jen "essen". Mhd. sch geht auf ahd.-urgerm. sk zurück; got. skip, ahd. skif, mbd. sehif "Schiff", got. gaskapjan, ahd. skepphen, skephen, mhd. schephen "schaffen, schöpfen". Vor Konsonant schwand zuweilen das k der Lautgruppe sk, wurde aber mitunter durch Systemzwang wieder hergestellt (ahd. Prät. mista aus misela, mhd. misehete "mischte"). Der mhd. Reibelaut h (eh) geht nach Z und r, vor t und imAuslaut auf ahd. h, eh zurück, das aus urgerm. X oder Xli entstanden ist; got. filhan, ahd. pifelahan, mhd. be"elhen· "anvertrauen", ahd. marah, mhd. march "Mähre, Pferd". Im In- und Auslaut, vor Vokalen und Konsonanten, entspricht mhd. eh einem urgerm. k, das schon im Ahd. zu hh oder ch geworden war; got. siuks, ahd. sioh, mhd. siech "krank", got. siukei, ahd. siuhhi, mhd. siuehe "Seuche, Krankheit". Auch in alten Lehnwörtern wurde k zu ch, z. B. lat. tunieare, mhd. tünchen "tünchen". Auslautendes eh konnte nach r schwinden, wenn Zusammensetzung mit einem konsonantisch anlautenden Wort erfolgte (kirmesse für kirehmesse, kirwfhe für kirehwihe). In Mundarten schwand auslautendes eh vielfach auch nach langem Vokal (ahd. lOch, mhd. lO" Gehölz", ga für gach "jäh, plötzlich"). Auch für ahd. hh, ch, dem westgerm. XX vor j der Folgesilbe entspricht, steht im Mhd. ch (got. hlahjan, ahd. hlahhan, mhd.lachen "lachen", ahd. rohhOn "grunzen", mhd. rücheln, riiheln "wiehern"). 4·
..,.-.,-.
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Lautlehre
6. Die Versohlußlaute und Affrioatae
§ 33. Mhd. b setzt das aus urgerm. & entstandene ahd. b fort; got. balran, ahd. beran, mhd. bern "tragen", got. bindan, ahd. bintan, mhd. binden "binden". Mhd. b hinter m setzt ahd.-urgerm. b fort (ahd. wamba, ags. wamb, mhd. warnbe "Bauch"), ferner auch p in Lehnwörtern, die in ahd. Zeit aus dem Lat. eingedeutscht wurden (lat. pirus, ahd. pira, bira, mhd. bir "Dirne", lat. papa, spätahd. blihes, mhd. blihes "Papst"). Mhd. M, das mit pp wechselt, entspricht ahd. bb und pp, das auf urgerm. &j zurückgeht, westgerm. bbjj got. sibja, ahd. sippia, sippa, mhd. sibbe, sippe "verwandt, Verwandtschaft" . Infolge der zweiten Lautverschiebung, die p zu I. ff oder pi wandelte, konnte sich p nur in der Verbindung sp ins Mhd. fortsetzen, z. ß. got. speiwan, ahd. spfwan, mhd. spEwen "speien",spil"Spiel". Im übrigen findet sich p in Lehnwörtern, die nach der hd. Lautverschiebung aufgenommen wurden, wie paradi.'1, predigen (daneben bredigen), tempel; aus dem Nd. entlehnt ist wapen, das aus dem brabantischen Grenzgebiet in die obd. DichtersprachE' eindrang, aber wafen nicht zum Verschwinden bringen konnte. In gumpen "hüpfen, springen", gumpelman (- ioculator), wimpel "Kopfbinde, Fähnlein" sind die p nicht' sicher erklärt. Mhd. d entspricht ahd. d, dh, th, urgerm. p: got. pahö, ahd. daM, mhd. dlihe "Ton, Lehm", got.par, ahd. dar, tMr, mhd. da "da". Im Silben anlaut nach n setzt mhd. d das urgerm. d fort (Prät.-Endung *-ida, mhd. wande "wähnte", under "unter") sowie ahd. t aus dt und U (got. sandida, ahd. santa, bei Isidor sendida, mhd. sande neben sante "sandte"). Mhd. t setzt ahd. t fort, das vor I' urgerm. t (ahd. triuuua, mhd. triuwe "Treue") und sonst meist urgerm. iJ entspricht (got. ladar, an. fader, ahd. laler, mhd. pater "Vater"). Nach langen Silben, bp.i dener. ahd. t und U (westgerm. U, urgerm. t) steht, hot das llhd. t (got. hlütrs, as. hluttar, ahd. hlütar und hluttar, mhd. luter "lauter"). Auch das auf urgerm. iJ zurückgehende ahd. tt nach langer Silbe erscheint mhd. als t (an. lewa, as. ledian, ahd. leiuan, mhd. leiten "leiten"). Vor w
KonsonanliamUB
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erscheint ahd. d (aus urgerm. p) im Mhd. als t (ahd. dwiril, mhd. twirZ " Quirl"). Mhd. tt setzt ahd. tt fort, das verschiedenen Ursprungs ist. Urgerm t, westgerm. tt liegt in bitter "bitter" zugrunde, urgerm. 4j, westgerm. ddi in bette "Bett", urgerm. U in zotte "Wollknäuel", westgerm. pp in "ettaeh "Fittich" • Mhd. g setzt nach n ahd.-urgerm. g fort; got. laggs, an. langr, ahd. lang, mhd. lanc, flekt. langer. Ahd. g a11:3 urgerm. gT,l liegt vor in got. aggwus, ahd. engi, mhd. enge "enge", got. siggwan, ahd. singan, mhd. singen "singen". Im übrigen entspricht '1lhd. g dem urgerm. g (an. "agn, ags. wlBgn, ahd. wa. gan, mhd. wagen "Wagen"). In Fremdwörtern steht g zu· weilen für e (gerner, gärner neben kerner, karnrere "Beinhaus" aus lat. carnarium, gugule neben kugel, kogel aus lat. cueulla). Mhd. gg steht im Wechsel mit kk und bezeichnet die westgenn. Gemination vor j (rügge, rücke "Rücken", mügge, mücke "Mücke") und die seltenere Gemination vor n (rogge, rocke "Roggen"). Mhd. k, das zuweilen e geschrieben wird, kommt'im Anlaut und na.ch l, r, n vor. Es entspricht ahd.-urgenn. k (got. kalds, ahd.-mhd. kalt "kalt", got. drigkan, ahd. trinkan, mhd. trinken "trinken") oder urgerm. kT,l (got. qiman, ahd. koman, mhd. komen "kommen"). In Lehnwörtern steht es für k (e), 2<. B. keiser < Caesar. Mhd. pf (ph) setzt ahd. pf fort, das aus urgerm. p entstanden ist (got. paida, ahd. pfeit, mhd. pheit "hemdähnliches Kleidungsstück"); auch ahd. pf, das auf älteres genn. pp vor r oder I (lat. euprum, vorahd. kuppar, ahd. kuphar, mhd. kupfer "Kupfer", ahd. aphul, mhd. apfel "Apfel") und westgerm. ppi aus urgerm. pi zurückgeht (got. skapjan, as. skeppian, ahd. skepfen, mhd. sehepfen "schaffen, schöpfen"). In Lehnwörtern setzt mhd.-ahd. pflat. pfort (ophern < operare, pfropfen< propagare). Mhd. zentspricht ahd. z, dM verschiedenen Ursprungs ist. Urgenn. t liegt vor in got. twai, ahd.-mhd. zw~ne "zwei", got. salt, ahd.-mhd. salz "Salz", got. halrtö, ahd. herza, mhd. herze "Herz"; urgerm. tt in got. skatts, ahd. skaz "Geld.
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Lautlehre
stück", mhd. schaz "Schatz"; westgerm. Ui, urgerm. ti in got. waltjan, ahd.-mhd. weIzen "wälzen". In Lehnwörtern entsprioht mhd. z lat. t (münze< moneta). Mhd. '0 entsprioht ahd. zz, das auf urgerm. tt (schatoe8 "Schatzes") oder westgerm. tti, urgerm. tj zurückgeht (got. satjan, 88. settian, nhd. sezzan, mhd. setoen "setzen").
ß) Geregelter Konsonantenwechsel Auch der Konsonantismus zeigt im Mhd. b"i verwandten Wörtern manoherlei Weohsel, der aus zeitlioh vorausliegenden Lautwandlungen zu erklären ist. Deshalb ist die Kenntnis einiger vormhd. Vorgänge erforderlioh. 1. Die erste Lautversohiebung
§ 35. Duroh die erste oder germ. Lautversohiebung löste sich das Germ. aus dem Idg. heraus. Es wurden sämtliohe idg. Versohlußlaute verändert, wobei die Palatalen und Velaren zusammenfielen. Die idg. Mediae wurden im Germ. zu Tenues; die Tenues und Tenues aspiratae zu stimmlosen Spiranten; die Mediae aspiratae wurden zu stimmhaften Spiranten. Die Verschiebung von p, k, k, kh, 1M unterblieb nach s: lat. spup, ahd. sptwan, mhd. splen "speien"; lat. scabö "kratze", ahd. scaban, mhd. schaben "schaben"; gr. aXr4 "Sohatten", ahd. skfnan, mhd. schtnen "scheinen"; ai. khidati "er zerreißt", ahd. skeidan, mhd. scheiden, "soheiden" . Die Verschiebung von t unterblieb nach s, p und den k-Lauten: gr. &aTI;p, ahd. sterno, mhd. sterre "Stern"; lat. captus, ahd.-mhd. haft "gefangen"; lat. octo, ahd. ahto, ahd. ahte "acht". Diese idg. p und t blieben bis ins Mhd. unverändert, da sie auoh durch die zweite Lautverschiebung nicht betroffen wurden. Dagegen wurde das nooh im Ahd. erhaltene k beim Übergang zum Mhd. mit dem vorangehenden s zu sch. Eine andere noch im Mhd. naohwirkende Ausnahme der germ. Lautversohiebung erklärt Verners Gesetz. 2. Verners Gesetz
§ 36. Im Mhd. wechseln häufig hund g, d und t,
I und b
in zusammengehörigen Wörtern und Formen. Man nennt
Konsonantismus
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diese Erscheinung (die in allen germ. Sprachen vorhanden ist) "gra.nunatischen Wechsel". Er bestand schon im Urgerm., wo die stimmlosen Spiranten I,p, X, X' mit den stimmhaften Spiranten li, il, g, gW wechseln. In gleicher Weise wechselt das urgerm. stimmlose s mit dem stimmhaften z; dies setzt sich in dem mhd. Wechsel von s und r fort. Verners Erklärung dieser Erscheinung lautet: Die urgerm. stimmlosen Spiranten wurden stimmhaft, wenn der Wortton (der im Urgerm. wie im Idg. frei war) nicht auf dem unmittelbar vorausgehenden Vokal lag. Die zufolge diese Regel aus den stimmlosen Spiranten entstandenen stimm· haften Spiranten fielen mit jenen stimmhaften Spiranten zu sammen, welche aus den idg. Mediae aspiratae hervorgegangen waren. Duroh Ausgleich konnte der Wechsel von stimmlosen mit stimmhaften Konsonanten beseitigt werden, was besonders im Got. der Fall ist. Im Mhd. ist die Wirkung des Vemerschen Gesetzes besonders beim starken Verbum zu beobaohten. Infolge der versohiedenen Betonung hatte im Urgerm. das Präs. und der Sing. Prät. den stimmlosen Reibela.ut, der PIur. Prät. und das Part. Perf. den stimmhaften. Im Mhd. erscheinen dafür die lautgesetzlioh entsprechenden stimmlosen und stimmhaften Versohlußlaute, bzw. s und r. Weohsel k - g: ztke, zeck - zigen, gezigen "zeihen" ; ziuke, zock - zugen, gezogen "ziehen" . Nomina: sweker "Schwiegervater" - swager " Schwiegervater, Schwager"; zek-en "zehn" - zwein-zec "zwanzig". Wechsel d - t: sntde (in sneit steht' des Ausla,uts wegen) - sniteT/., gesniten "schneiden"; siude (sot) - suten, gesoten "sieden". Nomina: tidem - titem "Atem"; sntde "Sohneide" - snite "Sohnitt". Wechsel I - b: ke"en (daneben heben) - kuoben, gehaben "heben; hier geben Nomina zahlreichere Beispiele: welel "Einschlag beim Gewebe" - gewebe "Gewebe"; kof "Hof" hö"isck "höfisch, hübsch"; ick bedarf "brauche" - biderbe "bieder, tüchtig"; unzifer - ungezibere "Ungeziefer" u. a.
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Lautlehre
Wechsel s - r: rise, reis - rirn, gerirn (daneben risen, ge· risen.) "niederfallen": kiuse, Ms - kum, gekorn "wählen". Nomina: kür "Wahl" - kUSl "Eigenschaft": nar "Nahrung" - geniat "Erhaltung, Errettung": mere "mehr" - meist "meist". 3. Doppelkonsonanten § 37. Die mhd. Doppelkonsonanten (lange Konsonanten) sind verschiedenen Alters. Sie gehen zum kleineren Teil auf urgerm., zum größe rn Teil auf westgenn. Geminaten zurück. Häufig wechseln in verwandten Wörtern und Formen einfache mit geminierten Konsonanten. Durch die zweite Lautverschiebung wurden beide verschieden fortentwickelt. Vom MIld. her kann nicht stets erkannt werden, ob urgenn. oder westgerm. Gemination zugrunde liegt. Da die letztere am häufigsten durch ein folgendes i verursacht wurde, wurde oft zugleich auch Umlaut bewirkt. Urgerm. Wechsel zwischen einfachem und Doppelkonsonant liegt z. B. folgenden mhd. Wörtern zugrunde: nrgm "neigen" - "icken "nicken"; zige "Ziege" - zickeltn .,Zick. lein"; glat "glatt" - glatz "Glatze"; rou.fen "raufen" rupfen "rupfen"; stß3 "Stoß" - stützen "stützcn". Die westgerm. Gemination wurde meist durch folgendes i, seltener durch folgendes w, r, I, n, m verursacht. Vor i: got. bidjan, 88. biddiaft, II.hd. biuen, mhd. bitten "bitten"; got. satjan, as. seUian, ahd. sezzen, mhd. setzen "setzan". Vor r: got. Mütrs. M. hluttar, ahd. hlüttar, mhd. lllter "lauter"; got. akrs, M. akkar, ahd. ackar, mhd. acker "Acker". Vor I: an. epli. ags. mppel, ahd. aphul, nlld. apfel "Apfel". Vor w: got. aqizi (q - kw), ahd. occhus, mhd. acke.s "Axt". Gemination vor n dürfte in den n-Stämmen vorliegen, z. B. urgerm. *stik-n-, ahd. stecko, mhd. stecke "Stecken, Knüttel". Über die umstrittene Konsonantengemination vor Nasal s. Wilman.ns Dt. Gramm. Ja § 242. Im Mhd. setzen sich Formen mit und ohne Gcmination fort, z. B. hall. "Hahn" - henne "Henne"; hein "hehlen" helle "Hölle"; sal "Saal" - geselle" Geselle, Saalgenosse".
KonsonanlismUII
5'1
Nach der zweiten Lautverschiebung zeigen die nichtgemiDierten Formen g, b, d, ch, f(f), 3(S), die geminierten ck, pp, tt, ck, pi, tz. Ohne Gemination:
Mit Gemination:
hecke, hegge "Hecke"; manslecke "Mörder (= Mannschläger)" stoup, stoubes "Staub"; we- stüppe "Staub"; weppe "Gewebe" ben "weben" smitte "Schmiede" smit, smides "Schmied" wachm "wachen" (got. wa- wecken "wecken" (got. wakkan) jan, westgerm. *wakkjan) schaffen "schaffen"; kaffen schepten "schöpfen"; kapten "gaffon" "gaffen" nal "naß", m.e.3.3en "messen" netzen "netzen"; metze "Metze" Im Präs. der Verba, die in der 1. Pers. Sing. j, in der 2. und 3. i hatten, trat in der 1. Pers. Gemination ein, in der 2. und 3. nicht. Lat. eapjo ergibt, in ahd. Lautstand umgesetzt, hellen; eapis, capit ergibt he,'is, he"it, rnf. he"en. Sowohl ff aus der 1. Sing. als auch" aus der 2. 3. Sing. wurde über das ganze Präs. verallgemeinert. Ebenso entstanden die mhd. Doppelformen zeln - zellen "zählen", queln. - qltellen "quälen", denen - dennen "dehnen", menen - mennen "treiben", biten - bitten "bitten". Die einfachen Formen waren verbreiteter, die geminierten galten besonders im A1em. hae, hages "Hag"; stac, slages "Schlag"
Im Auslaut schreiben die Handschriften in der Regel einfachen Konsonanten, während im Wortinnem Gemins.ta steht: stal - stalle, "Stalle", schil - schilfes "Schiff", ,wam - ,wimmen "schwimmen", boc - bockes "Bock". 4. Die zweite Lautverschiebung
a,
Die stimmha.ften Spimnten lj, {J wurdeo"'in bestimmten Stel. lungen bereits gemeingermanisch zu b, d, g. Im Westgenn. tritt diese Neigung noch Ruirker hervor (nur das Aga. bewahrte Q). a wurde in allen Stellungen zu d; lj und {J wurden im Anlaut, na.ch Na.sal und in der Gemina.tion zu b und g. pwurde frühahd. zu d und ging dann
58
Lautlehre
ebenfalls in d über; nur im Fränk. erhielt sich i1 (dh oder th geschrieben). h schwand im Anlaut vor Konsonant im Laufe des 9. Jahrhunderts. z wurde im (Nord- und) Westgerm. zu r. Das klassische Mhd. bat durchgehends b, d, g, r an Stelle von fj, il, g, z.
§ 38. Die zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung wurde in vorahd. Zeit (5. bis 7. Jahrh.) durchgeführt und war zu Beginn der ahd. Überlieferung im wesentlichen abgeschlossen. Das Mhd. ist für ihre Kenntnis von Wichtigkeit, weil in zahlreichen Gebieten, aus denen keine ahd. Denkmäler erhalten sind, die mhd. Quellen erstmals den Grad und die Art ihrer Wirkung zeigen. Die hd. Lautverschiebung führte im Süden die stärksten Veränderungen herbei; nach Norden zu nahm ihre Wirkungskraft stufenweise ab. Dies bietet ein Hilfsmittel für die Lokalisierung mhd. Denkmäler. Die zweite Lautverschiebung betrifft in der Hauptsache die stimmlosen Verschlußlaute p, t, k, weniger durchgreifend die stimmhaften Verschlußlaute b, d, g und die Reibelaute " und g. Die Reibelaute I und h wurden von ihr nicht berührt_ Germ. p wurde im Inlaut nach kurzem Vokal zu nach langem Vokal und im Auslaut zu I verschoben (aso skip, ahd. skil, skiffes, mhd. schil, schiffes "Schiff"). Im Anlaut sowie im In- oder Auslaut naoh Konsonant und in der Gemination wurde p zu pi: got. pund, ahd.-mhd. plunt "Pfund"; ags. gelimpan, ahd. galimplan, mhd. gelimplen "angemessen sein (machen)". Nach 1 und r wird pi beim Übergang des Ahd. zum Mhd. zu I: got. hilpan, ahd. helplan, mhd. hellen "helfen"; got. wairpan, ahd. werplan, mhd. werlen "werfen". t wurde im Inlaut nach kurzem Vokal zu 53 (as. etan, ahd. e53an, mhd. e53en "essen"); nach langem Vokal und im Auslaut wird im Mhd. 3 geschrieben (a5, ti5en "aß, aßen"); im Anlaut sowie im In- oder Auslaut nach Konsonant und in der Gemination wurde t zu z (tz), z. B. as. tiohan, ahd. ziohan, mhd. ziehen "ziehen", as. hel'ta, ahd. herza, mhd. herze "Herz". k blieb im Anlaut und nach l, r, nunverändert (got. kalds, ahd.-mhd. kalt "kalt"; got.-ahd. marka, mhd. marke" Grenze"). Auch kk (ck) wurde nicht verändert (got. *wrakja,
tt,
Konaonantismu8
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westgerm. *wrekkjo, ahd. reckio, mhd. recke "Vertriebener, Held"). Die Affrikata kch tritt nur in bestimmten Gebieten des Obd. auf. Dagegen wird im Inlaut und Auslaut nach Vokal k zu ch verschoben (got. brikan, ahd. brechan, brach, mhd. brechen, brach "brechen"). p, t, k wurden in den Verbindungen sp, st, sk, It, ht nicht verschoben. Die zweite Lautverschiebung ließ t auch vor r unverändert (got. triggws, ahd. gi-triuuui, mhd. triuwe "treu, Treue"). b und der im As. häufige Spirant 0 (", f) erscheinen im Mhd. als b. As. geoan, ahd. geban, mhd. geben "geben"; as. sel1io, sel"o, ahd. selbo, mhd. selbe "selbst"; as. gal, ahd. gab, mhd. gap "gab". Im Obd. erscheint vor 1000 häufig P statt b (kepan, selpo). Im Mittelfrk. erhielt sich der westgerm. Reibelaut (erge"en, sel"e). Statt bb erscheint im Ahd. und Mhd. oft pp (aso sibbia, ahd. sippa, mhd. sippe "Sippe"). d wird ahd.-mhd. t: as. waldan, ahd. waltan, mhd. walten "walten"; as. god, ahd.-mhd. got "Gott". Dem ags.-as. dd entspricht ahd.-mhd. tt: ags. biddan, ahd.-mhd. bitten "bitten, befehlen". Westgerm. a wurde zu d: as. thria, ahd. (Isidor) dhrt, später dri, mhd. dri "drei"; aso werdan, ahd. uuerdan, mhd. werden "werden". Im Mittelfrk. vollzog sich der Übergang von a zu d erst um 1000. pp oder aa wurde im Ahd. über dd zu tt: alld. (Isidor) lethdhahlta, später jeUah, mhd. "etach "Fittich"; ahd. smiththa > smidda > smitta, mhd. smitte "Schmiede". g und fI wurden zu g: ags. stfgan, ahd. sttgan, mhd. sttgen "steigen"; ags. beorfl, ahd. berg, mhd. berc, Dat. berge "Berg". Im Obd. erscheint vor 1000 häufig k für g (stfkan, perc). In md. Dialekten erhielt sich der Reibelaut. Die Gemination erscheint ahd. und mhd. häufig als ck: as. hruggi, ahd. (h)ruggi und (h)rucki, mhd. rügge und rücke "Rücken". 5. Ausla.ut
§ 39. Im Mhd. erscheinen auslautend p, t, c, I, ch an Stelle von inlautenden b, d, g, ", h: rat - rades "Rad", lip - lwes
"Leben, Leib", tac - tages "Tag", hol- ho"es "Hof", sach-
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Lautlehre
sehen "sehen". In kritischen Textausgaben wird diese Unterscheidung streng durchgeführt, in den Handschriften meist nicht. Es handelt sich um verschiedene Stufen der Artikulationsintensität. 6. Notkera Regel
§ 40. Naoh einer durch Notker von St. Gallen erkannten Regel stand im Ahd. am Wortanfang Fortis in stimmloser, Lenis in stimmhafter Naohbarschaft. Das hatte gewiß nur in Teilgebieten des Obd. und nur in vormhd. Zeit Geltung, doch erhielten sioh Spuren davon bis in spätere Zeit. In zusammengesetzten Eigennamen haben die Grundwörter -ben (-pen), -bald (-polt), -gart (-kart) nooh vielfaoh die der Notkersohen Regel entsprechende Verwendung, je nachdem das Bestimmungswort stimmhaft oder stimmlos endet. Stimmhafter Silbensohluß und Lcnisanlaut liegt vor in Adelbtrl, Wilibald, Amelgart; stimmloser Silbenschluß und Fortisanlaut in Liutpert, Luitpold, Liutkart. Auoh die Sohreibungen wiltprlfte (= Wildbraten), deste (aus des und de=diu zusammengesetzt), enkelten (= entkelten), ieclich (= ietgeltch) entsprechen der Regel. 7. Assimilation
§ 41. Assimilation ist die Angleichung oder Anähnlichung eines Lautes an einen benachbarten Laut. Viele mhd. Assimilationen wurden sohon imAhd. geschaffen (z. B. got.n.amnjan, ahd. nemnen, nemmen und nennen, mhd. nennen). Die häufigsten Assimilationen sind: 1. Der dentale Nasal n wurde vor Labialen zu dem labialen NaFal m, ohne n ganz zu verdrängen. unmaht - ummaht "unmöglioh, Machtlosigkeit", aneb03 - amb03 "Am boß", enhor - embor "in die Höhe". mb konnte zu mm assimiliert werden (umbe - umme "um"). Im Bair. wurde b-n in lebendec zu lemtig assimiliert. 2. Die Vorsilbe ent- assimiliert das t an folgende Versohlußlaute, so daß es entweder schwindet (vor Dentalen: endecken für entdecken) oder folgende Lenis in Fortis ver-
Konsonantismus
.\
t
I
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wandelt (enkürten für emgürten, emprechen für entbrechen "hervorbrechen, mangeln, freisprechen"). Daneben bleiben stets auch Formen ohne oder mit unvollständiger Assimi· lation in Verwendung. Die Lautgruppe entl· wird meist zu tmph (emphlihen, emphüeren, empharn neben enphdhen "empfangen", entläeren "entführen", entvarn "entfahren"). 3. Nach Nasalen wird t vielfach zu d (partielle Assimi· lation) : ahd. lantes, mhd. landes "Landes"; ahd. untar, mhd. under "unter"; ahd. hintar, mhd. hinder "hinter". Dem. entsprechend zeigt auch das Prät. der schwachen Verba d in diende, ande "ahnte" (gegenüber höne). Diese Assimilation reicht in die spitahd. Zeit zurück. Nach nn blieb t meist unverändert (brante zu brennen). In Lehnwörtern unter· blieb die Assimilation (tinte neben tinne, lat. tincta; bunt, lat. punctus). Das ursprünglich geminierte dt setzt sich meist in t fort, doch begegnen daneben auch Schreibungen mit Assimilation (sante neben sande). 4. Häufig erscheint hiLter I stimmhaftes d statt t, je. doch selten im Auslaut; schilt - schildes, kalt - kalden. Regel. mäßi~ steht d in dulden, meist auch in halden, waiden, valden, scheiden. Neben solde und wolde werden auch solle und wolle gebraucht. 5. Alte Assimilationen sind sterre (neben sterne), IIerre (neben IIerne) zwillinc (neben zwinelinc), fsen (neben fsern). 6. Assimilationen von a an folgendes s liegen in leste (ahd. leMisto "letzte"), beste (ahd. beJ3isto "be~te"), gra:ste (ahd. gro3isto "größte") usw. vor. 6. Vor I wurde in schwachen Verben sch zu s, besonders im Alem.: leschen -laste (ahd. lesken - las(k)ta "löschen"),
mischen - miste, wischen - wiste, wänschen - wunste. 8. Dissimilation
§ 42. Dissimilation ist die Abänderung eines La.utes, wenn der gleiche Laut in der Nähe vorkommt, wodurch die Aussprache erleichtert wird. Durch Dissimilation wurden zahlreiche Lehnwörter mit ·r·r· verändert, doch wurden auch die nichtdissimilierten Formen weiterhin gebraucht. prior-
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Lau.tlehre
priol, marmor - marmel, marter - martel, mörter - mörtel, murmern - murmeln, turter - turtei, morber - mulber, bilgrim (die Form mit r ist geschwunden, lat. peregrinus). Beseitigung von -1-1 zeigt pfeilei (lat. palliolum) > pfeller. 9. Ausstoßung von Konsonanten
§ 43. Unbetonte Artikel können ihr d verlieren und mit vorangehenden Präpositionen verschmelzen (ufen = uf den, zen = ze den). Das Personalpronomen du verliert d in der Anlehnung (tuostu = tuost du). Personalpronomina und da3 können miteinander und mit ist verschmelzen (Krasis): deist, auch dast = da3 ist, deir - da3 er. Durch Kon traktion verwindet häufig g, seltener b, 3: seit = saget, geseit = gesaget, bfhte = bigiht, git = gibet, Mn < haben, Mn < la3en. Viele Kontraktionen entstanden schon in ahd. Zeit. Der Schwund des g bei Kontraktionen beruht nach A. Heusler darauf, "daß durch die umgebenden Vokale die Artikulationsstelle des Konsona:nten so weit nach vorn verschoben wurde, daß der Zungenrucken den Gaumen nicht mehr erreichte; es entstand reduzierter Reibelaut, mit dem sich der Stimmton verband". In unbetonten Silben fiel häufig n vor Konsonanten aus
(ahd. kuning, mhd. künec "König"), doch blieben meist die n-haltigen Schreibungen daneben in Verwendung (pfennicpfenninc, teidigen - teidingen "gerichtlich verhandeln"). Das auslautende -n des Zeitworts kann vor wir fehlen (kome wir, suoche wir); besonders im Thür. und Ostfrk. fällt es regelmäßig ab. In unbetonter Silbe fällt häufig h vor taus, z. B. hint, hinte, hinet (aus hinaht "heute Nacht"). Die h-haltigen Formen bleiben daneben in Verwendung (eht - et "bloß, auch, doch", niht - niet, ambehte - ambet "Amt, Dienst"). Zwischen rund n schwand g in morne, doch besteht daneben morgen ( e) weiter ; Nebenformen zu morne sind mornen, mornent, mornet. Zwischenkonsonantisches t wird häufig ausgestoßen; lussam für lustsam begegnet schon im 12. Jahrhundert, später
d
Konsonantismus
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folgen geislich (neben geistlich), angesUch (neben angestlich "gefährlich, schrecklich, ängstlich"), masboum (neben mastboum "Mastbaum"). Wo nach Notkers Regel t einen Fortisanlaut bedingt hatte, bleibt dieser auch nach Wegfall des t bestehen: wilpr;;et (aus wiltpr;;ete), wilpan (aus w~ltpan "Wildhegung, Wildpark"), achp;;ere (aus achtp;;ere "achtungswert"). Der Schwund von r in alrest (daneben alrerst "alsbald"), bürgemeister (neben bürgermeister), köder (neben körder, qnerder "Köder"), palier (parlier, parler "Polier"), vodern (vordem) und der Schwund von 11. in eilant (einlant), /,serin (/,sernin), vernust (vernunst, daneben in manchen Mundarten (Jernuft - (Jernunft) ist durch Dissimilation zu erklären. Eine Art von Assimilation liegt bei Wachen. lfnlachen) vor; als Dissimilation ist Wachen aus Zichlacken aufzufassen. Ebenso erklärt sich dZick aus ricklick "reich, kostbar". Über Schwund von zwischen vokalischem j und w siehe § 54. 10. Konsonantenwecbsel vor t § 44. Der mhd. Wechsel zwischen Reibelaut und Verschlußlaut vor t hat in /'liner Erscheinung des Idg. seine Ursache. Wenn an einen mit einem stimmhaften gutturalen oder labialen Verscblußlaut ausgehenden Stamm eine mit t beginnende Endung trat, wurde der Verschlußlaut stimmlos (lat. rego, dagegen rectus). Der dentale Verschlußlaut, der mit dem hinzutretenden t den Geminaten tt oder dt bildete, setzt sich nicht in einem dentalen Reibelaut fort, sondern in ss oder (nach langer Silbe) in s, das später häufig zu st erweitert wurde. Wo im Mhd. nichtsdestoweniger die Verbindung von Verschlußlaut mit t erscheint, ist sie durch jüngere Zusammenrückung entstanden. So erklären sich mügen mokte, tragen - trakte "aufgetragene Speise, Fischzug", geben. - gift" Gabe", sckrwen - schrift, wi33en - wesse, wisse (weste, wiste), müe3en - muose (muoste).
«
11. Sonstige Veränderungen
§ 45. Auslautendes m wurde meist zu 11.; in unbetonten Silben setzte sich meist 11. gegenüber m durch. bodem-boden
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Lautlehre
"Boden", buosem - buosen "Busen", gadem - gaden "Haus, Gemach, Verschlag", "adem - "aden "Faden". Bei atem aten konnte sich die jüngere Form nicht durchsetzen. Zu turn wurde turm erst im Nhd. gebildet. In betonten Silben wurden die Formen mit n wieder beseitigt: hein - heim, ßhein - ßheim, ruon - ruom, nan - nam; nur "arn ging an Stelle von "arm "Farn" in die nhd. Schriftsprache über. Häufig ist ein unorgarnisches t an konsonantisohen Aus· laut getreten (Konsonantenepithese), besonders naoh n (wf. lent "vormals, längst", iergent, sintvluot) und nach s, seltener naoh r (palas > palast, bahes > btlbest, anderthalp). Wenn duroh Hinzutritt einer neuen Silbe ein ursprünglich den Wortsohluß bildendes eh zum Silbenanfang wird, tritt k an seine Stelle: "arch - "ärkel "Ferkel", dweh - dürkel "durohlöohert", march - Gen. markes (daneben marhes) "Pferd", nechein - kein. Infolge von Satzunbetontheit können Endsilben ganz wegfallen. TI!. Die Entwioklung der mhd. Laute Duroh die Entwioklung der Laute während der mhd. Epoohe wurde der nhd. Lautstand sohrittweise erreioht. Man. ehe Lautveränderungen treten in folge der historischen Ortho· graphie des Nhd. nicht augenfällig hervor (so ist 1•• B. ie im Mhd. Diphthong, im Nhd. i). Anderseits hat die nhd. Ortho· graphie noch bestehende Unterschiede, die das Mhd. in der Schrift kenntlioh machte (lane - lange), verwischt und ge. normt (Väter, mhd. "eter; ächten, mhd.a1hten; mächtig, mhd. mähtie). a) Vokale 1. Dehnung
§ 46. Die mhd. kurzen Vokale in offenen Tonsilben wur. den gedehnt. Der Beginn dieser Entwicklung fällt noch in die ahd. Zeit, sie erreiohte ihren Höhepunkt im 13. Jahr· hundert, in Oberdeutschland im 14. Jahrhundert. Die Deh· nung un\erbli.b nur im SUd&l.m. und .in.m Teil des Schwilb.,
j
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p'
Entwicklung der mhd. Vokale
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wo es noch heute betonte Kurzvokale in offenen Silben gibt. Ein Kriterium bieten Reime von etymologischer Kürze auf alte Längen bei formstrengen Dichtern. Die Dehnung wurde dadurch nahegeJegt, daß kurze, offene Ton. silben mit "schwachgeschnittenem Akzent" gesprochen wurden, d. h. der Vokal wurde mit kräftigem Ton begonnen und dann a.bgeschwächt. Wenn der Anlautkonsonant der folgenden Silbe den verklingenden Vokal a.bschneidet, entsteht der Eindruck der Länge, da vor dem kräftigen Einsatz des Konsonanten häufig eine Atempause eintritt.
a > ä: adel, tragen, wagen (currus, dagegen wagen audere) , waten, hase, name, laden, aber, "ane "Fahne", haben, schame. e > e: kleben, rebe, weben, leder, phlegen, segen, sehen, ge· schehen, nemen, lesen, wesen "sein", treten, beten. ~ > e: heben, edele, legen, wenen "froh maohen", jener, wel(e)n "wählen", wer(e)n "wehren". i > t: biber, biben "beben", wider, sider "seitdem, nach· her", nider, ligen, rise "Riese", wise "Wiese". o > Ö: obene, loben, boden, boge "Bogen", gelogen, "ogel(e), wonen, hose, ollen "Ofen CI. ö > 0: ölen "ölen", öler "Ölmüller", IIögelltn. u > ü:jugern, tugent,jude, bugen (Prät. "bogen"), mugen "mögen", buten (Prät. "boten"). Ü > 11.: künec, jüdel "Judenkind", mügen "mögen". Die Dehnung unterblieb häufig, besonders vor m und tj im Nhd. erscheinen in diesen Fällen Doppelkonsonanten: gate "Gatte", riten "ritten", zesamen "zusammen", komen "kommen", hamer "Hammer", himel "Himmel", sumer "Sommer", wider "Widder" (dagegen wurde wider "wider, wieder" gedehnt), doner "Donner", manec "manch" und "mannig.faltig" • Aus Formen mit offener Silbe wurde die Dehnung häufig auf einsilbige Formen (geschlossene Silben) übertragen, so. daß wie loben auch lop, wie rebe auch rebliute "Weinbauern", wie öler auch ölrfs und öl mit langem Vokal gesprochen wur. den. So wurden sal "Saal", stap "Stab" lang (nach Gen. sales, stabes), desgleichen zam, gewar, nam, lac, stec "Steg", lu "Glied, Gelenk", kil (caulis, aber kiel na"is), hol, tor I)
Eis, Mhd. Oramm.
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Laut/ehrp,
(porta, aber Wre stultus), sun "Sohn" usw. Diese Dehnungen erfolgen im Niederfrk. schon in der z·weiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (Heinrich von Veldeke). Sie breiteten sich im 13. und 14. Jahrhundert weiter aus, erfaBten aber nicht das ganze wem. Gebiet. Auch wurden nicht sämtliche Kürzen gedehnt. Auch bei Debn11Dg gesohlossener Silben ist schwaohgeschnitteuer Akzent wahrscheinlich. Die Dehnung geschlossener Silben trat besonders leioht dann ein, wenn der Auslaut durch mehrere Konsonanten gebildet wurde, die eine kleine SchaJlsilbe für sich a11BJl1&chen. Der "scharfgeschnittene" Akzent (d. i. Abschneiden des Vokals während seiner größten Intensität) kam im Mhd. gleichfalls vor_ Er wechselte je nach der Stellung im Satze mit dem schwachgesohnitteuen Akzent, so daß ein und dasselbe Wort in verschiedener Stellung bald den einen, bald den anderen Akzent haben konnte. Infolgedessen konnte jedes Wort aus seiner Verwend11Dg mit schwachgesohnitteuem Akzent zu dauernder Dehnung gelangen. •
Am frühesten fand die Dehnung nebentoniger Silben statt. Besonders häufig ist die Dehnung von -in bei movierten Feminina (z. ':8. kiinegEn < kunegin) und bei Eigennamen mit -win (ahd. wini "Freund"), wie OrtwEn, WolfwEn (daher die nhd. Familiennamen Trautwein, Siegwein u. a.). Nach Behaghel wurde die Dehnung der Eigennamen aus dem langgezogenen Ruf durch Verallgemeinerung herbeigeführt. Auch die mit -her (a.hd. heri) zusammengesetzten Na.men erfuhren häufig Dehnung, z. B. Gunth2r, GfselMr (jedoch im Nibelungenlied kun.). Umgekehrt wurde in den mit -g2r zusammengesetzten Namen der lange Vokal häufig gekürzt Rüedeger, Adelger, Herger neben Rüedeg2r, Adelg2r, Herg2r). Die Dehnung von lEcham(e), lfchnam(e) zu lEcMm, lEchndm ist seit dem 12. Jahrhundert zu belegen. Bei der Dehnung kurzer Vokale in einsilbigen Wörtern spielt der Silbenschluß eine Rolle. Sie tritt am häufigsten vor r, I und n auf. Dehnung vor r: ar "Aar", dar, wer, her "Heer", wir, ir, flor, für, ur-. In manchen Fällen kann Übertragung aus den obliquen Casus vorliegen, in denen der gedehnte Vokal in
r
Entwicklung der mhd. Vokale
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offener Silbe stand. Spuren der Dehnung finden sich schon bei Otfried. Im 13. Jahrhundert binden auch formstrenge Dichter alte Kürzen zu etymologischen Längen (jdr: dar, er : her, flor: Mr), doch können daraus keine sicheren Folgerungen gezogen werden, da die Dichter gegen quantitativ ungenaue Reime weniger empfindlich sind als gegen qualitativ unreine. Sicherer wird die Dehnung durch die bei bair. und alem. Dichtern auftretende Diphthongierung von i und u vor rerwiesen, die aus Schreibungen wie ie, i e, ü, ue abzulesen ist. Dehnung vor I: flil > viel, wol > wohl. Seit dem 13. J ahrhundert sind Reime -al: al und -il: -iel häufig (Riuwental: mal, iiberwal: gral, flil :fliel, flil: gefliel). Auch hier ist an Übertragung besonders aus dem Dativ zu denken (sal, spil, Dat. sale, spile). Dehnung vor n. Im Nib.-Lied ist der Reim an : -an über 400mal belegt; Wolfram reimt an, bran, dan, man, kan, gewan, fürspan, in, gewin, sun (: tuon) zu alter Länge. Während ban(e), swan(e), sun(e) durch Übertragung der Dehnung offener Silben erklärt werden können, beweisen die Dehnungen von wen, den u. a. die dehnende Wirkung des Nasals in geschlossenen Silben, doch hat sich bei an, in, hin, bin, flon die Kürze bis heute erhalten. hin kommt auch lang vor (grien "Kies": hin). Dehnung vor anderen Konsonanten. Nur in md. Gebieten und erst in der Spätzeit trat Dehnung auch vor andern Konsonanten ein, besonders vor t (mit :Stt Ebernand, got: not: tot) und ch (im Rip.-Mslfrk. sach = saich, geschach - geschaich). Hinsichtlich der Dehnungen vor mehrfacher Konsonanz gehen die Mundarten stark auseinander. Vor r + d, t, s, z wurden viele a und e gedehnt (art, flart, bart), doch setzten sich vor rz die Kürzen durch (arzt, quarz, scherz). i, 0, u blieben vor gedecktem r kurz (Hirsch, Hort, Gurt). Vor r + Labial, Guttural, Nasal und Liquida unterblieb die Dehnung; daher sind nhd. kurz: starb, herb, arg, Berg, Mark, Werk, Arm, fern, Kerl. Dehnung vor I + Konsonant kennt das Rip.-Mslfrk. goilt, hailt, soilt für golt, holt, solt. 5*
88
Lautlehre
Dehnung vor gedeoktem Nasal kommt in Westsohwaben, Österreich, Thüringen und Franken (Nasal + Versohlußlaut) und Lothringen vor (Nasal + Spirans). In einem Teil des Hess.-Thür. finden sioh Spuren von Diphthongierung des i vor gedeoktem Konsonant (gienc: dinc, pienc: rinc). Dehnung von a vor M lassen Reime wie braM: mahl, sla/zt : bedtlht vermuten. Im Rip.-Mslfrk. wird naicht, gelaicht für naht, gelacht geschrieben, auch reicht für reht. Für das Elsäss. ~t Dehnung von a, e, 0 vor ht wahrscheinlioh. 2. Kürzung
§ 47. Kürzung langer Vokale ist seltener. In dernhd.Sohrift-
sprache sind alte Längen vor Fortis im Silbenanlaut oft gekürzt. Viele mhd. a, te, e, a wurden in mehrsilbigen Wörtern vor Doppelkonsonanz gekürzt: dhte > Aoht (persecutio), klAfter > Klafter, drtehsler > Drechsler, hersen > herrschen, Urche > Lerche, hOrchen > horchen, hOchpart > Hoffart. Vor st unterblieb die Kürzung, weil das t zur nächsten Silbe gezogen wurde. Auch in einsilbigen Wörtern kommen Kürzungen vor Doppelkonsonanz vor: taht > Docht, geddht > gedacht (aber nicht vor st, daher Trost, Biest, Wust). Die Kürzung beginnt im Md. im 12. Jahrhundert. Hä.ufig sind Vokalkürzungen vor Reibelauten: walen, slalen, strafen, la3en, gena3, sM3, rache, schach "König im Schachspiel, Raub". "Winzer" (mhd. wtnzürl, winzer) wurde aus dem Niederalem., "dicht" (mhd. dthte) aus dem Nd. verallgemeinert. -Uch und -rtch wurden in unbetonter Stellung gekürzt (prmUch > fröhlich, Dietertch > Dietrich, aber geUch > gleich, tugentrich > tugendreich) . In Gegenden, wo mh~. t, tl, iu nicht diphthongiert wurden, konnten auch diese Laute verkürzt werden. priunt wurde zu prunt (Plur. prunde und pründe) verkürzt und reimt zu u und ü (priunt : stunt, priundes : mundes, priunde : künde). 3. Diphthongierung
§ 48. Die Diphthongierung von C, tl, iu zu ei, au, eu beginnt in Kärnten im 12. Jahrhundert (Millstätter Handschrift).
b
Entwicklung der mhd. Vokale
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t > ei. Am frühesten tauchen Reime f: ei < egi auf (geleit: zU). Um 1280 gewinnt ei das Übergewicht über f, Der neue Diphthong ei fiel nicht mit dem alten ei zusammen, das im bair.-österr. Schreibgebrauch durch ai bezeichnet wurde. Im Md. drang die Diphthongierung von , erst am Ende des Mittelalters durch, im äußersten Südwesten und im Nd. unterblieb sie völlig. Die Diphthongierung betrifft f in allen Stellungen: €sen> Eisen, bt > bei, billte> Beichte, gfge > Geige, g€sel > Geisel, nfgen > (sich) neigen (aber neigen transitiv), sUe > Seite (aber seite "Saite"), w€se > weise (aber weise Waise). Das Auftreten von ei in der Endung -ta, -Ie hängt nicht mit der bo.ir. Diphthongierung zusammen Es ist als Suffixumbildung oder als eine besondere lautliche Entwicklung zu erklären. Die Anfänge gehen ins Ahd. zurück (ahd. abba. teia, mhd. abeteie "Abtei"). Im Bair. wurde dieses ei wie altes ei zU ai. u > au. Im 12. Jahrhundert erscheint u als ou (hOs htis, trot - trat), seit dem Ende des 13. Jahrhunderts als au. Im Alem. und Nd. unterblieb die Diphthongierung u > ou (au). In der nhd. Schriftsprache fiel au < u mit au < ou zusammen, in den Mundarten nicht. bach > Bauch (aber buoM "Buch"), hat > Haut (aber huot "Hut, Mütze", huote "Hut, Behütung), mul > Maul, trUbe > Traube (aber truobe "trübe"), zun > Zaun. iu > öu (eu, äu). In der Frühzeit wird der Diphthong 0, später eu (seltener alU, öo) geschrieben; in umgekehrter Schreibung tritt auch iu für altes öu auf. Meist wird der neue Diphthong von altem öu geschieden. Im Schweiz. und Nd. unterblieb die Diphthongierung. diuten > deuten, miuse > Mäuse, IIriunt > Freund, ZiUM > zeuch. In Dialekten wurden auch 4, 6, tE, 8 diphthongisiert. Kennzeich. nend schwäb. ist die Zerdehnung von 4 zu äo, die seit dem 13. Ja.hr· hundert durch die Schreibungen;' und au gekennzeichnet wird (h:'t = Mt, ,8t = ,41, gaun ~ g4n). Die Zerdehnung von 0 zu ou in bair. Dialekten fand wohl gleichfalls im Mittelalter statt, wenngleich die vereinzelten Schreibungen 0, 11, 11 für 6 keinen sicheren Beweis dar·
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Lautlehre
stellen. Da aber N eidhart 0 nicht zu 0 reimt, während er andere lAngen unbedenklich zu Kürzen reimt, wird eine qualitative Veränderung des 0 erwiesen. In Augsburg wird im 14. Jahrhundert häufig ei für 6 geschrieben, was auf eine Diphthongierung sohließen läßt. Eine Zazikhoven-Handsohrift deutet eine Zerdehnung von man (Beilic = BlBlic, seilde = smlde). 4. Monophthongierung
§ 49. Die Monophthongierung von mhd. ie, 00, üe zu i, Ü, ging vom Md. aus. Die Anfänge dieser Entwicklung fallen ins 11. Jahrhundert. (J,
ie > t. Im. Nhd. ist meist die Schreibung ie beibehalten, doch hat e den Charakter eines Dehnungszeichens angenommen. diep > Dieb, kiel> Kiel (- na"is, dagegen kU > "Keil"), liet > Lied. Der neue Monophthong wurde im Hess. und Mfr. zu i< ige gereimt (lU: diet). Im Bair. nahm das aus ie entstandene f an der Diphthongierung zu ei teil. Im Westmd. tritt auch e für ie auf, in Straßburg auch ~, im Rip. auch ei (leil - Ziep, deLI - diep, nicht aber in offener Silbe, wo in der Regellie"e, die"e steht). Vor r, h, n + Konsonant wurde das aus ie entstandene f verkürzt: dieme > Dime, "iehte > Fichte, giene > ging. 00 > Ü. Der neue Langvokal fiel nicht völlig mit dem alten u zusammen, da Reime u: 00 gemieden wurden; nur im Auslaut sind die Dichter weniger empfindlich (zoo: nu, sehoo: du). Im Bair. nahm das neue u an der Diphthongierung zu DU, au teil. bloot > Blut, hoon > Huhn, rooder > Ruder, "ooge > Fug (Geschicklichkeit), "oor > fuhr. Häufig trat Kürzung zu u ein, z. B. stoont, mooter, groonmdt > Grummet, Uolrieh.
üe > 4. Der neue Trüblaut fiel nicht genau mit altem iu zusammen. büecher > Bücher, rüemen > rühmen, küele > Kühle, blüejen > blühen. Im Bair. trat später eine neuerliehe Diphthongierung (zu öi) ein. In geschlossener Silbe konnte 4 zu a verkürzt werden: niiehtern nüchtern, müeter Mütter, rüeoel > Rüssel.
Entwicklung der mhd. Vokale
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5. La.bia.lisierung
§ 50. Von den zahlreiohen LabiaIisierungen mhd. Vokale in den Mundarten haben manohe Anerkennung in der nhd.
Schriftsprache erlangt. Der Übergang Von ~ zu ö (nicht von e) beginnt im 13. Jahrhundert im Alem. und breitete sioh von dort weiter aus. sehepfen > sohöpfen, lesehen und löschen, zwelf und zwölf. Der Übergang fand nur in geschlossener Silbe und in der Nähe von seh und l statt. öpfel, löcken, sehröeken, frömde, mönsehe setzten sich in der Sohriftspraohe nioht durch. Im Alem. wurde in gesohlossener Silbe in der Umgebung von Labialen i häufig zu ii: minze> münze (mentha), zwischen > zwüsehen; weitere Verbreitung erlangten rümpfen (mbd. rimpfen), fünf (mhd. finf, fim/) u. a. Vielfach wurde 12 zu ö. Vor Nasal: ane > ohne, ame > Ohm, mane > Mond. Nach w: wa > wo, wae > Woge, qudt (kat) > Kot. In der Umgebung anderer Laute: brddem > Brodem, mahe > Mohn, slat > Schlot, tdhe > Ton, tdhele > Dohle. In einigen Fällen wurde 12 zu iJ: takt > Dooht, bra.m. ber > Brombeere. Volksetymologisoh beeinflußt sind hagestalt > Hagestolz (Anlehnung an stolz), weterleich > Wetterleuohten. 6. Entrundung
§ 51. Die Lippenrundung ging bei zahlreiohen mhd. ii verloren: biile3 > Pilz, biime3 > Bims(-stein), gümpel > Gimpel, küssen > Kissen, küte > Kitt, spriitzen > spritzen, "ündeline > Findling Häufig ersoheint nbd. 0 an Stelle von mhd. u: (vor Nasal:) nunne - Nonne, sun ..:. Sohn, (be)sun.der - besonder, sunst (sust) - sonst, sumer - Sommer, geklummen - geklommen, (vor Liquida:) guldtn - golden (daneben nooh gülden), kulztn - hölzern. Ebenso setzt sich mhd. ii in nhd. ö fort: künee - König, münech - Mönoh. Nach m und in der Umgebung anderer Konsonanten: mügen - mögen, rücheln - röcheln, stiire - Stör. Bei antwürte - Antwort liegt Anlehnung an "Wort" vor. Unverändert blieben brünne - Brünne, dünne - dünn, büne - Bühne.
,....
_-
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Lautlehre
Sämtliche mhd. ou wurden zu nhd. au: loup > Laub, houbet > Haupt, ouge > Auge. Auch öu, üe, iu wurden entrundet : eröugen - ereignen, miieder - Mieder, stiuo - Steiß. 7. Sonstige Vokal veränderungen
§ 52. Einzelne mhd. ~ und e setzen sich in nhd. i fort: - Gitter, ~ppe - Hippe, tr~hter - Trichter; jest Gischt, pfersich .;.. Pfirsich. Übergang von Ie zu eliegt vor in leer (ZIere), drehen (drlejen), fehlen (flIelen), genehm (genteme) u. a. In zusammengesetzten Wörtern verlor das Grundwort mit der Eigenbedeutung oft auch die vollen Vokale: wintbra > Wimper, einlif > elf, gruonmm > Grummet. Im Silbenauslaut entfaltete sich r oder re nach Z, 4, iu zu -er: gir > Geier, Ure > Leier, gebzlr > Bauer, m4re > Mauer, ur > Auer-ochse, fliur > Feuer, schiure > Scheuer, aventiure > Abenteuer. Beim Übergang zum Nhd. verschwanden zahlreiche unbetonte e im Auslaut und im Wortinnem. Im Auslaut: hirte > Hirt, gelücke > Glück, wonunge > Wohnung. Im Wortinnem: ambet > Amt, arzat > arzet > Arzt, houbet > Haupt g~ter
u. a. Zahlreiche e, die in der mhd. Dichtersprache verstummt waren, wurden am Ende des Mittelalters wiederhergestellt: kel >Kehle, koln > Kohlen, der ober> obere, sals > Saales. b) Konsonanten Die konsonantischen Veränderungen sind weniger durchgreifend als die vokalischen. 1. Ö' s, sch
§ 53. Der noch im 13. Jahrhundert von s unterschiedene Laut 0 setzt sich im Nhd. in p, s oder in z fort. Der Übergang zu P erfolgte im 13. Jahrhundert, als das stimmlose s die sch-ähnliche Aussprache verlor. In der Schreibung wurde das Zeichen 0 bis ins 15. Jahrhundert noch verwendet, aber auch an Stelle von etymologischem s; umgekehrt wurde
Entwicklung der mhd. Konsonanten
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auch Pt s oder ss bei Wörtern mit etymologischem 0 verwendet. Das Zeichen P wurde aus s + z gebildet. Die heute gültige Regel für die Schreibung von P und ss galt im 14. Jahrhundert im groben für die Schreibung von 0 und 03. Ihr entsprechend wurde ha33es, aber stra3e geschrieben. Die frühesten Reimbindungen s: 0 hat Schirokauer Beitr. 47, 79 sammengestellt. ~ > p: gr63 > groß, Ueolich > (er)läßlich, striuo > Strauß (Zwist), ",a3 > Faß u. a. 5 > stimmhaftes s: ameiJe > Ameise, ",erwtoen > verweisen (gehört nicht zu weisen - zeigen, sondern zu wi3e " Strafe"), emJec > emsig u. a . .3 > z: büleJ (lat. boletus) > Pilz, ahd. munioa (lat. moneta) > münze > Münze. Zu stimmlosem s wurde 5 in arewei.3, ärwei3, ärwi3 > Erbse, krebes > Krebs, obeJ > Obst, ",ei3et > feist. Zu sch wurde.3 in hiro > Hirsch ("Hirse" heißt mhd. hirse, hirs). 53 setzt sich in nhd. ss fort: ",e03el > Fessel, wi03en > wissen u. a. Das Zeichen s (auch f geschrieben) bezeichnet im klassischen ·Mhd. einen stimmhaft und stimmlos vorkommenden Reibelaut, dessen Aussprache sich dem sch näherte. Um die Mitte des 13. Jahrhunderlc! trat eine Scheidung in s und sch ein, wobei das s stimmhaft oder stimmlos sein konnte. Für das stimmlose s finden sich alsbald auch die Schreibungen ss, ß,5 und oJ. Zu s wurde der alte sch-ähnliche Laut vor Vokal, im Inlaut außer nach r und im Auslaut außer nach r. Stimmhaft war (wie in der heutigen Bühnenaussprache) s vor Vokal (sagen, alsam, trüebesal), zwischen Vokalen (r6seleht "rosenfarbig", bmse "böse, wertlos, schwach") und nach l, m, n, r (hülse, amsel, ",erse "junge Kuh", winseln). Stimmlos wurde (wie noch heute) s gesprochen im Silbenauslaut (glas, hiusliche), in den Verbindungen st und sp, wenn diese nicht im Anlaut stehen (hasten, lispeln, geist) und im Inlaut nach allen Konsonanten außer Nasalen und Liquiden (rtetsel, kebse).
74.
Laut Zehre
Zu S, das stets stimmlos i&t, wurde s vor t und p im An· laut (stein, springen), ohne daß in der Schrift die alte Schrei· bung je verändert wurde. Vor l, m, n, w wurde anlautendes s gleichfalls zu sch; in diesen Fällen wurde schon vereinzelt im 13. Jahrhundert schl, schm, sehn, schw geschrieben, doch blieben bis zum Ende des Mittelalters auch Schreibungen mit s in Gebrauch (slafen - schlafen, smal- schmal, snecke schnecke, swinden - schwinden). In kürs(e)nrere Kürschner trat s in den Silbenanlaut. Nach r wurde das stimmlose s zu sch, das stimmhafte nicht. Daher kommen die sch.Schreibungen Barsch (mhd. bars), birschen (mhd. birsen), Bursche (mhd. burse, mIat. bursa), Dorsche (mhd. torse, it. torso), Kirsche (mhd. kirse, lat. cerasus), knirschen (mhd. zer.knürsen), morsch (mhd. zer· miirsen), herrschen (mhd. hersen) und die s.Schreibungen Hirse (mhd. hirse), Ferse (mhd. versen), Färse (mhd. V€Tse), Pfirsich (mhd. pfirsich, pfersich, lat. persicus), Börse (mhd. burse). In Durst, Wurst, Gerste u. a. hat sich in der Schrift· sprache die Inlautsaussprache durchgesetzt, während man· che Munda.rten das lautgesetzlich zu erwartende sch sprechen. Vereinzelt ist s auch sonst noch zu sch geworden, z. B. in Groschen (mhd. grosse, lat. grossus), Harnisch (mhd. harnas und harnasch), Gischt (mhd. jest), gischen (mhd. jesen). 2. j, w, 11.
§ 54. Intervokalisches j fiel aus und wurde am Ende der mhd. Periode häufig durch hersetzt. meije > meie > Mai, leije > leie > Laie; blüejen > blüen > blühen, mäejen > müen > mühen. Zu g wurde j (über den palatalen stimmhaften Reibelaut) im Anlaut (z. B. jesen - gern "gären", jest - gest "Gischt, Schaum") und im Wortinnern nach r oder I: verje - verge "Ferge", scherje - scherge" Scherge", nerien - nerigen, nergen (häufiger nern > nähren), herjen - hergen (häufiger hern), auch spürjen - spürgen (häufiger spiirn). Auch alte Lehn· wört,er aus dem Lateinischen wurden betroffen: kevje - ke· vige "Käfig" (aus cavea), metzje - metzige "Fleischbank" (aus
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Entwicklung der mild. Konsonanten
*ma.ceum (ma.cellum)), dazu metziger "Metzger", venie lJenige "Kniefall zum Gebet" (aus venia). Wegen des ständig erneut einwirkenden lateinischen Einflusses konnten manche Formen in der Schriftsprache nicht durchdringen: lilie lilge "Lilie" (iiUa), vigilje - vigilge "Vigilie" (vigilia), Merje - Merge "Maria". Intervokalisches w schwand im Spätmhd.; es blieb nur in ewec > ewig und in dem Lehnwort lewe, löuwe > Löwe erhalten. Als b setzt sich intervokalisches w in Eibe (mhd. iwe), hieben (mhd. hiewen), Abenteuer (mhd. aventiure) fort. Auch nach u, DU, iu, öu schwand w: jrouwe > Frau(e), Mwen> bauen, triuwe > Treue, ströuwen > streuen. Nach a wurde es kontrahiert: brawe > Bmue, pfawe > Pfau, grawes >gmues. An Stelle des verklungenen w erscheint in der modernen Orthographie zuweilen h: ewe< Ehe, rouwe
<
Ruhe, Mwe
<
Uhu.
Nach 1 und r wurde mhd. w regelmäßig zU b: milwe > Milbe, swalwe > Schwalbe, gelwe3 > gelbes, narwe > Narbe, sparwrere > Sperber, gerwen > gerben, mürwe > mürbe. Im Schwäb. ist dieser Übergang schon am Ende des 13. Jahrhunderts zu bemerken. In einigen Fällen wurde auch v zu b, z. B. kervel (ahd. kervola, Ia.t. caerifolium) < Kerbel.
h verstummte im Silbenanlaut nach Vokalen, blieb aber in der Schrift erhalten: sehen > sehen, lohe > Lohe. Es wird weiterhin auch dort gesetzt, wo der nachfolgende unbetonte Vokal mit dem vomngehenden betonten Vokal kontrahiert wurde, so daß die 2'4weite Silbe verloren ging: gemahel > Gema.hl, stahel > Stahl, älter > Ähre, vehede > Fehde, bihel > Beil. Selten schwand das h a.uch in der Schrift wie in Träne (Sing. trahen, Plur. trähene). Erhalten blieb der Laut nur in ahorn > Ahorn, DM > oho. Auch nach r und 1 schwand h. In der Schrift konnte es ebenfalls verschwinden oder aber vor den Konsonanten treten: belJelhen > befehlen; schelch Gen. schelhes > scheel; schilhen > schielen; twerch, querch, Gen. querhes > quer. Als Dehnungszeichen wird h heute auch dort verwendet, wo es etymologisch nicht hingehört (Sohn, wahr). In Anlehnung an die
I
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Entwicklung der mhd. Konsonanten
zweisilbigen Fonnen bei sBn, sehen u. a.. wurden auch g8n, stln, 8 und er'n zu gehen, stehen, Ehe (auch ehe) und ehem zerdehnt. Die nhd. Angleichung von ..sah" an ..sehen" (mhd. ,ach - sehen), "Reh" an "Rehes" (mbd. r8ch - r8hes) macht sich schon am Ende des Mittelalters bemerkbar. 3. Wandlung einzelner Verschlußlaute
§ 55. Sohreibungen von mm für älteres mb treten sohon
im Spätmhd. auf, dooh behauptete sich daneben mb nooh lange. wambe - Wamme, zimber - Zimmer, lember - Lämmer, imbe - Imme, krumber - krummer. Einfaches >n ersoheint für mb in um (mhd. umbe), Amt (mhd. ambet). Mhd. -gg-, das neben -ck- verwendet wurde, wurde zugunsten von -ck- verdrängt: rügge, rücke > Rüoken, brügge, brücke> Brüoke. Hä.ufig weohselte d und t im Anlaut. Im Nhd. setzte sioh meist d duroh: tolde > Dolde, toter > Dotter, tuft > Duft, tunkel > dunkel. In manohen Fällen wirkte nd. Einfluß ein, z. B. bei Damm (mhd. tam), Deioh (mhd. tick), in anderen lat. Einfluß, z. B. Draohe (mhd. trache, tracke, lat. draco), Dammhirsch (mhd. tame, lat. dama). Dagegen setzte sioh t gegenüber mhd. d in folgenden Wörtern duroh: Tölpel (dörper, dörpel), tosen (dösen), traben (drohen), Trümmer (drümer, Sing. drum), tausend (düsent und tüsent), Ton (dahe und tahe), Ton (dön und t6n, lat. tonus). Während im Mhd. nach n regelmäßig und nach l und r manohmal d für ahd. t erscheint, trat im Nhd. wieder t ein : unter (mhd. under), hinter (mhd. kinder), siebente (mhd. sibende), Wertes (mhd. werdes). Dagegen setzte sich d durch in Geld (mhd. gelt), Milde (mhd. milte), Geduld (mhd. gedult), Herde (mhd. hert). Bei Lehnwörtern schwankte im Mhd. der Anlaut in Mbes - ptÜJes, balme - palme, beck - peck, bilgerEn - pilgerin, brüepen - prüepen. Im Nhd. setzte sich p durch. Im Spätmhd. bewirkte auslautendes -el und -er Verschärfung (Dehnung) vorangehender Verschlußfortes und Nasale: zedel - zetel, zettel, zoheln - zappeln, loger - locker, muoter mutter. Zu nhd. wackeln und schlottern sind die vorauszusetzenden Formen *wageln und *slotern nicht belegt.
r
L
C. FORMENLEHRE
Allgemeines § 56. Gegenüber der ahd. Willkür in der Zusammen. schreibung und Trennung der Wörter ist im Mhd. eine gere. gelte Ordnung erreicht. Nur mehr Präpositionen können mit dem folgenden Artikel oder Demonstrativpronomen und Verba mit dem folgenden Personalpronomen zusammen· geschrieben werden (indem - in deme, bistu - bist du, kunter = kunt er) • Getrennt werden zuweilen alte und neue Zu· sammensetzungen, auch wenn ein Kompositionsteil seine ur· sprüngliche Bedeutung verloren hat und gar nicht mehr allein verwendet werden kann. So begegnet bfschaft neben bt schaft "belehrende Geschichte", ertac neben er tac "Dienstag", briu· tegome neben briute game "Bräutigam". Auch die abge. schwächten, ehemals selbständigen Präpositionen be., en·, ent·, er·, ge., fler., zer· oder ze·, auch flolle. und misse· können losgetrennt vom Verbum stehen: be sUchen "beschleichen, heimlich überfallen", en bresten "entgehen, entkommen", ent flrten "freimachen", er strften "erstreiten", ge trasten "trö· sten, bei einem Vertrauen erwecken", fler eiden "durch Eid bekräftigen", zer baln "zerstreuen", ze bresten "zerbrechen". Dasselbe kommt natürlich auch bei andern Wörtern vor, die mit diesen Vorsilben zusammengesetzt sind, wie ent werf "Entwurf", ge flrist "Frist", fler giht "Anspruch", ge flellec "angemessen", fler gencltch "vergänglich", en bore "in die Höhe, in der Höhe", en gegen "entgegen, anwesend". Die Verneinungspartikel en, n, ne wird manchmal für sich allein geschrieben, zuweilen an das nächstfolgende und gelegent. lieh auch an das vorhergehende Wort angehängt: du ne wilt, eoenmac, ern ddhte. Es kommen auch Schreibungen vor, die einen halben Abstand zwisohen den zusammengehörigen Wörtern lassen, so daß es unkla.r ist, ob der Schreiber Tren·
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Formenlehre
nung oderZusammenschreibung beabsichtigte; in den "Deutschen Texten des Mittelalters" wird hierauf besonders geachtet und der Vorgang der Handschrift im Druck nachgeahmt. Das Mhd. hat wie das Ahd. ~wei Arten von Wörtern: flexible (deklinierbare Nomina und konjugierbare Verba) und unflexible. Die mhd. Flexion setzt die ahd. fort; sie ist infolge des Vokalverfalls in den unbetonten Silben stark vereinfacht. I. Das Nomen Die mhd. Nomina haben zwei Zahlen (Singular und Plural; vom idg. Dual sind nur beim Personal- und Possessivpronomen Spuren erhalten), drei Geschlechter (Masculinum, Femininum, Neutrum) und vier Casus (Nominativ, Genetiv, Dativ, Akkusativ; vom Instrumental sind nur noch schwa· ehe Spuren vorhanden). Wie in den anderen germ. Sprachen (und im Idg.) ist eine nominale und eine pronominale Dekli. nation zu unterscheiden. I. Da.s Substantivum
Während im Nhd. die Substantiva nach den Flexionsendungen in starke, schwache und gemischte eingeteilt werden, dient in der historischen Grammatik der Stammauslaut als Unterscheidungsmerkmal. Jedes Hauptwort besteht aus einer Wurzel, einem stammbildenden Element und einer Flexionsendung (die auch fehlen kann). In ductus ist duc die Wurzel, tu stammbildendes Element und s die Casusbezeichnung. Der Stamm kann vokalisoh oder konsonantisoh schließen; im ersten Fan spricht man von der starken, im letztem von der schwachen Biegung. Eine gemischte Biegung gab es im Mhd. nioht. a) Die Stammauslaute § 57. Von den vokalisohen Deklinationen des Idg. setzen sich vier im Germ. bis ins Mhd. fort. Diese sind: 1. Die idg. o-Deklination. Der Stamm endet im Idg. auf -0 oder (mit diesem ablautend) oe. Das idg. -0 liegt im Griech. vor X6p'ro-~; im Lat. erscheint es als u (hortu-s). Da idg. 0
Das· Substanliwm
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im Germ. als a erscheint, setzt sich die idg. o-DekIination in der germ. a-Deklination fort. Idg. *dhogho-s, germ. *ilaga-z, urnord. daga-R. Im Mhd. ist das kennzeichnende a (wie schon in den ä.lteren germ. Literatursprachen) verschwunden; got. dags, an. dagr, as. dag, ahd. tag, mhd. tac ,~Tag". Von den reinen a-Stämmen werden die -ja- und -waStämme unterschieden. Viele -ja-Stämme sind im Mhd. noch daran zu erkennen, daß infolge des j Umlaut und Konsonantengemination aufgetreten ist. 2. Die idg. li-Deklination. Der Stamm endet idg. auf -li (lat. mensa- > mensa), das sich in germ. -ö fortsetzt, ·so daß die Klasse germ. als ö-Deklination zu bezeiohnen ist. Im Mhd. ist das 8 nicht mehr vorhanden; got. giba, ags. gifu, as. geoa, ahd. geba, mhd. gebe, gibe "Gabe". Von den reinen -o-Stämmen werden die -jo- und -woStämme unterschieden. Auch bei den mhd. -ja-Stämmen tritt häufig Umlaut und Konsonantengemination auf. 3. Die idg. i-Deklination. Der Stamm endet im Idg. auf -i (lat. hosti-s), das germ. als i erhalten ist, so daß diese Klasse auch im Germ. i-Deklination heißt. Im Mhd. ist das stammhafte i nicht mehr erhalten, doch hat es häufig Umlaut hinterlassen.. Got. gasteis, as. gesti, ahd. gesti, mhd. geste "Gäste". 4. Die idg. u-Deklination. Der Stamm endet im Idg. auf -u (lat. rrtanu-s), das auch im Germ. als u erhalten ist; im Mhd. ist es zu e geworden oder geschwunden. Got. sunus, &.gs., as., ahd. sunu, mhd. sun(e) "Sohn". Von den konsonantischen Deklinationen des Idg. ist im Germ. nur die n-Deklination voll erhalten und ausgebaut worden. Von anderen konsonantisohen Deklinationen sind nur spärliche Reste vorhanden. 1. Die idg. n-Deklination. Der Stamm endet auf -n (dazu Vollstufe -en/-on und Dehnstufe -en/-ön). Das -n (lat. hominis) liegt in den germ. Sprachen und noch im Mhd. und Nhd. in den obliquen Casus vor. Gen. PI. got. hanane, as. hanono, ahd. hanono, mhd. hanen "der Hähne (Hahnen)".
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Formenlehre
Streng genommen sind nur die on-Stämme als schwache Deklination zu bezeichnen. 2. Die idg. neutralen os-Stämme. Der idg. Stammauslaut -es (a.blautend -os), der in griech. yevo<;, tat. genus vorliegt, erscheint germ. als -r. Der Sing. aller -r-Stämme flektiert im Ahd. und Mhd. nach der a-Deklination, doch entspricht der Plur. der alten Flexion: idg. *lombhes-ä, germ. *lambizö, ahd. lembir, mhd. lember "Lämmer". Während der mhd. Zeit wurde die Plur.-Endung -er auf zahlreiche Substantiva übertragen, die früher anderen Klassen angehörten, sogar auf Mascu1ina. 3. Verwandtsohaftsbezeiohnungen auf -r. Das idg. Suffix -ter der Verwandtschaftsbezeichnungen (ablautend -tor, Sohwundstufe -tr, -tr, Dehnstufe -ter/-tör) setzt sich in einigen germ. Verwandtschaftsbezeichnungen fort. Dem Ahd. und Mhd. (wie dem Westgerm. durchaus) liegt meist die Dehnstufe zugrunde. 4. Einsilbige, konsonantisohe Stämme (Wurzelstämme). Schon im Ahd. selten, sind die ursprünglichen Wurzelstämme im Mhd. nur mehr an ganz wenigen Formen kenntlich. 5. Substantivierte Partioipia praesentis. Die idg. Partioipialendung -nt (Iat. agent-is) erscheint im Mhd. (über -nft-/ -Mo) als -nd. Im Mhd. zeigt nur mehr ein Wort eine kenn. zeichnende Form. Vgl. § 71. 11) Die Flexionsendungen
§ 58. Durch den Abbau der unbetonten ahd. Vokale sind sämtliohe Flexionsendungen der Substantiva der Abschwächung verfallen und z. T. versohwunden. Noch am besten sind die vokalisohen Deklinationsklassen an den Nominativen kenntlich: Maso.: 1. Bei den a-Stämmen ist der Nom. Sing. endungslos, der Nom. Plur. hat oe. 2. Bei den ja-Stämmen enden Nom. Sing. und Nom. Plur. auf -e (kirte, site), wofern nioht naoh dem Apokopierungsgesetz in beiden Nominativen das -e abgefallen ist (kil, nagel).
Das Substantivum
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3. Bei den i-Stämmen entsprechen die Nominative beider Numeri den a-Stämmen, doch tritt imPlur. Umlaut auf. Bei nichtumlautfähigen Wurzelvokalen sind die i-Stämme nicht von den a-Stämmen zu unterscheiden. 4. Bei den u-Stämmen enden beide Nominative auf oe. Neutr.: 1. Die a-Stämme sind in beiden Nominativen endungslos, doch bilden in der Spätzeit viele aStämme zu dem endungslosen Nom. Sing. einen Nom. Plur. auf -er mit Umlaut. 2. Die ja-Stämme enden in beiden Nominativen auf -e (netze); nur wenige sind nach der Apokopierungsregel endungslos. 3. Der einzige neutrale u-Stamm (vihe) ist in die ja-Deklination übergetreten. Fem. : 1. Die 8-Stämme haben in beiden Nominativen -e oder infolge von Apokope keine Endung. 2. Die j6-Stämme enden wie die 6-Stämme und ha.ben Umlaut bei umlautfähigen Wurzelvokalen. 3. Die i-Stämme haben im Nom. Sing. keine Endung, im Nom. Plur. -e und Umlaut. Die ~n. und Dat. sämt1icher starker Masc. und Neutr. sind im Sing. nach dem Typus tages - tage (synkopiert kils kil) gebaut, im Plur. nach dem Typus tage - tagen (synkopiert kil- kiln). Bei den Feminina der 6-Klassen ist der Gen. Sing. mit dem Dat. Sing. zusammengefallen und der Gen. Plur. mit dem Dat. Plur. (~n., Dat. Sing. gebe, synkopiert zal; Gen., Dat. Piur. geben, zain). Beim Fem. der i-Deklination sind nur Gen. Sing. und Dat. Sing. gleich (mit Umlaut krefte, oder wie Nom. Ace. Sing. ohne Umlaut kraft); Gen. und Dat. Piur. entsprechen den a-Substantiven: krefte - kreften wie tage - tagen. Der Ace. ist bei allen vokalischen Deklinationen dem N om. gleich. Die Unterscheidungsmerkmale der schwachen (n-)Deklination gegenüber den starken Deklinationen sind im Mhd. in allen ~nera deutlich erhalten. 6 Eis, Mhd. Oramm.
Formenlehre
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c) Die vokalischen Deklinaticmen 1. Die a.Deklina.tion
§ 59. Die Klasse enthält nur Masoulina und Neutra.. Die ahd. Endvokale, die vereinzelt nooh im. Frühmhd. auftreten, sind im. klassischen Mhd. sämtlioh abgesohwäoht. Wegen des besondem Verhaltens der unbetonten e naoh Liquiden und Na.sa.len sind drei Reihen zu untersoheiden : 1. Musterwort tac, 2. einsilbige und zweisilbige mit langer Stammsilbe auf -r oder -I (Typus kil und Typus engel), 3, zweisilbige auf -r oder -I mit kurzer Stammsilbe (Typus nagel). Ahd. flektiert die Klasse: Sing. Nom. Ace. tag, Gen. tages (-aa), Dat. tage (-a), Instr. tagu (-0); Plur. Nom. Ace. taga (-0), Gen. tago, Dat. tagum (-am, -un, -on). Masculinum
Sing. N. A. G.
D. Plur. N. A. G.
D.
tae tages tage tage tage tagen
kil kils kil kil kil kiln
nagel nagel(e)s nagelte) nagelte) nagelte) nagel(e)n
Die mehrsilbigen auf Nasal oder Liquida mit kurzer Stammsilbe können die unbetonten e behalten oder ausstoßen. Wie nagel gehen pogel "Vogel", padem "Faden"; wie kil gehen sämtliche zweisilbigen auf Nasal oder Liquida mit langer Stammsilbe, z. B. angel "Angel", heiden "Heide", hunger "Hunger", winter "Winter", keiser "Kaiser", sünder "Sünder" . Die Masoulina der a-Klasse sind sehr zahlreich. Zu ihnen gehören im Mhd. auch mehrere ehemalige i-Stämme. Ander· seits haben auch zahlreiche ehemalige a-Stämme Einflüsse der i-Deklination und der sohwachen Deklination erfahren. So bildet stap "Stab" den Plur. stabe und stähe, gedanc "Gedanke" den Plur. gedanke und gedenke, halm "Halm" den Plur. halme und helme; ebenso haben doppelten Plur. sarc "Sarg", schale "Knecht", satel "Sattel", snabel "Schnabel", wagen "Wagen", zagel "Sohwanz", hapen "Topf", mantel
r Das Substantivum
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"Mantel", stoc "Stock", boc "Bock", loc "Locke", hamer "Hammer". Nur vereinzelt ist Plur. mit Umlaut belegt bei hof "Hof", koch "Koch", frosch "Frosoh", wolf "Wolf", baum "Baum", kauf "Kauf", vadem "Faden", vogel "Vogel", arzat "Arzt", die im Nhd. Umlaut durchgeführt haben. Übergang in die sohwache Deklination wird belegt bei vride "Friede" (ze vriden), site "Sitte", sige "Sieg", mac "Blutsverwandter", hiro "Hirsch", storch "Storch", kranech "Kranich", habech "Habioht", grif "Greif", arm "Arm", helm "Helm", leim "Lehm", scMn "Glanz", ger "keilförmiges Stück Tuoh". gen60 kommt stark, sohwach und unflektiert vor. Manche masc. a-Stämme haben das Genus geweohselt. wac "Woge", loc "Locke", list "Klugheit, Kunst, List", art "Herkunft, Besohaffenheit", angel "Angel", trahen "Träne", zaher Zähre" tauf "Taufe" wurden Feminina; segel "Segel" wurde Neutrum. Männlioh und weiblich werden gebraucht: last "Last", luft "Luft", purt "Furt"; männlich und sächlich sind lop "Lob", gemach "Gemach"; borste "Borste" hat alle drei Genera. Bei Fremdwörtern und in gewissen adverbiellen Prägungen kommt der Dat. Sing. ohne -e vor (ee 1000, under helm, ee h(J,,). Beim Gen. sing. fehlt die Endung ma.nchmal nach s und 3. Bei Eigennamen kommen Akkusative und vereinzelt auch Dative auf -en vor (Si/riden, G~rnßten), vgl. § 72. Neutrum
Das Musterwort flektiert ahd.: Sing. Nom. Aoe. wort, Gen. wortes (-as), Dat. worte (-a), Instr. wortu (-0); Plur. Nom. Ace. wort, Gen. worto, Dat. wortum (-am, -un, -on). Hinsichtlich des Wegfalls von unbetontem e verhält sich das Neutrum genau so wie das Masculinum. Sing. N. A. wort sper leger G. wortes spers leger(e)s D. worte sper leger(e) Plur. N. A. wort sper leger G. worte sper leger(e) D. worten spern leger(e)n
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Formenlehre
Der einzige Unterschied gegenüber den tnännlichen aStämmen ist die Endungslosigkeit des Nom. und Ace. Plur. Endungslose Dat. Sing. begegnen auch beim Neutr.; bei ze hlls handelt es sich um einen alten Lokativ. Häufig ist holz neben holze. Mit -lam zusammengesetzteLändemamen haben in der Regel kein -e im Dat. Alte Instrumentale sind mit ihtiu. "mit irgendeinem Dinge" und an ihtiu. iht "Ding" ergibt negiert niht "kein Ding, nichts", das ebenfalls noch instrumentalisch vorkommt: "on nihtiu., U,3 nihtiu., fll nihtiu., "ar nihtiu, ze nihtiu.. Endungslose Gen. Sing. begegnen bei hlls "Haus", ma3 "Speise, Mahlzeit", kriu.z "Kreuz". Endungslose Dat. Plur. kommen ganz vereinzelt vor (mit eier Heltnbrecht 917, u.nder kinder Wolfr., Titurel49, 1). Nom. und Ace. Plur. auf -e tauchen vereinzelt schon im 12. Jahrhundert auf (z. B. tiere). In diese Klasse gehören sehr viele Neutra, z. B barn "Kind", sb' "Schmerz", g83 "Schlußstein eines Gewölbes", ors "Pferd", marh "Pferd", sahs "Schwert, Messer", "ahs "Haar", me,3 "Maß", "erch "Leben", wiht "Wesen", kar "Ge. fäß", wal "Schlachtfeld", hap "Hafen", schapel "Kranz", gadem "Haus", lachen "Heilmittel" und sämtliche Detnitlutiva. auf -Uno bloch "Block", gou "Oau", honte "Honig" wurden später Masc.; I8n "Lohn", phat "Pfad" u. a. werden im Mbd. sächlich und männlich verwendet. Die ;a.Deklin&tion
§ 60. Die ja-Stämme sind nicht ga~ so zahlreich wie die a-Stämme. Sie sind durch -e im Nom., Acc. Sing gekennzeichnet, die nach kurzen Silben fehlen können. Umlautfähige Vokale sind umgelautet (z. B. jeger "Jäger"), zuweilen liegt Konsonantengemination vor (rücke "Rücken"). Masculinum
Das ahd. Musterwort ist hirti, Gen. hirtes, Dat. hirte, Instr. hirtiu. (-u, -0); Plur. Nom. Acc. hirte (.a, .a.), Gen. hirteo (-io, -0), Da.t. hirtu.m (-11.11., -on, -im, -in).
-,..
Das Substantiwm
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Sing. N. A. D. kirte flisc1uere flisc'her jeger(e) G. kirtes visc'lu1!res visc'hers jeger(e)s Plur. N. A. G. kirte "isc'lu1!re viscker jeger(e) D. kitten flisc'lu1!ren flisc'hern jeger(e)n Alte ja-Stämme sind kirse "Hirse", kI11se "Käse" (la.t. caseus), wecke "Wecken, Brot", weize "Weizen", ende "Ende" (Masc. und Neutr.), imbe "Biene, Bienenschwarm" (zuweilen auch schwach flektiert). Wie ,'ischlere gehen sämtliche No.. mina agentis auf -lBre (ahd. -dn) wie sckil,t,tere "Maler", Urlere "Lehrer", wahuJ!re "Wächter" und die ursprünglich nach der i-Deklination flektierten Völkemamen mit germ. -wari im PI ur. Auf ahd. -ari gehen visc'her, Urer, riter u. a. zurück, deren Deklination völlig mit den a-Stämmen übereinstimmt. Neutrum
Das ahd. Musterwort flektiert: Sing. Nom. Ace. kurm.i, Gen. kunnes, Dat. kunne, Instr. kunniu (-u, -0); Plur. Nom. Ace. kunni, Gen. kunneo (-io, -0), Dat. kunnim (-in., .um, -un, -on). Sing. N. A. D. künne 'her gewlefen gesidel(e) G. künnes 'hers gewlJ?fens gesidel(e)s Plur. N. A. G. künne 'her gewlefen gesidel(e) D. künnen 'hern gewlefenen gesidel(e)n In diese Klasse gehören u. a. bette "Bett", erbe "Erbe", kirne "Hirn'~, ric'he "Reich, Herrschaft", stücke "Stück", tinne "Schläfe", eilende "Fremde", abgründe "Abgrund", antwürte "Antwort", antlütze = antlitze "Antlitz", urliuge "Krieg", kleinrEte "Kleinod", viele mit ge. gebildete Kollektiva wie gedärne "Dörnicht", gelücke "Geschick, Erfolg", getihte ., Schriftwerk", gewlete "Kleidung", gedigene "Gefolgschaft", gesprlec'he "Sprechvermögen". Zahlreiche Substantiva auf -nusse, -nisse sind neut:rale ja-Stämme, doch werden viele auch weiblich gebraucht. Sächlich und weiblich sind auch swelle = süUe "Schwelle", wette "Pfandvertrag, Bezahlung", armüete "Armut" u. a. ende ist Neutrum oder Masc., mensc'he häufiger schwaches Masc. als starkes Neutrum.. Ein Piur. netzeT zu netze hat sich nicht durchgesetzt.
-
86
Fo,menleh,e
Die wa·Deklination
§ 61. Die Aufstellung einer beBOnderen wa-Deklination ist eingebürgert, obwohl keine zwingende Notwendigkeit dazu vorliegt. Von der germ. Stammendung -wa ist im Mhd. nur mehr ein -w· übrig, das in den obliquen Casus zutage tritt. Im Auslaut war w schon ahd. zu 0 geworden; nach langem Vokal schwand w (*sew > seo > se), nach kurzem wurde es mit diesem kontrahiert (*knew > kneo > knie); nach Konsonant blieb es zunächst erhalten und fiel später ab (*melw > melo > mel "Mehl"). Das Musterwort se war ursprünglich ein wi-Stamm, der jedoch schon ahd. als woStamm erscheint. Masculinum
Neutra.
se knie mel sewes kniewes (knies) melwes D. sewe kniewe (knie) melwe Plur. N. A. sewe knie G. sewe kniewe (knie) D. sewen kniewen (knien) Statt kniewes, kniewe, kniewen wäre, da w im Inlaut erhalten blieb, knewes usW. zu erwarten (ahd. tatsächlich kneo, knewes); die Formen kniewes usw. sind daraus zu erklären, daß das ie des Nominativs verallgemeinert wurde. - Vereinzelt erscheinen kürzere Neubildungen wie Dat. Singe se Sing. N. A. G.
(Trist. 2411, 6450, Parze 58, 3 U. ö.). Die wenigen wa- Stämme sind: Masc.: sne "Schnee", kM "Klee", M"Hügel", bil "Bau", smer " Schmer" . Neutr.: tou (auch Nom. touwe) "Tau", spriu "Spreu", Sir6 "Stroh", kor "Kot", blt "Blei". Dazu kommen noch re "Leichnam", das männlich und sächlich vorkommt, we "Weh", das sächlich ist, aber in der Form wewe als schwaches Masc. oder starkes und schwaches Fem. vorkommt, sowie schate "Schatte". Ahd. flektierte scate nur nach der waDeklination (scatewes); im Mhd. spaltete sich die Flexion in schatewes (wa-Dekl.), schatewen (wa.Stamm mit Endung der schwachen Flexion), schates (a.Dekl.) und schaten (schwach).
Das Sullstantiwm
87
Plur. auf ·er zeigt apriu "Spreu", apriuwer. Die ehemaligen ja. Stämme gou "Gau" (göu, göuwe) und kou "Heu" (Mu, Muwe), die auf *gaw.ja und *haw.ja zu· rückgehen, werden wie die wa.Stämme knie und tO" flek. tiert: gou, gouwes, gouwe; kou, kouwes, kouwe (neben göuwes, höuwes). 2. Die 6·Deklina.tion
§ 62. Die KIaase enthält nur Feminina. Die vollen Vokale der ahd. Endungen sind sämtlich abgesohwächt. Das Musterwort flektiert ahd.: Sing. N. A. geba, Gen. geba (.0), Dat. gebu (.0); Plur. N. A. gebd, Gen. geMno, Dat. geMm (.on, .on). Besondere Gruppen bilden die einsilbigen und die zweisilbigen mit langer Stammsilbe auf ·r oder ·1 (Typus zal, neidei), bei denen die unbetonten e synkopiert sind,.die zweisilbigen mit kurzer Stam.m.silbe, bei denen die unbetonten e stehen oder fehlen können (Typus veder), die auf ·en (ahd . •ina) endenden Wörter (Typus metten) und die kleine Gruppe mit unregelmäßigem Gen. Plur. (Typus aventiure). Sing. N.G.D.A. gebe zal veder(e) metten aventiure Plur. N.A. gebe zal veder(e) metten aventiure G. geben zaln veder(e)n metten aventiure D. geben zaln veder(e)n metten aventiuren Der Nom. Sing. sollte endunllBlos sein, da schon in vor· ahd. Zeit beim Fem. mit langer Stammsilbe sowie bei Mehrsilbigkeit die Endung abfiel. Die mhd. Endung ·e, die ahd. -a fortsetzt, kennzeichnet den Ace., dessen Formen schon im Ahd. in den Nom. eindrangen. Es haben sich aber Spuren der Endungslosigkeit des Nom. erhalten, und aus dem en· dungslosen Nom. drang die Endungslosigkeit auch in andere Casus des Sing. vor. Es handelt sich um stehende Wendungen wie buoo werden, buoö tuon eines dinges (sonst buoöe) ; anderhalp, oberhalp, dewederhalp, vaterhalp, vierdehalp (sonst halbe); einsft "auf der einen Seite", ze einer sft, jensU (sonst aUe); einstunt, lange stunt (sonst stunde); ander wEs "auf andere Weise", manege wts, in engel wEs u. a. (sonst wfse). wfs kommt auch mase. vor: einen wts, in allen wfs, in mane· gen wts. Endungslos werden auch die mit -gunt, .hilt, .tine,
88.
Formenlehre
•rrln, -trdt, -burc, -heit, -rdt zusammengesetzten weiblichen Eigennamen gebraucht, wie Nom. Kriemhilt, Gen. Dat. Ace. Kriemhilde (seltener Kriemhilt, daneben auch schwach Kriemhilden). Während die Abstrakta auf -unge wie gebe flektieren, bestehen daneben Formen mit -unc. Dative werfen die Endung ab bei stunde, wenn es adverbiell verwendet wird: ze stunt, an der stunt, an der selben stunt, in kurzer stunt. Nach gebe gehen sehr viele Substantiva, z. B. akte "Aufmerksamkeit", akte,., tekte "Acht, gerichtliche Verfolgung", bete "Bitte", buo3e "Besserung, Abhilfe", huote "Beaufsichtigung", koste "Aufwand", marke "Grenze", miete "Lohn", rache "Rache", schulde (daneben schult) "Verschuldung, Verpflichtung, Ursache", trakte "Denken, Streben", pehte "Kampf", weide "Jagd". Hierher gehören Verbalabstrakta wie toufe "Taufe", reste "Ruhe", die Abstrakta auf -unge (z. B. manunge "Mahnung") und -nisse (z. B. erkantnisse "Erkenntnis"), und die von Adjektiven abgeleiteten Wörter auf ahd. -t wie sc6nt > sclurne, menegt > menege, festt > peste, tiuft > tiefe. Wie zal gehen wal "Wahl", nahtegal "Nachtigall", dol "dasDulden", nar "Nahrung", schar"Schar", war "Obacht", scher "Schere". Wie meUen gehen persen "Ferse", keten(e) "Kette" u. a. Auch lügen(e) "Lüge" und küchen(e) "Küche" (ahd. cuchina < lat. coquina) können die Endung abstoßen, doch haben sie auch Nebenformen ohne -n, die nach gebe gehen (lüge> ahd. lugt, küche). Wie apcntiure haben die Lehnwörter kr6ne, mtle "Meile", rotte "Schar" den Gen. Piur. ohne on. Dasselbe kommt zuweilen auch bei ünde "Woge", raste (Wegmaß) und strale "Pfeil" vor. zweier parwe, drier parwe wird von Wolfram gebraucht; auch Walther 76, 4 der winter$orge Mn ich drt ist hierher zu rechnen. Mehrere ursprünglich schwache Fem. sind in die 6-Deklination übergetreten: galle "Galle", glocke "Glocke", kel "Kehle", nase "Nase", sunne" Sonne", prouwe "Frau". Um-
89
:1
gekehrt treten schwache Endungen bei manchen 8-Stämmen auf: bäre "Bahre, Sänfte", erde "Erde", maoe "Maß", s~ls "Seele", sorge "Sorge", wale "Straße". Im Md. werden die Fem. auf -unge häufig schwach flektiert. In der Allegorie werden die Personifizierungen 2re, Minne, Smlde, Schande usw. meist schwach flektiert. Beim Übergang zum Nhd. haben viele ~Stämme das -e abgeworfen, sobane"Bann", quak " Qual", schouwe"Schau", trakte "Tracht", lire "Leier", mure "Mauer", stiure "Steuer" und die Abstrakta auf ·unge. Mehrere 8·Stämme wechselten das Genus während der mhd. Epoche, so witze "Witz, Verstand", gürtel "Gürtel", scheitel "Scheitel", fravel(e) "Kühnheit, Übermut, Frevel", gehOrsame "Gehorsam", die männlich wurden, und male "Maß", gewi556n "Gewissen", äventiure "Abenteuer", baniere > baner "Banner", reviere "Revier", die sächlich wurden. Die i"·Deklina.tion
§ 63. Das Kennzeichen der j8-Stämme ist bei umlaut· fähigen Wurzelvokalen der Umlaut, bei einigen anderen: die Konsonantengemination. Hinsichtlich der Endungen besteht kein Unterschied gegenüber den reinen 8-Stämmen. Sing. N. G.D.A. sünde sippe Plur. N.A. sünde sippe G.D. sünden sippen Hierher gehören u. a. rede "Rede", brücke "Brücke", helle "Hölle", rippe "Rippe" und sämtliche movierten Feminina auf -inne, die wie sünde gehen. Zu diesen bestehen Doppel. formen auf .fn, bei denen unter dem Einfluß des Nom. der ganze Sing. endungslos ist. Sowohl die auf ·tn als auch die auf ·inne gehen auf ahd. Nom. ·in (kuningin), Gen. ·inna (kuninginna) zurück (mit .in.j8 gebildet). Die Aufspaltung in zwei Casusreihen erfolgte erst im Mhd. Neben künegfn und küneginne besteht auch das ursprüngliche künegin wei· ter, so daß drei Formen nebeneinander gehen. Einen Nom. Sing. küneginnen belegt die hessische Elisabeth mehrmals im Reim.
90
Formenlehre
Bei brücke "Brocke" treten auch Endungen der sohwachen Flexion auf. Die wß.Deklination
§ 64. Während bei den wa-Stämmen das wim. Nom. Sing. verschwunden und in den andem Casus erhalten ist, ist bei den wo-Stämmen w entweder in allen Casus durchgeführt oder in allen Casus geschwunden. Die wo-Stämme haben somit im allgemeinen durohgehende DoppeIformen; nur triuwe "Treue", riuwe "Reue", ouwe "Aue" und parwe "Farbe" haben nur die Formen mit -wo. Sing. N. G.D.A. bra - brdwe Plur. N.A. bra-brawe G.D. bran - brawen Hierher gehören: kld - klawe "Kla.ue", e - ~we "Gesetz, Ehe, Testament", we - wewe "Weh", nar - narwe "Narbe", swal- swalwe "Schwalbe". Ehemalige jö-Stämme sind diu diuwe "Dienerin" und ströu - ströuwe "Streu". Neben drou - drouwe "Drohung" wird dröu - dröuwe verwendet, dessen Umlaut a.us dem Verbum dröuwen stammt. 3. Die i-Deklination
§ 65. Die i-Deklination enthielt ursprünglich alle drei Geschlechter. Die wenigen Reste neutraler i-Stämme gingen während der ahd. Zeit verloren, so daß im. Mhd. nur mehr mase. und fem. i-Stämme vorkommen. Die Unterscheidung von langstämmigen und kurzstämmigen i-Stämmen ist für das Ahd. und Mhd. gegenstandslos, da die Flexion der Langstämme für alle i-Stämme durchgeführt wird. Bei umlautfähigen Wurzelvokalen trat Umlaut ein, der aber beim Masc. nur im Plur. durchgeführt wurde, da der Sing. in die a-Deklination übertrat. Beim Fem. tritt der Umlaut auch im Gen. Dat. Sing. auf, doch bestehen in diesen Casus auch unumgelautete Formen. Ein Kennzeichen weiblicher i-Stämme ist der Gen. Piur. auf -e (der krefte) gegenüber der Endung -en in der ö-Deklination (der geben). Daran kann man auch jene i-Stämme erkennen, die keinen Umlaut zeigen.
.:,,1
lJ
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DQ3 Sublltltdivum
Mascu1inum ahd.
mhd.
Sing. N.A. gast gast G. gastes gastes D. gaste gaste I. gastiu (gestiu) Plur. N.A. gesti geste G. gesteo (-0) gute D. gestim (-in) gesten Zur i-Deklination gehören u. a.: tU "Aa.I", dOn sonus, gruo3 "Gruß", harm "Wiesel, Hermelin", kopf "Schale", luft "Luft", phuol "Sumpf", sMt ,..Schlot", turn "Turm", :an! "Za.hn". AIs Ma.sc. und als Fern. werden angest "Angst", ant "Ente", an "Ackerbau, Herkunft, Art" gebraucht. Femininum ahd.
mhd.
kraft tugent Sing.N.A. anst G.D. ensti krefte kraft fugende tugent Plur.N.A. ensti krefte tugende fugende G. ensteo (-io) krefte D. enstim (-in) kreften tugenden Hierher gehören u. a;: arbeit "MiihsaJ, Arbeit", arwei3 "Erbse", bluot "Blüte", brunst "Brand", brUt "junge Fmu", diet "Volk", dult "Fest", haft "Gefa.ngenschaft, Haft", huf "Hüfte", ltch "Gestalt, Körper", genuht "Genüge", pfUht "Teilnahme, Fürsorge, Art und Weise", geschiht "Geschichte, Begebenheit, Eigenschaft", wal "Kleid", meit "Jungfmu" (Gen. mägede, meide, selten magede), heimuot "Heimat" sowie alle Wörter auf -heit, -keit, -schaft. ztt ist in älterer Zeit auch Neutr. Umgelautete und unumgelautete Gen. Dat. Sing. finden sich zuweilen bei einem Dichter nebeneinander: ant- ente, geselleschaft - geselleschefte, wal - walte, geburt - gebiine, kunft - künfte, bluot - blüete, not - ncete. Auch nicht umlautfähige Substantiva haben im Gen. Dat. Bing. Doppelformen : zU zUe, geschiht - geschihte, wfsheit - wisheite, eich - eiche, arbei
...
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,
Formenlehre
:1
l
- arbeite, werZt - werkle. Die Doppelformen führten in einigen . Fällen auch ZUl' Au/spaltung der Bedeutung: stat "Stadt" stete "Stätte", part "Fahrt" - pene "Fährte". Die einsilhigen, vokalisch-endenden Stämme kuo "Kuh" und sil "Sau" (PIur. küe(j)e, siuwe) gehen bereits ahd. wie i-Stiimme; Gen. Dat. Sing. zeigen in der Reg"l keinen Umla.ut (kuo, sil). lust "Lust" und ,'luot "Flut" sind aus der u-Deklination in die i-Deklination ühergetreten. 4. Die tl·Deklina.tion
§ 66. Von der u-Deklination, die schon im Ahd. stark zusammengeschmolzen war, schwinden während der mhd. Zeit die letzten Spuren. Die Klasse enthielt ursprünglich a.lle drei Genera. Die männlichen u-Stämme sind sämtlich in andere Deklinationen übergetreten. sun(e) "Sohn" (ahd. sunu) trat in die i-Deklination, site "Sitte", sig "Sieg", mete "Met" traten in die ja-Deklination über, desgleichen wite "Holz", das auch neutral vorkommt, und pride "Friede", das auch schwach flektiert. Der einzige neutrale u-Stamm, pike "Vieh" (ahd. pihu), ist in die ja-Deklination übergetreten. Nur bei dem einzigen weiblichen u-Stamm, hant "Hand" (got. handus), haben sich Formen der u-Deklination erhalten. Das Wort kann zwar auch na
§ 67. Bei der n-Deklination hat sich der Stammauslaut bis ins MIld. (und Nhd.) erhalten, weil idg. n im Germ. übernommen und im Wortinnem erhalten blieb. Im Nom. Sing.,
. . . . . . . . . . . .________. .____. . . .__. .____________
~C#____ ~".
M
I
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Das Substantivum
der mit der Dehnstufe ohne Casusbezeichnung gebildet wurde, rückte das n in den Auslaut und ist daher im Germ. geschwunden j lat. homin-is, got. guma, ahd. gomo "Mann". In den obliquen Casus mit Flexionsendungen ist das stammbildende n erhalten, aber die Flexionsendungen unterlagen dem Verfall, der im Mhd. zu völligem Schwund geführt hat: lat. hominis, got. kanins, ahd. kamm, mhd. kanen "des Hahns". Die Klasse enthält alle drei Genera.. Im Urgerm. traten 2.ahlreiche Substantiva der vokalischen Klassen in die n-Deklination über. Masculinum
Da nach der Synkopierungsregel nach r und I das unbetonte e schwand, sind zwei Reihen aufzustellen; Musterwörter sind bote "Bote" und ar "Aar". ahd.
I I
I,
mhd.
kano bote ar G. kanen (-in) boten arn D. kanen (-in) boten arn A. kanon (-un) boten arn Plur. N. kanon (-un) boten arn G. kan6no boten arn D. kan6mboten arn A. harwn (-UTI.) boten arn Bei Substantiven auf -n tritt -en ebenfalls hinzu, z. B. der "an "Fahne", Gen. Dat. Ace. und Plur. "ane,,; ebenso bei Substantiven auf -m, wo zuweilen auch im Nom. Sing. -e erscheint, z. B. kam(e) "Hamen", Gen. Dat. Ace. und Plur. kamen, und bei den Substantiven auf -ei, -e" -em wie gabel(e) " Gabel", kaber(e) "Haber", besem(e) "Besen". Bei langstämmigen auf -ei wie fackel "Fackel" fe bIen die e in allen Casus; bei den auf -e" wie der ge"angen "Gefangener" werden die übrigen Casus mit oder ohne -en gebildet (des ge"angen oder des ge"angenen). Männliche n-Stämme sind sehr zahlreich; viele von ihnen haben nhd. das -e des Nom. Sing. verloren. blintsUche "Blindschleiche", fürste "Fürst", käuschrecke "Heuschrecke", rappe "Rabe", rife pruina, smer::e "Schmerz", salme "Salm", Sing. N.
94
Formenlehre
salme "Psalm", sterne" Stern", aberelle "April", niere "Niere" . Bei vielen erscheint im Nhd. auch im Nom. Sing. on, z. B.: brate "Braten", hople "Hopfen", karpie "Karpfen", goume "Gaumen". Sowohl der Abfall des Nom. -e wie das Hinzutreten von -n im Nom. leitet den Übertritt in die starke Biegung ein. Die Zahl der männlichen n-Stamme nimmt während der mhd. Zeit ständig ab. Feminina ahd.
mhd. Sing. N. zunga zunge G. D. A. zungun zungen Plur. N. A. zungun zll,ngen G. zungono zungen D. zungom zungen Auch die weiblichen n-Stämme sind sehr zahlreich. asche "Asche", gige "Geige", harpfe "Harfe", kirche "Kirche", schfbe "Scheibe", bros(e)me "Brosame", muome "Muhme", bfe "Biene", kel "Kehle", neMel "Nessel", witewe "Witwe", pidele "Fiedel". sunne "Sonne" und bir "Birne" werden zuweilen a.uch stark flektiert. Männlich und weiblich kommen vor: amei3e "Ameise", galge "Galgen", stuche "Ärmel", bluome "Blume", rebe "Rebe", rose "Rose", seite "Saite", trtlbe "Traube", ttlbe "Taube" u. a. In der Anrede wird prouwe auch für mehrere Frauen gebraucht. Neutra. ahd.
mhd. Sing.N.A. ouga herze G.D. ougen (-in) herzen Plur. N. ougun (-on) herze(n) G. ougono herzen D. ougom herzen A. ougun (-on) herze(n) Das Neutrum umfaßt nur folgende vier n-Stämme: herze "Herz", are "Ohr", ouge "Auge", wange "Wange". Ihre Flexion mischt sich zuweilen mit der ja-Deklination, indem
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _IPI\;g..,._~~,~·"'i-'··\-:"
Das Sub,tantiwm
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Nom. Acc. Plur. kein n aufweisen; besonders häufig ist dies bei herze der Fall. mensche wird männlich und sächlich gebraucht. 2. Neutrale ,-Stämme
§ 68. Das idg. Stammsuffix -es/-os oder -as (gr., lat. generis < genes-is) ist ahd. im Plur. einiger Substantiva als -ir erhalten, während der Sing. nach der a-Dekllnation geht (Sing. hrind - Plur. hrindir "Rind"). Im Mhd. gewinnt die Plural-"Endung" -er « ahd. -ir) immer größere Bedeutung, indem sie auch bei solchen Wörtern zur Plur.•Bildung ver· wendet wird, die von Haus aus a·Stämme waren. Im Ahd. bildeten ei "Ei", huon "Huhn"; kalb "Kalb", lamb "Lamm", blat "Blatt", rts"Reis" regelmäßig, bret"Brett", krat "Kraut" , grab "Grab", loub "Laub", hol "Höhle", rad "Rad" häufig und einige weitere hie und da den Plur. auf ·ir. Im Mhd. haben zahlreiche weitere a-Stämme diese Mehrzahlbildung angenommen. Dabei trat bei umlautfähigen Stammsilben Umlaut ein. ahd.
mhd.
lamb lamp rint lambes lambes rindes D. lambe lambe rinde A. lamb lamp rint Plur. N. lembir lember rinder G. lembiro lember rinder D. lembirum lembern rindern A. lembir lember rinder Schon im Ahd. treten Plur.•Bildungen dieser Art auch bei bant, blech, feld auf (pentir, mhd. bender, plechir, mhd. blecher, feldir, mhd. !leider), doch bleiben während der ganzen mhd. Epoche daneben die Plurale der a-Deklination in Ge· brauch. tüecher zu tuoch "Tuch" belegt die Millstätter Ge· nesis, wörter zu wort der obd. Servatius, örter 2;U ort Kudrun, liehter zu lieht Reinfrieds Elisabeth u. a. Im Mhd. werden gebräuchlich tal, teler "Tal", abgot - abgöter "Götzenbilder" kleit - kleider "Kleid", hfis - hiuser "Haus" u. a. Die neuen Pluralformen liegen schon den Ableitungen gelöchert Iwein Sing. N. G.
,
Formenlehre
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585, löchereht, geörtert UJr. v. Lichtenstein 451, 29 zugrunde. Bei manchen Wörtern sind in der Frühzeit Plurale auf -er belegt, die sicb dann nicht durchsetzten, z. B. "eller Millst. Gen., möser Exodus, speller Herhort, getelere Titurel. Ein Plur. auf -er bei einem alten wa-Stamm ist spriuwer (zu spriu "Spreu"), bei einem ja-Stamm netzer (zu netze "Netz"). Die Regel für die Abstoßung des Flexions-e gilt auch für die Plurale auf -er: die langstämmigen werfen es ab (lember), die kurzstämmigen können es abwerfen oder behalten (reder und redere). 3. Verwandtschaftsbezeichnungen auf ·er § 69. Mehrere Verwandtschaftsnamen wurden im Idg. mit einem -ter-Element gebildet; im Westgerm.liegt den einzelnen Casus meist die Dehnstufe zugrunde. Im Ahd. sind die Verwandt,schaftsnamen schon weitgehend der eigenen Flexion verlustig gegangen (Hildebrandslied fateres statt fater Gen.). "ater und bruoder lehnten sich an die a-Deklination an. Kennzeichnend für die ursprüngliche Flexion sind endungslose Genetive und Plurale ohne Umlaut. ahd.
mhd.
Sing. N. A. fater "ater G. fater "ater(es) D. fater "ater(e) Plur. N. A. fatera "ater(e), "eter(e) G. fatero "ater(e), "eter(e) D. faterum vater(e)n, veter(e)n Ebenso flektiert bruoder. Die weiblichen Verwandtschaftsbezeichnungen muoter, tohler, swester sind in die 6-Deklination übergetreten, doch erscheinen im Plur. auch müeter, töhter neben muoter, tohter. Der Piur. swteger zu swdger "Schwager, Schwiegervater, Eidam" taucht spät auf. 4. Wurzelstämme
§ 70. Als Wurzelstämme bezeichnet man einsilbige Substantiva, deren Stämme auf Verschlußlaut enden. Im Mhd. haben nur Masculina und Feminina kennzeichnende Formen
• • • •_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _""""' ........, .• ,-,....,...
~,.
!!"f'!'
97
Das Substa'l1til1Um
bewahrt, nämlich man "Mann", geno3, "Genosse", brust .,Brust" und naht "Nacht". Die alten '\Vurzelstämme \lUD:? "Fuß" und bure "Burg" sind völlig in der i-Deklination aufgegangen. man hat doppelte Flexion: es wird wie ein a-Sto,mm behandelt oder es bleibt in allen Casus unflektiert. Beide Reihen sind schon ahd. vorha.nden mit Ausnahme von Nom. Ace. Plur. manne und Gen. Dat. Plur. man, die erst rnhd. auftauchen. Bei Hartmann und Walther ist Dat. Sing. man häufiger als manne. "Männer" kommt erst nhd. auf. geno3 kann. gleichfaUs nach der a-Deklination flektieren, doch sind daneben weiterhin endungslose Dat. Sing. und Nom. Ace. Plur. in Verwendung. In der Spätzeit wird das Wort auch schwach flektiert. naht ist in die i-Deklination übergetreten, wobei umgelautete und unumgelautete Formen vorkommen. Außerdem geht in einigen Casus die alte konsonantische Deklination daneben einher. i·Deklination
kons. Deklination
Sing. N. A. naht G. nahte, nähte naht ( nahtes) D. nahte, nähte naht Plur. N. A. nahte, nähte naht G. nahte, nähte D. nahten, nähten nahten nahtes ist nur in adverbialer Verwendung erhalten; es \\-ird unter Einfluß von tages für ein Masc. genommen und mit des oder eines verbunden (nhd. "nachts"). Die unumgelautete Form des Dat. Plur. lebt noch in "Weihnachten" (ze den wihen nahten). brust, das in die i-Deklination übergetreten ist, erinnert im Mhd. nur noch durch die selten belegte umlautlose Plur.Form bruste an die alte Deklination. 5. Substantivierte Participia praesentis
§ 71. Die substantivierten Part. Praes. "lant (,,€ene, pint "Feind"), heilant "Heiland", wigant "Kämpfer" sind in die a.Deklination übergetreten. Nur bei "riunt "Freund" verrät 1 Eil, Mhd. Ommm.
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Forl'l'Ienlehre
die neben Nom. Plur. I'riunde vorkommende Form vriunt die alte Flexion; im übrigen folgt auch vriunt der a- (i-)Deklination. e) Flexion der Personennamen 1. Deutsohe Personenna.men
§ 72. Die deutschen Personennamen zeigen gegenüber den andern Hauptwörtern zwei Besonderheiten: 1. Es findet eine Zuordnung der zusammengesetzten Namen zu der starken und der eingliedrigen Namen zU der schwachen Deklination statt; S€-/r.it ist stark, Otte schwach. 2. Die starken Masculina können den Ace. mit der Pronominalendung bilden (-en) , wie dies schon im Ahd. der Fall ist (-an); die starken Feminina sind im Nom. Sing. endungslos. Im einzelnen ist zu bemerken: Die Acc.-Endung -en tritt manchmal auch im Gen. und Dat. auf; das -e des Dat. kann auch im Ace. erscheinen;
Nom. Gen. Dat. Ace.
Si/rit Si/rides, Si/riden, Si/rit Si/ride, Si/riden, Si/rit Si/rit, Si/riden, Si/ride.
Verein:l<elt treten auch bei eingliedrigen Personen namen starke Casusformen auf (Gen. Beteles neben Betelen, Ace. Hagene, Uote neben Bagenen, Uoten). Geschlechts- und Stammesbezeichnungen kommen auch im Plur. vor; die auf -une und -ine sind auch im Plur. stark: Nibelune, -ges, Plur. Nibelunge, Dürine, Plur. Düringe. Starkes Femininum
Nom. Gen. Dat. Ace.
Kriemhilt Kriemhilde, Kriemhilden, Kriemhilt Kriemhilde, Kriemhilden, Krieemhilt Kriemhilt, Kriemhilden.
Das Substantivum
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Die seit dem 13. Jh. vorkommenden Familiennamen weiblicher Personen werden mit -in gebildet und wie die movierten Femina nach der i6-DekIination flektiert (vgl. § 63); katherin hofmenin,
Marga,eta toisentaverin, Olara Hätzlerin. 2. Entlehnte Personennamen
§ 73. Fremde Namen werden oft unverändert übernommen und wie in der fremden Sprache flektiert: Philippus,
Philippi, Philippo, Philippum; Hector, Hectoris, Hectori, Hectorem. Wenn die fremde Endung zu -e- abgeschwächt (Philippes, Ge6ries) oder in den deutschen Lautstand umgesetzt (Philippe, Ge6rie) oder abgestoßen wird (J6han, Merttn), so erscheinen die deutschen Casusbezeichnungen. Je nach dem Auslaut wird stark oder schwach flektiert. Masculinum
stark
schwach
N. Salom6n, Daries, Arttls G. Salom6nes, Darfeses, Ar-
ttlses D. ParEse, Arttlse A. ParEsen, Tristanen
Ge6rie, Philippe(s), Darte Ge6rien, Philippen, Philippesen, Darfen Bonifacien, Dafltden Philippen, Dafltden
Femininum stark
N.
schwach
Blancheflar
G. D. A. Blancheflure
Blanche/lar, Marte, EnUe Blanchefluren, Marfen, EnUen
f) EndungsZosigkeit
§ 74. Außer der in der Flexion begründeten Endungs-
losigkeit kommt im Mhd. der endungslose Gebrauch von Substantiven in bestimmter Verwendung vor. Die substantivischen Zahlwörter hundert und ttlsent werden in Verbindung mit andern Zahlen meist endungslos gebraucht. Die Maßwörter flU05, mare, stunt "mal" werden nicht flektiert, wenn sie mit einer Zahl verbunden sind: siben 7·
l!'"'=
100
Formenlehre
"uoa landes (daneben siben "üe3e lanc), zehen marc "on golde (daneben drter marke wert), drt stunt "drei Male", drfaec stunt, lilsent stunt. "Ersparung" der Flexion eines Substantivs ist möglich, wenn ein mit ihm zusammengehöriges, unmittelbar benachbart stehendes Substantivum die kennzeichnende Endung aufweist. Sind zwei Substantiva durch und, oder, noch verbunden, so kann das erste, seltener das zweite ohne Endung verwendet werden: weder kint noch tOdes ungeschiht; ea Wa:1ren magede oder kneht. Wenn von einem Hauptwort im Genetiv ein zweites genetivisches S!1bstantivum abhängig ist, so fehlt die Endung häufig beim übergeordneten Hauptwort: ich wil dich ergetzen dines mannes tad(es). Vor Eigennamen stehende Titel bleiben unflektiert: des künec Artilses. g) Subslantivadverbia
§ 75. Sämtliche Substantivadverbia sind erstarrte oblique Casus. Die genetivischen Substantivadverbia umfassen solche des Raumes und der Zeit und solche der Beziehung. Raum und Zeit: gerihtes "geradewegs", l>'lehtes "geradezu", des endes "in der Richtung", (des) tages, anders tages, nahtes, morgens, abendes, sumeres, des males eo tempore u. a. Beziehung: dankes "freiwillig", heiles "zum Glück", hOhes ltlles "lärmend". Die dativischen Adverbia haben instrumentale, lokativische oder zeitliche Verwendung. Instrumentalisch werden verwendet: ma:,en modice, unmaaen immodice, den worten "unter der Bedingung", triuwen re ",era. Lokativiscb sind: welchen enden, manegen enden, allen(t)halben "auf allen Seiten", beiden(t) halben, ander (t) halben, mtnen(t) halben. Zeitlich sind: nähten(t) "in vergangener Nacht, gestern abend", morgen(e) "am Morgen, wilen "vormals", Unter den akkusativischell Adverbien begegnen ein Ace. der Richtung (heim "heim") und im übrigen Akkusative der räumlichen und 2.eitlichen Erstreckung sowie solche der Beziehung. Räumliche und zeitliche Erstreckung: den wec "fort", halben wec, alle wege "überall, immer", ander halp,
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101
welchen ende "wohin", -wert (- wärts) in hinwert, danwert; ie (got. aiw "irgendeine Zeit"), die wUe, alle wUe, manege wUe, die lenge, manege stunde, alle Stzl,nt, ander stunt, tagelane, jdrlane. Akkusati.e der Beziehung sind: alle3 "in jpder Baziehung", ein teil, alle wi..'1, s6 manege wts, die maDe u. a. Zahlreiche Substantive erstarrten mit Präpositionen zu Adverbien: enhor sursum, enwege, ensprunge, enverte "unterwegs", enrihte recta via, begarwe "völlig", bezfte "beizeiten", benamen re vera, (sd)zehant "sogleich", (sd)zestunt "sogleich", ze stete statim, ze meile simul, ze rehte recto, dne mdöe immodice, sunder wane "ohne zu schwanken, zu zögern". 2. Da.s Pronomen
Die Pronomina haben vier Casus, die anders als beim Substantivum gebildet werden; drei Numeri (Singular, Dual, Plural); drei Personen; drei Genera. Die meisten Pronomina sind geschlechtig; ungeschlechtig sind das Personalpronomen der ersten und zweiten Person beider Numeri und die Reste des Reflexivpronomens. a) Das Personalpronomen oe) Das ungeschlechtige Personalpronomen
§ 76. Die mhd. Personalpronomina setzen die ahd. fort, doch treten auch die im Ahd. nicht überlieferten Duale im 14. Jahrhundert hervor. 1. Pers. ahd. mhd.
ih mtn D. mir A. mih Dual N. G. unker D. A. Plur. N. wir G. uns~r D. uns A. unsih Sing.N. G.
ich mtn mir mich
wir unser uns uns (ich)
2. Pers. ahd. mhd.
du dln dir dih
Reflexivum ahd. mhd.
du din sin sin dir dich sih sich e3 enker enk enk ir ir iuw~ iuwer iu iu iuwih iueh
102
Formenlehre
Der Sing. zeigt keine Unterschiede gegenüber dem Ahd. In unbetonter Stellung steht du, in betonter du; da. die letztere selten war, wurde das Wort nicht diphthongiert. Bei Rückneigung verschmilzt du mit dem Verbum und kann ganz verschwinden (bistu, biste, bist). Selten wird bei Rückneigung ich zu ech, häufiger ir zu er abgeschwächt. Oft werden Personalpronomina mit vorangehenden oder nachfolgenden Wörtern zusammengp-zogen (deich - da3 ich, ichn - ich en oder ich in, dU3 - du e3. Vor dem Genetiv eines Substantivs oder vor selbes wird mtn, dtn, stn durch mtnes, dtnes, sfnes ersetzt. unsih ist frühmhd. noch häufig, stirbt aber dann ab und wird durch uns verdrängt. Umgekehrt tritt iuch auch im Dat. auf, doch hält sich der Dat. iu viellä'nger als der Ace. unsih. Der Dual, 'der im Ahd. nur in einer Form belegt ist, aber im An., Ags. und As. in allen Casus vorliegt (as. 1. Pers. wit, unkero, unk, unk; ags. 2. Pers. git, incer, inc, inc) kommt in der mhd. Dichtersprache nicht vor, doch lebt im Bair.-Österr. der Dual der 2. Pers. Das Reflexivpronomen hat seiner Bedeutung wegen keinen N om. Der Dat. (got. sis, an. ser) fehlt im. Ahd. und Mhd.; an seiner Stelle wird der Dat. des Personalpronomens verwendet, doch dringt schon früh auch der Ace. des Reflexivpronomens in den Dat. vor. Wie im Ahd. gilt auch im Mhd. nur der Ace. für beide Numeri; der Gen. gilt nur für den Sing. und zwar nur für das Masc. und Neutr. Für das Fem. und den Plur. treten die entsprechenden Formen des Personalpronomens ein. In der folgenden Übersicht des "Reflexivpronomens" stehen die eigentlichen Reflexivpronomina. kursiv: Masc.
Sing. G. D.
A. Plur. G. D.
A.
sin ime sich
Fern.
ir ir sich ir in sich
1, ,j
'~
Neutr.
sin ime sich
·i;.;
..........................................
~.~
I
Pronomina
108
Im Dat. wird sick erst in der Neuzeit a.llgemein gebräuch. lieh. Die Verwendung des Reflexivums erstreckt sich im Mhd. auch auf Fälle, die im Nhd. nicht mehr möglich sind. Wenn ein Sa.t~ ins Passivum umgesetzt wird, so daß gar keine Rückbeziehung auf das Subjekt mehr vorliegt, wird das Reflexivpronomen beibehalten: des wart sick "on in ange· nomen. sick steht als Ace. beim Inf., wenn es sich auf das Subjekt des übergeordneten Satzes bezieht: er bat sick wisen zuo ir grabe.
ß)
Das gescblechtige PersonaJ.pronomen
§ 77. Das germ. Pronomen der 3. Person setzt das ana· phorische Pronomen des Idg. fort. Die mhd. Formen sind regulär aus den ahd. entstanden. ahd. mhd.
ahd. mhd.
ahd. mhd.
er Sing.N. er siu siu i3 e3 ira irre) sin es (sin) G. sin sin D. imo ime imo ime iro irre) sia sie A. inan in i~ e3 sio sie siu siu Plur. N. sie sie iro irre) G. iro irre) iro irre) D. im in (inen) im in (inen) im in (inen) siu siu A. sie sie sio sie Das Neutr. Nom. Sing. e3 gewinnt ~u Beginn des 12.Jahr· hunderts das Übergewicht über das ältere i3. Der Gen. Sing. Masc. sin ist das Reflexivpronomen; die zu erwartende Form es, die bereits im Ahd. fehlt, erhält sich im Neutr. bis ins 13. Jahrhundert neben dem auch dort häufigeren sin. Ein unerklärter Dat. eime begegnet im A. Heinr. Der Acc. Sing. Masc. in setzt sich im 12. Jahrhundert durch. Neben dem Nom. Sing. Fem. siu finden sich im Mhd. häufig die auch schon ahd. vorkommenden si und si; sie dringt aus dem Acc. und dem Plur. in den Nom. Sing. vor. Auch im Plur. wird die Unterscheidung von sie und siu durch Ausgleich oder durch den Gebrauch von si und si häufig verwischt. Der Dat. PIur. in kommt bereits ahd. vor; die mit der Ad·
104
Formenlehre
jektivendung erweiterte Form inen wird zwar schon im 12. Jahrhundert verein:z;elt belegt, setzt sich aber erst in der Neuzeit durch. Zusammenziehung mit vorhergehenden oder folgenden Wörtern ist häufig (dier = die er, deir = da3 er, erst - er ist). b) Das Possessivpronomen
§ 78. Die Possessivpronomina min, din, sin, ir, sin, unser, iuwer, ir setzen die ahd. Possessiva min, din, sin, ira, sin, unser, iuwer, iro fort. Die Possessiva der 1. und 2. Pers. sind vom Gen. des Personalpronomens gebildet, sin vom Reflexivstamm ; ira > ir und iro > ir sind Genetive von ahd. er. Bei ir (Sing. und Plur.) treten seit dem 12. Jahr· hundert adjektivische Endungen auf, die im 14. Jahrhundert die Herrschaft gewinnen (Nom. ir, iriu, ir ö Gen. ires, irer, ires; Dat. irem, irer, irem usw.). Die Possessivpronomina können adjektivisch und sub· stantivisch verwendet werden. Bei adjektivischer Verwen· dung bleibt der Nom. Sing. in allen Genera, der Ace. Neutr. und oft auch der Ace. Fern. unflektiert, selbst wenn sie rnit dem Artikel verbunden sind (min frouwe "meine Frau", ein min wange "eine meine Wange"). Auch bei substantivischer Verwendung sind diese Casus endungslos : der mint diu din, da3 sin. Der Dat. Masc. Neutr. lautet frühmhd. mineme, Woraus sich minem und (seltener) mime entwickelt; der Dat. Fem. lautet miner und minre. mines, miner, minem können in unbetonter Stellung zu mins (sogar mts), mir, mim werden. Zu unser werden im Md. unses, unsem, unse aus dem Stamm uns· gebildet; ähnlich werden zu iuwer Casus aus dem Stamme iuw- gebildet. Während der mhd. Zeit dringt auch die schwache Flexion bei den adjektivischen Possessivpronomina ein (diu sEne zunge; sine hant). c) Demonstrativpronomina und bestimmter Artikel
§ 79. Beim Demonstrativpronomen "der, die, das" ("dieser") sind im (ldg. und) Germ. zwei Stämme beteiligt.
:A
r r.
Pronomina
105
Bereits im Ahd. und z. T. auch im Äs. ist der für den Nom. Sing. benützte Sta.mm (got. sa, an. sä, a.s. se) dem für die übrigen Ca.sus benützten Stamm (Gen. as. thes, ahd. des) an· geglichen worden (as. the, the, thie, ahd. der), wobei im Ahd. die Endung nach dem Personalpronomen er geändert wurde. Dementsprechend hat auch da.s Mhd., da.s die a.hd. Neue. lungen beibehält, sämtliche Ca.sus des einfa.chen Demonstmt,ivpronomens von einem Sta.mm: der, diu, dfl3. Dieses alte Demonstmtivum wird gelegentlich weiterhin rein demonstmtiv verwendet; seine deiktische Kmft ist jedoch abgeschwächt, so daß es im Westgerm. zum Artikel wurde, vgl. § 80. An seiner Stelle wird diser alä reines Demonstmtivpronomen verwendet. Andere Demonstmtiva sind jener und selp. Ahd. dese ist durch die Zusa.mmensetzung des einfa.chen DemoDstmtivpronomens de mit der deiktischen Partikel se entstanden. Die Verbindung wurde als ein neuer, eigener Stamm betrachtet und mit den Flexionsendungen des starken Adjektivums ausgestattet. Nooh im Mhd. begegnen Sohreibungen mit e (deser) und mit ss (disse, disses). Der Gen. Plur. dirre ist duroh Ässimilation und Synkope aus disere entsta.nden. Masc. ahd. mhd.
Sing. N. G. D. A. Plur. N. G. D. A.
des~r
desses desemo desan dese desero des~m
dese
Fem. ahd. mhd.
diser, dirre disses, dises disem(e) disen dise diser(e), dirr(e) disen dise
desiu desera deseru desa deso desero desem deso
Neutr. ahd.
Sing.N. G. D. A.
dis desses desemo dis
mhd.
diz, ditze dises disem(e) diz, ditze
disiu dirre, diser(e) dirre, diser( e) dise dise diser(e), dirr(e) disen dise
Formenlehre
106
Plur. N. desiu, disiu disiu diser(e) G. desero D. desem disen A. desiu, disiu disiu Das Demonstrativpronomen jener (got. jains, ahd. jener), das adjektivisch und substantivisch gebraucht wird, flektiert wie ein starkes Adjektivum ; es hat keine flexionslosen und schwachen Formen. Im Mhd. kann vor jener der Artikel stehen (der jener, die jene zwene). selp flektiert stark und schwach. Im Gen. wird nur die starke Biegung gebraucht (min selbes, din selbes, sin selbes). Nach einem Personalpronomen und nach einem Substantivum kann stark oder schwach flektiert werden: ich selber ich selbe; got selber - got selbe. Nach dem bestimmten Artikel oder andem Demonstrativen ist selbe schwach: der selbe; dirre selbe. Hierbei entspricht der selbe Iat. is, dirre selbe lat. idem. Seit dem 13. Jahrhundert ist der Nom. Sing. Masc. selber erstarrt, desgleichen der Gen. selbes, und jede dieser Formen kann für jeden Casus eintreten: dich selber, dich selbes; im selber, im selbes. Daher stammen die nhd. Synonyma "selber" und "selbst" selbes + t [spätmhd.]).
«
Der a.lte Demonstrativstamm hi- lebt in Mute "heute" (ahd. hiutu < hiu taga) und hiuTIl "heuer" (ahd. hiuTU < hiu jaTU) fort.
§ 80. Der bestimmte Artikel setzt das einfache ahd. Demonstrativpronomen fort. Im Sing. Neutr. hat sich der Instr. erhalten. Mase. ahd. mhd.
Sing. N.
G. D. A. 1. Piur. N. A.
G. D.
der der des des demo dem(e) dm den die der (e) den
Fem. ahd.
mhd.
diu dera (-u) deru dea, dia
diu der(e) der(e) die die der(e) den
.DJ«)t .
Neutr. ahd. mhd.
daö des demo daö diu
daö des dem(e) daö dia dia der (e) den
Pronomina
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Der Instr. wird nur in Verbindung mit Präpositionen gebrauoht: Clon diu, ze diu, after diu. In "desto" (mhd. deste, ahd. des diu) ist der Instr. bis heute bewahrt. Im Mbd. wird deste oft mit dem Komparativsuffix versehen: dester. Die Formen deme, dere kommen während der mhd. Zeit außer Gebrauoh; sie sind im Md. a.m häufigsten. diu wird oft durch die ersetzt. Im Md. kommen r-Iose Nom.Sing.Ma.sc. vor: de, de, die, di. In unbetonter Stellung kommen mannigfache Abschwächungen des Artikels vor. da,; erscheint als deö oder de in deich (- daö ich), deist (= da5 ist), deiswar, cUswar (da3 ist war); statt diu und die erscheint de und d vor Vokal; für der wird vor Vokal zuweilen dr geschrieben; in Anlehnung an folgende Wörter können em, en, er, es, eö oder m(e), 17., r, s, 3 statt dem, den, der, des, de,; geschrieben werden (sandern - des andern, man3 - man da,;). Der Gebrauch des Artikels weicht auf mancherlei Weise vom Nhd. a.b. Der Artikel kann nur dann vor Eigennamen verwendet werden, wenn ein Titel oder Attribut vorangeht; aber auch vor dem Titel wou fehlt er meist: der junge sun woun Uoten. Auch vor weiblichen Namen im Gen. fehlt der Artikel: der sweher Kriemhilde "der Schwiegervater der Kriemhilde". Hä.ufigerals im Nhd. fehlt der Artikel nach Prä.positionen (zu Lande, über Meer, auf Erden): ze ritter machen, ze kirchen, ze helle, von sedele sttin "vom Sitz aufstehen". Im Heldenepos fehlt der Artikel a.uch oft vor Substantiven mit nachgestellten Genetiven wie eßt des vergen, in hove Sigemundes. Auoh Substantive, die durch einen Relativsatz näher bestimmt sind, brauchen keinen Artikel (si stShen kampf. der vor in was). desgleichen kurze Heischesätze (tuo her schilt). Besonders häufig fehlt er bei Abstra.kta.: ist
zwtfeZ herzen nachgeb-arj Arttls erloubte Keien sMt. Dagegen wird der Artikel manchmal auch dort gesetzt, wo er nbd. nicht am Pla.tze ist. Er kann ein du der Anrede vertreten (nu zeige um übeT'; wa3,;er, da3 aUer wtseste wtp). Der bestimmte oder unbestimmte Artikel kann vor Possessivpronomina stehen (die 8ine man; ein mtn gast). Bei Collectiva. bat oft das zweite den Artikel (silber und da,; gofe). •,
d) Relativpronomina
§ 81. Das Demonstrativpronomen der diu da,;, das parataktisch einen Hauptsatz an einen vorangehenden Haupt-
Formenlehre
108
satz anschließt, erlangt dcn Charakter eines Relativpronomens, wenn es einen Nebensatz mit dem vorangehenden Hauptsatz verbindet (hypotaktischer Satzbau). Ort wiederholt es ein am Schluß des ersten Satzes stehendes der diu da3, die durch die Partikeln dar, da oder die Adverbia da(r) "wo", dar "wohin", dannen "von wo", d6 "als", danne "wenn", s6 (als6, alse, als), wie, sam (alsam) verstärkt werden können. Relativpronomina mit verallgemeinerndem Sinn sind swer "wer immer" (aus s6 + wer = lat. si qllis), sweder "werimmer von beiden", swelch "welcher immer". Im Spätmhd. wurden swer, sweder, swelch zu wer, weder, welch, von denen welch zu dem häufigsten Relativpronomen wurde. Die ursprünglichen wer, weder, welch, mit denen jene verallgemeinernden Relativpronomina zusammenfielen, sind von Haus aus Interrogativpronomina. Auch die Personalpronomina der 1. und 2. Pers. dienten bis ins 13. Jahrhundert als Relativpronomina, z. B. vater unser, du da bist in himele; nu get zuo ir juncfrouwen, ir dd mit girde nie gek6stet. s6 wird als Relativpronomen am Ende des Mittelalters beliebt. e) Interrogativpronomina
§ 82. Das Interrogativpronomen hat nur männliche und sächliche Formen im Sing. Das Masc. wird auch für das Fern. verwendet. Plurale werden nicht gebildet. Das Neutr. bewahrt noch den Instr., der nur in Verbindung mit Präpositionen vorkommt (von wiu, zewiu, after wiu). Masc..Fem. ahd.
mhd.
Neutr. ahd.
mhd.
(h)wer wer (h)wa3 wa3 G. (h)wes wes (h)wes wes D. (h)wemu wem(e) (h)wemu wem(e) A. (h)wenan wen (h)waJ wa3 I. (h)wiu wiu Von demselben Stamm sind weder "welcher von beiden", weUch "welcher" (dazu das Correlativum solich, solch) und wielich "wie beschaffen" abgeleitet. weder hat neben dem Sing. N.
Pronomina
,,
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unflektierten Nominativ (disjunktive Fragepartikel) auch starke Flexionsendungen (Nom. Mase. wederer, daneben wederre; Fem. wederiu; Neutr. weder(c)3). welich wird attributiv und prädikativ verwendet. Es flektiert wie ein starkes Adjeetivum, doch bleibt der Nom. meist endungslos. Es bedeutet ursprünglich "wie beschaffen" (got. *hwa-Ieiks). soUeh, solieh, solch setzt got. swa-leiks "so beschaffen" fort. Es wird auch vordeutend gebraucht, z. B. dem sagt er sölhiu rruere ("folgende Geschichte'~). wielich (- wie-lieh "wie beschaffen") ist veraltet und kommt während der mhd. Zeit außer Gebrauch. Frageadverbia sind: wä(r) "wo", war "wohin", wannen "woher", wie "wie", wande "weshalb"; in der Verbindung wande ne (gewöhnlich wanne, wan) dient das letztere als Konjunction im Wunschsatz (wan mügen si in raten "warum raten sie ihnen nicht !"). I) I ndelinitpronomina
I I
§ 83. Die Indefinitpronomina. sind in drei Bedeutungsgruppen zu ordnen: 1. irgendeiner, irgendetwas; 2. keiner, nichts; 3. jeder, alles. 1. "Irgendeiner, etwas" kann durch einfache und zusammengesetzte Wörter ausgedrückt werden. Altes Erbe ist sum (got. sums), das im Aussterben begriffen ist. An seiner Stelle wird meist das Zahlwort ein verwendet ("irgendeiner" oder "ein gewisser"), das flektiert oder (in substantivischer Verwendung) unflektiert gebraucht wird (der werden ein). Das ahd. wiht "etwas", niwiht niowiht "nichts" setzt sich im :Mhd. als ihl ,etwas" (von niht losgelöst) und "iht fort. Der adverbiell gebrauchte Ace. von iht hat die Bedeutung "irgendwie" • Die Zusammensetzungen sind mannigfaltig. ete-, eteskann mit dem Fragepronomen wer zu etewer, etwa3. eteswer, eteswa~ und mit dem Suffix -lieh zu eteUch, etesUch, etzlich zusammengesetzt werden. etelich kann noch weiter mit ie verbunden werden, so daß ie-etelich > ietlich (ebenso ieeteslieh> ieteslich, ieslich) entsteht. dech und nech wird mit dem Indefinitpronomen ein zU dechein, dehein, kein, nech.ein, nekein
110
Formenlehre
und mit dem Fragepronomen weder zu dechweder > deweder "irgendeiner von beiden" zusammengesetzt. deweder seinerseits wird noch mit ein verbunden (eindeweder, eintweder, entweder). ie wird mit man zusammengesetzt (ieman "jemand"). ne weiö wer "ich weiß nicht wer" ergibt neiöwer "irgendeiner" . 2. "Keiner, nichts" ergibt sich durch Verneinung von "irgendeiner, etwas". Von nekein wird kein losgelöst und als Verneinung amgefaßt. ieman wird zu nieman "niemand" verneint. neweder und enweder bedeutet "keiner von beiden ". Verneintes wiht ergibt niwiht, nieht, niht oder bei Umstellung enwiht "nichts". Die Negationspartikel niht ist ein erstarrter Ace.; der Gen. nihtes ergibt nhd. "nichts". 3. "Jeder, alles". In der Zusammensetzung mit geUch ergibt Gen. Plur. manne: mannegeUch, maneclich, mennegUch "der Menschen jeglicher - jeder". Durch Ausfall von geentstehen manneltch, menlich. Auch mit ie wird geUch zusammengesetzt zu iegeUch, iegUch, wozu unter Einfluß von ieteslfch auch noch iegesltch gebildet wird. Das Interrogativpronomen welch wird mit ie zU iewelch "jeder" verbunden. weder ergibt mit te ieweder "jeder von zweien", das zu ieder zusammengezogen wird, aber erst spät die Bedeutung "jeder" annimmt. Statt ie und zugleich mit ie kann auch ge- mit weder verbunden werden zu geweder und iegeweder. ie kann auch mit dem Compositum deweder zusammengesetzt werden, so daß iedeweder > ietweder entsteht. Wie ein starkes Adjektivum wird al behandelt, das aber auoh endungslos bleiben kann. Als Adverbium bedeutet al "ganz und gar", desgleichen auch das während der mhd. Epoche veraltende alles (Gen.); dagegen hat alleö (Nom. Neutr.) die Bedeutung "immer" Anhang: Pronominaladverbia
§ 84. Erstarrte Casus von hinweisenden Fürwörtern sind des "deshalb", after des "nachdem", flor des "vorher", "on dill (Instr.) "deshalb", ze dill (Instr.) "deshalb" u. a. Das Fmgepronomen erstarrte in wes (Gen.) "weshalb", mit Will, "on Will (Instr.) "weshalb", durch waö (Ace.) "weshalb" u. a.
______________ r·. .
... - •..
W~M'.!I\t"':r:
Das Ad;ekti""m
111
3. Das Adjektivum a) Deklination
,
l
§ 85. Auch beim AdjektiVUDl sind nach dem Stammauslaut verschiedene Klassen zu unterscheiden. Im Mhd. sind aber nur mehr aj6- (und wajw6-, ja/j6)-Stämme vorhanden. Die i-Stämme (~. B. got. hrains "rein") und die u-Stämme (z. B. got. hardus "hart") sind in die ja/j6-Deklina.tion übergetreten. Eine Folge der i- und u-Deklination macht sich im Mhd. nur dadurch bemerkbar, als endungsund umlautlose Formen neben den auf -e endigenden und Umlaut zeigenden Formen weiterbestehen, so hart neben herte, swdr (urgerm. *sweriz) neben swrere, glich - grehe "schnell", rasch - resche, sch6n - schame "schön", su03 - sUe3e "süß", trfic - trrege "träg", wuost - wüeste" wüst". Ist der Wurzelvokal nicht umlautfähig, so zeigt allein das Nebeneinander von Formen mit und ohne -e den Übertritt in die ja-Deklination an: dick - dicke "dicht", grfs grfse "alt, grau", her - here "ansehnlich", bereit - bereite "bereitwillig", rfch - rfche "reich, mächtig" u. a. Für die Flexion haben diese Reste keine Bedeutung. Die große Masse der Adjectiva. gehört in die a/6-Klasse, ~. B. heil "gesund", siech "krank", swach "gering", michel "groß", tougen "heimlich", gemach "passend", alle abgeleiteten wie heilee "heilig", geloubec "gläubig", steinfn "steinern", guldfn "golden", steinoht, steineht "steinig", himelisch "bimmHsch", desgleichen die Composita. auf -lirA, -haft, -sam, -falt sowie alle adjektivisch gebrauchten Part. Prät. der starken und schwachen Verba. Die wa-Stämme unterscheiden sich nur dadurch von den reinen a-Stämmen, daß in obliquen Casus und bei der Steigerung das w in Erscheinung tritt: blli - bldwer "blau", gra - grawer "grau", fr6 - fr6wer "froh", kal - kalwer "kahl", !lal - !lalwer "falb", gar - garwer "gerüstet, bereit", zese zeswer "recht" u. a. ~. , Die ~a.hlreichen ja-Stämme lassen umlautfähige Wurzelvokale umlauten, enden in der Regel auf -e und zeigen häufig Konsonantengemination drrete "schnell", mrere "berühmt",
Formenlehre
112
widerZIBme "unangemessen, widerwärtig", smmhe "gering", sprehe "klug", wrege "geneigt", wrehe "kunstvoll, sohön", dünne "dünn", dürre "dürr", liigge, lücke "lügnerisoh", grüene "grün", gei'üege "klein", diemüete "demütig", mitte in der Mitte befindlioh", veige"dem Tode verfallen". Hier. her gehören die Adjeotiva auf ·blere wie wandelbIere "tadel. haft" und alle Part. Praes. auf ·ende. Hinsiohtlioh der Flexion spielt beim Adjeotivum im Mhd. der Stammauslaut keine Rolle mehr. Man untersoheidet die starke und sohwaohe Flexion nach der Endung und jedes Adjeotivum kann stark und sohwaoh behandelt werden. Da· zu kommt nooh die floxionslose Verwendung. Bei der starken Flexion werden nominale und pronominale Endungen ver· wendet. Die nominale Flexion entsprioht beim Maso •. und Neutr. der a.Deklination, beim Fern. der 6·Deklination der Substantiva. Die sohwaohe Biegung des Adjeotivums ist von den Germanen in Abweiohung vom Idg. systematisoh aus· gebildet worden. Sie gleioht bei aUen Genera der Flexion der substantivisohen n·Stämme. Im Mhd. ist der nhd. Stand im wesentliohen bereits erreioht; lediglioh darin liegt ein Untersohied, daß auoh der Aco. Sing. Fem. auf ·en ausgeht. Die mhd. Deklinationsendungen sind die reguläre Fort· setzung der ahd. Nach dem Synkopierungs· und Apokopie. rungsgesetz werden bei Adjeotiven auf ·1 oder ·r die unbe· tonten oe· der Mittelsilbe synkopiert (holme statt holeme, michelre statt michelere), während bei anderem Stammsohluß einsilbiger Adjectiva das letzte e apokopiert wird (blindem, blinder statt blindeme, blindere). oe) Die starke Deklination
§ 86. Der im Ahd. nooh vorhandene Instr. ist im Mhd. ge-
sohwunden. Sing.
Plur.
ahd.
Masc. N. blint, bUnt~r G. bUntes D. bli,uemu A. blintan
ahd.
mhd.
bUnt, blinder bUnte blintero blindes blindem(e) blint~m blinte blinden
______________
.........
yI'll3~J
mhd.
blinde blinder(e) blinden blinde
. . . . . , ·,---..
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In .. ' ....
nr.lllmrrnFPFt1~·
,
Das Ad;ektilJUm
118
Fem. N. bUnt, blintiu blint, blintiu blinto blinde G. blintera blinder(e) blintero blinder(e) D. blinteru blinder(e) blint2m blinden blinde A. blinta blillto blinde Neutr. N. bUnt, blintaz blint, blindea blintiu blindiu G. blintes blindes blintero blindt.r(e) blindem(e) blint~m blinden D. blintemu A. blint, blintaz bUnt, blindea blintiu blindiu Hierbei haben folgende Casus pronominale Endungen: die Nom. Sing mit Endungen (-er, -iu, -ea entsprechen der, diu, daz), der Gen. Sing. Fem. (-er entspricht der), die Dat. Sing. (-em(e) ... deme, er(e) = der}, die Ace. Sing. Masc. Neutr. (-en - den, -eö - daa), die Nom. Piur. Masc. Neutr., die Gen. Plur., die Ace. Plur. Masc. Neutr. Die endungslosen Nom. Sing. entsprechen der starken subEttantivischen Flexion: perus, -a, -um - mhd. Masc., Fern., Neutr. wär wie tac, bU03. wort. Sie werden als "unflektiert" bezeichnet, haben aber die Flexionsendungen lautgesetzlieh eingebüßt. Bei Adjectiven auf -r oder -er tritt mitunter -re hinzu, so daß die Schreibungen anderre, bitterre, warre, SWlerre, tiurre entstehen. Bei Adjectiven auf -en wird im Dat. Piur. kein -en angehängt (gepangen). Die Endung -iu, die zuweilen späten Umlaut bewirkt (älliu, selten ändriu) wird md. zu oe, bair. zu -eu. Die starke Deklination wird beim attributiven Adjeetivum angewendet, wenn dieses allein steht oder einem flexionslosen Artikel oder Pronomeu folgt: ein guoter man; mtn lieber sun; manec I:uoter ritter. Nach aller steht in der Regel die starke Form, ausnahmsweise auch die schwache: u aller guoter kündekeit - alleö rremiscM ricke. PossessIvpronomina werden meist stark flektiert: die unser besten friunde.
ß)
Die schwache Deklination
§ 87. Die schwache Deklination der Adjectiva entspricht genau der schwachen des Substantivums. Sie wird angewendet, wenn das Adjectivum hinter einem stark flektierten 8 Eis, Mhd. Oramm.
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Formenlehre
Wort steht (der guote man; alle guoten ritter), beim substantivischen Adjectivum (ein tßte "ein Toter") und bei Anreden im Plur., auch wenn kein ir davor steht (guoten liute). Zuweilen steht die schwache Form auch beim Superlativ (aller dinge wirste ["schlimmstes"] ist der tßt) und nach aller (alle5 rcemisehe rfehe). Zuweilen stark, zuweilen schwach wird das Adjektiv nach dirre flektiert (dirre triiebe liehte schtn - dirre ungevüeger schal). Nach ein und nach dem Possessivpronomen kommen beide Deklinationen vor, sogar unmittelbar nebeneinander (einer werden süoer minne). Auch hinter dem Personalpronomen wird stark und schwach flektiert (mir armer oder mir armen). y) Endungslosigkeit
§ 88. Die endungslose Form ist bei prädikativer Verwendung vorherrschend (der man ist guot), doch begegnet auch hier die starke Form (der tugent was er milder). Im Nom. Sing. Masc. und Nom. Ace. Sing. Neutr. steht das Adjectiv zuweilen unflektiert vor dem Hauptwort (grß5 jamer, guot gebrerde, ein grüene gras); hinter dem Hauptwort bleibt es ohne Rücksicht auf Casus und Numerus unfIektiert, doch findet sich auch in dieser Stellung gelegentlich ein flektiertes Attribut ein (boten manigen), sogar neben dem bestimmten Artikel (der knappe guoter). Im attributiven Nom. Sing. Masc. und Nom. Ace. Sing. Neutr. bleiben dehein, kein und Possessivpronomina stets endungslos (ein /rouwe, mfn /rouwe). ein, dehein, kein, iegelfch, iesUeh können in substantivischer Verwendung endungslos gebraucht werden, wenn ein Gen. part. von ihnen abhängig ist: ir iegesUch, der zweier ein. Einige Adjektiva können nur prädikativisch endungslos verwendet werden, z. B. schfn, ge war, gewon, gehao. Vereinzelt begegnen unfIektierte Adjectiva auch hinter dem bestimmten Artikel (Gernßt der hßchgemuot). Von mehreren durch und verbundenen Eigenschaftswörtern kann eines unflektiert sein (armer unde her). b) Steigerung
§ 89. Im Ahd. wurde die Steigerung mit den Suffixen -ir-ist- (die idg. Suffixe fortsetzen) und den Suffixen -ßr- -ßst-
j .J
Das Ad;ektiwm
I' !
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(die germ. Entstehung sind) durchgeführt. Im Mhd. sind die beiden Komparativsuffixe in -er und die Superlativsuffixe in -est zusammengefallen, doch weisen die mit -ir- -ist- gesteigertenAdjectiva Umlaut auf. ZahlreicheAdjectiva haben heide Steigerungsreihen (elter - alter, smeler - smaler, lengest -langest). Der Komp. verkür:l;t die Endung -ere (ahd. -lro, -ira) in der Regel zu -er. Nach r, l, n bleibt das Schluß-e von -ere erhalten, doch wird das vorausgehende e ausgestoßen (luterre, tiurre, daneben tiurer). Das -e- des Sup. wird in den flektierten Formen meist ausgestoßen, besonders nach langer Silbe auf -r (herste, tiurste). Im Sup. wird -3 oft an ost assimiliert, doch bleiben daneben die nichtassimilierten Bildungen lebendig: grreste - grre3este, beste - be33iste, leste -le33iste. guot "gut", übel "böse", michel "groß" und lützel "klein" haben keine Komparative und Superlative; zum Ersatz treten (wie im Idg. bei denselben Begriffen) andere Stämme ein. Das Mhd. setzt regulär das Ahd. fort. guot be33er beste übel wirser wirs(es) te michel m2r(r)e, merer meiste lützel minner, minre minnest(e), minste Zu einigen Komparativen und Superlativen fehlt der Positiv; er wird von hegriffsverwandten Adverbien und Präpositionen abgeleitet. e< er erer, erre erest, erste inner innerste in obe ober, öber oberste, öberst u3er, iU3er U3 u3erste I'or "order, "örder "orderste nider niderste under underste alter hinder hinderste er ist selbst schon Komp. des Adverbs e. Nur Sup. ist leste, le33iste, dessen Pos. la3 ist, das aber in der Bedeutung nicht zu leste paßt. 8·
\*.~ . .----------------------------------------------------------
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Formenlehre
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Während im Ahd. (wie im Wgerm. durchaus) der Superlativ schwache Flexion hatte, kommt im Mhd. auch die starke Flexion vor. Der Nom. Sing. des Komp. kann ebenfalls schwach sein, wobei das -e abfällt, so daß der Anschein der Endungslosigkeit entsteht (lenger für lengere: der, diu, daö lenger) Auch der Sup. hat eine (nur selten gebrauchte) endungslose Form. Im J\1'bd. ist das -e des Komp. wieder hergestellt, und nur in prädikativer Verwendung erscheint der endungslose Komp. ("das längere Stück", aber "das Stück ist länger"). Der endungslose Sup. ist im Nhd. außer bei "allerliebst" gesohwunden. e) Adjeetivadverbia
§ 90. Die Adjectivadverbia sind erstarrte Casus, am häufigsten Nom. Ace. Sing. Neutr. (z. B. "il, ahd. tilu "viel, sehr") oder Entsprechungen zu idg. Instrumentalen (lat. subiw, got. galeikö, ahd. gilihho, mhd. geUche "gleich"). Adjectivadverbia werden zu allen drei Steigerungsstufen gebildet. Adverbia. zum Positiv
Die Endung des mhd. Adverbs ist -e (ahd. -0). Die zu Adjectiven auf -e gebildeten Adv. unterscheiden sich von den Adj. nur durch das Fehlen des Umlauts. Adj.
Adv.
Adj.
Adv.
snel snelle enge ange geUch geltehe "este "aste hOch hOhe schcene schOne eben ebene sptete spate übel übele süeöe suoöe Eine Ausnahme ist edele, zu dem auch das Adv. edele heißt. Mitunter werden auch die umgelauteten Adj. als Adv. verwendet (süe.3e, sWlere); auch geUch begegnet an Stelle von gelfche. Das Adv. garwe veraltet während der mhd. Zeit und ~ird durch gar ersetzt. Den auf -lieh endenden Adj. ordnen sich Adv. auf -liehe, zu j -liehe wird auch zur Bildung der Adv. zu den auf -ec endenden Adj. verwendet (S8!lecslelecliche). Die Adverbia zu den auf .iseh endenden Adj.
,
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haben in der Regel kein ·e. Zu süe3e gibt es außer dem Adv. suo3e auch suo3Uche, zu trrege neben trage auch tracUl'he. gllot hat kein Adv. vom selben Stamm; es tritt dafür wol ein. Keine Adj .. gibt es zu den Adverbien gerne "eifrig, freiwillig", mihe, "erre, olte, gestern. Das Adv. eht, ~t, oht, ot "nur, eben, nun einma!", ist aus dem ahd. Adv. ecker6M > eckorM > eckert > ockert ("dünn, zart" zu dem Adj. ecko· r6d~) verkürzt. Das starke Neutr. liegt alle3 zugrunde (mit Partikeln: alle3 an, alle5 hin). Der erstarrte Gen. alles (zu got. aljis) bedeutet "anders", alleswa "anderswo". alles (Gen. zu all bedeutet "ganz und gar". Andere genetivische Adv. sind selbes, anders, eines "einst", strackes, gahes und gahens "plötz· lieh", twerhes "quer", niuwes "neuerdings", fnwertes, ü3wer. tes, ü!wertes, niderwertes u. a. Akkusative liE'gen in über ein, über al, "ür guoe, "ür war vor. Dative sind enmitten, enzwischen (mit in zusammen· gesetzt), z2rest, ze ware (mit ze zusammengesetzt). Die mei· sten Adv. auf ·en sind als Dat. Plur. zu erklären, doch ist bei manchen die Entstehung ungeklärt. Hierher gehören ein· zeln, ndhen(t), miuen(t) und alle auf .lichen, z. B. Mrltchen, gezogenltchen "artig". Der Instr. ist in mit alle erstarrt. Adverbia. zum Komparativ
Komparative sind die Adv. ba3 "besser", !ürba3 porro magis, wirs "schlechter", 2 "früher", sit (sider, sint, sint) "später", m2 und m2re "mehr", min, minner, minre "weni. ger", halt "vielmehr". Die Komparativadverbia zeigen kei. nen Umlaut, da ahd. ·6r. zugrunde liegt (langer, h6her, scM· ner). Adverbia zum Superla.tiv
Die einsilbigen Superlativadverbia haben in der Regel keinen Umlaut, da meist ahd . •6$t, seltener •ist zugrunde liegt: langest, h6hest, scMnest. Manche Adv. werden mit der Prä. position verwendet: ze 2rest (ze 2rste, ze dem 2rsten), ze jungest(e), ze lest(e), ze "orderst(e). Adv. von unregelmäßigen Superlativen sind meist ( e), minnest (minste), wirsest (wirste) •
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Formenlehre
4. Da.s Zahlwort a) Kardinalzahlen
§ 91. Im Mhd. sind die Zahlwörter für 1-3 dreigeschlech-
tig und deklinabel; die idg. Dreigeschlechtigkeit von 4 erhielt sich im germ. Bereich nur im An. Die Zahlwörter für 4-12 sind ungeschlechtig und deklinabel, können aber auch unflektiert verwendet werden. Alle höheren Zahlwörter sind indeklinabel. Der Bildung nach sind 1-10, 100, 1000 (entsprechend dem idg. Dezimalsystem) einfache Zahlwörter, alle andern zusammengesetzte. 11 und 12 sind mit -li! zusammengesetzt; der Einschnitt nach 12 ist durch den Einfluß des babylonischen Duodezimalsystems zu erklären, der auch nach 60 und 120 Einschnitte verursachte. 13-19 sind mit dem Zahlwort für 10 zusammengesetzt (-zehen, ahd. -zehan), die Zehnerzahlen 20-90 mit -zec (ahd. -zug "Dekade"), das frühmhd. auch noch in zehenzec (= 100) vorkommt; das ahd. -zo bei 70-100 kommt im Mhd. nicht mehr vor. Neben hundert erscheint vereinzelt auch noch hunt. Die kollektive Zweizahl wird (wie ahd.) durch beide, bede ausgedrückt, die kollektive Dreizahl durch drzunge (gegenüber ahd. drznissa).
ein wird als starkes Adj. behandelt (einer, einiu, eine?,) . . Schwach flektiertes eine bedeutet "allein~'. Sieh auch § 83, 1 und 92. 2 und 3 flektieren folgendermaßen: Masc.
Fem.
Neutr.
zwene zwo, zwuo, zwd zwei G. zweier, zweijer, zweiger (so auch Fern. u. Neutr.) D. zwein (so auch Fem. und Neutr.) 3 N. A. drt, drie drz, drie driu G. drier, drijer, driger (so auch Fem. und Neutr.) D. drin, drin, drten (so auch Fem. und Neutr.) Bei 3 ist der Dat. i die Fortsetzung von got. prim, ahd. drim; drin zeigt Angleichung an die audern Casus; die Einschiebung eines -e- im Gen. Dat. Fem. zeigt den Übergang zur Adjektivflexion an (drz-e = guot-e, dr€-en = guot-en). 2 N.A.
Das Zahlwort
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4-12 können entweder wie starke Adj. behandelt oder endungslos gebrauoht werden. Sie lauten: • 4 pier, piere, pieriu 5 (altertümlioh tint), tünt, tünpe, tünpiu
6 sehs, sehse, sehsiu 7 siben, sibene, sibeniu 8 ahte, ähte, ähtiu 9 niun, niune, niuniu 10 zehen, zehen(e), zeheniu 11 einlit (einZet, eil!, elf) 12 zwel!, zwelpe tin! wird erst im 12. Jahrhundert duroh tun!, !iun! verdrängt. Die folgenden Zahlwörter lauten: dl'izehen, driuzehen;
pierzehen ; !üntzehen; sehzehen; sibenzehen; ahtzehen; niunzehen; zweinzec, seltener zwenzec, seit etwa 1400 auoh zwanzig Weiter wird gezählt: eine3 unde zweinzec, zwei unde zweinzec lIsf. Auoh die Zehnerreihe drf3ec, pierzec usw. ist endungslos. 1000 heißt auoh zehenhunt, zehenhundert; 100000 hundert tllsent, zehenzec tllsent. Dazwischen liegende Werte werden ausgedruckt: 150 !ün!zec unde hundert oder hundert unde tün!zec; 2000 zwei tllsent, zweinzec hundert. Bruchzahlen: anderhalp, drittehalp, drithalp, pierdehalbe$ unde dri3ec. Die Zahlwörter bis 20 können als Substantiva und als Adjectiva verwendet werden. Bei substantivischer Verwendung erscheinen sie mit partitivem Genetiv, wenn das zugehörige Hauptwort von einem Adj.,Demonstrativ- oder Possessivpronomen begleitet ist, z. B. starker rigeZe zwene, sfner tohter
piere, diser trilben zweinzec. § 92. Anhang: Der un bestimmte Artikel. Als unbestimmter Artikel dient das Zahlwort ein. Es wird in der Regel im Sing. gebraucht, doch kennt das Mhd. auch einen Plur. Dieser wird vordem P.lurale tantum (zeinen ptingesten, zeinen sunewenden) und im übrigen nur in Fällen verwendet, die eine singularische Auffassung gestatten: ze
einen stunden, in einen ztten, einer dinge, mit einen sachen, pon einen genaden, ze einen eren.
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•
Forlmnlehre
Der unbestimmte Artikel flektiert stark, während das Zahlwort ein neben dpm bestimmten Artikel schwach ge• braucht wird. Der un bestimmte Artikel kann - wie der be. stimmte - demonstrative Bedeutung haben; dann entspricht er einem nhd. "jener" (di edele herzoginne, eines rEchen Rune. ges barn). Er kann auch das Personalpronomen vertreten: genäde, ein (= du) küniginne; dal bedenke, em (- du) schreneö wtpl Neben verallgemeinernden Fürwörtern und Adverbien ist der unbestimmte Artikel entbehrlich: swal munt (Ion schrene Mt gesaget; nie keiser wart 96 rfche. Er fehlt auch, wenn eine Wecbselbeziehung zwischen Wesen der gleichen Gattung aus· gedruckt wird (friunt sol friunde bi gestan), in der Wendung ende nemen u. Ö. Er kann zur Bezeichnung einer bestimmten Menge eines Stoffes (er trane eines wa33ers) und bei Verglei. chen (grüene alsam ein gras) verwendet werden. b) Ordinalzahlen
§ 93. Die Ordnungszahlen werden wie die Superlative schwach flektiert, nur bei ander (das ahd. nur stark gebogen wurde) treten auch starke Formen auf. Die Ordinalia 1. und 2. werden von fremden Stämmen ge. bildet. erste (ahd. eristo) ist Sup. zu got. air "frühe"; das abd. furisto setzt sich im Mhd. nicht fort. 2. wird (in allen germ. Dialekten) durch das Pronominaladjectivum ander (anderer, anderiu, andereö) ausgedruckt. 3.-19. werden mit dem Suffix -Ie (ahd. -10) gebildet: driUe (ahd. dritto), (lierde (ahd. feordo), fünfte (ahd. fimfto), sehste (ahd. sehsto), sibende (a.hd. sibunto), ahtode ahtede ahte (ahd. ahtodo), niunde (ahd. niunto), zehende (ahd. zehanto), einlifte eilitte eiltte elIte (ahd. einlifto), zwelijte zwelfte (ahd. zwelifto) usw. Im Ahd. wurde bei 13.-19. -to an beide Kompositions. teile angefügt (sibuntozehanto) , wobei nur der zweite Teil flektiert wurde. Bereits bei Notker erhält der erste Teil die Form der Kardinalzahl; daher sind im Mhd. die Ordinalia 13.-19. Komposita aus Kardinalzahl und Ordinalzahl: drizehende, "ierzehende usw. gegenüber ahd. driuozehanto, jiordo.
Das Zahlwort
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zehanto usw. Die Ordinalia von 20. aufwärts sind wie im Ahd. gleich den Superlativen mit ·este (ahd . •c1sto) gebildet: drt5egeste, ahd. drtzugc1sto. Neben hundertste kommt auoh zehenzegeste vor. c) Zahladverbia und Zahladjectiva
§ 94. Für 1-3 gibt es Elinfaohe Zahladverbia: eines "ein. mal", zwir "zweimal", drts "dreimal" (nur md., sonst drt. stunt). Die andern Zahladverbia. werden durch Zusammen. setzung der Kardinal. und Ordinalzahlen mit stunt oder werbe oder mal gebildet. stunt ist Aoc. Plur. des Fem. stunt (ahd. stunta "Mal"); werbe setzt den ahd. Ace. Plur. warb (zu hwarba "Umdrehung") fort und wird ziemlich selten ge· brauoht; mal wird erst im 13. Jahrhundert gebräuohlioh. sibenstunt"siebenmaI", tusent warbe "tausendmal", drt5ec maZ "droißigmal" ; anderstunt, anderwarbe, zum anrJern male "zum zweiten Mal". Einfache Zahladjeotiva sind einic "einzig" und zwisc "zwiefach" (davon Dat. PI ur. zwischen, enzwischen). Die übrigen Zahladjectiva sind mit .lieh, .uaeh (seit dem 14. Jahr. hundert), .valt zusammengesetzt oder durch genetivische Um· schreibungen mit hant, hande und .Zeie gebildet: einZieh "in eins geflochten", zwilieh "zweifädig, zweifach", drilieh "drei. fädig"; zwiuach, uieruaeh usw.; einualt, zehenualt usw.; dazu zwispilde "zweifach", zwispaltec; einerhant, vier hande; drier Zeie, aktleie.
11. Das Verbum 1. Die Verbalformen a) Die konjt.gienen VerbaltoTmen (Verbum finitum)
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§ 95. Bei der Konjugation des Verbums sind zu berüok· sichtigen: 1. Genera. Im Mhd. ist wie im Ahd. nur ein Genus mit selbständigen Formen vorhanden, das Activum. Das Pas· sivum wird durch Umschreibung mit Hilfsverben ausge. druckt. Beim Passivum wird unterschieden, ob das Leiden in der Gegenwart, in vergangener oder zukünftiger Zeit an· da.uert oder abgesohlossen ist. Im ersten Falle wird das Part.
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Formenlehre
Prät. des transitiven Verbums mit werden verbunden (ich wirde geslagen, ich wart geslagen), im zweiten mit sen (ich bin geslagen, ich was geslagen). Wenn ausgedrüokt werden soll, daß keine Wirkung oder Folge fortdauert, kann seit dem 13. Jahrhundert das Part. Prät. mit stn worden verbunden werden (nu was e3 auch über des jares zil,da3Gahmuret ge-
prtset pil was worden da ze Zazamanc). Die Unterscheidung der perfektiven und imperfektiven Aktions· art ist im Mhd. nicht stets scharf durchführbar. Perfektive Verba bezeichnen den Eintritt oder Abschluß eines Zustands oder einer Handlung (vindrn, treffen, sitzen in der Bedeutung "sich setzen"), imperfektive einen Verlauf oder ein Fortdauern (gan, tlarn, sitzen in der Bedeutung von "sitzen"). Perfektive Verba bilden das Perf. mit Mn (ich Mn tlunden), imperfektive mit sin (ich bin gevarn). Die Dauer einer Handlung kann durch Zuhilfenahme von 8in besonders verdeutlicht werden (alle die mich sehende aint), der Eintritt eines Zustands mit werden (si werden got sehende "si'e werden in die Lage geraten, daß sie Gott erblicken"). Zusammengesetzte Verba sind meist perfektiv; besonders er· und ge· wirken perfektivierend (bUen "warten", erMten "bis zum Erfolg warten"; swigen "schweigen", ge· stclgen "verstummen"). Die perfektivierende Kraft von ge· ist im Mhd. im Schwinden.
2. Tempora. Nur Präsens und Präteritum haben eigene Formen. Das Präsens drüokt häufig die Zukunft aus, manohmal auoh das Futurum exactum (swenne iuwer sun gewähset, der trmstet iu den muot). Das Präsens historioum ist im Mhd. wenig üblich. Das Präteritum steht auch für den grieoh. Aorist und das lat. Perfectum historicum. Beliebt sind in· finitivisohe Wendungen wie si walden Volkeren ze tode er· slagen kan. Das Futurum wird, sofern es nicht duroh das Präsens ersetzt wird, duroh Umsohreibung des Infinitivs mit sol und (häufiger als im Ahd.) auoh mit wil gebildet, insbesondere beim vermutenden Futurum (wil ich triuwe pinden, alda ich kan perswinden als piur in dem brunnen 1). Auch Umsohrei· bung mit muo5 ("ich habe Gelegenheit") kommt vor. Die Umschreibung mit werden ist selten. Das Futurum exaetum wird durch das Praesens oder das Perfeotum ersetzt. Bei
DIU Verbum
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allen Umschreibungen steht ursprünglich statt des Inf. das Pa.rt. Pra.es. (ich werde gebende). Der Conditionalis mit würde setzt sich erst a.m Ende der Periode durch (ich würde gebende, ich würde geben). Imperfect, Perfect und Plusquamperfect werden durch das Prät. ausgedrückt. Plusqu.: da3 man in slt lebendec sach, den ir hant sluoc unde stach. Perf. und Plusqu. werden bisweilen auch bereits mit sill. (intransitiv) und haben (transitiv) ausgedrückt: ich bin gese03en, ich was gese35en; ich Mn gegeben, ich Mte gegeben. Auch das Präfix ge- kann das Plusqu. vom Prät. unterscheiden: ich sach (Prät.), ich gesach (Plusqu.).
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Na.ch Jakob Grimm werden die Verba in starke und schwache eingeteilt; diese Bezeichnung spielt damuf a.n, daß die starke Konjugation gewissermaßen aus eigner Kraft heraus fähig ist, das Prät. zu bilden, während die schwache hiezu eines Zusatzes am Wortende bedürftig ist. Die starken Verba bilden die Grundformen mit Hilfe des Ablauts; dabei sind vier Formen zu berücksichtigen (Präs., Sing. Prät., Plur. Prät., Part. Prät.). Die schwachen Verba bilden das Prät. mit einem Dentalsuffix, dem wahrscheinlich das Verbum "tun" zugrunde liegt. Als unregelmäßig bezeichnet man die Reste anderer Klassen, die sich nicht oder noch nicht völlig in die beiden Ha.uptklassen einreihen lassen.
3. Modi. Es sind zwei volle Modi, Indikativ UI1d Konjunktiv (historisch eigentlich Optativ), vorhanden, dazu der Imperativ, der auf das Präs. beschränkt ist. Der Indikativ ist als Modus der Aussage in allen Tempora am häufigsten. Das Präs. des Konj. drückt die Zuversicht auf Erfüllung des Wunsches aus, das Prät. deutet Zweifel an. Der Konj. der gemilderten Behauptung verteilt die Tempora nach dem Charakter des Satzes: im abhängigen Satz steht das Präs. zum Ausdruck der gemilderten Behauptung, im Hauptsatz das Prät. sowohl bei Wahrscheinlichkeit als auch bei Zweifel und Irrealität. Der Imp. der 2. Pers. Sing. und Plur. will andere Personen zu Handlungen veranlassen, bei der 1. Pers. Plur. ist der Sprechende mit eingeschlossen (Adhortativus, formell dem Konj. entsprechend) .
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Formenlehre
4. Numeri. Das mhd. Verbum hat wie das ahd. nur mehr Singular und Plural. 5. Personen. Es werden in allen Tempora im Sing. und Plur. drei Personen unterschieden. b) Die deklinierten Verbal/ormen (Verbum infinitum)
§ 96. Der Infinitiv kann substantivisch gebraucht werden und infolgedessen von dem Artikel (im Neutrum) und Attributen begleitet sein. Dabei bleibt ihm aber soviel verbaler Charakter erhalten, daß er auch mit Adverbien oder präpositionellen Wendungen verbunden sein kann, wie es im Nhd. nicht mehr möglich ist (ir dringen "aste gein dem tor). Der Inf. kann an Stelle des Participium Praeteriti stehen, wenn ein zweiter Inf. damit verbunden ist: ir habt e3 olte ha!ren sagen (- "sagen gehört"). Diese Verwendung scheint Sä.tzen nachgebildet zu sein, in denen ldöen oder hei3en. vorkommt, deren Part. Prät. und Inf. gleich lauten. Als Gerundium erscheint darIni. im GenetivoderDativ (sldlenneszttj mitweinenne). DerDativ kommt nur in Verbindung mit Präpositionen vor (swes im an wahsenne gebrast). Das Participium praesentis geht auf -ende (ahd. -ande) aus (nemende, sehende) j in einigen substantivischen Participien ist -ant noch erhalten (heilane, wigant). Ahd. -6nti setzt sich im Bair. als -unde fort, das schon früh von der 6n-Klasse, der allein es ursprünglich zusteht, auch auf andere Klassen übertragen wurde. Das Part. Präs. wird wie ein starkes Adj. flektiert. Es hat aktive Bedeutung. Seine Beziehung zum Substantivum ist bei attributiver Verwendun~ freier als im Nhd., so daß auch Konstruktionen möglich sind, die heute unstatthaft wären: klagende swtere "Bekümmernis, über die man klagt", üt der jagenden weide "im Jagdrevier". Es vertritt auch heutiges Passivum: windende hende "Hände, die gewunden werden", diz ane sehende leit "dies Leid, das angesehen wird". Die Part. Präs. durativer Verben können auch mit sin umschrieben werden (daö er der werldeschedeliche lebende ist),desgleichenmit werden (er wirt mich gerne sehende), was den Eintritt einer Handlung kennzeichnet.
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" ~
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Das Participium praeteriti wird bei starken Verben auf -en, bei schwachen auf -et, -t gebildet; bei schwachen Verben der 6n-Klasse kommen Part. Prät. auf -61, -ot noch häufig im Reim vor (lierwandel6t: n6" gewarn6t: t6t, gesegenot: got). Bei flektierter Verwendun~ treten die Endungen des starken Adjektivs hinzu, seltener die des schwachen (-e ein IIerworhte, unbekande). Die Vorsilbe ge- wird zu g- verkürzt, wenn der Stamm vokalisch anlautet (geooen, garn, g~ret), doch kommen daneben auch Formen mit ge- vor (geea,en, gearn, ge~ret). Auch vor konsonantischem Anlaut steht zuweilen g- (gwunnen, gnomen). Ohne ge- werden regelmäßig IIlmden, worden, komen, braht, troffen, manchmal auch ldaen, geben, nomen verwendet. ltelen hat kein ge-, wenll es die (ursprüngliche) Bedeutung "zu Ende gehen" hat; heiaen und jehen können ohne ge- gebraucht werden, wenn sie als Hilfswörter fungieren. Da ge- ursprünglich perfektivierend wirkte, trat die Vorsilbe nicht hinzu, weil jene Wörter keiner Perfektivierung bedürfen. Später trat ge- analogisch auch bei diesen Wörtern auf; heute bildet nur mehr worden das Part. Prät. ohne ge-. Abweichend vom Nhd. haben im Mhd. auch die Fremdwörter mit unbetonter erster Silbe ge-, das einen Nebenton trägt; vgl. § 7. Die Part. Prät. der transitiven Verba bilden mit sen das Passivum des Perf. und Plusqu., mit Mn das Activum des Perf. und das Plusqu., mit werden das Passivum des Präs. und des Prät. In passiver Bedeutung werden sie prädicativ und attributiv verwendet. Aktive Bedeutung haben trunken "getrunken habend", ungel~en "nicht gegessen habend - nüchtern", genoz.~en "Vorteil habend", enbi33en "gefrühstückt habend" u. a. Die intransitiven Verba zerfallen in zwei Klassen. Die eine wird in aktivem Sinn prädikativ und attributiv verwendet; deren Part. Prät. dient mit stn zur Bildung des aktiven Perf. und Plusqu. Das Part. Prät. der anderen wird mit Mn zur Bildung des aktiven Perf. und Plusqu. und mit sin zur Bildung eines unpersönlichen Passivums verwendet. Vom Nhd. weichen ab: ich Mn gellolgu, Mn oder bin
gellarn, geloulen, geriten, gerant, geslrichen, gewaten, gelllogen,
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Formenlehre
gestigen, entwichen; mir ist getroumet (selten Mt getroumet); ich Mn gelegen "habe gelegen" - bin gelegen "habe mich gelegt, bin zu Fall gekommen, liege" u. a. c) tJbersicht über die mhd. Verbal/ormen in ihrem VerhäUnis zu den ahd. § 97. Präsens Indikativ ahd.
Sing. 1. nimu 2. nimis(t) 3. nimit Plur. I. nemames 2. nemet 3. nemant
nime nimest nimet nemen nemet nement
Infinitiv mhd.
neme nemes(t) neme nemen nemet nemen
neme nemest neme nemen nemet nemen
Imperativ mhd.
a.hd. Sing.2. nim Plur.1. nemames Plur.2. nemet ahd.
Konjunktiv ahd. mhd.
mhd.
nim nemen nemet
Gerundium ahd. mhd.
Part. Präs. ahd. mhd.
neman nemen G. nemannes nemennes nemanti nemende D. nemanne nemenne Präteritum Indikativ Konjunktiv ahd. mhd. ahd. mhd.
Sing. 1. 3. nam 2. nami Plur.1. namum 2. namut 3. namun
nam nami rueme namfs(t) namen namtm namet namU namen namtn
nt:eme ruemest ruemen ruemet ruemen
Part. Prät. ahd.
mhd.
ginoman genomen Die Personalendungen gelten für alle starken Verba. Bei den schwachen Zeitwörtern erscheinen folgende Abweichun·
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Das starke Verbum
gen: Der Imp. 2. Sing. endet auf -e (ahd. Ai, -0, -e : suochi > suoche, salbo > salbe, habe> habe); das Prät. lautet: Indikativ ahd.
mhd.
Konjunktiv ahd.
mhd.
Sing. l. 3. suohta suochte suohti suochte 2. suohtos(t) suochtest suohtis suochtest Plur. l. suohtum suochten suohtfm suochten 2. suohtut suochtet suohtU suochtet 3. suohtun suochten suohtin suochten Das Part. Prät. lautet gesuochet, gesalbet, gehabet (ahd. gisuochit, gisalbot, gihabet). Während alle Endungsvokale zu e abgeschwächt sind, sind die Wirkungen der ehemaligen Vokale am Umlaut (du nreme) und an der Brechung zu erkennen; ahd. stihhit, stehhant - mhd. stichet, stechent; ahd. biugu, biogant - mhd. biuge, biegent. Diese Veränderungen sind auch bei Schwund des e, der bei kurzsilbigen Verba auf -r und -1 eintrat, bewahrt: ahd. hilit, helant - mhd. hilt, helnt; ahd. sciru, sceret - mhd. schir, schert. Das -t der 3. Plur. Präs. fällt im Spätmhd. in Angleichung an das Prät. ab, bei dem l. Plur. und 3. Plur. bereits spätahd. zusammengefallen waren. 2. Sta.rke Verba
a) W urzeZ und Bindevokal
§ 98. Im Idg. waren die Präsensformen des Verbums dreiteilig: an die Wurzel tritt ein Bindevokal, an diesen die Personalendung. Das kennzeichnende Merkmal der verschiedenen Klassen des starken Zeitworts war der Bindevokal. Dagegen werden im Mhd. (wie auch bereits im Ahd.) die starken Verbalklassen durch die Wurzelvokale gekennzeichnet. ~
I ~
Die Hauptmasse der mhd. Verba. ist aus idg. Verben mit dem Bindevokal e/o hervorgegangen; seltener sind Verba mit einstigem Bindevokal jefjo, bei denen im Westgerm. Umlaut und Konsonanten· gemination auftrat (got. ha/ja, ahd. he/fiu "hebe"); noch seltener solche mit ne/no, dertm n schon im Westgerm. auch in da.s Prät.
1- - - - - - - ...
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Formenlehre
eindrang, und solche mit einem Nasal.Infix. Ein Rest der letztem ist mhd. •Ia.n.den (neben häufigerem ,'dn), Prät• •tuo·' (neben auch schon ahd. vorkommendem ,tuo·n·t). Indem einerseits die durch jeljo bewirkten L&utveränderungen im Mhd. beseitigt sind (hebe "hebe") und anderseits die Merkmale des Präsensstammes auch ins Prät. eindrangen, können die starken Verba im Mhd. nicht mehr nach den einstigen Bindevoka.len klassüiziert werden.
Während im Idg. das Prät. meist durch Reduplikation gebildet wurde und der Ablaut weniger häufig angewendet wurde, ist im Germ. der Ablaut systematisch ausgebaut. Die im Got. noch vorhandene Reduplikation ist im Nordgerm. und Westgerm. aufgegeben. Im (Ahd. und) Mhd. ist sie nur mehr an ihren Folgen zu erkennen, und die Gruppe der ehe. maligen reduplizierenden Verba wird als 7. Klasse der ab· lautenden Verba betrachtet. Das Klassifizierungsmerkmal der mhd. starken Verben ist der Ablaut der Wurzelsilbe. Es sind stets vier Formen des starken Zeitworts zu betrachten, in denen sich die Ab· lautreihen darstellen. Der eine Vollstufenvokal erscheint in der Prä sen s wurzel, der zweite Vollstufenvokal in de~ und . 3. Pers. Sing. des Präteritums. Die 2. Pers. Sing. und der Plur. des Prät. zeigt die Schwundstufe oder Dehnstufe, das Part. Prät. die Schwundstufe oder die Vollstufe (und zwar den Vokal der Präsenswurzel). Vgl. § 20. b) Die Ablautklassen 1-6
1. Klasse §99. Der ersten Ablautreihe entsprechend haben die Verba der ersten Klasse die Wurzelvokale f, ei, i, i (Vollst., Vollst., Schwundst., Schwundst.) Reihe 1 a: rften " reiten " ahd. rEtu reit ritum giritan mhd. rite reit riten geriten Grammatischen Wechsel zeigt ahd. snfdu, sneit, snitum, gisnitan "schneiden", mhd. snfde, sneit, ·sniten, gesniten•.
Da. starke Verbum
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Nach § 26 erscheint ~ an Stelle von ei vor k, w (r): Reihe 1 b: zthen "zeihen" ahd. zEhu zeck zigum gizigan mhd. ztht ~ch zigen gezigen Die Verba dieser Klasse sind sehr zahlreich. In die Reihe la gehören z. B.: biten "wartelI", blichen "glänzen", grinen "winseln, knurren", kUben "kleben", sUchen "leise und langsam gehen", swichen "im Stiche lassen, betrugen", sEgen "sinken", swfnen "sohwinden"; grammatischen Wechsel zeigen u. a. lfckn "leiden" - liten, sniden "schneiden" - sniten, miden "meiden" - miten, nfckn "hassen" - niten, riden "drehen" - riten, rtsen "fallen" - rirn (daneben auch risen, Part. Prät. gerisen). In die Reihe 1 b gehören: dihen "gedeihen" - deck - digen - gedigen (gramm. Wechsel), rEhen "heften, auflltekken", sEhen "seihen, sickern", lthtn "leihen"; Doppelformen haben schrf(g)en und spE(w)en: schrei und sehre, spei und spe (lautgerecht sind sehrei und sp~; sehre und spei sind Angleichungen). 2. Klasse
Entsprechend der zweiten Ablautreihe erscheinen in den GrundfolTlen die Wurzelvokale ie, ou, u, 0 (VoIJst., Vollst., Schwundst., Schwundst.); 0 statt u im Part. Prät. erklärt sich nach § 22. Reihe 2a: biegen "biegen" ahd. biogan boug bugum gibogan mhd. biegen boue bugen gebogen Grammatischen Wechsel zeigt ahd. kiosan, k6s, kurum, gikoran "kiesen", mhd. kiesen, k6s, kurn, gekom. Nach § 26 erscheint 6 statt ou vor t, d, 3, s, k: Reihe 2b: bieten "bieten" ahd. beotan b6t butum gibotan mhd. bieten Mt buten geboten In die Reihe 2a gehören u. a.: kUeben "spalten", liegen "lügen", slielen "schlüpfen", smiegen "sich schmiegen", triegen "trügen". Verba mit inlautendem w behalten iu durch alle Formen des Präs., z. B. bliuwen "schlagen", ich bliuwe 9 Eh, Mhd. Oramm.
L
p. 130
FOTmen~hTe
(blou, bluwen, gebluwen), briuwen "brauen", kiuwen "kauen", riuwen "schmerzen". Im Präs. u haben luchen "schließen", sufen "saufen", sugen "saugen" (souc, sugen, gesogen). Zu tuchen "tauchen" gibt es noch das Part. Prät. betochen. In die Reihe 2b gehören: dieöen "rauschen", nieöen "genießen", rieöen "weinen", pliehen "fliehen" u. a. Grammatischen Wechscl zeigen sieden "sieden" (sot, suten, gesoten), perliesen "verlieren", priesen "frieren", ziehen "ziehen" u. a. 3. Klasse
Die drit~ Klasse enthält Verba mit gedeckten Nasalen oder gedeckten Liquiden. In den Grundformen erscheinen i (e), a, u, u (0) (Vollst., Vollst., Schwundst., Schwundst.). Reihe 30.: brinnen "brennen" ahd. brinnan bran brunnum gibrunnen mhd. brinnen bran brunnen gebrunnen Reihe 3 b: werfen "werfen" warf wurfum giworfan ahd. werfan warf wurfen geworfen mhd. werfen Wie brinnen gehen: brimmen "brummen", krimmen lImit den Klauen packen", limmen "brüllen", dimpjen "dämpfen", krimpfen "fest zusammenziehen", drinden "schwellen", schinden "die Haut abziehen", sckrinden "sich spalten", slinden "schlingen, sich winden", twingen "niederdrücken", dinsen "schleppen" u. a. Wie werfen gehen: gelten "gelten", kerren "schreien", scherren "scharren", werren "wirren, stören", bellen" bellen", hellen "hallen", schellen "schallen", wellen "rollen", belgen "sich aufschwellen, zürnen", telben "graben", bepelken "befehlen", swelgen "verschlucken" u. 80. 4. Klasse
Diese Klasse enthält Verba mit Präsensvokal e vor einfachen Nasalen oder Liquiden, seltener anderen Konsonanten. Die Grundformen haben die Vokale e, a, d, 0 (Vollst., Vollst., Dehnst., Schwundst.). stdlum ahd. steZan stal gistolan stdlen mhd. steln stal gestoln
E
Das starke Verbum
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I
Hierher gehören: nemen"nehmen", swern "eitern, schmerzen", hein "verhehlen", queln "leiden", bern "gebären", brechen "brechen", rechen "rächen", sprechen "sprechen", trechen "schieben, scharren", plehten "flechten", dreschen "dreschen", leschen "löschen", dehsen "Flachs schwingen". Neben quemen "kommen" kommt häufig komen vor: Sing. 1. kume, 2. 3. kumst, kumt (kümst, kümt), Plur. komen (kumen); Prät. quam, quamen (daneben kam, kamen, kom, komen). zemen "ziemen, gefallen" bildet auch ein Part. Prät. gezemen; ebenso lesen - gelesen, treten - getreten, genesen - genesen. Das entspricht der 5. Klasse.
\
'I
5. Klasse
In diese Klasse gehören Verba mit dem PräsensvokaI e vor verschiedenen Geräuschlauten. In den Grundformen erscheinen e, a, a, e (Vollst., Vollst., Dehnst., Vollst.). ahd. geban gab gooum gigeban mhd. geben gap gooen gegeben Wie geben gehen: wegen "bewegen, wägen", pflegen "sich einer Sache oder Person annehmen", kneten "kneten", weten "binden", jehen "behaupten", jeten "jäten". Grammatischen Wechsel zeigen jesen "gären" - jaren, lesen "lesen" - laren (daneben lasen; Part. Prät. gelesen, vereinzelt geleren), genesen "genesen, gerettet werden" - genaren (daneben genasen; Part. Prät. genesen, selten irneren), wesen "sein" waren. Bei jehen, jesen, jeten geht das anlautende j vor i in g über (daher 1. 2. 3. Sing. gihe, gihest, giht). pflegen hat doppeltes Part. Prät. : gepflegen und gepflogen. Drei Verba, deren Präs. mit ja-Thema gebildet wurde, haben Konsonantengemination: bitten (got. bidjan), sitzen, licken (daneben häufiger ligen). 6. Kla.sse
I
Die Verba dieser Klasse haben in den Grundformen die Vokale a, uo, uo, a (Vollst., Dehnst., Dehnst., VoIIst.). ahd. faran fuor fuorum gifaran mhd. parn puor puoren geparn
J,~' - *- - -
I
132
Formenlehre
Hierher gehören: laden "laden", waten "waten, durchdringen", waschen "waschen", spanen "verlocken", maln "mahlen" u.a. Grammatischen Wechsel zeigen slahen "schla.gen" (sluoc, sluogen, geslagen), twahen "waschen" (twuoc, twuogen, getwagen). Umlaut-e in Präs. weisen auf: entseben "wahrnehmen" (entsuop, entsuoben, entsaben, daneben auch entsebete, entsebet), swern "schwören", heben "heben". Unregelmäßige Präs.-Formen haben backen (durch Angleichung bachen), gewähenen "erwähnen". heben, swern und schephen "schöpfen" haben j-Präsentia. c) Die AblautkZasse 7 (reduplizierende Verba)
§ 100. Die ursprünglich reduplizierenden Verba werden als 7. Klasse der starken Verba betrachtet. Im Nordgerm. und Westgerm. wurden die reduplizierendon Verba durchgreifend umgestaltet. Die Entwicklung führt vom Urgerm. *lelOl (got. laUöt) über *lelet > *Jeet zu aisl. a.gs. asä. let = ahd. lia3, mhd. liez. got.
asi.
abd.
mbd.
nhd.
hafhait het, hiet hiaz hiez "hieß" latlOt let, liet liaz lie3 "ließ" *Iallang leng jiang vienc "fing" *halhau heu hio hie "hieb" *walwöp wiop wiol wiel "schrie" Sämtliche reduplizierenden Verba haben im Mhd. im Sing. und Plur. Prät. ie; die Wurzelvoka.le des Präs., mit denen die des Part. Prät. jew~ils übereinstimmen, sind mannigfaltig. Den mhd. ie des Prät. entsprechen im Ahd. z. T. ia, z. T. io. Wegen dieses Zusammenfalls ist die ahd. Einteilung der reduplizierenden Verba in ia- und io- Vorba für das Mhd. nicht mehr zu gebmuchen. Man ordnet daher die ehemaligen reduplizierenden Verba im Mhd. nach dem Stammvokal des Präs. und Part. Prät. in Groppen. 1. Groppe: vallen - viel - vielen - gevallen Hierher gehören bannen "bannen", walgen "sich wälzen", halsen "umhalsen", salzen "salzen", schallen "stoßen", valten
Reduplizierende Verba
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"falten" u. a. Abweichende Präs. haben erren, ern "pflügen" (ier, ieren, gearn) und gan, g~n "gehen" (giene, gie, giengen, (ge)gangen; vgl. § 108. 2. Gruppe: slAfen - slief- sliefen - geslAlen Hierher gehören beigen "zanken", blasen "blasen", räten "raten", braten "braten". Doppelformen hat la3en, lan -liet,
lie - gelaDen, gelan. 3. Gruppe: l.aulen -lief-liefen - geloufen Neben lief begegnet obd. liuf, neben liefen und geloulen auch lullen und gelollen. bIlwen "wohnen, das Feld bestellen" hat schwaches Prät. (bIlwete, bIlte) und doppeltes Part. Prät. (gebilwen und gebilwet). 4. Gruppe: scheiden - schiet - schieden - gescheiden Hierher gehören sweifen "schweifen", mei3en "hauen", heiDen "heißen", zeisen "zupfen" (seit dem 13. Jahrhundert schwach). eischen "fordern, heischen" und flreischen "erfahren" bilden neben dem älteren schwachen Prät. (eischte, flreischte) auch ein starkes (iesch, vriesch).
5. Gruppe :sto3en - stie3 - stieDen - gestaDen In diese Gruppe gehören nur noch schroten .. hauen, schneiden" und M3en "schlagen, stoßen", das aber auch schwach vorkommt. 6. Gruppe: roofen - rief- riefen - geruofen In diese Gruppe gehörte das ausgestorbene bloo3en "opfern" und sonst nur noch woofen "schreien, wehklagen". rllOfen und woofen haben Nebenformen mit Umlaut (rüefen, wüefen) und im Prät. auch schwache Formen (ruofte, wao/te). Über toon s. § 107. 3. Schwache Verba a) Bindevokale
§ 101. Für die Einteilung der schwachen Verba ist der Stammauslaut maßgebend. Das Ahd. hatte drei Klassen schwacher Verba. Die crste Klasse hat den Bindevokal -e-, das aus -ja- hervorgegangen ist (got. sök-ja-n, ahd. sooch-e-n, got. nas-ja-n, ahd. nerie-n); die zweite Klasse -ö- (got. salbäon, ahd. salb-ä-n); die dritte Klasse -2-, das aus -ai- hervor-
Formenlehre
134
gegangen ist (got. 2. Sing. /Jah-ai-s, ahd. dag-e-s). Im Mhd. sind die unterscheidenden Themavokale in -e- zusammengefallen oder geschwunden. Da.s Prät. und da.s Part. Prät. werden mit einem dentalen Tempuszeichen gebildet, da.s offenbar aus dem Wort "tun" entstanden ist. Es lautet im Ahd. -ta und -t, im Mhd. -te und -t. Dieses Tempuszeichen tritt bei einem Teil der janVerben, bei allen on- Verben und bei allen en- Verben an den stammbildenden Bindevokal an, bei zahlreichen anderenjanVerben aber ohne Bindevokal an die Wurzel. Mit Bindevoka.l:
ahd. denita mhd. denete
lobOta lobete
Ohne Bindevoka.l:
klebeta klebete
dahta dahte
b) ,an. Verba
§ 102. Bei den jan-Verben sind drei Gruppen zu unterscheiden: kurzsilbige, langsilbige und Verba pura.. Zu den kurzsilbigen rechnet man die mit kurzem- Wurzelvokal vor einfachem Konsonant, zu den langsilbigen die mit langem Wurzelvokal vor einfachem Konsonant und solche mit mehrfacher Konsonanz; die Verba pura. haben vokalischen Wurzelausla.ut. Alle jan-Verba mit mehrsilbiger Wurzel werden wie Iangsilbige behandelt. Im Präsens lauten umlautfähige Wurzelvokale um. Während im Ahd. nur a umgelautet ist, erscheint im Mhd. der Umlaut auch bei anderen Vokalen. Kurzsilbige
La.ngsilbige
Verba pura.
ahd. nerien, leggen wanen, krumben stien, mllen mhd. nern, legen w~nen, krümben s~jen, mueJen Bei kurzsilbigen erscheint in den j-haltigen Formen des Präs. im Westgerm. Konsonantengemination ; im Prät. trat die Gemination nicht ein, weil keine j vorhanden waren. Im Präs. fehlt im Ahd. die Gemination lautgerecht in der 2. 3. Pers. Sing., weil dort nichtj, sondern i stand: ahd. Inf. zellen, 1. Sing. zellu, 2. 3. Sing. zelis, zelit; Inf.leggen, lekkan, 1. Sing. lekku, 2. 3. Sing. legis, legit. Während im Frühahd. die Neigung bestand, einen Ausgleich nach den geminierten Formen
ilfji
Das 8chwache Verbum
135
herbeizuführen (stepfu, stepfis statt *steffis), wird seit dem Spätahd. häufig die Schreibung der 2. 3. Pers. Sing. verallgemeinert; daher heißt es mhd. Inf. legen, ich lege (statt lecke), du legest, er leget. Doch sind zahlreiche Geminationen auch im Mhd. erhalten: retten, knüssen "zerstoßen", bücken "biegen, bücken", decken u. a. Im Prät. tritt Umlaut auf, wenn der Themavokal-i- vorhanden war; wenn das Prät. ohne Bindevokal gebildet wurde, fehlt der Umlaut. Da auch zu den umlautlosen Prät. häufig Präsensformen mit Umlaut gehören, entsteht der Anschein, als ob die Präterita rückumgelautet wären. Der von J. Grimm geprägte Ausdruck "Rückumlaut" ist irreführend, denn die betreffenden Prät.-Formen besaßen niemals umgelautete Wurzelvokale. Im allgemeinen gilt die Regel, daß kurzsilbige jan- Verba. das Prät. mit Bindevokal bildeten und daher Umlaut erlitten, die langsilbigen dagegen keinen Themavokal hatten und deshalb umlautfrei blieben. ahd.
mhd.
nern, neTte kurzsilbig nerien, nerita langsilbig brennen, branta brennen, brame Kurzsilbig sind denen "dehnen", weln "wählen", queln "quälen", entsweben "einschläfern", wern "wehren, verteidigen", lernen "lähmen", hügen "denken", "rürnen "vorwärts kommen, nützen" u. a. Neben zeln "zählen, erzählen", seln "übergeben", tweln "zögern, sich aufhalten", legen "legen" gibt es geminierte Nebenformen, die während der mhd. Zeit veralten (zellen, sellen, twellen, leggen) ; Prät. und Part. Prät. dieser Verba kommen mit und ohne Umlaut vor (zelte - zalte, selte - salte usw.). Das ~e- des Prät. fiel wie nach r und 1 auch nach w nachträglich aus ("röuwen - "röute, ahd. frewita). Bei den langsilbigen handelt es sich z. T. um solche, die schon urgerm. ohne Bindevokal gebraucht wurden. Hierher gehören würken - worhte (got. waurkjan - waurhta) "wirken", denken - dtlhte (got. pagkjan - pahta) "denken", bringen (md.
Formenlehre
186
brengen) - brahte (got. briggan - brakta) "bringen", brachen - brüchte (got. brükjan - brühta) "brauchen", ferner dünken - dahte "dünken", IIürhten - ~'orhte "fürchten" u. a. Die Part. Priit. lauten geworht, gedaht, gebrdht, gebraht, gedaht, gellorht (daneben unge"orhten, unerllorhten, auch ge"ürhtet). Zum andern Teil ging der Bindevokal erst infolge des westgerm. Synkopierungsgesetzes verloren, das kurz vor Beginn der ahd. Überüeferung wirksam wurde. Es beseitigte die kurzen Mittelvokale nach Jangen Silben, so daß im Ahd. kein Umlaut erscheint. Hierher gehören brennen - brante (got. brannjan - brannida, aber ahd. brennen - branta), bewIeren bewarte "als wahr dartun", hatren - hOrte "hören", grüe3engruoate "grüßen, rüemen - ruomde "rühmen" u. a. Bei wStämmen ist das w geschwunden; gärwen - garte (ahd. garota) "bereiten", IIärwen - "arte (daneben durch Ausgleich "ärwett) "färben", sälwen - salte "verdunkeln, entfärben". k~ren bildet Prät. und Part. Prät. regelmäßig (k~rte, gek~rt), hat aber daneben auch Formen mit a (karte, gekart), bei denen es sich um Analogiebildungen zu Verben mit "Rückumlaut" handelt; ähnlich Uren - zarte - geZart "lehren ", bewIeren md. bewart "als wahr dartun", liuhten -Zahte (ahd. liuhten liuhta) "leuchten". Im Nhd. wurde der "Rückumlaut" meist durch Ausgleich beseitigt, doch bewahren ihn noch die Verba auf -nn und -nd: kennen, nennen, rennen, senden, wenden, (letztere mit Doppelformen : sandte, sendete).
Bei den Verba pura ist das zwischenvokalische j erhalten, besonders im Alem.; manchmal erscheint an seiner Stelle w als Übergangslaut. Das Prät. wurde ohne Bindevokal gebildet und erlitt daher keinen Umlaut. drlejen (später drlen) - drtite "drehen", müejen - muote (auch müete, müejete) "mühen", ebenso bien "bähen", Wen "brüllen", rüen "rudern" u. a. Am häufigsten tritt IV in mlewen "mähen", Slewen "säen" und wIewen "wehen" auf. c) 6n- und 8n-Verba
§ 103. Durch die Abschwächung der vollen ahd. Vokale im Mhd. sind die und ~n- Verba zusammengefallen:
on-
Uflregelm4ßige Verba
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ahd. salMn, salbOta, gisalbOt > mhd. salben. salbeee, gesalbet ahd. hab~n, kab&a, gikab~t > mhd. haben, kabete, gehabet. Nur zuweilen bewahrten die Part. Prät. der on. Verba das 0 (marterot: tot), seltener auch die Prät. (sckouwote: note). Am häufigsten ist dies im AIem. der Fall. Ehemalige on· Verba sind zeigen "zeigen", macken "ma.chen", ZOnen "lohnen", malen "malen", akten "achten", rfeksen "herrschen", danken "danken" u. a. Ehemalige ~n·Verba sind "ragen "fragen", dagen "schwei. gen", erbarmen "sich erbarmen", ltllen "faulen" u. a. haben und sagen haben Nebenformen mit Doppelkonsonanten wie jan.Verba, bes. im Mnd. (heMen, seggen). 4. Unregelmäßige Verba. a) Mischung starker und schwacher FZe:eion
§ 104. Bei bringen entspricht das Präs. der 3. starken Klasse, aber Prät. und Part. Prät. sind schwach (ohne Binde· vokal). Auch bei beginnen ist der Präs.-Typus stark; das Prät. und Part. Prät. ist doppelt entwickelt. Das Prät. lautet began und begunde, Plur. nur begunden, Konj. nur begunden, begunnen; das Part. Prät. lautet stark begunnen, schwach (nur md.) begunst. begonst. Das Prlis. von brücken, das sich ganz der regelmäßigen schwachen Flexion angepaßt hat, war ursprünglich stark. Umgekehrt hat das schwache Verbum erkunnen "kennen, lernen" neben dem schwachen Part. Prät. erkunnet ein starkes erkunnen; so auch zu "er· kunnen "verzweifeln" Part. Prät. "erkunnen. Starkes und schwaches Prät. haben eischen und ~'ereischen (§ 100); starke und schwache Part. Prät. haben bilwen (gebüwen, gebilwet) "bauen", bllejen (erblän, geJJlät) "blasen, blähen", drrejen (gedrän, gedrät) "drehen". b) Präteritopräsentia
§ 105. Präteritopräsentia sind Verba, deren Präterita}· formen die Bedeutung des Präsens angenommen haben. Da es sich um ursprünglich starke Verba handelt, ist der Sing. vom Plur. verschieden. In Abweichung vom Prät. anderer
138
Formenlehre
starker Verba wird bei den Präteritopräsentia. die 2. Sing. auf -t und ohne Mittelvokal gebildet; erst später tritt durch Übertragung aus anderen Zeitwörtern daneben a.uch -s auf. Wie sämtliche Präterita haben auch die Präteritopräsentia. in der 1.3. Pers. Sing. keine Endung (ich, er darf wie ich, er warf, dagegen ich wirfe, er wirfet) .. Zum Ersatz für die der Präsensbildung dienstbar gemaohten Perfektformen wurden im Germ. neue Präterita gebildet, die sämtlich sohwach und ohne Mittelvokal sind. Während im Englisohen die Präteritopräsentia keine Infinitive haben, werden im Deutschen die Formen der 1. 3. Pers. Plur. als Inf. verwendet. Ein Part. Prät. haben nur die drei Präteritopräsentia weiö "weiß", darf "bedarf" und gan. "gönne" entwiokelt; kan "weiß", darf "bedarf", tar "wage", sol "soll, werde", mac "vermag" und muoö "muß, habe Gelegenheit" besitzen keine Part. Prät. Das Part. Prät. wird regulär vom Infinitiv gebildet. Das noch imAhd. vorkommende Präteritopräsens ginah "es genügt" ist im Mhd. nicht erhalten, *eigen stirbt im Frühmhd. aus. Die mhd. Präteritopräsentia setzen die ahd. regelrecht fort und verteilen sich folgendermaßen auf die Ablautklassen: Kla.sse 1. 3. Sing. 2. Sing. 1. 3. Pur. (= Inf.) Prät. 1. weiö weist wisse, wesse, wiste, wiööen weste 2. louc tugen, tügen lohte 3. gan gunnen,günnen ganst gunde kunnen,künnen kunde kann kanst darjt darf durfen, dürfen dor/te tarst turren, türren tar torste 4. sal, sol salt,solt suln, süln solle mac maht 5. mugen, mügen, mahte, mohte (magen), megen 6. muoö muost mu05en, müeöen muose, muoste weiö entspricht gr. o!8oc. (got. wait) und lat. (ltdt. wiste und weste sind gebräuohlioher als wisse, wesse, die aber bei manohen Diohtern im Reim vorgezogen werden; md. ist woste,
,
j
II
UnregeZm4pige Verba
139
ostmd. wuste. Das Part. Prät. lautet md. gewust, bair. gewest; daneben kommt gewiöaen in adjektivischer Verwendung vor. tugen wird meist unpersönlich, selten persönlich gebraucht. Die 2. Pers. Sing. ist nicht belegt. Konj. Prät. töhte. Die umgelautete Form tügen kann aUS dem Konj. übertragen oder durch nachgestellte Pronomina (wir, ir, si) zustande gekommen sein. gan ist aus ge- und an zusammengesetzt (ahd. an, unnum, onda, as. onsta). Wie gan geht auch erban "beneide, mißgönne" und verb an "mißgönne". Eine Neubildung 2. Sing. gans belegt Parz. 524, 20 im Reim. Der Konj. Prät. lautet gunde, günde, das Part. Prät. gegunnen, gegunnet, gegunst. Zu kan heißt das Prät. md. konde. Konj. Prät. kunde, künde, md. könde, köme. Wie darf geht auch bedarf, das allein einen Inf. kennt (be, dürfen). Konj. Prät. dörfte; Part. Prät. bedorft zu bedürfen. Der Konj. Prät. zu tar lautet törste. Die ältere Form sal erhielt sich im Md. bis ins 16. Jahrhundert. Neben suln, süln begegnet md. sollen, söllen, dazu salde, sulde. Der Konj. Prät. lautet sölte. Formen mit anlautendem seh (ahd. seal, seulum, seolta) sind bair. und thür. häufig. Im Alem. fällt meist das l aus (sun = suln, son,
sunt, sont, sotte, seue). Neben mahte (ahd. mahta) dringt mahte (ahd. mahta) immer weiter vor, im Konj. Prät. möhte neben seltenerem mähte. Das Alem. hat Formen ohne 9 (mun - mugen). Zu muo3 lautet der Konj. Prät. müese, müeste. Got. dih setzt sich im Altdeutschen nur in wenigen Formen fort. Schon Ahd. ist nur mehr der Plur. und der Konj. Präs. belegt. Im Mhd. finden sich nur mehr wenige Belege im 11. und 12. Jahrhundert: eigin "wir haben" Wiener Genesis 50, 7, eigen "sie haben" Hochzeit 62,3. Sing. Konj. eige Recht 408, 517; segieh guot (- s{j eige ich guot) MSD II, 94. c) Athematische W urzeZverba
Das Ahd. besaß vier Verba, bei denen - wie in einem idg. stärker vertretenen Typus - die Personalendungen unmittelbar an den Stamm treten. Sie setzen sich sämtlich im Mhd. regelrecht fort.
l
Formenlehre
140
ce) Das Verbum fflr "sein"
§ 106. Die Formen für "sein" werden von drei Wurzeln gebildet: 1. das starke Verbum der 5. Klasse wesen 2. die idg. Wurzel Vollstufe *es (lat. es, es-t), Schwundstufe *s- (lat. s-unt) 3. die idg. Wurzel *bha (lat. fu-i, fu~turU8). Von wesen (got. wisan, ahd. wesan), das nicht athematisch ist, werden die Impemtive wis, wesen, weset, das Part. Präs. wesende (ahd. wesantt), das Prä.t. was, 2. Singe w/ere, waren (ahd. was, wari, warum), dazu der Conj. Prä.t. und das Part. Prät. gewesen, gewest (ahd. *giweran nicht belegt) gebildet. Das Präs. und der Conj. wird mit den Wurzeln *es und *bku gebildet: Indicativ ahd.
Sing.1. bim
mhd.
bin bist
Conjunctiv ahd.
se
mhd.
sf(e)
d(e)st 2. bist sis(t) 3. ist si(e) ist st Plur.1. birum birn, bin, sen slm st(e)n sft birt, bint, sft 2. birut si(e)t 3. sint sint sin si(e) 71 *es liegt nur mehr in ist und den mit $- anlautenden Formen rein vor (got. auch noch im "bin", i.s "bist"). Von dieser Wurzel wird auch der Inf. sen und das Part. Prä.t. gesEn gebildet. Die Wurzel *bkü kommt nicht allein, sondern in Kontamination mit der Wurzel -es vor (ahd. beim, b-ist - mhd. bin, bist); sie liegt in allen mit b anlautenden Formen vor. birn, birt sterben im Frühmhd. aus; am längsten halten sich diese Formen im Bair. sint dringt aus der 3. Pers. Plur. in die 1. und 2. Plur. ein. Der Conj. Sle, siest zeigt die Endungen der schwachen Verba. gestn ist hauptsächlich alem. und md., gewl'.8en bair. und md., gewest md. und später auch bair. gestn und gewesen treten seit dem 12., gewest seit dem 13. Jahrhundert a.uf.
Un"6(Jelm4pl,(Je Verba
141
~) 'flOtt
§ 107. Dem nur im WeHtgerm. vorkommenden Verbum "tun" liegt die idg. Wurzel *dhö zugrunde (aga. 88. dö-n, ahd.
mhd. tuo.n); im As. Ahd. Mhd. dient die Ablautsform *dhe z.ur Bildung des Part. Prät. (88. gi.da..n, ahd. gi·ta..n, mhd.
ge.ta..n). ahd.
Indica.tiv mhd.
Conjunctiv ahd. mhd.
tuon tuo(e) tuo Sing.1. tuom 2. tuos(t) ttU, tuost tuost tuo(e) tuo 3. tuot tuot tuon Plur.1. tuomes tuon tllen tuot 2. tuot tuot ttl8t 3. tuont tuont tllen tuon Der Imp. tuo (88. tU, ahd. tuo) ist die endungslose Wurzel. !in Conj. erscheint auch tütJe, tüejest usw. in Angleichung an die ön-Veroo; diese Formen sind besonders im Alem. gebräuchlich. DfUl Prät. wird durch Reduplikation gebildet und zwar ist die Reduplikationssilbe in der 1. 3. Pers. Sing. kurz, in der 2. Sing. und im P1ur. lang. In tett ist die erste Silbe Reduplikationssilbe ; die unbetonte zweite Silbe enthält Stamm und Endung. ahd.
Indicativ mhd.
ahd.
Conjunctiv mhd.
Sing.1. teta tel(e) tdti t8ete (tete) 2. teUi tlete tat ts (t) tlietest 3. teta tet(e) teUi tIiete Plur. 1. tätum täten, teten tätEm tlieten 2. tatut tätet teUft tlietet 3. tatuT/. tälen tätEn t8eten Die 3. Pers. Sing. ist aus der 1. Pers. Sing. entlehnt. Plur. teteT/. ist Neubildung nach dem Sing. Die Qualität des eintete schwankt; die meisten Dichter reimen tete; Gottfr. v. Straßburg, Konr. v. Würzburg u. 80. reimen t(te.
142
Formenlehre
y) gt1n, gen
§ 108. Von dem ahd. Verbum gangan (Prät. giang) bleibt
im Mhd. nur das Prät. giene (daneben die neugebildete Ku~ form gie) und das Part. Prät. in Gebrauch. Das Präs. wird statt von gangen von dem athematischen Verbum gan gebildet, das auch ags. und as. vorhanden ist. Von diesem sind bereits im Ahd. zwei Pamdigmata entwickelt: gam, gas(t), g~ usw. und gem, ges(t), get usw. Die Formen entsprechen jenen von tuon. Im Mhd. setzen sich beide Reihen lautgerecht fort: Indica.tiv
Conjunctiv
gan, gen ga, ge 2. gast, gest gast, gest 3. gat, g& ga, ge Plur. 1. gan, gen gan, gen 2. gat, get gat, get 3. gant, gent gan, gen Inf. gan, gen; Part. Prät. gande, gende; Imp. ga, ge usw.; Part. Prät. gegan. Die Formen mit a sind alem., die mit e Sing. 1.
bair., doch bedienen sich vieJe Dichter des bequemen Reimes wegen beider Formen. Den Übergang zu thematischer Behandlung deuten mfrk. und rhfrk. Schreibungen mit -i- an: geist, geit usw. 8) stt1n, sten § 109. In gleicher Weise treten stan und sten statt des Präs. von ahd. stantan (Prät. stuo{n}t) ein. Auch stan und sten sind bereits im Ahd. gebräuchlich. Ihre Flexion entspricht genau der von gan und gen. e) wellen § HO. Der Ind. Präs. von wellen "wollen" setzt einen idg.
Optativ fort (lat. flelis, got. wileis, ahd. wili "du willst"). Dem ahd. mhd. Inf. wellen liegt die idg. Wu~el */JOl > germ. *wal-jan zugrunde, zu der die Wurzel *1Jel im Ablautsverhältnis steht. Got. wiljau "ich will" gibt sich noch deut· lich als Opt. zu erkennen. Die mhd. Formen setzen die ahd. fort, doch ist in der 2. Pers. Sing. wilt die Personalendung
• •_ _ _ _ _ _
.~.,<>J.;
.
Unregelmäßige Verba
143
der Präteritopräsentia angefügt, die auch bereits im Ags. und As. erscheint. Das Prät. walte ist nach dem Muster der Präteritopräsentia gebildet. a.hd.
Sing.1.
2.
willu wili wil wellemes wellet wellent
mhd.
wil (wil) wilt wil wellen, weln wellet, welt wellen, weln, wellern
3. Plur. 1. 2. 3. wilt für wil erscheint zuerst bei Williram; Walther reimt wil, Wolfram wilt. 0 statt e als Stammvokal im Plur., das durch Angleichung an das Prät. walte zu erklären ist, erscheint schon ahd. im Fränk.; es bleibt während der ganzen mhd. Epoche auf md. Gebiete beschränkt. Im Alem. sind Schreibungen ohne 1 häufig (wit statt wilt, Plur. wen, went, Prät. watte, Konj. wöUe); vgl. sal, sol § 105. Anhang: Kontrahierte Verba
§ 111. Vereinzelt bereits im Ahd., in großem Umfang im Mhd. werden kontrahierte Formen von Verben verwendet, die z. T. das Aussehen athematischer Wurzelverba haben. Das reduplizierende Verbum laDen hat seit dem 10. Jahrhundert neben den vollen auch kontrahierte Formen. Präs. Ind. lan, last und /,rest, lcU, lan, lcU, lant, Imp. la, lcU, Part. Prät. gelan. In Angleichung an gie wird auch ein verkürztes Prät. lie gebildet, das der leichten Reimmöglichkeit wegen häufig neben lieD gebraucht wird. Zu Mken "hängen, hangen", Prät. hiene wird die kontra.hierte Form Mn und das Prät. hie gebildet; das Part. Prät. lautet geMn (neben gehangen). In derselben Weise wird neben pahen "fangen", piene, gepangen die kontrahierte Form pan, Pie, gePan gebraucht. Vgl. Zwierzina ZfdA. 45, 47 und Schirokauer PPB 47, 32. Die kontrahierte Form Mn zu hohen tritt zuerst bei Williram auf. Während der mhd. Epoche tritt eine Unterscheidung zwischen hohen und Mn auch hinsichtlich der Bedeu-
Fortmnk1lre
tung ein; haben bewahrt die ursprüngliche Bedeutung von "haben, halten", Mn wird zum Hilfszt'!itwort "haben". Nur im Konj. Präs. bleiben die unkontrahierten Formen für a.lle Bedeutungen in Verwendung; die vereinzelt vorkommenden Konjunktive M, han, Mt, Mn setzen sich nicht durch. Der Ind. des Hilfszeitworts lautet regelmäßig Mn, Mst, Mt, Mn, Mt, Mnt, der Inf. Mn. Die Formen des Prät. sind sehr mannigfaltig. häte erklärt sich aus ahd. habeta, hete aus ahd. hebita, hete aus dem Vorbild von tete, hiet(e) aus dem Vorbild der reduplizierenden Verba. Daneben kommt auch 1uete vor. Bei all diesen Formen treten in satzunbetonter Stellung Apokopen auf. Die Klangfarbe von hete wechselt wie bei tete (hete und h~e). Das Part. Prli.t. lautet gehabet oder gehäl, zuweilen auch gehat. Im Konj. Prli.t. erscheinen IuBte, h&e, hete, hiete. Im übrigen kommen zahlreiche Kontraktionen über in· lautendes h und inlautende Media vor.
k schwindet häufig nach langflm Voka1, se1tener nach kurzem: smähen > sman "schmähen" (ebenso sTTIIBhen > sTTIIBn), vUhen > vUn "flehen", gedfhen > gedien "gedeihen", zihen > zt(e)n "zeihen", ziehen> zien "ziehen", slahen > sMn "schlagen" (slehet > sUt), sehen> sen "sehen" (sihe> ste), geschehen> gesehen "geschehen". Die Kontraktionen nach kurzen Vokalen sind im Md. häufig. Kontraktionen über Media: -ige-, -ibe-, -ide- > t: ligest, liget > Zfat, ZU; gibest, gibet > gfst, gU; quidet > quft (zu queden "sagen").
-ege-, -ehe-, -ede- > ei: tragest, traget > treist, treit; ahd. segis, segit, segita, gisegit > mhd. seist, seit, seite, geseit (obd.); hebet(e) > heitre) (selten); redet, redete, geredet> reit, reite, gereit (selten). -age- > -ei- (meist bair.: al): klagest, klaget, klagete, geklaget > kleist, kleit, kleite, gekleit; saget (ahd. saget) > seit. St-ltener sind Kontraktionen bei jagen, dagen, behagen. Die Kontraktion -age- > -ei- tritt nur vor t und st auf.
--------------,..
-,,,",,
Ad-verbia
145
·ade· > .,j.. ist auf einen Teil des a.lem. Spraohgebietes besohrli.nkt. Zu laden: Mt, l4te, geMt; daneben häufiger lal, late oder laue, gelat; ähnlich auoh bat zu baden, schat ZU schaden. IlI. Die indeklinablen Wörter Die indeklinablen Wörter werden meist nur in der Syntax be· handelt, die attßerhalb dieses Abrisses bleibt; die hier anhangsweise folgenden § 112-115 fassen das Wichtigste zusammen. 1. Adverbia.
§ 112. Ober Substantivadverbia. s. § 75, Pronominaladverbia § 84, Za.hladverbia § 94:. Die Zeitadverbia wanne, wenne werden mit sß zusammen· gesetzt, um ihre Bedeutung zu vera.llgemeinern (swanne, swenne). Andere Zeitadverbia sind: danne, denne; tU; sar, sa, san "sofort, nun"; ntl, nu "nun". Ortsadverbia sind: ddr, dd "da"; dare, dar "dahin"; dan· nen, dannan "von dannen, von da."; wdr, wc2 "wo", ware, war "wohin"; wannen, wannan "woher"; hier, hie "hier"; here, her "hierher"; hine, hin "hin"; hinnen, hinnan "von hier". Zu wc2(r), war und wanne werden die verallgemeinernden Adverbia 8wc2(r) "wo immer", swar "wohin immer" und swannen "woher immer" durch Komposition mit aß gebildet. Adverbia der Art und Weise sind aß, alsß, alse, als, sus, alsus, sam, alsam, wie und das verallgemeinernde swie•
•
Hä.ufig werden Präpositionen mit Ortsadverbien verbun· den: ddr abe "hinunter", da bt "dabei", her ZUQ "herzu" u. a. Dabei untersoheiden sich die adverbiell verwendeten Präpositionen von den eigentlichen Präpositionen zuweilen auch äußerlich: Präp. ze·, Adv. zUQ, Präp. in -Mv. in (neben in). Manohe Präpositionen, die auoh unverändert adverbiell ver· wendet werden, ergeben reine Adverbia durch Ableitung mit den Suffixen ·er und ·en: inner und innen (zu in), tioer und tloen (zu tlo). Das r-Suffix bezeiohnete ursprünglioh die Rich· tung "wohin", das n-Suffix die Richtung "woher"; vgl. ßster "naoh Osten", ßaten "aus Osten", wester - westen, norder 10
Eis, Mhd. Gramm.
146
Formenlehre
norden, sunder - sunden. Den Adverbia perre, peme "ferne" und pement, pert "im vorigen Jahr" liegt die Präposition *Ier (got. lalr-) zugrunde. Isolierte Bildungen sind ofte, selten, gegen, sunder (sun. dem, sunders) und gester(n). 2. Prä.positionen
§ H3. Den Dativ regieren folgende Präpositionen: abe "von - weg, herunter", her abe, dannen abe; innen (binnen - be innen); mit(e) "mit" (Ausdruck der Begleitung, des Mittels und Werkzeugs, md. bit); nach, na, nähe, nähen "in der Nähe, fast" (häufig auch Richtungea.usdruck "in· die Nähe"); obe, ober "oberhalb" (adverbiell obene); pon(e) "von - weg, von - herab" (auch zur Bezeichnung des Urhebers oder der Ursache); por "vor" (zur Bezeichnung der Ruhelage, "vorn"), dazu bepor, zuopor; sam, sament, mitsam "zusammen mit"; ze "zu" (ursprünglich zur Bezeichnung der Richtung auf ein Ziel hin, wobei das Ziel nicht getroffen wird, auch lokativisch und temporal), iezuo, ieze "jetzt". Mit dem Dativ und dem Genetiv werden e "vor", sft "seit" und zwischen "zwischen" verbunden. Den Dativ und den Akkusativ regieren: an(e) (Grund. bedeutung "über - hin", dann zur Bezeichnung der Annäherung und Berührung); after "hinter" (wird durch hinder Zurückgedrängt); nach; eneben, neben; gegen, gein, gägen, gagen, engegen(e), begegene, zegegene; in (Bezeichnung des Umschlossenseins oder Umschlossenwerdens) ; über (bezeichnet eine Bewegung über einen Vergleichspunkt empor, über ein Ziel hinaus oder über eine Fläche hin); tll"auf, in die Höhe", dar al, her tll, hin tll; ale, ulle "in der (die) Höhe", drtlle, dort ale; under "nach unten, unterhalb" und "zwischen, in eine Masse gemischt"; tlo, aoen, tloer; wider "gegen, in entgegengesetzter Richtung, zurück, wiederum". Den Akkusativ regieren: ane "ohne, auBer"; sunder "ab. gesondert, ohne"; durch, dur (zur Bezeichnung des Ra.umes, der durchbrochen wird, des Mittels, Zwecks, der Ursache);
'I
-/
Pr4politionen. Konjunktionen. Interjektionen
147
hinder; umbe; "ür (Grundbedeutung "vor", "vorbei an etwas", dann "mehr als", bezeichnet die Vertretung, den Schutz). Mit dem Instrumental sind sft in sit diu "seitdem" und das zu be abgeschwächte bf in be diu, be wiu verbunden Auch after, in, innen, inner, mit, umbe, under, ze können vor dem Instr. stehen. 3. Konjunktionen § 114. Kopulative Bindewörter sind unde, joch, ouch, nu (nu), disjunktive oder, alde (- oder), noch, weder - noch, noch - noch, weder - oder, eindeweder - oder, niuwan "außer, außer daß, außer wenn", adversative aber, doch, dannoch, dennoch (ursprünglich temporal), sunder "ausgenommen, aber, sondern", komparative und modale so, also, alse, als, sam, alsam, danne, denne (nach Komparativ anders), wan (nach verneintem Komparativ), swie. Beim korrelativen Vergleich steht $0 (also) - so (also), sam - sam, ie - ie, so ieso ie_ Lokale Konjunktionen sind da, swa, temporale dU, danne (denne), nu (nu), sa, san, sit, wanne, wenne, swanne, swenne, die wfle, e, unz(e), unze da5 "bis, bis daß" (obd., aus dem nördlichen Md. dringt bi5 vor). Begründende Bindewörter sind wande, sft "da ja", nu(nu), durch da5; folgernde da5, so dao, durch da5, dar umbe da3; finale dao, durch da3; konditionale ob, so, ist da5, verneinte e5 newrere (das über neur zu nur wird), e3 ensf denne; konzessive ob(e), doch, swie, sft, wan.
Am vielseitigsten sind da5 und so. da5 (von Haus aus Demonstrativpronomen) leitet Substantivsätze, konsekutive, finale, temporale, kausale, konditionale und konzessive Sätze ein, s6 komparative, temporale, konditionale und relative (an Stelle anderer Relativpronomina). 4. Interjektionen
§ 115. Die mhd. Empfindungsrufe sind vielfältiger als die nhd. Schmerz wird durch a, 0, we, awe, owe, ach, och, Jubel durch ju, Verwunderung durch cl, aM, ahi, 0, ei, eia, wohri 10·
148
Formenlehr.
ausgedrilckt. jd und jß bekräftigen, s~ fordert Aufmerksamkeit, zaht treibt an, hd hd hd hetzt; gelacht wird M M. Unserem "pfui" gehen pfi, pf4, pflBCh, pf4ch voraus. Häufig wird 12 an Substantive, Imperative oder Partikeln angehängt: wdfenli, sperd sper, la5d, 10812, dringa drinc, wartd warte, neind, jdrajd.
Begriffswörter, die zu Interjektionen erstarrten, sind heil (Heilruf), leider, lewes (Gen. von 12 "Grabhügel"), wenc (von w~nec). Kriegsrufe sind traz, truz, wdfen, wafend. Aufforderungen sind wol, wol dan, wol her, wol hin, wol4f, ntl zuo.
D. DIE WICHTIGSTEN MERKMALE DER HAUPl'.DIALEKTE
Über Einteilung und Begrenzung der Dialekte s. § 2; vgl. auch § 4.
1. Untersohiede des Md. und übd. § 116. Im Md. ist die hd. Lautverschiebung nioht so voll· ständig durohgeführt wie im üh
e und ä werden von obd. Diohtem im Reim gemieden, während md. Diohter sie binden: geslähte: rehte, pfiil't: gert, wälde : pelde, jäger: leger. Md. Kontraktionen sind zeil (obd. zagel), neU (obd. nagel), neile (obd. negele), lein (obd. legen), sein und s~n (obd. segen), seinen und s~nen (obd. segenen). Im Md. steht zu für 0 bd. ze, besonders auch in verbalen Zusam.menset~ungen. Statt diu erscheint im Md. frühzeitig die. i und e stehen md. im. Wechsel, auch im Reim (pelde: milde, perre: irre, merken: wirken); oft wird e für i geschrieben (kemel, obd. kimel) und i für e (mirken, obd. merken). Besonders häufig ist i in Vor- und Endsilben (int-, ir-, pir-; sprechin, ohir, widir). Statt per- tritt häufig auch por- und pur- auf (porterben, purtorbin), statt ent- auch unt-, ont- (unthaldunge, ontladin). Desgleiohen wechseln im Md. 0 und u, wobei z. T. übergang von 0 ~u u, ~. T. Wandel von u zu 0 vorliegt. Kennzeichnend md. sind bedorfen (obd. bedürfen), gebort, mogen
150
Merkmale der Dialekte
(obd. mugen) - hulz (obd. holz), wurt (obd.. wort), muhte. Daher sind im Md. Reime möglich wie ge"ult "gefüllt": galt, "lugen "flogen" : herzogen, geburt: gehOrt, "ürste: torste. Im Md. steht häufig a für 0 in ab (= ob), nach (- noch), dach (= doch), ader, adir (= ö~r). Die obd. Neutra rruere, jaget, wette sind im Md. Feminina; obd. da3 wolken, md. die wolke; obd. der bach, md. die bach. Die vollen Dative blin.deme, bUndere, michelme, michelre erhalten sich md. länger als obd.; dabei wird leichter der Mittelvokal als der Endvokal fortgelassen (gr03me). Das schwache eist md. in verschiedenen Stellungen erhalten, wo es im Obd. geschwunden ist (helet, ir sulet, "aren, rittere). Für das obd. Personalpronomen er hat das Md. her, he, hie; für im(e), in, ir begegnet md. em(e), om(e) , um(e) , en(en), on(en), un(en), er(e), orfe), ur(e); für mir, dir, wir, ir beißt es md. mt, dt, wi, i oder gt. bt regiert obd. den Dativ, md. den Akkusativ. Kennzeichnend für das Obd. ist das Fehlen des i-Umlauts vor bestimmten Konsonanten und Konsonantengruppan. Vor gedecktem Nasal: jungeste "jüngste", Konj. funde, gunde, betwunge; vor gedeckter Liquida: guldin (md. güldin), Konj. wurde, wurbe, wurfe, Gen. Dat. burge (ahd. burgt); vor Guttural: lugen (ahd. lugina), Konj. fluge "flöge", muge "möge"; vor tz und 53: nutze neben nütze, flu53e neben flü53e "flöße", "erdru53e neben "erdrü33e. Häufig ist im Obd. im Anlaut und nach Nasal oder Liquida die Schreibung re statt er (silbisches r): da restarp, ne rekande, inrethalp, dunreslac. Fast nur im Obd. kommen Abstrakta auf -ot vor: arn.ot "Weinen", wunderot "Verwunderung", bibenot "Beben", gegenote "Gegend", einmte "Einsamkeit". I Für den md. Wortschatz sind kennzeichnend: after "hinten, nach, über - hin", beseben, entseben "innewerden" (obd. "nrit dem Geschmack wahrnehmen"), besippe "verwandt" (obd. gesippe), besmitzen "beschmeißen, besudeln", brengen
Die md. Dialekte
j ,
;~
~
151
(obd. bringen), bruock "Sumpf, Moor", enkennen (= erkennen), dulden (obd. doln), gater und algater "zusammen, zugleich", gegate "Genosse", sick gegaten "sich fügen, an die Seite stellen, vergleichen", hoffen (obd. wrenen), holtenunge (obd. wan) , kOrehen (obd. losen), iergen und niergen (obd. iender, niender), sehen "aussehen", siucke "Krankheit", sterre (obd. sterne), tuom "Macht, Würde, Gericht", "ertüemen "verurteilen", "ort "vorwärts", swale (obd. swalwe) .
.
2. Die md. Dialekte
a) Westmiueldeutsck § 117. Das Kennzeichen des Westmd. gegenüber dem Ostmd. ist die Erha.Itung von urgerm. -d- in zwischenvokalischer Stellung, dem im Ostmd. -t- entspricht; aber: "Die Sprachatlaskarten "gute", "Leute" zeigen keine scharfe Linie. Das d kann sehr weit nach Osten gehen" (Mitzka, Beitr. z. hess. Mundartforschung, 1946, S. 14).
Das Mirk. hat unverschobene tin it (- e5), dat, wat, sat (- sa3), saue (- sazte), gesat (- gesetzet). p ist im Anlaut, nach m und in der Gemination unverschoben : punt "Pfund", palte "Pfaffe", sckimpen "schimpfen = scherzen", uppe (up) - obd. ufo Urgerm. il blieb offenbar Reibelaut, da das mfrk. Legendar regelmäßig tk für obd. d bietet: the = diu, tkes, tho, bilethe = bilede, tkie juthen. Auslautendes b (p) erscheint als f: korf "Korb", bUf "bleib". af "ab" und of "ob" kommt im Rip. vor. Wie im westliohen Nd. ist im Mirk. ft in ht, cht übergegangen: achter (- after "hinter"), gracht (= graft "Graben"), niCktel (obd. niftel "Nichtei"), kackt, lucht, stickten u. a. Von hier empfing die Schriftsprache echt (obd. ekaft), Gerücht, sacht (obd.sanfte), Eintracht, sickten (eng!. sift, zu "Sieb"). Im Anlaut ist w vor r vielfach erhalten: wrt"en = rwen, wruegen - rüegen, wrase, wrechen, wringen. Namentlich im Rip., aber auch im Mirk. tritt i als Dehnungszeichen auf: dait - tat, gekeirt - gekert, doit - töt; vor cht werden Kurzvokale gedehnt, wie Schreibungen naicht "Nacht", gelaicht, reicht usw. erkennen lassen. Ke~eichnend für das
152
Merkmale dN Dialekte
Mirk. sind deis ... tuost, deit ... tuot, geis - gd$t, geit = gdt, steis - std$t, steit = sttit. Gwurde offen gesprochen und zu a gereimt (senden: landen, beölir : waölir). InterkoDSOn&ntisches 1fällt aus: dart = darft, dorte - dorfte, sente .. senfte. Die 8nund 8n- Verba bewahren in der 1. Sing die Endung -en (ich loben, sagen), die zuweilen auch auf jan-Verba und starke Verba übertragen wird. geschehen bildet Prät. und Part. Prät. schwach (geschiede, geschiet); in der Spätzeit werden auch giede, gegüt zujeken gebildet. KenDZeichnendfür den mfrk. Wortsohatz sind bUde "frohe• liden "gehen" (besonders von der Zeit), qudt "sohlecht", zeinen "zeigen, erklären", taren "schaden", andouge "gegen· wärtig", ecker "nur", eper (= aber) ofte 01 "oder", sikein idehein, engein ... dehein, Adverbia auf -lingen, porze - obd. porte. Manche Ersoheinungen des Mirk. reiohen über das Gebiet hinaus nach Osten. Für mhd. ie und uo begegnen (neben i und u) e und 0 auoh im Rip., im nördliohen Mslfrk., Nassauischen, nordwestlichen Hessen und in der Wetterau. Der Sohwund von h in rht gilt auch im Rip., Hess. und Ofrk. (porkte: worte, Berkte: gerte). Assimilation von hs zu ss ist rip., mslfrk., hass., ofrk. und alem. (wuos, wüs, wous, W08 = wuohs, wassen = wahsen). Metathesis von r wie im Mirk. ist auch im Rhfrk. und Elsäss. anzutreffen; porst für prost ist mslfrk., burne und borne "Brunnen" gilt überall im Westmd. und Thür. Im. Fränk. (und Mem.) ist n an Stelle von auslautendem m häufig (nan - nam, hein - heim, ruon - ruom, aTn - arm). Das Rip. Uhtersoheidet sioh vont Mslfrk. durch unverschobenes p in dorp, werpen, helpen usw.; durch unumgelautete a (gesage = gestehe: dage); duroh Kontraktionen von -age- und -ege- zu ä (geschrieben at): sain - sagen, klait klaget, behaide - behagete, dais - tages, rain - regen, sairule segenete. Kennzeichnend sind stUTte (zu stürzen), entüscken (= zwischen), schöltel (= schüö3el), ande ende inde für unde. Nördlich der Wuppermftndung und westlich von Ziilpioh fällt h vor taus (liet für lieht).
Die
ma.
Dialekte
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Im Rhfrk. tritt unverschobenes t nur in dil, tüschen (neben züschen), satte, gcsatt auf; die letzteren kommen auch im Mem. vor. p ist wie im MIrk. im .Anlaut, in der Gemination und nach m unverschoben (pärt, plegen, appel, schimpen). Inlautende b und I sind in labialem w zusammengefallen, wofür meist b geschrieben wird (hobe: lobe, briebe - brieC1e). Dem rhfrk. Wortschatz gehören an: behaghel "wohlgefä.llig", bedirmen "bestimmen", bedespen C1erdespen "verbergen", diu,. lene "Tiefe", geswase "heimlich, vertraulich", IuBUnc "heim. lich, Geheimnis", kresen "kriechen", kriegel "störrisch", munst "Liebe, Wohlwollen,Freuds", selken "tröpfelnd nieder. faJIen" (nicht im Pfälz., aber auch ofrk.), 6tmuot otmüetic = diemüete, siuchede "Krankheit", süster = swester,ulerstende lUStende, unweiger "nicht sehr", C1eme"Stra.fe, Gericht", C1emer "Henker" . iu + w wurde im Hess. (aberauch mfrk., thür. und ostmd.) zu au (iuch: ouch, C1rouwe: riuwe, NüwenblUc > NaumblUg); nordhess. heute laIU "Feuer". Der Zusammenfall von IS mit e ist hauptsächlich oberhess.-thür. (swlSre: ere, sundtere: sere, besw$ren: Uren). Der Übergang von 6 zu ü ist oberhess., thür. und ostmd. Nordhess. ist kote "Hütte". Im Osthess. und Westthür., aber auch im Schweiz. und Elsäss. unterblieb die Diphthongierung von t, ü und iu. Der schon ahd. na.chzuweisende Abfall des -n im Inf. gilt in einem Gebiet, das durch die Linie FuIda, Heiligensta.dt - Nordhausen - Merse· burg - Naumburg - Altenburg - Koburg - Würzburg um· schlossen wird, also hess.-ofrk.-thür. Gegenden. Der Abfall des -n a.m Wortende herrscht heute in schwäb., alem., rhfrk., ofrk., hess., thür. und schles. Gebieten; er betrifft auch das n der 3. Pers. Piur. Präs. und muß deshalb jUnger als die Auf· gabe der Endung -nt sein. "In Mitteldeutschland östlich des Rheins und nördlich etwa der Linie Darmstadt-Würz burg ist n nicht abgefallen, wenn die Wurzel oder das Suffix auf r, teilweise auch wenn sie auf lausgeht; hier wurde e der En· dung synkopiert, und n hat sich in konsonantischer Geltung an das r bzw. langeschlossen" (Behaghel). Im PfäIz. ist dil durch diz ersetzt.
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Merkmal6 der Dial6k!e
Im. Süd- und Ostfrk. ist 7
a
quam, quamen. Der ostfrk. Konsonantenstand entspricht der nhd. Schriftsprache. b) OstmitteZdeutsch
§ 118. Im Ostmd. ist germ. d nur nach l und n erhalten, im übrigen 7
neple, höleren: teleren, gediuten: wtten, geztten: liuten, gelöugen: zeichen). Der Konsonantenstand des Südthür. stimmt mit dem ostfrk. überein. Das westmd. wi (neben wie) kolDlDt in thür. Urkunden bis gegen 1340 vor, später tritt wir an seine Stelle. Kennzeichnend für das Thür. ist das neben dem westmd. dit vorkommende ditte. iche für ich (ahd. ihha) ist hess. und thür. Die Diphthongierung von mhd. t, 11" iu tritt in Böhmen zu Beginn des 14. Jahrhunderts, in Schlesien und im Deutschordensland in der 7<weiten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf; im Obersächs. und Ostthür. erfolgt sie im 15. Jahrhundert. Der thür. Schreiber des Wolfenbütteler Erekfmgmentes schreibt 0"1, o"le, oie für 11,1 (15. Jahrhundert). Thür., obersächs. und schles. sind asch "Schlüssel", lülen (sentire), bunt "bunt" (mhd. "eck, missepar), kegen = gegen, perterben - perderben. Stimmhaftes s wird im Anlaut häufig z
l
Die obd. malekts
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gesohrieben (zele - s~le, zo - s6). Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wird im ganzen ostmd. Gebiet ei im Inlaut zu e und ou zu 0; die gleiohe Ersoheinung tritt auoh im Rip. und Mslfrk. auf; später kommen e und 0 für ei und ou auoh im Nordhess., Südfrk. und nördliohen Ostfrk. vor. In sohles. Gebieten sind die geminierten Konsonanten lang geblieben, aber die Sohreibungen gg und bb sind auoh in anderen md. Gegenden beliebt. Kennzeiohnend für sohles., nordmähr. und slowakeideutsohe Sohreibstuben ist bas für biö (obd. um). Zipserisoh ist und tph für ph.
tr
3. Die
0
bd. Dialekte
a) Alemannisch § 119. Ein kennzeiohnendes Merkmal der alem. Dialekte sind Zusammenziehungen wie mugen zu mun, nemen zu nen, komen zu kon, badet zu bat, redete zu rete, suln zu sun, wen = wellen. Die ahd. Langvokale der unbetonten Ableitungs- und Flexionssilben erhielten sioh weitgehend und blieben z. T. reimfähig. a erhielt sioh in den Ortsadverbien dannan, hinnan und im Plur. der o-Stämme (geba). 0 ersoheint im Gen. Dat.Plur. der a-Stämme und der sohwaohen Substantive (ahd. -on) und namentlioh beim sohwaohen Verbum (ermorderot : tot) sowie im Superlativ (oberost, (Jorderost). u kommt im Gen.Dat.Akk.Sing. und Nom.Akk. Plur. der sohwaohen Feminina vor. Am häufigsten ist i erhalten; es ist regelmäßig im Konj. Prät. sohwaoher Verba vorhanden, wird aber zuweilen auoh auf starke Verba übertragen. Für den Reimgebrauoh alem. Diohter ist naoh Zwierzinas Beobaohtungen die Vermeidung von a: a kennzeiohnend. Wie das md. bindet auoh das Alem. e mit ä (geslähte : rekle); mit dem Westmd. teilt es die Palatalisierung von a vor SM (äschen, fläschen, däschen). In qu fällt das w häufig aus: kale " Qual", keln "quälen", kit (- quidit) "sagt". Der Übergang von e zu ö nimmt im Alem. den Ausgang: schöpfen, öpfel, ergötzen, jrömde, mönsche, löffel u. a.
156
Merkmale der Dialekte
j fä.llt im Anlaut ab (dmer ... jlirner, ener - jener). Die Substantiva der a- und i-Deklination zeigen im 13./ 14. Jahrhundert zuweilen die schwache Endung -en. Die alten Prät. bedahte "bedeckte", bUhte "blickte", saste "setzte" usw. werden ha.uptsächlich von alem. Dichtern gebraucht. Der Konj. si hat die volleren Nebenformen st(g)e, st(g)est usw.; der Konj. der dn-Verba hat Nebenformen auf -eje-, -ege-, -ei-: machege, macMie, pastegest, achtegen. Eine orthographische Eigentümlichkeit ist die Abkürzung dc für da5 (auch be .. ba5). Alem. Ausdrücke sind egebsre "schrecklich", erkomenltcM ... porkteeUcM, gesten "schmücken", gestelle "langsam, gemütlich", goi "Gimpel, Narr", grit gritecMit "Habgier", haehe "verführerisches Weib", reIsen "züchtigen"; veraltend sind brddemt - brcd,e "Vergänglichkeit", todemt "Sterblichkeit", unt6demt "Unsterblichkeit", rotemt rubor. Neben nennen wird nemmen "nennen" verwendet; neben antlütze ist antlütte häufig. Bezeichnend für das Niederalem. ist die Verdumpfung von d ZU 8, die besonders im 14. und 15. Jahrhundert auffällig ist; deshalb sind Reime wie zwdre: dre, jdren: toren, getdn : Mn möglich. In Angleichung an dar, war wird har statt her seit etwa. 1250 gebräuchlich, das auch hoohalem., südrheinfrk. und rhfrk. vorkommt. "an für pon gilt im Elsaß und im Md. Elsäss. ist abbe, appe für abe. Vor u wird oft e für k geschrieben. Die Diphthongierung von t, ti, iu, die in der Schweiz und im Elsaß unterblieb, setzt sich im Schwäb. gegen Ende der mhd. Periode durch. Kennzeichnend für das Schwäb. ist die Neigung, a, d, s und re zu zerdehnen. a erscheint als ä, ap; d als 0, & (dazu in umgekehrter Schreibung & für öu, z. B. Ir&de für träude); IB und ß als ei (seilee, seilde für SlBlee, SlBlde). Am Ende des 13. Jahrhunderts gehen die erhaltenen intervokaIischen w in b über (Tüwingen > Tübingen). Vor Reibelauten trat im Schwäb. (seltener auch in andern alem. Gegenden) Nasalierung ein: kunsche (- kiusehe), tunsent (tasent).
I
Die obd. Dialekte
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In den südalem. Mundarten (und auf elsäss. und bair. Gebiete übergreüend) wird k im Anlaut und hinter Konsonanten zu ch (kX) : werch, chlagind~r, chunst. Schon ahd. schwand ch in weler, soler (aus welicher,solicher). Kennzeichnend ist chilche, kUche für kirche und alder, older für alde "oder" (a.uch südbair.). Der i-Umlaut fehlt oft vor einfachem r (perlur "verlöre", kur "würde wählen"). Südlich und westlich des Bodensees ging ei in ä über; in umgekehrter Schreibung kann ai für a gesetzt werden (clairhait, ze raite). Eine weitere äußerliche Ähnlichkeit mit dem Rip. stellen bernisch·wallisische Schreibungen wie geist, steist für gest, stest dar.
b) Bairisch § 120. Bair. Dichter scheiden @und e, ij und ä bzw. 83 im Reime, bindenabere:~. eist offenes, äüberoHenes e. Zwier. zina gab ZfdA 44, 280 folgende Regel: "Ist in einem Gedicht, wo her: ~r reimt, das her - her Adv., so ist das Gedicht aus Baiern oder aus Österreich; ist her - hv "exercitus" und reimt zu gleicher Zeit her Adv.: -83r, so ist das Gedicht aus Mitteldeutschland" . Die Diphthongisierung der Langvoka.le ging vom Bair. aus. t wurde zu ei, fiel aber nicht mit dem alten ei und dem aus -age- kontrahierten ei zusammen, die zu ai wurden. ei > ai gilt auch in Schwaben, Thurgau, Appenzell, St. Gallen und Vorarlberg. ei blieb als ei erhalten in unbetonten Silben (ein, -heit, -heim) und in Literaturwörtern wie heilig, geist, fleisch. Der aus zl entstandene Diphthong ou > au ist nicht völlig mit altem ou > au zusammengefallen. Vor Labialen und ch wurde ou zU ä (kamen: goumen, gaben: erlauben). iu wurde zU eu; die alten Instr. wiu und diu erscheinen als weu und deu (spätbair. kommt w~ neben weu vor). Für öu wird meist eu, ew geschrieben. Wie im Ostmd. wurden Ü, Ö, iu, Cl! und öu zu i, e, t, e. ei entrundet. Charakteristisch sind die Schreibungen p für b (pewart. gepet), w für b (wechomen - bekamen) und b für w (bie = wie). Vgl. § 12.
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Merkmale der Dialekte
Für k erscheint eh (schaleh, ehern, ehomen), auch keh, kh (junkehfraw, junkhfraw). Bair., ost.frk. und ostmd. ist der- für er~ (dersehlagen = erslagen). Zahlreich sind Apokopen des -e und Synkopen (besonders vor n: warn, pfltJgn; auch vor r: übr). Da t als Fortis im heutigen Mittel- und Nordbair. erhalten ist (pintn - ahd. pintan) muß die Synkope schon sehr früh eingetreten sein. Umgekehrt treten häufig Schwellvokale auf: durich - durch, starib ~ starp, perag = bere. Kennzeichnend bair. ist kom, kamen (gegenüber md. quam, quamen und alem.-frk. kam, kamen). sehol ist bair. und thür., sal md., sol alem. Die Formen birn, birt für sEn, stt halten sich bei bair.-österr. Schriftstellern länger als anderswo. Prät. het, hiet ist bair., luJJte frk. und alem.; im Md. und in jüngeren alem. Texten tritt hatte (Konj. heUe) auf; im Schwäb. kommt vereinzelt heite vor. Genetive starker Substantiva können endungslos sein, nicht nur nach s upd z. Die Präpositionen gegen, wider, por regieren den Genetiv. Bair. Ausdrucke sind antreite "Ordnung", bise5 "Mißwachs", dult "Jahrmarkt", ege "Furcht, -Schrecken", eide "Mutter", ertae "Dienstag", pfinztae "Donnerstag", gämelfch "lustig, ausgelassen", gebletze "Geklimper, Geschwätz", gestrenze "müßiges Umherlaufen", geteline "Verwandter, Bursche, Geselle", gewieke "Wegscheide", glten "schreien", glosen "glühen, glänzen", heit (als Simplex) "Wesen, Beschaffenheit", hiu3e "munter, frisch", huoeh "Hohn, Spott", htwisehe "Familie", kone "Ehefrau", lunzen "schlummern", orthabe "Urheber", pelzen "pfropfen", phiesel "heizbares Gemach", pfnehen "schnauben, schluchzen", rupfEn "aus Werg bestehend", tenk "link", tener "flache Hand", WaD "Duft", widerwehe widerwinne "Gegner", zistel "Korb". Im Nord- und Mittelbair. näherte sich im 12. Jahrhundert adem offenen 0; Zusammenfall trat im Oberpfälz. und Ostfrk. ein (baten: perschroten). Im Mittel- und Südbair. wurde a zu offenem 0 (got: bat); vor r wird a in dem ganzen mittel-
"1
Abktlrzungen
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und südbair. Gebiet zu 0 gereimt (gewar : flor, ort: wort, bedarf: dorf). Im Mittelbair. fiel spätmhd. h mit ch zusammen (hOcher, geschechen). Osterr. sind Deminutiva auf -el (liedel, röckel) und schwache Flexion von pflegen (pflegete, gepfleget, pfleite, gepfleit). In Niedetösterreich wurde ai auch für ei < t geschrieben Der Zusammenfall von a mit {j gilt in Niederösterreich und im östlichen Oberösterreich. Im Ostbair. (und in einem Teil des Ostfrk.) ist e vor b, g, d, t zu ~ geworden, so daß Reime wie er~et : lebet, ~ele : sedeZe, ~en : degen statthaft sind, die im westl. Bair. gemieden werden.
ABKüRZUNGEN a) Sprachen afries. = altfriesisch ags ... angelsächsisch ahd. - althochdeutsch air. = altirisch aisl. = altisländisch alem. = alemannisch an. = altnordisch as(ä). = altsächsisch bair. = bairisch elsä.ss. = elsässisch engl. = englisch fränk. = fränkisch germ. = germanisch got... gotisch gr. = griechisch hess. = hessisch idg. = indogermanisch lat. = lateinisch lit. -litauisch md. = mitteldeutsch • mfrk. = mittelfränkisch mhd. = mittelhochdeutsch
mnd. = mittelniederdeutsch mslfrk. = moselfränkisch nd. = niederdeutsch nhd. = neuhochdeutsch nordgerm. = nordgerma.nisch obd. = oberdeutsch obersächs. = obersächsisch ofrk. = ostfränkisch österr. = österreichisch ostgerm. = ostgerma.nisch ostmd. = ostmitteldeutsch pfälz. = pfälzisch rhfrk. = rheinfränkisch rip. = ripuarisch schles. = schlesisch schwäb. = schwäbisch schweiz. = schweizerisch s(üd)frk. = südfränkisch thür. = thüringioch urgerm. = urgerma.nisch urnord. = urnordisch westgerm. = westgermanisch westmd. = westmitteldeutsch
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Abkanunge71
b) Grammatische Bezeichnungen AbI .... Ablativ Acc. (Akk.) - Acousativ Act. = Activ Adj. '" Adjektiv Adv. a Adverbium Asp. = Aspirata. Dat. = Dativ Fem. = Femininum Fut. = Futurum Gen. = Genetiv Imp. - Imperativ Ind.... Indikativ Inf. - Infinitiv Instr... Instrumentalis Komp. = Komparativ Konj. = Konjunktiv
Masc.... Maaculinum Neutr. = Neutrum Nom. = Nominativ Opt.... Optativ Part. "" Participium Perf. ,. Perfekt Pl(ur) ... Plural Pos ... Positiv Präs. - Präsens Mt. - Präteritum Pron... Pronomen S(in)g... Singular Subst.... Substantiv Sup... Superlativ Vok. = Vokativ
c) Andere Kürzungen und Zeichen PBB ... Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, hrsg. von Paul und Braune. ZfdA - Zeitschrift flir deutsches Altertum und Literatur. ZfdPh. - Zeitschrift für deutsche Philologie. Dichter und ihre Werke werden in der Weise angeführt, wie es in der Literaturgeschichte gebräuchlich ist. bair. bezeichnet die Sprache des ganzen bair.·österr. Sprachgebiets, bayr. die Sprache des Landes Ba.yern. • vor einem Wort bedeutet, da.ß dessen Form erschlossen, Dicht überliefert ist. > - entwickelt sich zu < .. entstanden aus " über einem Vobl bezeichnet im Mhd. und Ahd. seine Länge; bei andern Sprachen bezeichnet - die Linge, die Kürze kann mit " bezeichnet werden.
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