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Herausgeber: Univ.-Ass. Dr. Daniel Ennöckl, LL.M. Univ.-Ass. Dr. Nicolas Raschauer Univ.-Prof. Mag. Dr. Eva Schulev-Steindl, LL.M. Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Wessely
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2008 Springer-Verlag/Wien Printed in Germany SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.at Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Eine Haftung des Autors oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. Reproduktionsfertige Vorlage des Herausgebers Druck und Bindung: Strauss GmbH, 69509 Mörlenbach, Deutschland Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier – TCF
SPIN: 12030705
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Mit 1 Frontispiz
ISBN
978-3-211-79379-4 SpringerWienNewYork
Gedruckt mit Unterstützung von: Bundeskanzleramt EVN AG Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH KWR – Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH Land Niederösterreich Onz-Onz-Krämmer-Hüttler Rechtsanwälte GmbH oö Landesrat für Umwelt, Energie, Wasser und KonsumentInnenschutz Rudi Anschober Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG – Verbund Österreichische Notariatskammer Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) Österreichischer Rechtsanwaltskammertag Schönherr Rechtsanwälte GmbH
KARASEK WIETRZYK Rechtsanwälte GmbH
Vorwort Bernhard Raschauer, Ordinarius am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, feierte am 19. April 2008 seinen 60. Geburtstag. Die Beiträge in dieser Festschrift wurden von befreundeten Kollegen, wissenschaftlichen Weggefährten, akademischen Schülern und engen Angehörigen verfasst, um sein bisheriges akademisches Lebenswerk zu würdigen und zu ehren. Die in dieser Festschrift enthaltenen Beiträge sind unter dem Rahmenthema „Über Struktur und Vielfalt im Öffentlichen Recht“ zusammengefasst worden, um dem vielfältigen Engagement von Bernhard Raschauer in Lehre, Forschung und Praxis Rechnung zu tragen. In diesem Sinne repräsentieren die vorliegenden Beiträge ein breites Spektrum gemeinschaftsrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Untersuchungen sowie eng damit verknüpfter privat- und unternehmensrechtlicher Fragestellungen. Das Themenspektrum der Beiträge soll damit ein Spiegelbild sowohl der vergangenen als auch der aktuellen Forschungsvorhaben des Jubilars darstellen. Sowohl durch seine umfassende und nachhaltige Tätigkeit als Forscher und Fachgutachter – seine auszugsweise im Anhang wiedergegebene Publikationsliste weist zum Stichtag 1. Februar 2008 nahezu 200 Einträge auf (darunter seien Grundsatzwerke wie sein „opus magnum“, das Allgemeine Verwaltungsrecht, und der Wasserrechtsgesetzkommentar erwähnt) – als auch als niederösterreichischer Landesumweltanwalt (1985-1991), als Mitglied des Unabhängigen Umweltsenates (seit 1999), als Vorsitzender der Aufgabenreformkommission (2000/2001) sowie als Mitglied des Österreich-Konvents (2003/2004) hat Bernhard Raschauer maßgeblich Einfluss auf das europäische und österreichische Öffentliche Recht genommen. Gedankt sei an dieser Stelle dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, der Österreichischen Notariatskammer, dem Bundeskanzleramt, dem Land Niederösterreich, dem oö Landesrat für Umwelt, Energie, Wasser und KonsumentInnenschutz Rudi Anschober, der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG – Verbund, der EVN AG, dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV), der KWR – Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH, der Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH, der Onz-Onz-Krämmer-Hüttler Rechtsanwälte GmbH sowie der Schönherr Rechtsanwälte GmbH für ihre großzügige Unterstützung der Tagung sowie der Drucklegung des Werkes. Dank gebührt insbesondere der Volksanwaltschaft, die ihren prunkvollen Festsaal für die Abhaltung des Symposions zu Ehren des Jubilars am 21. April 2008 zur
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Vorwort
Verfügung gestellt hat. Gedankt sei weiters Susanne Karner für die gute Zusammenarbeit, ihre Geduld und die rasche Herstellung der Druckvorlage. Dank gebührt auch den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Raschauer’schen Lehrstuhls, MMag. Gerhard Holley, Mag. Matthias Köhler und Mag. Graciela Faffelberger für die Unterstützung bei Organisation und Abwicklung des Symposions. Gedankt sei auch dem Springer Verlag für die Aufnahme des Werkes in die Forschungsreihe „Forschungen aus Staat und Recht“. Die Autoren und die Herausgeber dieser Festgabe wünschen Bernhard Raschauer noch viele abwechslungsreiche und produktive Jahre in Forschung und Praxis. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Bernd! Salzburg/Wien, März 2008
Daniel Ennöckl Nicolas Raschauer Eva Schulev-Steindl Wolfgang Wessely
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort ........................................................................................... VII Autorenverzeichnis ........................................................................... XI Daniel Ennöckl Gibt es ein „right to reputation“? Mediale Berichterstattung zwischen Meinungsfreiheit und staatlicher Schutzpflicht .................................
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Christoph Grabenwarter Das Recht auf effektive Beschwerde gegen überlange Verfahrensdauer ...................................................... 19 Klaus Hartmann Gedanken und Meinungen zur Staats- und Verwaltungsreform Sieben Exemplifikationen ................................................................. 31 Gerhart Holzinger Bernhard Raschauer und die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ................................... 41 Ferdinand Kerschner Private enforcement im öffentlichen Umweltrecht Am Beispiel des Bundes-Umwelthaftungsgesetzes und der EG-REACH – Verordnung ................................................. 59 Christian Kopetzki „Off-label-use“ von Arzneimitteln .................................................... 73 Heinz Krejci Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand Skizzen zur „Garantiehaftung“ von Führungskräften im Amtshaftungs- und Organhaftpflichtrecht ................................... 105
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Inhaltsverzeichnis Seite
Peter Lewisch Bet and Lose? Grenzüberschreitendes Glücksspiel zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Strafrecht ........... 123 Georg Lienbacher Sinn und Unsinn von Durchbrechungen verwaltungsgerichtlicher Kontrolle – ein Beispiel .............................. 149 Waltraud Petek Der Einfluss von Bernhard Raschauer auf die Praxis des Umweltrechts ........................................................ 171 Nicolas Raschauer Kooperationsübereinkommen im europäischen Bankenaufsichtsrecht ............................................. 183 Eva Schulev-Steindl Ökologie und Ökonomie Perspektiven einer Zielkonkurrenz am Beispiel des Umweltrechts ........ 249 Wolfgang Wessely Strafprozessreform und Bankgeheimnis – eine halbe Sache? .............. 265 Ewald Wiederin Allgemeines Verwaltungsrecht: Auf der Suche nach dem Sinn .......... 281 Lebenslauf von Berhard Raschauer ................................................... 305 Publikationsliste von Bernhard Raschauer ........................................ 307
Autorenverzeichnis Ennöckl Daniel, Dr., Univ.-Ass., LL.M. Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, Universität Wien, Schottenbastei 10-16, 1010 Wien Hartmann Klaus, Mag. Bundeskanzleramt, Sektion III: Öffentlicher Dienst und Verwaltungsreform, Hohenstaufengasse 3, 1010 Wien Holzinger Gerhart, Dr., Univ.-Prof., Sektionschef Verfassungsgerichtshof, Judenplatz 11, 1010 Wien Grabenwarter Christoph, DDr., Univ. Prof. Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstraße 39-45, 1090 Wien Kopetzki Christian, DDr., Univ.-Prof. Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien, Schottenbastei 10-16, 1010 Wien Kerschner Ferdinand, Dr., Univ.-Prof. Institut für Umweltrecht, Universität Linz, Altenberger Straße 69, 4040 Linz Krejci Heinz, Dr., o. Univ.-Prof. Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht, Universität Wien, Schottenbastei 10-16, 1010 Wien Lienbacher Georg, Dr., Univ.-Prof., Sektionsleiter Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, Ballhausplatz 2, 1014 Wien Lewisch Peter, Univ. Prof., DDr., RA Cerha Hempel Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten, Parkring 2, 1010 Wien Petek Waltraud, Dr. Bundesministerium für Land-, Forst-, Umwelt- und Wasserwirtschaft, Abt. V/1 (Anlagenbezogener Umweltschutz), Stubenbastei 5, 1010 Wien
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Autorenverzeichnis
Raschauer Nicolas, Dr., Univ.-Ass., APART-Stipendiat der ÖAW Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht, Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstraße 39-45, 1090 Wien Schulev-Steindl Eva, Mag. rer. soc. oec. Dr. iur., Univ.-Prof., LL.M. Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Universität für Bodenkultur Wien, Feistmantelstraße 4, 1180 Wien Wessely Wolfgang, Dr., Priv.-Doz. UVS im Land Niederösterreich, Liechtensteinstraße 44, 2130 Mistelbach Wiederin Ewald, Dr., Univ.-Prof. Fachbereich Öffentliches Recht, Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Universität Salzburg, Kapitelgasse 5, 5020 Salzburg
Daniel Ennöckl
Gibt es ein „right to reputation“? Mediale Berichterstattung zwischen Meinungsfreiheit und staatlicher Schutzpflicht Bernhard Raschauer ist ein kritischer Nach- und Querdenker im besten Sinn. Er liebt den wissenschaftlichen Diskurs, ermutigt seine Mitarbeiter stets zum Widerspruch und hat Freude an der argumentativen Auseinandersetzung. Als Assistent von Bernhard Raschauer ist es mir aus diesem Grunde ein Anliegen, ihm folgenden Beitrag zum Recht auf freie Meinungsäußerung – der „Magna Charta geistiger Freiheit“ – zu widmen.
I. Einleitung Die durch Art 10 Abs 1 EMRK eingeräumte Kommunikationsfreiheit, mit der jedem Bürger das subjektive Recht auf freie Meinungsäußerung gewährt wird, zählt zum unverzichtbaren Standard der Grundrechtskataloge demokratischer Verfassungsstaaten.1 Das Recht jedes Einzelnen, sich durch den Austausch von Informationen und Meinungen geistig zu verwirklichen und seine Überzeugungen am „marketplace of ideas“ einzubringen, wird von der Rsp als „Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften“ angesehen.2 Historisch betrachtet war die Meinungsfreiheit zunächst insoweit staatsgerichtet, als sie verhindern sollte, dass Exekutive und Gerichte den freien Austausch von Meinungen aufgrund entgegenstehender staatlicher Interessen unterbinden oder sanktionieren. Die Gewährleistung der Pressefreiheit und die Beseitigung der Zensur bildeten dabei den Kern des Grundrechts und sollten sichern, dass der für eine demokratische Gesellschaft unverzichtbare Wettstreit von Überzeugungen in Freiheit und ohne staatliche Beschränkungen verlaufen kann. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Diskurs um den Umfang der Meinungsfreiheit insoweit verschoben, als dieser nicht mehr primär ____________________
1
Vgl Berka, Die Grundrechte (1999) Rz 544. Statt vieler EGMR 7.12.1976, Handyside, appl no 5493/72, Z 49; EGMR 26.11. 1992, Observer and Guardian, appl no 13.585/88, Z 59. 2
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Daniel Ennöckl
die Zulässigkeit von Grundrechtsbeschränkungen zugunsten öffentlicher bzw staatlicher Interessen betraf, sondern die Frage, inwieweit in das durch Art 10 Abs 1 EMRK gewährte Recht zugunsten entgegenstehender Interessen anderer Bürger eingegriffen werden darf. Die Abwägung zwischen der Kommunikationsfreiheit einerseits und dem Persönlichkeits- und Beleidigungsschutz des Betroffenen andererseits stand dabei im Zentrum der gerichtlichen Auseinandersetzung um die Grenzen der Meinungsfreiheit. Urteile heimischer Gerichte spielten bei der Ausgestaltung des Beleidigungsrechts auf europäischer Ebene eine maßgebliche Rolle, wurde Österreich doch – ausgehend vom im Jahre 1986 ergangenen Urteil Lingens 3 – wiederholt wegen Verletzungen des Art 10 EMRK vom EGMR verurteilt, weil die Meinungsfreiheit gegenüber dem Schutz der Ansehens keine ausreichende Berücksichtigung fand. Dies führte dazu, dass zuletzt auch die österreichischen Gerichte verstärkt zugunsten der Kritikfreiheit und eines freien Meinungsdiskurses judizierten. Im November 2007 wurde Österreich nunmehr abermals wegen eines medienrechtlichen Urteiles eines heimischen Gerichtes vom EGMR verurteilt – allerdings aus einem anderen Grund als in den Verfahren zuvor. Zum Vorwurf wurde Österreich im Urteil Pfeifer 4 nicht mehr – wie bis dato – gemacht, die Meinungsfreiheit konventionswidrig beschränkt, sondern einen Betroffenen nicht ausreichend vor einer rufschädigenden Äußerung eines Dritten geschützt zu haben. Dadurch, dass ein von einem österreichischen Medium gegen einen Bürger erhobener Vorwurf gerichtlich nicht sanktioniert wurde, habe Österreich dessen Recht auf Privatleben (Art 8 Abs 1 EMRK) nicht ausreichend geachtet und die aus diesem Grundrecht entspringenden staatlichen Schutzpflichten verletzt. Gegenstand des Verfahrens vor dem EGMR war somit nicht eine Verurteilung des Äußernden, sondern dass es das nationale Gericht unterlassen hatte, eine ehrrührige Meinung auf Klage des Beleidigten zu verbieten oder zu bestrafen. Das Urteil Pfeifer ist unter mehreren Gesichtspunkten beachtlich: Zum einen wurde explizit anerkannt, dass das Recht auf Privatleben auch einen durchsetzbaren Anspruch auf Schutz des Rufes und der Ansehens umfasst. Zum anderen wurde mit ihm erstmals eine positive staatliche Schutzpflicht aus Art 8 Abs 1 EMRK abgeleitet, die einen Konventionsstaat verpflichtet, eine (grundsätzlich dem Art 10 EMRK unterliegende) Äußerung straf- oder zivilrechtlich zu sanktionieren. Diese Entscheidung wirft zahlreiche Fragen zum Verhältnis der Gewährleistungen des Art 8 Abs 1 und 10 Abs 1 EMRK zueinander auf. Im folgenden Beitrag wird – anschließend an eine kurze Darstellung des zugrunde liegenden Sachver____________________
3 4
EGMR 8.7.1986, Lingens, appl no 9815/82. EGMR 15.11.2007, Pfeifer, appl no 12.556/03.
Gibt es ein „right to reputation“?
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haltes – die Argumentation der Entscheidung des EGMR einer kritischen Würdigung unterzogen und untersucht, wie dieser Grundrechtskonflikt infolge des Urteils Pfeifer gelöst werden kann.
II. Der Fall Pfeifer und das Urteil des EGMR Den Ausgangspunkt des Rechtsstreites, der schlussendlich im Urteil Pfeifer vom EGMR entschieden wurde, bildete ein 1995 im Jahrbuch der Freiheitlichen Akademie veröffentlichter Artikel, in dem die Verbrechen des Dritten Reichs verharmlost wurden. Der Autor Werner P. stellte darin unter anderem die Behauptung auf, die Juden hätten 1933 Deutschland den Krieg erklärt. Der Wiener Journalist Karl Pfeifer schrieb daraufhin in der Zeitschrift der Israelitischen Kultusgemeinde einen Beitrag mit dem Titel „Freiheitliches Jahrbuch 1995 mit (Neo)Nazi-Tönen“, in dem er P. vorwarf, „Nazitöne“ zu verwenden, „die Verherrlichung der Volksgemeinschaft“ zu betreiben und eine Täteropferumkehr vorzunehmen. P. erhob daraufhin Privatanklage wegen übler Nachrede (§ 111 StGB) gegen Pfeifer, dieser wurde aber in beiden Instanzen freigesprochen. Fünf Jahre nach dieser medialen Auseinandersetzung erhob die StA Wien im Februar 2000 Anklage gegen Werner P. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, mit der Veröffentlichung des Beitrages im Jahrbuch der Freiheitlichen Akademie 1995 den Tatbestand des § 3g VerbotsG erfüllt zu haben. Die StA Wien wertete diesen Artikel als Betätigung im nationalsozialistischen Sinne. Kurz vor der Beginn des Strafprozesses am Landesgericht für Strafsachen Wien beging Werner P. Selbstmord. Andreas Mölzer – einer der Herausgeber des Jahrbuchs – veröffentlichte daraufhin in der Wochenzeitung „Zur Zeit“ einen Artikel unter dem Titel „Tödlicher Tugendterror“, in dem er Pfeifer – neben anderen namentlich genannten Personen – den Vorwurf machte, Teil einer „Jagdgesellschaft“ zu sein, eine „Menschenhatz“ eröffnet und P. in den Selbstmord getrieben zu haben. Gegen diesen Beitrag brachte Pfeifer einen auf § 6 MedienG gestützten Antrag beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein. Dem Antrag wurde zunächst in erster Instanz stattgegeben und Mölzer zur Zahlung eines Entschädigungsbeitrages in der Höhe von öS 50.000 verurteilt.5 Das danach angerufenen OLG Wien wertete die Aussagen Mölzers hingegen als Werturteil, dem ein „im Wesentlichen richtiges, wenn auch ideologisch ausgerichteter Deutung unterzogenes Faktensubstrat“ zugrunde lag und daher vom Grundrecht des Art 10 Abs 1 EMRK gedeckt sei. Daher wurde der Antrag Pfeifers abgewiesen.6 ____________________
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LGSt Wien 20.3.2001, 9a E Vr 5706/00, Hv 3377/00 (unveröff ). OLG Wien 15.10.2001, 18 Bs 229/01 = MR 2001, 364.
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Im Februar 2001 schickte Andreas Mölzer einen Brief an sämtliche Abonnenten der Zeitschrift „Zur Zeit“, in dem er um finanzielle Unterstützung bat, weil das Medium unter politischem Druck stehe. Das Schreiben enthielt unter anderem folgende Aussage über Karl Pfeifer: „Dann gibt es den Fall Karl Pfeifer gegen Zur Zeit: der langjährige Redakteur der Zeitschrift der Israelitischen Kultusgemeinde Karl Pfeifer wurde aus Anlass des Todes von Prof. P. in den Reihen jener Jagdgesellschaft geortet, die den konservativen Politikwissenschaftler in den Selbstmord getrieben hat.“ Auch gegen diesen Brief brachte Pfeifer eine Privatanklage gem § 111 StGB sowie einen auf § 6 MedienG gestützten Antrag ein. Auch diese wurden – mit im Wesentlichen gleichlautenden Begründungen wie im zuvor ergangenen Urteil des OLG Wien – rechtskräftig abgewiesen. Gegen das Urteil des OLG Wien, mit dem Andreas Mölzer freigesprochen und die medienrechtlichen Anträge abgewiesen wurden, brachte Pfeifer eine Beschwerde beim EGMR ein. Mit dem Urteil vom 15. November 2007 verurteilte der Gerichtshof Österreich wegen der Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens (Art 8 Abs 1 EMRK). Die Argumentation, mit welcher der EGMR die Grundrechtsverletzung begründete, war dreistufig: Zunächst hielt er fest, dass das Recht auf Achtung des Privatlebens auch den Anspruch auf Schutz des guten Rufes begründe und damit Teil der Gewährleistung des Art 8 Abs 1 EMRK sei (Z 35 des Urteils). Daran anschließend widersprach der Gerichtshof der Ansicht der österreichischen Gerichte, wonach der Vorwurf, der Beschwerdeführer sei Teil einer „Jagdgesellschaft“ und habe P. in den Selbstmord getrieben, ein (zulässiges) Werturteil sei. Er sah darin eine Tatsachenbehauptung, für die ein Wahrheitsbeweis hätte erbracht werden müssen und die daher nicht durch Art 10 Abs 2 EMRK gerechtfertigt sei (Z 47 f ). Schließlich hielt der EGMR fest, dass die positive Verpflichtung des Konventionsstaates, das Recht auf Achtung des guten Rufes des Beschwerdeführer zu schützen, dort wirksam werde, wo eine Äußerung die Grenzen zulässiger Kritik überschreite. Da der inkriminierte Text nicht gem Art 10 Abs 2 EMRK gerechtfertigt sei, hätten es die nationalen Gerichte verabsäumt, ein ausgewogenes Verhältnis („fair balance“) zwischen den konkurrierenden Interessen der Betroffenen herzustellen, was als Verletzung der „positive obligations“ Österreichs gewertet wurde (Z 44, 49).
III. Freie Meinungsäußerung und Beleidigungsschutz Die durch Art 10 Abs 1 EMRK gewährte Freiheit der Meinungsäußerung ist in einem weiten Sinn zu verstehen. Sie schützt sowohl das Recht, sich eine Meinung zu bilden und zu vertreten, als auch die Möglichkeit,
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diese gegenüber Dritten zu kommunizieren und Meinungen anderer zu empfangen. Die EMRK geht von einem offenen Kommunikationsbegriff aus, der weder in Bezug auf die Form und Modalitäten noch hinsichtlich des Inhaltes eine Beschränkung des Schutzbereiches des Grundrechts enthält.7 Nach der Rsp der Straßburger Instanzen schützt die Meinungsäußerungsfreiheit nicht nur in Form und Inhalt gemäßigte, inhaltlich allgemein akzeptierte und konsensuale Äußerungen, die mit allgemeiner Zustimmung aufgenommen werden, sondern bezieht sich auch auf Meinungen, die den Staat oder bestimmte Bevölkerungsteile beleidigen, schockieren oder beunruhigen („offend, shock or disturb“). Dies sind „die Anforderungen von Pluralismus, Toleranz und Großzügigkeit, ohne die es eine demokratische Gesellschaft nicht gibt.“ 8 Art 10 Abs 1 EMRK gewährt daher auch einen Schutz von Minderheitsmeinungen, indem es der Mehrheit jene Toleranz abverlangt, die es zulässt, dass auch kontroversielle Auffassungen einen Platz in der politischen Auseinandersetzung haben.9 Darüber hinaus bezieht sich die Meinungsfreiheit nicht nur auf die Substanz der zum Ausdruck gebrachten Ideen, sondern auch auf die Art und Form ihrer Darstellung.10 Sie schützt daher grundsätzlich auch Äußerungen, die geeignet sind, den guten Ruf einer Person zu schaden,11 in denen Kraftausdrücke verwendet werden12 und die in einem provokanten, polemischen oder aggressiven Ton gehalten sind13, selbst wenn der EGMR diese Äußerungsform nicht billigt.14 Für die Inanspruchnahme der Freiheit des Art 10 Abs 1 EMRK gilt somit kein grundrechtliches Verhältnismäßigkeitsgebot.15 Art 10 Abs 1 EMRK betont jedoch – anders als die sonstigen Grundrechtstatbestände der Konvention – ausdrücklich, dass die Ausübung der Meinungsfreiheit auch „Pflichten und Verantwortung“ mit sich bringt. Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit ist daher ausschließlich unter den Voraussetzungen des Abs 2 zulässig. Sie muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, dem Schutz eines der dort genannten legitimen ____________________
Grabenwarter, EMRK 3 (2007) § 23 Rz 4. EGMR 7.12.1976, Handyside, appl no 5493/72, Z 76. EGMR 27.4.1995, Piermont, appl no 15.773/89, Z 76. EGMR 23.5.1991, Oberschlick I, appl no 11.662/85, Z 57. EGMR 8.7.1986, Lingens, appl no 9815/82, Z 43. EGMR 25.6.1992, Thorgeirson, appl no 13.778/88, Z 67. EGMR 23.5.1991, Oberschlick I, appl no 11.662/85, Z 61; EGMR 14.12.2006, Verlagsgruppe News GmbH I, appl no 76.918/01, Z 32; EGMR 26.2.2002, Dichand, appl no 29.271/95, Z 41; EGMR 26.4.1995, Prager und Oberschlick, appl no 15.974/90, Z 38. 14 EGMR 1.7.1997, Oberschlick II, appl no 20.834/92, Z 34. 15 Holoubek, Meinungsfreiheit und Toleranz – von den Schwierigkeiten einer Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft für einen vernünftigen Umgang miteinander, JRP 2006, 84 (85). 7 8 9 10 11 12 13
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Daniel Ennöckl
Ziele (darunter dem Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer) dienen und verhältnismäßig sein. Für die Beurteilung, ob ein Eingriff in die Meinungsfreiheit zum Schutz des guten Rufes „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ und damit verhältnismäßig ist, kommt der Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil eine maßgebliche Bedeutung zu: Ist eine inkriminierte Äußerung als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren, so muss sie eine objektive Grundlage aufweisen und diese nachgewiesen werden.16 Der Äußernde muss den Wahrheitsbeweis für die Richtigkeit seiner Behauptung erbringen, andernfalls sein Verhalten konventionskonform sanktioniert werden darf. Wird ihm die die Erbringung des Wahrheitsbeweises verwehrt, verletzt dies Art 10 Abs 2 EMRK.17 Demgegenüber ist die Richtigkeit eines Werturteils nach der Rsp des EGMR einem Beweis grundsätzlich nicht zugänglich. Art 10 EMRK verbietet es dem Staat, über den Wert oder Unwert einer Meinung zu abzusprechen. Wird für ein Werturteil ein Wahrheitsbeweis verlangt, so stellt dies eo ipso eine Verletzung des Art 10 Abs 1 EMRK dar. Werturteile können nur dann konventionskonform beschränkt werden, wenn sie exzessiv sind, weil sie keine faktische Basis aufweisen und der Wertung jeder Tatsachenhintergrund fehlt.18 Die Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil zählt daher zweifellos zu den Kernfragen des straf- und zivilgerichtlichen Beleidigungsrechts, weil davon abhängt, ob der Äußernde die Richtigkeit seiner Behauptung nachweisen muss oder lediglich zu prüfen ist, ob sich seine Meinung auf eine ausreichende faktische Basis stützen kann. Die konkrete Unterscheidung im Einzelfall bereitet jedoch regelmäßig Schwierigkeiten, weil die Rsp bislang dafür keine klaren Abgrenzungskriterien definiert hat. Auch das in der Literatur häufig genante abstrakte Prinzip, wonach immer dann, wenn eine Äußerung Anspruch auf Wirklichkeitstreue erhebt und ihre Richtigkeit empirisch überprüft oder nachgewiesen werden kann, eine Tatsachenbehauptung, ansonsten aber ein Werturteil vorliegt,19 ist in der Praxis nur bedingt tauglich, eindeutige Zuordnungen zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass der EGMR die Qualifizierung einer Äußerung jeweils selbständig vornimmt und sich nicht an die Beurteilung der nationalen Gerichte gebunden fühlt. Bislang gingen die Straßburger Instanzen dabei vom Grundsatz aus, eine Meinung im Zweifelsfall als ____________________
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EGMR 25.6.1992, Thorgeirson, appl no 13.778/88, Z 65. EGMR 23.4.1992, Castells, appl no 11.798/85, Z 48; EGMR 27.2.2001, Jerusalem, appl no 26.958/95, Z 46. 18 Grabenwarter, EMRK, § 23 Rz 26 mwN. 19 Zihler, Die EMRK und der Schutz des Ansehens (2005) 212; Windhager, Keine Frage der Ehre, juridikum 2000, 212 (214).
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Werteurteil und nicht als Tatsachenbehauptung einzustufen, selbst wenn sich dies aus dem Wortlaut der Äußerungen nicht zwingend ergibt.20 Dies galt insbesondere für Beschwerdeverfahren, die Österreich betrafen.21 Im Urteil Pfeifer kam der EGMR im Gegensatz dazu zum Ergebnis, das OLG Wien habe die inkriminierte Äußerung, wonach Pfeifer Teil einer „Jagdgesellschaft“ gewesen sei, die P. in den Tod getrieben habe, zu Unrecht als ein von Art 10 EMRK gedecktes Werturteil eingestuft. Nach Ansicht des Gerichtshofs werde mit dieser Formulierung ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten Pfeifers und anderer Personen und dem Selbstmord P.s hergestellt. Dies sei nach Ansicht des EGMR einer faktischen Überprüfung zugänglich, weshalb kein Werturteil, sondern einen Tatsachenbehauptung vorläge, mit der die Grenzen zulässiger Kritik überschritten worden sei.22 Unter Berücksichtigung der bisherigen Judikatur der Straßburger Instanzen überrascht diese Beurteilung: Stellt man sich angesichts des Wortlautes der inkriminierten Äußerung nämlich die Frage, was genau beweisen hätte werden müssen, so läuft es darauf hinaus, dass Andreas Mölzer den Nachweis hätte erbringen sollen, dass sich P. aufgrund der medialen Kritik Pfeifers das Leben genommen hat. Der Wahrheitsbeweis hätte sich also darauf beziehen müssen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers ursächlich für den Entschluss von P. war, Selbstmord zu begehen. Damit verlangt der Gerichtshof nicht weniger als ein gerichtliches Beweisverfahren über die Motive und die Gedankenwelt eines Verstorbenen. In diesem Punkt stellt das Urteil Pfeifer – ohne dass es allerdings als solche deklariert wird – eine Abkehr von der bis dato meinungsäußerungsfreundlichen Rsp der Straßburger Instanzen dar. Im Gegensatz zur sog „Unklarheitenregel“ der österreichischen Judikatur, nach der der Äußernde bei der Ermittlung des Bedeutungsinhaltes von (Bild- und Wort-)Veröf____________________
20 21
Grabenwarter, EMRK, § 23 Rz 26 mwN. So wurden etwa die Vorwürfe, jemand sei ein „übelster Opportunist“ (EGMR 8.7. 1986, Lingens, appl no 9815/82, Z 46), ein „Trottel“ (EGMR 1.7.1997, Oberschlick II, appl no 20.834/92, Z 33) ein „Kellernazi“ (EGMR 13.11.2003, Scharsach, appl no 39.394/ 98, Z 41) ein Gruppe sei eine „Psychosekte mit totalitärer Gesinnung und faschistoiden Tendenzen“ (EGMR 27.2.2001, Jerusalem, appl no 26.958/95, Z 44), eine Tageszeitung betreibe „Nazijournalismus“ (EGMR 21.3.2000, Wabl, appl no 24.773/94, Z 22) und eine Partei betreibe „rassistische Hetze“ (EGMR 26.2.2002, Unabhängige Initiative Informationsvielfalt, appl no 28.25/95, Z 32) – jeweils in Abweichung von den Urteilen österreichischer Gerichte – vom EGMR als Werturteile qualifiziert. 22 Dass auch der EGMR gewisse Zweifel an der Richtigkeit dieser Einstufung hatte, zeigt sich daran, dass er – gleichsam eventualiter – argumentiert, dass selbst wenn die Äußerung als Werturteil verstanden werden müsste, sie keine ausreichende Tatsachengrundlage aufweise und daher auch in diesem Fall nicht durch Art 10 Abs 1 EMRK geschützt wäre.
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fentlichungen bzw bei mehreren Auslegungsvarianten die jeweils ungünstigere Auslegung gegen sich gelten lassen muss23, verneinte der EGMR bislang immer dann, wenn eine Äußerung eine subjektive Wertung enthielt, das Vorliegen einer Tatsachenbehauptung. Dies galt selbst dann, wenn sie im Zusammenhang mit an sich objektivierbaren Sachverhaltselementen stand. So wurde etwa jüngst die Behauptung, ein von einem Richter gefälltes Urteil würde sich nur „marginal von den Traditionen mittelalterlicher Hexenprozesse abheben“ 24, vom EGMR als Werturteil qualifiziert. Gleiches galt für den Vorwurf, ein Politiker „soll gewusst haben“, dass es in einem parteinahen Unternehmen zu Unterschlagungen gekommen ist,25 der ebenfalls nicht als Tatsachenbehauptungen angesehen wurde. Der EGMR begründet seine Ansicht, wonach die Aussage, eine Person sei Teil einer „Jagdgesellschaft“, die jemanden in den Selbstmord getrieben habe, kein Werturteil darstelle, damit, dass mit ihr dem Betroffenen ein „gleichsam kriminelles Verhalten“ vorgehalten werde. Schon dies ist – wie auch Richter Schäffer in seiner dissenting opinion betont – mE unzutreffend, weil die inkriminierte Aussage zwar ehrenrührig ist, sich aber wohl eher auf die Frage einer moralischen Verantwortung bezieht und mit ihr keinesfalls zwingend strafrechtlich relevantes Handeln zum Vorwurf gemacht wird. Abgesehen davon steht diese Argumentation auch in Widerspruch zur bisherigen Rsp des EGMR, wurde doch etwa die Äußerungen, eine Partei betreibe „rassistische Hetze“ 26, jemand sei ein „Kellernazi“ 27 und ein Politiker hätte „den Ruf und die Zukunftschancen einer Person zerstört“ 28 von diesem nicht als Tatsachenbehauptungen qualifiziert, obwohl auch mit ihnen strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen wurde. Die Ansicht des Gerichtshofes, wonach die inkriminierte Äußerung die Grenzen zulässiger Kritik überschritt, ist daher mE wenig überzeugend.29 ____________________
23 Zur Kritik an der sogenannten „Unklarheitenregel“ siehe etwa Zöchbauer, MR 2002, 149; Berka, Die Kommunikationsfreiheit, in Machachek/Pahr/Stadler, Grund- und Menschenrechte in Österreich II (1992), 393 (451); Ennöckl/Windhager, MR 2002, 149. 24 EGMR 2.11.2006, Kobenter und Standard Verlags GmbH, appl no 60.899/00. 25 EGMR, 2.11.2006, Standard Verlags GmbH, appl no 13.071/03. 26 EGMR 26.2.2002, Unabhängige Initiative Informationsvielfalt, appl no 28525/95. 27 EGMR 13.11.2003, Scharsach, appl no 39.394/98. 28 EGMR 2.11.2006, Krawagna-Pfeifer und Standard Verlags GmbH, appl no 19.710/ 02. 29 Die – mE unbegründete – Abkehr von der bisherigen Judikaturlinie des EGMR weist auf ein weiteres grundsätzliches Problem der Straßburger Rechtsprechung zum Beleidigungsschutz hin, auf das auch Grabenwarter bereits Bezug genommen hat: Aufgrund der internationalen Besetzung des Gerichtshofes haben Richter darüber zu entscheiden, welche Bedeutung einer Äußerungen beizumessen ist, obwohl die betreffende Sprache nicht ihre Muttersprache ist bzw sie diese überhaupt nicht beherrschen. Die Versuche, die inkriminierten Wendungen zu ins Englische und Französische zu übersetzen, sind im
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IV. Art 8 Abs 1 EMRK und der Schutz des Ansehens In der dem Urteil zugrunde liegenden Beschwerde an den EGMR machte Karl Pfeifer eine Verletzung des Art 8 Abs 1 EMRK geltend. Nach diesem Grundrecht hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privatlebens. Der Begriff „Privatleben“ ist – wie Wiederin treffend attestiert – einer der schillerndsten der gesamten Konvention.30 Wie kein anderer Terminus der EMRK bereitet seine begriffliche Erfassung und damit die Bestimmung des Schutzbereiches des Grundrechts sowohl der Lehre, als auch der Judikatur Schwierigkeiten, findet sich doch weder in der EMRK selbst, noch in den Travaux préparatoires ein abschließender Hinweis, was unter Privatleben zu verstehen ist. Die Konventionsorgane halten eine erschöpfende Begriffsbestimmung generell für nicht möglich und haben daher auf den Versuch einer Definition bislang verzichtet.31 Strittig war bislang insbesondere, ob die persönlichen Ehre und der gute Ruf Teil des durch Art 8 Abs 1 EMRK geschützten Privatlebens sind und dem Einzelnen ein Anspruch auf behördlichen Schutz seiner Reputation vor rufschädigende Veröffentlichungen zukommt. Dagegen sprach, dass auf die Aufnahme eines entsprechenden Anspruches in Art 8 Abs 1 EMRK – im Gegensatz zu Art 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UNAEMR) und Art 17 des Internationelen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNMRPakt) – bewusst verzichtet wurde.32 Dennoch bejahten mehrere Autoren einen grundrechtlichen Ansehensschutz mit dem Hinweis, dass zur Persönlichkeitsentfaltung, Selbstbestimmung und geistigen Integrität auch der Schutz des guten Rufes gehöre33 und der Schutz der persönlichen Ehre als Bestandteil der Würde ____________________
Regelfall nur bedingt tauglich, den Bedeutungsinhalt von Äußerungen zu vermitteln. Sprachliche Feinheiten und die Doppeldeutigkeit von Äußerungen, die für die Frage der Zulässigkeit einer beleidigenden Aussage jedoch entscheidend sein können, gehen im Weg der Übersetzung regelmäßig verloren. Grabenwarter, EMRK, § 23 Rz 26. Vgl auch den vergeblichen Versuch Schäffers in seiner dissenting opinion, dem Gerichtshof die Bedeutung der Wendung „Jagdgesellschaft“ im allgemeinen Sprachgebrauch näher zu bringen. 30 Wiederin, Art 8 EMRK, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 29. 31 EGMR 16.12.1997, Raininen, appl no 20972/92, Z 63; EGMR 25.3.1993, Costello-Roberts, appl no 13134/87 Z 36; EGMR 16.12.1992, Niemietz, appl no 13.710/88, Z 29. 32 Wildhaber/Breitenmoser, IntKommEMRK, Art 8 Rz 36. Auch in Bezug auf Art 7 GRC wurde diskutiert, ob der gute Ruf einer Person und ihre Reputation zu schützen seien. Von einer expliziten Aufnahme dieser Schutzgüter wurde aber schließlich Abstand genommen; vgl Marauhn, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg), Handbuch EU-Grundrechte (2006) § 19, Rz 15. 33 Jacobs, The European Convention on Human Rights (1975) 126; Wildhaber/ Breitenmoser, IntKommEMRK, Art 8 Rz 85; Breitenmoser, Der Schutz der Privatsphäre gem Art 8 EMRK (1986) 50ff; Zihler, EMRK 5 ff.
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einer Person von Art 8 Abs 1 EMRK erfasst sei.34 So war in der Lehre schon bisher weitgehend anerkannt, dass der Einzelne gegenüber staatlichen Stellen einen Anspruch auf Achtung seiner Reputation hat, was sich auch insoweit aus der Rsp ableiten ließ, als die Konventionsorgane wiederholt festgehalten hatten, dass etwa die Veröffentlichung von Auszügen des Strafregisters35 oder die Weitergabe von Fotos eines Angeklagten an die Presse36 Art 8 Abs 1 EMRK berühren. Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates hatte sich wiederholt dafür ausgesprochen, die Reputation dem Schutz des Art 8 Abs 1 EMRK unterliegen zu lassen. Nach der Entschließung 428 (1979) der (damaligen) Beratenden Versammlung besteht das Recht auf Privatleben grundsätzlich darin, sein Leben mit einem Minimum an Beeinträchtigung führen zu können. Der Einzelne müsse daher auch davor geschützt werden, in einem falschen Licht dargestellt zu werden. Daran anknüpfend vertrat die (nunmehrige) Parlamentarische Versammlung in der Entschließung 1165 (1989) die Auffassung, dass der Einzelne nicht nur gegen Eingriffe in das Privatleben durch öffentliche Behörden geschützt werden sollte, sondern auch gegen solche durch private Personen und Institutionen einschließlich der Massenmedien. Diesen Beschlüssen kommt allerdings an sich keine – insbesondere den EGMR und die Konventionsstaaten – rechtlich bindende Wirkung zu, weil die Versammlung nur zur Beratung des Ministerkommitees berufen ist. Sie hat weder eine Kompetenz zur Gesetzgebung noch zur Setzung von sonstigen außenwirksamen Rechtsakten. Ungeachtet dessen, dass die Entschließungen der Parlamentarischen Versammlung als bloß politische Willens- und Absichtserklärungen zu qualifizieren sind, werden sie vom Gerichtshof für nicht völlig unverbindlich angesehen und ihnen zumindest eine interpretationsleitende Funktion zugestanden.37 Die bis dato ergangene Rsp der Konventionsorgane zur Frage, ob sich aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens auch ein Ansehensschutz – sowohl gegenüber staatlichen Organen als auch gegenüber Privaten – ergebe, erwies sich als eher inkonsistent. So erklärte die EKMR in frühen Entscheidungen, dass ein „right to reputation“ als solches durch die Kon____________________
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Grabenwarter, EMRK § 22 Rz 11. EKMR 4.6.1978, X gegen Norwegen, appl no 7945/77, DR 14, 228; EKMR 7.10. 1974, appl no 6300/73, CD 46, 216. 36 EGMR 28.1.2003, Peck, appl no 4467/98; EGMR 11.1.2005, Sciacca, appl no 50.774/99. 37 So verwies der EGMR in der Begründung des Urteil von Hannover auf die Entschließung 1165 (1989), als er eine aktive Schutzpflicht der Konventionsstaaten gegen die Privatsphäre berührende Bildveröffentlichungen in Massenmedien feststellte: EGMR 24.6. 2004, von Hannover, appl no 59.320/00, Z 67, 70. 35
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vention grundsätzlich nicht gewährt werde und hielt fest, dass trotz einer festgestellten Beleidigung durch ein staatliches Organ kein Anschein einer Verletzung des Art 8 Abs 1 EMRK aufgezeigt worden sei.38 In einer späteren Entscheidung wurde eine Beschwerde hingegen mit der Begründung abgewiesen, dass in dieser nicht ausreichend substantiiert dargelegt worden sei, inwieweit der berufliche oder private Ruf durch eine behördliche Mitteilung geschädigt worden sei, womit zumindest indirekt zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine Verletzung des Art 8 Abs 1 EMRK durch rufschädigende Erklärungen denkbar ist.39 Schließlich anerkannte die Kommission in einer im Jahre 1992 ergangenen Entscheidung, dass die Veröffentlichung eines Berichtes staatlicher Wirtschaftsprüfer über ein privates Rechtsgeschäft in das Privatleben der daran Beteiligten eingreife.40 Ein unmittelbarer Anspruch auf einen Beleidigungsschutz gegenüber Privaten wurde demgegenüber von der EKMR stets mit dem Hinweis abgelehnt, dass Art 8 Abs 1 EMRK grundsätzlich nur vor staatlichen Eingriffen schützt. Daher wurden alle Beschwerden zurückgewiesen, mit denen ehrverletzende Berichterstattungen nicht-staatlicher Medien gerügt wurden.41 Die Kommission deutete zwar in mehreren Entscheidungen an, dass sich aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens ein verfahrensrechtlicher Schutz gegen rufschädigende Medienveröffentlichungen ergeben42 und eine fehlende Klagemöglichkeit eine Verletzung des Art 8 Abs 1 EMRK darstellen könnte.43 Eine positive Schutzpflicht der Konventionsstaaten gegen ehrverletzende Veröffentlichung Privater wurde von der EKMR aber – soweit ersichtlich – niemals judiziert. Auch vom EGMR wurde bis zum Urteil Pfeifer noch keinem Konventionsstaat eine Verletzung des Art 8 Abs 1 EMRK infolge einer rufschädigenden oder beleidigenden Äußerung eines anderen Bürgers angelastet. Der Gerichtshof erklärte zwar hinsichtlich einiger auf Art 10 Abs 1 EMRK gestützter Beschwerden, dass der Schutz des guten Rufes von Art 8 Abs 1 EMRK erfasst sei.44 Diese Urteile betrafen allerdings immer nur den in____________________
38 EKMR 16.12.1966, appl no 2413/65, CD 23, 1; EKMR 17.3.1970, appl no 4225/ 69, CD 34, 34. 39 EKMR 9.5.1978, X gegen Vereinigtes Königreich, appl no 7940/77, DR 14, 224. 40 EKMR 15.5.1992, Fayed and the House of Fraser Holding plc, appl no 17.101/90. Diese Argumentation wurde im Urteil des EGMR vom 21.9.1990 allerdings nicht mehr explizit übernommen. 41 EKMR 16.12.1966, appl no 2413/65, CD 23, 1; Breitenmoser, Privatsphäre 66 mwN. 42 EKMR 10.7.1986, Winer, appl no 10.871/84. 43 EKMR 16.1.1998, Spencer, appl no 28.851/95, DR 92, 56; EKMR 2.7.1997, Steward-Brandy, appl no 27.436/95 und 28.406/95, DR 90, 45. 44 EGMR 7.5.2002, McVicar, appl no 46.311/99, Z 71; EGMR 29.6.2004, Chauvy and Others, appl no 64.915/01; EGMR 21.9.2004, Abeberry, appl no 58.729/00.
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direkten Ansehensschutz, der durch Art 10 Abs 2 EMRK vermittelt wird, also Fälle, in denen die belangten Staaten in die Meinungsfreiheit eingriffen, um den guten Ruf des von einer Äußerung Betroffenen zu schützen. In der überwiegenden Zahl der Fälle lehnte es der EGMR aber ab, Fragen des Ehrenschutzes nicht nur unter dem Blickwinkel des Art 10 Abs 2 EMRK, sondern auch unter dem Aspekt des Art 8 Abs 1 EMRK zu prüfen.45 Lediglich das EGMR-Urteil White 46 beruhte auf einer Beschwerde, die sich auf das Recht auf Privatleben stützte. In dieser wurde die Verletzung des Art 8 Abs 1 EMRK durch (nicht-staatliche) Wort- und Bildberichterstattung geltend gemacht, die betreffende Veröffentlichung vom EGMR infolge des mit ihr verbundenen öffentlichen Interesses aber für zulässig erklärt. An diese Entscheidung anknüpfend hielt der EGMR im Urteil Pfeifer nunmehr explizit – und mit der Konsequenz einer Verurteilung Österreichs – fest, dass das Ansehen einer Person Teil ihrer persönlichen Identität und Integrität ist und daher unter das geschützte Privatleben fällt. Dies gelte selbst dann, wenn sie im Rahmen einer Debatte von allgemeinem Interesse kritisiert werde.47 Mit dieser – in ihrer Begründung äußerst knapp gehaltenen – Erweiterung des Schutzbereiches des Art 8 Abs 1 EMRK geht der EGMR mE in zweifacher Hinsicht zu weit: Zum einen ist es verfehlt, den guten Ruf einer Person auch dann grundrechtlich zu schützen, wenn sich diese an einer Debatte von allgemeinem Interesse beteiligen. Zutreffend hat der EGMR bislang betont, dass auch Privatpersonen in einem stärkeren Ausmaß Kritik hinnehmen müssen, wenn sie sich durch die Teilnahme an einer öffentlichen Diskussion aus dem Privaten herausbegeben.48 Wer die „Arena der Öffentlichkeit“ betritt („the arena of public debate“) und sich am politischen Diskurs beteiligt, handelt per se öffentlich und kann daher nicht darauf vertrauen, dass in diesem Rahmen der Schutz des Privatlebens zugunsten seiner Reputation wirksam wird.49 Zum anderen muss hinsichtlich der Grundrechtsrelevanz ehrverletzender Äußerungen dahingehend differenziert werden, ob eine rufschädigende Erklärung dem Konventionsstaat oder einem Privaten zuzurechnen ist. Unstrittig ist, dass Behörden und ihre Organe die Reputation der Bürger zu achten haben. Werden von staatlichen Stellen Tatsachen, die nicht ____________________
45 Statt vieler EGMR 8.7.1986, Lingens, appl no 9815/82, Z 37, 38; EGMR 21.1. 1999, Fressoz und Roire, appl no 29.183/95; EGMR 6.2.2001, Tammer, appl no 41.205/ 98; EGMR 21.9.1994, Fayed, appl no 17.101/90. 46 EGMR 19.9.2006, White, appl no 42.435/02. 47 EGMR 15.11.2007, Pfeifer, appl no 12.556/03, Z 35. 48 Vgl Grabenwarter, EMRK, § 23 Rz 29 mwN. 49 Vgl Ennöckl, Public figures im Rundfunkrecht, in: Berka/Grabenwarter/Holoubek (Hrsg), Medienfreiheit versus Inhaltsregulierung (2006) 95 (101).
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allgemein bekannt sind, gegen berechtigte Interessen der Betroffenen weitergegeben und veröffentlicht, stellt dies nach hM einen Eingriff in das Recht auf Privatleben dar. Bloßstellende Anprangerungen mit strafähnlichem Charakter, die das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit beeinträchtigen – etwa die Bekanntmachung von fruchtlos gepfändeten Schuldnern50 oder die Veröffentlichung der Namen von Straftätern – berühren daher Art 8 Abs 1 EMRK.51 In Bezug auf Verletzungen des Ansehens durch Private gilt hingegen, dass sowohl die stRsp als auch die hL eine unmittelbare Drittwirkung des Art 8 Abs 1 EMRK ablehnen und ausschließlich die Mitgliedstaaten, nicht aber Individuen durch die EMRK verpflichtet werden sollen. Das Recht auf Privatleben wird daher nicht unmittelbar durch den Äußerer einer ehrrührigen Meinung selbst, sondern allenfalls durch den Staat verletzt, der dies nicht unterbindet oder sanktioniert. Nicht die Äußerung des Privaten, sondern die Unterlassung der Gerichte und Behörden kann somit grundrechtsrelevant sein. Zu prüfen ist hinsichtlich Ehrverletzungen durch Private deshalb, ob der Konventionsstaat verpflichtet ist, den Ruf und das Ansehen des Betroffenen aktiv zu schützen und ob die allenfalls bestehenden „positive obligations“ erfüllt werden (vgl unten V.).
V. Positive staatliche Schutzpflichten zugunsten des Schutzes des Ansehens Dass die EMRK die Mitgliedstaaten – ungeachtet des primär abwehrenden Charakters der Konventionsrechte – dazu verpflichtet, ihre Bürger auch aktiv vor Rechtsverletzungen zu schützen, folgt aus dem Leitgedanken, dass ein effektiver Grundrechtsschutz hinsichtlich mancher Gewährleistungen nur erreicht werden kann, wenn sich die Mitgliedsstaaten nicht nur darauf beschränken, sich hoheitlicher Eingriffe in die geschützten Grundrechte zu enthalten.52 In Abkehr eines negatorischen, rein abwehrrechtlichen Menschenrechtsverständnisses wurde anerkannt, dass Art 8 Abs 1 EMRK zwar vornehmlich vor willkürlichen Eingriffen durch Organe der Konventionsstaaten schützen soll, dem Begriff der „Achtung“ 53 ____________________
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Schweizer BGer 28.1.1981, BGE 107 Ia 58. Haefliger/Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz 2 (1999) 257; Breitenmoser, Privatsphäre 53; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003) 28, der dies dem Schutz der psychischen Integrität zurechnet. 52 Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten (1996) 40 ff; Berka, Grundrechte Rz 461. 53 Harris/O’Boyle/Warbrick, European Convention 354. „The Strasbourg authorities have made use of the term respect in Article 8 (1) to enhance rather than reduce the 51
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eines Grundrechtes aber auch eine positive Verpflichtung der Vertragsstaaten („positive obligations“) inhärent ist.54 Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens zählte – neben dem Recht auf Leben und dem Versammlungsrecht – zu den Gewährleistungen der EMRK, aus denen schon frühzeitig positive staatliche Schutzpflichten des Gesetzgebers und in weiterer Folge der Vollziehung abgeleitet wurden. Mittlerweile stellt Art 8 Abs 1 EMRK diejenige Bestimmung der Konvention dar, hinsichtlich der am häufigsten die Verpflichtung zu positiven Maßnahmen zum Schutz des Grundrechts judiziert wurde.55 Waren es in materiell-rechtlicher Hinsicht zunächst in erster Linie familien- und fremdenrechtliche Fälle, in denen von den Straßburger Instanzen positive Verpflichtungen aus Art 8 Abs 1 EMRK abgeleitet wurden, kann nunmehr attestiert werden, dass die Rsp mittlerweile zu nahezu allen Aspekten des Privat- und Familienlebens aktive Schutzpflichten judiziert hat.56 Die Bandbreite der Urteile des EGMR reicht von Rechtsfragen der Transsexualität, des Umwelt-, Gesundheits- und Nachbarschutzes, des Schutzes personenbezogener Daten und der Telekommunikation, bis hin zur staatlichen Verpflichtung, alle Formen von sexuellem Missbrauch unter strafrechtliche Sanktion zu stellen und Verstöße dagegen effektiv zu ahnden.57 Im Bereich des medienrechtlichen Persönlichkeitsschutzes wurden von der Straßburger Rsp positive Schutzpflichten bislang nur insoweit judiziert, als Art 8 Abs 1 EMRK dem Einzelnen das Recht einräumt, selbst zu bestimmen, in welcher Art und Weise sein Privatleben in der Öffentlichkeit dargestellt und wahrgenommen wird. Die Gewährleistung des Art 8 Abs 1 EMRK umfasst insbesondere das Recht am eigenen Bild,58 kann aber auch einen Anspruch auf medienrechtlichen Schutz gegenüber der bloßstellenden Offenlegung des höchstpersönlichen Lebensbereiches eines Menschen durch Wortberichterstattung enthalten, etwa wenn sein Beziehungs- und Sexualleben,59 Informationen über seinen Gesundheits____________________
reach of states obligations“. Marauhn/Meljnik, in: Grote/Marauhn (Hrsg), EMRK/GG (2006), Kap 16, Rz 20. 54 Dröge, Positive Verpflichtungen der Staaten in der Europäischen Menschenrechtskonvention (2003) 23. 55 Haefliger/Schürmann, EMRK 249. 56 Szcekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht (2002) 794 ff. 57 Grabenwarter, EMRK, § 22 Rz 53ff; Holoubek, Gewährleistungspflichten 284 f. 58 EGMR 24.6.2004, von Hannover, appl no 59.320/00; EGMR Entscheidung 21.2. 2002, Schüssel, appl no 42.409/98. 59 EGMR Entscheidung 12.12.2000, Company y Diez de Revenga und Lopez-Galiacho Perona, appl no 54.224/00.
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zustand60 oder persönliche Aufzeichnungen veröffentlicht und großflächig verbreitet werden. Mit dem Urteil Pfeifer wurden diese positive obligations auf den Beleidigungsschutz erweitert und erstmals ein Konventionsstaat verpflichtet, gegen eine ehrverletzende Wortberichterstattung vorzugehen. Ob im konkreten Einzelfall eine Schutzpflicht der Konventionsstaaten besteht, hat sich jeweils aus einer Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens des Betroffenen und dem Recht auf freie Meinungsäußerung des veröffentlichenden Mediums zu ergeben. Zwischen diesen Grundrechtspositionen sowie dem Interesse der Allgemeinheit an einer freien Debatte ist ein ausgewogenes Verhältnis („fair balance“) herzustellen, wobei dem Staat in solchen Fällen bis dato ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wurde.61 Im Urteil Pfeifer hielt der EGMR nun fest, dass die staatliche Verpflichtung zum Schutz des guten Rufes des Beschwerdeführers bereits dann eintrete, wenn eine Äußerung die Grenzen der nach Art 10 Abs 1 EMRK zulässigen Kritik überschreite. Da er den gegen Karl Pfeifer erhobene Vorwurf als unzulässige Tatsachenbehauptung qualifizierte, sei Österreich verpflichtet gewesen, dessen Reputation wirksam zu schützen. Dies sei jedoch nicht geschehen, womit es die österreichischen Gerichte verabsäumt hätten, einen gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen herzustellen. Auch diese – wiederum äußerst knapp gehalten – Argumentation bedarf mE gewisser Ergänzungen bzw Einschränkungen: Zunächst ist festzuhalten, dass eine aus Art 8 Abs 1 EMRK resultierende Gewährleistungspflicht immer nur so weit reichen kann, wie Eingriffe in die Meinungsfreiheit gem Art 10 Abs 2 EMRK zulässig sind, keinesfalls aber weiter.62 Dies ergibt sich auch aus Art 17 EMRK, der es verbietet, sich für eine Abschaffung oder übermäßige Einschränkung der in der Konvention eingeräumten Rechte auf eine andere Bestimmung der EMRK zu beziehen.63 Ist eine Äußerung durch Art 10 Abs 1 EMRK gedeckt, kann keine staatliche Schutzpflicht bestehen, zugunsten des Privatlebens in die Meinungsfreiheit einzugreifen. Umgekehrt darf daraus allerdings nicht der Schluss gezogen werden, dass jede Äußerung, die die Grenzen zulässiger Kritik ____________________
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EGMR 18.5.2001, Plon Société, appl no 58.148/00. EGMR 24.6.2004, von Hannover, appl no 59.320/00, Z 57; EGMR 26.51994, Keegan, appl no 16.969/90, Z 49; ebenso schon zuvor in EGMR 9.12.1994, Lopez Ostra, appl no 16798/90, Z 51; EGMR 24.2.1998, Botta, appl no 21.439/93, Z 33. 62 Vgl Holoubek, JRP 2006, 85 in Bezug auf das Verhältnis von Art 9 und Art 10 EMRK zueinander. 63 Vgl Akyürek/Kneihs, Die Karikatur zwischen Religions- und Meinungsfreiheit, JRP 79 (81).
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überschreitet, auch gleichzeitig eine positive Schutzpflicht auslöst. Ob eine solche besteht, hat sich vielmehr autonom aus dem Schutzbereich des Art 8 Abs 1 EMRK zu ergeben. Daher gilt, dass eine „positive obligation“ nicht in jedem Fall soweit geht, wie Art 10 Abs 2 EMRK es zulässt; sie geht aber keinesfalls darüber hinaus.64 Die im Urteil Pfeifer vom EGMR vorgenommene pauschale Gleichsetzung der Eingriffsermächtigung des Art 10 Abs 2 EMRK mit den aus Art 8 Abs 1 EMRK resultierenden Schutzpflichten ist aus diesem Grunde verfehlt. Um aufgrund des Art 8 Abs 1 EMRK einen staatliche Schutzpflicht zulasten der Meinungsfreiheit rechtfertigen zu können, muss sich diese vielmehr – wie jeder Eingriff in Art 10 Abs 1 EMRK – auf ein „pressing social need“ stützen können. Ein solches ist dann anzunehmen, wenn eine aktive staatliche Maßnahme erforderlich ist, weil ansonsten die Inanspruchnahme und Ausübung des Grundrechts nach Art 8 Abs 1 EMRK durch den Beleidigten ihrerseits beeinträchtigt wäre.65 Daher stellt nicht jede ehrrührige Äußerung, aufgrund der sich jemand seiner Ehre verletzt erachtet, auch gleich eine Grundrechtsbeeinträchtigung dar, die eine positive Schutzpflicht auslöst. Ansonsten wäre die (bereits erwähnte) Rsp zu Art 10 Abs 1 EMRK, wonach Meinungen auch beleidigen, schockieren und beunruhigen dürfen, hinfällig. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang die Straßburger Judikatur, wonach die Möglichkeit der freien Entfaltung der persönlichen Individualität das teleologische Schutzobjekt des Art 8 Abs 1 EMRK darstellt.66 Daraus folgt, dass eine Verletzung der Reputation erst dann das geschützte Privatleben des Beleidigten berührt, wenn diese in ihrer – auch potentiellen – Wirkungsweise geeignet ist, das Ansehen und den Ruf einer Person in der Öffentlichkeit derart zu beschädigen, dass es die freie Entfaltung der Persönlichkeit einschließlich der Möglichkeit, Beziehungen zu anderen Menschen zu unterhalten, beeinträchtigt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn jemand der Teilnahme an einem Verbrechen bezichtigt wird,67 von einem Sportler behauptet wird, er verwende leistungssteigernde Medikamente68 oder einem Mitglied der Résistance die Kollaboration mit dem Faschismus vorgeworfen wird.69 Es ____________________
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Holoubek, JRP 2006, 85. Vgl Stelzer, Der Karikaturenstreit: Versuch einer grundrechtlichen Entgrenzung, JRP 2006, 98 (99); R. Winkler, Die Kränkung als Grundrechtseingriff – von der freiheitlichen zur korrekten Kommunikationsordnung, ebendort 103 (105). 66 Statt vieler EGMR 23.7.1968, Belgischer Sprachenfall, appl no 1474/62; EGMR 24.6.2004, von Hannover, appl no 59.320/00, Z 50; EGMR 16.12.1992, Niemietz, appl no 13710/88, Z 29. 67 EGMR 19.9.2006, White, appl no 42.435/02. 68 EGMR 7.5.2002, McVicar, appl no 46.311/99. 69 EGMR 29.6.2004, Chauvy and Others, appl no 64.915/01. 65
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geht somit um (unrichtige) Tatsachenbehauptungen, die die Integrität des Betroffenen nachhaltig schädigen. Nur in diesem Sinne „qualifizierte“ Ehrverletzungen berühren den Schutzbereich des Art 8 Abs 1 EMRK und können staatliche Schutzpflichten auslösen. Demgegenüber können Werturteile und Wertungsexzesse sowie Verbalinjurien und Unhöflichkeiten, die für den Betroffenen lediglich kränkend und beleidigend, nicht aber „persönlichkeitsstörend“ sind, zwar die Grenze der im Hinblick auf Art 10 Abs 2 EMRK zulässigen Kritik überschreiten; in Bezug auf das geschützte Privatleben sind sie mE jedoch nicht grundrechtsrelevant und lösen keine aktive Handlungspflicht des Staates aus.
VI. Resümee Aus dem Urteil Pfeifer ergibt sich, dass der EGMR die Konventionsstaaten aufgrund des Art 8 Abs 1 EMRK dazu verpflichtet sieht, auch im Rahmen der politischen Auseinandersetzung eine sozial adäquate Form der Kommunikation zwischen den Bürgern zu gewährleisten. Diese Grundannahme der Entscheidung ist mE verfehlt. Unstrittig ist, dass die Persönlichkeitsrechte der Bürger durch das Recht auf Achtung des Privatlebens geschützt sind. Die Sicherung eines angemessenen Umgangs(tons) untereinander ist hingegen nicht Teil der in der Konvention verankerten freiheitlichen Kommunikationsordnung. Eine demokratische Gesellschaft – wie sie die EMRK schützen will – muss auch harsche Kritik, Polemik, Überspitzungen und Beleidigungen aushalten. Man kann die Form und den Inhalt einer aggressiv geführten Debatte missbilligen, ohne dass man den Staat verpflichtet sieht, regulierend in diese einzugreifen.
Christoph Grabenwarter
Das Recht auf effektive Beschwerde gegen überlange Verfahrensdauer I. Einleitung Art 6 EMRK enthält als eine unter mehreren Garantien das Recht auf eine Entscheidung „innerhalb angemessener Frist“. Zu diesem Recht hat sich eine feinziselierte Judikatur des EGMR wie des Verfassungsgerichtshofes an Hand von Kriterien wie der Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer, der Komplexität des Falles und des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten, insbesondere aber der Verfahrensgestion durch die Gerichte entwickelt.1 Es überrascht nicht, dass Beschwerden, in denen die Verletzung der Garantie angemessener Verfahrensdauer geltend gemacht wird, den EGMR erheblich belasten. Rund 8.566 Verfahrensdauerfälle waren am 3. Dezember 2007 beim EGMR anhängig, das eigentliche Problem wird aber in einer anderen Zahl deutlich: Von diesen Fällen waren allein 7.051 Fälle vor den Kammern und „nur“ 1.515 vor den Dreier-Ausschüssen anhängig, dh die große Mehrheit der Beschwerden hat Aussicht auf Erfolg. Von 1.503 Urteilen, die der EGMR im Jahr 2007 gefällt hat, betrafen 384 das Recht auf eine angemessene Verfahrensdauer.2 Das von der Konvention vorgesehene Rechtsschutzsystem basiert auf dem Grundsatz der Subsidiarität. Es ist zunächst Sache der Konventionsstaaten, die in der EMRK gewährleisteten Grundrechte einzuhalten und gegen (mögliche) Verletzungen Rechtsschutz vorzusehen.3 Aufgabe des EGMR ist eine völkerrechtliche Letztkontrolle. Während das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung gemäß Art 35 EMRK in prozessualer Hinsicht Ausdruck des Subsidiaritätsgedankens ist, bildet das Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer (behaupteten) Konventionsverletzung (Art 13 EMRK) das materiellrechtliche Gegenstück.4 ____________________
1 Für Nachweise Grabenwarter, Artikel 6 EMRK, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (8. Lfg 2007) Rz 116 ff. 2 EGMR, Survey of activities 2007, 59. 3 Siess-Scherz, Die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips für den Reformprozess des EGMR, in: Karl (Hg) Internationale Gerichtshöfe und nationale Rechtsordnung (2005) 83 (89 ff ); Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention 3 2008, § 13 Rn 19 mit Hinw auf die Judikatur des EGMR. 4 Grabenwarter (FN 3) § 24 Rn 162.
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Dieses Recht führt lange Zeit ein Schattendasein, vor allem im Schatten des Art 6 EMRK. Erst in jüngerer Zeit wird seine Bedeutung erkannt5 und sein Gehalt in Judikatur wie Literatur entfaltet. Die Relevanz des Art 13 EMRK für das österreichische Verwaltungsrecht, insbesondere das Anlagenrecht und hier für die Beteiligung von Nachbarn an Genehmigungsverfahren, hat Bernhard Raschauer in der ihm eigenen Art präzise entwickelt und auf den Punkt gebracht.6 Der folgende Beitrag geht der Frage nach, ob und inwieweit die nationalen Rechtsordnungen auch Rechtsmittel gegen überlange Verfahren vor den Verfassungsgerichten vorsehen müssen.
II. Die Anforderungen des Art 13 EMRK mit Bezug zur angemessenen Verfahrensdauer Seit der Kudáa-Entscheidung aus dem Jahr 2000 ist es ständige Rechtsprechung des EGMR, dass das Grundrecht auf einen effektiven Rechtsbehelf gemäß Art 13 EMRK eine Beschwerde an eine innerstaatliche Instanz insbesondere auch wegen einer behaupteten Verletzung des Rechts auf eine angemessene Verfahrensdauer verlangt.7 Damit hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Anwendungsbereich von Art 13 EMRK prinzipiell auch die aus Art 6 EMRK folgenden Verfahrensgarantien erfasst. Auf diese Weise wurde die Bedeutung des Art 13 EMRK wesentlich erhöht und die materiellrechtliche Absicherung des Subsidiaritätsprinzips effektiviert.8 Für Verletzungen des Gebots angemessener Verfahrensdauer ist aus Art 13 EMRK abzuleiten, dass die Beschwerde vor der nationalen Instanz Gewähr dafür bietet, dass entweder präventiv das Verfahren beschleunigt oder nachfolgend dem Betroffenen eine angemessene Entschädigung für ____________________
5 Exemplarisch Matscher, Zur Funktion und Tragweite der Bestimmung des Art. 13 EMRK, FS Seidl-Hohenveldern (1988) 315 ff; Bernegger, Das Recht auf wirksame Beschwerde, in: Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd 2 (1992) 733 ff; Holoubek, Das Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz, JBl 1992, 137 ff; Frowein, Article 13 as a growing pillar of Convention law, GS Ryssdal (2000) 545 ff. 6 Raschauer, Anlagenrecht und Nachbarschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht, ZfV 1999, 506 (508, 516 f ). 7 EGMR, Urteil v 26.10.2000, Kudła, RJD 2000-XI, Z 154; dazu ausführlich Richter, Das Recht auf wirksame Beschwerde, in: Grote/Marauhn (Hrsg), EMRK/GG. Konkordanzkommentar (2006), Kap 20, Rz 102. 8 Zum Folgenden ausführlich die Studie der Venice Commission, Can excessive length of proceedings be remedied?, Council of Europe, Collection Science and technique of democracy, Nr 44 (2007) 44 ff.
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die eingetretenen Verzögerungen zuerkannt wird.9 Unzureichend ist es, wenn der Betroffene einen Antrag auf Beschleunigung des Verfahrens bei einer ranghöheren Behörde zu stellen befugt ist, ohne dass er einen Anspruch auf Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verfahrensdauer hat.10 Die Staaten haben eine Wahlfreiheit hinsichtlich der beiden Arten von Rechtsbehelfen. Zwar hat der EGMR in der Vergangenheit wiederholt eine deutliche Präferenz für Rechtsmittel erkennen lassen, die auf eine Beschleunigung ausgerichtet sind;11 eine konventionsrechtliche Verpflichtung zu deren Einrichtung besteht jedoch nicht.12 Dieser Spielraum muss auch im Lichte unterschiedlicher Fallkonstellationen gesehen werden: Im Vorfeld einer Verfahrensverzögerung ist das präventive Rechtsmittel wirksamer, nach einer überlangen Verfahrensdauer kann nur noch die Zuerkennung einer Entschädigung einen Ausgleich bieten. In Strafverfahren verschafft die Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer bei der Strafzumessung Abhilfe, sofern diese ausdrücklich und in messbarer Form erfolgt.13 Disziplinarstrafen gegen einen säumigen Richter bilden nur unter bestimmten Voraussetzungen ein effektives Rechtsmittel: das Disziplinarverfahren muss unmittelbare Auswirkungen auf das verzögerte Ausgangsverfahren haben, die Disziplinarbehörde muss nach einer Beschwerde zur Einleitung des Disziplinarverfahrens verpflichtet sein und der Beschwerdeführer muss Parteistellung in diesem Verfahren haben.14 Im Fall der Möglichkeit einer Entschädigung für überlange Verfahrensdauer haben die Mitgliedstaaten einen Spielraum, die Höhe der Strafe gegenüber der Spruchpraxis des EGMR abzusenken, indem sie die Höhe von allenfalls zugesprochenen Geldersätzen an das eigene Rechtssystem anpassen, insbesondere indem sie sich am Ersatz für andere Schäden orientieren.15 Voraussetzung dafür, dass Art 13 EMRK Rechnung getragen wird, ist in jedem Fall, dass es sich bei der Beschwerdeinstanz um eine unabhängige und unparteiische Instanz handelt. Bei der entscheidenden Behörde darf es sich deshalb grundsätzlich nicht um dieselbe handeln, vor der das in Beschwerde gezogene Verfahren geführt wird. ____________________
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EGMR, Urteil v 26.10.2000, Kudła, RJD 2000-XI, Z 159. EGMR, Urteil v 26.7.2001, Horvat, RJD 2001-VIII, Z 47, 64; Urteil v 22.2.2007, Donner, ApplNr 32407/04, Z 44 f. 11 EGMR, Urteil v 29.3.2006 (GK), Scordino (Nr 1), ApplNr 36813/97, Z 186. 12 EGMR, Entsch v 11.9.2002 (GK), Mifsud, RJD 2002-VIII, Z 17. 13 EGMR, Urteil v 26.6.2001, Beck, ApplNr 26390/95, Z 27. 14 EGMR, Urteil v. 29.1.2004, Kormacheva, ApplNr 53084/99, Z. 62. 15 EGMR, Urteil v. 29.3.2006 (GK), Scordino (Nr 1), ApplNr 36813/97, Z 189. 10
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III. Lösungsversuche der Gesetzgeber in Deutschland und Österreich Sowohl in Österreich als auch in Deutschland wurden angesichts der Entwicklung der Rechtsprechung und konkreter Urteile gegen beide Staaten rechtspolitische Initiativen gesetzt, die den vom EGMR formulierten Anforderungen des Art 13 EMRK Rechnung tragen sollten, aber in beiden Fällen nicht realisiert wurden. Beide Gesetzesvorschläge zielten auf eine Beschleunigung von Gerichtsverfahren bis hin zu Verfahren vor den obersten Gerichten ab, indem sie dem von der Verfahrensverzögerung Betroffenen die Möglichkeit einer Beschwerde bzw eines Fristsetzungsantrags an die Hand gaben. In Österreich wurden in einem Entwurf des Bundeskanzleramtes vom 2. März 2006 eine (grundsätzliche) Entscheidungsfrist von einem Jahr sowie die Möglichkeit eines Fristsetzungsantrages an den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes vorgesehen.16 Die Entscheidungsfrist geht an den Realitäten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens vorbei, die Möglichkeit eines Fristsetzungsantrages an den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes erfüllt bei der gegenwärtigen Rechtsstellung des Präsidenten nicht die Anforderungen an eine effektive Beschwerde nach Art 13 EMRK; ob eine Änderung insoweit angezeigt oder überhaupt möglich wäre, ist zu bezweifeln. Der deutsche Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom August 200517, der die Möglichkeit einer Untätigkeitsbeschwerde in das Gerichtsverfassungsgesetz einfügen sollte, hätte es bei behaupteter Untätigkeit des Senates eines obersten Bundesgerichtes ermöglicht, dass ein anderer Senat des Gerichts über die Beschwerde zu entscheiden gehabt hätte. Verfahren vor dem BVerfG wurden vom Untätigkeitsbeschwerdengesetz allerdings nicht erfasst.
IV. Die jüngste Rechtsprechung des EGMR zu Verfassungsgerichten Der EGMR hat in zwei Fällen, die nach diesen rechtspolitischen Regelungsversuchen entschieden wurden, die insoweit bestehenden Anforderungen der EMRK bekräftigt. ____________________
16 Entwurf eines Verfahrens- und Zustelländerungsgesetzes 2006, 396/ME XXII. GP, 69 (§ 86a VfGG). 17 Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Rechts auf ein zügiges gerichtliches Verfahren (Untätigkeitsbeschwerdengesetz), Entwurf der Bundesregierung v 22.8.2005.
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Im österreichischen Fall Hauser-Sporn 18 stellt der EGMR zunächst eine Verletzung des Art 6 EMRK bei einer Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens (das mit der Ablehnung der Behandlung der Beschwerde endete) von zweieinhalb Jahren fest. Die ebenfalls festgestellte Verletzung von Art 13 EMRK begründet der EGMR unter Hinweis auf seine Rechtsprechung, „wonach diese Bestimmung ein wirksames Rechtsmittel vor einer nationalen Instanz garantiert, wenn die Verletzung des Gebotes, ein Verfahren innerhalb angemessener Frist zu entscheiden, behauptet wird (s. Kudáa, Z. 156). […] Derartige Beschwerden über die Verfahrensdauer vor nationalen Behörden sind iS von Art. 13 dann effektiv, wenn sie eine behauptete Verletzung oder ihre Fortdauer verhindern oder angemessene Entschädigung für jegliche schon erlittene Verletzung gewähren (s. Kudáa, Z. 158). Art. 13 bietet daher eine Alternative: eine Beschwerde ist dann wirksam, wenn sie entweder eine Gerichtsentscheidung beschleunigt oder dem Bf. angemessene Wiedergutmachung für bereits entstandene Verzögerungen bietet (s. Kudáa, Z. 159; Scordino, Z. 186-87)“. (Z. 38)
Angesichts der schon festgestellten überlangen Verfahrensdauer (Verzögerungen vor dem VfGH und dem VwGH) habe „die Regierung nicht gezeigt, dass irgendeine Form von Abhilfe – entweder präventiv oder kompensatorisch – gegen die Verzögerungen dieser Behörden zur Verfügung gestanden hätte“. (Z. 40)
Dem Antrag der österreichischen Bundesregierung, den Fall an die Große Kammer zu verweisen, wurde nicht Rechnung getragen. Im Fall Kirsten gegen Deutschland stellte der EGMR ebenfalls eine Verletzung von Art 6 EMRK u.a. deshalb fest, weil das Verfahren vor dem BVerfG 3 Jahre und 9 Monate gedauert hatte.19 Zu Art 13 EMRK hatte die Bundesregierung argumentiert, dass das Gebot eines effektiven Rechtsmittels beim BVerfG nicht in gleicher Weise gelten könne wie für die übrigen Gerichte, weil dies zu einer endlosen Kette an Rechtsmitteln führen würde. Diesen Einwand verwirft der EGMR, und er führt im Wesentlichen aus: „55. Das vorliegende Verfahren hat das Gebot der angemessenen Frist nach Artikel 6 der Konvention u. a. deshalb verletzt, weil eine Verzögerung eintrat, als die Rechtssache beim Bundesverfassungsgericht anhängig war. Bezüglich des Vorbringens der Regierung hinsichtlich der ,nie endenden Kette innerstaatlicher Rechtsbehelfe‘ stellt der Gerichtshof fest, dass er sich in der Rechtssache Kudáa (a.a.O, Nr. 154-155) mit einem ähnlichen Argument auseinandersetzen musste und Folgendes festgestellt hat: ,Bezüglich des Vorbringens, das Erfordernis noch eines weiteren Rechtsbehelfs würde dazu führen, dass das innerstaatliche Verfahren noch schwerfälliger würde, führt der Gerichtshof an, […] dass Beispiele aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Erfordernis der Erschöpfung innerstaatlicher Rechtsbehelfe zeigen, dass es nicht unmöglich ist, solche Rechtsbehelfe zu schaffen und wirksam anzuwenden (siehe z. B. Gonzalez Marin ./. Spa____________________
18 EGMR, Urteil v 7.12.2006, Hauser-Sporn, ApplNr 37301/03. Die den VwGH betreffenden Gesichtspunkte bleiben im Folgenden außer Betracht. 19 EGMR, Urteil v 15.2.2007, Kirsten, ApplNr 19124/02, Z 46, 49.
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nien (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 39521/98, ECHR 1999-VII, und Tomé Mota ./. Portugal (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 32082/96, ECHR 1999-IX). Wenn Artikel 13, wie die Regierung vorgebracht hat, so auszulegen wäre, als sei er auf das nach Artikel 6 Abs. 1 geschützte Recht auf Verhandlung innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht anzuwenden, würde dies Personen systematisch dazu zwingen, sich mit Rügen, die nach Auffassung des Gerichtshof zunächst innerhalb des innerstaatlichen Rechtssystems vorgebracht werden sollten, an den Gerichtshof in Straßburg zu wenden. Auf lange Sicht würde dies die Funktionsfähigkeit des durch die Konvention geschaffenen Systems des Menschenrechtsschutzes auf der nationalen wie der internationalen Ebene gefährden.‘ 56. Der Gerichtshof sieht keine Veranlassung, in der vorliegenden Rechtssache von diesen Grundsätzen abzuweichen. Er stellt fest, dass die Regierung nicht dargelegt hat, dass gegen die vom Bundesverfassungsgericht verursachte Verzögerung irgendein Rechtsschutz zur Verfügung gestanden hätte.“
Gegenwärtig ist mit den Beschwerden Kaemena und Thöneböhn gegen Deutschland ein weiterer Fall vor der 5. Sektion anhängig, in dem sich die Frage in gleicher Weise stellt.20 Auch in diesem Verfahren stellt die Bundesregierung in ihrem im Dezember 2007 eingereichten Schriftsatz in Frage, ob die Kudáa-Rechtsprechung auf Verfahren vor dem BVerfG übertragbar ist.
V. Art 13 EMRK und Verfassungsgerichte Es stellt sich die Frage, ob die vorbehaltlose Übertragung der KudáaRechtsprechung auf überlange Verfahren vor den Verfassungsgerichten in den Mitgliedstaaten zur Konvention ihrer besonderen Funktion innerhalb der innerstaatlichen Rechtsschutzsysteme gerecht wird und ob Art 13 EMRK tatsächlich eine solche Übertragung fordert. 1. Das Argument „endloser Rechtsbehelfs-Ketten“ Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die seit dem Kudáa-Urteil angenommene Anwendbarkeit des Art 13 EMRK auf die Rüge überlanger Verfahrensdauer außer Streit steht und damit eine Richtschnur für die nationalen Rechtsordnungen bildet, wirksame Rechtsbehelfe zur Durchsetzung dieser Garantie vorzusehen.21 ____________________
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ApplNr 45749/06 und 51115/06. In der Literatur ist die Kudła-Rechtsprechung weitgehend zustimmend aufgenommen worden, wenn auch Reformbedarf innerhalb der nationalen Rechtsordnungen konstatiert wurde, siehe etwa Gundel, Neue Anforderungen des EGMR an die Ausgestaltung des nationalen Rechtsschutzsystems, DVBl 2004, 17 (21 ff ); Britz/Pfeifer, Rechtsbehelf gegen unangemessene Verfahrensdauer im Verwaltungsprozeß, DÖV 2004, 245 (247 ff ); Vorwerk, Kudla gegen Polen – Was kommt danach?, JZ 2004, 553 ff; kritisch MeyerLadewig, Rechtsbehelfe gegen Verzögerungen im gerichtlichen Verfahren – zum Urteil 21
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Sodann sollte man sich allerdings noch einmal die Frage vorlegen, ob bereits aus dem Urteil im Fall Kudáa folgt, dass eine effektive Beschwerde auch in Bezug auf Verfahren vor den Verfassungsgerichten eingeräumt sein muss. Der Fall Kudáa betraf weder ein Höchstgericht noch das polnische Verfassungsgericht, das ausführliche Kudáa-Zitat im Fall Kirsten sollte bloß das Argument der deutschen Bundesregierung aus dem Feld schlagen, wonach eine „endlose Kette“ an Rechtsbehelfen zu gewärtigen sei. Das Verbindende der beiden Urteile ist die vom EGMR genannte Konsequenz, dass die Nichtexistenz eines Rechtsbehelfs auf nationaler Ebene dazu führt, dass die Beschwerden (früher) in Straßburg landen, anstatt innerstaatlich erledigt zu werden. Dass bereits aus Kudáa zwingend ein Gebot eines Rechtsmittels bei behaupteter überlanger Verfahrensdauer auch vor Höchstgerichten und insbesondere vor Verfassungsgerichten folgt, kann man daher nicht sagen. Mit etwaigen Besonderheiten von Verfahren vor den Verfassungsgerichten hat sich der EGMR im Fall Kudáa nicht befasst. Im Fall Kirsten und im Fall Hauser-Sporn stellte der EGMR jedoch unmissverständlich die Forderung nach einem Rechtsbehelf zur Durchsetzung des Rechts auf angemessene Verfahrensdauer auch vor dem Bundesverfassungsgericht bzw dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof auf.22 Deshalb erscheint es wesentlich zu fragen, ob tatsächlich das „Endlose-Rechtsmittelketten-Argument“ das Entscheidende ist, oder ob dies nicht eine Nebenfolge ist und die Problematik anderswo liegt. An dieser Stelle ist die Funktion des Art 35 EMRK und genauer noch die Zulässigkeitsvoraussetzung der Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe in Erinnerung zu rufen. Der enge Zusammenhang zwischen Art 13 und Art 35 EMRK bestand seit jeher bei der Frage, welche Rechtsmittel zur Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen sind. Das letzte Rechtsmittel vor der Beschwerde nach Art 34 EMRK ist regelmäßig die Beschwerde an das Verfassungsgericht. Ihm ist die behauptete Konventionsverletzung vorzulegen, bevor der Weg nach Straßburg offen steht. Die (behauptete) überlange Verfahrensdauer vor dem Verfassungsgericht kann ihm selbst aber ebenso wenig vorgelegt werden, wie die Verfahrensdauer vor dem EGMR (und früher auch der Kommission für Menschenrechte) vom Straßburger Gerichtshof in irgendei____________________
des EGMR Kudla/Polen, NJW 2001, 2679 ff; siehe auch Schmid, Verletzung des Art 13 EMRK mangels effektivem Rechtsbehelf gegen Säumnis der Behörden und unangemessene Verfahrensdauer im Verwaltungsstrafverfahren, ZUV 2005, 58 ff. 22 In Bezug auf den VwGH und den VfGH auch EGMR, Urteil v 26.7.2007, Vitzthum, ApplNr 8140/04, Z 31; Urteil v 26.7.2007, Stempfer, ApplNr 18294/03, Z 48; Urteil v 26.7.2007, Schutte, ApplNr 18015/03, Z 38.
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ner Weise bei seinen Entscheidungen berücksichtigt werden kann (von der Beschränkung der Anwendbarkeit der Konventionsgarantien nach Art 1 EMRK auf die Mitgliedstaaten einmal abgesehen). Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat exakt denselben Maßstab anzuwenden wie der EGMR, andere Verfassungsgerichte mit Modifikationen. Auf den Punkt gebracht: Die Art 34 und 35 EMRK setzten eine letzte Instanz voraus, gegen die mit innerstaatlichen Rechtsmitteln kein Kraut gewachsen ist; Art 13 EMRK nimmt das gewissermaßen in Kauf. Einzuräumen ist, dass diese Überlegungen im Zusammenhang mit dem Argument „endloser Ketten“ stehen, wenngleich sie tiefer reichen dürften. Daher sei noch eine Überlegung angefügt. Das Recht auf eine wirksame Beschwerde besteht nicht nur in Bezug auf Art 6 EMRK, im Gegenteil: seine Erfolgsgeschichte nahm bei anderen Grundrechten wie dem Art 8 EMRK ihren Ausgang. Überträgt man die Rechtsprechung zu Art 13 EMRK iVm Art 6 EMRK auf andere Konventionsgarantien, zeigt sich die beschriebene Problematik noch deutlicher. Ein Verfassungsgericht, das die Verfassungsmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen 17jährigen strafgerichtlich verurteilten Bulgaren oder einen tschetschenischen Freiheitskämpfer bestätigt, verletzt in Straßburger Perspektive potentiell die Konventionsgarantien der Art 8 und 3 EMRK. Vor diesem Hintergrund müsste der Betroffene ein Recht auf wirksame Beschwerde gegenüber diesen Letztentscheidungen des innerstaatlichen Verfassungsgerichts haben – was tatsächlich zu einer von der Konvention nicht beabsichtigen Ausdehnung des Rechtsschutzes führen würde. Ein solches Verständnis von Art 13 EMRK würde letztlich dem Ziel, nicht nur möglichst gründliche und möglichst „richtige“ Gerichtsentscheidungen zu treffen, sondern eine abschließende Entscheidung innerhalb einer angemessenen Zeitspanne zu erhalten, geradezu widersprechen.23 2. Die Berücksichtigung von Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens Auffallend ist, dass der EGMR bisher – soweit ersichtlich – eine Verletzung von Art 13 EMRK wegen des Fehlens eines wirksamen Rechtsbehelfs zur Durchsetzung des Rechts auf eine angemessene Verfahrensdauer nur dann feststellt, wenn auch Art 6 Abs 1 EMRK selbst durch ein überlanges Verfahren verletzt wurde. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das Gebot des Art 13 EMRK auch dann besteht, wenn gar keine Verletzung von Art 6 EMRK stattgefunden hat. Das erhellt, ____________________
23 Zu den divergierenden Anforderungen von Beschleunigungsgebot und Gründlichkeitsgebot siehe Britz/Pfeifer (FN 21) 247.
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dass bei einer Verletzung von Art 13 EMRK stets ein strukturelles Problem innerhalb des Rechtsschutzsystems eines Konventionsstaates vorliegt. So erklärt sich einerseits, warum der EGMR zum Mittel der Feststellung einer Verletzung von Art 13 EMRK greift, um auf die eigene Überlastung mit Fällen, denen strukturelle Probleme in der Organisation der Gerichtsbarkeit in den Mitgliedstaaten zugrunde liegen, zu reagieren.24 Andererseits macht es aber auch deutlich, dass der EGMR mit genauen Vorgaben für die Ausgestaltung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe und des Rechtsschutzsystems zurückhaltend sein sollte. Anknüpfend daran lässt sich allgemeiner fragen, welchen Gewährleistungsinhalt Art 13 EMRK in Bezug auf wirksame Rechtsbehelfe zur Durchsetzung des Rechts auf eine angemessene Verfahrensdauer hat, wenn man speziell den Verfahrensabschnitt vor dem Verfassungsgericht in den Blick nimmt. Das Recht auf eine angemessene Verfahrensdauer bezieht sich auf das gesamte Verfahren, nicht auf einzelne Verfahrensabschnitte. Der EGMR stellt regelmäßig zunächst den Beginn und das Ende eines Verfahrens und damit den gesamten relevanten Zeitraum des Verfahrens fest, um ihn dann nach den bekannten Kriterien auf seine Angemessenheit hin zu untersuchen.25 Eine Festlegung, welche Dauer ein Verfahren in einer Instanz oder etwa speziell vor dem Verfassungsgericht haben darf, ist der Judikatur gerade nicht zu entnehmen. Auch wenn der EGMR gelegentlich die besondere Dauer einzelner Verfahrensabschnitte heraushebt, kommt es letztlich doch auf den Zeitraum bis zum Erhalt einer abschließenden Entscheidung an. Die Rechtsprechung zur Angemessenheit der Verfahrensdauer formuliert auch die Pflicht des Mitgliedstaates, die Gerichtsbarkeit so zu organisieren, dass Verfahren innerhalb eines vernünftigen Zeitrahmens abgeschlossen werden können.26 Vorgaben, wie dies zu geschehen hat, macht der EGMR jedoch nicht, sondern überlässt zu Recht die Organisation der Gerichtsbarkeit und die Ausgestaltung des Verfahrens den Konventionsstaaten. Entsprechendes muss auch für die Ausgestaltung des Rechtsbehelfes gegen eine überlange Verfahrensdauer gelten. Das Rechtsschutzsystem muss in seiner Gesamtheit in den Blick genommen werden und es ist zu überprüfen, ob innerhalb dessen hinreichende Möglichkeiten zur Beschleunigung eines Verfahrens oder zu Kompensation von Nachteilen bei überlangen Verfahrensdauern vorgesehen sind. Der EGMR selbst geht in diese Richtung, wenn er es den Mitgliedstaaten der EMRK überlässt zu ent____________________
24 Ausdrücklich EGMR, Urteil v 26.10.2000, Kudła, RJD 2000-XI, Z 148; dazu Gundel (FN 21) 20 f. 25 Vgl dazu im Überblick Grabenwarter (FN 3) § 24 Rn 69 f. 26 Vgl etwa EGMR, Urteil v 8.6.2006 (GK), Sürmeli, ApplNr 75529/01, Z 129; Urteil v 15.2.2007, Kirsten, ApplNr 19124/02, Z 45.
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scheiden, ob sie präventive Beschleunigungsrechtsbehelfe oder kompensatorische Möglichkeiten einräumen. Für die Frage der Beschleunigung von Verfahren in der Verfahrensstufe vor den Verfassungsgerichten folgt daraus erstens, dass in einer Gesamtschau es nicht zwingend notwendig ist, gerade in diesem Verfahrensstadium einen Beschleunigungsrechtsbehelf vorzusehen. Vielmehr ist wie auch bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer das Rechtsschutzsystem als Ganzes zu betrachten. Insofern kann es im Hinblick auf Art 13 EMRK effektiv sein, zwar in anderen Verfahrensabschnitten Beschleunigungsrechtsbehelfe vorzusehen, nicht aber vor dem Verfassungsgericht. Ferner ist daran zu erinnern, dass den Mitgliedstaaten der Konvention ein gewisser Spielraum bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems zukommt. Innerhalb eines mitgliedstaatlichen Rechtsschutzsystems mit seinen von der Konvention hingenommenen Besonderheiten kann es als inadäquat und systemfremd angesehen werden, dem Verfassungsgericht etwa gesetzlich eine Entscheidungsfrist zu setzen und daran Konsequenzen zu binden. Den Anforderungen des Art 13 EMRK kann es genügen, bei Verfahrensverzögerungen in diesem Verfahrensabschnitt kompensatorische Maßnahmen vorzusehen. 3. Mögliche Lösungsansätze Welche weiteren Entwicklungen in der Frage der effektiven Rechtsmittel gegen überlange Verfahrensdauer scheinen denkbar? In Weiterentwicklung der Begründungsansätze in den Urteilen Hauser-Sporn und Kirsten könnte der EGMR durchaus auch bei der Frage, ob Art 13 EMRK speziell in Bezug auf Verfahren vor den Verfassungsgerichten einen Beschleunigungsrechtsbehelf fordert, erstens die Besonderheiten verfassungsgerichtlicher Verfahren berücksichtigen und zweitens den Spielraum der Konventionsstaaten bei der Ausgestaltung der Rechtsschutzsysteme insgesamt größere Bedeutung zumessen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer hat der EGMR die Besonderheiten des Verfahrens vor einem Verfassungsgericht bereits mehrfach in Rechnung gestellt. Im Fall Klein gegen Deutschland hat er betont, die Verpflichtungen aus Art 6 Abs 1 EMRK bei einem Verfassungsgericht nicht in gleicher Weise anzuwenden wie bei einem ordentlichen Gericht, ohne daraus jedoch konkrete Konsequenzen zu ziehen.27 Im Fall Kirsten hat der EGMR darauf abgestellt, dass die besondere Funktion des Verfassungsgerichts als Hüter der Verfassung es manchmal erforderlich mache, Fälle nicht nach der chronologischen Reihenfolge, ____________________
27 EGMR, Urteil v 27.10.2000, Klein, ApplNr 33379/96, Z 42. Kritisch dazu Breuer, Verfassungsbeschwerde und Verfahrensdauer, NJW Sonderheft Weber, 2001, 6 (7).
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sondern auch nach ihrer politischen und sozialen Bedeutung zu entscheiden.28 Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass der Betroffene, der sich an ein Verfassungsgericht wendet, in aller Regel schon eine abschließende Entscheidung seiner Sache erstritten hat und – außerhalb des ordentlichen Rechtsweges – den besonderen Aspekt der Verfassungskonformität überprüfen lassen möchte.29 Die spezifische Stellung und Funktion des Verfassungsgerichts sollte vor dem Hintergrund der eben angestellten Überlegungen gerade auch bei der Auslegung von Art 13 EMRK dazu führen, in diesem Verfahrensstadium keinen Beschleunigungsrechtsbehelf zu verlangen.30 Der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten sollte es ihnen ermöglichen, die Rechtsschutzsysteme auch mit Bezug zum Recht auf angemessene Verfahrensdauer vor Höchst- und Verfassungsgerichten entsprechend zu errichten. Augenmerk sollte dabei vor allem der Überlegung geschenkt werden, dass die Anforderungen nicht nur durch einen bestimmten Rechtsbehelf allein erfüllt werden können, sondern durch ein Bündel an Maßnahmen, die zwar je und je für sich genommen nicht ausreichen, wohl aber in ihrem Zusammenwirken eine Rechtslage herbeiführen, die den Anforderungen der EMRK genügt.31 Nationale Gesetzgeber wie EGMR sind aufgerufen, dieses Terrain auszuloten und sukzessive Rechtssicherheit herzustellen in einem Bereich, der für die Rechtsstaatlichkeit von eminenter Bedeutung ist. In diesem Rahmen könnte beispielsweise die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur konventionskonformen Organisation ihres Rechtsschutzsystems dahingehend präzisiert werden, dass die Staaten die Pflicht haben, wenigstens eine (einzige) Instanz (zB das Verfassungsgericht oder ein vergleichbares Höchstgericht) zu bestimmen, bei der die Verletzung angemessener Verfahrensdauer (auch durch die Verfahren vor allen übrigen obersten Gerichten) geltend gemacht werden kann. Eine solche Lösung würde sowohl die Effektivität des EGMR und den erreichten Grundrechtsstandard wahren, gleichzeitig aber Rücksicht auf die in den Konventionsstaaten anzutreffenden (verfassungsrechtlichen) Besonderheiten insbesondere im Hinblick auf die Stellung und die Aufgaben von Verfassungsgerichten nehmen. ____________________
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EGMR, Urteil v 15.2.2007, Kirsten, ApplNr 19124/02, Z 45. Vgl Breuer (FN 27) 9. Darüber hinaus könnte gefragt werden, ob es gegenüber Verfassungsgerichten nicht ausreicht, die Verletzung von Art 6 EMRK festzustellen, in der (begründeten) Hoffnung, dass Verfassungsgerichte ihre Verpflichtung nach der EMRK so ernst nehmen, dass ihre Verfahren nicht zur Belastung des EGMR führen. 31 Hiebei ist insbesondere auf die Implementierung von Monitoring-Prozessen und Verantwortlichkeitsregeln in der Gerichtsbarkeit hinzuweisen, wie sie verschiedentlich bereits vorgeschlagen werden, vgl Venice Commission, Can excessive length of proceedings be remedied? (FN 8) 55 ff, 64.
Klaus Hartmann
Gedanken und Meinungen zur Staats- und Verwaltungsreform Sieben Exemplifikationen I. Der Staat wird immer kleiner … Unter einer rein verfassungsrechtlichen Perspektive tritt der österreichische Staat nicht als eine einheitliche juristische Person auf. Er besteht vielmehr aus dem Bund und den neun Ländern. Als staatliche Einrichtungen in einem weiteren Sinn werden noch die rund 2.360 österreichischen Gemeinden (eingerichtet als territoriale Selbstverwaltungskörper) gezählt. In Summe besteht der Staat somit aus der Drei-Ebenen-Struktur der Gebietskörperschaften Bund-Länder-Gemeinden. Damit sind freilich noch lange nicht alle Einrichtungen erfasst, denen ein öffentlicher Charakter zugebilligt wird. So gibt es eine Reihe von Rechtsträgern außerhalb der Gebietskörperschaften, die sogar – als so genannte Beliehene – Träger hoheitlicher Gewalt sind; man denke etwa an die Finanzmarktaufsicht; und es gibt noch eine viel größere Zahl von Einrichtungen die als öffentlich-rechtliche bzw gesellschaftsrechtliche juristische Personen eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen. Viele von ihnen waren nicht immer rechtlich selbständig. Oft bestanden sie als ein Teil der staatlichen Verwaltungsorganisation – bis man sie reformiert und ausgegliedert hat. Sie wurden von ihrer Mutter weggelegt und aus dem Familienverband des Staates ausgeschlossen. In der Welt der Privatwirtschaft sind sie freilich nicht angekommen, auch wenn das das eine oder andere privatrechtliche Organisationsstatut glauben macht. Eine Ingerenz der jeweiligen staatliche „Mutter-Gebietskörperschaft“ besteht weiterhin – jedenfalls in finanzieller Hinsicht und vielfach auch in sonstigen Angelegenheiten. Auch wenn die flächenmäßige Ausdehnung Österreichs gleich bleibt und die österreichische Bevölkerung wächst, so lässt sich dennoch eine stetige Verkleinerung des österreichischen Staates ausmachen – wenn man die Größe in der Personalstärke des öffentlichen Dienstes misst. Das ist durchaus vertretbar, denn im Dienstleistungsunternehmen staatliche Verwaltung ist der Beschäftigtenstand das zentrale Maß. Es gab allerdings kei-
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nen Rückzug etwa auf die Kernaufgaben, sondern bloß einen Rechtsformenwechsel. Somit wird der Staat tatsächlich immer kleiner und wächst dennoch in einer anderen Form. Und wer das nicht so sehen will, der oder die muss zumindest erkennen: Der Staat wird immer unübersichtlicher, sodass er in seinen Grenzen nicht mehr scharf wahrgenommen werden kann.
II. … und die Aufgaben werden immer mehr „Wer sich mit den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung beschäftigt, ist beeindruckt von der Vielfalt von Leistungen auf allen Gebieten des täglichen Lebens. […] In Zeiten verstärkter Erfordernisse zu Sparmaßnahmen im Bereich der öffentlichen Haushalte stellt sich nicht nur die Frage, ob man Aufgaben sparsamer und zweckmäßiger erfüllen könnte, sondern stellt sich verstärkt die Frage, ob man den einen oder anderen Wirkungsbereich überhaupt aufgeben sollte.“ So äußerte sich Bernhard Raschauer als Vorsitzender der Aufgabenreformkommission im Jahr 2001 in seinem viel beachteten Bericht. Die Selbstbeschränkung der Politik ist freilich nicht sehr ausgeprägt. Im Gegenteil: Neue Probleme und Herausforderungen vergrößern regelmäßig den staatlichen Aktionsradius in Gestalt neuer Leistungen und Transferzahlungen. Der modellhafte Ablauf eines Reformprozesses beginnt zwar zumeist mit der kritischen Evaluierung der bestehenden Aufgaben. Doch entfallen bestenfalls einzelne Arbeitsschritte und Teilaufgaben im Rahmen der Optimierung von Ablauf- und Geschäftsprozessen. Nicht nur das der Verwaltung unterstellte Beharrungsvermögen lässt die Aufgabenkataloge stetig wachsen, sondern insbesondere auch der (vermutete) Widerstand der Bevölkerung gegen einen Entfall von Leistungen. Der Staat als Garant für Leistungen der Verwaltung genießt in Österreich einen hohen Stellenwert. So ist deutlich zu erkennen, dass aller Neoliberalismus-Rhetorik zum Trotz die Staatsquote nicht geringer wird. An die Stelle konkreter Aufgaben-Screenings tritt öfters der Versuch, die Staatsaufgabe theoretisch zu definieren oder zumindest einen Katalog von Kernaufgaben zu erstellen. Auch die Aufgabenreformkommission war mit diesem Ansinnen konfrontiert. Solche Versuche auf ExpertInnenEbene laufen meist fruchtlos ab, da es sich um eine vordringlich politische Frage handelt, was denn die Aufgaben des Staates seien. Folgerichtig hat auch die Aufgabenreformkommission in ihren Darlegungen von einer entsprechenden Definition abgesehen. Da dem Aufgabenzuwachs somit auch keine Medizin in Gestalt einer theoretischen Abhandlung über die Staats- bzw Kernaufgabe entgegen-
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wirkt, wäre alleine der Druck knapper Ressourcen in der Lage, den Aufgabenkatalog des Staates auf das wesentliche zu beschränken. Freilich hat es der Staat auch in der Hand, die Ressourcen zu erhöhen.
III. Personalreduktion und Personalzuwachs als Parallelphänomen Dass es zu viele „Beamte“ gibt – selbst in ihrer rechtlichen Ausprägung als Vertragsbedienstete – ist eine in der breiten Bevölkerung weit verbreitete Meinung. Die Forderung nach „mehr Sicherheit auf der Straße“ – also nach mehr PolizistInnen im Streifendienst – oder nach geringeren „Klassenschülerhöchstzahlen“ – also nach mehr LehrerInnen – steht dazu zwar im Widerspruch, scheint aber kaum jemanden aufzufallen. Die Öffentlichkeit samt der veröffentlichten Meinung will eben beides und politische Programme enthalten regelmäßig entsprechende Forderungen. Die Innovationskraft der politischen und medialen Argumentation erscheint tatsächlich nicht sehr entwickelt zu sein, wenn sich seit Jahren solche Forderungen immer wiederholen. In der Praxis der Personalbewirtschaftung führen diese gegenläufigen Forderungen zu folgendem Problem: Allgemein formulierte Personaleinsparungsprogramme etwa in der Gestalt eines „generellen Aufnahmestopps“ oder einer restriktiven Nachbesetzungspolitik werden dadurch konterkariert, dass große Personalbereiche von den Personaleinsparungen schlicht ausgenommen werden und damit effiziente Personaleinsatzinstrumente in diesen Bereichen nicht zum Einsatz gelangen, weil nicht der erforderliche Einsparungsdruck besteht. Da in den Schulen und in der Polizei mehr als die Hälfte aller Bundesbediensteten beschäftigt ist, wird deutlich, dass Einsparungsprogramme des Bundes oft nur halb wirksam sind. Personalreduktionen finden dennoch statt. Schon einmal dadurch, dass – wie oben näherhin ausgeführt – die bei einer Gebietskörperschaft Beschäftigten immer weniger werden. Auch Beamte im Sinn des BeamtenDienstrechtsgesetzes sind ein Auslaufmodell. So wird der Anteil der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis Stehenden tatsächlich immer kleiner, da „Pragmatisierungen“ nur mehr in Dienstbereichen stattfinden, wo der Einsatz von Vertragsbediensteten nicht vorgesehen ist, wie etwa bei der Polizei oder beim Militär. Demgegenüber gibt es aber auch Wachstumszonen: Der Anteil der Polizisten und Lehrerinnen wird größer. Ebenso wächst der Personalstand jener Einrichtungen stetig an, die im unmittelbaren Einflussbereich der Gebietskörperschaften stehen. Sie sind zwar keine öffentlich Bediensteten im
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strengen Sinn, werden aber dennoch – zumindest indirekt – über die öffentlichen Haushalte entlohnt.
IV. Milliardeneinsparungspotenziale? So genannte ExpertInnen, insbesondere solche aus dem Wirtschaftsleben, sind selten verlegen, wenn sie über die Höhe der Einsparungspotenziale in der öffentlichen Verwaltung gefragt werden. Schon vor 10 Jahren wurden noch in der alten Währung immer wieder 50 Milliarden Schilling genannt, die als jährliches Einsparungspotenzial gesehen wurden. Aus diesen 50 Mrd Schilling sind dann 3,5 Mrd Euro geworden, die sich mittlerweile auf 4 Mrd Euro erhöht haben. Nach der Meinung anderer Experten sind gar Einsparungen bis zu 11 Milliarden möglich. In welchen Verwaltungsbereichen diese riesigen Einsparungen lukrierbar seien, wird nicht näher erläutert. Es bleibt meist bei einem allgemeinen Hinweis, allenfalls illustriert mit einem leicht verständlichen Einzelbeispiel, das freilich nur Kleinst-Einsparungen belegen kann. Teilweise liegt die Vermutung nahe, dass den angeführten Einsparpotenzialen keine reale Basis zugrunde liegt – dass sie also reine Behauptungen darstellen. Soweit diese Beträge aber rationalisierbar sind, stützen sie sich auf zwei Argumentationsgrundlagen: 1. Man bezieht sich auf ein bestimmtes Ausgabenvolumen und vermutet ein pauschales Einsparungspotenzial von etwa 10 bis 15 %. Das ist grundsätzlich nicht ganz unplausibel und eine beliebte Grobschätzung, weil ihr die Annahme zugrunde liegt, dass jeder Organisation gewisse Reserven stecken. Es ist dann bloß eine Frage der Bezugsbasis, wie hoch die Einsparung einzuschätzen ist. Nimmt man als Ausgangsbasis beispielsweise die gesamten Ausgaben des Bundes (rund 70 Mrd Euro), so bedeutete dies ein Einsparvolumen von etwa 7 bis 10,5 Mrd Euro. Mit einer solchen Information ist freilich niemandem gedient, wenn nicht näher begründet werden kann, wie sich diese Beträge zusammensetzen. 2. Im Rahmen einer zweiten Argumentationsgrundlage nimmt man einen staatenübergreifenden Quervergleich vor, in dem der Aufwand für jeweils denselben Leistungsbereich gegenüber gestellt wird. Nach Neutralisierung der größenbedingten Unterschiede wird der Differenzbetrag als Einsparungspotenzial für den teureren Leistungsbereich eingeschätzt. Sehr oft stellt sich allerdings heraus, dass viele internationale Daten keine hohe Verlässlichkeit aufweisen, weil die einzelnen Bereiche unterschiedlichen Abgrenzungen und Standardisierungen unterlie-
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gen und daher ein seriöser Vergleich – insbesondere auch im Hinblick auf die Qualität und Leistungsfähigkeit staatlicher Leistungen – oft nicht möglich ist. Überdies werden Einsparungen sehr oft mit der Lukrierung von Verkaufserlösen (etwa von Unternehmensbeteiligungen oder Immobilien) verwechselt, die bekanntlich nur einmal wirksam werden (wenngleich bei einer entsprechenden Schuldentilgung auch ein nachhaltiger Effekt in der Reduktion von Finanzierungsausgaben erzielt werden könnte). In einer allgemeinen Betrachtungsweise sollen nun die oben angeführten Einsparpotenziale gedankenexperimentell auf ihre praktischen Auswirkungen im Hinblick auf den Personalstand untersucht werden. Folgende Überlegungen spielen dabei eine Rolle: Verwaltungsreformen reduzieren die Ausgaben für die Leistungsverwaltung des Staates (bestehend aus Personalund Sachausgaben). Die Kürzung von staatlichen Transferzahlungen kann seriöser Weise nicht als Verwaltungseinsparung gesehen werden. Ebenso wird der nicht unbeträchtliche Aufwand für die Finanzierung bereits erfolgter Leistungen und Investitionen von Reformmaßnahmen nicht berührt. Die eigentlichen Leistungsausgaben des Staates liegen bei bloß 30 % des Gesamtbudgets (das sind beim Bund etwa 20 Mrd Euro von 70 Mrd). Davon entfallen 2/3 auf das Personal und 1/3 auf den Sachaufwand. Bei einer Annahme, dass Einsparungsmaßnahmen den Personal- und Sachaufwand gleichermaßen betreffen und durchschnittlich Personalkosten von jährlich 40.000 Euro pro Bediensteten anfallen, hätten Einsparungen folgende Auswirkungen: behauptetes Einsparvolumen
eingesparter Personal- / Sachaufwand
eingesparte Stellen
4 Mrd € 6 Mrd € 11 Mrd €
2,6 / 1,4 Mrd € 4,0 / 2,0 Mrd € 7,3 / 3,7 Mrd €
65.000 100.000 182.500
Von der Seriosität bzw Unseriosität der behaupteten Einsparungspotenziale kann man sich leicht überzeugen, wenn man die daraus resultierenden Personaleinsparungen mit folgenden aktuellen Personalstandsdaten vergleicht: Bundesbedienstete Polizei Lehrer öffentlicher Dienst (gesamt)
130.000 30.000 110.000 380.000
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V. Im Dschungel der Kompetenzen Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung sind ein vielfach angeprangerter Zustand und deren Vermeidung das Ziel jeder Reform. Ob eine solche überhaupt vorliegt, ist oft eine Frage der Betrachtungsweise, denn selten werden genau dieselben Angelegenheiten von mehreren Einrichtungen gleichzeitig wahrgenommen, sondern es mangelt an einer effizienten Bündelung der Kompetenzen. Die Verteilung der Kompetenzen steht damit im Generalverdacht, für eine unwirtschaftliche Verwaltungsstruktur verantwortlich zu sein. Es gibt viele Kompetenzverteilungen und dennoch keine durchgängige Kompetenzverteilungsordnung. So begründet die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung der Art 10 bis 15 B-VG (und weiterer fugitiver Kompetenzbestimmungen) genauso Zuständigkeiten wie die Anlage zum Bundesministeriumgesetz oder jede Geschäftseinteilung eines Ministeriums oder eines Amtes der Landesregierung. Vor allem in einer Neuordnung der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern sehen viele den entscheidenden Kernpunkt einer erfolgreichen Organisationsreform. Dabei wird mE einiges übersehen. Dass die bundesstaatliche Kompetenzverteilung mehr ist, als eine bloßen Effizienzüberlegungen gehorchende Zuständigkeitsordnung muss jeder oder jede erkennen, der oder die auch föderal-politische Gesichtspunkte ins Kalkül zieht. Staatliche Kompetenzverteilung ist ebenso eine Verteilung der Macht und auch unter diesen Rationalitäten zu sehen. So sind die zahlreichen Forderungen noch „abgerundeten“ Kompetenzen leichter gestellt, als effiziente und politisch verträgliche „Rundungs“kriterien gefunden werden. Gleichzeitig wird übersehen, dass eine allfällige Neuordnung nur einen Ausschnitt der Verwaltungstätigkeit erfasst. Die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung regelt ausschließlich die Zuständigkeiten in der Hoheitsverwaltung; und durch das Prinzip der mittelbaren Bundesverwaltung wird in der Vollzugspraxis eine weitgehende organisatorische Vereinheitlichung der Hoheitsverwaltung ermöglicht. Die ebenfalls erfolgende Kompetenzverteilung in der bundesstaatlichen Gesetzgebung gibt sicher mancherlei Anlass für Ärger und Unverständnis, weil gesamthafte und zweckmäßige Regelungen beeinträchtigt werden. Dennoch vermag ich darin nicht das Kernproblem einer ineffizienten Staatsorganisation zu erkennen. Auch wenn wir die staatliche Verwaltung prototypisch als Hoheitsträger sehen, so besteht die Verwaltungswirklichkeit rein quantitativ vor allem aus Akten der Privatwirtschaftsverwaltung. Leider gibt es keine verwaltungswissenschaftlichen Analysen über diesen Anteil, aber es ist ge-
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wiss, dass in diesem Bereich die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung nicht zur Geltung gelangt. Der größte Teil des Verwaltungshandelns unterliegt somit keiner Kompetenzordnung im föderalen (und auch im kommunalen) Kontext. Damit sind Doppel- und Mehrfachgleisigkeiten in der privatwirtschaftlichen Tätigkeit der Gebietskörperschaften geradezu prädestiniert, was etwa eine Vielzahl von parallelen Förderaktivitäten belegt. Doch auch einer allfälligen Forderung nach einer Kompetenzordnung für die privatwirtschaftlichen Aktivitäten sind machtpolitische Grenzen schnell gezogen, wie die ausdrückliche Erwähnung der Beibehaltung des derzeitigen Zustandes im aktuellen Regierungsprogramm belegt.
VI. Deregulierung und Gesetzesfolgenabschätzung Zu Recht viel beklagt ist die gesetzliche Überdeterminierung des Verwaltungshandelns, die oft auf die strenge Ausprägung des Legalitätsprinzips zurückgeführt wird. Um dem VfGH einen Umschwung in seiner diesbezüglichen Judikatur zu ermöglichen, könnte eine Neuformulierung des Art 18 B-VG erwogen werden (weniger „auf Grund der Gesetze“ und mehr „im Rahmen der Gesetze“ wie schon in der B-VG-Stammfassung von 1920). Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass die österreichische Regulierungsdichte nicht nur im Legalitätsprinzip alleine ihre Ursache hat. Auch die Tendenz zur normativen Sicherung eines politisch oft mühsam erzielten Verhandlungskompromisses trägt zur zunehmenden Verrechtlichung genauso bei, wie eine allgemeine Gesetzgebungskultur, in der der Nachweis politischer Aktivität in der (über)eifrigen Produktion von Rechtsvorschriften besteht. Deregulierung ist sicher ein Gebot der Stunde, allerdings sollte sie nicht bloß die schnöde Kürzung von Gesetzestexten – gewissermaßen als Selbstzweck – verfolgen, sondern steht eine vernünftige Regulierung einerseits unter dem Aspekt der Rechtsbereinigung, andererseits aber auch in der Setzung der erforderlichen Rechtsakte unter dem Gesichtspunkt einer verständlichen, bürgerfreundlichen und somit professionellen Legistik, die im Einzelfall auch neue – weil bessere – Rechtsvorschriften nach sich ziehen kann. Nicht „bloße Deregulierung“ sondern „Better Regulation“ ist das Ziel. Zu warnen ist in diesem Zusammenhang vor einer falsch verstandenen „Gesetzesfolgenabschätzung“ (GFA) für Wirtschaft und Gesellschaft. So schön dieses Unterfangen auch klingen mag, ihre Verfechter übersehen manchmal den Aufwand, den eine umfassende GFA hervorrufen kann. Aufgrund der weitreichenden Folgen einzelner rechtlicher Maßnahmen
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erforderte eine seriöse GFA viel Expertise, die letztlich in der Begründung der neuen „Staatsaufgabe GFA“ gipfeln würde und im Extremfall den Arbeitsaufwand im Ausmaß und in der Dimension gleichsam eines eigenen „GFA-Amtes“ – möglicherweise in Ministeriumsgröße – nach sich zöge. Eine ordentliche Begründung von in Aussicht genommenen Rechtsakten wie auch die rechtzeitige Befassung aller Betroffenen in einem Begutachtungsverfahren reicht mE allemal aus. Tatsächliche (oder vermeintliche) Nachteile führen bei den Betroffenen ohnehin zu einer kritischen Gegenwehr. Eine zwingende GFA liefe Gefahr, zur aufwändigen Pflichtübung zu degenerieren, ohne ernst genommen zu werden, da sie letztlich nicht einklagbar ist.
VII. Der Staats- und Verwaltungsreformer – Der Staats- und Verwaltungsreformer muss naturgemäß nicht männlich sein, aber er kann. – Er muss kein Praktiker sein, aber es ist besser, wenn er mehrere Jahre als Umweltanwalt tätig war. – Er muss kein Theoretiker sein, aber es ist nützlich, wenn er sich im öffentlichen Recht habilitiert hat. – Er muss nicht in der Fachwelt anerkannt sein, aber es ist gut, wenn er als Professor für Staats- und Verwaltungsrecht geschätzt wird. – Er muss nicht in der Öffentlichkeit bekannt sein, aber es stört nicht, wenn seine Meinung deshalb auch bei der Politik gefragt ist. – Er muss auch nicht familiär vorbelastet sein, aber es ist günstig, wenn sein Vater bereits Sektionschef war und ein Onkel Präsident des Verwaltungsgerichtshofes. – Er hat auch andere Interessen, aber der Staat hat ihn immer schon interessiert. – Er hat viele berufliche Aufgaben, aber er nimmt auch seine familiären Pflichten wahr. – Er hat eine klare Meinung, doch gründet er keine doktrinäre Schule. – Er unterstützt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sodass sie gerne bei ihm arbeiten. – Er steht zur Verfügung, wenn er gefragt wird. – Er hält sich nicht für unentbehrlich und ist deshalb nicht immer erreichbar. – Er ist von den Medien nachgefragt, auch wenn er sich ihnen nicht aufdrängt.
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– Er macht sich nicht immer beliebt, dafür bekommt er öfter im Nachhinein recht. – Er wird auch für Ämter genannt, die schließlich andere erhalten. – Er gibt Anstöße und ist auch mit 60 nicht frustriert, wenn seine Vorschläge nicht sofort umgesetzt werden.
Gerhart Holzinger
Bernhard Raschauer und die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes I. Eine Vorbemerkung Die aktuelle Publikationsliste Bernhard Raschauers weist 24 selbständige Veröffentlichungen, 178 unselbständige Publikationen – in Form von Beiträgen in Sammelwerken, Festschriften und in Fachzeitschriften – sowie 45 Entscheidungsbesprechungen aus. Ein Gutteil dieser Arbeiten befasst sich teilweise oder sogar ausschließlich mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes. Die auch nur einigermaßen vollständige Darstellung dieser Arbeiten hätte den mir für diesen Beitrag umfänglich gesteckten Rahmen bei weitem gesprengt. Daher habe ich mich entschlossen, abgesehen von einem allgemeinen Überblick über die Fülle des Materials, das Raschauers rechtswissenschaftliches Werk für das mir gestellte Thema bietet, eine – wie ich hoffe – repräsentative Auswahl aus diesen Arbeiten zu treffen. Dabei konzentriere ich mich auf einige wenige Beiträge Raschauers aus verschiedenen Zeitabschnitten seines rechtswissenschaftlichen Wirkens, die ein exemplarisches Bild seiner judikaturkritischen Arbeit vermitteln sollen. Diese Darstellung wird den ersten Teil meines Beitrages zu dieser Festschrift bilden. Darüber hinaus habe ich mir auch die Frage gestellt, inwiefern denn eigentlich der VfGH seinerseits in seiner Rechtsprechung auf die rechtswissenschaftlichen Arbeiten von Bernhard Raschauer Bezug nimmt. Heutzutage verlangt die Beantwortung dieser Frage – dem RIS sei Dank – ja keinen „geradezu archivarischen Fleiß“ mehr. Der Durchsicht eines Stoßes von RIS-Ausdrucken in Höhe von rd. einem halben Meter bedarf es aber immerhin, wenn man sich einen Überblick darüber verschaffen möchte, in welchen Entscheidungen der VfGH Arbeiten von Bernhard Raschauer zitiert. Das Ergebnis dieser Recherche wird den zweiten Teil meines Beitrages zu dieser Festschrift bilden.
II. Bernhard Raschauer zur Rechtsprechung des VfGH II.1. Die Beschäftigung mit der Rechtsprechung des VfGH zieht sich, was bei einem Rechtswissenschafter, der sich dem Verfassungs- und dem
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Verwaltungsrecht verschrieben hat, nicht überraschend ist, geradezu wie ein roter Faden durch Raschauers Werk. In erster Linie trifft das natürlich auf seine zahlreichen einschlägigen Beiträge in Sammelwerken, Festschriften und Fachzeitschriften zu. Ebenso gilt dieser Befund aber auch für seine selbständigen Publikationen, hier vor allem für sein bisher in zwei Auflagen erschienenes Werk Allgemeines Verwaltungsrecht. Die Themen, die dabei behandelt werden, sind – Raschauers vielfältigem rechtswissenschaftlichen Interesse entsprechend – weit gestreut. Sie betreffen Grundrechtsfragen, vornehmlich im Kontext des Wirtschafts- und des Umweltrechts, ebenso wie Probleme der Staatsorganisation, im Besonderen etwa der verfassungsrechtlichen Grenzen der Ausgliederung von Staatsaufgaben, aber auch Fragen des Legalitätsprinzips, insb des daraus für den Gesetzgeber abzuleitenden Determinierungsgebots, oder der verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der gesetzlichen Regelung der Parteistellung im Verwaltungsverfahren. Raschauers Judikaturkritik ist, man mag sie nun teilen oder nicht, stets fundiert. Sie hat dort, wo er das für nötig hält, auch „Biss“. Da spricht dann mitunter nicht mehr der abgeklärte Wissenschafter aus ihm, sondern durchaus auch die Emotion des persönlich Engagierten. Dabei fließen ihm – so hat man den Eindruck – auch scharfe und zugleich originelle Formulierungen leicht aus der Feder. Einige „Kostproben“ gefällig? – So heißt es etwa in einem Beitrag (Sind die Gesetzesvorbehalte der Grundrechte für die Vollziehung unmittelbar anwendbares Recht? ZfV 1988, 30) zum Erkenntnis VfSlg 10.373/1985 [FremdenpolizeiG]: „Die Angst der Gesetzesredaktoren vor der MRK hat offenbar einen erschreckenden Höhepunkt erreicht. Gesetze sollen dadurch immunisiert werden, daß die Prüfung der MRKKonformität von staatlichen Einschränkungen auf die Vollziehung übertragen wird. [...] Die Wurzel [dieser] legistischen Fehlentwicklungen [gemeint sind gesetzliche Regelungen, die mehr oder weniger wörtlich die Gesetzesvorbehalte einzelner EMRK-Grundrechte wiedergegeben,] sind mE auch in mehreren neueren Erkenntnissen des VfGH zu suchen. In einer Judikaturlinie [...] scheint der Gerichtshof nämlich mitunter das Maß für zulässige verfassungskonforme Interpretation auf der einen Seite und die Einsicht in das Wesen unmittelbarer Anwendbarkeit verfassungsrechtlicher Normen auf der anderen Seite aus den Augen verloren zu haben. Ein bedenklicher Tiefpunkt wurde im zitierten FremdenpolizeiG-Erkenntnis [...] erreicht. [...] Die Angst vor der EMRK darf [nicht] dazu führen [...], daß der VfGH die ihm in Art. 144 B-VG aufgegebene Zweistufigkeit der Prüfung durch Konstrukte von der Art einer unmittelbaren Anwendbarkeit von Gesetzesvorbehalten überspielt.“
– In einer Entscheidungsbesprechung (RdU 1996, 185, 189) zum Erkenntnis VfSlg 14.512/1996 [vereinfachtes Genehmigungsverfahren für gewerbliche Betriebsanlagen] formuliert Raschauer wie folgt: „Das Erk. kann nicht der Weisheit letzter Schluß sein, läßt es doch keinerlei Konturen und Grenzen für Anlagengenehmigungen in Einparteienverfahren erkennen. Im Ergebnis genügt es offenkundig, wenn sich die Rechtssetzung – bei divergierenden fachlichen Beur-
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teilungen – auf den (wie immer auch ermittelten),reichen Erfahrungsschatz‘ der Behörden beruft. Eine solche verbale Begründung rechtfertigt den Ausschluß der mitbeteiligten Parteien [...]. Das Betriebsanlagenrecht der GewO, einst Kernbereich des Umweltschutzrechts, leidet an Osteoporose. Es ,zerbröselt‘ vor unseren Augen.“
– Ähnlich herb fällt Raschauers Kritik am VfGH auch in einer Entscheidungsbesprechung (RdU 1996, 190, 191) zum (Zurückweisungs-) Beschluss VfSlg 14.425/1996 [Genehmigung des Versuchsbetriebes einer thermischen Restmüllverwertungsanlage] aus: „[D]ie Ausgestaltung des Versuchsbetriebs-Genehmigungsverfahrens [muss] im Lichte des vorliegenden Beschlusses eines kleinen Senates wohl als ,einzementiert‘ angesehen werden. Daraus ergibt sich die mE schlechthin unfaßbare Konsequenz, daß eine [auch nach EGRecht] genehmigungspflichtige [...] Abfallverbrennungsanlage mehrere Jahre in Vollbetrieb stehen darf, ohne daß die Nachbarn zu diesem staatlichen Genehmigungsakt auch nur anzuhören sind. Da der VfGH nicht in eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtslage eingetreten ist, muß man davon ausgehen, daß er einer solchen Genehmigung rechtliche Wirkung ausschließlich im Verhältnis zwischen Behörden und Projektwerber zuerkennt. Da damit implizit auf § 364 ABGB verwiesen wird, stellt sich die – auch unter dem Gleichheitssatz zu beurteilende – Frage, ob der zivilrechtliche Immissionsschutz prozessual gleichwertig ist; man denke nur an das sozial diskriminierende Kostenrisiko im EVVerfahren.“
Besonders wenig „angetan“ dürfte Raschauer vom Erkenntnis VfSlg 14.534/1996 [Verhältnis Baumschutz- und Eisenbahnrecht] gewesen sein, wenn er in einer Entscheidungsbesprechung (RdU 1997, 30, 31) dazu ua schreibt: „Es ist wohl kein alltägliches Ereignis, wenn einer höchstgerichtlichen E attestiert werden muß, daß sie schlechthin falsch ist. Unter Übergehung der Kompetenzverteilung und Mißdeutung gesetzlicher Bestimmungen wird ein Ergebnis konstruiert, das seinerseits verfassungswidrig, weil gleichheitswidrig ist. [... D]er VfGH [...] muß [...] in geradezu haarsträubender Weise in das EisenbahnG Regelungen auf dem Gebiet des Baumschutzes ,hineininterpretieren‘. [...] Letztlich kommt man zu jener Art von gleichheitswidrigem Ergebnis, das zu Recht immer wieder den Unmut der Bürger auslöst: Jedermann ist gesetzlich zu Ersatzpflanzungen verpflichtet, nicht aber die ÖBB. [...] Es ist zu hoffen, dass es sich um eine einmalige Fehlleistung des VfGH handelt.“
Ungeachtet solcher, mitunter also recht „spitzer“ Formulierungen ist Raschauers Judikaturkritik aber alles in allem genommen stets konstruktiv in dem Sinn, dass sie Zusammenhänge aufzeigt, Konsequenz einmahnt oder vor Fehlentwicklungen warnt. Was bei genauem Studium seiner judikaturkritischen Arbeiten noch auffällt, sind seine „richterpsychologischen“ Einschätzungen. Sie zeugen von spezifischen analytischen Fähigkeiten, aber auch von besonderem Einfühlungsvermögen. Aus der Fülle des dafür in Betracht kommenden Materials seien im Folgenden drei Beispiele für Raschauers judikaturkritische Arbeiten näher dargestellt. Sie sollen einen Eindruck vom durchaus persönlichen Stil vermitteln, den Raschauer im Laufe der Jahre und Jahrzehnte seines rechtswissenschaftlichen Schaffens dazu entwickelt hat.
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II.2.1. In einem Beitrag in der EuGRZ 1977 (262-264) unter dem Titel „Unmittelbare Gesetzesanfechtung durch einzelne in Österreich“ befasste sich – der damals 29-jährige Universitätsassistent – Bernhard Raschauer mit dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 8009/ 1977. Dabei handelte es sich um die erste Entscheidung des VfGH zur Zulässigkeit von Individualanträgen auf Normenkontrolle. II.2.2. Kurz zur Vorgeschichte: Mit der B-VG-Novelle BGBl 302/1975 war ua die Möglichkeit des Individualantrages auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung (Art 139 Abs 1 und Art 140 Abs 1, jeweils letzter Satz, B-VG) geschaffen worden. Die diesbezüglichen Bestimmungen waren mit 1. Juli 1976 in Kraft getreten. II.2.3. Noch am selben Tag wurde beim VfGH ein erster derartiger Gesetzesprüfungsantrag eingebracht. (Als Prozessbevollmächtigter trat dabei übrigens – worauf Raschauer in einer Fußnote zu seiner Entscheidungsbesprechung ausdrücklich hinweist – der Rechtsanwalt Dr. Michael Graff auf.) Darin beantragten die Antragsteller die Aufhebung des Wortes „nur“ in § 34 Abs 3 ForstG, u zw iW mit folgender Begründung: Sie seien Eigentümer eines Waldes im Bezirk Korneuburg, der mit Bescheiden der zuständigen Bezirkshauptmannschaft als Eigenjagdgebiet gemäß Nö JagdG, nämlich als „Tiergarten, der der Hege von Rotwild dient“, anerkannt und dementsprechend gegen das Ein- und Auswechseln des gehegten Wildes von und nach allen benachbarten Grundstücken durch eine ca 50 km lange Einfriedung vollkommen abgeschlossen worden sei. Nun dürfe aber gemäß § 33 Abs 1 ForstG grundsätzlich jedermann den Wald zu Erholungszwecken betreten, soweit der Eigentümer nicht eine Sperre erwirke. Eine dauernde Sperre dürfe aber zu Folge § 34 Abs 3 ForstG von der (Forst-)Behörde „nur“ für bestimmte, taxativ aufgezählte Fälle bewilligt werden, ua für „Tiergärten“ iSd ForstG, die der Besichtigung von Tieren gewidmet seien. Da es sich – so die Antragsteller weiter – in ihrem Fall aber um keinen Tiergarten iSd ForstG handle und auch keine andere Bestimmung des ForstG eine dauernde Sperre rechtfertige, sei diese mit 1. Jänner 1976 unzulässig geworden. Die Antragsteller seien daher zur Beseitigung der Sperre oder zur Errichtung von Durchlässen an den im Wald bestehenden Einfriedungen verpflichtet. Insoweit sei das ForstG für sie ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Fällung eines Bescheides unmittelbar wirksam geworden. Der VfGH wies den Antrag „mangels Legitimation der Antragsteller“ iW mit folgender Begründung als unzulässig zurück: Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation sei, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreife und diese – im
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Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletze. Anfechtungsberechtigt sei also von vornherein nur ein Rechtsträger, der Normadressat des anzufechtenden Gesetzes sei. Darüber hinaus sei aber auch erforderlich, dass der Eingriff in die Rechtssphäre der betreffenden Person unmittelbar durch das Gesetz selbst – tatsächlich – erfolgt sei. Dies sei jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser Eingriff nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt und die (rechtlich geschützten) Interessen der betreffenden Person nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt seien. Schließlich lasse die Entstehungsgeschichte der B-VG-Nov BGBl 302/1975 den Schluss zu, dass der durch sie eingeführte Rechtsbehelf dazu bestimmt sei, Rechtsschutz gegen rechtswidrige Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung stehe. An dieser zuletzt genannten Voraussetzung fehle es aber – so der VfGH – im vorliegenden Fall: Zwar seien die Antragsteller als Waldeigentümer von der aus § 33 Abs 1 ForstG sich ergebenden grundsätzlichen Verpflichtung betroffen, die Benützung ihres Waldes zu Erholungszwecken durch jedermann zu dulden. Diese grundsätzliche Duldungspflicht sei im ForstG jedoch nicht derart abschließend geregelt, dass damit Bestand und Umfang dieser Verpflichtung auch schon in jedem Einzelfall festgelegt wären. Das Gesetz normiere vielmehr Tatbestände, bei deren Vorliegen diese grundsätzliche Duldungspflicht nicht oder nicht in vollem Maße bestehe; es mache derart eine Konkretisierung der Rechtsstellung des Waldeigentümers im Einzelfall notwendig. Dementsprechend sei die Frage, ob ein solcher Ausnahmetatbestand vorliege, Gegenstand behördlicher Entscheidung: Die Behörde habe im Einzelfall darüber zu befinden, ob und in welcher Weise die grundsätzlich normierte Duldungspflicht den Waldeigentümer im konkreten Fall treffe. Daher könne der VfGH nicht finden, dass der in der angefochtenen Gesetzesstelle normierte Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller unmittelbar durch das Gesetz selbst erfolgt sei. Unmittelbar in ihre Rechtssphäre könne vielmehr erst der über ihren Antrag noch zu erlassende (letztinstanzliche) Bescheid eingreifen. Unter diesen Umständen könne „keine Rede davon sein, daß den Antragstellern ein anderer – zumutbarer – Weg zur Geltendmachung der von ihnen behaupteten Verfassungswidrigkeit nicht zur Verfügung stünde“. II.2.4. Worin besteht nun die Kritik Raschauers an dieser – wie wir heute wissen – die weitere Rechtsprechung des VfGH zur Frage der Zulässigkeit von Individualanträgen auf Normenkontrolle nachhaltig prägenden Entscheidung? „[Z]u eng“ erscheint ihm – vorerst einmal – die vom VfGH verwendete Formulierung, der Antragsteller müsse „Normadressat“ sein: Wie das
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Schulbeispiel des Nachbarn im Bauverfahren beweise, könne die eigene Rechtssphäre auch durch Akte berührt werden, deren Adressaten Dritte seien. Unhaltbar sei weiters – so fährt Raschauer kritisch fort – die Behauptung des VfGH, die angefochtene Gesetzesstelle müsse „nachteilig“ in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen. Dabei werde die Sachfrage mit den Prozessvoraussetzungen verwechselt. Vor allem aber wendet sich Raschauer gegen die – wie er meint – „schlicht unverständliche Behauptung“, dass die unmittelbare Anfechtung von Gesetzen nur insoweit zulässig sei, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung stehe. Diese Behauptung werde „mit einem unbelegten Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der neuen Verfassungsbestimmungen [begründet], die aber [...] gerade überhaupt keinen Schluss zuläßt.“ Auch der Wortlaut und der systematische Zusammenhang der Bestimmungen wiesen „den topos der Zumutbarkeit in dieser Selbständigkeit als Erfindung aus.“ Die kritische Frage sei somit – so Raschauer weiter –, ob ein Gesetz, das grundsätzlich Pflichten auferlege, jedoch einzelne Ausnahmen von diesen Pflichten vorsehe, „unmittelbar“ wirke. Der VfGH habe die forstrechtliche Verpflichtung des Waldeigentümers, die Benützung des Waldes zu Erholungszwecken durch jedermann zu dulden, als nicht derart abschließend geregelt angesehen, dass damit Bestand und Umfang dieser Verpflichtung auch schon in jedem Einzelfall festgelegt wären. Das sei – so Raschauer – eine „in abstracto vertretbare Auslegung – aber eben nur in abstracto.“ Im vorliegenden Fall sei nämlich nur eine einzige Ausnahmebestimmung präjudiziell gewesen: § 34 Abs 3 lit b ForstG. Diese habe indes zur Voraussetzung, dass der Wald zu Zwecken der Tierbesichtigung geöffnet sei, eine Voraussetzung, die erkennbar nicht gegeben gewesen sei und die die Antragsteller auch gar nicht erfüllen wollten. Der Beschluss sei daher aus zwei Gründen abzulehnen: Der Wald sei unbestritten derzeit nicht geöffnet, sodass der Ausnahmetatbestand erkennbar nicht erfüllt sein könne. Ein Verwaltungsverfahren hätte lediglich diesen Umstand autoritativ feststellen können. Selbst wenn man diese Besonderheit des Sachverhalts ignorieren und nur aus dem systematischen Zusammenhang des Gesetzes argumentieren wollte, so könne nicht übersehen werden, dass sowohl die allgemeine forstgesetzliche Duldungspflicht als auch eine besondere Ausnahmegenehmigung die Öffnung des Waldes bewirkten. Wenn nun die Antragsteller argumentierten, die Öffnung des Waldes sei an sich verfassungswidrig, so bedeute „das Abschieben auf ein Verwaltungsverfahren einen nicht mehr legitimierbaren Rechtsschutzentzug. Daher hätte gerade der Verfassungsgerichtshof mit dem von ihm eingeführten Kriterium der Zumutbarkeit zu einem anderen Ergebnis kommen müssen.“
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Es sei – so Raschauer abschließend – bedauerlich, dass der VfGH „die erste Schlüsselentscheidung zu den Prozessvoraussetzungen beim Individualantrag auf Gesetzesprüfung gerade über diese wenig ,glückliche‘ und didaktisch nicht sehr wertvolle Rechtsfrage zu fällen hatte. Die Fallgruppe ,Pflicht als Regel – Befreiung als Ausnahme‘ läßt selten die eine unbestreitbare Lösung zu, an der die Weichen für eine künftige Judikatur gestellt werden sollten.“ In jedem Fall sei dem VfGH „anzuraten, den Gesichtspunkt der ,Zumutbarkeit anderer Rechtswege‘ nicht zum gesetzesfreien selbständigen Kriterium hochzustilisieren.“ Die Zumutbarkeit sei im vorliegenden Zusammenhang nur ein kleiner Teilaspekt der größeren Frage nach der Unmittelbarkeit der Gesetzeswirkung. Hätte der VfGH erkannt, „daß überdies die Struktur des angefochtenen Gesetzes aber auch die Struktur des konkreten Sachverhalts rechtlich erheblich sind, so hätte er den vorliegenden Antrag nicht mit dieser Selbstverständlichkeit (,kann keine Rede davon sein‘) zurückgewiesen.“ II.2.5. Aus heutiger Sicht ist dazu anzumerken, dass die Rechtsprechung des VfGH zum Kriterium der „Zumutbarkeit anderer Rechtswege“ bekanntlich durchaus differenziert und keinesfalls – was Raschauer damals befürchtet haben dürfte – apodiktisch ist. Schließlich ist auch die besondere Konstellation des damals zu beurteilenden Falles zu berücksichtigen. Hatten doch die Antragsteller schon vor ihrer Antragstellung im Normenkontrollverfahren für die in Rede stehende Waldfläche eine Benützungsbeschränkung nach dem ForstG beantragt, welcher Antrag im Berufungsweg abgewiesen worden war; über die dagegen gerichtete Berufung hatte der zuständige Bundesminister noch nicht entschieden. Der Antrag an den VfGH im Normenkontrollverfahren war also unabhängig vom Verwaltungsrechtsweg erhoben worden. Dieser Gesichtspunkt wurde vom VfGH in der Begründung seiner zurückweisenden Entscheidung auch ausdrücklich angesprochen. Dahinter stand offenbar die Überlegung, dass im Wege einer Beschwerde gegen den letztinstanzlichen verwaltungsbehördlichen Bescheid die Frage der Verfassungskonformität der zu Grunde liegenden Rechtsvorschriften ohnedies an den VfGH herangetragen hätte werden können. II.2.6. Im Zusammenhang mit dem hier behandelten Beitrag Raschauers ist schließlich auch noch auf Folgendes hinzuweisen: Raschauer führt – und im Hinblick auf den Ausgang des verfassungsgerichtlichen Normenkontrollverfahrens bloß en passant – aus: Die Antragsteller hätten für die Zwecke der materiellen Prüfung der von ihnen bekämpften gesetzlichen Bestimmungen vorgetragen, dass der Bundesgesetzgeber nach der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung zur Regelung
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der Umzäunung von Wäldern mit Tierbestand unzuständig sei, eine Frage, die – so Raschauer – „verfassungsrechtlich sogar einen ,doppelten Boden‘ hat: selbst wenn man die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers bejaht, darf der Bundesgesetzgeber die Wälder mit Tierbestand in einer Weise ,öffnen‘, die die landesrechtlichen Regelungen über die Tierhege leer laufen läßt? Eine Frage, die Bundesstaatstheoretikern in vielerlei Variationen bekannt ist.“ Diese Bemerkung in einem Beitrag aus dem Jahr 1977 ist insoferne bemerkenswert „prophetisch“, als der VfGH wenige Jahre später in seinem Erkenntnis VfSlg 10.292/1984 eben diese Frage zu beurteilen hatte. Das genannte Erkenntnis betraf auch just das Verhältnis zwischen forstgesetzlichen Bestimmungen über die Zugänglichkeit des Waldes und jagdrechtliche Regelungen über die Sperre von Wäldern. Es wurde prägend für die Rechtsprechung des VfGH zum sog. Berücksichtigungsgebot im Bundesstaat (s. dazu auch unten Pkt. 2.3.3.). II.3.1. In einem 1988 in der Österreichischen Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (27-30) unter dem Titel „Abgrenzung: Gewerberecht – Raumordnung“ erschienenen Kommentar befasste sich Bernhard Raschauer – nunmehr schon Universitätsprofessor – mit dem Erkenntnis VfSlg 11.393/1987, das in einer Reihe mehrerer Entscheidungen des VfGH steht, die die Abgrenzung der Kompetenz des Bundes in „Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“ gemäß Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG einerseits und der Zuständigkeit der Länder für die Raumplanung gem Art 15 Abs 1 B-VG andererseits betreffen. II.3.2. Worum ging es nun in diesem Erkenntnis VfSlg 11.393/1987? In einem von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hatte der VfGH Bestimmungen des Vorarlberger RaumplanungsG in Prüfung gezogen. Sie statuierten zum einen die „Sicherung der Nahversorgung“ als eines der Ziele der Raumplanung in Vorarlberg. Zum anderen sahen sie vor, dass die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Einkaufszentrums nur nach Maßgabe einer entsprechenden Flächenwidmung im örtlichen Flächenwidmungsplan zulässig sein sollte, die ihrerseits eine entsprechende Festlegung in einem Landesraumplan voraussetzte. Mit dem genannten Erkenntnis wurden diese landesgesetzlichen Bestimmungen als verfassungswidrig aufgehoben, u zw iW mit folgender Begründung: Der VfGH habe in seinen Erkenntnissen VfSlg 9543/1982 (betr das Oö ROG) und VfSlg 10.483/1985 (betr das Stmk ROG) die Auffassung vertreten, dass landesgesetzliche Raumordnungsvorschriften, die die Er-
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richtung von Einkaufszentren an Voraussetzungen knüpften, die mit dem Lokalbedarf nach derartigen Betrieben identisch seien, „von keiner anderen als der gewerberechtlichen Betrachtungsweise“ ausgingen; als solche seien sie aber, weil ihre Erlassung gemäß Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG („Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“) in die ausschließliche Kompetenz des Bundesgesetzgebers falle, verfassungswidrig. An dieser Rechtsauffassung halte der VfGH fest. Zwar habe der Vorarlberger Landesgesetzgeber, verglichen mit den aufgehobenen Regelungen der Bundesländer Oberösterreich und Steiermark, einen neuen legislativ-technischen Weg eingeschlagen. Dabei werde zunächst ein weiteres Raumplanungsziel, nämlich die „Sicherung der Nahversorgung“, statuiert. Dabei handle es sich aber – so der VfGH – nicht bloß um eine kompetenzneutrale „Bedachtnahmeregelung“; vielmehr diene dieses Raumplanungsziel ausschließlich der wirksamen Steuerung der Zulassung von Einkaufszentren. Im Verein mit den übrigen in Prüfung gezogenen Bestimmungen sei es für Einkaufszentren das entscheidende Zulassungskriterium (iS einer Prüfung des Lokalbedarfs). Das Gesamtbild „all dieser ineinander verzahnten Vorschriften“ zeige – so der VfGH abschließend – „ein unter dem Mantel der Raumordnung geschaffenes – und solcherart verdecktes – gewerbliches Zulassungssystem für [...] Einkaufszentren (nach Maßgabe des Lokalbedarfs), das – im Hinblick auf das offenbar befürchtete Ausufern der Zahl dieser Betriebsstätten – gewerberechtspolitisch erwünscht sein mag, wofür jedoch der Landesgesetzgeber nach den Kompetenzregeln des B-VG nicht zuständig ist.“ II.3.3. In seinem – recht kritischen – Kommentar meint Raschauer dazu einleitend: Kompetenzrechtlich könne es gar keine Frage sein, dass der Kompetenztatbestand „Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“ keine standortspezifische Planungsbefugnis des Bundes umfasse und eine Standortplanung für Einkaufszentren in die bodennutzerische allgemeine Raumordnungskompetenz der Länder falle. Allerdings seien die drei bisher vom VfGH geprüften Regelungen „dem Dschungel der sog Bedachtnahmejudikatur zum Opfer gefallen“, bei der bisweilen zwischen einem Bedachtnahmeprinzip und einem Bedachtnahmegebot unterschieden werde. Daran sei – so Raschauer – zunächst so viel richtig, dass es jeder Gebietskörperschaft im Rahmen der von ihr kompetenzgemäß erlassenen Regelungen prinzipiell freistehe, auch auf Normen und Normzwecke einer gegenbeteiligten Gebietskörperschaft Bedacht zu nehmen, obgleich sie zu einer selbständigen Regelung der mitberücksichtigten Interessen nicht befugt wäre. Von einer bloßen „Bedachtnahme“ könne man aber dann nicht mehr sprechen, wenn ausschließlich – dies sei die bedeutende Aussage in VfSlg 9543/1982 gewesen – auf ein
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oder mehrere kompetenzfremde Interessen Bedacht zu nehmen sein solle; diesfalls werde der „fremde“ Rechtsbereich nicht „mitberücksichtigt“, sondern er werde zum selbständigen Entscheidungsgegenstand. Mit dem Erkenntnis VfSlg 10.292/1984 [Jagdrecht/Forstrecht] habe der VfGH jedoch darüber hinaus einem Gedanken zum Durchbruch verholfen, der mit dem Begriff „Bedachtnahmegebot“ nicht treffend erfasst werde. Der VfGH habe nämlich betont, dass eine der Bundesverfassung innewohnende Rücksichtnahmepflicht dem Gesetzgeber der einen Gebietskörperschaft verbiete, vom Gesetzgeber der anderen Gebietskörperschaft wahrgenommene Interessen zu negieren und dessen gesetzliche Regelungen damit zu unterlaufen. Er – so Raschauer – habe daher vorgeschlagen, den darin zum Ausdruck gebrachten Gedanken als ein „Torpedierungsverbot“ zu bezeichnen (Raschauer, Umweltschutzrecht 1987, 171). Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergebe sich, dass es der Landes-Raumordnung selbstverständlich freistehe, „auch auf spezifisch gewerberechtliche Gesichtspunkte – etwa innerhalb eines bunten Straußes von Raumordnungszielen – Bedacht zu nehmen“. Dagegen sei es ihr verwehrt, „mit den Mitteln der Raumordnung die Liberalisierung des Gewerberechts zu torpedieren, zu ,unterlaufen‘„. In diesem Sinn – meint Raschauer – könne den vorangegangenen Erkenntnissen VfSlg 9543/1982 und 10.483/1985 gefolgt werden. Die damals geprüften raumordnungsrechtlichen Regelungen hätten die Zulassung von Einkaufszentren im Wesentlichen ausschließlich von einer der GewO vergleichbaren Lokalbedarfsprüfung abhängig gemacht. Werde aber – so fragt Raschauer weiter – „tatsächlich die Liberalisierung der GewO torpediert, wenn – wie im vorliegenden Fall – in einem Florileg von Raumplanungszielen auch auf den Lokalbedarf Bedacht zu nehmen ist?“ Grundsätzlich sei dies nach wie vor zu verneinen. Es habe in der Praxis geradezu als die „Antwort“ auf VfSlg 9543/1982 gegolten, dass die Länder die Regelungen betreffend die Einkaufszentren bloß ein wenig „anzureichern“ brauchten, um dem Verdikt der „ausschließlichen“ Bedachtnahme zu entgehen. Warum sei es dann im vorliegenden Fall zu einem aufhebenden Erkenntnis gekommen? Die Antwort könne – so meint Raschauer – „eher die Rechtspsychologie, denn die Rechtsdogmatik liefern“: Entgegen seiner Rechtsprechung habe der VfGH in diesem Fall dem faktischen Vollzugsverhalten der Behörden und den subjektiven Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen Bedeutung beigemessen und „nicht einmal den Versuch gemacht, die sich hier nachgerade aufdrängende verfassungskonforme Interpretation [...] zu beschrei-
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ten“. Es scheine somit „der kumulative Effekt aus dem Entstehungszusammenhang und aus dem Anwendungszusammenhang im konkreten Fall mit der in einer Novelle zusammengefassten Einführung des Raumordnungszieles der Nahversorgung und einer geballten Regelung der Einkaufszentren gewesen zu sein, die den Gerichtshof zu dem Verdikt bewogen hätten, die ,aus mehreren ineinandergreifenden Zulassungsbedingungen bestehende legislativ-technische Gesamtkonstruktion‘ bedeute in Wahrheit so etwas Ähnliches wie eine ,ausschließliche‘ gewerbepolizeiliche Lokalbedarfsprüfung“. Die Lehre, die die Raumordnungsgesetzgebung daraus zu ziehen habe, – meint Raschauer – sei die, dass sie sich endlich stärker ihrer spezifisch raumordnungsrechtlichen Determinanten zu besinnen habe. Sie solle sich nicht von Überlegungen der Handelspolitik beherrschen lassen, sondern eine „Raumverträglichkeitsprüfung“ für Einkaufszentren vorsehen. Auf diese Weise könne der in der einschlägigen Raumordnungsgesetzgebung angestrebte Zweck mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erreicht werden, ohne dass das Thema „Lokalbedarfsprüfung“ auch nur berührt werden müsse. Solche pragmatischen Überlegungen auf dem Boden einer nun einmal maßgeblichen Rechtsprechung dürften – so Raschauer abschließend nochmals recht kritisch zum VfGH – „allerdings den kritischen Blick auf ein ,Urteil auf Verdacht‘ unter Verzicht auf jeden Versuch einer verfassungskonformen Deutung, wie es im vorliegenden Erkenntnis gegeben ist, nicht verstellen.“ II.3.4. Raschauer legt mit dieser Kritik am Erkenntnis VfSlg 11.393/ 1987 insofern „den Finger auf einen wunden Punkt“, als die einschlägige Rechtsprechung des VfGH bis dahin den Landes-Raumordnungsgesetzgebern offenbar noch nicht das nötige Maß an Orientierungssicherheit bot. Aus heutiger Sicht ergibt sich dazu freilich ein durchaus differenziertes Bild: Der VfGH hob bisher Einkaufszentren betreffende Raumplanungsvorschriften der Bundesländer Oberösterreich (VfSlg 9543/1982), Steiermark (VfSlg 10.483/1985), Vorarlberg (VfSlg 11.393/1987 und 15.233/ 1998) und Niederösterreich (VfSlg 12.284/1990) wegen Verstoßes gegen Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG auf. Hingegen erachtete er die raumplanungsrechtlichen Regelungen über Einkaufszentren der Länder Tirol (VfSlg 11.626/1988), Kärnten (VfSlg 11.830/1988), Steiermark – in der nach dem Erkenntnis VfSlg 10.483/1985 novellierten Fassung – (VfSlg 12.068/ 1989), Salzburg (VfSlg 12.918/1991) sowie zuletzt erneut Kärnten – in einer nach dem Erkenntnis VfSlg 11.830/1988 geänderten Fassung – (VfSlg 17.057/2003) als verfassungsrechtlich unbedenklich. Inwiefern Raschauer mit seiner seinerzeitigen Kritik zu dieser differenzierten Sicht
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des VfGH beigetragen hat, lässt sich nicht im Einzelnen nachweisen. Ausschließen würde ich das allerdings nicht! II.4.1. Unter dem Titel „,Kernaufgaben des Staates‘: Rechtsfortbildung oder Rechtskreation“ findet sich im Jahresband 2005 der Zeitschrift für Verwaltung (18-21) eine – vom Autor neutral als „Anmerkungen“ bezeichnete – recht kritische Auseinandersetzung Raschauers mit dem Erkenntnis VfSlg 17.341/2004. II.4.2. Was ist der Inhalt des Erkenntnisses VfSlg 17.341/2004? In einem von Amts wegen eingeleiteten Normenkontrollverfahren hatte der VfGH ua einzelne Bestimmungen des ZivildienstG (ZDG) auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin in Prüfung gezogen. Sie sahen die Ermächtigung des Bundesministers für Inneres vor, mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Zivildienstverwaltung ein geeignetes Unternehmen nach Durchführung eines Vergabeverfahrens vertraglich zu betrauen. Gestützt darauf war – ursprünglich das Generalsekretariat des Österreichischen Roten Kreuzes und schließlich – die Zivildienstverwaltungs GesmbH mit derartigen Aufgaben beauftragt worden. Mit dem genannten Erkenntnis hob der VfGH die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ZDG als verfassungswidrig auf, uzw iW mit folgender Begründung: Bei den von der Ausgliederung betroffenen Aufgaben der Zivildienstverwaltung handle es sich um „Kernaufgaben des Staates [...], die aus dem Blickwinkel der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ihrer Ausgliederung nicht anders zu beurteilen wären als Angelegenheiten der militärischen Landesverteidigung selbst“. In dieser Hinsicht knüpft der VfGH an das Erkenntnis VfSlg 14.473/1996 [Austro Control GmbH] an, dem zu Folge zu den „Kernbereichen der staatlichen Verwaltung“, deren Ausgliederung verfassungsrechtlich unzulässig sei, ua das „Militärwesen“ zähle. Es müsse nämlich – so der VfGH – „dem besonderen wechselseitigen Verhältnis zwischen Zivildienst und Militärdienst bei Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Ausgliederung von Aufgaben der Zivildienstverwaltung in ausreichender Weise Rechnung getragen werden“: Die Zivildienstpflicht setze die Wehrdienstpflicht insoferne voraus, als gemäß Art 9a Abs 3 B-VG jeder (tauglich befundene) männliche österreichische Staatsbürger wehrpflichtig sei und im Falle der Verweigerung der Erfüllung der Wehrpflicht aus Gewissensgründen anstelle dessen zur Leistung eines Ersatzdienstes (Zivildienstes) verpflichtet sei. Sowohl beim Wehrdienst als auch beim Zivildienst handle es sich um die verpflichtende Ableistung eines staatlichen Dienstes, der – ungeachtet des Umstandes, dass die Tätigkeit des Zivildienstleistenden keine militärische sei – auf der Wehrpflicht beruhe. Damit gehe einher, dass die (sanktionsbewehrte) Ver-
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pflichtung zur Leistung des Zivildienstes für die Zivildienstpflichtigen – spätestens mit der bescheidmäßigen Zuweisung an eine Einrichtung – mit erheblichen Eingriffen in ihre verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verbunden sei. Daraus ergebe sich, dass „jedenfalls jene die Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes individualisierenden Aufgaben der Vollziehung des Zivildienstgesetzes, die [diese] zulässigen Grundrechtseingriffe bei den Zivildienstpflichtigen oder Zivildienstleistenden bewirkten, – wie etwa insbesondere die Zuweisung der Zivildienstpflichtigen, Zuweisungsänderungen und -aufhebungen, die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Zivildienstes aus besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen des Zivildienstpflichtigen sowie deren Widerruf – von Verfassungs wegen nicht auf eine selbständige nicht staatliche Einrichtung übertragen werden dürfen“. Zusammenfassend sei festzuhalten – so der VfGH –, dass der Gesetzgeber dadurch, dass er den Bundesminister für Inneres ermächtigt habe, ein Unternehmen mit Aufgaben der Zivildienstverwaltung zu betrauen, die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten habe. Die Beauftragung eines außerhalb der staatlichen Verwaltungsorganisation stehenden Unternehmens nicht nur mit Aufgaben, die die nähere Ausgestaltung der Ableistung des Zivildienstes wie zB Aufgaben im Zusammenhang mit dem Reisekostenersatz oder der Auszahlung von Bezügen beträfen, sondern auch mit „ausgliederungsfesten“ Aufgaben sei verfassungsrechtlich unzulässig. II.4.3. Raschauer geht im genannten Beitrag mit diesem Erkenntnis hart ins Gericht: Schon die Einleitung lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Eine Fata morgana beschäftigt die österreichische Verfassungsrechtsdogmatik: Die Kernaufgaben des Staates. Wer eine solche Erscheinung gehabt hat, mag von epistemologischer Evidenz geprägt sein; das Problem einer Fata morgana besteht allerdings in der mangelnden intersubjektiven Verifizierbarkeit. Zuletzt hat der VfGH die gesetzliche Ermächtigung, Unternehmen mit bestimmten Aufgaben der Zivildienstverwaltung zu betrauen, als unzulässige ,Ausgliederung einer Kernaufgabe‘ für verfassungswidrig erklärt [...]. Der Leser reibt sich verwundert die Augen und fragt sich, welche Textausgabe der Verfassung der VfGH seiner Prüfungstätigkeit zugrunde legt.“
Den Ausgangspunkt für Raschauers Position bildet die Feststellung, dass die österreichische Bundesverfassung keine Bestimmungen über „Kernaufgaben des Staates“ enthalte. Sie enthalte zwar vereinzelte Bestimmungen über Staatsziele und Gesetzgebungsaufträge sowie Organkompetenzen und grundrechtliche Gewährleistungspflichten. Aus solchen verfassungsrechtlichen Ansätzen habe der VfGH aber noch nie Kernaufgaben abgeleitet. Stelle man sich die Frage, in welcher Gedankenwelt die Entscheidung wurzle, so könne man auf den Umstand zurückgreifen, dass die
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kontinentaleuropäischen Verfassungen ihre geistige Grundlage im liberalen Rechtsstaatsmodell des 19. Jahrhunderts hätten, das den Staat als Einrichtung zur Gesetzgebung und zum Gesetzesvollzug sehe. Auf dieser Grundlage könnte man daran denken, dass dem Staat unausgesprochen ein grundsätzliches Rechtsetzungsmonopol und ein grundsätzliches „Gewaltmonopol“ zukomme. Möglicherweise sei der VfGH von solchen Überlegungen geleitet gewesen, wenn er im Austro Control-Erkenntnis VfSlg 14.473/1996 die Vorsorge für die Sicherheit im Inneren und nach außen und die Ausübung der (Verwaltungs-)Strafgewalt zu den Kernbereichen der staatlichen Verwaltung gezählt habe. Vor dem Austro Control Erkenntnis hätte man – so Raschauer weiter – mit guten Gründen die Auffassung vertreten können, dass dann, wenn der Staat sich bestimmten Aufgaben zuwende, er diese in einer bestimmten, in der Verfassung vorgezeichneten Organisationsform zu erfüllen habe. Diese von einem geschlossenen Organisationskonzept und einem grundsätzlichen inneren Zusammenhang zwischen Staatsaufgaben und Staatsorganisation getragene Sicht habe der VfGH im Austro Control-Erkenntnis abgelehnt und das Erfordernis der Leitungs- und Weisungsbefugnis des zuständigen obersten Organs (gegenüber der Austro Control GmbH) betont sowie, dass es quantitative Grenzen („vereinzelte Aufgaben“) sowie qualitative Grenzen der Betrauung von außerhalb der Staatsorganisation stehenden Einrichtungen mit Staatsaufgaben gebe. Wie ermittle man aber – so fragt Raschauer – qualitative Grenzen? Im Austro Control Erkenntnis spreche der VfGH nicht von „Kernaufgaben“, sondern von „Kernbereichen der staatlichen Verwaltung“. Der Begriff „Kernbereich“ sei – so meint Raschauer – aus der Interpretation unbestimmter Gesetzesbegriffe geläufig (Begriffskern – Begriffshof ). Er habe auch in der Grundrechtsinterpretation Bedeutung erlangt. Eine spezielle (letztlich souveränitätswahrende) Ausprägung habe der Begriff Kernbereich in der Judikatur zu Art 6 EMRK erlangt. In VfSlg 16.400/2001 [Bundes-Wertpapieraufsicht] sei zum ersten Mal von der Verwaltungsstrafkompetenz als einer „Kernaufgabe“ der staatlichen Verwaltung die Rede. In VfSlg 16.995/2003 [Elektrizitäts-Control GmbH] werde die Kompetenz zur Erlassung einer Verordnung als eine „ausgliederungsfeste Kernaufgabe“ qualifiziert. Im vorliegenden Erkenntnis würden nun die der Zivildiensteinrichtung übertragenen Aufgaben bereits pauschal als „Kernaufgabe“ qualifiziert. Der mit dem Begriffswandel einhergehende unterschiedliche gedankliche Ansatz sei – so Raschauer – nicht zu übersehen: Wer von „Kernbereich“ spreche, habe einen vorgegebenen „Bereich“ vor Augen und wolle je nach den rechtlichen Konsequenzen zwischen interpretativ ermittelbaren Kernbereichen und Randbereichen dieses „Bereichs“ unter-
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scheiden. Der Begriff „Kernaufgabe“ sei dagegen ein absoluter Begriff, er benötige kein Bezugsfeld und finde – in Ermangelung einer verfassungsrechtlichen Festlegung von „Aufgaben“ – auch kein Bezugsfeld vor. An diese Analyse der bisherigen Judikatur schließt die folgende kritische Feststellung, die ich – der originellen Formulierung wegen – vollständig wiedergebe: „In methodischer Hinsicht ist es wohl nicht so wichtig, ob man eine Interpretationstheorie an Platos Höhlengleichnis oder an Kants Ding an sich oder an einem anderen Modell orientiert, es ist wohl unbestritten, dass Recht mehr ist als die geordnete Verteilung von Druckerschwärze auf Papier und inhaltlich mehr als eine Summe von Gesetzestexten. Interpretation impliziert daher eine eigenständige Leistung im Ringen um die intellektuelle Rekonstruktion des sprachlich stets unvollständig zum Ausdruck kommenden Gesollten. In dem Sinne, dass der Interpret klüger sein darf und klüger sein soll als das von ihm Interpretierte (da er es ja ,zu Ende denken‘ soll), ist auch richterliche Rechtsfortbildung legitim. Sie ist aber im Bezugsrahmen eines Demokratiekonzepts und eines Rechtsquellensystems von der in Österreich maßgeblichen Art nur dann und insoweit legitim, als sie sich auf ein noch irgendwie intersubjektiv verifizierbares Anliegen des rechtsetzenden Organs selbst beziehe. Anderenfalls würde es sich nicht mehr um Interpretation und gegebenenfalls richterliche Rechtsfortbildung handeln, sondern um freischwebende Rechtsschöpfung“.
Raschauer knüpft daran die Frage, ob wir im vorliegenden Zusammenhang mit einem solchen Phänomen konfrontiert seien? Er meint dazu: Das Denken in „Kernbereichen“ wäre argumentierbar, wenn es im Text der Verfassung irgendeinen Anhaltspunkt für die Relevanz dieser Kategorie gäbe, sich diese Relevanz aus anderen Regelungszusammenhängen indirekt erschließen ließe oder aus Materialien dargetan werden könnte, dass der Verfassungsgesetzgeber von solchen Vorstellungen geleitet gewesen sei. Nichts von all dem treffe jedoch zu. In Anbetracht dessen sei es praktisch unmöglich, Aussagen zur Entstehung, zum Inhalt und zum Ende von Kernaufgaben zu machen. Das leite – so Raschauer – zu der Frage über, wie man eine Kernaufgabe ermittle. Im Austro Control-Erkenntnis sei das noch vergleichsweise einfach gewesen, weil es um eine vom VfGH zusammengestellte Liste von hoheitlichen Befugnissen der Luftfahrtbehörde erster Instanz gegangen sei, mit denen eine GmbH beliehen worden sei. In VfSlg 16.400/2001 [Bundes-Wertpapieraufsicht] sei es um bestimmte verwaltungsstrafbehördliche Kompetenzen und in VfSlg 16.995/2003 [Elektrizitäts-Control GmbH] um eine bestimmte Verordnungsermächtigung gegangen. Im vorliegenden Erkenntnis würden nun zwar auch behördliche Entscheidungsbefugnisse angesprochen, die tragende Begründung bestehe jedoch darin, dass der Zivildienst gleichsam das symmetrische Phänomen zur Wehrpflicht sei, dass weiters die Verpflichtung zur Ableistung des Zivildienstes dem Staat gegenüber bestehe und dass im „Ernstfall“ auch der Zivildienstpflichtige ebenso wie Wehrpflichtige zum Einsatz heranzuziehen sei. Daraus leite der VfGH ab,
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dass die Entscheidung über die Befreiung vom Zivildienst und über die Zuweisung des Zivildienstpflichtigen nicht einer ausgegliederten Einrichtung übertragen werden dürfe. Damit habe – so Raschauer streng – der VfGH freilich das Thema verfehlt: Nicht der Zivildienst sei zu beurteilen gewesen, sondern bestimmte behördliche Entscheidungsbefugnisse. Der Gesetzgeber des ZDG sei sichtlich bemüht gewesen, die in der bisherigen Rechtsprechung angesprochenen Zulässigkeitskriterien für Ausgliederungen zu wahren: Effizienz, nur vereinzelte Aufgaben, Instanzenzug und Weisungszusammenhang zum Bundesminister, Ausschluss von Verordnungen und Verwaltungsstrafangelegenheiten, Ausklammerung von zentralen verwaltungspolizeilichen Aufgaben. Genützt habe es ihm nichts! Man könne daher – so Raschauer weiter – nur festhalten: Die Kategorie der Kernaufgaben sei verfassungsrechtlich nicht begründet, inhaltlich nicht bestimmt und in ihrer praktischen Wirkungsweise nicht vorhersehbar. Sie bilde daher in einem Rechtsstaat einen gravierenden Problemfall. Raschauer schließt seinen Beitrag wörtlich wie folgt: „Man kann die Frage auf die Spitze treiben: Welche Verfassungsbestimmung müsste geändert oder aufgehoben werden, um den VfGH – ganz allgemein – vom Einsatz der Kategorie ,Kernaufgabe‘ abzubringen? [...] Erst diese Frage macht in voller Schärfe bewusst, dass die österreichische Rechtsordnung mit einer nicht mehr steuerbaren Rechtsschöpfung konfrontiert ist. Nur der VfGH selbst könnte sich veranlasst sehen, von einer aus dem positiven Recht nicht ableitbaren Metanorm wieder abzugehen. Rechts- und demokratiepolitisch ist das wohl ein einigermaßen bedrückender Befund.“
II.4.4. Ich kann diese Kritik zwar nicht teilen*. Die Formulierungskunst, den Wortwitz und die Gedankenschärfe, mit der sie vorgetragen wird, anerkenne ich jedoch – neidlos. ME zählt dieser Entscheidungskommentar zu den besten, die Raschauer geschrieben hat.
III. Bernhard Raschauers rechtswissenschaftliche Arbeiten in der Rechtsprechung des VfGH Eine nach dem Stichwort „Raschauer“ durchgeführte Abfrage in der bis zum 1.1.1980 zurückreichenden VfGH-Judikaturdokumentation des RIS ergab zum Stichtag „2007 11 25“: „63 Dokumente gefunden“. In 63 ____________________
* Ich halte es für richtig, für bestimmte hoheitliche Befugnisse im Rahmen der Zivildienstverwaltung – und nur darum ging es, nicht darum, den Zivildienst schlechthin zu beurteilen – im Hinblick auf den von Art 9a Abs 4 B-VG (insb arg „Ersatzdienst“) und der Verfassungsbestimmung des § 1 ZDG hergestellten Zusammenhang eine Parallele zum „Militärwesen“ zu ziehen. Dafür, dass dieses zum Kernbereich staatlicher Tätigkeit zählt – s das Austro Control-Erkenntnis –, sprechen mE ua die zahlreichen verfassungsrechtlichen (Organisations-)Regelungen, die dafür gelten. Zur Befürchtung, es handle sich bei dieser Rechtsprechung um eine „nicht mehr steuerbare Rechtsschöpfung“, gibt die – wie ich meine: zurückhaltende – einschlägige Rechtsprechung des VfGH keinen Anlass.
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Entscheidungen (Erkenntnisse und Beschlüsse) des VfGH sind also Arbeiten von Bernhard Raschauer zitiert, sei es, dass der VfGH selbst in seinen Erwägungen darauf Bezug nimmt, sei es, dass sich in den in der jeweiligen Entscheidung wiedergegebenen Schriftsätzen der Verfahrensparteien solche Hinweise finden. Da in manchen Entscheidungen auf das jeweilige Werk mehrmals verwiesen wird, beläuft sich die Zahl der auf Arbeiten von Raschauer lautenden Literaturzitate des VfGH auf insgesamt 108. Sie beziehen sich auf 35 verschiedene Arbeiten Raschauers. Die meisten dieser Zitate betreffen das Werk: Allgemeines Verwaltungsrecht (1998), das 19 Mal genannt ist; es folgen der Kommentar: UVP-G (1995) mit 8 Zitierungen, der Beitrag: Staatliche Preisbestimmung im Energierecht, in: Hauer (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Energierechts 2002 (2003) mit 7 und der Beitrag: Die obersten Organe der Landesverwaltung, in: FS Antoniolli (1979) sowie der Beitrag: Art 20 B-VG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht (2000) mit je 6 Zitierungen. Soweit der VfGH in seinen eigenen Erwägungen auf Raschauers Arbeiten hinweist, geschieht dies – von einer Ausnahme abgesehen – affirmativ; die Ausnahme betrifft die im Erkenntnis VfSlg 17.557/2005 behandelte Frage, ob die Bezeichnungspflicht des Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde auch für Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung gilt. Dabei schließt sich der VfGH der hL an, der zu Folge die Unterlassung der Bezeichnung einer solchen Aufgabe als eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches nicht zu einer Verfassungswidrigkeit führt, und nicht der „aA Raschauer[s], Kommentar zum WRG, § 102, RZ 15“. Mit einem Abfrageergebnis von 63 Dokumenten liegt Bernhard Raschauer übrigens im guten Mittelfeld der österreichischen Verfassungsund Verwaltungsrechtswissenschafter. Auch wenn es anders wäre, so würde das gewiss nichts über die Qualität seines Werkes aussagen. Schon der Vergleich mit der Judikatur des VwGH – dort ergibt eine gleichartige Abfrage 222 Dokumente – zeigt, dass die Häufigkeit solcher Zitierungen ua von den Arbeitsschwerpunkten des jeweiligen Rechtswissenschafters abhängt. Der Umstand, dass Raschauers Arbeiten nicht häufiger in Entscheidungen des VfGH zitiert sind, ist auch keinesfalls eine „Retourkutsche“ dafür, dass er in jüngeren Jahren einmal in einem Beitrag zum Erkenntnis VfSlg 8280/1978 [Flächenwidmungsplan Perchtoldsdorf ](„Finale Programmierung“ und Raumordnung, ZfV 1980, 93, 94) – recht keck – Folgendes schrieb: „In seiner bekannten Zurückhaltung gegenüber wissenschaftlichen Diskussionen beschränkt sich der VfGH in den erläuternden Hinweisen auf Erke der beiden Gerichtshöfe öffentlichen Rechts: [...]“.
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Außerdem ist es ja – bis zu einem gewissen Grad – durchaus richtig, dass der VfGH – soweit sich das überhaupt generalisierend sagen lässt – mit Literaturzitaten vergleichsweise zurückhaltend ist. Dies bedeutet übrigens nicht, dass sich der Gerichtshof bei seinen Entscheidungen nicht intensiv mit den jeweils relevanten Lehrmeinungen auseinandersetzte, aber: Seine Aufgabe ist es (nachvollziehbar begründet) zu entscheiden und nicht zu belehren: Iudex iubeat non doceat!
IV. Eine Schlussbemerkung Mir ist es mit diesem Beitrag, der nicht streng wissenschaftlich gemeint ist und daher auch nicht allzu ernst genommen werden möge, darum gegangen, dem Freund Bernhard Raschauer aus Anlass seines 60. Geburtstagsjubiläums mit einigen Reminiszenzen zu seinem bisherigen rechtswissenschaftlichen Schaffen, das nunmehr schon einen Zeitraum von mehr als drei Jahrzehnten umfasst, eine kleine Freude zu bereiten. Wenn mir das – zumindest ansatzweise – gelungen sein sollte, so würde mich das freuen.
Ferdinand Kerschner
Private enforcement im öffentlichen Umweltrecht Am Beispiel des Bundes-Umwelthaftungsgesetzes und der EG-REACH – Verordnung I. Schmelzen der Grenzen zwischen öffentlichen und privatem Umweltrecht Öffentliches Recht und Privatrecht sind keine Gegenpole, sondern nur Instrumente der Rechtsordnung zur Lösung von Sachproblemen. Unser hochverehrter Jubilar Bernhard Raschauer hat das zwar auch gelegentlich gepredigt, vielmehr aber in seiner praktisch-juristischen wie rechtswissenschaftlichen Tätigkeit eindrucksvoll allgemein wie auch im Umweltrecht im Besonderen gelebt. Mit stetigem Blick auf die realen Wirkungen seines juristischen Tuns – und das sind nicht nur Bausteine, sondern entscheidende Fundamente und Gebäude – hat der maßgebliche Pionier im österreichischen Umweltrecht dieses von Beginn an gesamthaft und damit fächerübergreifend gesehen und behandelt. Wie das Leben trennt auch Bernhard Raschauer nicht zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Elementen, wenn er – effektiven Rechtsschutz im Auge – als einerseits pragmatischer, andererseits als höchst innovativer und kreativer Rechtswissenschafter agiert. Das hat seinen ersten Höhepunkt in seiner Habilitationsschrift zum Namensrecht gefunden, um sich über sein legendäres „Umweltschutzrecht“, das leider keine weiteren Neuauflagen bisher erfahren hat, fortzusetzen. Vertrags – insbesondere aber privates Nachbarrecht, Schadenersatz – dabei vor allem Amtshaftungsrecht sind in Bernhard Raschauers Arbeiten zum Umwelt- und Wirtschaftsrecht fast immer aufzufinden. Ich selbst konnte nur quasi als Epigone – von der anderen Seite der Rechtsordnung kommend – staunend ob dieser Vorgaben und überwältigt von Raschauers Weitblick – diesen Weg fortsetzen. Dass nun Bernhard Raschauer selbst schon etwas „mulmig“ wird, da zunehmend die Zivilgerichte – eher ungern, aber ohne Alternative – genötigt sind, Verwaltungsrecht anzuwenden und umzusetzen, liegt aber an der derzeitigen Struktur und konkreten Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens und dem damit verbundenen Rechtsschutz. Ich darf wieder einmal das Bild
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kommunizierender Gefäße bemühen: Je weniger effektiver Rechtsschutz der Betroffenen im öffentlichen Recht, umso mehr davon muss es im Privatrecht geben. Der Gesetzgeber könnte auch anders, wenn er wollte. Um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen: Das Luftfahrtgesetz räumt noch immer – etwa von Nachtflügen – massiv betroffenen Nachbarn keine Parteistellung im Genehmigungsverfahren bei Flughäfen ein. Die Behörde hat „sicheren Betrieb“ zu prüfen, das allein soll eine dem Legalitätsprinzip entsprechende Regelung und Inhalt eines Lärmimmissionsschutzrechts sein. Für Bernhard Raschauer1 war es dabei von Anfang an keine Frage, dass es dann eine gerichtliche Abwehr geben müsse. Die Frage ist aktuell wie je zuvor.2 Und die Einrichtung von unabhängigen Bezirks- und/ oder Landesverwaltungsgerichten scheint wieder auf die (sehr) lange Bank geschoben worden zu sein. An zwei Beispielen, nämlich zum einen der Umwelthaftung und zum anderen des Chemikalienrechts, soll gezeigt werden, dass das Privatrecht – teilweise bewusst, teilweise unbewusst, aber immer häufiger – als Vollstrecker des öffentlichen Umweltrechts „herhalten“ muss. Es überrascht nicht, dass Bernhard Raschauer aufgrund seiner bereits gerühmten wissenschaftlichen Anlagen, insbesondere in Hinblick auf die Verbindung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht vom „Lebensministerium“ mit der „Vorbereitung“ eines neuen Bundes-Umwelthaftungsgesetzes betraut worden ist. Die umzusetzende Umwelthaftungsrichtlinie der EG war etwa fünfzehn Jahre lang rein zivilrechtlich diskutiert, konzipiert und ausgerichtet, um dann schließlich und quasi im letzten Moment als öffentlich-rechtliche Umwelthaftung das Licht der Welt zu erblicken. Der von Bernhard Raschauer geprägte Entwurf war nun überaus geeignet, das von der EG angestrebte Verursacherprinzip effektiv umzusetzen.3 Die folgende Regierungsvorlage 4 hat allerdings diesen Ministerialentwurf völlig zahnlos gemacht. Sie ist zu einem Umweltnichthaftungsrecht verkommen.5 Trotz größter gemeinsamer Anstrengung wird wohl das Parlament dem zahnlosen Werk nicht allzu viele Zähne hinzufügen bzw – im Zeitpunkt des Erscheinens – hinzugefügt haben. Da bleibt eben zu fra____________________
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Raschauer, Umweltschutzrecht (1988) 36 und 201 f. Vgl OGH 8 Ob 135/06 w, 27.6.2007 = wobl 2007, 317 m Anm Vonkilch; zu dieser Entscheidung auch Kerschner, Nachbarschaftsrecht kompakt (2007) 62 ff. 3 Vgl dazu meine Analyse in RdU 2007, 49 ff (Neues Bundes-UmwelthaftungsrechtEntwurf ). 4 95 Blg NR XXIII. GP. 5 Vgl dazu die massive Kritik gesammelt in Hochreiter (Hrsg), Umsetzung der EUUmwelthaftungsrichtlinie in Österreich (2007). 2
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gen, ob nicht wieder das Zivilrecht als Vollstrecker auf den Plan treten könnte oder müsste. Vom Ausgangspunkt ganz anders ist das neue europäische Chemikalienrecht konzipiert: Die EG-REACH-Verordnung6 sieht von Vornherein das Zivilrecht als Vollstrecker. Ich kann nur hoffen, dass unser verehrter Jubilar trotz oder auch gerade wegen wohl gesteigerter „Mulmigkeit“ am Folgenden ausreichend Interesse finden wird.
II. Zusammenspiel am Beispiel des B-UHG und der EG-REACH-Verordnung 1. Zum Gemeinlastprinzip des B-UHG Dass die RV zu einem B-UHG dem Gemeinlastprinzip, also genau dem Gegenteil der angestrebten Internalisierung bisher externer Kosten, frönt, ist rasch erklärt: Aufgrund der in der RV vorgesehenen Kostenfreistellungsansprüche gegen den Bund, nämlich beim genehmigungskonformen Betrieb, bei Verwirklichung des extrem weit formulierten Entwicklungsrisikos und möglicherweise auch des Haftungsausschlusses bei Drittschädigung7 wird Kostentragung des Bundes die Regel, Selbsttragung der Sanierungskosten des Betreibers die seltene Ausnahme sein.8 Das bedarf natürlich näherer Begründung: „Permit defense“ versteht sich als Verteidigung durch Nachweis genehmigungskonformen Betriebs. Jedenfalls nach allgemeinem Verständnis und wohl so auch gewollt würden damit klarerweise ebenso Störfallschäden erfasst sein. Zumindest die RV9 stellt bloß darauf ab, ob das schädigende Verhalten von der Genehmigung „gedeckt“ war („… der Umweltschaden verursacht wurde durch 1. eine Emission oder ein Ereignis, die … durch eine … behördliche Bewilligung … gedeckt sind …“). Die UHRL selbst verlangt hingegen, dass die schädigende Emission bzw das schädigende Verhalten ausdrücklich erlaubt war. Der genehmigungskonforme Betrieb soll dann (freilich auch nur optional) zur Kostenfreistellung führen, wenn der Umweltschaden durch ein Ereignis verursacht worden ist, das „aufgrund einer Zulassung … ausdrücklich erlaubt“ ist. ____________________
6 Siehe dazu Au/Rühl, REACH-Verordnung (2007); für Österreich Wimmer, Die neue REACH-Verordnung, RdU 2007, 112. 7 ME können freilich Dienstnehmer ohnehin nicht als Dritte qualifiziert werden. 8 Vgl dazu auch Raschauer, Öffentlich-rechtliche Umwelthaftung, in: IUR/ÖWAV (Hrsg), Jahrbuch des Umweltrechts 2008, Globale und individuelle Umweltverantwortung (2008). 9 Vgl § 8 Abs 4 RV 95 BlgNR XXIII. GP.
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Immissionen werden – bis zu bestimmten Grenzwerten – in der Tat oft ausdrücklich in den Genehmigungsbescheiden als Auflagen ausdrücklich genehmigt. Aber Störfälle werden mE nicht ausdrücklich erlaubt. Selbst aber nach der UHRL liegt es nahe, dass damit die Deckung des Ereignisses (also des konkreten Betriebs) durch die Genehmigung gemeint ist und für einen „Staatsregress“ ausreichen soll. Das Entwicklungsrisiko (state of art) soll schon dann von den Kosten freistellen, wenn die Tätigkeit (oder das Produkt) zum Zeitpunkt der Ausübung „nicht als wahrscheinliche Ursache von Umweltschäden“ angesehen wurde (vgl Art 8 Abs 4 lit b UHRL und § 8 Abs 4 lit b RV). Im Klartext: Nur wenn Umweltschädigung als wahrscheinlich erkennbar war (über 50 %), dann findet keine Kostenfreistellung statt. In einem solchen Fall liegt aber ohnehin Fahrlässigkeit im herkömmlichen Sinne vor. Im Verein mit einem (allenfalls) weitverstandenen Haftungsausschluss bei Drittverursachung ist das Ergebnis: Der schädigende Betreiber muss zwar sanieren, kann aber die Kosten idR vom Steuerzahler holen: Gemeinlastprinzip pur. Dazu kommt ein weiteres Durchsetzungsmanko, das freilich auch bereits dem Ministerialentwurf anhaftet: Die Präventivwirkung des B-UHG wird auch von der Ausgestaltung der Umweltbeschwerde (Art 12 und 13 UHRL) abhängen: Sie sollte mE als durchsetzbare „Untätigkeitsklage“ ausgestaltet sein, ist aber in den österreichischen Entwürfen zu einem zahmen Fragerecht geworden (qualifiziertes Auskunftsverfahren).10 Damit ist die Funktion des Einzelnen (Eigennutz des Individualgeschädigten) als Vollstreckungsorgan der UHRL aufgegeben worden.11 Sollte das alles tatsächlich so Gesetz werden (bzw geworden sein), fragt es sich (freilich nicht nur dann), ob die Vermeidungs- und Sanierungspflichten des Betreibers nach dem B-UHG (zumindest teilweise) zivilrechtliche Wirkung haben, sodass insofern – allenfalls – keine Sozialisierung der Kosten stattfinden würde. Das Privatrecht ordnet ja keinen Regressanspruch gegen den Staat an. Zum anderen hätte der Einzelne ein subjektives Recht, freilich dann ein subjektives Privatrecht. ____________________
10 Vgl schon Kerschner, RdU 2007, 51 f und ausführlich Kleewein, Die Umweltbeschwerde nach dem Entwurf eines neuen Bundes-Umwelthaftungsgesetzes, RdU 2007, 76 ff. 11 Vgl zur Kombination zwischen treuhänderischer Verwaltung der geschützten Naturgüter und dem Eigennutz des Individualgeschädigten Kerschner, Verhältnis zur zivilrechtlichen Umwelthaftung und österreichischer Gestaltungsspielraum, in: IUR/OÖ Akademie für Umwelt und Natur (Hrsg), Die neue EG-Umwelthaftung und ihre nationale Umsetzung (2005) 93.
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2. Markt und zivilrechtliche Haftung als Anreize zur Erfüllung der Pflichten aus der REACH-Verordnung Worauf Bernhard Raschauer und ich schon in einem RdU-Editorial hingewiesen haben:12 Das neue Europäische Chemikalienrecht ist jahrelang politisch als Vorzeigeprojekt des sogenannten Vorsorgeprinzips mit Umkehr der Beweislast verkauft worden: Einigermaßen konsequente Umsetzung hätte demnach bedeutet: Wer eine neue (oder alte ungeprüfte) Chemikalie in Verkehr bringen will, muss nachweisen (Beweislast!), dass diese kein erhebliches (!) Restrisiko aufweist. Gelingt das nicht, so müsste weiter geforscht oder die Chemikalie aufgegeben werden (Vermeidung von Contergan-Fällen!). Wir haben auch gemeint, dass damit Forschung und Entwicklung gerade nicht gehemmt, sondern im Gegenteil entscheidend gefördert worden wären! Die beschlossene REACH-Verordnung ist aber meilenweit von dieser Beweislastverteilung entfernt. Etwas scharf formuliert könnte man von einem Vorsorgegesetz für die chemische Industrie sprechen. Das gilt es in der gebotenen Kürze zu begründen: Obwohl der REACHVerordnung nach deren Art 1 Abs 3 erster Satz ausdrücklich noch immer das Vorsorgeprinzip „zugrunde liegt“, folgt sie in der Sache dem Grundsatz der „kontrollierten Eigenverantwortung“.13 An sich sehr weitgehende Pflichten aller Beteiligten, nämlich der „Formulierer“, Importeure, Verwender und wohl auch Entsorger werden normiert. Ein ganzes Bündel umfassender (zT auch neuer) Pflichten erfasst alle Unternehmer in der gesamten Wertschöpfungskette14 – (Zusammenwirken aller Akteure der gewerblichen Wertschöpfungskette [proaktives] Zusammenwirken entlang der Zeitschiene – Information, Kommunikation und Kooperation). Eine effektive inhaltliche ex-ante-Kontrolle durch die neue europäische Agentur findet dagegen nicht oder nur in Ansätzen statt. Das „Gegenlesen“ bzw die „Gegenkontrolle“ ist ganz schwach ausgeprägt.15 Grundsätzlich besteht nur eine formale Registrierungskontrolle der selbstformulierten Unterlagen des Unternehmens. Auch bei neuen Stoffen beginnt die Registrierungspflicht erst ab einer Produktionsmenge von 1 Tonne! Die entscheidende inhaltliche Vorwegprüfung wird sich in einer etwa fünfprozentigen selektiven Dossierbewertung erschöpfen. Konkrete sachliche Kriterien für die Prüfungsselektion finden sich keine, diese seien in der ____________________
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RdU 2007, 181. Vgl etwa demnächst Eckard Rehbinder, Die REACH-Verordnung – Entstehungsgeschichte, Zielsetzung, Anwendungsbereich, UTR Bd 96 (2008). 14 Vgl näher demnächst Führ, Registrierung und Bewertung von Stoffen: Risikomanagement entlang der Wertschöpfungskette, UTR Bd 96 (2008). 15 So Führ, aaO, UTR 2008 Bd 96 (2008). 13
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gesamten REACH-Verordnung zu finden.16 Das kann viel und nichts bedeuten. Die ausnahmsweise Zulassung besonders gefährlicher Stoffe 17 ist von „sozio-ökonomischen“ Interessen abhängig und im Ermessen der Kommission (Art 60 Abs 4 REACH-Verordnung).18 Eingeweihten braucht die Bedeutung dieses Hinweises nicht näher erläutert zu werden. Stoffbeschränkungen ab Juni 2008 durch eine EG-Verordnung sind an ein „unannehmbares Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt“ geknüpft. Das wird mit einem erheblichen Restrisiko iSd Vorsorgeprinzips nicht gleichzusetzen sein. Außerdem führt die Feststellung der Nichterfüllung der Verhaltensanforderungen nicht notwendigerweise zu einem Verbot.19 Weicher geht es wohl nicht mehr! Was soll da noch präventiv im Sinne des Vorsorgegrundsatzes wirken? Ganz bewusst gewollt und offen deklariert sollen dann auch nach ganz hA20 die entscheidenden Anreize zur Pflichterfüllung beim Markt und der zivilrechtlichen Haftung – angeknüpft an der Eigenverantwortung – liegen. Um diese Funktion erfüllen zu können, braucht der Markt allerdings geeignete Rahmenbedingungen, um einigermaßen präventiv wirken zu können. Der Markt – so meine These – reagiert nur bei tatsächlicher und ausreichender Kostenanlastung oder bei drohenden maßgeblichen Wettbewerbsverlusten. Allein vom nachträglichen Ausgleich der Beeinträchtigung in Geld hat der in seiner Gesundheit Geschädigte reichlich wenig. Die Präventivwirkung des zivilen Haftungsrechts ist jedenfalls stark gefordert.
III. Zivilrechtliche Umwelthaftung und B-UHG 1. Zivilrechtliche Wirkung? Kann – um nun etwas anders zu formulieren – das Zivilrecht das Verursacherprinzip zumindest teilweise vollstrecken, was die öffentlich-rechtliche Umwelthaftung nach der RV aufgrund der Ausnahmen, der weichen Umweltbeschwerde und der Kostenfreistellungsansprüche nicht kann? Dagegen könnte von Vornherein eingewendet werden, dass die Umsetzung der Umwelthaftungs-RL ausschließlich öffentlichen Interessen dienen soll. ____________________
16 So Rehbinder auf dem 23. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht „Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH)“ vom 2.-4.9.2007. 17 Wobei krebserregende Stoffe nicht per se besonders gefährlich sein sollen. 18 Der Antragsteller muss nachweisen, dass keine Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt hervorgerufen werden. Insoweit – aber eben nur insoweit – wäre dem Vorsorgeprinzip entsprochen. 19 Vgl demnächst Führ, aaO, UTR Bd 96 (2008). 20 Vgl demnächst etwa Rehbinder, aaO, UTR Bd 96 (2008) und Führ, aaO, UTR Bd 96 (2008).
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Außerdem haben nach Art 3 Abs 3 UHRL (mit Erwägungsgrund 14) Privatparteien gemäß dieser Richtlinie keinen Anspruch auf Schadenersatz infolge eines Umweltschadens oder der unmittelbaren Gefahr eines solchen Schadens. Freilich bleiben ausdrücklich nach Abs 3 leg cit die „einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften“ unbeschadet. Damit ist die Brücke zu § 1311 ABGB geschlagen, wonach auch und gerade öffentlich-rechtliche Verhaltensnormen Schutzgesetze sein können, wenn diese – so die h Rspr21 – gerade auch private Interessen schützen sollen. Der Anspruch würde sich eben dann nicht unmittelbar aus der UHRL, sondern aus § 1311 ABGB ergeben. Und diese private Drittbezogenheit ist in Art 12 Abs 1 lit a UHRL (natürliche oder juristische Personen, die von einem Umweltschaden betroffen sind) und – in nationaler Umsetzung – § 11 Abs 2 B-UHG RV – mit ausreichender Deutlichkeit angeordnet: Nach letzterer Bestimmung geht es um Leben, Gesundheit und Rechte iSd § 12 Abs 2 WRG (nämlich rechtmäßige private Wassernutzungen, Befugnisse nach § 5 Abs 2 WRG – Privatgewässer und Grundeigentum) und sonstige dingliche Rechte. Dass nach der RV die bloße Verkehrswertminderung – ähnlich wie nach § 75 Abs 1 GewO – beim Boden, nicht aber beim Wasserschutz ausgenommen werden soll, erscheint mE sachlich nur schwer zu rechtfertigen. Die gewerberechtliche Regelung hat im Übrigen einen ganz anderen, hier nicht einschlägigen Zweck, nämlich Betriebsanlagengenehmigungen nicht an möglicher Verkehrswertminderung scheitern zu lassen.22 Die grundsätzlich ökozentrische Ausrichtung der UHRL schadet deshalb, aber auch aus einem anderen Grund nicht: Die nach der UHRL geschützten Rechtsgüter sind idR auch zugleich privatrechtlich geschützte Aspekte des Liegenschaftseigentums.23 2. Verkehrssicherungspflichten und Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB Erkennt man diesen Drittschutz des B-UHG, so sind – im Rahmen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs – die Vermeidungs-, Informationsund Sanierungspflichten der Betreiber nach dem B-UHG eindeutig Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB bzw sie begründen auch private Verkehrssicherungspflichten. Zu diesem Ergebnis ist zum deutschen Recht bereits auch Marburger gelangt.24 Im Schutzzweck dieser Normen liegen natürlich ____________________
21 Vgl die Darstellung bei E. Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht (2006) 327 ff m vielen Nachweisen. 22 Vgl schon Kerschner, JBl 2002, 393. 23 So schon Kerschner, in: IUR/OÖ Akademie für Umwelt und Natur, Die neue EG-Umwelthaftungs-Richtlinie 95 f. 24 Marbuger, EG-Umwelthaftungsrichtlinie und zivilrechtliche Umwelthaftung, in: Führ/Wabl/von Wilmoswsky (Hrsg), Umweltrecht und Umweltwissenschaft, FS Rehbinder (2007) 237 ff.
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nur die oben aufgezählten privaten Rechtsgüter, ein primärer Vermögensschutz ist damit nicht gegeben.25 3. Folgen der Schutzgesetzverletzung Nach der Praxis26 sind für den Geschädigten eine Reihe von Haftungsprivilegien, insbesondere Beweiserleichterungen, dabei auch Kausalitätsvermutungen verbunden:27 Vor allem sei kein strikter Kausalitätsnachweis von Nöten.28 Nach der Judikatur hat sich der Schädiger auch bezüglich seines Verschuldens zu entlasten.29 Damit ist die Rechtslage recht ähnlich, wenngleich wohl nicht völlig identisch mit jener nach der UHRL bzw dem B-UHG bezüglich permit defense bzw state of art. Freistellungsansprüche kennt freilich – wie oben angedeutet – das Zivilrecht nicht: Werden somit – gestützt auf § 1311 ABGB bzw Verletzung von Verkehrssicherungspflichten – Schäden an individuellen Rechtsgütern, wie vor allem Gesundheit, Leben, aber auch Eigentum und – je nach Rechtswidrigkeitszusammenhang – Vermögensfolgeschäden geltend gemacht und eingeklagt, kann es insofern zu keiner Sozialisierung der Schäden kommen. Besteht allerdings zumindest teilweise sachliche Deckung mit den vom B-UHG erfassten Schäden, was vor allem beim Wasser- und Bodenschaden der Fall sein kann,30 so wird wohl – auch wenn die Behörde nicht nach B-UHG vorgegangen ist – eine Freistellung – bei gegebenen Voraussetzungen – wohl nicht auszuschließen sein. Bei schuldhafter Schutzgesetzverletzung wird aber – wie oben gezeigt – der nach Art 8 Abs 4 UHRL erforderliche Entlastungsbeweis kaum gelingen. Anderes kann gelten, wenn der Betreiber einer zivilrechtlichen Gefährdungshaftung unterliegt.31 Jedenfalls vermittelt § 1311 ABGB dem Privaten in vielen Fällen ein subjektives Recht auf Schadenersatz, wenn der Betreiber Pflichten nach ____________________
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So auch Marburger, FS Rehbinder 244. Vgl etwa OGH JBl 2000, 113 uva. 27 Vgl näher Reischauer in Rummel 3, zu § 1311; Karner in KBB, ABGB 2 (2007) § 1311 Rz 6. 28 Richtigerweise hat bei feststehender physischer Kausalität der Schädiger nur den allfälligen Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu beweisen; so schon Rummel/ Kerschner, Umwelthaftung im Privatrecht (1991) 7; ebenso nun auch Danzl in KBB, § 1311 Rz 6. 29 Vgl zB ZVR 2001/17. 30 Zur Konkurrenzfrage vgl schon Kerschner, in: IUR/OÖ Akademie für Umwelt und Natur, 95f: Nur beim Biodiversitätsschaden wird oft kein Individualschaden vorliegen. 31 Vgl dazu etwa Kisslinger, Gefährdungshaftung in Nachbarrecht (2006) mit vielen Nachweisen. 26
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dem B-UHG verletzt. Bei konkreter Gefährdung wird ihm auch ein privatrechtlicher quasi-negatorischer Unterlassungsanspruch zukommen.32
IV. Private enforcement im Europäischen Chemikalienrecht Einen ausreichenden Anreiz, die Pflichten der REACH-Verordnung einzuhalten, kann – wie es von deren Verfassern gewünscht wird – das österreichische zivile Haftungsrecht natürlich nur bieten, wenn es ausreichend effektiv ausgestaltet ist. Das ist es derzeit – wie schon oft hingewiesen – ganz allgemein nicht der Fall.33 Wie unten noch näher zu zeigen ist, gilt das in unserem Sachbereich der Schäden durch Chemikalien ganz besonders, weil es hier wohl überwiegend, wenngleich nicht ausschließlich um Gesundheitsschäden gehen wird. Die im Sinne des Vorsorgeprinzips maßgebliche Präventivwirkung des Haftungsrechts 34 ist allein von dessen effektiver Ausgestaltung abhängig. Ein nicht unwichtiger Teil davon betrifft die Frage, wer denn überhaupt als potentieller Haftpflichtiger in Betracht kommt. Darauf soll in der gebotenen Kürze hingewiesen werden. Zuvor ist aber nur kurz auf ein anderes Instrument des private enforcement hinzuweisen, das bisher in Österreich freilich noch wenig gegriffen hat: Ab dem 1. Juni 2008 gilt ein personenbezogenes Herstellungs- und Vertriebsverbot, solange die Stoffe nicht ordnungsgemäß registriert sind („no data, no market“). Hier könnte der wettbewerbsrechtliche Tatbestand des Wettbewerbsvorsprungs durch Rechtsbruch auch Konkurrentenklagen nach dem UWG ermöglichen. 1. Mögliche haftungspflichtige Akteure a) Stoffinhaber Die maßgeblichen Pflichten der REACH-Verordnung treffen natürlich den (jeweiligen) Stoffinhaber (Hersteller und Importeur, aber auch Anwender). Beschränkte Gehilfenhaftung (§ 1315 ABGB) und maßgebliche Schutzlücken im Produkthaftungsgesetz (insbesondere die Entlastung durch das Entwicklungsrisiko gem § 8 Z 2 PHG) werden freilich oft Haftungsfreiheit ergeben. ____________________
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Dazu unten IV.2. Vgl zusammenfassend Kerschner, Haftung nach reiner Billigkeit? in Reischauer/ Spielbüchler/Welser (Hrsg), Reform des Schadenersatzrechts Band II (2006) 124 ff. 34 Dazu umfassend und überzeugend G. Wagner, Prävention und Verhaltenssteuerung durch Privatrecht – Anmaßung oder legitime Aufgabe? AcP 2005, 352 ff, 454 ff. 33
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b) Studienverfasser Die Sachverständigen, die die für die Registrierung nötigen Studien verfassen (müssen), stehen nur mit den Stoffherstellern in vertraglicher Beziehung. Erkennen diese fahrlässig die Gefährlichkeit von Stoffen nicht, wird bei Beeinträchtigung von absolut geschützten Rechtsgütern wie vor allem Gesundheit und Leben eine direkte Haftung bestehen.35 Aber auch Vermögensschäden können erfasst sein, weil die gesetzlichen Pflichten der Studienverfasser mE eindeutig Drittschutz bezwecken. Des – bei nicht erkennbarem Parteiwillen – dogmatischen Ungebildes des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (Erstreckung objektiv-rechtlicher Pflichten) bedarf es dann nicht.36 c) Agentur Ob die – erst im Aufbau befindliche – Agentur zur Registrierung chemischer Stoffe in Helsinki (ECHA) als unabhängiger, mit Rechtsfähigkeit ausgestalteter Verwaltungsträger bei fahrlässiger Registrierung37 auch zur Haftung herangezogen werden kann, erscheint möglich, dessen Haftungsfonds wird aber wohl sehr begrenzt sein. d) Amtshaftung bei mangelnder nationaler Umsetzung? Die zuständigen nationalen Behörden sollen grundsätzlich nur, aber immerhin Vollzugshelfer der europäischen Organe sein.38 Die Mitgliedstaaten „unterhalten ein System amtlicher Kontrollen und anderer im Einzelfall zweckdienlicher Tätigkeiten“ (Art 125 REACH-Verordnung). Einerseits werden nationale Organe dem unmittelbaren Vollzug der EG-Administration zuzurechnen sein. Daneben ergibt sich aus Art 126 REACHVerordnung aber auch ein mittelbarer indirekter Vollzug nach den Vorschriften der Mitgliedstaaten, die wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für Zuwiderhandlungen gegen die REACH-Verordnung festlegen: Diese Situation mag sogar symptomatisch sein: Einerseits wer____________________
Vgl näher Reischauer in Rummel 3, zu § 1299 und § 1300. 36 Gegen die (oft unnötige) Konstruktion von vertraglichen Schutzpflichten zu Gunsten Dritter ohne konkrete Anhaltspunkte im Parteiwillen und im Vertrag zutreffend Reischauer in Rummel 3, § 1295 Rz 30 ff; Schmaranzer, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (2006). Auch die Dritthaftung von Abschlussprüfern kann in Wahrheit nur auf entsprechender gesetzlicher Drittorientierung beruhen. 37 Die Liste gefährlicher Stoffe soll gar von der Arbeitskapazität der Agentur abhängig sein! Eine solche Verknüpfung kann mE gar nicht mehr unsachlicher sein: Es müsste genau umgekehrt sein! 38 Vgl demnächst Weidemann, Grundfragen des Vollzugs, insbesondere durch die Europäische Agentur für chemische Stoffe, sowie des Rechtsschutzes, UTR Bd 96 (2008). 35
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den die Mitgliedstaaten in ihrer Souveränität entmachtet, sie müssen aber für effektiven Vollzug sorgen. Eine Festlegung strenger zivilrechtlicher Haftung könnte hier eingeschlossen sein. Auch im unmittelbaren Bereich wird von Vornherein einerseits ein gewisser Spielraum bestehen und andererseits werden bei der konkreten Umsetzung auch Vollzugsmängel auftreten können. Amtshaftung wird daher zumindest grundsätzlich in Betracht kommen. 2. Quasinegatorische Geltendmachung? Sollten sich die bisher – freilich auch nur im Grundsätzlichen – erörterten Haftungsansätze zu wenig präventiv erweisen, könnte der Geschädigte aber allenfalls doch im Einzelfall im Nachhinein zu Schadenersatz in Geld gelangen. Vorsorge und Prävention sollen aber gerade den Eintritt des Gesundheits- bzw Umweltschadens verhindern. Droht nun eine konkrete Verletzung der zu Hauf in der REACH-Verordnung angeordneten Pflichten, stellt sich – um wieder die erhöhte Aufmerksamkeit bzw Mulmigkeit des Jubilars zu wecken – die aus Sicht vieler Vertreter des öffentlichen Rechts fast schon plasphemische Frage, ob der Einzelne oder gar Verbände vorbeugend zivilrechtlich gegen Hersteller und/oder Importeure bzw Verwender der Chemikalien vorgehen könnten. Ein guter Teil der österreichischen Lehre39 und auch der OGH40 – dieser freilich nur punktuell – bejahen denn auch bei bevorstehender Schutzgesetzverletzung einen sogenannten quasinegatorischen Anspruch auf Unterlassung der Schutzgesetzverletzung. Eine solche Quasi-Negatoria könnte auch hier – wenn auch nur in einem beschränkten Anwendungsbereich – den Eintritt von Gesundheitsschäden verhindern helfen. Freilich muss man dabei von der konkreten Gefahr rechtzeitig wissen.
V. Verbleibende Schutzlücken Alle bestehenden zivilrechtlichen Haftungen sind gerade bei Gesundheitsschäden wenig griffig. Das liegt an mehreren Gründen. ____________________
39 Zuletzt ganz umfassend, vertiefend und überzeugend E. Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht, (2006) 325 ff; vorher bereits Reischauer in Rummel 3, § 1294 Rz 23; Rummel in Rummel 3, § 859 Rz 5, und Kerschner, Reprivatisierung des Nachbarrechts? in: Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1997, Bd 40 (1997) 283 ff; derselbe, Anm zu RdU 2001/49. 40 Vgl zB OGH JBl 2002, 36; zuletzt wohl zur rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung einer Bankgarantie OGH 5 Ob 45/07i, 3.4.2007.
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1. Fehlende Kausalitätsvermutungen, Informationsrechte und Verbandsklagen Wer einen Gesundheitsschaden geltend machen will, dem wird vielfach von potentiell Haftpflichtigen entgegengehalten, dass viele oder mehrere Ursachen dafür in Betracht kommen und dass daher der Kausalzusammenhang nicht ausreichend bewiesen werden kann.41 Zudem fehlen dem Gefährdeten bzw Geschädigten ausreichende Informationen, um diesen Nachweis führen zu können. Eigene Informationsrechte gegen den Hersteller bzw Importeur und Anwender bestehen derzeit nicht. Schließlich wird – zumindest ohne Rechtsschutzversicherung – das Prozesskostenrisiko gegenüber Chemiekonzernen meist unermesslich hoch sein. 2. Notwendigkeit einer zivilen Umweltgefährdungshaftung Das kommende B-UHG samt entsprechenden Landesgesetzen wird – obwohl gefährliche Stoffe an sich erfasst sind – all diese genannten Schutzlücken nicht schließen wollen, aber sie auch gar nicht schließen können: Zum einen sind wir von Kausalitätsvermutungen im B-UHG meilenweit entfernt,42 zum anderen wird das B-UHG von vornherein keine Individualschäden an Gesundheit, Leben und Eigentum erfassen. Für eine ausreichende Präventivwirkung ist insbesondere in Hinblick auf Personenschäden eine allgemeine zivile Umweltgefährdungshaftung nötig, die – zur Verwirklichung des Vorsorge- und Verursacherprinzips – zumindest ausreichende Informationsrechte und eine Kausalitätsvermutung enthält. Eine Verbandsklage könnte in Umsetzung der Aarhus-Konvention geboten sein.43 Auf diese unbedingt nötigen Eckpunkte ist bereits wiederholt hingewiesen worden.44 Dazu liegen nun zwei neuere Entwürfe vor.45 ____________________
41 Zumindest lässt der OGH nun doch bereits „hohe Wahrscheinlichkeit“ ausreichen; vgl die mE „revolutionäre“, im Allgemeinen aber viel zu wenig beachtete Entscheidung des OGH 7 Ob 260/04t, 1711.2004. 42 Wenn sich Marburger (FS Rehbinder, aaO 246 f ) überhaupt gegen Kausalitätsvermutungen im Bereich öffentlich-rechtlicher Umwelthaftung ausspricht, so ist dem mE nicht zu folgen: Die Verwaltung hat doch genauso mit den tatsächlichen Beweisschwierigkeiten wie der Private zu kämpfen. 43 Vgl zur deutschen Umsetzung das Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) BGBl, I S. 2816. 44 Vgl Kerschner in Reischauer/Spielbüchler/Welser, Reform des Schadenersatzrechts Band II 126 ff. 45 Vgl einerseits den Entwurf einer Arbeitsgruppe in Griss/Kathrein/Koziol (Hrsg), Entwurf eines neuen österreichischen Schadenersatzrechts (2005) 122 ff und andererseits § 1322a-d EdA in Reischauer/Spielbüchler/Welser (Hrsg), Reform des Schadenersatzrechts (2008).
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Den §§ 1334-1336 Arg-E ist in den meisten Grundtendenzen46 zuzustimmen, es bleiben aber Schwachpunkte: Einerseits würde die Generalklausel zu größter Rechtsunsicherheit führen, andererseits fehlen eben Auskunftsrechte und eine Verbandsklage. Der Verweis auf die Umsetzung der UHRL reicht insofern – wie oben aufgezeigt – gerade nicht, weil dort solche Institute nicht vorgesehen sein werden. Nur zwei vorgeschlagene Regeln des (zeitlich späteren) Entwurfs eines Arbeitskreises (EdA) sollen hier näher vorgestellt werden, zudem ein schon älterer Entwurf einer Verbandsklage: § 1322a. (1) Wirkt eine betriebliche Tätigkeit infolge ihrer besonderen Gefährlichkeit auf die Umwelt ein und wird dadurch ein Mensch getötet, am Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so haftet der Betreiber ohne Rücksicht auf Verschulden für den Ersatz des Schadens. Die Haftung besteht nicht im Fall höherer Gewalt. (2) Als gefährliche betriebliche Tätigkeit im Sinne des Abs 1 gelten solche, die in Z 1 bis Z 13 Anhang 1 des Bundes-Umwelthaftungsgesetzes (BGBl I …) und in den Landesgesetzen … angeführt sind. § 1322d. Macht jemand glaubhaft, dass ihm durch eine gefährliche betriebliche Tätigkeit gemäß § 1322a ein Schaden verursacht wurde, so ist der Betreiber verpflichtet, ihm auf begründetes schriftliches Verlangen eine Aufstellung der bei der betrieblichen Tätigkeit verwendeten, vor allem die in einer Anlage zum Zeitpunkt der Schädigung gelagerten, verarbeiteten, hergestellten und emillierten gefährlichen Stoffe, die für die Schädigung in Betracht kommen, innerhalb einer angemessenen Frist zu übergeben.
Durch den Verweis auf das B-UHG bzw Landesgesetze ist mE einigermaßen Rechtssicherheit hergestellt.47 Ein von mir und – fast gleichtlautend – von Rummel im Jahr 1991 formulierter Vorschlag einer Verbandsklage lautet etwas modifiziert: Änderung der Zivilprozessordnung Nach § 25 ZPO ist einzufügen: Verbandsklage § 25a. (1) Ansprüche nach den §§ 364a, 1322a bis d ABGB sowie Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung von umweltschädlichen Störungen nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts können an die gesetzlichen Interessenvertretungen und Vereinigungen, die sich statutengemäß mit Belangen des Umweltschutzes oder der Vertretung von nachbarrechtlichen Ansprüchen wegen Immissionen befassen und über eine entsprechende Personal- und Kapitalausstattung verfügen, zur gerichtlichen Geltendmachung abgetreten werden. (2) Die in Abs 1 genannten Vereinigungen sind klagsberechtigt, wenn sie für die allfällige Bezahlung der voraussichtlichen Prozesskosten in geeigneter Form, etwa durch eine Garantieerklärung eines inländischen Kreditinstitutes, Vorsorge getroffen haben. ____________________
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Vgl schon Kerschner, aaO (FN 44) 130. Um Probleme der dynamischen Verweisung zu verwenden, könnte man auch auf die UHRL selbst verweisen. 47
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V. Ausblick Wie hoffentlich einigermaßen deutlich geworden ist, kann es ein Rechtsgebiet allein nicht leisten, auch nur einigermaßen Probleme des Umweltschutzes zu lösen. Es geht nur miteinander. Für ein solches intensives Miteinander über viele Jahre ist dem Jubilar Bernhard Raschauer nachhaltigst zu danken und zugleich zu hoffen, dass dieses Miteinander noch sehr, sehr lange andauern wird. Wissenschafter sprechen heute bereits von einer durchschnittlichen Arbeitsdauer bis zum 70. Lebensjahr. Bedenkt man, dass Wissenschafter schon immer länger als Nichtwissenschafter haben tätig sein müssen bzw können, so liegt noch ein langer Zeitraum gemeinsamen Wirkens vor uns. Nicht nur die Umwelt wird das Bernhard Raschauer danken. Wir freuen uns sehr darauf! Auf viele, viele Jahre!
Christian Kopetzki
„Off-label-use“ von Arzneimitteln I. Einleitung 1. Allgemeines Das Arzneimittelrecht gehört zu den rechtlich am intensivsten regulierten Bereichen des Gesundheitswesens. Nicht zuletzt als Folge spektakulärer Arzneimittelzwischenfälle („Contergan“) hat sich auf nationaler und europäischer Ebene ein umfassendes Regelwerk herausgebildet, das die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Überwachung von Arzneimitteln strengen Bestimmungen unterwirft. Für Arzneispezialitäten ist der Marktzugang an eine vorherige Zulassung gebunden, die erst nach Prüfung der Wirksamkeit und Gefährlichkeit (Risken, Nebenwirkungen, Kontraindikationen) im Rahmen klinischer Prüfungen erteilt werden darf. Das arzneimittelrechtliche Zulassungsregime dient der Sicherstellung eines hohen Niveaus der Arzneimittelsicherheit und zielt damit auf einen präventiven Schutz der Patienten ab: Arzneispezialitäten sollen erst dann auf den Markt kommen, wenn sie nachweislich einen Mindeststandard an Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfüllen. Der Kreis der zugelassenen Arzneispezialitäten bzw der Umfang der jeweiligen Zulassung deckt jedoch nicht alle Arzneimittelanwendungen ab, die medizinisch sinnvoll sind. Zwischen dem Zulassungsstatus und dem medizinischen Wissensstand über die Indikation der Anwendung können Diskrepanzen bestehen. Da die Zulassung grundsätzlich einen Antrag des Herstellers oder Importeurs voraussetzt (und die Behörde keine über den Antrag hinausgehende Zulassung erteilen darf ), kann die Zulassung aus Gründen unterbleiben, die mit Aspekten der Wirkung oder Gefährlichkeit nicht notwendigerweise zusammenhängen, die aber die Hersteller daran hindern, ihre Zulassungsanträge breiter zu formulieren (oder überhaupt zu stellen). Mit anderen Worten: Ein zugelassenes Arzneimittel erfüllt zwar gewisse Mindestanforderungen an Wirksamkeit und Anwendungssicherheit. Das Arzneimittelrecht kann aber umgekehrt nicht ausschließen, dass wirksamen und indizierten Arzneimitteln die Zulassung vorenthalten bleibt. Hohe Entwicklungskosten, begrenzte Gewinnerwartungen bei Medikamenten für seltene Krankheiten und/oder bestimmte Patientengruppen, strenge gesetzliche Hürden für die klinische Prüfung
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bei besonders schützenswerten Probanden,1 aber auch ethische Rücksichten2 sind einige der Ursachen, weshalb der Bereich des rechtlich Zugelassenen hinter dem Bereich des medizinisch Sinnvollen mehr oder weniger weit zurückbleibt. Die Erwartung, dass Arzneimittelhersteller immer ausreichend motiviert sind, für alle medizinisch indizierten Anwendungsspektren eines Arzneimittels eine Zulassung zu beantragen und es daher genügt, den Marktzugang durch behördliche Kontrollverfahren und Zulassungskriterien zu steuern, hat sich nicht flächendeckend erfüllt.3 Dieser Befund wirft ein Licht auf ein prinzipielles Spannungsverhältnis, das bei der rechtlichen Bewältigung von Gesundheitsrisken durch Heilmittel4 auch sonst charakteristisch ist: Auf der einen Seite erfüllt der Staat mit den Zulassungsregeln grundrechtliche Schutzpflichten zugunsten des Lebens und der körperlichen Integrität der Patienten, die sich vor allem aus Art 2 und 8 EMRK ableiten lassen.5 Auf der anderen Seite können die Zugangshürden zum Arzneimittelmarkt Nebenwirkungen entfalten, die dazu führen, dass therapiebedürftigen Patienten Medikamente mangels Zulassung vorenthalten werden, obwohl deren Anwendung medizinisch durchaus angezeigt wäre. Eine dem Staat zurechenbare Zugangsverweigerung zu verfügbaren und indizierten medikamentösen Behandlungen müsste aber ebenfalls wieder am verfassungsrechtlichen Schutz von Leben und Integrität gemessen werden, da sich die grundrechtlichen Schutzpflichten auch auf eine Ermöglichung (oder zumindest auf die Nichtverhinderung) der Teilnahme an den Errungenschaften und therapeutischen Optionen der Medizin erstrecken.6 Eine vergleichbare Konfliktlage findet sich auf der Ebene ____________________
1 ZB Kinder, geistig Behinderte, Schwangere, vgl §§ 42-44 Arzneimittelgesetz (AMG), BGBl 1983/185 idF BGBl I 2007/112. 2 Vgl das Beispiel Misoprostol: Das Medikament ist zur Therapie von Magen- und Duodenalulzera zugelassen, weist aber darüber hinaus auch wissenschaftlich evaluierte Indikationen in Gynäkologie und Geburtshilfe auf. Nicht zuletzt wegen seiner Anwendbarkeit beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch wurde vom Hersteller keine Zulassung für gynäkologische Indikationen beantragt, um emotionale Abtreibungsdiskussionen zu vermeiden. Dazu zB Fiala/Safar, Misoprostol in Geburtshilfe und Gynäkologie, Frauenarzt 44 (2003) 882; Lukoschus ua, Misoprostol in Gynäkologie und Geburtshilfe, Frauenarzt 44 (2003) 154; Weeks ua, Misoprostol and the debate over off-label drug use, Int J Obstetrics und Gynaecology 112 (2005) 269. 3 Vgl Wulffen, Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung beim „offlabel-use“ von Arzneimitteln, FS Wiegand (2003) 161 ff. 4 Dazu statt vieler die Beiträge in Damm/Hart (Hrsg), Rechtliche Regulierung von Gesundheitsrisiken (1993). 5 Zu den Schutzpflichten aus Art 2 und 8 EMRK hier nur Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten (1997) 284 ff; Kopetzki, Art 2 EMRK, in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg, Rz 64 ff; ders, Organgewinnung zu Zwecken der Transplantation (1988) 44 ff. 6 Nachweise bei Kopetzki, Grundrechtliche Aspekte der Biotechnologie am Beispiel des „therapeutischen Klonens“, in Kopetzki/Mayer (Hrsg), Biotechnologie und Recht
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der ärztlichen Arzneimittelanwendung: Der Arzt ist dem Patienten gegenüber zur Anwendung der nach dem jeweiligen medizinischen Wissensstand indizierten Heilmittel und Therapiemethoden verpflichtet, sofern ein Einvernehmen mit dem (aufgeklärten) Patienten über die Wahl des Therapieverfahrens hergestellt ist („informed consent“). Im Allgemeinen hat der Patient auch einen Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine notwendige Heilbehandlung einschließlich der dazu erforderlichen Heilmittel. Bestünden diese Ansprüche nur nach Maßgabe der arzneimittelrechtlichen Zulassung, dann würde das AMG das Spektrum therapeutischer Möglichkeiten empfindlich einschränken. 2. „Off-label-use“ Diese Rahmenbedingungen bilden den Boden dafür, dass Arzneimittel oft ohne Zulassung oder außerhalb der Zulassung angewendet werden. In manchen Fachgebieten stellt dieser zulassungsfremde Einsatz sogar eher die Regel als die Ausnahme dar.7 Üblicherweise wird – anknüpfend an den durch Anglizismen geprägten medizinischen Sprachgebrauch – von „compassionate use“ bzw „unlicensed use“ (Anwendung eines nicht zugelassenen Arzneimittels) bzw „off-label-use“ (zulassungsüberschreitende Anwendung eines zugelassenen Arzneimittels außerhalb der von der Zulassung gedeckten Anwendungsgebiete oder Verabreichungsart) gesprochen.8 Beide Phänomene haben einen gemeinsamen juristischen Kern, nämlich die Anwendung oder Verschreibung eines Arzneimittels außerhalb des durch die behördliche Zulassung gedeckten Anwendungsgebietes. Wo die Grenze zwischen einer zulassungskonformen und einer zulassungsüberschreitenden Anwendung verläuft, hängt von der normativen Reichweite der Zulassungsentscheidung ab, im Fall einer nationalen Zulassung also von den sachlichen Grenzen der Bindungswirkung des Zulas____________________
(2002) 15 (55 f ). Konkret zum Arzneimittelzugang BVerfG 6. 12. 2005, NJW 2006, 891 (dazu FN 61). Zu den Grenzen dieser Schutzpflicht jüngst das schweizerische Bundesgericht BGE 133 I 58, 66 f (Art 8 EMRK verpflichtet nicht dazu, Sterbehilfeorganisationen oder Suizidwilligen den rezeptfreien Bezug von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung zu ermöglichen). 7 Besonders verbreitet ist der off-label-use in der Kinderheilkunde, Geriatrie und Gynäkologie. Die Literatur berichtet, dass in der stationären Versorgung von Kindern bis zu 90% und in der ambulanten Versorgung etwa 13% der Arzneimittelverordnungen außerhalb der Zulassung erfolgen: Statt vieler Bücheler ua, „Off-label“-Verschreibungen von Arzneimitteln in der ambulanten Versorgung von Kindern und Jugendlichen, Dt Med Wschr 127 (2002) 2551; Wulffen, FS Wiegand 163. 8 Zur Terminologie und zur Problematik zB Freund, Die zulassungsüberschreitende Anwendung von Humanarzneimitteln (Off-Label-Use) in Deutschland, PharmR 2004, 275; Hart, Arzneimittelbehandlung, in Rieger (Hrsg), Lexikon des Arztrechts 2, 11. Lfg 2005 Rz 9; Wulffen, FS Wiegand 161 ff.
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sungsbescheides.9 Was darüber hinausgeht, ist „off-label“. Da die Zulassung eines Arzneimittels nicht für ein Produkt schlechthin erfolgt – dann gäbe es den „off-label-use“ schon begrifflich nicht –, sondern an bestimmte Indikationsgebiete, Darreichungsformen, Dosierungen und mitunter auch Patientengruppen gebunden ist,10 liegt eine Zulassungsüberschreitung auch dann vor, wenn bei der Anwendung eines zugelassenen Arzneimittels zumindest eine dieser Schranken überschritten wird. Die genaue Feststellung des zulassungskonformen Gebrauchs kann im Einzelfall schwierig sein und muss in einer systematischen Zusammenschau insb aus den zugelassenen Anwendungsgebieten, den Angaben in den Zulassungsunterlagen und den vom Hersteller angegebenen Kontraindikationen beurteilt werden. Sowohl der „compassionate use“ als auch der „off-label-use“ lösen in der Medizin beträchtliches Unbehagen aus. Die Rede ist von „juristischen Graubereichen“,11 unsicheren Gratwanderungen und unvertretbaren Haftungsrisken jener Ärzte, die sich aus therapeutischen Erwägungen über den Zulassungsrahmen „hinwegsetzen“ und die – so eine gängige Befürchtung – nur mehr die Wahl zwischen zwei gleichermaßen unerträglichen und haftungsrelevanten Alternativen haben: der Vorenthaltung des medizinisch Gebotenen oder der rechtlich bedenklichen Anwendung nicht zugelassener Medikamente. Im Folgenden werden sowohl die Bedeutung der arzneimittelrechtlichen Zulassung für die Anwendung eines Arzneimittels als auch die rechtliche Auswirkung der Zulassung auf andere Rechtsgebiete beleuchtet. Querbeziehungen ergeben sich vor allem zum Sozialversicherungsrecht, zum Haftungsrecht und zum Werbe- und Wettbewerbsrecht.
II. Arzneimittelrechtliche Zulassung und Anwendung 1. Zulassung und Arzneimittelanwendung Indem das Arzneimittelrecht die Abgabe von Arzneispezialitäten grundsätzlich von einer vorangehenden behördlichen Zulassung nach eingehen____________________
9 Zur Beurteilung des Zulassungsumfanges und zu den Prüfungsmaßstäben Wulffen, FS Wiegand 164 ff. 10 ZB Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht 6 (2008) Rz 1231. Das kommt ua in § 24 Abs 2 AMG zum Ausdruck, wonach nicht nur eine Änderung der Arzneispezialität hinsichtlich Name und Zusammensetzung, sondern auch hinsichtlich der Anwendungsgebiete, der Art der Anwendung und der Dosierung einer neuerlichen Zulassung bedarf. Auch gemeinschaftsrechtlich wird die Zulassung nur in Bezug auf bestimmte Anwendungsgebiete etc erteilt (Art 6 Abs 1, Art 11 RL 2001/83 idF der RL 2004/27; Rebhahn, Die Bereitstellung von Arzneimitteln, in Grillberger/Mosler [Hrsg], Europäisches Wirtschaftsrecht und soziale Krankenversicherung [2003] 209 [262]). 11 Vgl den Bericht „Verordnungen im Graubereich“, pharmig info 2007/2, 14 f.
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den klinischen Prüfungen abhängig macht, schafft es eine präventive Marktzugangskontrolle. Bei Arzneimitteln, die aus dem Ausland nach Österreich verbracht werden, erfüllen die Bewilligungs- und Meldepflichten des AWEG 2002 eine ähnliche Funktion.12 Zentrale Grundlage der Zulassungspflicht ist § 7 Abs 1 AMG: Danach dürfen (Human-)Arzneispezialitäten im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereit gehalten werden, wenn sie vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zugelassen sind. Keiner nationalen Zulassung unterliegen Arzneispezialitäten, die nach der EG-VO 726/2004 „zentral“ zugelassen sind, deren Einfuhr nach dem AWEG bewilligt wurde oder meldepflichtig ist oder deren Einfuhr nach den Ausnahmeregeln des § 5 AWEG erfolgt. Entgegen manchen Mystifikationen im Schrifttum macht schon der Wortlaut des Gesetzes klar, dass die Zulassung zwar eine Voraussetzung für die „Abgabe“ und das „Bereithalten für die Abgabe“ ist, nicht jedoch für die „Anwendung“ am Patienten. Wer ein Arzneimittel anwendet, gibt es nicht ab und bringt es nicht in Verkehr.13 Die Zulassungsvorschriften richten sich primär an pharmazeutische Unternehmer, Importeure und Apotheken, nicht an Ärzte – es sei denn, diese treten ausnahmsweise auch als „Abgeber“ auf. Die fehlende Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels begründet noch kein Anwendungsverbot. Darin unterscheidet sich das Arzneimittelrecht von anderen produktbezogenen Zulassungssystemen, die auch – mitunter nur – die Verwendung an eine Zulassung knüpfen.14 Der Arzt ist also – arzneimittelrechtlich betrachtet – bei der Anwendung einer Arzneispezialität nicht an die Existenz oder die konkrete normative Reichweite einer Zulassung gebunden.15 Folglich verstößt auch eine zulassungs____________________
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Arzneiwareneinfuhrgesetz (AWEG), BGBl I 2002/28 idF BGBl I 2008/36. Die „Anwendung“ stellt keine „Abgabe“ iSd § 2 Abs 11 AMG dar: Mayer/Michtner/Schober, Kommentar zum Arzneimittelgesetz (1987) § 2 Anm 54; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht (1983 ff ) § 4 Anm 57-58; Hart, Arzneimittelbehandlung (FN 8) Rz 2; Sander, Arzneimittelrecht (1977 ff, Lfg 2007) § 4 Anm 21, § 43 Anm 3. 14 ZB §§ 36 ff KFG; in Bezug auf Heilverfahren § 75 Abs 3 GTG (Durchführung der Gentherapie). Auch die Schutzbestimmungen des MPG gelten typischerweise sowohl für das „Inverkehrbringen“ als auch für die Inbetriebnahme, also die Verwendung (vgl zB §§ 7, 15 Abs 1, 27, 77 Abs 1 MPG). 15 So auch die deutsche hA: OLG Köln 30. 5. 1990, JR 1991, 46 – Aciclovir (Giesen) = VersR 1991, 186 (Deutsch); BSG 19. 3. 2002, NJW 2003, 460 (461); zuletzt wieder BGH 27. 3. 2007, NJW 2007, 2767 (2768) = JZ 2007, 1104 (1105) = MedR 2007, 653 (654); Pabel, Sind Verkehrsverbote nach dem AMG auch Anwendungsverbote für den behandelnden Arzt?, NJW 1989, 759; Hart, Arzthaftung und Arzneimitteltherapie, MedR 1991, 300 (305); ders, Arzneimittelbehandlung (FN 8) Rz 2, 6; Katzenmeier, Entscheidungsbesprechung, JZ 2007, 1108 (1109); Wulffen, FS Wiegand 164, 166; Deutsch/ Spickhoff, Medizinrecht Rz 1231. Trotz Unklarheiten zumindest im Ergebnis – wenngleich nur zur Kostenerstattung – wohl auch OGH 26. 3. 1996, 10 ObS 52/96, RdM 13
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überschreitende Anwendung nicht gegen das AMG. Nur bei der Durchführung klinischer Prüfungen – die eine besondere Art der Verwendung außerhalb der Zulassung darstellt – bestehen weitergehende rechtliche Vorgaben gem §§ 28 ff AMG. Die therapeutisch motivierte Arzneimittelanwendung ist aber für sich genommen – auch wenn sie außerhalb oder ohne Zulassung erfolgt – noch keine klinische Prüfung.16 Insofern erweist sich der Import des – nicht der Rechtsordnung angehörenden – Begriffs des „off-label-use“ in juristische Diskurse als irreführend, weil er auf der sprachlichen Ebene den falschen Eindruck erweckt, die „zulassungsüberschreitende“ Anwendung stelle eine rechtfertigungsbedürftige Durchbrechung der arzneimittelrechtlichen Zulassungsregeln dar.17 Die rechtlichen Grenzen des „off-label-use“ ergeben sich jedoch nicht aus dem AMG, sondern aus den allgemeinen Rahmenbedingungen für ärztliches Handeln: Entspricht die zulassungsfremde Anwendung den anerkannten Standards der medizinischen Wissenschaft („leges artis“), dann ist sie erlaubt (und gegebenenfalls auch geboten). Ist die Behandlung nicht standardgemäß, weil es an anerkannten Standards fehlt oder diese im konkreten Fall nicht erfolgversprechend sind, dann kann sie nach den für „Heilversuche“ geltenden Grundsätzen ebenfalls gerechtfertigt werden. Dies ist das rechtliche Substrat der „ärztlichen Therapiefreiheit“, die freilich kein Privileg des Arztes ist, sondern Ausdruck der Autonomie des Patienten und seines – auch grundrechtlich abgesicherten – Rechts auf Zugang zu allen erfolgversprechenden Behandlungsstrategien.18 ____________________
1996/34. Erkennbar anders Bachinger/Plank, „Off-Label-Use“ von Arzneimitteln, RdM Ö&G 2008, 21. 16 Katzenmeier, JZ 2007, 1109; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht Rz 1299. Die exakte Abgrenzung zwischen individuellem Heilversuch und klinischer Prüfung ist freilich schwierig; mwN Katzenmeier, JZ 2007, 1109; Bender, Heilversuch oder klinische Prüfung. Annäherung an eine diffuse Grenze, MedR 2005, 511 (515). Prinzipiell für die Unzulässigkeit der Anwendung (überhaupt) nicht zugelassener Arzneimittel außerhalb der klinischen Arzneimittelprüfung jedoch Hart, Arzthaftung wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern im Zusammenhang mit einem Heilversuch mit einem neuen, erst im Laufe der Behandlung zugelassenen Arzneimittel, MedR 2007, 631: insofern richte sich das klinische Prüfrecht des AMG anders als sein sonstiges Verkehrsrecht auch an den Arzt (ibid FN 5). Dem ist für Österreich nicht zu folgen. 17 Dieses – durch die Übernahme des in der Praxis geläufigen englischen Begriffs des „off-label-use“ ins Arzneimittelrecht eröffnete – Missverständnis dürfte der Arbeit von Bachinger/Plank, RdM Ö&G 2008, 21, zugrunde liegen, die die arzneimittelrechtlichen Zulassungsanforderungen auch auf die Arzneimittelanwendung übertragen. 18 Katzenmeier, JZ 2007, 1109; einschränkend Hart, MedR 2007, 631. Vgl schon VwGH 22. 4. 1991, 89/12/0246, ZfVB 1992/3/1040, wonach nicht erkennbar sei, dass nur „konventionelle“ Medikamente angewendet werden dürfen, die im Österreichischen Arzneimittelkodex verzeichnet sind.
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2. Ausnahmen von der Zulassungspflicht a) § 8 Abs 1 Z 2 AMG Damit ein Arzneimittel ärztlich angewendet werden kann, muss es freilich vorher „abgegeben“ worden und in die körperliche Verfügungsgewalt des Anwenders gelangt sein. Um den Zugang zu den erforderlichen Arzneispezialitäten auch ohne Zulassung in rechtlich geordneter Weise sicherzustellen, sieht § 8 Abs 1 AMG daher für taxativ aufgezählte Fälle Ausnahmen von der Zulassungspflicht vor. Diese betreffen zum einen Arzneispezialitäten zur Durchführung klinischer Prüfungen (weil deren Durchführung eine obligate Voraussetzung für die Zulassung ist, § 8 Abs 1 Z 1), zum anderen drei Fallgruppen, bei denen eine notstandsähnliche Handlungssituation vorliegt und der therapeutische Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität voraussichtlich nicht erzielt werden kann.19 Als wichtigste Ausnahme erlaubt § 8 Abs 1 Z 2 AMG eine Abgabe ohne Zulassung dann, wenn ein zur selbständigen Berufsausübung im Inland berechtigter Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt bescheinigt, dass die Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nach dem Stand der Wissenschaft voraussichtlich nicht erzielt werden kann.20 Für diese „Bescheinigung“ genügt ein schriftliches ärztliches Zeugnis21 durch einen fachzuständigen Arzt,22 in dem dieser nach einer einzelfallbezogenen Prüfung des Bedarfs das Vorliegen der in § 8 Abs 1 Z 2 angeführten Voraussetzungen bestätigt.23 Die ärztliche Verordnung bzw Empfehlung oder der bloße Verweis auf (andere Fälle) betreffende Gutachten, Berichte oder Fallstudien reicht nicht.24 Obwohl § 8 Abs 1 Z 2 AMG seiner Formulierung nach nur auf den Fall abzielt, dass eine (gar) nicht zugelassene Arzneispezialität bei qualifi____________________
19 § 8 Abs 1 Z 3 AMG – Einsatz des Bundesheeres etc; § 8 Abs 1 Z 4 AMG – Katastrophen, terroristische Bedrohung oder kriegerische Auseinandersetzung. 20 Unter den gleichen Voraussetzungen erlaubt § 5 Abs 1 Z 2 AWEG einen bewilligungs- und meldepflichtfreien Import (vgl 935 BlgNR 21. GP 8). 21 Vgl § 55 ÄrzteG, dazu Aigner/Kierein/Kopetzki, Ärztegesetz3 (2007) § 55 Anm 2. 22 Das kann entweder ein Arzt für Allgemeinmedizin oder ein Facharzt sein; im letzten Fall müssen die zu bestätigenden Tatsachen vom jeweiligen Umfang des Sonderfaches umfasst sein (§ 31 Abs 2 ÄrzteG). 23 VwGH 28. 2. 1992, 92/10/0017, ZfVB 1993/5/1255: Der VwGH geht zutreffend davon aus, dass diese Bescheinigung auch eine Mehrzahl von (individuellen) Fällen betreffen darf, sofern bei diesen jeweils die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 2 AMG gegeben sind. 24 VwGH 28. 2. 1992, 92/10/0017, ZfVB 1993/5/1255.
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ziert schwerwiegendem Behandlungsbedarf benötigt wird („compassionate use“), kann die Bestimmung im Wege eines Größenschlusses auch auf zugelassene Arzneispezialitäten bezogen werden, wenn deren Anwendung außerhalb der Zulassung dringend geboten ist („off-label-use“).25 Immerhin wurden diese Arzneimittel im Vorfeld ihrer erstmaligen Zulassung bereits auf ihre Verträglichkeit geprüft. Bei einer zulassungsüberschreitenden Anwendung eines bereits zugelassenen Arzneimittels wird sich ein Rückgriff auf die Ausnahmeregelung des § 8 Abs 1 Z 2 AMG aber oft ohnehin erübrigen, da die „Abgabe“ bzw das Inverkehrbringen der Arzneispezialität in der Regel noch gar nicht mit einer bestimmten Zielrichtung hinsichtlich einer konkreten Indikation verbunden ist,26 sondern die zulassungsüberschreitende „Zweckumwidmung“ erst auf der Ebene des ärztlichen Anwenders erfolgt, indem zu den zugelassenen Anwendungsgebieten ein neues Behandlungsziel hinzutritt. Für beide Konstellationen bleibt aber zu betonen, dass es sich bei den einschränkenden materiellen (Lebens- oder schwere Gesundheitsgefahr) und formellen (ärztliche Bescheinigung) Kriterien des § 8 Abs 1 Z 2 AMG um Ausnahmen von der Zulassungspflicht handelt. Sie richten sich – wie die Zulassungspflicht selbst – nicht an den unmittelbaren Anwender.27 Nur die vorangehende Abgabe ist nach § 8 Abs 1 zu beurteilen. Die freiberufliche oder im Rahmen einer Krankenanstalt erfolgende ärztliche Anwendung außerhalb der Zulassung ist nach AMG selbst dann zulässig, wenn die Kriterien des § 8 Abs 1 Z 2 nicht erfüllt sind, etwa weil die für eine vorangehende Abgabe erforderliche ärztliche Bescheinigung fehlt. b) „Compassionate use“ gem Art 83 der VO EG 726/2004 Ein vergleichbares Ziel wie § 8 Abs 1 Z 2 AMG verfolgt Art 83 der VO 726/2004,28 der den Begriff des „compassionate use“ – soweit ersichtlich erstmals – in die österreichische Rechtsordnung einführt: Danach können Arzneimittel, die dem zentralen Zulassungsverfahren vor der Europäischen Arzneimittel-Agentur unterliegen, von den Mitgliedstaaten für Fälle eines „compassionate use“ („aus humanen Erwägungen“) auch ohne ____________________
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Davon dürfte im Ergebnis auch der OGH 9. 9. 1997, 4 Ob 195/97y, ausgehen. Stumpf, Der Vertrieb von Arzneimitteln außerhalb zugelassener Indikationen in wettbewerbsrechtlicher Perspektive, PharmR 2003/12, 421 (422, 424). 27 AM Gantschacher/Poulios-Hebenstreit, Veterinärrecht (2005) 19; Bachinger/ Plank, RdM Ö&G 2008, 21 ff. 28 VO (EG) Nr 726/2004 vom 31. 3. 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur, ABl L 136/1 vom 30. 4. 2004. Dazu Kloesel/Cyran, AMG (Lfg 2006) § 21 zu Absatz 2 Nr 6; Deutsch/Lippert, Kommentar zum Arzneimittelgesetz (2007) § 21 Rz 21. 26
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Zulassungsgenehmigung in Verkehr gebracht und für die Behandlung zur Verfügung gestellt werden, und zwar bei „einer Gruppe von Patienten …, die an einer zu Invalidität führenden chronischen oder schweren Krankheit leiden oder deren Krankheit als lebensbedrohend gilt und die mit einem genehmigten Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können“. Diese Möglichkeit steht allerdings nur dann zur Verfügung, wenn das betreffende Arzneimittel entweder bereits Gegenstand eines Genehmigungsantrages für das Inverkehrbringen oder zumindest einer noch nicht abgeschlossenen klinischen Prüfung ist (Art 83 Abs 2 der VO). Das Konzept des „compassionate use“ in der VO 726/2004 ist also enger formuliert als in § 8 Abs 1 Z 2 AMG, da es – bei zumindest ähnlichen materiellen Kriterien (Lebensbedrohung, zu Invalidität führende chronische oder schwere Krankheit) – ein bereits laufendes (zentrales) oder doch bevorstehendes Zulassungsverfahren voraussetzt. Auf der anderen Seite unterscheidet es sich von § 8 AMG durch seinen generellen Anwendungsbereich auf eine „Gruppe“ von Patienten, während § 8 Abs 1 Z 2 AMG auf konkrete Einzelfälle abstellt. Sofern die Voraussetzungen des Art 83 der VO 726/2004 nicht erfüllt sind,29 steht immer noch die einzelfallbezogene Abgabemöglichkeit aufgrund der nationalen Regelung des § 8 Abs 1 Z 2 AMG offen. Die Anwendung des Arzneimittels wird freilich auch in Art 83 der VO 726/2004 nicht geregelt, da es sich dabei wieder nur um eine Ausnahme für das (grundsätzlich an die Zulassung gebundene) „Inverkehrbringen“ handelt.30 3. „Anwendung“ und „Abgabe“ Lediglich dann, wenn der Arzt die Arzneispezialität selbst „abgibt“ – also einem Dritten die körperliche Verfügungsgewalt darüber einräumt – wird er selbst zum Adressat des § 7 Abs 1 AMG und ist an die Zulassung oder die Erfüllung der Ausnahmen des § 8 Abs 1 gebunden. Wegen des grundsätzlichen Apothekenvorbehalts (§ 59 Abs 1 AMG) wird eine solche Abgabe durch Ärzte oder Krankenanstalten allerdings nur ausnahmsweise zulässig sein, etwa bei hausapothekenführenden Ärzten (§§ 28 ff ApG), Anstaltsapotheken (§ 36 Abs 1 ApG) oder im Rahmen des „ärztlichen Notapparats“ (§ 57 ÄrzteG). Einer Abgabe nicht zugelassener Arzneispeziali____________________
29 ZB bei Arzneispezialitäten, die der nationalen Zulassung unterliegen, oder bei zentral zulassungspflichtigen Arzneimitteln, bei denen weder ein Genehmigungsantrag gestellt wurde noch eine klinische Prüfung bereits durchgeführt wird. 30 Art 83 Abs 1 VO 726/2004 iVm Art 6 Abs 1 RL 2001/83; anders Bachinger/ Plank, RdM Ö&G 2008, 21.
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täten als Ärztemuster steht § 58 Abs 1 AMG entgegen, der dies nur für zugelassene Arzneispezialitäten (im Rahmen ihrer Zulassung) erlaubt. Die Abgrenzung zwischen einer (mangels Zulassung verbotenen) „Abgabe“ und einer (erlaubten) „Anwendung“ ist allerdings präzisierungsbedürftig. Sieht man den Unterschied zwischen „Abgabe“ und „Anwendung“ ausschließlich darin, ob der Patient die körperliche Verfügungsgewalt über das Arzneimittel erhält („Abgabe“) oder nicht („Anwendung“),31 so wäre die Verabreichung einer Injektion in der Ordination oder Krankenanstalt mangels Einräumung der körperlichen Verfügungsbefugnis eine unbedenkliche „Anwendung“, das Überlassen auch nur eines einzigen oral einzunehmenden Arzneimittels hingegen eine unzulässige „Abgabe“. Aus teleologischer Sicht ist dies nicht überzeugend: Geht man davon aus, dass die Herausnahme der „Anwendung“ aus dem Abgabebegriff ihre Rechtfertigung darin findet, dass die Arzneimittelanwendung besonders befähigten Personen (Ärzten) vorbehalten ist daher immer dann vorliegt, wenn das Arzneimittel von einem Arzt dazu verwendet wird, um an einer anderen Person eine spezifische Wirkung zu erzielen,32 so erscheint es plausibler, neben der direkten ärztlichen Verabreichung auch das Aushändigen einzelner „Tabletten“ an den Patienten zum Zweck der Therapie dem Begriff der „Anwendung“ (und nicht der „Abgabe“) des Arzneimittels zu unterstellen. Es macht keinen sachlichen Unterschied, ob der Arzt dem Patienten eine – möglicherweise über Tage hinaus wirkende – Injektion verabreicht oder er dieselbe Wirkung durch eine orale Applikation erzielt, bei welcher der Patient einige Dosen ausgehändigt bekommt und selbständig einnimmt. In diesem Sinn wird auch zum deutschen AMG der Standpunkt vertreten, dass das Überlassen eines Arzneimittels an den Patienten in der für die Behandlung erforderlichen Menge mit der genauen Anweisung für die Anwendung und unter Aufsicht und Verantwortung eines Arztes keine „Abgabe“ darstellt.33 Eine zulassungsüberschreitende Arzneimittelanwendung wird daher nicht schon deshalb zu einer verbotenen „Abgabe“, weil der Patient im Zuge einer therapeutischen Verabreichung kurzzeitig die körperliche Verfügungsgewalt über das Arzneimittel erlangt. ____________________
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Mayer/Michtner/Schober, AMG § 2 Anm 54. Mayer/Michtner/Schober, AMG § 2 Anm 54. 33 Kloesel/Cyran, AMG § 4 Anm 58; Wesch, Abgabe zurückgenommener Arzneimittel durch Ärzte, MedR 2001, 191 (192); Sander, Arzneimittelrecht (FN 13) § 4 Anm 21, § 43 Anm 3. Vgl auch die bei Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht (Rz 1383) zitierte E OLG Bremen, wonach die Mitgabe einzelner weniger Schmerztabletten für den häuslichen Gebrauch an einen Patienten mit der ärztlichen Behandlung in einem derart engen Zusammenhang stehe, dass sie einer unmittelbaren Anwendung in der Sprechstunde gleichstehe. 32
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4. Anwendungsverbote Aus dem Fehlen bzw der eingeschränkten Reichweite der arzneimittelrechtlichen Zulassung folgt nicht nur kein Anwendungsverbot. Es besteht auch keine behördliche Zuständigkeit, die Anwendung eines Arzneimittels aus dem (alleinigen) Grunde der mangelnden Zulassung zu untersagen. Die dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen im Rahmen der Arzneimittelüberwachung gem § 77 Abs 1 AMG offenstehenden Schutzmaßnahmen gegen nicht AMG-konforme Arzneimittel erfassen nur Maßnahmen, die das „Inverkehrbringen“ hindern oder beschränken, ermächtigen jedoch nicht zur Schaffung von Anwendungsbeschränkungen für Angehörige des Gesundheitspersonals.34 Nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des § 78 AMG – wenn „ein in Verkehr befindliches Arzneimittel eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Mensch und Tier darstellt“ – kann das Bundesamt alle notwendigen Maßnahmen verfügen, die nicht nur das „Inverkehrbringen“, sondern auch „die Verwendung dieses Arzneimittels“ untersagen. Da mit dem Begriff der „Verwendung“ jedenfalls auch die „Anwendung“ gemeint ist,35 besteht insoweit auch eine Ermächtigung zur Erlassung von behördlichen Anwendungsverboten. Das Fehlen der Zulassung reicht dafür aber nicht, weil nicht jeder zulassungsüberschreitende Gebrauch gesundheitsgefährdend sein muss. Überdies bedürfte es für die Schaffung solcher Verbote eines außenwirksamen Verwaltungsaktes, im Falle eines generellen und (auch) an Ärzte adressierten Anwendungsverbotes also einer – gehörig kundgemachten – Verordnung,36 da dadurch die Rechtssphäre eines unbestimmten Kreises von Betroffenen gestaltet wird. Die früher übliche „Erlassung“ von Anwendungsverboten für nicht zugelassene Arzneimittel durch interne „Erlässe“ des Gesundheitsministeriums37 scheitert sowohl am Mangel einer entsprechenden Zuständigkeit als auch an der erforderlichen Kundmachung.38 ____________________
34 Nichts anderes gilt für Verordnungen des Gesundheitsministeriums gem § 5 Abs 1 AMG oder für Maßnahmen des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen gem § 69 Abs 1 AMG. 35 Mayer/Michtner/Schober, AMG § 78 Anm 10, dort auch zur restriktiven Auslegung der „Gesundheitsgefährdung“ (Anm 6). 36 Vgl Mayer/Michtner/Schober, AMG § 78 Anm 8 iVm § 77 Anm 9. 37 Vgl die Hinweise in OGH 26. 3. 1996, 10 ObS 52/96, RdM 1996/34. Bemerkenswert ist die unkritische Akzeptanz dieses „Anwendungsverbotes“ durch den OGH und das rezensierende Schrifttum (FN 50). 38 Der VfGH hätte einen derartigen „Untersagungserlass“ mangels gehöriger Kundmachung gem Art 139 Abs 3 B-VG aufzuheben (vgl zuletzt zB VfGH 8. 6. 2006, V 4/06 – „Transsexuellen-Erlass“). Die bisher bestehende Verpflichtung, Verordnungen der Bundesminister im Bundesgesetzblatt II kundzumachen (§ 4 Abs 1 Z 2 BGBlG) ist nun allerdings insoweit nicht mehr anwendbar, als bestimmte Verordnungsermächtigungen seit der
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III. Kostenerstattung 1. Allgemeines Eine wichtige, wenngleich ganz andere Frage betrifft die sozialversicherungsrechtliche Erstattungsfähigkeit bei einer Behandlung mit Arzneimitteln außerhalb der Zulassung. Dabei geht es nicht um die Zulässigkeit der Arzneimittelanwendung, sondern um die Leistungspflicht der Sozialversicherungsträger in Bezug auf die dadurch entstehenden Behandlungskosten. Zwischen beiden Themenbereichen besteht auf den ersten Blick kein zwingender Zusammenhang: Wenn die Anwendung einer Arzneispezialität auch ohne Zulassung bzw außerhalb der Zulassung verwaltungsrechtlich erlaubt ist, dann liegt es nahe, die Erstattungspflicht nach den üblichen Regeln des Sozialversicherungsrechts zu beurteilen, ohne dem Aspekt der (fehlenden) Zulassung ein eigenständiges Gewicht beizumessen. Dass auch der Gesetzgeber eine Erstattungspflicht unabhängig von der Zulassung für möglich hält, zeigt § 8 Abs 2 AMG, wonach im Falle eines Antrags auf Kostenübernahme einer in Österreich nicht zugelassenen Arzneispezialität bei einem österreichischen Sozialversicherungsträger der inländische Hersteller oder Importeur dem österreichischen Sozialversicherungsträger auf Aufforderung unverzüglich und unentgeltlich jene Informationen zur Verfügung zu stellen hat, die zumindest den Angaben in der Fachinformation entsprechen. In die gleiche Richtung weist § 32 Abs 3 AMG, der eine Kostenbelastung für österreichische Sozialversicherungsträger aus der Bereitstellung eines nicht zugelassenen Prüfpräparats für klinische Arzneimittelprüfungen ausschließt. Diese Bestimmung wäre überflüssig, wenn die sozialversicherungsrechtliche Kostenübernahme ohnehin schon an der mangelnden Zulassung scheitern würde.39 2. Erstattungskodex Die nach dem AMG nicht begründbare Konnexität zwischen Zulassung und Erstattungsfähigkeit taucht jedoch im Sozialversicherungsrecht insofern wieder auf, als die Zulassung eine zwingende Voraussetzung für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex (EKO) – also das ____________________
Ausgliederung zentraler arzneimittelbehördlicher Kompetenzen (BGBl I 2005/107) nunmehr dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zukommen (zB §§ 77 f AMG). Spezielle Verlautbarungsregeln für Verordnungen des Bundesamts kraft Gesetz oder Verordnung (vgl § 4 Abs 3 BGBlG) sind nicht ersichtlich. An der verfassungsrechtlich begründeten (Art 89 Abs 1 und Art 139 Abs 3 lit c B-VG) Pflicht zu einer gehörigen Kundmachung (Walter/Mayer/Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10 [2007] Rz 602) ändert dies aber nichts. 39 Darauf hat bereits Offenberger, ZAS 1998, 46 f, richtig hingewiesen.
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Verzeichnis des Hauptverbandes „für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich“ (§ 31 Abs 3 Z 12 ASVG)40 – darstellt:41 Die Zulassung ist gem § 18 VO-EKO42 Antragsvoraussetzung, und die Aufhebung der Zulassung führt gem § 37 Abs 2 VO-EKO zu Streichung aus dem EKO. Dies gilt sinngemäß auch dann, wenn die Zulassung nicht gänzlich, sondern nur in Bezug auf die im EKO vorgesehenen Verwendungsarten fehlt.43 Ist eine Arzneispezialität – etwa wegen fehlender Zulassung – nicht oder nicht mehr im Erstattungskodex angeführt, so schließt dies die Erstattungsfähigkeit gem § 31 Abs 3 Z 12 ASVG zwar „in begründeten Einzelfällen“ nicht aus; diese ist aber an die zusätzliche Bedingung geknüpft, dass „die Behandlung aus zwingenden therapeutischen Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex durchgeführt werden kann“. Zusätzlich bedarf es der Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes. Die näheren Kriterien für die Erteilung der Bewilligung für die Verschreibung eines „in Österreich nicht zugelassenen Heilmittels“ finden sich in § 6 Abs 1 Z 1 der Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise (RÖV):44 Demnach darf die Bewilligung des chef- oder kontrollärztlichen ____________________
40 In dieses Verzeichnis sind gem § 31 Abs 3 Z 12 ASVG „jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§ 133 Abs. 2) annehmen lassen.“ Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und zur Rechtsnatur des EKO (früher Heilmittelverzeichnis) näher Kopetzki, Das Verfahren der Aufnahme ins Heilmittel- und Leistungsverzeichnis der Sozialversicherung, in Kneihs/Lienbacher/Runggaldier (Hrsg), Wirtschaftssteuerung durch Sozialversicherungsrecht? (2005) 311; Mazal (Hrsg), Erstattungskodex (2005); Firlei, Heilmittelverschreibung (2006) 31 ff. 41 Diese Anknüpfung der Kostenerstattung an die nationale Zulassung ist auch gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden; näher Rebhahn, Bereitstellung (FN 10) 262, 269 f. 42 Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG – VO-EKO, kundgemacht im Internet unter www.avsv.at Nr 47/2004 idF Nr 41/2007. 43 Insoweit die Aufnahme in den EKO bzw die Verschreibbarkeit an eine bestimmte Art der Verwendung geknüpft ist (zB Anwendungsgebiete, Personengruppen, Verabreichungsformen etc; dazu auch § 31 Abs 3 Z 12 lit b und c ASVG; zur Verwendungsänderung zB § 28 Abs 1 Z 1 VO-EKO), gilt für eine diese Einschränkungen überschreitende Verschreibung grundsätzlich nichts anderes als für Arzneimittel, die überhaupt nicht aufgelistet sind. Lediglich die Genehmigung durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst kann in diesen Fällen durch die nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden (§ 31 Abs 3 Z 12 lit b ASVG). Aus leistungsrechtlicher Sicht sind die fehlende Zulassung und die Zulassungsüberschreitung im Hinblick auf nicht zugelassene Indikationen weitgehend gleichwertig, vgl Rebhahn, Bereitstellung (FN 10) 259. 44 Kundgemacht im Internet unter www.avsv.at Nr 5/2005 idF Nr 29/2006.
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Dienstes bei mangelnder Zulassung ausnahmsweise erteilt werden, „wenn eine zumutbare, erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst mit in Österreich zugelassenen Heilmitteln nicht zur Verfügung steht oder erfolglos blieb und a) die Behandlung mit dem nicht zugelassenen Heilmittel erfolgreich war oder b) von der Behandlung nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg erwartet werden konnte.“ Damit wird die Verschreibbarkeit nicht zugelassener Arzneispezialitäten im Wege des chef- oder kontrollärztlichen Bewilligungsvorbehalts der RÖV an engere – aus der Judikatur zu den „Außenseitermethoden“ entlehnte – Voraussetzungen als die „zwingende therapeutische Notwendigkeit“ und den Mangel einer gleich wirksamen Arzneispezialität aus dem EKO gebunden:45 Darüber hinaus ist nämlich erforderlich, dass die Behandlung (ex post betrachtet) tatsächlich erfolgreich war oder (ex ante betrachtet) zumindest eine statistisch abgesicherte Erfolgsprognose vorlag.46 Aufgrund dieser – auf Verordnungsstufe angesiedelten47 – Regelungen der RÖV und des EKO zieht die fehlende Zulassung daher eine höhere Zugangsbarriere für die Verschreibbarkeit nach sich als bei zugelassenen Arzneispezialitäten. Der durch den Blick ins Arzneimittelrecht entstandene Eindruck einer gänzlichen Entkopplung zwischen der arzneimittelrechtlichen Zulassung und der sozialversicherungsrechtlichen Erstattungsfähigkeit wird durch die Regelungen über den EKO dahin gehend modifiziert, dass der Mangel der Zulassung im Sozialversicherungsrecht als limitierendes Merkmal für die Verschreibbarkeit bzw Genehmigungsfähigkeit eines Arzneimittels auf Rechnung der Sozialversicherung wirksam wird. 3. Kostenübernahme trotz fehlender „Erstattungsfähigkeit“ a) Begrenzte Bedeutung des EKO Die rechtliche Bedeutung der Bestimmungen über die Erstattungsfähigkeit ist allerdings begrenzt: Zum einen gelten sie grundsätzlich nur für den niedergelassenen Bereich, während der Arzneimitteleinsatz und die Kostentragung im stationären Sektor anderen Regeln folgt, bei denen die „Erstattungsfähigkeit“ eines Heilmittels nur eine ganz untergeordnete Rolle ____________________
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Näher Firlei, Heilmittelverschreibung (FN 40) 40 f, 50. Dass diese Erfolgsprognose nur aufgrund öffentlich zugänglicher Studien getroffen werden kann (Bachinger/Plank, RdM Ö&G 2008, 25), erscheint nicht zwingend. 47 Vgl zu den Vorläufern schon Winkler/Raschauer, Ökonomische Verschreibweise und das Spezialitätenverzeichnis, in Winkler/Barfuß/Raschauer, Arzneimittelpreise und Sozialversicherung (1983) 11 (14 ff ); zur Verordnungsqualität der Richtlinien des HV nun VfSlg 10728, 15710 uam.
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spielt.48 Zum anderen und vor allem gelten die skizzierten Einschränkungen der Erstattungsfähigkeit nach weithin herrschender Auffassung nur für die Abgabe und Verschreibung eines Arzneimittels als Sachleistung mit Direktverrechnung gegenüber dem leistungspflichtigen Versicherungsträger. Sie binden hingegen nicht die Gerichte in einem Verfahren über die nachträgliche Kostenübernahme der Sozialversicherungsträger. Der OGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die fehlende Aufnahme einer Heilmethode oder eines Heilmittels in Honorarordnungen oder Richtlinien noch nicht bedeute, dass dem Patienten kein Kostenersatz zustehe. Dies gilt auch für die Kostenübernahme bei Arzneimitteln, die nicht im Heilmittelverzeichnis (bzw im nunmehrigen Erstattungskodex) enthalten sind. Nach ständiger Rsp schränkt das Heilmittelverzeichnis bzw der Erstattungskodex das Recht des Patienten auf die für die ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung notwendigen Heilmittel nicht ein; den Patienten können vielmehr alle erhältlichen Medikamente verordnet werden, wenn diese im einzelnen Behandlungsfall den gesetzlich festgelegten Kriterien einer ausreichenden, zweckmäßigen und das Maß des Notwendigen nicht überschreitenden Krankenbehandlung dienen.49 b) Zulassung und Kostenerstattung in der Rechtsprechung des OGH In konsequenter Fortschreibung dieser Judikatur hat der OGH im Jahre 1996 erstmals ausgesprochen, dass auch die fehlende arzneimittelrechtliche Zulassung oder ein behördliches Anwendungsverbot es nicht ausschließe, dass der Krankenversicherungsträger dem Patienten die Kosten dieses Arzneimittels zu ersetzen hat, sofern nur die allgemeinen Voraussetzungen einer Kostenübernahme – im Wesentlichen also: die Notwendigkeit der Arzneimittelanwendung zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges – erfüllt sind.50 Zwischen Zulassung und Kostenerstattungsanspruch besteht somit keine Konnexi____________________
48 Heilmittelkosten im Rahmen der Anstaltspflege sind Teil einer Gesamtleistung, die durch die Gebührenersätze nach den Grundsätzen der Krankenanstaltenfinanzierung abgegolten werden (dazu Thaler/Plank, Heilmittel und Komplementärmedizin in der Krankenversicherung [2005] 77 f ). § 19a Abs 4 Z 3 KAKuG sieht zwar auch für den stationären Umgang mit Arzneimitteln eine Orientierung am „Heilmittelverzeichnis“ sowie an den RÖV vor, doch gilt dies nur für die Versorgung nach der Entlassung und steht überdies unter dem Vorbehalt der „medizinischen Vertretbarkeit“. 49 Statt aller OGH SZ 62/103 = ZAS 1990/22 (Mazal); Thaler/Plank, Heilmittel (FN 48) 80; Rebhahn, Bereitstellung (FN 10) 223 f. 50 OGH 26. 3. 1996, 10 ObS 52/96, RdM 1996/34 = JBl 1997, 126 = SSV-NF 10/30 = SVSlg 46.761 = RdA 1997/3 (Mazal) = ZAS 1998, 42 (Offenberger) – Ukrain. Dass die fehlende Zulassung eine Kostenübernahme nicht ausschließt, war schon vorher anerkannt; zur älteren Diskussion etwa Kindermann, Kostenübernahme für nicht zugelassene Arzneimittel durch die Krankenversicherung, SoSi 1988, 370.
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tät.51 Die medikamentöse Notwendigkeit sei jedenfalls dann zu bejahen, wenn frühere Behandlungen mit im Heilmittelverzeichnis enthaltenen Medikamenten zu keinem entsprechenden Erfolg geführt haben und in Österreich kein tatsächlich gleichwertiges, kostengünstigeres Präparat zugelassen ist. Der OGH orientierte sich dabei an seiner Judikatur zur Kostenübernahme von wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, die dann zu ersetzen sind, wenn zunächst eine wissenschaftlich anerkannte schulmedizinische Behandlung versucht wurde oder nicht erfolgversprechend gewesen wäre, während die „Außenseitermethode“ beim Versicherten erfolgreich war oder doch nach den bisherigen Erfahrungen ein Erfolg erwartet werden durfte.52 Spätere Entscheidungen haben diese Judikaturlinie bestätigt53 und präzisiert, dass die Kosten einer tatsächlich erfolgreichen oder prognostisch erfolgversprechenden Außenseitermethode auch dann ersatzfähig sind, wenn die „schulmedizinische“ Methode mangels Erfolgsaussicht gar nicht versucht worden ist54 oder (trotz gleicher Erfolgsaussicht55) mit erheblicheren Nebenwirkungen verbunden gewesen wäre.56 ____________________
51 Welche argumentative Rolle dabei der Hinweis des OGH (RdM 1996/34,185) auf die Rechtsform der Zulassung durch „rechtsgestaltenden Bescheid“ und auf das „ausschließlich mit administrativen Maßnahmen sowie als Verwaltungsübertretung“ sanktionierte Verbot des Inverkehrbringens spielen soll, bleibt freilich unerfindlich. Nicht weil es sich „nur“ um verwaltungsrechtliche Verbote handelt, sondern weil sich diese arzneimittelrechtlichen Verbote inhaltlich gar nicht auf die Anwendung und Kostenerstattung (vgl § 8 Abs 2 AMG) erstrecken, bildet das AMG kein rechtliches Hindernis für sozialgerichtliche Entscheidungen über die Kostenübernahme. Mit dem Problemkreis der Bindung der Gerichte an Verwaltungsakte hat dies nichts zu tun. 52 OGH 26. 3. 1996, 10 ObS 52/96 unter Bezug auf SSV-NF 8/10 = SZ 67/34 = JBl 1994, 702 = RdA 1995 22 (Binder). Dazu näher Binder, Zur Kostendeckung alternativmedizinischer Behandlungsmethoden durch die Krankenversicherung, RdM 1997, 39; Resch, Der Anspruch auf Krankenbehandlung im Hinblick auf so genannte Außenseitermethoden und neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, in Jabornegg/Resch/ Seewald (Hrsg), Grenzen der Leistungspflicht für Krankenbehandlung (2007) 57 (59 ff ). 53 ZB OGH 26. 11. 1996, 10 ObS 2374/96g; 31. 8. 1999, 10 ObS 150/99b; 24. 10. 2000, 10 ObS 294/00h – Ukrain. 54 Statt vieler und mwN OGH 31. 8. 1999, 10 ObS 150/99b; 24. 10. 2000, 10 ObS 294/00h – Ukrain (Voraussetzung des Kostenersatzes ist, dass „zuvor eine wissenschaftlich anerkannte schulmedizinische Behandlung versucht wurde oder nicht erfolgversprechend gewesen wäre, während die Außenseitermethode erfolgreich war oder doch nach den bisherigen Erfahrungen ein Erfolg erwartet werden durfte“). 55 Zur Umschreibung der Erfolgsaussicht wurde zunächst darauf abgestellt, dass die Außenseitermethode entweder bereits erfolgreich war oder nach den bisherigen Erfahrungen (prognostisch) ein Erfolg erwartet werden durfte (zB OGH 26. 11. 1996, 10 ObS 2374/96g; 31. 8. 1999, 10 ObS 150/99b; 24. 10. 2000, 10 ObS 294/00h). Seit OGH 29. 4. 2004, 10 ObS 409/02y, kommt es darauf an, dass „nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg erwartet werden konnte“. 56 OGH 29. 4. 2004, 10 ObS 409/02y, SSV-NF 17/54 = RdW 2003/642 – Ukrain („Wenn jedoch schulmedizinische Behandlungen zu unerwünschten [erheblichen] Ne-
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Dass die von der Judikatur formulierten Kriterien für die Kostenübernahme über weite Strecken an jenen für „Außenseitermethoden“ angelehnt sind, ist eine Folge der konkreten Streitfälle, in denen dem Arzneimittel sowohl die Zulassung als auch die wissenschaftliche Anerkennung fehlte. Zwingend ist dieser Zusammenhang mit den „Außenseitermethoden“ aber keineswegs,57 da der Mangel oder eine zu enge Reichweite der Zulassung auch ganz andere Gründe haben kann (zB mangelndes wirtschaftliches Interesse des Unternehmens). Entspricht etwa ein zulassungsüberschreitender Einsatz im konkreten Fall den anerkannten medizinischen Behandlungsstandards und kann der Behandlungserfolg mit einem im EKO aufgelisteten Medikament im Rahmen der Zulassung nicht erzielt werden, dann hat das mit der Unterscheidung zwischen „Schulmedizin“ und „Außenseitermethoden“ überhaupt nichts zu tun; eine Kostenübernahme wäre schon nach den allgemeinen Grundsätzen zu gewähren, da der Nachweis der wissenschaftlichen Anerkennung und Wirksamkeit auch außerhalb des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens bzw des Verfahrens zur Aufnahme in den EKO geführt werden kann.58 c) Keine Übernahme der Judikatur des deutschen Bundessozialgerichts Trotz der restriktiven Regeln für die Direktverrechnung bleibt es also im Ergebnis dabei, dass die arzneimittelrechtliche Zulassungsentscheidung letzten Endes keine Relevanz für den sozialversicherungsrechtlichen Kostenersatzanspruch aufweist. Eine Übernahme der vom deutschen Bundessozialgericht vertretenen Ansicht zur grundsätzlichen Konnexität zwischen arzneimittelrechtlicher Zulassung und sozialversicherungsrechtlicher Erstattungspflicht hat der OGH abgelehnt. Die restriktive deutsche Judikatur, wonach eine „Ausdehnung“ von sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen auf nicht zugelassene Arzneimittel „auf eng umgrenzte Sachverhalte mit notstandsähnlichem Charakter begrenzt bleiben“ müsse, damit das arzneimittelrechtliche Zulassungserfordernis nicht durch richterrechtliche Zuerkennung von Versorgungsansprüchen „faktisch systematisch unterlaufen und umgangen“ werde,59 lässt sich auf Österreich eben____________________
benwirkungen führen und durch alternative Heilmethoden der gleiche Behandlungserfolg [ohne solche Nebenwirkungen] erzielt werden kann, kommt auch eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden … in Betracht“). Dazu Radics, Die Leistungspflicht der sozialen Krankenversicherung für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden (Aussenseitermethoden), SoSi 2004, 360. 57 Zurecht kritisch Firlei, Heilmittelverschreibung (FN 40) 40 f, 50; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht Rz 1288. 58 Dazu Thaler/Plank, Heilmittel (FN 48) 76 f. 59 BSG 4. 4. 2006, NJW 2007, 1380 (1383) – Tomudex.
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so wenig übertragen wie die vom deutschen Bundessozialgericht aufgestellten engeren Kriterien für eine ausnahmsweise Kostenerstattung für nicht zugelassene Arzneimittel.60 Durch diese Abkoppelung der sozialrechtlichen Leistungsansprüche von den Zulassungsschranken des AMG haben sich die österreichischen Gerichte auch den Vorwurf erspart, dass der Ausschluss bestimmter „nicht anerkannter“ Behandlungsmethoden von der Kostenerstattung bei Fehlen „schulmedizinischer Behandlungsmethoden“ zumindest in lebensbedrohenden Fällen auf einen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Schutzpflichten (Leben, körperliche Integrität) hinauslaufen könnte.61 d) Änderung durch die 61. ASVG-Novelle? Obgleich die erwähnten Entscheidungen noch vor der Neuregelung des EKO durch die 61. ASVG-Nov BGBl I 2003/145 ergangen sind, hat der OGH an seiner Rsp auch im nunmehrigen System des EKO festgehalten.62 Die Prognose, dass die Erstattungsfähigkeit für Arzneimittel außer____________________
60 Das BSG ließ Ausnahmen von der Zulassungsbindung zunächst dann zu, wenn es sich a) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohenden oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung handelt, b) keine andere Therapie verfügbar ist, und c) auf Grund der „Datenlage“ die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein kurativer oder palliativer Behandlungserfolg erzielt werden kann (st Rsp seit BSG 19. 3. 2002, NJW 2003, 460 – Sandoglobulin; dazu statt vieler Goecke, Der zulassungsüberschreitende Einsatz von Arzneimitteln („Off-Labeluse“), NZS 2992, 620; Niemann, Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sogenannten „off-label-use“, NZW 2002, 361; ders, Die Verordnung eines Arzneimittels außerhalb der zugelassenen Indikation, NZW 2004, 254). Das BVerfG hat diese restriktive Rsp aus grundrechtlichen Erwägungen insofern korrigiert, als bei lebensbedrohenden Erkrankungen von den gesteigerten Voraussetzungen für die Erfolgsprognose (hinreichend gesicherte „Datenlage“) abzusehen ist, sofern nur eine „nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung“ besteht (vgl FN 61). Inzwischen hat das BSG seine Rsp zur Kostenübernahme nicht zugelassener Arzneimittel an diese Vorgaben angepasst (BSG 4. 4. 2006, NJW 2007, 1380 – Tomudex), ohne jedoch die grundsätzliche Bindung der Erstattung an die Zulassung und die Forderung nach einer „notstandsähnlichen“ Ausnahmesituation gänzlich aufzugeben. Ein Verstoß gegen das AMG schließt die Erstattung nach wie vor aus (BSG NJW 2007, 1382, unter II.6), während den OGH nicht einmal ein ausdrückliches Anwendungsverbot an der Bejahung der Kostentragung hinderte (RdM 1996/34). 61 In diesem Sinn BVerfG 6. 12. 2005, NJW 2006, 891 – Duchenne’sche Muskeldystrophie. Danach ist es mit den Grundrechten aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip unvereinbar, einen Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich anerkannten Behandlungsmethode durch die Krankenkasse auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Entwicklung auf den Krankheitsverlauf besteht. 62 OGH 7. 3. 2006, 10 ObS 22/06t; 7. 3. 2006, 10 ObS 12/06x, DRdA 2007, 373 (Binder) – Caverject; 27. 6. 2006, 10 ObS 75/06m – Thioctacid (in beiden Fällen handelte es sich zwar um zugelassene, aber nicht im EKO enthaltene Arzneispezialitäten).
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halb des EKO durch die 61. ASVG-Nov künftig enger werde,63 scheint sich zumindest im Hinblick auf die Kostenübernahmepflicht nicht zu erfüllen. Für eine abweichende Beurteilung anhand der neuen Rechtslage bestünde auch kein guter Grund. Es fällt zwar auf, dass der Vorrang des gesetzlichen Leistungsanspruchs gegenüber einschränkenden Kostenerstattungsregeln in Honorarordnungen oder im Heilmittelverzeichnis bislang mehr oder weniger explizit damit begründet worden ist, dass diese untergesetzlichen bzw vertragspartnerrechtlichen Rechtsquellen nicht zu einer Schmälerung gesetzlicher Leistungsansprüche führen könnten;64 nach der Verankerung in § 31 Abs 3 Z 12 ASVG können sich die limitierenden Verschreibungsregelungen in Bezug auf Arzneimittel außerhalb des EKO nun immerhin auf eine gesetzliche Deckung berufen. Weder der – nach wie vor nur auf die Verschreibung „auf Rechnung“ der Sozialversicherung abstellende – Wortlaut des § 31 Abs 3 Z 12 ASVG noch dessen systematische Stellung unter den Verordnungsermächtigungen des Hauptverbandes sprechen aber dafür, dass der Gesetzgeber auf diese Weise die Leistungsansprüche des § 133 Abs 2 ASVG und eine darauf beruhende Kostenübernahme beschränken wollte.65 3. Ergebnis Die in § 31 Abs 3 Z 12 ASVG iVm der VO-EKO und den RÖV vorgesehenen Zugangshürden für die „Erstattungsfähigkeit“ nicht – oder nicht für die konkrete Verwendungsart – zugelassener Arzneispezialitäten im Wege der Direktverrechnung begrenzen den Leistungsumfang und die Kostenübernahmepflicht der Sozialversicherungsträger für derartige Arzneimittel nicht. Dies gilt insb auch dann, wenn die chef- und kontrollärztliche Bewilligung – entgegen § 6 RÖV – nicht vorab eingeholt worden ist. Der Sinn der chef- und kontrollärztlichen Bewilligung liegt nur darin, dass die Kostentragung durch den Sozialversicherungsträger durch die Bewilligung seitens des Chef- oder Kontrollarztes im vorhinein abgesichert ist und der Patient nicht mit dem Risiko belastet wird, erst im nachhinein zu erfahren, ob die Kosten für ein erforderliches Heilmittel oder einen notwendigen Heilbehelf als dem Heilzweck entsprechend anerkannt werden. Einen Verlust des Anspruches auf Kostenübernahme bewirkt die unterlassene Einholung der vorausgehenden Bewilligung des Chef- oder ____________________
63 Binder in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 2.2.3.2.2 (235). 64 Statt aller und mwN Rebhahn, Bereitstellung (FN 10) 223 f, 228 ff. 65 OGH 27. 6. 2006, 10 ObS 75/06m, wonach die Neuregelung des EKO den § 133 Abs 2 ASVG „nicht geändert“ habe.
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Kontrollarztes jedoch nicht.66 Umso weniger kann es für die Beurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche darauf ankommen, ob die Kriterien der arzneimittelrechtlichen Ausnahmeregelung des § 8 Abs 1 Z 2 AMG (zB das Vorliegen einer ärztlichen Bescheinigung) erfüllt sind,67 da sich der Geltungsanspruch dieser Bestimmung nicht auf die „Anwendung“ des Arzneimittels bezieht und ihr daher auch keine Aussage über die Kostenübernahme für diese Anwendung zu entnehmen ist.
IV. Off-label-use, ärztliches Berufsrecht und Arzthaftung 1. Allgemeines Wenn die zulassungsüberschreitende Anwendung eines Arzneimittels durch Ärzte arzneimittelrechtlich erlaubt ist, dann kann sie auf Grund berufsrechtlicher Fürsorgepflichten (§ 49 Abs 1 ÄrzteG) und haftungsrechtlicher Sorgfaltspflichten auch geboten sein, sofern sie medizinisch indiziert und therapeutisch notwendig ist. Dies ist die – im Ergebnis auch für Österreich zutreffende – Kernaussage des Aciclovir-Urteils des OLG Köln: Das Gericht bejahte einen groben Behandlungsfehler durch das Unterlassen der Anwendung eines für die konkrete Krankheit noch nicht zugelassenen Medikaments, da dieses medizinisch erprobt sei und sich bereits als wirksam erwiesen habe.68 Der Mangel einer arzneimittelrechtlichen Zulassung fällt dabei haftungsrechtlich für sich genommen nicht ins Gewicht: Die Zulassung begründet zwar die Verkehrsfähigkeit und löst eine Vermutung für die Verordnungsfähigkeit in der konkreten Therapie und für die Einhaltung der medizinischen Sorgfaltsstandards bei zulassungskonformer Anwendung aus.69 Umgekehrt ist die behördliche Nichtzulassung oder der zulassungsüberschreitende Einsatz aber kein Indiz für eine Sorgfaltswidrigkeit.70 Sie begründet auch keine Schutzgesetzverletzung iSd § 1311 ABGB.71 ____________________
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Statt vieler VfSlg 13571, 15776; vgl auch OGH ZAS 1990, 27; Binder, RdM 1997,
41. 67 Auch in OGH RdM 1996/34 stellt der Hinweis auf die Vorgängerbestimmung des § 12 Abs 2 AMG nur ein ergänzendes Argument gegen die zwingende Verknüpfung der Zulassungsfrage mit der Kostenübernahme dar. 68 OLG Köln 30. 5. 1990, JR 1991, 46 – Aciclovir (Giesen) = VersR 1991, 186 (Deutsch). Fehlt eine wissenschaftlich begründete Erfolgsaussicht, dann liegt in der Unterlassung eines off-label-use selbstverständlich noch kein Behandlungsfehler; in diesem Sinn etwa OLG Nürnberg 21. 2. 2006, ArztRecht 2007/1, 23. 69 Hart, MedR 1991, 304 f; BGH 27. 3. 2007, NJW 2007, 2768. Zur Zulassung als „Gütesiegel“ schon BGH 29. 6. 1995, MedR 1996, 22 (23) – Surgibon. 70 Giesen, JR 1991, 464; Hart, Arzneimittelbehandlung (FN 8) Rz 9. Erst die Nichtbeachtung expliziter (vom Hersteller angegebener) Kontraindikationen könnte den An-
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Der Einsatz eines nicht oder nur begrenzt zugelassenen Medikaments ist aus haftungsrechtlicher Sicht somit nach den allgemeinen Grundsätzen der Arzthaftung zu beurteilen.72 Die Zulassung bzw die zulassungskonforme Anwendung ist allenfalls Indiz für die Übereinstimmung mit den fachspezifischen leges artis, da der anwendende Arzt auf die Herstellerinformationen betreffend Indikationsgebiete, Wirkungen, Nebenwirkungen und Risken vertrauen darf, solange keine neueren Informationen vorliegen, die zu einer Überprüfung Anlass geben.73 Wendet er das Arzneimittel „off label“ an, dann muss der Arzt sein Handeln und seine Auffassung über die Rechtfertigung der Arzneimittelanwendung im konkreten Fall aus anderen Quellen legitimieren (zB Leitlinien, Empfehlungen von Fachgesellschaften, allgemein anerkannter Wissensstand, klinische Erfahrung), es trifft ihn eine höhere Begründungslast.74 Besteht in Fachkreisen Konsens über die Indikation einer zulassungsüberschreitenden Anwendung eines Arzneimittels und sind die damit verbundenen Risken und Nebenwirkungen hinreichend bekannt und abschätzbar, dann kann dem insoweit „lege artis“ handelnden anwendenden Arzt – die korrekte Anwendung vorausgesetzt – keine Sorgfaltswidrigkeit vorgeworfen werden, nur weil er sich nicht an die behördlich zugelassenen Anwendungsgebiete hält.75 Erst in besonderen Konstellationen wird die Zulassungsüberschreitung den Verdacht einer Sorgfaltswidrigkeit in sich tragen – etwa wenn eine ursprünglich erteilte Zulassung aufgrund entsprechender Gefährdungspotenziale aufgehoben oder eingeschränkt wurde, oder wenn die Zulassung aus derartigen Gründen verweigert worden ist. Strenggenommen ist es aber auch hier nicht die Abweichung vom Zulassungsumfang, sondern die hinter der Zulassungsverweigerung stehende Risikobeurteilung, die die Arzneimittelanwendung verbietet. 2. Off-label-use und Heilversuch Dieser rechtliche Rahmen eröffnet nicht nur einen Spielraum für die zulassungsüberschreitende Anwendung im Falle einer wissenschaftlich schon hinreichend anerkannten und wirksamen Behandlungsstrategie. Er ermöglicht auch individuelle Heilversuche in Fällen, wo anerkannte Stan____________________
schein der Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt begründen: Deutsch, VersR 1991, 189; Bachinger/Plank, RdM Ö&G 2008, 26. 71 Anders wieder Bachinger/Plank, RdM Ö&G 2008, 26. 72 BGH 27. 3. 2007, NJW 2007, 2768. 73 Näher Hart, Arzneimittelbehandlung (FN 8) Rz 8; ders, Fachinformation, ibid Rz 5. 74 In diesem Sinn auch Bachinger/Plank, RdM Ö&G 2008, 25. 75 Und zwar auch dann nicht, wenn die off-label-Anwendung nur aus Kostengründen erfolgte. Anders, weil unzutreffend auf § 8 Abs 1 Z 2 AMG abstellend, Bachinger/Plank, RdM Ö&G 2008, 23.
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dards noch weitgehend fehlen oder erst im Entstehen sind, oder wo Risken und Nebenwirkungen eines Arzneimittels möglicherweise noch nicht hinreichend geprüft und in kontrollierten klinischen Studien erforscht sind. Dieses Problem der erhöhten therapeutischen Unsicherheit stellt sich bei der zulassungsüberschreitenden Anwendung zwar nicht notwendigerweise, im Hinblick auf die fehlende oder eingeschränkte Evaluierung in klinischen Prüfungen aber doch häufiger. Die damit einhergehenden Rechtsfragen lassen sich nach denselben Grundsätzen lösen wie bei der Anwendung nicht medikamentöser neuer Behandlungsmethoden: a) Nach berufs- und haftungsrechtlichen Grundsätzen darf die Anwendung einer neuen Behandlungsmethode dann erfolgen, wenn die medizinische Abwägung und ein sorgfältiger Vergleich der zu erwartenden Vorteile der Methode und ihrer abzusehenden und zu vermutenden Nachteile mit der standardgemäßen Behandlung unter Berücksichtigung des Wohls des Patienten die Anwendung der neuen Methode rechtfertigt.76 Diese Abwägung ist kein einmaliger Vorgang bei Behandlungsbeginn, sondern ist jeweils neu vorzunehmen, wenn neue Erkenntnisse über mögliche Risken und Nebenwirkungen vorliegen, über die sich der Arzt laufend zu informieren hat.77 Den Arzt trifft eine Pflicht zur therapeutischen Gefahrenvorsorge bei der Arzneimittelanwendung, der Verlaufskontrolle und der Erfolgsbeurteilung,78 die sich jedoch von vergleichbaren Pflichten bei der Anwendung neuer Methoden nicht wesentlich unterscheidet. Auch aus krankenanstaltenrechtlicher Sicht79 besteht kein rechtliches Hindernis für die Anwendung (noch) nicht anerkannter Methoden, sofern sich die Erfolgschance im Einzelfall aufgrund einer umfassenden RisikoNutzen-Abwägung ausreichend begründen lässt und der Patient nach Aufklärung hiezu seine Einwilligung erteilt. Gem § 8c KAKuG ist die Anwendung solcher „neuer medizinischer Methoden“ in Krankenanstalten ____________________
76 BGH 22. 5. 2007, MDR 2007, 1131 = VersR 2007, 1273; zur Haftung bei Behandlung mit einem in der Zulassungsphase befindlichen Medikament BGH 27. 3. 2007, NJW 2007, 2768 f (mwN zur Vorjudikatur, insb BGH NJW 2006, 2477 = VersR 2006, 1073); Katzenmeier, JZ 2007, 1109; mwN Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts 3 (2002) § 130; ders, Heilversuch, in Rieger, Lexikon des Arztrechts Rz 3 ff. 77 ZB durch Durchführung von Kontrolluntersuchungen, wenn sich Risken abzeichnen, die zwar noch nicht genau bekannt sind, bei deren Eintreten es jedoch zu schweren Gesundheitsschäden kommen kann: BGH 27. 3. 2007, NJW 2007, 2768 f; Katzenmeier, JZ 2007, 1109. 78 Hart, MedR 1991, 302, 305; Katzenmeier, JZ 2007, 1110. 79 § 8 Abs 2 KAKuG, der die ärztliche Behandlung in Krankenanstalten an die „Grundsätze und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft“ bindet, steht solchen Heilversuchen jedenfalls nicht entgegen, wenn es keine allgemein anerkannte konventionelle Methode gibt oder diese eine geringere Erfolgsaussicht und/oder höhere Risken aufweist. Vgl dazu auch Kopetzki, Unterbringungsrecht II (1995) 792 ff (insb 794 f ).
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allerdings vom Leiter der jeweiligen Organisationseinheit einer Ethikkommission zur Beurteilung vorzulegen, sofern die konkrete Methode in Österreich noch nicht angewendet wird und einer methodischen Überprüfung bedarf (näher § 8c Abs 3 KAKuG).80 Diese Vorlagepflicht bei „neuen medizinischen Methoden“ greift zwar nicht schon bei jedem individuellen Heilversuch ein,81 sie kann aber auf den off-label-use von Arzneimitteln dann zutreffen, wenn dieser in einer größeren Zahl von Fällen durchgeführt wird, wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannt ist und mit unbekannten Risken verbunden ist. Auch bei einem großflächigen off-label-use handelt es sich freilich nicht automatisch um „klinische Prüfungen“, solange das therapeutische Ziel im Vordergrund steht und die spezifischen Begriffsmerkmale des § 2a AMG nicht erfüllt sind. Die – weit über die Vorlagepflicht an die Ethikkommission hinaus gehenden – Anforderungen der §§ 28 ff AMG gelten in diesem Fall nicht.82 3. Aufklärung bei der Arzneimittelanwendung Von der Einhaltung fachlich-medizinischer Sorgfaltsregeln zu unterscheiden ist die Frage der ärztlichen Aufklärungspflicht. Hier können sich durchaus höhere Anforderungen bei einer zulassungsfremden Anwendung ergeben. Um diese richtig einzuschätzen, muss man sich die Grundsätze bei der Aufklärung über medikamentöse Behandlungen in Erinnerung rufen: a) Obwohl die Grundsätze der Aufklärungspflicht von den Gerichten meist anhand invasiver Eingriffe formuliert wurden, wenden der OGH und ihm folgend die Lehre die dabei entwickelten Kriterien auf alle Heilbehandlungen einschließlich der Verabreichung von Medikamenten an.83 Ob die aufklärungspflichtige Arzneimittelanwendung innerhalb oder au____________________
80 Dass diese Vorlagepflicht nicht nur wissenschaftliche Studien, sondern auch und gerade neue kurative Heilverfahren betrifft, sollte im Lichte der historischen Absicht des Gesetzgebers nicht zweifelhaft sein (dazu 1080 BlgNR 18. GP 18, wo beispielhaft auf „neue Operationstechniken“ hingewiesen wird). 81 Schwamberger, Nichtbefassung der Ethikkommission – mögliche rechtliche Folgen, RdM 2007, 132 (133). 82 Vgl oben FN 16. Anders wohl – wenngleich ohne Bezug zur Arzneimittelanwendung – Schwamberger, RdM 2007, 133, der „Heilversuche in einer großen Zahl von Fällen … de facto“ als klinische Prüfungen qualifiziert. 83 OGH RZ 1973, 171 – zytostatische Behandlung; OGH JBl 1991, 316 – Volon A 40; OGH RdM 1997/18 – Spritzenkur; OGH RdM 1998/18 – Tb-Impfung; OGH RdM 1998/19 – Penicillingabe während der Schwangerschaft; Gaisbauer, Ärztliche Aufklärungspflicht bei medikamentöser Heilbehandlung, JBl 1991, 756; Juen, Arzthaftungsrecht 2 (2005) 115. Dass für die Arzneimitteltherapie im Grundsatz die gleichen Aufklärungspflichten gelten wie bei anderen Behandlungen, ist auch in der BRD herrschende Ansicht: mwN Katzenmeier, JZ 2007, 1110; Hart, Arzneimittelbehandlung (FN 8) Rz 11 ff.
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ßerhalb der Zulassung stattfindet, spielte in der (österreichischen) Judikatur zur Aufklärungspflicht bisher keine Rolle. Vor dem Hintergrund der bisherigen Rsp sollte man die Bedeutung der Zulassung in diesem Zusammenhang daher nicht überschätzen: Denn der Arzt kann seiner Aufklärungspflicht auch bei zugelassenen Arzneispezialitäten nicht durch einen bloßen Verweis auf den „Beipackzettel“ entsprechen. Das erscheint im stationären Bereich schon deshalb selbstverständlich, da dem Patienten die dem Medikament beiliegenden Informationen gar nicht ausgefolgt werden. Doch auch im niedergelassenen Bereich können die dem Arzneimittel vom Hersteller beigegebenen Informationen nur als Hilfestellung für das Aufklärungsgespräch und als Indiz für die gebotenen Aufklärungsinhalte dienen. Das individuelle Aufklärungsgespräch können sie aber nicht ersetzen.84 Weder kann der Beipacktext als notwendiger Pflichtinhalt jeder Aufklärung angesehen werden (weil es erst Aufgabe des Arztes ist, im Einzelfall und losgelöst von den standardisierten Informationen der Fachinformation mit dem Patienten die für ihn relevanten Risken zu besprechen) noch befreit der Beipacktext den Arzt von seiner Aufklärungspflicht in Bezug auf Risken, die etwa aus der Fachliteratur hinreichend bekannt sind, dennoch aber nicht im Beipacktext auftauchen.85 b) Wenn Umfang und Inhalt der ärztlichen Aufklärung weitgehend losgelöst von den Fach- und Gebrauchsinformationen zu beurteilen (und letztlich vom Arzt selbst zu verantworten) sind, dann folgt daraus zugleich, dass der zulassungskonforme Gebrauch eines Arzneimittels zu keiner wesentlichen „Aufklärungserleichterung“ für den behandelnden Arzt führt. Umgekehrt kann man daraus schließen, dass auch für den zulassungsüberschreitenden Gebrauch im Prinzip dieselben Aufklärungsregeln einzuhalten sind wie für den zulassungskonformen „Normalfall“. Nur auf die Tatsache, dass die geplante Anwendung nicht durch die Zulassung gedeckt ist86 und dass den Patienten ein Kostenrisiko trifft, wenn die Krankenversicherung eine Kostenerstattung ablehnt, wird der Arzt bei einem off-label-use immer und unabhängig vom Risikopotenzial des Medikaments und der wissenschaftlichen Anerkennung seiner Verwendung hinweisen müssen.87 ____________________
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Gaisbauer, JBl 1991, 758 ff; Hart, Arzneimittelbehandlung (FN 8) Rz 13. Katzenmeier, JZ 2007, 1110. Nach BGH MedR 1996, 23 – Surgibon – fehlt dem Arzneimittel bei mangelnder Zulassung „gleichsam ein Gütesiegel“. Dieser Umstand könne – unabhängig von der Qualität, Sicherheit und wissenschaftlichen Anerkennung des Arzneimitteleinsatzes – für die Patientenentscheidung wesentlich sein und löse daher eine Aufklärungspflicht aus. Im konkreten (strafrechtlichen) Fall lag allerdings gar keine Zulassung vor. 87 Zu dieser wirtschaftlichen Aufklärung vor dem Hintergrund einer Beschränkung des Leistungsumfanges der Krankenversicherung zB Hart, Arzneimittelbehandung (FN 8) Rz 14. Weitergehend Bachinger/Plank, RdM Ö&G 2008, 26 (Aufklärung auch über möglichen Entfall der Produkthaftung des Unternehmens).
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Bei der Off-label-Anwendung fehlt dem Arzt lediglich die Informationsquelle der Herstellerinformationen, er muss sich daher auf andere Weise die nötigen Kenntnisse über Wirkungen, Nebenwirkungen und Risken beschaffen. Die damit entstandene Rechtssituation ist im Ergebnis nicht anders als bei jedem anderen (nichtmedikamentösen) Heilverfahren, wo es typischerweise auch keine standardisierten produktbegleitenden Risikoinformationen gibt, auf die sich der Arzt verlassen kann.88 c) Eine deutlich erhöhte Aufklärungspflicht besteht, wenn die zulassungsüberschreitende Anwendung eines Arzneimittels als Heilversuch zu werten ist. Diesfalls gelten die für neue Behandlungsmethoden entwickelten Grundsätze: Als Korrektiv für die beim Heilversuch fehlende oder schwächer ausgeprägte Legitimation durch die medizinische Erfahrung gewinnen Einwilligung und Aufklärung umso mehr an Gewicht, je neuer und unerprobter die Methode ist:89 Zusätzlich zur erwähnten Risiko-Nutzen-Abwägung bedarf es einer weitergehenden Risikoaufklärung darüber, dass unbekannte Risken derzeit nicht auszuschließen sind; ebenso ist auch hier darüber aufzuklären, dass das Arzneimittel außerhalb der Zulassung verwendet wird.90 Auch darin wird ein weiteres Mal sichtbar, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von neuartigen Behandlungsmethoden nicht darin unterscheiden, ob es sich um eine zulassungsüberschreitende Arzneimittelanwendung oder um eine andere (nicht medikamentöse) neue Therapiemethode handelt. 4. Arzthaftung und Produkthaftung Die zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln kann auch das Verhältnis zwischen der Arzthaftung und der Produkthaftung des Herstellers berühren. Grundsätzlich gilt, dass die (verschuldensunabhängige) Produkthaftung nach dem PHG und die (immer verschuldensabhängige) Arzthaftung nebeneinander bestehen.91 Weder trifft es zu, dass ____________________
88 So gesehen scheint es nicht verwunderlich, dass der Aspekt der Zulassung bzw deren Reichweite in der haftungsrechtlichen Judikatur keine erkennbare Bedeutung hatte und dass – soweit aus der publizierten Rsp ersichtlich – die bisherigen Verfahren wegen mangelhafter Aufklärung bei medikamentösen Heilbehandlungen (FN 83) durchwegs den zulassungskonformen Gebrauch eines Arzneimittels betrafen. 89 Laufs in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch § 130 Rz 10. Zu den erhöhten Aufklärungsanforderungen bei noch nicht anerkannten Methoden mwN auch Aigner/Kierein/Kopetzki, ÄrzteG 1998 3 (2007) § 42 Anm 5. 90 BGH 27. 3. 2007, NJW 2007, 2770; Katzenmeier, JZ 2007, 1111; Hart, MedR 2007, 633. 91 Vgl den vom OGH 10. 7. 1997, 2 Ob 197/97b, RdM 1998/18, beurteilten Schadensfall (Tb-Impfung mit einem risikoreichen – wenngleich behördlich genehmigten –
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für die durch einen zulassungskonformen Einsatz verursachten Schäden ausschließlich der Hersteller im Rahmen seiner Produkthaftung einstehen muss und der anwendende Arzt von jedem Haftungsrisiko befreit wird, noch entspricht es der Rechtslage, dass bei einer zulassungsüberschreitenden Anwendung das Produkthaftungsrisiko auf den verordnenden Arzt übergeht.92 Allerdings besteht bei einer nicht durch die Zulassung gedeckten Anwendung die parallele Produkthaftung des Herstellers nicht mehr in gleichem Umfang. Das führt zwar zu keiner Verschiebung der Produkthaftung auf den Arzt,93 erhöht aber dessen Verantwortung bei der Indikationsstellung und Risikoabwägung. Denn beim bestimmungsgemäßen Gebrauch wird der Arzt im Allgemeinen darauf vertrauen dürfen, dass die Indikationen, die Wirksamkeit und die Risken bzw Nebenwirkungen des Arzneimittels mit den Informationen in der Fach- und Gebrauchsinformation übereinstimmen, ohne dass er – sofern keine Anhaltspunkte für eine gegenteilige Einschätzung vorliegen – verpflichtet ist, die Richtigkeit dieser Informationen zu überprüfen.94 Beim off-label-use muss er diese Beurteilungen anhand der verfügbaren Daten „allein“ treffen. Diese Situation unterscheidet sich allerdings nicht von der Anwendung anderer nicht-medikamentöser Methoden, bei denen es ebenfalls an einem standardisierten und durch eine behördliche Zulassung vorab legitimierten Risikoprofil mangelt. Dazu kommt, dass der zulassungsüberschreitende Gebrauch eines Arzneimittels noch nicht eo ipso zum Entfall der Produkthaftung des Herstellers führt. Während sich die Produkthaftung nach deutschem AMG auf Schäden durch den „bestimmungsgemäßen Gebrauch“ beschränkt,95 ist ____________________
Impfstoff ), der sowohl zu einem Amtshaftungsverfahren (wegen der behördlichen Zulassung), zur Produkthaftung des Herstellers bzw Importeurs (wegen fehlerhafter Darbietung) als auch zur Haftung des Anstaltsträgers (wegen mangelhafter Risikoaufklärung) geführt hat. 92 So wohl Bücheler ua, Dt Med WSchr 127 (2002) 2555, wonach beim off-labeluse der Arzt „das gesamte Haftungsrisiko“ trage. Zum Ganzen nun auch Bachinger/ Plank, RdM Ö&G 2008, 22 ff. 93 Außer er stellt das Arzneimittel selbst her: Plank, Ärzte, Krankenanstalten und Sozialversicherungsträger als Arzneimittelhersteller? RdM 2007, 135. 94 Zum Verhältnis von Produkthaftung und Arzthaftung vgl zB Iro, Schädliche Nebenwirkungen von Medikamenten und Produkthaftung, RdW 1997, 642; für die BRD mwN Hart, Arzneimittelbehandlung (FN 8) Rz 16. 95 § 84 Abs 1 dAMG. Propagiert der pharmazeutische Unternehmer die bestimmungswidrige Anwendung bei Ärzten und Patienten und nimmt er dadurch deren Vertrauen auf die Möglichkeit gefahrloser Anwendung im Rahmen dieses Anwendungsbereichs in Anspruch, ist der off-label-Gebrauch allerdings auch nach deutschem Recht als „bestimmungsgemäß“ zu beurteilen: Krüger, Haftung des pharmazeutischen Unternehmers bei Off-Label-Use, PharmR 2004/2, 52. Nach Meyer/Grunert, „Off-Label-Use“, Haftungs-
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ein Produkt nach § 5 Abs 1 Z 2 PHG auch dann fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, insb angesichts des „Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann“. Der Hersteller kann daher durch die – durch seinen Antrag determinierte – Begrenzung des Zulassungsumfanges und die Gestaltung der Fach- und Gebrauchsinformation sein Haftungsrisiko nicht ohne weiteres minimieren und auf jene Verwendungsweisen begrenzen, die der Zulassung entsprechen.96 Eine Haftung nach PHG kann unter Umständen auch für eine zulassungsüberschreitende Anwendung eintreten, sofern diese eben „billigerweise zu erwarten“ war. Bei der Auslegung des „billigerweise zu erwartenden Gebrauchs“ wird man sich daran zu orientieren haben, ob das geübte Verbraucherverhalten vorhersehbar und die Produktinformation tauglich abgefasst war.97 Ist etwa die Wirksamkeit eines Arzneimittels und dessen weitverbreitete klinische Anwendung außerhalb der erteilten Zulassung (zB für andere Indikationsgebiete, in anderer Dosis) in Fachkreisen bekannt – oder müsste dies dem Hersteller aus der gebotenen Produktbeobachtung bekannt sein –, dann wird den Hersteller eine Haftung nach PHG auch für eine geduldete „sozialübliche“ Off-label-Anwendung treffen,98 solange er die Anwendung nicht ausdrücklich als kontraindiziert deklariert. Umso mehr wird dies zu bejahen sein, wenn der Hersteller den zulassungsüberschreitenden Gebrauch selbst fördert, propagiert oder gar bewirbt.99
V. Off-label-use und Werbung Die Reichweite arzneimittelrechtlicher Zulassungen hat schließlich Bedeutung für das Werbe- und Wettbewerbsrecht: Gem § 50a Abs 1 AMG ____________________
und Regressrisiken für Ärzte, Apotheker und Pharmaunternehmen, PharmR 2005/5, 205 (206) führt auch die stillschweigende Billigung einer in der Praxis üblichen off-labelAnwendung zur Herstellerhaftung für „bestimmungsgemäßen Gebrauch“; ebenso nun Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht Rz 1288, 1512. 96 Die Zweckbestimmung durch den Erzeuger ist also nicht ausschließlich maßgebend: mwN Fitz/Grau/Reindl, PHG 2 (2004) § 5 Rz 68, 70 ff. 97 Zur berechtigten Sicherheitserwartung Fitz/Grau/Reindl, PHG 2 § 5 Rz 6 ff; Oblin, Die Haftung für fehlerhafte Arzneimittel und Medizinprodukte nach PHG, Wiener rechtswissenschaftliche Dissertation (2000) 106 ff. 98 Dazu allgemein – auch zur Indizwirkung der statistischen Häufigkeit eines Gebrauchs – Fitz/Grau/Reindl, PHG 2 § 5 Rz 74, 85. Für die BRD Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht Rz 1512; vgl auch FN 95. 99 Die Fehlerhaftigkeit eines Medikaments gem § 5 Abs 1 Z 1 PHG kann sich auch aus seiner Darbietung (zB Aufmachung, Werbung) ergeben: Iro, RdW 1997, 642; vgl auch Bachinger/Plank, RdM Ö&G 2008, 22.
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darf Werbung100 nur für zugelassene Arzneispezialitäten betrieben werden. Überdies darf die Werbung keine Aussagen enthalten, die dem Arzneimittel eine über seine tatsächliche Wirkung hinausgehende Wirkung beilegen, fälschlich den Eindruck erwecken, dass ein Erfolg regelmäßig erwartet werden kann, oder nicht mit Kennzeichnung, Gebrauchs- oder Fachinformation vereinbar sind (§ 50a Abs 3). Werbung für eine in Österreich nicht zugelassene Arzneispezialität verstößt daher gegen § 50a Abs 1 AMG und – bei Vorliegen der qualifizierten Voraussetzungen des § 1 UWG – auch gegen das UWG und kann überdies einen Unterlassungsanspruch gem § 86a AMG auslösen.101 Was Werbung für ein „nicht zugelassenes“ Arzneimittel ist, kann aber in Grenzfällen fraglich sein. Zweifellos stellt der Begriff „zugelassen“ im Kontext der Werbebeschränkungen nicht auf die nationale Herkunft des Rechtstitels der Zulassung ab; eine zentrale europäische Zulassung ist eine „Zulassung“ und schließt einen Verstoß gegen § 50a Abs 1 AMG ebenfalls aus. Werbeverbote für zulassungspflichtige, jedoch nicht zugelassene bzw nicht als zugelassen geltende Arzneimittel sind auch gemeinschaftsrechtlich unbedenklich und gem Art 87 der RL 2001/83/EG sogar geboten.102 Weniger eindeutig ist, ob eine Einfuhrbewilligung (bzw die Erfüllung der Meldepflicht) gem AWEG für den Import eines im Ausland zugelassenen Arzneimittels einer Zulassung gleichzuhalten ist. Die Möglichkeit einer Einzeleinfuhr nach § 5 Abs 1 Z 7 AWEG wird jedenfalls nicht ausreichen, weil diese im Prinzip immer offen steht und vom AMG gerade als Alternative zur „Zulassung“ konzipiert ist.103 ____________________
100 Der weite Werbebegriff des § 50 Abs 1 AMG umfasst alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und Marktbearbeitung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Zur Abgrenzung zwischen Arzneimittelwerbung und redaktionellen Beiträgen OGH 12. 6. 2007, 4 Ob 81/07a, ÖBl 2007/64. 101 Vgl OGH 16. 10. 2001, 4 Ob 188/01b, ÖBl 2002/4 – Desmogalen. Die Entscheidung macht deutlich, dass auch ein evidenter Gesetzesverstoß nicht automatisch zum Sittenwidrigkeitsvorwurf iSd § 1 UWG [alt] führen muss. Im konkreten Fall hat der OGH trotz Verletzung des § 50a Abs 1 AMG einen Verstoß gegen das UWG verneint, da die Werbung wegen des kleinen Kreises der betroffenen Patienten und der Verfügbarkeit eines gleichwertigen zugelassenen Arzneimittels nicht geeignet sei, dem Unternehmen einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. 102 RL vom 6. 11. 2001, 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl L 311/67 vom 28. 11. 2001 idF RL 2004/27/EG vom 31. 3. 2004, ABl L 136/85 vom 31. 3. 2004; dazu auch EuGH 11. 12. 2003, Rs C-322/01 – Doc Morris, Z 138, K&R 2004/3, 140 (147). 103 So zumindest im Ergebnis OGH 16. 10. 2001, 4 Ob 188/01b, ÖBl 2002/4, wo der OGH trotz der Möglichkeit einer Einzeleinfuhr ohne Bewilligung zum persönlichen Bedarf gem § 5 Abs 1 Z 8 AWEG einen Verstoß gegen § 50 Abs 1 AMG alt (nunmehr § 50a Abs 1 Z 1) bejahte. Nicht jedes Arzneimittel, das zulässigerweise in Verkehr gebracht werden darf, ist daher „zugelassen“ iSd § 50a Abs 1 AMG. Es setzt vielmehr einen produkt-
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Versteht man die Wendung „zugelassen“ in diesem Zusammenhang als Verweis auf die jeweilige normative Reichweite der Zulassungsentscheidung, dann ist auch die Werbung für ein zugelassenes Arzneimittel unzulässig, sofern sie sich auf Verwendungsarten (zB Anwendungsgebiete oder Personengruppen) bezieht, die nicht von der Zulassung gedeckt und die insofern „off label“ sind.104 In aller Regel werden solche Werbemaßnahmen auch mit § 50a Abs 3 Z 3 AMG in Konflikt geraten, weil und soweit sie mit den Inhalten der Fachinformation in einem sachlichen Widerspruch stehen.105 Diese restriktive Auslegung hat für sich, dass es einem Unternehmen nicht möglich sein soll, sich aus ökonomischen (und vielleicht aus haftungsrechtlichen) Erwägungen zunächst auf eine sehr enge Zulassung zu beschränken, um dann in der Folge einen „off-label“ Einsatz planmäßig und großflächig zu bewerben.106 ____________________
bezogenen – wie auch immer bezeichneten – Entscheidungsakt durch die zuständigen (nationalen oder europäischen) Organe voraus. Zur gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit eines Werbeverbotes für Arzneimittel, die aus einem anderen Mitgliedstaat im Einzelbezug eingeführt werden, vgl EuGH 10. 11. 1994, Rs C-320/93 – Lucien Ortscheit GmbH, WBl 1995, 24; siehe aber EuGH 8. 11. 2007, Rs C-143/06 (Zulässigkeit der Übersendung von Listen nicht zugelassener Arzneimittel an Apotheken). Zulässig ist nach OGH 13. 2. 2007, 4 Ob 243/06y, ZfRV 2007/11 (unter Berufung auf EuGH Rs 322/01 – Doc Morris, Z 144) auch eine Internetwerbung für den grenzüberschreitenden Versandhandel für eine nicht zugelassene und nicht rezeptpflichtige Arzneispezialität, die nach § 5 Abs 1 Z 7 AWEG in einer üblichen und dem persönlichen Bedarf des Empfängers entsprechenden Menge aus einer Vertragspartei des EWR eingeführt werden darf. 104 In diesem Sinn OGH 22. 6. 1999, 4 Ob 129/99w – Viagra. Da das – in concreto auch für den Einsatz bei Frauen beworbene – Arzneimittel nach den Zulassungsbedingungen nicht bei Frauen eingesetzt werden dürfe, werbe das beklagte Unternehmen „demnach auch noch nach der Zulassung … für ein nicht zugelassenes Arzneimittel“. In OGH 22. 5. 2007, 4 Ob 58/07v – Micardis Plus, wurde die Werbung für eine von der Fachinformation abweichende Dosierungshöhe allerdings nicht als Verletzung des § 50a Abs 1, sondern nur wegen Unvereinbarkeit mit den Dosierungsangaben in der Fachinformationen als Verletzung des § 50a Abs 3 Z 3 AMG qualifiziert. Zum Werbeverbot für off-label Anwendungen aus deutscher Sicht Doepner, Heilmittelwerbegesetz 2 (2000) § 3a Rz 6, 11; Stumpf, PharmR 2003/12, 423 ff. 105 Gem § 50a Abs 3 Z 3 AMG müssen Werbeaussagen mit der Kennzeichnung, Gebrauchs- oder Fachinformation „vereinbar“ sein. Sie dürfen also nicht im sachlichen Widerspruch zur Fach- und Gebrauchsinformation stehen; eine positive Deckung der Werbeaussagen durch die Fach- und Gebrauchsinformation ist aber nicht erforderlich (OGH 22. 5. 2007, 4 Ob 58/07v – Micardis Plus; OGH 12. 6. 2007, 4 Ob 78/07k – Diovan). Eine (nicht irreführende) Werbung mit Wirkungen, die nicht in der Fachinformation genannt sind, ist daher grundsätzlich zulässig (OGH 12. 6. 2007, 4 Ob 78/07k – Diovan), solange sie mit der Fachinformation nicht in Widerspruch steht, etwa weil die dort beschriebenen Nebenwirkungen in der Werbeaussage deutlich relativiert werden; auf den Wahrheitsgehalt der Werbung kommt es bei der Prüfung der Vereinbarkeit zwischen Werbung und Fachinformation nicht an (OGH 13. 11. 2007, 4 Ob 174/07b – „Pille“). 106 Stumpf, PharmR 2003/12, 424, dort auch zu verbleibenden Bedenken gegen ein striktes Verbot jeglicher Werbung für off-label-Anwendungen, die im Lichte des Art 10 EMRK und der – diesfalls möglicherweise gleichgerichteten – therapeutischen Interessen der Patienten (Art 2, 8 EMRK) zu vertiefen wären.
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V. Ausblick Die Problematik des Off-label-Einsatzes von Arzneimitteln würde sich erübrigen, wenn der Umfang der Zulassung mit den medizinisch erforderlichen Anwendungsmöglichkeiten zur Deckung gebracht werden könnte. Dieses Ziel ist unter den gegenwärtigen Marktmechanismen nicht zu erreichen. Denn die Grundannahme des Arzneimittelrechts, dass die pharmazeutischen Unternehmen ein für die Antragstellung hinreichendes ökonomisches Interesse an der Entwicklung und Zulassung eines Arzneimittels haben, versagt dort, wo dieses Interesse fehlt – etwa weil das Arzneimittel auch außerhalb der Zulassung ausreichend nachgefragt wird oder weil die betreffenden Krankheiten so selten sind, dass der potentielle Absatzmarkt für das Arzneimittel zu klein ist, um die hohen Entwicklungskosten zu decken.107 Für eine Reduzierung der Off-label-Anwendung werden unterschiedliche Strategien diskutiert, die darauf abzielen, die Hersteller zur Erweiterung bestehender Zulassungen zu motivieren oder zu zwingen.108 Einige davon haben bereits in die Rechtsordnung Eingang gefunden: So werden zum Beispiel für die europaweite Zulassung von Arzneimitteln für seltene Krankheiten („Orphan Drugs“) durch die VO 141/2000109 Anreize wie Fördermittel, die Erlassung von Zulassungsgebühren, verlängerter Patentschutz oder ein befristetes Alleinvermarktungsrecht für die entsprechende Indikation geboten.110 Bezogen auf die Kinderheilkunde wurde mit der VO 1901/2006 eine Kombination aus Anreizen und regulatorischen Verpflichtungen zur Förderung der Entwicklung und der Zulassung von Arzneimitteln für die pädiatrische Verwendung geschaffen.111 Ein ähnliches Ziel wurde schon mit der Eröffnung der Möglichkeit von klinischen Arzneimittelprüfungen an Minderjährigen auch ohne individuelle Indikation durch die RL 2001/20/EG verfolgt.112 Durch Art 126a der RL über den ____________________
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Wulffen, FS Wiegand 175. Dazu Engelmann/Meurer/Verhasselt, Lösungsansätze für die Problematik der Off-Label-Therapie mit Arzneimitteln, NZS 2003, 70 (73 ff ); Wulffen, FS Wiegand 174 ff. 109 VO (EG) Nr 141/2000 vom 16. 12. 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden, ABl L 018/1 vom 22. 2. 2000. 110 Vgl Engelmann/Meurer/Verhasselt, NZS 2003, 74; Koenig/Müller, EG-rechtliche Privilegierung der Hersteller von Arzneimitteln für seltene Krankheiten (Orphan Medicinal Products) durch Einräumung von Alleinvertriebsrechten versus Patentrecht? GRUR Int 2000, 121. 111 VO Nr 1901/2006 vom 19. 12. 2006 über Kinderarzneimitteln, ABl L 378/1 vom 27. 12. 2006. 112 Art 4 lit e der RL 2001/20/EG vom 4. 4. 2001 über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln, 108
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Gemeinschaftskodex 2001/83/EG113 und dessen Umsetzung durch § 7b AMG idF BGBl I 2005/153 gibt es nun auch erste Ansätze für die amtswegige Zulassung von Arzneispezialitäten aus Gründen des öffentlichen Gesundheitsschutzes. Ob diese Maßnahmen die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen werden – und wo ihre verfassungsrechtlichen Grenzen liegen –, steht freilich auf einem anderen Blatt.
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ABl L 121/34 vom 1. 5. 2001. Zur nationalen Umsetzung vgl § 42 AMG idF BGBl I 2004/35. 113 IdF der RL 2004/27/EG vom 31. 3. 2004, ABl L 136/85 vom 31. 3. 2004.
Heinz Krejci
Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand Skizzen zur „Garantiehaftung“ von Führungskräften im Amtshaftungs- und Organhaftpflichtrecht I. Problemstellung Das Sprichwort: „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand“, wird meist so verstanden, dass auch inkompetente Äußerungen inthronisierter Autoritäten Bedeutung und Gewicht haben. Das Sprichwort lässt sich aber auch noch in einem ganz anderen Sinn lesen: Wer ein Amt ausübt und sich somit öffentlich dazu bekennt, die damit verbundene Aufgabe erfüllen zu können, darf sich im Schadensfall nicht damit entschuldigen, dass ihm die zur Ausübung des Amtes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten gefehlt haben. Von einem Amtsträger wird vermutet, dass er auch über die für die Ausübung dieses Amtes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Stiftet er in Ausübung der von ihm übernommenen Funktion Schaden, so sind ihm solche Mängel selbst dann vorzuwerfen und zuzurechnen, wenn er subjektiv für diese Insuffizienz nichts kann. Dieser Umstand führt im Ergebnis zu einer Verschärfung der Haftung, die man „Garantiehaftung“ zu nennen pflegt. Wie wirkt sich dieser Umstand im allgemeinen Zivilrecht und Unternehmensrecht einerseits und im Amtshaftungs- und Organhaftpflichtrecht andererseits aus? Ich habe mich schon einmal ganz allgemein mit Fragen des Unterschiedes zwischen allgemeinem Schadenersatz- und Amtshaftungsrecht befasst;1 auf die im Folgenden zu erörternden Sonderfragen bin ich damals nicht eingegangen. Jüngste Entwicklungen haben dazu geführt, dass vor allem ausgegliederte Rechtsträger immer häufiger in quantitativ deutlich spürbarer Weise nebeneinander sowohl hoheitliche als auch privatwirtschaftliche Aufgaben wahrnehmen und somit zugleich dem Amtshaftungs- als auch dem allgemeinen Schadenersatzrecht unterstehen. Dieser Umstand macht deut____________________
1 Vgl Krejci, Amtshaftung und allgemeines Schadenersatzrecht, in: Aicher, Die Haftung für staatliche Fehlleistungen im Wirtschaftsleben (1988), 97 ff.
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licher als früher auf die bestehenden Systemunterschiede aufmerksam. Dies insbesondere im Hinblick auf die qualifzierte Haftung für sachverständiges Handeln, zu der auch die qualifizierte Haftung von Unternehmern und statutarischen Organwaltern gehört. Denn die öffentliche Hand hat zunehmend die privatrechtlichen Organisationsformen als Modelle für öffentliches Handeln entdeckt. Damit aber unterstehen dieselben Personen einmal dem Regime des AHG und OrgHG und das andere Mal unternehmens- und gesellschaftsrechtlichen Haftungsregeln, die ihrer Strenge wegen sogar den Anwendungsbereich des DHG verdrängen. So trennt die in vieler Hinsicht heikle Grenze zwischen Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung Haftungsbereiche von zunehmend unterschiedlicher Struktur, und es stellt sich die Frage, ob und inwieweit diese Unterschiede sachlich gerechtfertigt erscheinen. Mit einigen Aspekten dieser Problematik befasst sich der vorliegende Beitrag.
II. Die „Garantiehaftung“ des Sachverständigen und die Sorgfaltspflicht „ordentlicher und gewissenhafter“ Unternehmer und Organwalter § 1299 ABGB lautet: „Wer sich zu einem Amt, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerk öffentlich bekennt; oder wer ohne Not freiwillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, dass er sich den notwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zutraue; er muss daher den Mangel derselben vertreten. Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewusst; oder bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können, so fällt zugleich dem letzteren ein Versehen zur Last.“ Im Zuge der jüngsten Handelsrechtsreform2 wurde erwogen, die HGB-Regelung über die Sorgfalt des „ordentlichen Kaufmanns“ (§ 347 HGB) zu streichen, weil diese Vorschrift ohnehin nichts anderes zum Ausdruck bringe als die „Garantiehaftung“ des Sachverständigen nach § 1299 ABGB. Um jedoch den möglicherweise entstehenden Eindruck zu verhindern, diese qualifizierte Haftung würde fortan für Unternehmer nicht mehr gelten, behielt der Gesetzgeber die bisherige Regelung allerdings bei. Auf diese Weise wurde auch das Entstehen eines Spannungsverhältnisses zwischen den gesellschaftsrechtlichen Parallelbestimmungen und dem UGB vermieden. ____________________
2 Vgl das HaRÄG 2005, BGBl 2005/120; dazu Krejci, Reformkommentar UGB/ ABGB (2007) mwN.
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Im Wesentlichen lautet § 347 UGB also wie bisher: „Wer aus einem Geschäft, das auf seiner Seite unternehmensbezogen ist, einem anderen zur Sorgfalt verpflichtet ist, hat für die Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers einzustehen.“3 Eine Parallelregelung zu § 1299 zweiter Satz ABGB kennt § 347 UGB nicht. Dennoch darf davon ausgegangen werden, dass derjenige, der weiß oder erkennen hätte können, dass der Unternehmer ungeeignet ist, seine Geschäfte hinreichend professionell zu führen, mit einem Mitverschuldenseinwand zu rechnen hat. Dem Mitverschuldenseinwand iSd § 1299 zweiter Satz ABGB kommt wohl dann keine Bedeutung zu, wenn derjenige, dem der Kenntnis- bzw Fähigkeitsmangel des anderen Teils sehr wohl erkennbar ist, gar keine Chance hat, sich eines anderen Partners zu bedienen. Hat man es mit Behörden zu tun, so folgt schon aus den vorgeschriebenen Kompetenzen, aus den örtlichen und sachlichen Zuständigkeiten, dass man demjenigen nicht zu entrinnen vermag, der für die zu setzende Maßnahme oder zu treffende Entscheidung zuständig ist. Wer also vorweg einer ganz bestimmten „Amtsperson“ ausgeliefert ist und sich keine andere privatautonom aussuchen kann (Stichwort: „Abschlussfreiheit“), darf keinen Nachteil daraus haben, dass er rechtzeitig deren Unfähigkeit erkannte oder hätte erkennen müssen. Denn er entrinnt ihr nicht. Im Amtshaftungsfall kann der Rechtsträger also dem Geschädigten nicht einwenden, er hätte erkennen können, dass das Organ über die für sein Handeln erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht verfüge. Auch im allgemeinen Zivilrecht kann nichts anderes gelten, wenn in einem konkreten Fall die Erkennbarkeit von Qualifikationsinsuffizienzen nicht gepaart ist mit der Möglichkeit, sich einen anderen Vertragspartner zu suchen. Im Folgenden interessiert freilich anderes. Der Sorgfaltspflicht des „ordentlichen Unternehmers“ im Sinne des § 347 UGB entspricht jene des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ gemäß §§ 84 Abs 1; 99 AktG oder die des „ordentlichen Geschäftsmanns“ gemäß §§ 25 Abs 1; 27; 33 Abs 1 GmbHG. Auch das VerG 2002 kennt die Sorgfalt eines „ordentlichen und gewissenhaften Organwalters“. Vergleichbare Regelungen finden sich mitunter auch in Sondergesetzen, denen man üblicherweise keine besondere Aufmerksamkeit ____________________
3 Dazu sagen die ErläutRV zu § 347 UGB: „Die vorgeschlagene Bestimmung entspricht dem § 1299 ABGB und könnte deshalb einfach gestrichen werden, da auch hier eine materielle Änderung der Rechtslage nicht angestrebt wird. Jedoch könnte auch hier die Gefahr des Missverständnisses bestehen, dass Untenehmer künftig nicht mehr dem strengen Haftungsmaßstab unterworfen sein sollen. Deshalb soll die Regelung inhaltlich aufrecht erhalten bleiben und nur terminologisch angepasst werden.“ Vgl dazu Schauer in: Krejci, Reformkommentar UGB/ABGB (2007) § 347 UGB Rz 1 und 2.
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schenkt: So legt zB das Buchhaltungsagenturgesetz4 in seinem § 8 Abs 1 fest, dass den Geschäftsführer der Buchhaltungsagentur des Bundes (einer rechtsfähigen Anstalt öffentlichen Rechts) „die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsmannes“ treffen und er in Ausübung seiner Tätigkeit „die kaufmännischen Grundsätze zu beachten“ hat. Das BHAG-G unterscheidet diesbezüglich nicht zwischen den hoheitlichen und den privatwirtschaftlichen Aufgaben des Geschäftsführers. Die qualifizierte Sorgfaltspflicht trifft insbesondere auch Mitglieder statutarischer Kontrollorgane wie die zB Aufsichtsratsmitglieder. Das UG 2002 spricht hingegen nicht von der Sorgfalt eines „ordentlichen“ bzw „gewissenhaften“ Organwalters, sondern mehrfach (lediglich) von der „entsprechenden Sorgfalt“. So hat zB das Rektorat die Gebarung der Universität nach den Grundsätzen der Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit und Transparenz zu gestalten und den Haushalt der Universität „mit entsprechender Sorgfalt zu führen“. Die Anforderungen an die gebotene Sorgfalt ergeben sich aus den Umständen der gestellten Aufgabe. Sofern diese Aufgabe Sachverstand erfordert, hat auch hier derjenige, der sich bereit erklärt, die Aufgabe zu übernehmen, über den erforderlichen Sachverstand zu verfügen. Stets geht es um einen besonderen, fachspezifischen Sorgfaltsmaßstab; er entspricht der im bürgerlichen Recht üblichen rollenspezifischen Konkretisierung der allgemeinen Fahrlässigkeitsmaßstäbe. Obwohl Fragen der Fahrlässigkeit zum Bereich der subjektiven Vorwerfbarkeit und somit zum Problemkreis des Verschuldens zählen, wird die Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers bzw Organwalters nach objektiven Gesichtspunkten beurteilt. Der Unternehmer bzw Organwalter hat auch dafür einzustehen, dass er über die für seine Tätigkeit gebotenen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt. Er kann sich also nicht damit entschuldigen, dass ihm diese Eigenschaften, ohne etwas dafür zu können, abgehen und ihm daher kein Vorwurf gemacht werden dürfe, dass er angesichts dieses Mangels die ihm übertragene Aufgabe nicht gehörig erfüllen konnte. Man spricht in diesem Zusammenhang wie erwähnt von einer Art „Garantiehaftung“. Der Unternehmer ist insoweit einem Sachverständigen gleichzuhalten.5 Bei derlei objektiven Fahrlässigkeitsmaßstäben geht es also nicht um Elemente des eigentlichen Verschuldens als vielmehr um Aspekte einer gesetzlich nicht näher beschriebenen Rechtswidrigkeit. Nicht jedes gebotene ____________________
4 BG, mit dem ein Gesetz über die Errichtung der Buchhaltungsagentur des Bundes (Buchhaltungsagenturgesetz – BHAG-G) erlassen sowie das Bundeshaushaltsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 (BFG 2004) geändert werden, BGBl I 2004/37 idF BGBl I 2004/93. 5 Vgl Krejci, Unternehmensrecht 4 312; derselbe, Gesellschaftsrecht I, 96.
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oder verbotene Verhalten ist vorweg im Gesetz umschrieben. Vieles ergibt sich im gegebenen Zusammenhang auch aus der jeweils erforderlichen lex artis, somit aus einem bestimmten Sachverstand (zB der Betriebswirtschaftslehre, der Medizin, der Technik) sowie aus allgemeinen Verhaltensgeboten dessen, was man natürliche Vernunft und Redlichkeit zu nennen pflegt. Die ungesatzten Handlungsmaximen ergeben sich auch aus branchenspezifischen Standards, Übungen und Anschauungen. Mitunter können auch besondere Umstände des Einzelfalls von Einfluss sein.6 Derartige Generalklauseln haben zwar einerseits den Vorteil, umfassend zu sein, andererseits den Nachteil, dass man sehr oft erst im Nachhinein aus einem Gerichtsurteil erfährt, was man im konkreten Fall rechtlich korrekter Weise hätte tun müssen. Der Handelnde trägt in solchen Fällen das Risiko, dass man „nachher klüger als zuvor“ ist. Auch wenn der Gesetzgeber für Organwalter eines kollegialen Leitungsorgans und für Organwalter eines Aufsichtsorgans die gleiche Sorgfaltsformel verwendet, so sind doch funktionsspezifische Differenzierungen zu beachten. Es ist jene „Ordentlichkeit“ bzw „Gewissenhaftigkeit“ gefordert, die für die Ausübung der jeweiligen Funktion geboten ist. Daher sind die Anforderungen an den Organwalter eines Leitungsorgans nicht ident mit jenen an den Organwalter eines Aufsichtsorgans. Denn das Leitungsorgan hat die Geschäfte zu führen, das Aufsichtsorgan hat hingegen die Geschäftsführung zu kontrollieren.7 Sofern es zwischen Organwaltern zu einer Geschäftsaufteilung kommt, ist auch dieser Umstand zu berücksichtigen. Zwischen der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Ressortleiters und der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organwalters, der diesen Ressortleiter in der Ausübung seiner Funktion lediglich gehörig zu überwachen hat, ist zu unterscheiden. Eine vergleichbare Differenzierung ist zwischen Aufsichtsratsmitgliedern, die in einem bestimmten Ausschuss tätig sind, und den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern zu beachten. Dabei geht es um die Relevanz der jeweils unterschiedlichen Aufgabenstellung. Wenn der OGH8 von Aufsichtsratsmitgliedern „ein größeres Maß an Erfahrung und Wissen als das eines durchschnittlichen Kaufmanns“ und die „Fähigkeit, schwierige rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen,“ fordert, so erscheint dieser Ansatz als zu streng. Nicht jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied muss über die Summe jener Fähigkeiten verfügen, die der Aufsichtsrat als Kollegialorgan insgesamt benötigt. ____________________
Krejci, Unternehmensrecht 4 312; derselbe, Gesellschaftsrecht I, 97. Vgl OGH GesRZ 2002, 86, worin zum Ausdruck gebracht wird, dass der Aufsichtsrat kein „Supergeschäftsführungsorgan“ ist; Krejci, Gesellschaftsrecht I, 96. 8 EvBl 1978/4. 6 7
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Auch diesbezüglich kann es zu einer Aufgabenteilung kommen, so dass es genügt, dass die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder über unterschiedliche Fähigkeiten verfügen9. Auch darf nicht übersehen werden, dass Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt in der Regel nebenberuflich ausüben, was – unabhängig von den erforderlichen Fähigkeiten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds – gegen eine Überspannung der Anforderungen an die Zeit und Intensität spricht, mit welcher sich das Aufsichtsratsmitglied seinen Aufgaben widmen kann. Es gibt auch Fälle, in denen ein Organwalter dem Unternehmen durch eine Fehlentscheidung einen hohen Schaden zugefügt hat, der Organwalter aber dennoch nicht zur Haftung herangezogen werden kann, weil ihm trotz des eingetretenen Verlustes kein Vorwurf sorgfaltswidrigen Verhaltens zu machen ist. Was im Privatrecht als haftungsrelevante Grenze zwischen sanktionslosem, weil erlaubtem, Eingehen eines unternehmerischen Wagnisses einerseits und vorwerfbarer Sorgfaltspflichtverletzung andererseits bekannt ist, findet sich auf affine Weise im Bereich der Hoheitsverwaltung als Grenze zwischen zulässigem Ausschöpfen zugestandenen Ermessens einerseits und Pflichtverletzung andererseits wieder. Im Unternehmensrecht darf in diesem Zusammenhang auf die sogenannte Business Judgement Rule, die auch in Österreich Beachtung verdient, hingewiesen werden. Ihr zufolge ist zu vermuten, dass ein Organwalter bei einer Geschäftsentscheidung, die im guten Glauben erfolgte, seine der Gesellschaft gegenüber geschuldete Sorgfaltspflicht erfüllt hat, wenn er kein eigenes Interesse an der Sache hat, wenn er die Entscheidung unabhängig von anderen interessierten Personen trifft, wenn er sich ferner über die Sache ausreichend informiert hat und wenn er nachvollziehbar im Interesse der Gesellschaft zu handeln geglaubt hat. Trifft all dies zu, dann haftet der Organwalter nicht für Nachteile, die aus seiner Entscheidung und dem ihr folgenden Verhalten resultieren.10 So schwierig die Abgrenzung des Bereichs der „Garantiehaftung“ des Unternehmers und gesellschaftsrechtlichen Organwalters auch sein mag, so klar ist doch, dass Schädiger, die diesem Personenkreis angehören, den Verschuldensvorwurf nicht mit dem Hinweis zurückweisen können, dass ihnen die für ihre Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten abgehen. Vielmehr haben sie diesen Mangel zu verantworten. ____________________
9 Straube, Zur Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern, GesRZ 1981, 150; Kastner, Aufsichtsrat und Realität, in: FS Strasser (1983), 848; Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht 5, 262 mwN. 10 Vgl Grass, Business Judgement Rule (1998); U. Torggler, Business Judgement Rule und unternehmerische Ermessensentscheidung, ZfRV 2002, 133; Krejci, Sorgfalt und Unternehmerwagnis, FS Doralt (2004) 351; derselbe, Gesellschaftsrecht I, 98.
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Da das Fehlen erforderlicher Kenntnisse oder Fähigkeiten vorweg den Haftpflichtigen jedenfalls und uneingeschränkt belastet, erübrigt sich grundsätzlich die Frage, ob dieses Fehlen der gebotenen Qualifikation nun als „leichte“ oder „grobe“ Fahrlässigkeit einzustufen ist. Auch wenn jemandem ein Amt geradezu aufgedrängt wird, für das er nicht qualifiziert ist, entschuldigt dies nicht die Annahme dieses Amtes durch den Ungeeigneten und damit die Inkaufnahme künftiger Fehlleistungen, die im Mangel an erforderlicher Kenntnis und Fähigkeit ihren Grund haben. Wer den Tatbestand des § 1299 ABGB bzw die affinen Tatbestände des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts erfüllt, hat den Mangel der entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten unbedingt zu vertreten.11 Wird dem objektiven Sorgfaltsmaßstab nicht entsprochen, so kann sich der Belangte nicht mit dem Fehlen der geforderten Eigenschaften entlasten.12 Der Gesetzgeber stellt diesbezüglich eine unwiderlegliche Vermutung auf.13 Die objektive Sorgfaltswidrigkeit führt im Ergebnis zu einem Verhaltensunrecht; die subjektive Vorwerfbarkeit wird unwiderleglich unterstellt.14 Diese Vermutung gilt allerdings nur für das Fehlen des gebotenen Sachverstands an sich; bereits nicht mehr für die Frage, ob der Schädiger seine vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse im konkreten Fall angesichts der gegebenen Umstände auch einsetzen konnte.15 Fehlleistungen hängen freilich in vielen Fällen nicht damit zusammen, dass es dem Schädiger an den für seine Tätigkeit erforderlichen Kenntnissen oder Fähigkeiten mangelt. Vielmehr kann es trotz Vorliegens der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vorwerfbaren Verfehlungen kommen. Die an sich vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten werden eben nicht hinreichend oder nicht richtig eingesetzt. Insofern versteht sich von selbst, dass dann zwischen „leichter“ und „grober“ Fahrlässigkeit unterschieden werden kann. Dieser Problemkreis bleibt im vorliegenden Zusammenhang ausgeklammert. Sehr wohl aber interessiert, ob das Fehlen fachlicher Qualifikation Einfluss auf die Frage hat, ob leichte oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt. ____________________
11 OGH, SZ 49/47; RZ 1981/15; EvBl 1979/135; EvBl 1981/159 = JBl 1982, 145; HS 24.663; wbl 2002, 325 = GesRZ 2002, 86 = ZIK 2002, 92; Koziol, Haftpflichtrecht II 2, 182 f; Reischauer in: Rummel 3 § 1299 Rz 5. 12 OGH, GesRZ 1989,223 = RdW 1989, 328 = wbl 1989, 280 = HS 20.702; 24.663. 13 So kann sich zB ein Gynäkologe bei einem Kunstfehler nicht mit dem Hinweis entlasten, ihm habe es im gegebenen Fall an den entsprechenden Fachkenntnissen gemangelt: OGH, JBl 1960, 188. 14 Reischauer in: Rummel 3 § 1299 Rz 5. 15 OGH, JBl 2004, 327; dem Chirurgen wird während der Operation plötzlich übel; der Kraftfahrer erleidet während der Fahrt eine Bewusstseinsstörung; vgl diese Beispiele bei Reischauer in: Rummel 3 § 1299 Rz 5.
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Mag auch im Allgemeinen das Nichteinsetzen von Fachkenntnissen bzw von fachlichen Fähigkeiten an sich nicht schon grobe Fahrlässigkeit bedeuten16, so ist der Sorgfaltsmaßstab für die Tätigkeit eines Fachmanns denn doch ein höherer als für Verrichtungen, die man getrost jemandem ohne einschlägige Vorbildung anvertrauen kann, so dass ein und dasselbe Verhalten gemessen an § 1299 ABGB grobe, gemessen an § 1297 ABGB hingegen bloß leichte Fahrlässigkeit bedeuten kann.17
III. „Garantiehaftung“ des Rechtsträgers im Amtshaftungsrecht Wieweit wirkt sich der Umstand, dass auf das Verhalten eines Organwalters das Amtshaftungs- bzw Organhaftpflichtrecht (AHG, OrgHG) anzuwenden ist, auf die Beurteilung der gebotenen Sorgfalt aus? Zu klären ist, ob und inwieweit die Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmanns in Fragen der Hoheitsverwaltung eine Rolle spielt. Vorerst ist festzuhalten, dass etwaige gesetzliche Haftungsausschlüsse bzw Haftungsminderungen keinen Einfluss auf die Konzeption der anzulegenden Sorgfaltsmaßstäbe als solche haben. Wenn ein Organwalter zB nach AHG nicht gegenüber Dritten oder sowohl nach AHG als auch nach OrgHG nur in beschränkter Weise gegenüber seinem Rechtsträger haftet, so bedeutet dies nicht, dass die spezifischen Gebote, seine Kenntnisse gehörig anzuwenden und seine Fähigkeiten und Kräfte gehörig anzuspannen, dadurch verringert oder gemindert würden. Die Fahrlässigkeitsmaßstäbe als solche bleiben vielmehr unverändert die gleichen. Die gesellschaftsrechtliche Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmanns betrifft an sich privatrechtliche Rechtsbeziehungen. Es geht dabei um den erhöhten Schutz, der jenen zukommen soll, die ihr Vermögen bzw ihr Anliegen und ihre Interessen einem anderen aufgrund seiner behaupteten Kenntnisse und Fähigkeiten anvertrauen; ebenso geht es um den Schutz der Gesellschafter und mittelbar auch um den Schutz der Gläubiger der Gesellschaft. Denn auch deren Interessen werden gravierend tangiert, wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht mit hoher Anspannung der erforderlichen Fähigkeiten und Kräfte verwaltet und damit zumindest erhalten wird. Es wäre befremdlich, wollte man im Rahmen des hoheitlichen Wirkens des Staates den Schutz der Adressaten der Staatsverwaltung für geringer erachten als den Schutz der Privaten voreinander. Auch für den Bereich ____________________
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OGH, SZ 40/81. Reischauer in: Rummel 3 § 1324 Rz 3; § 1297 Rz 3; § 1299 Rz 3.
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der Hoheitsverwaltung leuchtet ein, dass der Staat mit Organen zu arbeiten hat, die fachlich geeignet sind, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Somit kann sich der amtshaftende Rechtsträger dem Geschädigten gegenüber nicht damit entschuldigen, sein Organ wäre für die ihm übertragene Aufgabe mangels der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die mit diesem Mangel zusammenhängenden Fehlleistungen nicht verantwortlich, weil es bedauerlicherweise und ohne, dass man es ihm subjektiv vorwerfen könnte, über die für die Erfüllung seiner Pflichten erforderliche Qualifikation nicht verfüge. Es gibt keinen vernünftigen Grund, der es rechtfertigen könnte, dass im Bereich der Hoheitsverwaltung Kenntnis- und Fähigkeitsmangel entschuldige. Vielmehr muss auch im Bereich der Hoheitsverwaltung gelten, dass derjenige, der ein Amt übernimmt, dafür einzustehen hat, dass er auch über die hiefür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt. Überdies ist der Rechtsträger dafür verantwortlich, dass Positionen, die qualifzierte Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern, auch mit Leuten besetzt werden, die diese qualifzierten Kenntnisse und Fähigkeiten aufweisen. Den Rechtsträger trifft also unabhängig von der das ungeeignete Organ treffenden Vorwerfbarkeit, das es überfordernde Amt übernommen zu haben, ein Auswahl- bzw Organisationsverschulden, wenn unqualifizierte Personen zum Einsatz kommen. Ist für eine bestimmte Tätigkeit ein rechtskundiger Organwalter erforderlich, kann sich weder der Rechtsträger gegenüber dem Dritten noch der Organwalter gegenüber dem Rechtsträger damit entschuldigen, dass die gebotene Rechtskunde subjektiv nicht vorlag. Wo Sachverstand geboten ist, hat Sachverstand vorzuliegen; sein Fehlen entschuldigt nicht. Der objektive Verhaltensmaßstab des ordentlichen Organwalters (als Variante zum privatrechtlichen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmann oder Unternehmer) spielt also auch im Bereich der Hoheitsverwaltung eine adäquate Rolle. Manche Sonderprobleme dieses Verhaltensmaßstabes stellen sich „in Vollziehung der Gesetze“ freilich anders als im Unternehmensrecht, weil die Staatsverwaltung aufgrund des Legalitätsprinzips durch oft ausführliche Rechtsvorschriften weitaus „enger geführt“ ist als das unternehmerische Handeln im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung. Dennoch steht außer Frage, dass auch die Hoheitsverwaltung mitunter hohe Qualifikationen erfordert. Fehlt es einem Organ iSd AHG an der für seine Tätigkeit erforderlichen Qualifikation und ist dieser Umstand schadenskausal, so hat der Rechtsträger allein schon deshalb dafür einzustehen.
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Auch wenn das AHG und das OrgHG nicht ausdrücklich vom „ordentlichen und gewissenhaften“ Organ sprechen, untersteht die Haftung des Rechtsträgers nach AHG, soweit es um das Fehlverhalten von Organen geht, denen eine Tätigkeit zugewiesen ist, die der Beherrschung einer lex artis bedarf, dem gleichen Regime der „Garantiehaftung“, das § 1299 ABGB für Sachverständige vorsieht. Der Rechtsträger kann sich demnach auch dann, wenn das nicht ausreichend qualifizierte Organ kein subjektiver Vorwurf bezüglich seiner mangelnden Kenntnisse und Fähigkeiten treffen sollte (was wohl eher selten der Fall sein dürfte), nicht mit diesem Kenntnis- und Fähigkeitsmangel entschuldigen. Das ergibt sich schon aus § 1 Abs 1 AHG, der darauf verweist, dass der Rechtsträger „nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts“ haftet.
IV. Amtshaftungsrechtliche Haftungs- und Regressminderungen versus Haftungs- und Regressminderungsausschlüsse im nichthoheitlichen Bereich? Im Hinblick auf Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder einer GmbH sowie auf Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der AG, aber auch im Hinblick auf Organwalter vereinsrechtlicher Leitungsorgane und auf Organwalter von Gebietskörperschaften wird bezweifelt, ob das DHG Anwendung findet,18 die genannten Organwalter mögen entweder Dienstnehmer oder arbeitnehmerähnliche Personen sein.19 Da Schadenersatzansprüche der Aktiengesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied zum Haftungsfonds der Gesellschaft zählen, wirken etwaige Haftungsminderungen nach dem DHG nach herrschender Rechtsprechung nicht im Außenverhältnis.20 Dazu ist allerdings anzumerken, dass auch das DHG als solches, soweit Dienstnehmer in Ausübung ihres Dienstes überhaupt von Dritten direkt in Anspruch genommen werden können, nicht im Verhältnis zu diesen anwendbar ist.21 Es kommt also nicht auf das Außen-, sondern auf das Innenverhältnis an. Der gesellschaftsrechtliche Ansatz, das DHG auch im Innenverhältnis in Fällen der Vorstandshaftung für nicht anwendbar zu halten, liegt in der besonderen Verantwortung des Vorstandsmitglieds, die durch die Haf____________________
Vgl dazu Kerschner, DHG 2 § 1 Rz 4 bis 7. Da Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft von vornherein nicht aus Dienstnehmer zu qualifizieren sind, kommt bei ihnen im Hinblick auf eine etwaige Anwendung des DHG nur die Rolle eines wirtschaftlich Abhängigen in Betracht. 20 OGH, SZ 46/113; Berger, DRdA 1978, 96; Jabornegg, DRdA 1991, 122 ua. 21 § 3 DHG; ErlB RV 631 BlgNR 10. GP, 3; SZ 46/19; Kerschner, DHG 2 § 3 Rz 1. 18 19
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tungsminderungen des DHG nicht verwässert werden soll. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass es der Gesellschaft durchaus freisteht, die Haftung ihrer Organwalter privatautonom im Rahmen des gesetzlich Zulässigen zu reduzieren, solange der zwingende Gläubigerschutz dadurch nicht geschmälert wird. Es macht allerdings einen Unterschied, ob die Gesellschaft von sich aus die Haftung ihrer Organwalter einschränken will, oder ob ein diesbezüglicher Gesetzeszwang besteht, wie dies bei Anwendbarkeit des DHG der Fall ist. Geht man von einer erhöhten Verantwortung der gesellschaftsrechtlichen Organwalter aus, spricht dies also dagegen, die Organwalterhaftung vorweg dem Minderungsregime des DHG zu unterstellen; dies auch dann, wenn es der Gesellschaft selbst nicht verboten ist, im Innenverhältnis und unter Beachtung des zwingenden Gläubigerschutzes die gesellschaftsrechtlichen Haftungsanforderungen zu reduzieren. Nur soweit es um Schadensfälle geht, die mit der erhöhten Organverantwortung nichts zu tun haben, erscheint eine Anwendung des DHG im Verhältnis zwischen Organwalter und Gesellschaft gerechtfertigt.22. Nach hL ist das DHG wegen der Sonderhaftungsnorm des § 25 GmbHG („Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“) auch auf GmbH-Geschäftsführer nicht anwendbar.23 Entsprechendes gilt für gleichartige gesellschaftsrechtliche Haftungsregeln. Schon vor der Geltung des VerG 2002 trat Ostheim24 für eine analoge Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen auf Vereinsorgane ein. Nunmehr kennen die §§ 25 ff VerG 2002 durchaus im Sinne Ostheims besondere Haftungsregeln für Organwalter und Rechnungsprüfer des ideellen Vereins. Nicht zufällig ähneln diese Vorschriften jenen des Gesellschaftsrechts. Auch das VerG 2002 stellt auf die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organwalters“ ab. Nach § 26 VerG 2002 sind privatautonome Einschränkungen der Haftung Dritten gegenüber unwirksam. Die im Gesellschaftsrecht (wie auch im Genossenschaftsrecht) entwickelten Erwägungen, die gegen eine Anwendung des DHG sprechen, greifen also auch im Recht der ideellen Vereine. Das Spannungsfeld zwischen erhöhter Haftungsverantwortung und DHG wurde auch schon im Hinblick auf Organwalter von Gebietskörperschaften geortet.25 Gesicherte Ergebnisse zu dieser Problematik liegen bislang allerdings noch nicht vor. ____________________
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Vgl Köck in: Tomandl, Haftungsprobleme im Arbeitsverhältnis (1991), 45. OGH, EvBl 1979/135; Kastner/Doralt/Nowotny5, 397; Ostheim in: Korinek/ Krejci, Der Verein als Unternehmer (1988) 188 FN 326 ua. 24 Ostheim in: Korinek/Krejci, Der Verein als Unternehmer (1988), 189. 25 Vgl Kerschner, DHG 2 § 1 Rz 7. 23
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Da es in diesem Zusammenhang keineswegs nur darum geht, die Gläubiger zu schützen, sondern auch darum, die besondere Verantwortung von Organwaltern mit Hilfe besonderer Haftungsregeln zu betonen, erscheint es sachlich durchaus gerechtfertigt, dieses Ziel nicht durch das DHG, konkret: durch die im DHG vorgesehenen Haftungsminderungen, zu unterlaufen. Der Ansicht, dass das DHG für die Sonderhaftung für gesellschaftsrechtliche Leitungs- und Kontrollorgane nicht anwendbar sei, wird allerdings entgegengehalten, dass das DHG lediglich im Hinblick auf die Haftungslage gegenüber Dritten und damit im Hinblick auf den gesellschaftsrechtlich gebotenen Gläubigerschutz nicht schlagend werde, sehr wohl aber im Innenverhältnis zu beachten sei, sofern der Gläubigerschutz dadurch nicht beeinträchtigt wird. Demnach gelte das DHG sehr wohl, soweit der uneingeschränkte Ersatzanspruch nicht zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich sei.26 Diese Meinung hat vor allem den Gläubigerschutz im Auge. Die „Garantiehaftung“ der gesellschaftsrechtlichen Organwalter beruht allerdings nicht auf dem Gedanken des Schutzes von Gesellschaftsgläubigern (und damit auf dem Prinzip der Kapitalerhaltung), sondern hat ihr eigenes rechtsdogmatisches Fundament, wobei zu beachten ist, dass der Gedanke der „Garantiehaftung“ nicht jedwede Organwalterhaftung betrifft, sondern nur solche Fälle, in denen ein Qualifikationsmangel schadenskausal ist. Die „Garantiehaftung“ regelt somit nur einen Teilbereich der Haftung, die einen „Sachverständigen“ bzw gesellschaftsrechtliche Organwalter treffen kann. Die beiden dogmatischen Ansätze haben ein unterschiedliches Verhältnis zur Frage des Gesetzeszwanges. Der Gläubigerschutzgedanke kann nur greifen, wenn ihm ein Rechtszwang zugunsten der Gläubiger entspricht. Die Gesellschaft soll also nicht auf die ihr zustehenden Ersatzansprüche zulasten ihrer Gläubiger verzichten können. Solange der den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsfonds der Gesellschaft (zu dem auch die Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organe gehört) durch Verzichte auf Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organwalter nicht geschmälert wird, kann es den Gläubigern gleichgültig sein, ob die Gesellschaft lediglich für sich auf solche Ersatzansprüche verzichtet. Der Verzicht wirkt dann nur im Verhältnis zur Gesellschaft. Sie kann auf den schädigenden Organwalter nicht mehr greifen; die Gläubiger gegebenenfalls aber schon. Dabei sind verschiedene Schutzintensitäten denkbar. Entweder können die Gläubiger jedenfalls und uneingeschränkt die Ersatzansprüche der Gesellschaft zur Befriedigung ihrer Ansprüche gegen die ____________________
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Kerschner, DHG 2 § 1 Rz 5.
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Gesellschaft nutzen; oder die Ersatzansprüche der Gesellschaft stehen den Gläubigern nur dann zur Verfügung, wenn sie auf sonstige Weise aus dem übrigen Vermögen der Gesellschaft nicht befriedigt werden können. Die letztere Lösung stellt die Gläubiger schlechter, weil die Anspruchsdurchsetzung von weiteren Bedingungen abhängig gemacht wird. Darauf ist hier nicht weiter einzugehen. Der Vertragspartner eines Sachverständigen kann hingegen ohne weiteres auf seine Ersatzansprüche verzichten; dies auch im Hinblick auf die „Garantiehaftung“. Insofern besteht also kein Gläubigerschutz. Ist der Sachverständige allerdings ein gesellschaftsrechtlicher Organwalter, so erfasst der Schutz der Gesellschaftsgläubiger auch den „Garantieersatzanspruch“ der Gesellschaft gegen den sachverständigen Organwalter. Die „Garantiehaftung“ ist also nicht ihrer selbst willen unabdingbar oder unverzichtbar, sondern – im vorliegenden Zusammenhang – nur, soweit sie Teil der Sonderhaftung gesellschaftsrechtlicher Organwalter ist. Das heißt: Kommt es lediglich im Hinblick auf einen Sachverständigen, der nicht zugleich auch gesellschaftsrechtlicher Organwalter ist, zu einer „Garantiehaftung“, dann erscheint diese an sich abdingbar bzw verzichtbar; ist sie hingegen Teil einer Haftung eines gesellschaftsrechtlichen Organwalters, kann sie im Verhältnis zu Gesellschaftsgläubigern ebenso wenig abbedungen oder auf sie verzichtet werden, wie dies bei sonstigen Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre gesellschaftsrechtlichen Organwalter der Fall ist. Die Nichtanwendung des DHG auf die Sonderhaftung gesellschaftsrechtlicher Organwalter bedeutet im Hinblick auf Gesellschaftsgläubiger also nicht, dass das DHG auch auf sonstige Fälle der „Garantiehaftung“ von Sachverständigen unanwendbar ist. Dennoch wirkt sich die „Garantiehaftung“ Sachverständiger auch auf die Anwendung des DHG aus: Auszugehen ist davon, dass das DHG die Dienstnehmerhaftung keineswegs grundsätzlich beschränkt, sieht man davon ab, dass Dienstnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen für „entschuldbare Fehlleistungen“ (also für culpa levissima) nicht haften.27 Im Übrigen sind diese Personen aber uneingeschränkt nach den Grundsätzen des allgemeinen Schadenersatzrechts nicht anders als andere Schädiger verantwortlich. § 2 DHG sieht allerdings vor, dass im Falle fahrlässiger Schädigung „das Gericht aus Gründen der Billigkeit den Ersatz mäßigen oder, sofern der Schaden durch einen minderen Grad des Versehens zugefügt worden ist, auch ganz erlassen“ kann. Was in diesem Zusammenhang als „billig“ ____________________
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Vgl wN bei Kerschner, DHG 2 § 2 Rz 40.
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anzusehen ist, konkretisiert iS eines „beweglichen Systems“ § 2 Abs 2 DHG. Dabei wird auf das Ausmaß der mit der ausgeübten Tätigkeit verbundenen Verantwortung, auf das Verhältnis der Entgelthöhe zum mit der ausgeübten Tätigkeit verbundenen Wagnis, auf den Grad der Ausbildung des Dienstnehmers, die Bedingungen, unter denen die Dienstleistung zu erbringen war und darauf abgestellt, ob mit der vom Dienstnehmer erbrachten Dienstleistung erfahrungsgemäß die nur schwer vermeidbare Möglichkeit der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens verbunden ist. Daraus erhellt, dass die richterliche Mäßigung umso geringer sein wird, je höher die vom Dienstnehmer übernommene Verantwortung ist und je mehr sich diese Verantwortung in einer entsprechend hohen Entlohnung widerspiegelt. In diesem Zusammenhang ist nach dem Stellenwert bzw „Gewicht“ eines für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Sachverstands zu fragen. Es ist allgemein anerkannt, dass § 1299 ABGB auch für unselbständig Tätige gilt.28 Es kann also auch ein Dienstnehmer Sachverständiger iSd § 1299 ABGB sein. Dies aber bedeutet, dass auch Dienstnehmer, die sich zu einer bestimmten Qualifikation bekennen und diesbezüglich vom Dienstgeber auch eingesetzt werden, der „Garantiehaftung“ unterliegen. Es wird demnach von Gesetzes wegen unwiderleglich vermutet, dass die erforderliche Qualifikation vorliegt. Trifft dies nicht zu, dann hat das der Dienstnehmer zu verantworten. Die unwiderlegliche Vermutung, dass der Dienstnehmer oder die arbeitnehmerähnliche Person hinreichend qualifiziert ist, gilt also auch im Arbeitsverhältnis. Für eine bestimmte Tätigkeit nicht ausreichend qualifiziert zu sein, obwohl man dies bestätigt, ist keine entschuldbare Fehlleistung. Es bedarf auch keiner Erwägungen darüber, ob und inwieweit in einem solchen Fall die „Billigkeit“ eine Minderung der Ersatzpflicht rechtfertigt. Vielmehr hat der Dienstnehmer oder die arbeitnehmerähnliche Person das Fehlen der erforderlichen sachverständigen Qualifikation zu verantworten. Grundsätzlich und von vornherein bestehenden Mangel an Sachverstand (eines durchschnittlichen Fachmanns) hat der Dienstnehmer oder die arbeitnehmerähnliche Person also uneingeschränkt zu vertreten. Liegt die Ursache für den zugefügten Schaden im Mangel eines solchen Sachverstands (und nicht in anderen subjektiven Umständen), findet sich kein Grund für die Ausübung des richterlichen Mäßigungsrechts. Das AHG und das OrgHG kennen im Bereich der Hoheitsverwaltung dem DHG vergleichbare, zT darüber hinausgehende Beschränkungen der Haftung und Regresspflicht der Organe, die entweder eine Haf____________________
28 Reischauer in: Rummel 3 § 1299 Rz 1 mwN; Kerschner, DHG 2 § 2 Rz 18; vgl OGH, Arb 8954 = DRdA 1972, 249 (Fenyves/Holzer); Arb 8278; 8762 = SZ 43/80.
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tung des Rechtsträgers gegenüber Dritten ausgelöst haben oder den Rechtsträger selbst unmittelbar geschädigt haben. Dabei finden sich auch in der Hierarchie der Organe iSd AHG Positionen, die jenen gesellschaftsrechtlicher Organwalter funktionell vergleichbar sind. Darüber hinaus stößt man laufend auf Organe, deren Tätigkeit ohne gehörigen Sachverstand nicht korrekt ausübbar ist. Somit stellt sich auch im Bereich der Amtshaftung einerseits und im Organhaftpflichtrecht andererseits die gleiche Frage wie im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung: Soll es auch in der Hoheitsverwaltung eine qualifizierte Sonderhaftung für Leitungs- und Kontrollorgane geben und soll darüber hinaus die „Garantiehaftung“ der Sachverständigen auch im Bereich der Amtshaftung und des Organhaftpflichtrechts zum Tragen kommen? Diese Frage betrifft nicht die Haftung der Rechtsträger gegenüber den Geschädigten. Diesbezüglich besteht kein Zweifel, dass der Rechtsträger für mangelnden Sachverstand einzustehen hat. Die „Garantiehaftung“ der Sachverständigenhaftung greift Dritten gegenüber uneingeschränkt. Der amtshaftungsrechtliche Organbegriff ist erheblich weiter als der gesellschaftsrechtliche bzw der Personenkreis, der die Haftung einer juristischen Person des Privatrechts auslösen kann. Die hier interessierende Frage bezieht sich vielmehr auf eigene Ersatzansprüche des Rechtsträgers gegen seine Organwalter nach den Vorschriften des OrgHG sowie auf amtshaftungsrechtliche Regressansprüche des Rechtsträgers. Der Gesetzgeber hat sich in den Jahren 1983 und 1984 bemüht, die Unterschiede zwischen den Haftungs- und Regressverhältnissen, die vormals zwischen dem DHG einerseits und dem AHG und OrgHG andererseits bestanden, zu beseitigen. Dies ist allerdings nicht vollständig gelungen. So ist der Rückgriffsausschluss nach § 3 Abs 1 AHG in Fällen leicht fahrlässigen Verhaltens der Organe geblieben. Im Übrigen wurden das Regresssystem des AHG und das Haftungssystem des OrgHG dem DHG angepasst. Dies führt zum einen dazu, dass hoheitlich tätige Organe, die aufgrund ihrer Führungsposition gesellschaftsrechtlichen Organwaltern vergleichbar sind, zwar einerseits durchaus auf gleiche Weise zur Sorgfalt ordentlicher und gewissenhafter Organe verpflichtet sind; doch löst dies lediglich eine entsprechende Haftung des Rechtsträgers gegenüber den Geschädigten aus, führt aber nicht zu einer vergleichbaren Haftung der Organwalter selbst. Denn diese sind von Gesetzes wegen in Fällen leichter Fahrlässigkeit haftungsfrei. Dies bedeutet, dass einem erhöhten Anspannungsgebot eine erhebliche Haftungserleichterung des Schädigers gegenübersteht. Den Geschädigten erwächst daraus zwar kein Nachteil, weil der ihnen zugefügte Schaden ohnehin vom Rechtsträger auszugleichen ist; der Rechtsträger
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selbst hat jedoch prima facie eine qualifizierte Verantwortung zu prästieren, für die er vom eigentlichen Schädiger keinen Ausgleich erhält. Der im Gesellschaftsrecht maßgebliche Grund, den Schädiger keineswegs aus der Haftung gegenüber der Gesellschaft zu entlassen, wenn dadurch die Interessen der Gesellschaftsgläubiger gefährdet erscheinen, spielt im Amtshaftungsrecht insofern keine Rolle, als davon ausgegangen werden darf, dass die amtshaftungspflichtigen Rechtsträger stets über ausreichendes Vermögen verfügen, um die Gläubiger befriedigen zu können. Insofern verbliebe lediglich ein Disziplinierungs- und Präventionsinteresse des Rechtsträgers gegenüber den verantwortlichen Organen offen. Ohne dessen Befriedigung klafft prima facie ein gewisser Wertungswiderspruch zwischen der haftpflichtrechtlichen Behandlung gesellschaftsrechtlicher Organwalter einerseits und hoheitlich tätiger Organe andererseits. Dieser Widerspruch lässt sich jedoch insofern beseitigen, als man in einem schädigenden Verhalten, das in der Verletzung einer dem Organ übertragenen hohen und qualifizierten Verantwortung liegt, weit eher als in anderen Fällen bereits eine grobe Fahrlässigkeit sehen kann. Bei der Prüfung, ob leichte oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist ganz allgemein vom Verhalten eines „maßgerechten Menschen in der konkreten Situation des Täters“ auszugehen.29 Damit ist das konkrete Verhalten des Schädigers zu vergleichen und das Ausmaß des Abweichens festzustellen. Geht es um die Schädigung jemandes, der die qualifizierte Sorgfalt eines Organwalters mit hoher Verantwortung zu wahren hat, so ist der qualifizierte Sorgfaltsmaßstab entscheidend. Somit greifen die diesbezüglichen besonderen Anforderungen. Insofern spielen die sonst relevanten Lebensverhältnisse und allgemeinen Lebensgewohnheiten, wie sie sonst zu berücksichtigen sind,30 nur eine untergeordnete Rolle, weil die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten unabhängig von den konkreten Lebensverhältnissen des Schädigers vorweg unterstellt werden. Mag im Allgemeinen das Nichteinsetzen von Fachkenntnissen bzw von fachlichen Fähigkeiten für jemanden, der eine Tätigkeit verrichtet, für die solche Kenntnisse und Fähigkeiten gar nicht erforderlich sind, an sich nicht schon grobe Fahrlässigkeit bedeuten,31 so ist der Sorgfaltsmaßstab jemandes, der zu einer Tätigkeit berufen ist, die vorweg entsprechende Qualifikationen erfordert, ein höherer, so dass ein und dasselbe Verhalten gemessen an § 1299 ABGB grobe, gemessen an § 1297 ABGB hingegen bloß leichte Fahrlässigkeit bedeuten kann.32 ____________________
29 30 31 32
Reischauer in: Rummel 3 § 1324 Rz 3. OGH, EvBl 1955/72; ZVR 1967/125; 1971/46. OGH, SZ 40/81. Reischauer in: Rummel 3 § 1324 Rz 3; § 1297 Rz 3; § 1299 Rz 3.
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Daraus lässt sich allgemein ableiten, dass Regressansprüche des Rechtsträgers gegen Führungsorgane häufiger bestehen werden, weil bei diesen bei Verletzung ihrer qualifizierten Aufgaben weit eher als sonst grob fahrlässiges Verhalten angenommen werden kann. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die „Garantiehaftung“ des Sachverständigen iSd § 1299 ABGB auch das Regressverhältnis zwischen Rechtsträger und Organ prägt. Schadenskausale Unfähigkeit und mangelnde Tauglichkeit des Organs führt weder im Verhältnis des Rechtsträgers zu geschädigten Dritten noch im Regressverhältnis des Rechtsträgers zum schädigenden Organ zu einer Haftungsbeschränkung.33 Was hingegen die Haftungsregeln des OrgHG betrifft, so sollten im Hinblick auf die „Garantiehaftung“ sachverständiger Organe richterliche Haftungsminderungen gemäß § 3 OrgHG ebenso unterbleiben wie in den eigentlichen Fällen des DHG, auf die § 3 Abs 2 OrgHG ohnehin verweist. Das heißt: Ein schadenskausaler Mangel an den für die schädigend ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten bietet keinen Anlass für richterliche Ersatzminderungen.
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Schragel, AHG 3 § 1 Rz 168.
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Bet and Lose? Grenzüberschreitendes Glücksspiel zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Strafrecht Für Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer mit herzlicher Gratulation zu seinem 60. Geburtstag
I. Einleitung Noch vor nicht allzu langer Zeit war Strafrechtspolitik allein Sache des nationalen Gesetzgebers. Dieser nationale Gesetzgeber hat zum einen Inhalt und Grenzen strafbaren Verhaltens aus Eigenem – also weitgehend in gesetzgeberischem Ermessen – festgelegt. Und dieser nationale Gesetzgeber konnte zum anderen auch davon ausgehen, seine strafrechtlichen Regelungsziele einigermaßen verlässlich und ohne „rechtliches Störfeuer“1 von außen zu erreichen. Eben dies galt auch für das Glücksspielstrafrecht. Die diesbezügliche Wertentscheidung des österreichischen Gesetzgebers ging (und geht) dahin, bestimmte – als besonders sozialschädlich empfundene – glücksspielbezogene Handlungen, nämlich insbesondere die Veranstaltung von Glücksspielen, gerade auch mit Mitteln des gerichtlichen Strafrechts zu verbieten. Bei der Effektuierung dieser Regelungsziele waren nennenswerte Beeinträchtigungen durch die Rechtslage und Rechtsentwicklung in anderen Staaten nicht in Rechnung zu stellen. Die Situation hat sich bekanntlich radikal geändert. Das Internet ist voll von Wettangeboten und auch – wie hier interessierend – von Glücksspielen. Die Betreiber dieser Spiele haben zumeist im Ausland (und unter ausländischen) Topleveldomains Internetplattformen eingerichtet, über die das entsprechende Glücksspielangebot online zugänglich ist. Diese Plattformen sind allesamt auch von Österreich aus erreichbar. Einrichtung und Betrieb dieser Plattformen erfolgt dabei im Regelfall in völligem Einklang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen vorort. Manche ____________________
1 IS eines weniger restriktiven ausländischen Glücksspielregimes und eines auf dieser Grundlage erfolgenden attraktiven ausländischen Glücksspielangebots.
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dieser Internet-Angebote weisen – durch Sprache und Gestaltung – einen deutlichen Bezug zu deutschsprachigen Ländern (und auch spezifisch zu Österreich) auf. Derartige Online-Glücksspielangebote gibt es insbesondere in der Karibik (zB in Antigua), aber auch in einzelnen EU-Staaten (nämlich insbesondere in Malta2). Der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen ausländischer Glücksspielangebote besteht darin, dass nur die zweitgenannte im Rahmen des Gemeinsamen Markts erfolgt. Von grenzüberschreitendem Glücksspiel in der EU soll im Nachfolgenden die Rede sein. Zu fragen ist daher, welche Auswirkungen sich für das österreichische – traditionell rein innerstaatlich bestimmte – Glücksspielstrafrecht aus den Anforderungen dieses Gemeinsamen Marktes ergeben.3
II. Innerstaatliche Rechtslage A. Überblick § 168 StGB verbietet es, „ein Spiel, bei dem Gewinn oder Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, zu veranstalten oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft zu fördern, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird“. § 168 Abs 2 StGB verpönt die gewerbsmäßige Beteiligung „an einem solchen Spiel“. Gemeinsamer tatbestandlicher Bezugspunkt aller drei Tatvarianten des § 168 StGB4 ist das „Glücksspiel“.5 Der Terminus „Glücksspiel“ steht ____________________
2 Gleiches gilt für Gibraltar; für Gibraltar finden nämlich gemäß Art 299 EGV die Grundfreiheiten Anwendung. 3 Aus Platzgründen entfällt ein monographischer Anmerkungsapparat. Die Nachweise bleiben auf das Notwendigste beschränkt. 4 Zum Schrifttum vgl insb Burgstaller, Grundfragen des Glücksspielstrafrechts, RZ 2004, 214 sowie bereits Höpfel, Probleme des Glücksspielstrafrechts, ÖJZ 1978, 421. Aus neuerer Zeit ist insbesondere auf die Kommentierungen von Rainer in TrifftererKommentar zu § 168 und von Kirchbacher/Presslauer im WK-StGB 2 zu verweisen. Zum GSpG besteht eine durchaus umfangreiche Spezialliteratur. Einen Überblick bietet Schwartz/Wohlfahrt, GlücksspielG Kommentar 2 (2006). 5 Dem Glücksspiel steht das ausdrücklich (bundesgesetzlich oder landesgesetzlich) verbotene Spiel gleich. Bundesgesetzliche Verbote bestehen derzeit nicht; landesgesetzliche Verbote führen nach hM nur insoweit zur Strafbarkeit gemäß § 168 StGB, als die Verbotsnorm zumindest einem der Gesetzeszwecke des § 168 StGB (und nicht etwa bloß straßenverkehrsrechtlichen Gesichtspunkten) dient: vgl Kirchbacher/Presslauer WKStGB 2 § 168 Rz 8.
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§ 168 StGB als Überschrift voran; der Normtext selbst spricht dann – sinngleich – von einem „Spiel, bei dem Gewinn oder Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen“. Da nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut die ausschließliche und vorwiegende Zufallsabhängigkeit gleichwertig sind, reicht zur Tatbestandsverwirklichung im Ergebnis bereits die überwiegende Zufallsabhängigkeit des Spiels hin. Überwiegend zufallsabhängig ist ein Spiel nach hM, wenn der Einfluss individueller Befähigungen des Spielers (also von dessen Geschicklichkeit, Erfahrung, Können etc) im Vergleich zu außerhalb seiner Einfluss- und Kontrollfaktoren gelegenen Umständen vernachlässigenswert ist.6 Nach hM ist § 168 StGB in allen (drei) Varianten als abstraktes Gefährdungsdelikt7 zu verstehen, also dahingehend, dass das Gesetz jeweils gewisse sozial-schädliche Verhaltensweisen als solche – unabhängig vom zusätzlichen Eintritt einer Veränderung in der Außenwelt (iS eines tatbestandlichen Erfolgs) – verpönt. Zunächst benennt § 168 Abs 1 StGB zwei veranstaltungsbezogene Varianten. Tatbestandlich ist danach das „Veranstalten“ eines Glücksspiels. Von einem Veranstalten spricht man, wenn der Täter (einem bestimmten oder unbestimmten Interessentenkreis) die Möglichkeit zur Teilnahme an einem – unter eigener Kontrolle abgehaltenen – Spiel eröffnet.8 In der zweiten Tatvariante stellt § 168 Abs 1 StGB das Fördern einer zur Abhaltung eines solchen Spiels veranstalteten Zusammenkunft unter Strafe. Tatbestandlich ist insoweit also nicht die Förderung eines Glücksspiels als solches, sondern nur im Wege einer Zusammenkunft. § 168 Abs 1 StGB nimmt – für beide genannten Tatvarianten – im Sinne eines negativen Tatbestandsmerkmals das Spielen entweder bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder aber bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge aus dem Tatbestand aus. § 168 Abs 2 StGB stellt die – im üblichen Sinn des § 70 StGB zu verstehende – „gewerbsmäßige“ Beteiligung am Glücksspiel unter Strafe. Das ____________________
6 Vgl nur Burgstaller, RZ 2004, 219. Außerhalb des § 168 StGB liegen damit alle Geschicklichkeitsspiele. Vorwiegende Zufallsabhängigkeit liegt nach der erwähnten hM vor, wenn der Spieler – ohne sachliche Grundlage hiezu – bloß „hofft“, dass der Spielausgang seinen Erwartungen entspricht; vgl nochmals Burgstaller, RZ 2004, 220. Die überwiegende Zufallsabhängigkeit eines Spiels bestimmt sich nach hM (vgl nur Burgstaller passim) nicht nur nach dessen abstrakten Spielregeln, sondern auch nach den konkreten Modalitäten der Durchführung des Spiels. Einer Aufnahme eines Spiels in die – aufgehobene – frühere Glücksspielverordnung kommt bloße Indizwirkung zu; die Zufallsabhängigkeit des Spiels ist für jeden Fall konkret festzustellen. 7 Vgl nur Kirchbacher/Presslauer, WK-StGB 2 § 168 Rz 1. 8 Vgl nur Rainer, Triffterer-Kommentar § 168 Rz 12; Leukauf/Steininger, Kommentar-StGB 3 § 168 Rz 9.
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bloße (nicht gewerbsmäßige) „Mitspielen“ als solches hat der Gesetzgeber gezielt straflos gelassen. § 168 StGB ist ein Vorsatzdelikt. Die einzelnen Tatbestandselemente müssen dabei – wie nach den allgemeinen Regeln ausreichend – zumindest vom Eventualvorsatz des Täters umfasst sein. Der im § 168 Abs 1 StGB ausdrücklich benannte erweiterte Vorsatz („um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden“) ist allerdings iS absichtlichen Handelns (§ 5 Abs 2 StGB) zu verstehen. B. Funktion und Stellenwert des § 168 StGB Zunächst zur Teleologie des Tatbestands. Nach allgemeinem Verständnis ist das Schutzgut des § 168 StGB komplexer Natur.9 § 168 StGB dient – in einem sehr unmittelbaren (und vordergründigen) Sinn – dem Vermögensschutz des sich (am veranstalteten Glücksspiel beteiligenden) Spielers. § 168 StGB soll nämlich jenen Personen, die eine Neigung und gar Leidenschaft zum Glücksspiel haben, einen gewissen Schutz vor Vermögensverlust im Glücksspiel bieten10. Daneben lässt § 168 StGB nach hM – im Sinne eines glücksspielrechtlichen Gesamtsystems (zu diesem sogleich) – auch ein „ordnungspolitisches“ Anliegen erkennen: Dieses geht dahin, den – zwar „eindämmbaren“, aber nicht ganz zu beseitigenden – Spieltrieb der Menschen zu kanalisieren und in einen staatlich beaufsichtigten/kontrollierten – und insoweit sauberen – Bereich umzulenken.11 Vor diesem – teleologisch mehrgliedrigen – Hintergrund ergibt sich: § 168 StGB hat einen umfassenden tatbestandlichen Anwendungsbereich und erfasst jegliches (tatbestandliches) Glücksspiel. Das Anbieten von Glücksspielen ist damit durch § 168 StGB (nach Maßgabe der in diesem Straftatbestand selbst enthaltenen Exemptionen für den Bagatellbereich) ganz allgemein strafrechtlich verboten.12 Mit dem StGB allein ist es aber nicht getan. Die Grenzen des Strafbaren ergeben sich nicht nur aus § 168 StGB, sondern aus einer – das glücks____________________
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Vgl nur Burgstaller, RZ 2004, 216 f. Der Verlust entspricht zwar dem Vermögensvorteil eines anderen, doch ist – wie zugrunde gelegt – dieser „andere“ eben ein Veranstalter eines solchen Glücksspiels, die durch seine Veranstaltung diese Neigung/Leidenschaft zum Spiel auszunützen versteht. 11 Diese Umlenkung in einen staatlich beaufsichtigten/kontrollierten Bereich dient zwar auch fiskalischen Interessen; diese sind gegenüber den vorerwähnten Gründen allerdings bloß von untergeordneter Bedeutung. 12 § 168 StGB nimmt auf die Regelungen des GSpG nicht Bezug; es bestehen nach § 168 StGB daher auch keine Ausnahmen für das (nach GSpG) konzessionierte Glücksspiel. 10
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spielrechtliche Regelungsgefüge berücksichtigenden – „Gesamtschau“.13 Die oben erwähnte „Kanalisierung“ und Umlenkung des in der Bevölkerung vorhandenen „Glücksspielpotenzials“ in einen staatlich beaufsichtigten und kontrollierten Bereich hat der Gesetzgeber im GSpG14 (in freilich sehr spezieller und restriktiver Weise) ins Werk gesetzt und das Glücksspiel und dessen Veranstaltung – unter den im GSpG im Einzelnen geregelten Voraussetzungen – nun doch wieder zugelassen. Voraussetzung für das Veranstalten eines Glücksspiels ist eine entsprechende Konzession: Für sog „Ausspielungen“ (zB Lotto) ist die Zahl der Konzessionen auf eine einzige beschränkt (De-facto-Monopol); diese Konzession ist der Österreichische Lotterien GmbH erteilt. Für „Spielbanken“ ist die Zahl der Konzession auf 12 beschränkt; sie alle hat die Casinos Austria AG inne. Eine solche Konzession15 erlaubt das Angebot des Glücksspiels nicht nur im Rahmen des GSpG. Sie entfaltet ihre Wirkung auch im Bereich des StGB und schlägt dort – in Hinblick auf den an sich umfassenden tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 168 StGB – als Rechtfertigungsgrund durch.16 Im Ergebnis bestimmen sich sohin die Grenzen strafbaren Glücksspiels materiell verwaltungsakzessorisch: Der Anwendungsbereich des § 168 StGB reicht daher so weit, als einschlägiges tatbestandliches Handeln iSd § 168 StGB nicht durch außerstrafrechtliche Erlaubnissätze – nämlich einschlägige glücksspielrechtliche Genehmigungen – gedeckt ist.17 Seiner Funktion nach verstärkt § 168 StGB das glücksspielrechtliche Marktzugangsregime und sichert dessen Einhaltung mit den Mitteln des Kriminalstrafrechts noch zusätzlich ab: Die glücksspielrechtlich konzessionierten Anbieter können sich (auch) sub titulo § 168 StGB auf ihre Konzession – eben als Rechtfertigungsgrund – berufen. Umgekehrt kommt es in Hinblick auf alle anderen Fälle – nämlich die glücksspielrechtlich gerade nicht konzessionierten Anbieter – in Ergänzung zum verwaltungs____________________
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Vgl nochmals Burgstaller, RZ 2004, 217. BGBl 620/1989 idF BGBl I 145/2006. Gemäß § 3 GSpG besteht ein Glücksspielmonopol des Bundes mit der Ausnahme für das sog „kleine Glücksspiel“ gemäß § 4 GSpG. 15 Gleiches gilt für jede andere – etwa auch landesgesetzliche erlassene – behördliche Bewilligung. 16 Eine solche verwaltungsrechtliche Rechtfertigung strafgesetzwidrigen Verhaltens ist schon allein deshalb möglich, weil das Strafrecht keinen Numerus clausus von Rechtfertigungsgründen kennt. Rechtfertigungsgründe können sich daher auch außerstrafrechtlich ergeben und führen in ihrem Anwendungsbereich dazu, dass ein bestimmtes Verhalten ungeachtet seiner Erfassung durch einen einschlägigen Straftatbestand im Ergebnis nicht strafgesetzwidrig ist. 17 Da der Tatbestand des § 168 StGB nicht einschränkend auf diese verwaltungsrechtlichen Erlaubnissätze Bezug nimmt, handelt es sich nicht um eine formelle Verwaltungsakzessorietät. 14
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strafrechtlichen Regelungsregime des § 54 GSpG zu einer kriminalstrafrechtlichen Verstärkung des Rechtsdurchsetzungsregimes.18 § 168 StGB ist auf die Betätigung ausländischer Glücksspielanbieter in Österreich selbstverständlich in vollem Umfang anwendbar: Auch und gerade ihnen gegenüber sind die Marktzugangsregeln des GSpG spezifisch strafrechtlich verstärkt. Ohne einschlägige Konzession (in Österreich) ist das Veranstalten von Glücksspielen in Österreich durch ausländische Anbieter bei Strafe verboten. C. Auslandsangebote und Internet-Glücksspiele Es fragt sich, ob ein „Auslandsangebot“ von Glücksspiel nach österreichischem Strafrecht überhaupt strafbar ist. Die (allfällige) Strafbarkeit nach österreichischem Recht beurteilt sich nach den Regeln des sog „internationalen Strafrechts“ (§§ 62, 67 StGB). Diese gelten naturgemäß in gleicher Weise unabhängig davon, ob das Auslandsangebot in der Karibik (zB Antigua) oder innerhalb der EU (zB Malta) domiziliert ist. § 62 StGB legt fest, dass die österreichischen Strafgesetze für die im Inland begangenen Taten gelten. § 67 StGB bestimmt ergänzend, dass eine Inlandstat – nur, aber immerhin – dann vorliegt, wenn der Täter entweder im Inland handelt oder sich im Inland der tatbestandliche Erfolg verwirklicht. Das bedeutet: Rechtlich maßgeblich ist – iSd eben Gesagten – das Vorliegen von Tathandlung oder Taterfolg im Inland. Diese Frage beurteilt sich im Lichte des jeweils anwendbaren Straftatbestands. Versteht man mit der hM § 168 StGB als Handlungsdelikt (nämlich als abstraktes Gefährdungsdelikt), so gibt es keinen tatbestandlich – iS einer Rechtsgutsbeeinträchtigung – vorausgesetzten Erfolg. Kommt dem gemäß ein Erfolgsort als Anknüpfungspunkt der internationalen Zuständigkeit nicht in Betracht, dann ist für die Strafbarkeit der Handlungsort entscheidend. Liegt ein reines Auslandsangebot vor, bei dem eine einschlägige Handlung im Inland nicht stattfindet, so lässt sich ein diesbezüglicher handlungsmäßiger Anknüpfungspunkt nicht finden: Nimmt man § 67 StGB ernst, dann ____________________
18 Unter der Voraussetzung, dass die einschlägige glücksspielrechtliche Betätigung unter den spezifischen Voraussetzungen des § 168 StGB – also eines Veranstaltens, des Förderns einer einschlägigen Zusammenkunft oder der gewerbsmäßigen Beteiligung am Glücksspiel – erfolgt, sind die verwaltungsstrafrechtlich verpönten Verhaltensweisen zusätzlich auch noch bei gerichtlicher Strafe verboten. Die Verwaltungsstrafnorm ist dabei gegenüber § 168 StGB materiell subsidiär (vgl nur Kirchbacher/Presslauer, WKStGB 2 § 168 Rz 21 mN).
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unterliegt ein solches Glücksspielangebot nicht österreichischem Strafrecht. Zu einer Anwendung des § 168 StGB kann man diesfalls überhaupt nur insoweit gelangen, als es – in gewisser Hinsicht: „ausnahmsweise“ – doch zu einem Handeln in Österreich kommt. Dies ist naturgemäß sachverhaltsabhängig. In den vom EuGH (betreffend Sportwetten) entschiedenen Fällen haben etwa Agenturen ausländischer Wettanbieter im (italienischen) Inland Wettangebote Interessierter gesammelt oder auch Terminals für Online-Betting bereit gestellt.19 Bei Internet-Angeboten im Ausland unter ausländischen Top-Level-Domains wird sich viel weniger an ein Handeln in Österreich denken lassen. Für das reine Auslandsinternetangebot ist eine österreichische Zuständigkeit nach den §§ 62, 67 StGB kategorisch zu verneinen: Die „Erreichbarkeit“ eines Auslandsangebots aus dem Inland führt zu keiner Inlandshandlung; und daran kann das Erscheinungsbild20 der entsprechenden Website (Sprache, Aufmachung, Gestaltung) oder dessen Ausrichtung nichts ändern.21 Für die Beurteilung eines – entweder in Antigua oder in Malta domizilierten – Auslandsangebots bedeutet das: Die Frage der internationalen Zuständigkeit bestimmt sich in beiden Fällen nach den §§ 62, 67. Im Übrigen ist aber zu unterscheiden. Für das Nicht-EU-Ausland gilt, dass die Anwendung des § 168 StGB allein an den Regeln des internationalen Strafrechts hängt. Führen diese Regeln zu einer Anwendbarkeit des § 168 StGB, so gibt es keine zusätzlichen höherrangigen (und unmittelbar anwendbaren) Regeln, die die Anwendung des § 168 StGB nun doch wieder ausschließen könnten22. Für das Europarecht gilt zunächst derselbe Ausgangspunkt. Bei einem „reinen EU-Auslandsangebot“ scheidet eine Anwendung des § 168 StGB schon mangels inländischer Zuständigkeit ____________________
19 Weitere einschlägige – Inlandshandeln begründende – Verhaltensweisen sind nach Lage des Falls vorstellbar. 20 Überlegungen in diese Richtung finden sich etwa bei Leidenmühler/Plöckinger, Grenzüberschreitende Internet-Glücksspiele, ÖJZ 2006/55; diese Überlegungen entsprechen aber nicht dem Gesetz. 21 Da die Erreichbarkeit von Internetseiten grundsätzlich eine weltweite ist, ergäbe sich auf diesem Wege – völkerrechswidrig – eine österreichische Universalzuständigkeit. Ablehnend daher mit Recht die hM; vgl nur Reindl, Computerstrafrecht im Überblick (2004) 129 ff; weiters Ebensperger, Die Verbreitung von NS-Gedankengut im Internet und ihre strafrechtlichen Auswirkungen, ÖJZ 2002, 132. Die – schon für das deutsche Recht fragwürdige – Rsp des BGH zur „Internet-Ausschwitzlüge“ (BGH 46, 221) sollte für Österreich jedenfalls nicht übernommen werden. 22 Zwar gibt es einschlägige wirtschaftliche Marktregeln nach dem WTO-Regime. Diese sind jedoch nicht unmittelbar anwendbar. Verletzungen der genannten Regeln sind daher völkerrechtlich aufzulösen. Gerade in Hinblick auf das grenzüberschreitende OnlineAngebot an Glücksspielen hat sich zwischen den USA und Antigua ein vielschichtiger WTO-Rechtsstreit entwickelt.
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aus. Liegt aber ein einschlägiges Handeln im Inland – also ein Inlandsglücksspielangebot – vor, so ist eine Anwendung des § 168 StGB – anders als in den vorigen Fällen – noch nicht ausgemacht. Zusätzlich gelten für das Strafrecht nämlich die höherrangigen Normen des Gemeinsamen Markts, denen unmittelbare Anwendbarkeit zukommt. Ob es – grundsätzliche Anwendbarkeit der österreichischen Strafgesetze gemäß internationalem Strafrecht einmal vorausgesetzt – zur Strafbarkeit gemäß § 168 StGB kommt, bestimmt sich daher nach dem Verhältnis des § 168 StGB zum europäischen Gemeinschaftsrecht. Dieser Frage ist im Folgenden nachzugehen. D. Verhältnis von österreichischem Strafrecht (§ 168 StGB) und Gemeinschaftsrecht Das Kriminalstrafrecht ist keine „vergemeinschaftete“ Materie. Das Strafrecht fällt in die Kompetenz der Mitgliedstaaten. Umgekehrt ist das nationale Strafrecht nicht „gemeinschaftsexempt“ und kann das selbstverständlich auch nicht sein: Als Teil der nationalen mitgliedstaatlichen Rechtsordnung muss das Strafrecht – so wie das nationale Recht insgesamt – den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts entsprechen. Eine Strafrechtsnorm kann daher gemeinschaftsrechtswidrig sein, wenn sie entweder unmittelbar nach ihrem eigenen Inhalt Gemeinschaftsrecht verletzt oder aber eine gemeinschaftsrechtswidrige Regelung des nationalen Rechts sanktionsrechtlich verstärkt. Eben eine solche Konstellation könnte – infolge seiner materiell verwaltungsakzessorischen Ausgestaltung – grundsätzlich auch bei § 168 StGB vorliegen. Die Strafnorm des § 168 StGB wirkt sich im Zusammenspiel mit dem glücksspielrechtlichen „Konzessionssystem“, wie dargetan, dahingehend aus, dass das glücksspielrechtliche Marktzugangsrecht – im Rahmen der Tatbestandsvarianten des § 168 StGB (also jedenfalls auch in Hinblick auf das Angebot von Glücksspielen) – eine zusätzliche sanktionsrechtliche Verschärfung erfährt. Konzessioniertes Glücksspiel ist gerechtfertigt und straflos; das konzessionslose Veranstalten von Glücksspielen ist – gerade auch bei Kriminalstrafe – verboten. Diese Struktur des § 168 StGB führt zu folgenden Konsequenzen: Ist das Marktzugangsregime des GSpG gemeinschaftsrechtskonform, dann ist es auch das Strafrecht; dieses wäre gewissermaßen der „goldene Schlussstein“ eines in sich konsistenten rechtlichen Glücksspielregimes. Ist das Marktzugangsregime hingegen gemeinschaftsrechtswidrig, dann schlägt diese Gemeinschaftsrechtswidrigkeit auch auf das Strafrecht durch; und zwar deshalb, weil das Strafrecht einen allfällig gemeinschaftsrechtswidri-
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gen Ausschluss von marktinteressierten Teilnehmern durch die spezifischen Sanktionsmechanismen des Strafrechts spezifisch rechtlich verstärkt.23 Dies führt zu den folgenden Fragestellungen: – Welche sind die einschlägigen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Glücksspielrecht? – Welche sind die Folgen eines allfälligen gemeinschaftsrechtswidrigen Marktzugangsregimes für das Strafrecht?
III. Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen des Glücksspielrechts A. Grundlagen: Die primärrechtlichen Grundfreiheiten als Rechtsrahmen für Glücksspielangebote 1. Sekundärrecht Das Glücksspielrecht ist auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts nicht im Rahmen des Sekundärrechts geregelt. Glücksspiele sind sowohl aus der E-Commerce-Richtlinie RL 2000/31/EG (Art 1 Abs 5 lit d RL cit) als auch aus der Dienstleistungsrichtlinie RL 2006/123/EG (Art 2 Abs 2 lit h) gezielt ausgenommen. 2. Die Grundfreiheiten Zwar ist das Veranstalten von Glücksspielen nicht sekundärrechtlich erfasst, es unterliegt aber dem Primärrecht. Das Glücksspiel unterfällt den Grundfreiheiten. In gewisser Hinsicht mag diese Kategorisierung – Glücksspiel als eine der Grundfreiheiten teilhaftige wirtschaftliche Betätigung – wegen der „Sensibilität“ der Materie und ihrer restriktiven Regelung in vielen Staaten überraschen. Im Lichte von Funktion und Reichweite der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten macht deren Anwendung auch auf das Glücksspiel aber Sinn. Tatsächlich ist das Glücksspiel in den Mitgliedstaaten nicht als solches – also intrinsisch – verpönt. Das Glücksspiel ist keine per se „verbotene Aktivität“ und steht auch nicht in Zusammenhang mit dem Handel verbotener Produkte. Das Angebot von Glücksspiel ist daher eine „wirtschaftliche Betätigung“24, die ihren diesbezüglichen Charakter nicht ____________________
23 Darüber hinaus wäre es selbstredend möglich, dass das Marktzugangsregime zwar als solches vor den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts standhält, kriminalstrafrechtliche Sanktionierungen aber in sich – wegen Verletzung des gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots – gemeinschaftsrechtswidrig sind. 24 Die Besonderheit des Glücksspiels liegt darin, dass es sich um eine Konsumaktivität (vergleichbar mit einem Kinobesuch) handelt, die der persönlichen Zerstreuung dient, im
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dadurch verliert, dass das Glücksspiel in manchen Mitgliedstaaten speziellen – zum Teil auch sehr restriktiven – Reglementierungen unterliegt.25 Was bedeutet es nun, dass das Glücksspiel primärrechtlich den Grundfreiheiten unterliegt? Die Grundfreiheiten zielen auf die Begründung eines gemeinsamen Marktes für die von diesen erfassten wirtschaftlichen Aktivitäten ab. Dieser Gemeinsame Markt ist für die Nachfrageseite wohlfahrtssteigernd, er führt also in Einklang mit den Nachfragecharakteristika zu einem qualitativ hochwertigen, preislich attraktiven Angebot der entsprechenden Leistung, hier des Glücksspielangebots.26 Aus dem genannten Ziel ergibt sich das grundsätzliche Verbot protektionistischer Handelsschranken; den Mitgliedstaaten kommt allerdings – freilich nur im Rahmen des Unerlässlichen – die Befugnis zur Aufrechterhaltung nationaler, den gemeinsamen Markt beschränkender Sonderregeln zu. Zunächst ist der grundfreiheitenrechtliche Rechtsrahmen kurz im Überblick zu skizzieren; hernach folgt die Darstellung der diesbezüglichen Rechtssprechungsentwicklung. Das Glücksspiel kann – je nach Sachzusammenhang – unterschiedlichen Grundfreiheiten unterliegen.27 Zu denken ist zunächst an die Dienst____________________
Gegensatz zu derartigen Konsumationstätigkeiten aber die Chance auf einen Gewinn enthält. Soweit nun insoweit das Glücksspiel – wiewohl für sich genommen „unproduktive“ Betätigung – Gelegenheit auf einfachen und raschen Gewinn bietet, lässt sich sagen, dass es – im Verhältnis zur eigentlich produktiven Betätigung – die Anreize insoweit falsch setzt, als es eine Chance auf „zu einfach erzielbares“ Einkommen eröffnet. Wollte man sich auf dieser Grundlage – in freilich „paternalistischer“ Fürsorge – gegen das Glücksspiel wenden, so müsste dies in verhältnismäßiger und konsistenter Weise geschehen. 25 EuGH 24. März 1994, C-275/92 „Schindler“, Slg 1994, I-1039 Rz 31 f: „Zwar unterliegen die Lotterien … einer besonders strengen Regelung und einer genauen behördlichen Kontrolle in den einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Sie sind jedoch in diesen Staaten gleichwohl nicht völlig verboten. Sie werden im Gegenteil in großem Umfang betrieben. … Somit können Lotterien nicht als Tätigkeiten angesehen werden, die wegen ihrer Schädlichkeit in allen Mitgliedstaaten verboten sind und im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht in die Nähe von Tätigkeiten gerückt werden könnten, die sich auf unerlaubte Erzeugnisse beziehen (vgl. für Betäubungsmittel Urteil vom 28. Februar 1984 in der Rechtssache 294/82, Einberger, Slg. 1984, 1177) ... . Lotterien mögen für sittlich zumindest fragwürdig gehalten werden, doch ist es nicht Sache des Gerichtshofes, die Beurteilung, die der Gesetzgeber in den Mitgliedstaaten vorgenommen hat, in denen diese Tätigkeit rechtmäßig ausgeübt wird, durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen (Urteil vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-159/90, Society for the Protection of Unborn Children Ireland, Slg 1991, I-4685, Randnr. 20).“ 26 Umgekehrt bedeutet das, dass die unter allgemeinen Wohlfahrtsgesichtspunkten positiven Attribute eines Gemeinsamen Markts dann für störend empfunden werden, wenn man das Glücksspiel als sozial unerwünschte Aktivität betrachtet; denn diese – sozial unerwünschte – Aktivität würde dann entsprechend attraktiver. Die unten im Text näher dargestellten Kohärenzüberlegungen zeigen allerdings, dass die meisten europäischen Rechtsordnungen das Glücksspiel ohnedies nicht wirklich „unattraktiv“ machen wollen. 27 Es ist auch vorstellbar, dass derselbe Fall Aspekte unterschiedlicher Grundfreiheiten vereint. Eben dies war in den jüngeren Leitjudikaten des EuGH (zu diesen nachfolgend im Text) der Fall.
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leistungsfreiheit (Art 49, 50 EGV). Diese garantiert die Freiheit zur grenzüberschreitenden Bereitstellung von entgeltlichen Dienstleistungen.28 Nach der Rsp des EuGH (beginnend bereits mit dem Urteil in der Rs „Schindler“, dazu sogleich) unterliegt die Veranstaltung von Lotterien, Wetten und sonstigem Glücksspiel der Dienstleistungsfreiheit. Soweit es zu einer dauerhafteren grenzüberschreitenden Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat kommt, unterliegen derartige Aktivitäten auch der Niederlassungsfreiheit.29 Diese garantiert das Recht auf freie Niederlassung in anderen Mitgliedstaaten; eine solche freie Niederlassung kann in der Begründung fester Einrichtungen oder von Betriebsstätten bestehen, aber auch etwa in der Verwendung von Zweigniederlassungen oder Agenturen. Die Grundfreiheiten gelten nicht einschränkungslos. Mitgliedstaatliche Regelungen, die die Grundfreiheiten einschränken, müssen auf zwingende Gründe des Gemeinwohls gestützt sein.30 Der EuGH hat den Kreis möglicher derartiger Rechtfertigungen weit gezogen und Gesichtspunkte des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung oder auch der Hintanhaltung von Anreizen für überhöhte Ausgaben für Spiele als grundsätzlich valide Rechtfertigungsgründe betrachtet. In seinen ersten Judikaten ist der EuGH von einem durchaus weiten Regelungsermessen der Mitgliedstaaten zur Regelung des Glücksspiels ausgegangen. Die mitgliedstaatliche Regelung muss sich aber nicht nur „der Kategorie nach“ im Rahmen derartiger Gründe zwingenden Allgemeininteresses bewegen, die Regelung selbst darf iSd Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht über das zur Erreichung des (mitgliedstaatlichen) Regelungsziels Erforderliche hinausgehen. Mitgliedstaatliche Begrenzungen der Dienstleistungsfreiheit unterliegen – in Einklang mit den allgemeinen Regeln – jedenfalls auch dem Diskriminierungsverbot.31 ____________________
28 Zur Dienstleistungsfreiheit zB Kluth in Callies/Ruffert (Hrsg) EUV/EGV (2007) 3 Art 49 EGV Rz 5 ff. Der Inhalt der Dienstleistungsfreiheit ist nach hM ein dreifacher: Die aktive Dienstleistungsfreiheit bezeichnet das Recht des Dienstleistungserbringers, Dienstleistungen durch physische Überschreitung von Binnengrenzen in einem anderen Mitgliedstaat zu erbringen. Die passive Dienstleistungsfreiheit benennt umgekehrt das Recht des Dienstleistungskonsumenten, sich grenzüberschreitend in den Mitgliedstaat des Dienstleistungserbringers zu begeben und die Dienstleistung dort zu konsumieren. Die Freiheit von Korrespondenzdienstleistungen bezeichnet das Recht, Dienstleistungen über die Grenze ohne physische Grenzüberschreitung zu erbringen (oder zu empfangen). Hauptanwendungsfall der Korrespondenzdienstleistungen sind postalisch erbrachte Dienstleistungen oder aber – hier einschlägig – der gesamte Bereich der elektronischen Dienstleistungen. 29 Zum Begriff zB Bröhmer in Callies/Ruffert 3 Art 42 Rz 5 ff. Die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit auf Glücksspielsachverhalte hat der EuGH in Hinblick auf die italienischen Wettsammelagenturen mehrfach bejaht, zuletzt in der Rs „Placanica“. 30 Zur Unanwendbarkeit des Art 86 Abs 2 EGV, vgl Griller/Reindl, Die Unvereinbarkeit des österreichischen Glücksspielgesetzes mit dem Europäischen gemeinschaftsrecht, ZfV 1998, 234. 31 Vgl dazu EuGH 11. September 2003, C-6/01 „Anomar“, Slg 2003 I-8261.
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Die Grundfreiheiten sind unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht. Sie genießen daher Anwendungsvorrang gegenüber gegenläufigen mitgliedstaatlichen Regelungen. B. Die Judikaturentwicklung des EuGH betreffend Glücksspiele im Einzelnen Die Leading Cases in der Rsp des EuGH sind die Judikate in den Rs „Schindler32“, „Läärä33“, „Zenatti34“, „Gambelli35“ und – zuletzt – „Placanica36“. 1. Das nationale Marktzugangsrecht auf dem Prüfstand der Grundfreiheiten Der EuGH ist zunächst – in seinem Urteil in der Rs „Schindler“ – von einem weiten Regelungsermessen der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des nationalen Glücksspielrechts ausgegangen. In dem so gesetzten weiten Rahmen sollen die Mitgliedstaaten in Einklang mit ihren jeweiligen soziokulturellen Besonderheiten – gegebenenfalls also untereinander divergent – ein entsprechendes ordnungspolitisches Regelungssystem treffen können.37 Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung findet sich nur angedeutet.38 In der nachfolgenden Rechtssache Lärää hat der EuGH hingegen die (allgemeinen) Kriterien des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch für den Glücksspielbereich übernommen. Grundfreiheitenbeschränkende mitgliedstaatliche Regelungen müssen danach die „Verwirklichung der mit ihnen angestrebten Zielen gewährleisten“ (Rz 33); diese Maßnahmen sind nur insoweit zulässig, als sie (Rz 33) „nicht über das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche hinausgeht“. ____________________
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EuGH 24. März 1994 , C-257/92, Slg 1994, I-1039. EuGH 21. September 1999, C-124//97, Slg 1999 I-6067. 34 EuGH 21. Oktober 1999, C-67/98, Slg 1999, I-7289. 35 EuGH, 6. November 2003, C-243/01, Slg 2003 I-13031. 36 EuGH, 6. März 2007, C-338/04 ua., Slg 2007 I-1891. 37 EuGH, C-275/92 Rz 61: „Diese Besonderheiten rechtfertigen es, dass die staatlichen Stellen über ein ausreichendes Ermessen verfügen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich bezüglich der Art und Weise der Veranstaltung von Lotterien, der Höhe der Einsätze sowie der Verwendung der dabei erzielten Gewinne aus dem Schutz der Spieler und allgemeiner nach Maßgabe der sozio-kulturellen Besonderheiten jedes Mitgliedstaats aus dem Schutz der Sozialordnung ergeben. Somit kommt den Staaten nicht nur die Beurteilung der Frage zu, ob eine Beschränkung der Tätigkeiten im Lotteriewesen erforderlich ist, sondern sie dürfen diese auch verbieten, sofern diese Beschränkungen nicht diskriminierend sind“. 38 EuGH, Rs C-275/72 Rz 54 und 62. 33
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Der EuGH hat sodann – in der Rs „Zenatti“ – im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine explizite Kohärenzprüfung vorgenommen. Das Kriterium der Kohärenz bezeichnet der Sache nach die innere Konsistenz des nationalen – in die Grundfreiheiten eingreifenden – Regelsystems. Danach müssen jene mitgliedstaatlichen Regelungen, welche die Grundfreiheiten aus bestimmten zwingenden Gründen des Allgemeinwohls beschränken, auch wirklich eben diesem (restriktiven) Ziel dienen.39 Das Kohärenzkriterium ist von erheblicher Bedeutung in der Begrenzung des mitgliedstaatlichen Ermessensspielraums.40 Im gegebenen Zusammenhang ergibt sich aus dem Kohärenzgebot: Ist das rechtspolitische Ziel des Glücksspielrechts und der diesbezüglichen Marktzugangsbeschränkungen die Begrenzung der Spielleidenschaft des Menschen, dann muss das diesbezügliche rechtliche Gesamtsystem auch wirklich die „Gelegenheit zum Spiel“ verringern. Andernfalls ist die diesbezügliche Beschränkung – infolge des Widerspruchs zur eigenen rechtspolitischen Zielsetzung – gemeinschaftsrechtswidrig. In der RS „Gambelli“ hat der EuGH die vorgenannten Kohärenzanforderungen auf die italienische Rechtslage konkret angewendet.41 In die____________________
39 Vgl EuGH Rs Zenatti Rz 36: „Wie jedoch der Generalanwalt in Nummer 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist eine solche Begrenzung nur zulässig, wenn sie in erster Linie wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheit zum Spiel zu vermindern und wenn die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist“. Und in Rz 37: „Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu überprüfen, ob die nationalen Rechtsvorschriften angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten wirklich Zielen dienen, mit denen sie gerechtfertigt werden können, und ob die in ihnen enthaltenen Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen“. 40 Es beruht nicht auf einer Ad-hoc-Erfindung des EuGH, sondern ist der Sache nach schon in der frühen Grundfreiheiten-Judikatur des EuGH als solches niedergelegt. So hat der EuGH die Zulässigkeit eines – auf zwingende Erfordernisse zum Schutz der Moral gestützten – britischen Verbots der Einfuhr aufblasbarer Sexpuppen danach bemessen, ob der Verkauf derartiger Puppen innerstaatlich zulässig ist. Dabei zeigte sich, dass von einem auch nur annähernd umfassenden diesbezüglichen Verbot des Verkaufs derartiger Puppen keine Rede war. Dem gemäß hat der EuGH auch das diesbezügliche britische Verbot als gemeinschaftsrechtswidrig beurteilt. Vgl EuGH 11. März 1986, Rs 121/85, „Conegate“ Rz 15: „Obwohl es das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten freistellt, die Anstößigkeit oder Unsittlichkeit bestimmter Gegenstände nach ihren eigenen Maßstäben zu beurteilen, kann doch die Ärgernis erregende Wirkung einer Ware dann nicht als hinreichend schwerwiegend betrachtet werden, um Beschränkungen des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen, wenn der betreffende Mitgliedstaat gegenüber den gleichen Waren, die in seinem Hoheitsgebiet hergestellt oder vermarktet werden, keine strafrechtlichen oder sonstigen ernsthaften und wirksamen Maßnahmen zur Verhinderung ihres Vertriebs in seinem Hoheitsgebiet ergreift“. Insoweit fließen Gesichtspunkte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit solchen des Diskriminierungsverbots zusammen: Die Anwendung von grundfreiheitenbeschränkenden Regelungen bloß gegenüber Auslandssachverhalten zeigt, dass derartige Regelungen nicht wirklich erforderlich sind und erweist gleichzeitig deren diskriminierenden Charakter. 41 EuGH Rs „Gambelli“ Rz 67: „Zunächst hat der Gerichtshof in den Urteilen Schindler, Lärää u.a. und Zenatti zwar anerkannt, dass Beschränkungen der Spieltätigkeiten durch zwin-
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sem Lichte hat sich für den EuGH gezeigt, dass die italienische Rechtslage allem Anschein nach die Gelegenheit zum Spiel nicht verringert. Obwohl der EuGH – wie auch sonst im Glücksspielrecht – die konkrete Anwendung seiner Kriterien den mitgliedstaatlichen Gerichten überlassen hat, ist die Prüfung des Falls doch sehr deutlich in die Richtung gegangen, dass das italienische Recht den diesbezüglichen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts im Ergebnis nicht standhält (Rz 71). Schlusspunkt in dieser Rechtsentwicklung ist das Urteil des EuGH iS „Placanica“. Dieses Verfahren hatte – so auch wie jenes in der Rs „Gambelli“ – die strafrechtliche Verfolgung der Betreiber von Datenübertragungszentren in Italien (nämlich deren konzessionsloses Sammeln von Wetten) zum Inhalt. Die Entscheidung des EuGH in dieser Rechtssache ist vielschichtig. Der EuGH hat im Urteil „Placanica“ zunächst an seinem Ausgangspunkt, dem grundsätzlichen Regelungsermessen der Mitgliedstaaten in Glücksspielsachen, festgehalten42 und auch seine bisherige – im Vorigen referierte – Rechtsprechung (unter Einschluss des Kohärenzgebots) bekräftigt. Der EuGH hat in Akzentuierung seiner bisherigen Rsp auch ausgesprochen, dass selbst eine iSd Vorgesagten nicht kohärente – nämlich die Gelegenheit zum Spiel entgegen einem diesbezüglich verkündeten Regelungsanliegen nicht verhindernde – mitgliedstaatliche Regelung unter ganz speziellen Voraussetzungen gemeinschaftsrechtskonform sein könnte. Diese anderen Gesichtspunkte lassen sich mit einer „Politik der kontrollierten Expansion“ umschreiben. Eine – entgegen einem artikulierten Regelungsanliegen – das Glücksspiel nicht reduzierende, sondern seinem Volumen nach expandierende nationale Regelung kann dann – nur, aber immerhin – insoweit zulässig sein, als eben diese Expansion zur Austrocknung der organisierten Kriminalität (und des durch sie kontrollier____________________
gende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz., die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können; jedoch müssen die Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinn zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen.“ 42 EuGH Rs Placanica Rz 52: „Hinsichtlich der Ziele, die diese Hemmnisse rechtfertigen können, ist in diesem Zusammenhang zu unterscheiden zwischen zum einen dem Ziel, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern und – soweit Glücksspiele zugelassen sind – zum anderen dem Ziel, dadurch Straftaten vorzubeugen, dass die auf diesem Gebiet tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer Kontrolle unterworfen und Glücksspieltätigkeiten so in Bahnen gelenkt werden, die diesen Kontrollen unterliegen“. Und in Rz 53: „Zu der erstgenannten Art von Zielen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass Beschränkungen der Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer zwar grundsätzlich gerechtfertigt sein können, jedoch in jedem Fall dem Anliegen gerecht werden müssen, die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen“.
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ten Glücksspiels) erforderlich ist. Dadurch, dass der Staat expansiv gewisse, unter seiner Kontrolle stehende Spielalternativen eröffnet, gräbt er dem Glücksspiel im grauen und schwarzen Markt das Wasser ab.43 Die solcherart „zusätzlich“ eröffnete Möglichkeit einer mitgliedstaatlichen Rechtfertigung unterliegt nun freilich ihrerseits den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Eine kontrollierte Expansion ist danach nur insoweit zulässig, als es dieser wirklich zur Bekämpfung einer realen Gefahr bedarf. Tatsächlich muss im betreffenden Mitgliedstaat daher eine entsprechende Sachlage bestehen, die eine solche Politik der kontrollierten Expansion erforderlich macht. Liegt sie vor, so muss die entsprechende nationale Regelung in Erreichung dieses Regelungsziels verhältnismäßig und maßhaltend sein. Es obliegt den nationalen Gerichten zu prüfen, ob die mitgliedstaatliche Regelung tatsächlich einem derartigen Regelungsanliegen genügt (Rz 57, 58). Aus dem Urteil iS „Placanica“ ergibt sich weiters, dass der EuGH ein gücksspielrechtliches Konzessionssystem nicht als per se gemeinschaftsrechtswidrig ansieht. Die Ausgestaltung eines solchen Konzessionssystems muss allerdings wiederum den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips genügen. So geht „der Ausschluss der auf reglementierten Märkten notierten Kapitalgesellschaften“ über das zur Austrocknung einschlägig krimineller Tätigkeiten Erforderlichen hinaus (Rz 62). Sieht ein nationales Glücksspielrecht ein Konzessionssystem vor, dann muss die Anzahl der Konzessionen auch angemessen festgelegt sein (vgl Rz 63). Im Ergebnis führt diese Judikaturentwicklung zu einer durchaus rigorosen Kontrolle der mitgliedstaatlichen Beschränkungen der Grundfreiheiten im Bereich des Glücksspiels. 2. Auswirkungen auf das Sanktionsrecht Zunächst nochmals zu den allgemeinen Prinzipien. Diese besagen, dass nationales Recht, das in Widerspruch zu den Grundfreiheiten steht, nicht anzuwenden ist (sog „Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts“). ____________________
43 Placanica Rz 55: „Als das wirkliche Ziel der in den Ausgangsverfahren fraglichen italienischen Regelung ist nämlich … das zu der zweiten Art von Zielsetzungen gehörende Ziel benannt worden, die Glücksspieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, um ihrer Ausbeutung zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Eine Politik der kontrollierten Expansion im Bereich der Glücksspiele kann nämlich ohne weiteres mit dem Ziel in Einklang stehen, Spieler, die als solchen verbotenen Tätigkeiten geheimer Spiele oder Wetten nachgehen, dazu zu veranlassen, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Wie die belgische und die französische Regierung zutreffend darauf ausgeführt haben, ist es zur Erreichung dieses Ziels erforderlich, dass die zugelassenen Betreiber eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zur verbotenen Tätigkeit bereitstellen, was das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken mit sich bringen kann“.
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Aus eben diesem Grundsatz scheint sich – auf das Sanktionenrecht gewendet – in völlig konsistenter Weise zu ergeben, dass dann, wenn das entsprechende Sachrecht (in concreto: das einschlägige Marktzugangsrecht) grundfreiheitenwidrig ist, auch jene Strafrechtsregeln, die der Effektuierung dieses Marktzugangsrechts dienen, unangewendet bleiben müssen. Der EuGH hat in seinem Urteil iS Placanica44 genau diesen Schluss gezogen: Da die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens die erforderlichen Konzessionen und Genehmigungen deshalb offensichtlich nicht erlangen konnten, weil die italienischen Marktzugangsregeln in gemeinschaftsrechtswidriger Weise eine Konzessionsvergabe an (EU-ausländische) Aktiengesellschaften nicht zuließ, müssen die diesbezüglichen Sanktionen unangewendet bleiben (Rz 70: „… kann die Italienische Republik … den Beschuldigten keine strafrechtlichen Sanktionen wegen Sammelns von Wetten ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung auferlegen“). Und weiters (Rz 71 und 72): „Die Art 43 und 49 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, …, die für Personen … eine strafrechtliche Sanktion wegen Sammelns von Wetten ohne die nach dem nationalen Recht erforderliche Konzession oder polizeiliche Genehmigung eine strafrechtlichen Sanktion vorsieht, dann entgegen stehen, wenn sich diese Personen diese Konzessionen oder Genehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil dieser Mitgliedstaat es unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt hatte, sie ihnen zu erteilen“. Im Ergebnis formuliert der EuGH daher ein gemeinschaftsrechtliches Strafanwendungsverbot. Dieses besagt, dass für den Fall des Bestehens eines gemeinschaftsrechtswidrigen Marktzugangsregimes das entsprechende, dieses Marktzugangsregime strafrechtlich absichernde Sanktionsrecht unangewendet bleiben muss.
IV. Auswirkungen auf die österreichische Rechtslage A. Das österreichische Glücksspielrecht (Marktzugangsrecht) vor den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts Das österreichische Marktzugangsregime – dessen Detailanalyse als solche nicht Hauptgegenstand dieser Arbeit ist – erweist sich sub titulo Verhältnismäßigkeitsprinzip (und Kohärenzprinzip) als kaum vereinbar mit den vorerwähnten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen.45 ____________________
44 Er hat die diesbezüglichen Überlegungen bereits durchaus konkret im Urteil iS „Gambelli“ Rz 76 grundgelegt. 45 Die Europäische Kommission ist in einem Aufforderungsschreiben gegenüber der Republik Österreich davon ausgegangen, dass die österreichische Rechts- und Sachlage den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nicht genügt.
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Ein Konzessionssystem ist, wie dargetan, zwar nicht als solches gemeinschaftsrechtswidrig. Die konkrete Ausgestaltung dieses Systems nach GSpG begegnet allerdings schwersten Bedenken. Zunächst lässt sich nicht ernsthaft behaupten, dass die österreichische Rechtslage und ihre Handhabung darauf abzielen, die Gelegenheit zum Glücksspiel zurückzudrängen. Die Marktzugangsregeln des GSpG sind ersichtlich darauf angelegt, dem Konzessionsinhaber zwar vor Konkurrenzierung zu schützen, ihm aber keine Beschränkungen bei der wirtschaftlichen Ausnutzung seiner Konzessionen aufzuerlegen. Tatsächlich erfolgt durch die jeweiligen Konzessionsträger (für Ausspielungen und Spielbanken) eine Politik der – sogar sehr aggressiven – Expansion. Wenn überhaupt, so ließe sich die österreichische Regelung daher im Lichte der „Austrocknung organisierter Kriminalität“ verteidigen. Diesbezügliche Überlegungen wären aber nicht durchschlagend. Nach dem Urteil des EuGH iS „Placanica“ reicht die bloße Behauptung eines derartigen „Austrocknungsbedarfs“ zur Rechtfertigung nicht hin: Zunächst scheint die österreichische Sachlage mit jener in Italien in keiner Weise vergleichbar. Ein kriminologisches Umfeld, das die Politik der kontrollierten Expansion zur Austrocknung organisierter Kriminalität gezielt erforderlich macht, ist nicht ersichtlich; ein solches Umfeld wurde auch bis dato weder empirisch nachgewiesen noch plausibel gemacht. Eine diesbezügliche Behauptung kann daher auch nicht als Rechtfertigung der österreichischen Beschränkungen herhalten. Mehr noch: Selbst wenn das österreichische Konzessionsregime wirklich dem Ziel einer Austrocknung organisierter Kriminalität durch kontrollierte Expansion dient, so ist nicht einzusehen, wieso die Anzahl der Konzessionen für Ausspielungen auf eine einzige begrenzt sein muss (§ 14 Abs 5 GSpG)46. Einem solchen Überwachungs- und Kontrollziel wäre auch dadurch entsprochen, dass mehrere Konzessionen (die alle der staatlichen Aufsicht und Kontrolle unterliegen) zur Vergabe gelangen. Die Beschränkung auf eine einzige Konzession erscheint daher insoweit jedenfalls als überschießend. Dies gilt umso mehr, als der EuGH im Judikat Placanica sub titulo Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Vorgabe formuliert hat, dass die Zahl der Konzessionen angemessen zu sein hat. Dazu kommen weitere Einzelgesichtspunkte. Wegen der damit verbundenen Behinderung EU-ausländischer Anbieter von vornherein im Lichte der Grundfreiheiten (hier: der Niederlassungsfreiheit) problematisch ist das Erfordernis eines Inlandssitzes, das das GSpG sowohl hinsichtlich ____________________
46 Gleiches gilt für die Beschränkung der Spielbankenkonzessionen auf 12 gemäß § 21 GSpG.
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Ausspielungen als auch für Spielbanken vorsieht (§§ 14 Abs 2 Z 1, 21 Abs 2 Z 1 GSpG). Auch das Erfordernis von Namensaktien erscheint etwa mit den Anforderungen des Placanica-Urteils unvereinbar (§§ 14 Abs 2 Z 2, 21 Abs 2 Z 2 iVm § 30 GSpG).47 Eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des österreichischen glücksspielrechtlichen Marktzugangsregimes48 liegt nach dem Vorgesagten sohin sehr, sehr nahe. B. Die Auswirkungen auf das Glücksspielstrafrecht (§ 168 StGB) 1. Sanktionierungsverbot und Glücksspielstrafrecht Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus dem vorgenannten Befund, dass nämlich das österreichische Glücksspielrecht nicht in Einklang mit den europäischen Anforderungen steht, für das Strafrecht? Zunächst: Ein gemeinschaftsrechtswidriges Marktzugangsrecht führt nach dem Vorgesagten dazu, dass auch das zugehörige – die Marktzugangsregeln zusätzlich absichernde – Sanktionierungsrecht unangewendet bleiben muss. Ob das Sanktionsrecht ausdrücklich (etwa als Blankettstrafbestimmung) auf das Marktzugangsrecht verweist oder aber – wie nach österreichischem Recht – im Zusammenspiel mit dem Marktzugangsrecht dafür sorgt, dass konzessioniertes Glücksspielangebot strafrechtlich gerechtfertigt ist, nicht konzessioniertes aber bei Strafe verboten, ist einerlei. Die Folge ist stets ein – unmittelbar gemeinschaftsrechtlich begründetes – strafrechtliches Sanktionierungsverbot. Dieses Strafanwendungsverbot ist Folge der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des konkret bestehenden nationalen Marktzugangsrechts: Darauf, ob es innerstaatlich glücksspielrechtliche Regelungsalternativen gäbe, die in Einklang mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts die Ausübung des Glücksspiels restriktiv reglementieren49, kommt es – wie zu betonen ist – nicht an.50 Solange eine diesbezüglich vorstellbare gemeinschaftsrechtskonforme Anpassung des nationalen Marktzugangsrecht nicht effektuiert ist, bleibt es beim Bestrafungsverbot. ____________________
47 Problematisch ist gleichfalls das Erfordernis eines Mindestkapitals von € 109 Mio für Ausspielungskonzessionen. 48 Zwar ist eine Novellierung des GSpG in Vorbereitung; diese betrifft offenbar aber nicht die hier angesprochenen Kernpunkte. 49 Zu denken ist etwa an die Möglichkeit eines Totalverbots. 50 Ohne Bedeutung ist daher, ob es eine innerstaatliche Gestaltungsmöglichkeit gäbe, den sich konkret auf das gemeinschaftsrechtliche Strafanwendungsverbot berufenden Anbieter vom Markt auszuschließen.
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2. Umsetzungsvarianten Im Grunde lassen sich unterschiedliche – rechtlich zum Teil gleichwertige, zum Teil ungleichwertige – Möglichkeiten finden, das gemeinschaftsrechtlich vorgegebene Pönalisierungsverbot innerstaatlich zur Geltung zu bringen. Diese unterschiedlichen Varianten sollen zunächst als solche dargestellt und hernach in ihrer rechtlichen Überzeugungskraft evaluiert werden. a. Sozial-Adäquanz Zunächst ist überlegenswert, dem gemeinschaftsrechtlichen Sanktionierungsverbot schon auf Tatbestandsebene des § 168 StGB – gewissermaßen vorgeschaltet der eigentlichen Tatbestandssubsumption – im Wege einer entsprechenden Auslegung der Sozial-Adäquanz Rechnung zu tragen. Dies wäre deshalb möglich, weil hinsichtlich aller Straftatbestände – der Fahrlässigkeits- wie der Vorsatzdelikte – anerkannt ist, dass diese jeweils nur sozial-inadäquate Verhaltensweisen, nicht aber sozial-adäquates Verhalten erfassen. Eröffnet ein bestimmtes Verhalten nur ein sozial anerkanntes Risiko der Tatbildverwirklichung, so ist es – wiewohl formal vom Gesetzeswortlaut erfasst – nicht tatbildlich. Dieser „Filter“ der Sozial-Adäquanz ließe sich daher auch im Rahmen des Vorsatzdeliktes des § 168 fruchtbar machen: § 168 StGB wäre dann dahin gehend zu verstehen, dass das Angebot von Glücksspielen unter den vom EuGH formulierten Voraussetzungen – in Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Sanktionierungsverbots – als von vornherein „sozial-adäquat“ und damit nicht tatbildlich zu verstehen ist. b. Tatbestandliche Unanwendbarkeit Ein gemeinschaftskonformes Ergebnis ließe sich auch so erzielen, dass man § 168 StGB infolge der Vorrangwirkung konfligierenden unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts schlicht als tatbestandlich verdrängt ansieht51. Der Tatbestand des § 168 StGB würde daher – nach Maßgabe seiner Unvereinbarkeit mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht (soweit also ein einschlägig grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt) – unanwendbar: Im genannten Umfang ist die nationale Strafnorm – ungeachtet ihrer formal weiterbestehenden Geltung – in ihrer Anwendung blockiert: § 168 StGB dürfte daher auf das innerstaatliche Angebot eines gemeinschaftsrechtswidrig vom nationalen Markt ausgeschlossenen Anbieters nicht zur Anwendung gebracht werden. ____________________
51 Zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts allgemein Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht 3 (2006) 80.
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c. Rechtfertigung kraft EU-ausländischer Konzession Für diejenigen – den oben erwähnten italienischen Fällen entsprechenden – Konstellationen, in denen der gemeinschaftsrechtswidrig vom nationalen Glücksspielmarkt ausgeschlossene Anbieter (bereits) Träger einer einschlägigen EU-ausländischen Berechtigung (Lizenz) ist, lässt sich das gemeinschaftsrechtliche Sanktionierungsverbot auch so umsetzen, dass man die ausländische Konzession der inländischen gleichwertig erachtet. Die – gemeinschaftsrechtlich gebotene – Sanktionslosigkeit des Glücksspielangebots im Inland ergäbe sich diesfalls kraft Rechtfertigung durch die ausländische Konzession. Eine solche Sicht könnte insoweit nahe liegen, als – gerade in Fällen von Internet-Angeboten – das ausländische Internet-Angebot ja ohnedies kraft einschlägiger ausländischer Berechtigung betrieben wird. d. Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung Vorstellbar ist auch, dem Geltungsvorrang des Gemeinschaftsrechts dadurch Rechnung zu tragen, dass man das vom EuGH formulierte Sanktionierungsverbot auf Rechtfertigungsebene – also als unmittelbar im Gemeinschaftsrecht begründeten Rechtfertigungsgrund – innerstaatlich zur Geltung bringt. Dieser Weg ist deshalb ohne weiteres gangbar, weil sich – auch im Bereich des Strafrechts wirksame – Rechtfertigungsgründe aus der Gesamtrechtsordnung ergeben können. Deshalb ist auch eine Rechtfertigung kraft Gemeinschaftsrechts als Kategorie durchaus anerkannt.52 Folgt man diesem Weg, so bleibt das Verhalten zwar innerstaatlich tatbestandswidrig, es ist aber kraft gemeinschaftsrechtlich begründeter Rechtfertigung (nämlich des gemeinschaftsrechtlichen Sanktionierungsverbots) nicht strafbar. Diese „Rechtfertigungslösung“ begründet zwar im Verhältnis zur „Tatbestandslösung“ einen konstruktiv unterschiedlichen Weg; in der Sache sind beide Umsetzungsvarianten aber gleichwertig. Das gemeinschaftsrechtliche Sanktionierungsverbot führt dazu, dass in Bezug auf ein entsprechendes Glücksspielangebot im Ergebnis ein tatbestandlich-rechtswidriges Verhalten nicht vorliegt. e. Gemeinschaftsrechtlich begründeter Strafausschließungsgrund Letztlich wäre es allenfalls noch vorstellbar, das gemeinschaftsrechtlich begründete Sanktionierungsverbot als Strafausschließungsgrund (eigener Art) dogmatisch umzusetzen: Diesfalls bliebe das Glücksspielangebot eine verbotene (und für sich genommen auch schuldhaft begangene) Handlung; das gemeinschaftsrechtliche Strafanwendungsverbot würde als „bloßes Be____________________
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Vgl Lewisch, WK-StGB 2 Nachbem § 3 Rz 3.
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strafungsverbot“ bloß die Sanktionierung der weiterhin strafbaren Tat ausschließen. 3. Die strafrechtliche Umsetzung in concreto: Gemeinschaftsrechtlich indizierte Tatbestandsverdrängung Wie ist nun die Umsetzung des gemeinschaftsrechtlichen Sanktionierungsverbots am besten ins Werk zu setzen? Ausgangspunkt der diesbezüglichen Überlegungen ist, dass zwar im Ergebnis der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber gegenläufigem nationalen Recht durchschlagen muss. Im Übrigen besteht aber ein Spielraum des nationalen Rechts hinsichtlich der Wege, wie es diese Prävalenz des Gemeinschaftsrechts sicherstellt.53 Eine Umsetzungsvariante wird dabei konstruktiv umso mehr überzeugen, je besser sie sich in die Eigenarten und Teleologie des jeweiligen Sachrechts und das Gesamtgefüge des österreichischen Rechts in seinem Zusammenspiel mit dem Gemeinschaftsrecht einfügt. In gewissem Rahmen ist die Frage der Umsetzung aber auch „dogmatische Geschmacksfrage“. Eine Evaluierung der vorgenannten Varianten zeigt das folgende Bild: Zunächst lassen sich die beiden „Eckvarianten“ (Strafausschließungsgrund, Sozial-Adäquanz) ausschließen. Eine Umsetzung als bloßer Strafausschließungsgrund würde den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben mit Sicherheit nicht gerecht. Das Veranstalten von Glücksspiel bliebe eine „mit Strafe bedrohte Handlung“. Diese wäre – iSd § 168 StGB tatbestandlich-rechtswidrig – weiterhin mit dem Makel der Strafgesetzwidrigkeit behaftet. Die Bestrafung für diese – auch schuldhaft verwirklichte – Tat würde bloß aus speziellen Rücksichtnahmen (nämlich eben den Gründen des gemeinschaftsrechtlichen Sanktionierungsverbots) unterbleiben. Folgte man dieser Interpretation, so bliebe nicht nur das strafrechtliche Verbot erhalten; eben diese Strafrechtswidrigkeit bildete auch weiterhin die Grundlage einer repressiven Sanktionierung: So käme, zumindest grundsätzlich, eine Bereicherungsabschöpfung nach § 20 StGB in Betracht, die ja an die bloße Begehung einer mit Strafe bedrohten (nicht notwendig: in concreto strafbaren) Handlung anknüpft. Unmittelbar aus dem Strafrecht könnte aber auch das Sittenwidrigkeitsurteil für eine wettbewerbsrechtliche Sanktion gemäß § 1 UWG gewonnen werden. Damit aber würde gerade die fortbestehende Straf____________________
53 Das bedeutet: Umsetzungsvarianten, die den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben unvollkommen Rechnung tragen, kommen schon kraft Gemeinschaftsrechts nicht in Betracht; ansonsten darf aber jene Variante gewählt werden, die den Eigenarten des nationalen Rechts am besten entspricht.
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rechtswidrigkeit des Glücksspielangebots Grundlage für dessen Sanktionierung. Mit den Anforderungen des gemeinschaftsrechtlichen Sanktionierungsverbots wäre dies unvereinbar. Eine Einordnung von Verhaltensweisen als sozial-adäquat würde zwar den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechen; sie wird aber – innerstaatlich – den Eigenarten der Sozial-Adäquanz nicht wirklich gerecht. Die Funktion der Sozial-Adäquanz besteht darin, deshalb bestimmte Verhaltensweisen aus dem Tatbestand herauszufiltern, weil die mit ihnen verbundene Gefahr das Ausmaß des sozial anerkannten Risikos nicht übersteigt. Konstruktiv wäre es zwar möglich anzunehmen, dass ein – nach der Rsp des EuGH als nicht-sanktionierbar beurteiltes – Glücksspielangebot jedenfalls auch ein solches ist, das – im normativen Sinn – stets auch „sozial anerkannt“ ist: Eine solche Interpretation führt allerdings dazu, dass Verhaltensweisen, die nach dem historischen Gesetzeszweck im Kern des tatbestandlichen Verbots liegen, auf Grund der Vorrangwirkung des Gemeinschaftsrechts aus dem Tatbestand ausgenommen werden. Die Sozial-Adäquanz ist aber – nach ihrer Grundidee54 – kein Instrument zur Auflösung konfligierender Rechtsprinzipien oder Wertentscheidungen. Die besseren Gründe sprechen daher dafür, dem gemeinschaftsrechtlichen Sanktionierungsverbot auf anderer – dafür geeigneterer – Ebene Rechnung zu tragen. Auch die Auflösung des Konflikts durch Behandlung aller EU-ausländischen Konzessionen als „Inlandskonzessionen“ ist letztlich nicht überzeugend. Sie reicht – wiewohl für manche Fälle ein denkbarer Weg – für sich allein zur Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nicht hin. Das Bestrafungsverbot nach dem Urteil „Placanica“ setzt die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der innerstaatlichen Rechtslage, nicht notwendig auch die aufrechte Innehabung einer EU-ausländischen Konzession voraus. Sehr häufig – so auch in den oben erwähnten leading cases – wird der durch das gemeinschaftsrechtswidrige Marktzugangsregime ausgeschlossene Teilnehmer gleichzeitig auch Inhaber einer aufrechten ausländischen Berechtigung sein: In diesen Fällen lässt sich auf dem genannten Weg – innerstaatliche Rechtfertigung kraft ausländischer Konzession – ein im Ergebnis gemeinschaftsrechtskonformer Zustand herstellen. Das gemeinschaftsrechtliche Sanktionierungsverbot hängt aber nicht an der Innehabung einer EU-ausländischen Konzession; es reicht, dass der Glücksspielanbieter in gemeinschaftsrechtswidriger Weise vom Zugang zum nationa____________________
54 Freilich wäre es vorstellbar, die Sozial-Adäquanz in diese zusätzliche Richtung zu öffnen. Die besseren Gründe sprechen aber dafür, eine Umsetzung auf anderem Wege zu wählen.
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len Markt ausgeschlossen ist.55 Jedenfalls für diese Fälle ist daher auf anderem Weg Vorsorge zu treffen. So verbleibt die Entscheidung zwischen einem gemeinschaftsrechtlich begründeten Tatbestandsverdrängung und einer Rechtfertigung kraft Gemeinschaftsrechts. In beiden Fällen steht das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer Strafnorm wegen der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des zugrunde liegenden Marktzugangsrechts entgegen. Beide Lösungen sind im Ergebnis gleichwertig. Entweder man sieht schon den tatbestandlichen Unwert des § 168 StGB für nicht verwirklicht an, oder aber man bejaht zwar die Tatbestandsverwirklichung iSd § 168 StGB, erachtet aber den entsprechenden tatbestandlichen Unwert als durch die gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung jedenfalls überkompensiert; im Ergebnis würde daher auch insoweit strafrechtliches Unrecht nicht verwirklicht. Die Auswahl einer der beiden genannten Umsetzungsvarianten kommt also der oben apostrophierten „Geschmackssache“ sehr nahe. Letztlich ist der Tatbestandsausschluss konzeptiv einleuchtender als eine „Rechtfertigungslösung“. Bei einer Rechtfertigungslösung wäre der Umstand, dass das Gemeinschaftsrecht der Anwendung des nationalen Strafrechts „entgegensteht“56, in Hinblick auf die Anwendung der nationalen Strafnorm als „Erlaubnissatz“ zu deuten. Sub titulo „gemeinschaftsrechtliches Sanktionierungsverbot“ werden die Grundfreiheiten allerdings nicht unmittelbar als „Erlaubnissatz“ wirksam; die diesbezügliche „Berechtigung“ lässt sich besser als Reflex der (gewiss durch Verstoß gegenüber den Grundfreiheiten begründeten) Unanwendbarkeit des sanktionsbewehrten nationalen Marktzugangsrechts auf die genannten Konstellationen verstehen. Weil das nationale Strafrecht die fehlende Innehabung einer (in Widerspruch zu den Grundfreiheiten verwehrten) Konzession nicht zur Voraussetzung einer Sanktionierung machen darf, besteht für einen Glücksspielanbieter – ungeachtet des Fehlens einer einschlägigen nationalen Konzession – die Möglichkeit zur unsanktionierten Betätigung. Insoweit erscheint die Annahme eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Rechtfertigungsgrundes zwar vorstellbar, aber in der Sache nicht vollends überzeugend. Dem gegenüber setzt die tatbestandliche Verdrängung nach dem Vorgesagten das gemeinschaftsrechtliche Strafanwendungsverbot, wenn man so will, in seiner dogmatisch „reinsten“ Form um. Die Primärrechtswid____________________
55 Gleichzeitig führt die EU-ausländische Konzession dann nicht zur Rechtfertigung einer einschlägigen glücksspielrechtlichen Betätigung im Inland, wenn das inländische Marktzugangsrecht gemeinschaftsrechtskonform ausgestaltet ist. 56 Vgl nochmals EuGH iS „Placanica“, der in Rz 71 davon spricht, dass „die Art 43 EG und 49 EG ... einer nationalen [strafrechtlichen] Regelung ... entgegen stehen“.
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rigkeit des nationalen Marktzugangsrechts begründet ein diesbezügliches – auf grenzüberschreitende Fälle bezogenes – Anwendungsverbot des zugehörigen Sanktionsrechts: Das Gemeinschaftsrecht schiebt sich – bildhaft gesehen: wie eine Wolke – zwischen die Strafnorm des § 168 StGB und die Sachverhaltsebene (= Anwendungsebene) und blockiert die Anwendung dieser – in ihrer Geltung für sich genommen unberührten – Strafnorm nach Maßgabe des gemeinschaftsrechtlich Gebotenen.57 Die Figur der gemeinschaftsrechtlich begründeten Tatbestandsverdrängung (iS eines Tatbestandsanwendungsverbots) wird daher dem grundsätzlichen Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht in besonderer Weise gerecht. Im Ergebnis sprechen daher die besseren Gründe dafür, das gemeinschaftsrechtliche Strafanwendungsgebot innerstaatlich im Wege einer tatbestandlichen Verdrängung umzusetzen.
V. Zusammenfassung Im Bereich des Glücksspielstrafrechts zeigt sich das Zusammenspiel von Gemeinschaftsrecht und nationalem Strafrecht in besonders plastischer Weise. § 168 StGB verbietet nach seinem Wortlaut jegliches Anbieten von Glücksspielen (außerhalb des Bagatellbereichs). Da glücksspielrechtliche Konzessionen aber strafrechtlich als Rechtfertigungsgründe wirksam werden, verstärkt § 168 StGB im Ergebnis das glückspielrechtliche Marktzugangsregime: Das konzessionierte Glücksspielangebot ist demnach erlaubt, das nicht-konzessionierte (unter den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 168 StGB) bei Strafe verboten. Das Veranstalten von Glücksspielen unterliegt den Grundfreiheiten des EGV. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung die diesbezüglichen Anforderungen an mitgliedstaatliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten zusehends verschärft. Es gelten – so wie auch in anderen Sachbereichen – die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips (und – als spezielle Ausprägung – das Kohärenzgebot). Nach dem Urteil des EuGH in der Rs „Placanica“ haben Strafnormen, die der Pönalisierung eines mitgliedstaatlichen gemeinschaftsrechtswidrigen Marktzugangsregimes dienen, unangewendet zu bleiben (gemeinschaftsrechtliches Strafanwendungsverbot). ____________________
57 Der Umfang des Tatbestandsausschlusses entspricht damit genau dem Ausmaß der Inkompatibilität der Strafnorm mit dem Gemeinschaftsrecht; er bezieht sich zunächst nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte und erfasst auch hier gerade die – infolge Widerspruchs zu den Grundfreiheiten – gemeinschaftsrechtswidrigen Konstellationen.
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Gegen das Marktzugangsregime des österreichischen Glücksspielrechts bestehen durchgreifende gemeinschaftsrechtliche Bedenken. Aus dem vorgenannten Regelungszusammenhang zwischen Glücksspielrecht und Strafrecht ergibt sich für § 168 StGB: Ist das nationale glücksspielrechtliche Marktzugangsregime gemeinschaftsrechtswidrig, so schlägt diese Gemeinschaftsrechtswidrigkeit sachlich zwingend auf jene Strafrechtsnormen durch, die dieses Marktzugangsregime spezifisch strafrechtlich absichern und führen – im Umfang der Inkompatibilität von Strafnorm und Grundfreiheiten – zur Unanwendbarkeit des § 168 StGB. Innerstaatlich lässt sich dieses Strafanwendungsverbot am besten iS einer tatbestandlichen Verdrängung (eines Tatbestandsausschlusses) deuten.
Georg Lienbacher
Sinn und Unsinn von Durchbrechungen verwaltungsgerichtlicher Kontrolle – ein Beispiel I. Einleitung Bernhard Raschauer hat sich besondere Verdienste um die Aufarbeitung allgemeiner Fragen des Verwaltungsrechts und der Verwaltungsorganisation erworben. Seine beiden Auflagen des Allgemeinen Verwaltungsrechts1 sind nur ein beredtes Zeugnis dafür. Darüber hinaus hat sich Raschauer immer wieder mit Fragen der Verwaltungsorganisation befasst.2 An diesen Bereich des wissenschaftlichen Wirkens von Bernhard Raschauer soll mit diesem Beitrag angeknüpft werden. Eine wesentliche Frage, welche die Organisation der Staatsfunktion Verwaltung seit dem vorvorletzten Jahrhundert immer wieder geprägt hat, ist die der gerichtlichen Kontrolle, wobei sich diese unter ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen gestellt hat. Diese Frage spielt auch in der jüngeren Staatsreformdiskussion eine große Rolle.3 Die Notwendigkeit der Einrichtung einer einheitlichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle wird zunächst unter dem Aspekt völkerrechtlicher und gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen immer wieder diskutiert. Dabei wird besonders auf die Verpflichtungen, die aus Art 6 EMRK resultieren, hingewiesen. Aber auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene verlangen immer mehr Sekundärrechtsakte die Entscheidungen durch Tribunale. Die österreichi____________________
1 Vgl Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht (Wien 1998) und Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 (Wien 2003). 2 Vgl zB Raschauer, Die obersten Organe der Bundesverwaltung, in: Heinz Peter Rill (Hrsg), Allgemeines Verwaltungsrecht (Wien 1979) 363; Raschauer, Die obersten Organe der Landesverwaltung, in: Heinz Peter Rill (Hrsg), Allgemeines Verwaltungsrecht (Wien 1979) 375; Raschauer/Kazda, Verwaltungsorganisation, in: Karl Wenger/Christian Brünner/Peter Oberndorfer (Hrsg), Verwaltungslehre (Wien 1982) 141. Ganz besonders muss in diesem Zusammenhang auch auf die umfangreichen Kommentierungen von Raschauer im Korinek/Holoubek Kommentar hingewiesen werden. Er hat dort unter dem hier erwähnten Gesichtspunkt die Art 20 Abs1, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 72, 73, 77 und 78 Abs 1 B-VG kommentiert, vgl Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht (Loseblattausgabe, 8. EL, Stand Dezember 2007). 3 Vgl dazu zB jüngst Lienbacher, Staatsreform in Österreich – Stand und Perspektiven, in: Bußjäger/Knüpling (Hrsg) Können Verfassungsreformen gelingen? (2008) 5 ff (11 ff ).
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sche Rechtsordnung hat sich in diesen Angelegenheiten mit unabhängigen Verwaltungsbehörden beholfen, welche die völkerrechtlich bzw gemeinschaftsrechtlich geforderte Tribunalqualität erfüllen sollen. Ob dies der Fall ist, wird vielfach bezweifelt. Fest steht jedenfalls, dass auf der Grundlage dieser Verpflichtungen die nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes mangels eingeschränkter Kognitionsbefugnis in der Regel nicht ausreicht4 und die vorgeschalteten unabhängigen Verwaltungsbehörden bezüglich ihrer Tribunalqualität immer wieder Zweifelsfragen aufwerfen.5 Neben diesem völkerrechtlichen bzw gemeinschaftsrechtlichen Aspekt spielt unter innerstaatlichen Gesichtspunkten in der Argumentation die Zersplitterung des Rechtsschutzsystems im Bereich der Verwaltung eine große Rolle. Nicht nur, dass vielfach verschiedene unabhängige Verwaltungsbehörden der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes vorgeschaltet sind und sich als Sonderregelungen im Bereich der Entscheidungsstrukturen in der allgemeinen Verwaltung erweisen. Durch eine Vielzahl von Art 133 Z 4 B-VG Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag wurden darüber hinaus für viele Verwaltungsmaterien Durchbrechungen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes durch den Verwaltungsgerichtshof geschaffen, deren Rechtfertigung oft mehr als zweifelhaft erscheint. Die Expertengruppe für Staats- und Verwaltungsreform hat in diesem Zusammenhang am 23. Juli 2007 einen Begutachtungsentwurf für ein Bundes-Verfassungsgesetz vorgelegt, mit dem ein einheitliches System der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle geschaffen werden soll.6 Nach der verwaltungsbehördlichen Entscheidung in erster Instanz soll nach diesem Vorschlag immer ein Verwaltungsgericht erster Instanz zur Kontrolle der ____________________
4 Vgl für viele Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts10 (2007) Rz 1540 ff. 5 Vgl zB Baumgartner, Die unabhängigen Verwaltungssenate und der Tribunalbegriff des Art 6 EMRK, ZUV 1995, 4 ff. 6 Vgl den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, den die Expertengruppe für Staats- und Verwaltungsreform am 23. Juli 2007 zur allgemeinen Begutachtung versandt hat, und der unter http://www.austria.gv.at/site/5732/ default.aspx (Stand 4.3.2008) abrufbar ist. Vgl dazu auch Stöger, Das 9+1 Modell der Verwaltungsgerichtsbarkeit, JRP 2007, 231; Kopetz, Abschaffung aller „Sonderbehörden“, JRP 2007, 239; Eisenberger, Besetzung der Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofes nach dem Entwurf zur Staats- und Verwaltungsreform, JRP 2007 250; Ennöckl, Die Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Entwurf zur Staats- und Verwaltungsreform, JRP 2007, 256; Mayerhofer, Beschwerdelegitimation vor den Verwaltungsgerichten, JRP 2007, 264; Fuchs, Der Beschwerdegegenstand im Verfahren der Verwaltungsgerichte erster Instanz, JRP 2007, 276; Pabel, Verwaltungsprozessrecht, JRP 2007, 287; Khakzadeh-Leiler, Die Beschwerde gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte erster Instanz an den Verwaltungsgerichtshof, JRP 2007, 298.
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verwaltungsbehördlichen Entscheidung berufen sein. Entscheidungen der Verwaltungsgerichte sollen mit voller Kognitionsbefugnis erfolgen. Das heißt, die Verwaltungsgerichte erster Instanz haben volle Tatsachen- und Rechtskognition. Sie entscheiden meritorisch. Ein Bundesverwaltungsgericht und neun Landesverwaltungsgerichte sollen diese Aufgaben bewältigen. Gegen Entscheidungen dieser Gerichte soll nur mehr eingeschränkt der Verwaltungsgerichtshof anrufbar sein.7 Dahinter steht die Idee, eine radikale Vereinfachung im Hinblick auf die derzeit bestehende Struktur zu erreichen. Es sollen alle bestehenden Sonderbehörden, mehr als siebzig an der Zahl, abgeschafft werden.8 Vor allem aber sollen damit alle Zweifelsfragen hinsichtlich der Erfüllung der völker- und gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen ausgeräumt werden, wenn diese Tribunalentscheidungen verlangen. Dass dieser strukturelle Umbau erforderlich ist, soll nun an einem abgelegenen Beispiel demonstriert werden, das in der Praxis bisher kaum eine Rolle gespielt hat, aber pars pro toto die zum Teil kaum mehr nachvollziehbare Komplexität und sachlich kaum rechtfertigbare Differenzierungen aufzeigt. Durch seine Entlegenheit einerseits und durch seine Bedeutung für das abstrakt angesprochene Problem andererseits ist es meines Erachtens besonders für einen Festschriftbeitrag geeignet.
II. Art III B-VG-Nov 1992 Die B-VG-Nov 19929 hat neben der Kompetenzerweiterung für die Länder bezüglich des Baugrundstückverkehrs im Bereich des Rechtsschutzes deren Regelungsbefugnis eingeschränkt. Art III B-VG-Nov 1992 erklärt nur für den Bereich des Baugrundstücksverkehrs die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs für zulässig. Die Regelungsbefugnis der Länder wird damit verkürzt, weil sie durch die Einrichtung einer Art 133 Z 4 B-VG Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes im Bereich des Baugrundstücksverkehrs nicht mehr ausschalten können. Im Bereich des Ausländergrundstücksverkehrs und im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs bleiben diese Möglichkeiten allerdings erhalten. Im Folgenden soll nun Art III B-VG-Nov 1992 als kompetenzbeschränkende Bestimmung näher analysiert und einer Betrachtung dahingehend ____________________
7
Vgl die vorgeschlagenen Varianten eines neuen Art 133 B-VG im zitierten Entwurf. Vgl Z 61 im zitierten Entwurf. 9 Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl 1992/276 (B-VG-Nov 1992). 8
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unterzogen werden, welche Schwierigkeiten für die Landesgesetzgeber bei der praktischen Umsetzung damit verbunden sind. Diese Bestimmung erscheint zwar relativ klar, wirft aber bei näherer Betrachtung eine Reihe von Fragen auf. Zunächst sind die Auswirkungen des Tatbestandsmerkmals „bebaute und zur Bebauung bestimmte Grundstücke“ einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Danach ist zu klären, welche rechtlichen Wirkungen Art III B-VG-Nov 1992 zukommen, das heißt insbesondere, ob man sich direkt auf ihn berufen kann. Schließlich soll anhand von Beispielen dargestellt werden, in welchen landesgesetzlichen Regelungskonstellationen Probleme bzw Veränderungen im Hinblick auf Art III B-VG-Nov 1992 auftreten. A. Notwendigkeit der verfassungsrechtlichen Abgrenzung Im Verhältnis der drei Regelungsbereiche im Grundverkehr (land- und forstwirtschaftlicher Grundverkehr, Baugrundstücksverkehr und Ausländergrundverkehr) zueinander, das durch Überlappung gekennzeichnet ist, ergibt sich durch die Festlegung des Bundesverfassungsgesetzgebers in Art III B-VG-Nov 1992, wonach in Angelegenheiten landesgesetzlicher Regelungen, die den Verkehr mit bebauten oder zur Bebauung bestimmten Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig ist, eine Durchbrechung dieser Überlappungsmöglichkeiten. Diese Bestimmung entzieht im Hinblick auf die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes den Landesgesetzgebern anders als bei der Festlegung der anderen grundverkehrsrechtlichen Regelungen die Möglichkeit, Überlappungsfragen der drei Regelungsbereiche selbst zu regeln, weil lediglich für den Verkehr von bebauten und zur Bebauung bestimmten Grundstücken die Garantie des Rechtszuges verfassungsrechtlich eingeräumt wird. Es stellt sich die Frage, wie sich das verfassungsrechtlich festgeschriebene Tatbestandsmerkmal „bebaute und zur Bebauung bestimmte Grundstücke“ zum land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehr und zum Ausländergrundstücksverkehr verhält bzw von den beiden letztgenannten abzugrenzen ist. Konkret ist zu klären, ob bebaute oder zur Bebauung bestimmte Grundstücke, die in den Ausländergrundverkehrsbereich fallen, bzw ob bebaute oder zur Bebauung bestimmte Grundstücke im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs vom Tatbestandsmerkmal „bebaute oder zur Bebauung bestimmte Grundstücke“ in Art III B-VG-Nov 1992 erfasst werden, oder ob diesbezüglich die Eigenschaft als Grundstück im Bereich des Ausländergrundstücksverkehrs oder die Eigenschaft als land-
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und forstwirtschaftliches Grundstück prävaliert, was zu Folge hätte, dass Art III B-VG-Nov 1992 auf solche Grundstücke, auch wenn sie bebaut oder zur Bebauung bestimmt sind, nicht anwendbar ist. Vorweg kann festgehalten werden, dass das Tatbestandsmerkmal in Art III B-VG-Nov 1992 ident mit dem in Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG ist und ebenso wie dieses mit der B-VG-Nov 1992 in die Bundesverfassung eingefügt wurde. Da auch keine anderen Indizien auffindbar sind, die auf ein unterschiedliches Verständnis hindeuten, sind beide auch in gleicher Weise zu verstehen. Unter diesem Gesichtspunkt kann für die durch Art III B-VG-Nov 1992 erforderliche Abgrenzung festgehalten werden, dass im Hinblick auf den Ausländergrundstücksverkehr beide Kompetenztatbestände gleichrangig nebeneinander stehen. Da der Kompetenztatbestand „bebaute oder zu Bebauung bestimmte Grundstücke“ aber später eingefügt wurde, steht er im Verhältnis zum schon früher eingefügten Kompetenztatbestand „Grundstücksverkehr für Ausländer“ wie die lex prior zur lex posterior. Er derogiert also insoweit dem Kompetenztatbestand „Grundstücksverkehr für Ausländer“, als er die bebauten und zur Bebauung bestimmten Grundstücke aus dieser Kompetenz herausnimmt. Diese Sicht wird auch von der in der Regierungsvorlage formulierten ratio der erfolgten Kompetenzübertragung unterstrichen, wenn es dort ganz allgemein heißt, dass Hintergrund der Kompetenzübertragung der von den Ländern festgestellte Regelungsbedarf auf Grund des zunehmenden Siedlungsdrucks bzw des Drucks auf die Siedlungsränder war. Vor allem sollte spekulatives Horten von Bauland durch die Länder verhindert werden können.10 Dies zeigt, dass der neu geschaffene Kompetenztatbestand sehr umfassend konzipiert worden ist. Ähnliches gilt für den land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehr. Zwar könnte man hier auf Grund der kompetenzrechtlichen Entwicklungen auch damit argumentieren, dass es sich um einen in sich geschlossenen Bereich handelt, der zumindest nach Ansicht der Judikatur mit dem Kompetenztatbestand „Zivilrechtswesen“ nicht in Verbindung stand und deshalb auch keine Ausnahme von diesem darstellt. Ausgehend vom umfassend formulierten neuen Kompetenztatbestand und ausgehend vom Regelungszweck, wie er in den Materialien dargetan wird, kann aber auch in diesem Fall angenommen werden, dass bebaute und zur Bebauung bestimmte land- und forstwirtschaftliche Grundstücke unter den Kompetenztatbestand „bebaute und zur Bebauung bestimmte Grundstücke“ des Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG fallen. Die hier vertretene Interpretation wird dadurch unterstrichen, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber im Art II ____________________
10
Vgl dazu RV 372 BlgNR XVIII. GP, 6 bzw 7.
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Abs 2 B-VG-Nov 1992 die Anpassung an bundeseinheitliche zivilrechtliche Bestimmungen, die in einer Art 15a B-VG Vereinbarung festzulegen sind, verpflichtend vorgeschrieben hat. Diese Anpassungsverpflichtung gilt nicht nur für die landesgesetzlich zu regelnden Angelegenheiten in Verbindung mit der neuen Baugrundstücksverkehrskompetenz der Länder, sondern auch für die vor der Kompetenzübertragung bestehenden Landesgesetze im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs und des Ausländergrundverkehrs. Die Bezugnahme des Bundesverfassungsgesetzgebers auf diese neue Kompetenz durch die wörtliche Wiederholung der Wendung „bebaute und zur Bebauung bestimmte Grundstücke“ schließt auch einen Rückgriff auf die Abgrenzungen aus, wie sie für die verschiedenen Bereiche in den einfachgesetzlichen Regelungen vorgesehen sind. Der in Art III B-VG-Nov 1992 genannte Tatbestand ist daher vielmehr als autonome verfassungsrechtliche Determinante in der dargestellten Weise zu verstehen. Er übt in dieser Form determinierende Wirkung auf die Landesgesetzgeber aus. Bei einem anderen Verständnis würde bis zu einem gewissen Maß die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie zur Disposition der Landesgesetzgeber stehen, je nachdem, wie dort bebaute und zur Bebauung bestimmte Grundstücke definiert werden. Das lag nicht in den Intentionen des Bundesverfassungsgesetzgebers. Vielmehr war es dessen Absicht, eine Stärkung des Rechtsschutzes herbeiführen, was das hier vertretene Ergebnis unterstützt. Dies war wesentlicher Bestandteil der kontroversen Standpunkte zwischen Bund und Ländern bei der Kompetenzübertragung.11 Der Verfassungsgerichtshof ist zwar in einem Erkenntnis betreffend einen Abtretungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf ein bebautes land- und forstwirtschaftliches Grundstück zu einer anderen Auffassung gelangt. Er begründet diese jedoch lediglich mit einer Gegenüberstellung der Textierung des Art III B-VG-Nov 1992 und des Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG sowie des Art II B-VG-Nov 1992, um daraus in einem ____________________
11 Vgl dazu AB 470 BlgNR XVIII. GP. Erst durch den Ausschuss wurde diese Bestimmung eingefügt. Dies geschah damals vor allem vor dem Hintergrund, dass der Bund einerseits eine einheitliche Vollziehung gewährleisten und andererseits die von ihm befürchteten Gefahren von Rechtswidrigkeiten in der Vollziehung bzw Verfassungswidrigkeiten bei der Gesetzgebung durch die neun Landesgesetzgeber hintanhalten wollte. Diese „Angst“ des Bundes spiegelt sich insb in der RV 372 BlgNR XVIII. GP wieder, wenn dort in den Erläuterungen (A.II.3.) quasi in Form einer Ermahnung ganz allgemeine verfassungsrechtliche Grundsätze festgehalten werden. Es heißt dort wörtlich: „Eine entsprechende Kompetenzübertragung bedeutet nicht, dass die Länder völlige Handlungsfreiheit in den Angelegenheiten des Liegenschaftsverkehrs erhalten. Vielmehr sind die Länder an die bundesverfassungsrechtlichen Regelungen, dh insbesondere an die materiellen Schranken des Grundrechtes auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs und des Grundrechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums gebunden.“ Dies wird auch im zit Ausschussbericht wiederholt.
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obiter dictum den Schluss zu ziehen, dass ein bebautes land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht in den Anwendungsbereich des Art III B-VG-Nov 1992 fällt.12 Das würde zur Folge haben, dass der verfassungsrechtliche Begriff „bebaute und zur Bebauung bestimmte Grundstücke“ je nach der Ausformung des „land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrsbegriffs“ in den einzelnen Bundesländern völlig unterschiedliche Bedeutung hätte. Die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes vermag aus den genannten Gründen aber auch mangels jeglicher sonstigen Begründung nicht zu überzeugen und greift zu kurz. Aus den dargelegten Gründen ist vielmehr für die genannten Fälle die Anwendbarkeit des Art III B-VGNov 1992 gegeben. B. Ausgestaltung in den Landesgesetzen Vor diesem Hintergrund sind daher zunächst die Ausgestaltungen in den Landesgesetzen zu betrachten. Die Länder sind frei, die Überlappungen der Bereiche aufzulösen. Je nach Ausgestaltung dieser Auflösung ergeben sich „Konfliktfelder“ mit den Festlegungen des Art III B-VG-Nov 1992, die es gilt herauszuarbeiten. Es lassen sich strukturell drei Möglichkeiten unterscheiden, mit den Überlappungen der drei Regelungsbereiche umzugehen. Es ist denkbar, die Überlappungen einfachgesetzlich keiner Regelung zu unterziehen, sie bei der Definition des Regelungsgegenstandes aufzulösen oder sie durch Genehmigungs- oder Verfahrenskonzentrationsregelungen zu bewältigen. 1. Ungeregelte Überlappungen der Regelungsbereiche Werden die Überlappungen der Regelungsbereiche in den einzelnen Grundverkehrsgesetzen der Länder ignoriert, hat dies zur Folge, dass Genehmigungspflichten, bzw allgemeiner formuliert, verwaltungsbehördliche Beschränkungen bei einem Rechtserwerb an einem Grundstück auch kumulativ auftreten. So könnten bis zu drei unterschiedliche Genehmigungen erforderlich sein, wenn der Landesgesetzgeber keine Kollisionsregelungen trifft. Alle landesgesetzlichen Regelungen mit Ausnahme des wr Ausländergrunderwerbsgesetzes, das nur den Ausländergrundstücksverkehr regelt und daher diesbezüglich keinen Regelungsbedarf hat, sehen Kollisionsregelungen vor und definieren damit hinsichtlich der unterschiedlichen verwaltungsbehördlichen Beschränkungen die Abgrenzung der drei Berei____________________
12 Vgl VfSlg 13.403/1993. Der VfGH scheint ohne nähere Reflexion davon ausgegangen zu sein, dass es zwischen den drei Regelungsbereichen keine Überlappungen gibt. Dies ist angesichts der auf einfachgesetzlicher Ebene existierenden Kollisionsbestimmungen nicht recht nachvollziehbar, zumal auch aus dem Verfassungsgesetzgebungsprozess zur B-VGNov 1992 keinerlei Indizien ableitbar sind, die eine solche Ansicht rechtfertigen.
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che. Probleme entstehen dort, wo diese Kollisionsregelungen nicht exakt genug ausgestaltet sind und daher ein Überlappungspotential bestehen bleibt. Überall dort sind Mehrfachgenehmigungen notwendig, wenn solche Lücken in der Abgrenzung nicht durch andere Bestimmungen im jeweiligen Grundverkehrsgesetz aufgefangen werden. Als Beispiel sei eine Abgrenzungsregelung im krnt GVG 199413 herangezogen, das inzwischen durch das krnt GVG 200214 ersetzt wurde. Grundstücke, die gem § 3 Abs 2 krnt GVG 1994 als Bauland gewidmet waren und gleichzeitig unter § 3 Abs 1 lit c leg cit fielen, stellten eine solche Abgrenzungslücke dar, weil sie zusammen mit Grundstücken nach § 3 Abs 1 lit a und b leg cit Gegenstand eines Rechtsgeschäftes waren und zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörten, land- oder forstwirtschaftlich genutzt waren oder land- oder forstwirtschaftlich genutzt gewesen waren und weiterhin land- oder forstwirtschaftlich nutzbar waren. Solche Grundstücke waren sowohl Baugrundstücke als auch land- und forstwirtschaftliche Grundstücke und somit Anknüpfungspunkt der verschiedenen Verfahren. Dass es sich dabei um praktisch nicht relevante Fälle handelte, wird man schwerlich sagen können, wenn man sich den vorsorgenden Landwirt mit drei Kindern vor Augen hält, der es geschafft hatte, für die beiden „weichenden“ Kinder durch Widmung je ein Baugrundstück auf seiner Liegenschaft sicherzustellen und in der Folge bei aufrechter landwirtschaftlicher Bewirtschaftung seiner gesamten Liegenschaft aus welchen Gründen auch immer gezwungen war, diese zu verkaufen. Diesfalls lag für die in der Liegenschaft als Baugrundstücke gewidmeten Flächen sowohl ein Baugrundstück nach § 3 Abs 2 lit a krnt GVG 1994, als auch ein landwirtschaftliches Grundstück nach § 3 Abs 1 lit c leg cit vor.15 Mangels anderer Kollisionsbestimmungen unterlagen diese zweifach verwaltungsbehördlichen Beschränkungen, und zwar sowohl nach den Regelungen des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs gem §§ 8 ff als auch nach §§ 18a ff krnt GVG für den Baugrundstücksverkehr. Nach dem derzeit geltenden krnt GVG 2002 sind zwar die Definitionen des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs insb auch mit den Anknüpfungen zu Bebauungswidmungen aufrecht geblieben. Freilich ist mit dem Wegfall des Baugrundstücksverkehrs aber die zweite Ebene der verwaltungsrechtlichen Beschränkungen nicht mehr gegeben. Für das hier zu behandelnde Problem des Art III B-VG-Nov 1992 gilt jedenfalls, dass immer dann, wenn bebaute oder zur Bebauung bestimm____________________
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Vgl krnt Grundverkehrsgesetz 1994, LGBl 1994/104 idF 2001/137. Vgl krnt Grundverkehrsgesetz 2002, LGBl 2004/9. 15 In diesem Sinne auch Schneider, Österreichisches Grundverkehrsrecht, Kommentar, Loseblatt (Stand Oktober 2000) Kärnten, 6. 14
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te Liegenschaften betroffen sind, Art III B-VG-Nov 1992 Anwendung findet, gleichgültig, ob sie nach landesrechtlichen Vorschriften als landund forstwirtschaftliche Grundstücke definiert sind oder dem Ausländergrundstücksverkehr unterliegen. Dies ist in den genannten Beispielen ganz besonders zu betonen, weil auf Grund des Fehlens von Baugrundstücksverkehrsregelungen in Wien bzw deren Abschaffung in Kärnten der vorschnelle Schluss gezogen werden könnte, dass auch Art III B-VG-Nov 1992 keinen Anwendungsbereich hätte. Dem ist nicht so. Bebaute und zur Bebauung bestimmte Grundstücke im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs und im Bereich des Ausländergrundstückverkehrs unterliegen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Zulässigkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes. 2. Abgrenzung durch Begrenzung des Regelungsgegenstandes Häufig wird das Problem der Überlappung der Kompetenzbereiche durch eine abgrenzende Definition des Regelungsanknüpfungspunktes gelöst. So bestimmt zB § 2 Abs 1 vlbg GVG16: keine land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke sind Baugrundstücke. Diese Abgrenzung hat zwar insoweit ihre Bedeutung verloren, als in Vorarlberg ebenfalls die verwaltungsbehördlichen Beschränkungen für den Baugrundstücksverkehr abgeschafft wurden. Auf Art III B-VG-Nov 1992 schlagen sie aber insoweit durch, als der land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehr, sofern er bebaute oder zur Bebauung bestimmte Liegenschaften zum Gegenstand hat, erfasst ist. In der Steiermark sind alle Regelungsbereiche voneinander getrennt. § 13 Abs 2 stmk GVG17 schließt eine Überschneidung des Regelungsbereiches über land- und forstwirtschaftliche Grundstücke und des Regelungsbereiches über Baugrundstücke aus. Danach gelten die Bestimmungen des Regelungsbereiches über Baugrundstücke nicht für Baugrundstücke, die ganz oder teilweise land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden und den Bestimmungen über den land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehr (I. Abschnitt) unterliegen.18 Die Abgrenzung zum Ausländergrundstücksverkehr erfolgt über die Kollisionsregel der §§ 23 iVm § 24 stmk GVG. § 2 Abs 1 und 2 oö GVG19 grenzen sich gegenseitig in der Definition des land- und forstwirtschaftlichen Grundstückes und des Baugrundstü____________________
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Vlbg GVG, LGBl 2004/42. Stmk GVG, LGBl 1993/134 idF 2002/75. Vgl dazu auch Schneider, Österreichisches Grundverkehrsrecht, Kommentar, Loseblatt (Stand 1. Jänner 2005) Steiermark, 23. 19 OÖ GVG, LGBl 1994/88 idF 2006/59.
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ckes in der Form ab, dass der Ausschluss der Eigenschaft jeweils dann angeordnet wird, wenn die Eigenschaften des anderen vorliegen. Auch für die oberösterreichischen und steirischen Bestimmungen kann festgehalten werden, dass sie auf Art III B-VG-Nov 1992 nicht durchzuschlagen vermögen. Vielmehr muss auch hier jeweils in den von den Landesgesetzgebern definierten Bereichen land- und forstwirtschaftlicher Grundverkehr und Ausländergrundverkehr gesondert geprüft werden, inwieweit nicht bebaute und zur Bebauung bestimmte Grundstücke betroffen sind. 3. Kollisionsregelungen Eine weitere Möglichkeit, die Überlappungen zu vermeiden, sind Kollisionsregelungen. Dabei ist denkbar, dass bei der Anwendung eines Regelungsregimes die anderen ausgeschlossen werden. Ebenso ist denkbar, dass bei der Genehmigung und im Verfahren eine Konzentration bei einer Behörde vorgesehen wird. Eine Genehmigungs- und Verfahrenskonzentrationsbestimmung enthält zB § 13 Abs 1 tir GVG. Dabei werden in unterschiedlicher Weise zB durch Verweisung auf die Genehmigungsvoraussetzungen im land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehr und im Baugrundstücksverkehr diese auch zu Genehmigungsvoraussetzungen im Ausländergrundstücksverkehr gemacht.20 Ein Beispiel für eine Kollisionsregel, die bei Anwendung eines Regelungsregimes die anderen ausschließt, sind §§ § 23 und § 24 stmk GVG. Sie grenzen den Ausländergrundstücksverkehr wiederum von den anderen beiden Regelungsbereichen ab, indem die Bestimmungen des Abschnittes über den Verkehr mit Grundstücken durch Ausländer für den Rechtserwerb von Ausländern an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken und an Baugrundstücken für anwendbar erklärt werden. Bemerkenswert ist auch § 15 Abs 1 sbg GVG, wonach bei Zutreffen der Voraussetzungen die Bestimmungen des Abschnittes über den landund forstwirtschaftlichen Grundverkehr und über den Ausländergrundstücksverkehr nebeneinander anzuwenden sind. Eine Genehmigung darf danach nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen nach den genannten Abschnitten erfüllt sind. Wie schon bei den anderen Beispielen gezeigt, gilt auch für diese Bestimmungen, dass sie keinerlei Einfluss auf die Anordnung in Art III B-VG-Nov 1992 ausüben können. Vielmehr bleibt einmal mehr festzu____________________
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Vgl dazu auch Schneider, Handbuch Österreichisches Grundverkehrsrecht (1996)
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halten, dass die Tatbestandsmerkmale des Art III B-VG-Nov 1992 autonom außerhalb der solcherart getroffenen Abgrenzungen angewendet werden müssen. C. Bebaute und zur Bebauung bestimmte Grundstücke in Art III B-VG-Nov 1992 Bei der Behandlung dieses Tatbestandsmerkmales in Art III B-VGNov 1992 steht die Funktionsweise als Abgrenzungskriterium für den Anwendungsbereich des Art III B-VG-Nov 1992 im Vordergrund und damit seine Reichweite angesichts der anderen beiden Grundverkehrsbereiche. Denn der land- und forstwirtschaftliche Grundverkehr und der Ausländergrundstücksverkehr werden nicht von der Garantie der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes durch Art III B-VG-Nov 1992 erfasst. Im Gegensatz zur in Art II B-VG-Nov 1992 vorgesehenen Verpflichtung der Erlassung einer Art 15a B-VG Vereinbarung über einheitliche zivilrechtliche Bestimmungen, die unter Berücksichtigung der in Art II B-VG-Nov 1992 festgeschriebenen Anpassungsverpflichtung für alle Bereiche des Grundverkehrs gilt, bezieht sich Art III B-VG-Nov 1992 lediglich auf den Verkehr mit bebauten oder zur Bebauung bestimmten Grundstücken. Dies hat zur Konsequenz, dass bebaute bzw zur Bebauung bestimmte land- und forstwirtschaftliche Grundstücke nach Art VII B-VGNov 1974 ebenso dieser Rechtsschutzgarantie unterliegen. Hinsichtlich des genannten land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs, der dem Art VII B-VG-Nov 1974 unterliegt, kommt es daher zu einer Aufspaltung im Bereich des Rechtsschutzes, je nachdem, ob ein land- und forstwirtschaftliches Grundstück, das bebaut oder zur Bebauung bestimmt ist, vorliegt. Dies kann auch für den Ausländergrundstücksverkehr konstatiert werden. Das bedeutet, dass die Schnittmenge der verfassungsrechtlichen Begriffe „bebaute oder zur Bebauung bestimmte Grundstücke“ einerseits sowie „land- und forstwirtschaftliche Grundstücke“ und Ausländergrundstücksverkehr andererseits zwar kompetenzrechtlich dem gleichen Regime unterliegt und insoweit folgenlos bleibt. Es ist – wie soeben gezeigt wurde – vielmehr ohne verfassungsrechtliche Direktive den Landesgesetzgebern vorbehalten, die einzelnen Bereiche voneinander abzugrenzen bzw Überschneidungen aufzulösen. Andere verfassungsrechtliche Bindungen resultieren nun aber aus Art III B-VG-Nov 1992 im Bereich des Rechtsschutzes. Durch die Überlappung der Begriffe kommt es zu einer „Aufspaltung“ des Rechtsschutzes im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs und auch im Bereich des Ausländergrundstücksverkehrs.
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Je nachdem, ob ein bebautes oder zur Bebauung bestimmtes land- und forstwirtschaftliches Grundstück vorliegt, ist eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes garantiert.21 Dasselbe gilt vice versa auch für die Ausländergrundstücksverkehr. Hinsichtlich nicht zur Bebauung bestimmter bzw nicht bebauter Grundstücke im Ausländergrundstückverkehr enden die Rechtsschutzmöglichkeiten bei der durch das jeweilige Landesgesetz eingerichteten Art 133 Z 4 B-VG Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag. Der Landesgesetzgeber hat es freilich in der Hand, von sich aus für diese Fälle durch eine einfachgesetzliche Regelung den Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof zu eröffnen.22 Das bedeutet im Ergebnis, dass bezüglich Art III B-VG-Nov 1992 jede Überlappung der drei Kompetenzbereiche im Grundverkehrsrecht, in die der Baugrundstücksverkehr involviert ist, zugunsten des Baugrundstücksverkehrs ausschlägt und eine Garantie der Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes nach sich zieht. D. Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes Auch die Garantie, den Verwaltungsgerichtshof anzurufen, wirft Fragen auf. Es handelt sich bei Art III B-VG-Nov 1992 um eine Verfassungsbestimmung. Verfassungsbestimmungen richten sich grundsätzlich an die Gesetzgeber und vermitteln in der Regel nur indirekt über diese Rechte und Pflichten für die Rechtsunterworfenen. Dennoch kennt die österreichische Bundesverfassung auch Verfassungsrecht, das unmittelbar für den Rechtsunterworfenen anwendbar ist.23 Je nachdem, ob Art III B-VG-Nov 1992 nur unmittelbare Bindungswirkung für die Landesgesetzgeber entfaltet, oder ob er auch unmittelbar für den Rechtsunterworfenen anwendbar ist, ergeben sich ganz unterschiedliche Konsequenzen. ____________________
21 Der VwGH scheint diese Differenzierung nicht vorzunehmen und den Ausschluss der Zulässigkeit der Anrufung des VwGH bei allen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken anzunehmen, wobei offenbar unreflektiert und unausgesprochen von der unzutreffenden Prämisse ausgegangen wird, dass es eine trennscharfe Abgrenzung zwischen den drei Bereichen gibt. Vgl dazu VwGH 23.10.1998, 98/02/0337, abgedruckt in ZfVB 1999/ 2141. 22 Vgl dazu Grabenwarter, Art 133 B-VG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht, Rz 76 ff. 23 Vgl dazu für viele Potacs, Auslegung im öffentlichen Recht (1994) 204 f mwN. Nach ständiger Judikatur des VfGH (in den zitierten Erk geht es um die Verfassungsbestimmung Art 7 StV v Wien) ist eine solche direkte Anwendbarkeit dann gegeben, wenn sich die Bestimmung ihrem Inhalt nach an die Rechtsunterworfenen oder an die Vollziehungsorgane des Staates richtet. Hiezu bedarf es einer ausreichenden Determinierung. Der VfGH formuliert zum Teil sogar schwächer mit der Wendung „gewisses Maß an Präzision“. Vgl dazu zB VfSlg 12.245/1989 und 11.585/1987 mit der dort zitierten Literatur.
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1. Mittelbare oder unmittelbare Anwendbarkeit Liegt unmittelbare Anwendbarkeit dieser Bestimmung für die Rechtsunterworfenen vor, vermögen einfachgesetzliche Bestimmungen in den Landesgesetzen, die bei einer Entscheidung einer Art 133 Z 4 B-VG Behörde keine ausdrückliche Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes im Bereich des Grundstücksverkehrs mit bebauten und zur Bebauung bestimmten Liegenschaften vorsehen, für den Rechtsunterworfenen keine Wirkung zu entfalten. Es tritt zwar hinsichtlich solcher landesgesetzlicher Bestimmungen in Bezug auf Art III B-VG-Nov 1992 Invalidation ein. Für den Rechtsunterworfenen bleibt dies aber ohne Relevanz, weil er in diesen Fällen jeweils direkt gestützt auf Art III B-VG-Nov 1992 den Verwaltungsgerichtshof anrufen kann. Es kann auf diesem Wege auch zu keiner Anfechtung solcher landesgesetzlicher Regelungen über ein Verfahren nach Art 144 B-VG kommen, weil es allein schon an der Präjudizialität und an der Beschwer mangelt. Besonders hingewiesen sei darauf, dass die Verfassungswidrigkeit ja darin bestünde, dass der Landesgesetzgeber im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Art 133 Z 4 B-VG Behörde eine Bestimmung zur Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorsieht. Nur in diesem Zusammenhang kann sich die Frage stellen, ob damit auch die Bestimmung über die Einrichtung einer Art 133 Z 4 B-VG Behörde als solche verfassungswidrig ist, weil die Verfassungswidrigkeit der „Nichtregelung“ wohl sonst nicht festzumachen ist. Ist nun aber Art III B-VG-Nov 1992 unmittelbar anzuwenden, besteht mit einer solchen landesgesetzlichen Regelung kein Regelungswiderspruch, weil die Einrichtung einer Art 133 Z 4 B-VG Behörde für sich gesehen keine Verfassungswidrigkeit darstellt. Das bedeutet, dass die bisher für diesen Bereich geltenden Regelungen auf einfachgesetzlicher Ebene bestehen bleiben könnten, weil Art III B-VGNov 1992 den sachlichen Geltungsbereich von Regelungen, die Kollegialbehörden nach Art 133 Z 4 B-VG ohne Beschwerdemöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof vorsehen, im Hinblick auf einen verfassungskonformen Zustand ergänzt. Geht man aber davon aus, dass Art III B-VG-Nov 1992 nicht unmittelbar anwendbar ist und sich „nur“ an die Landesgesetzgeber wendet, stellt sich die schon angesprochene Frage, worin die Verfassungswidrigkeit in der landesgesetzlichen Regelung festzumachen ist, wenn sie doch gerade darin liegt, dass der Landesgesetzgeber eine Bestimmung, nämlich die Eröffnung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen Entscheidungen durch Art 133 Z 4 B-VG Kollegialbehörden im Bereich des Verkehrs mit bebauten und zur Bebauung bestimmten Grundstücken nicht
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vorsieht. Diesbezüglich wird man wohl auf die Einrichtung der Art 133 Z 4 B-VG Kollegialbehörde, die für sich selbst gesehen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, zurückgreifen müssen, weil mit ihrer Einrichtung untrennbar zusammenhängt, dass der Rechtszug zum Verwaltungsgerichtshof verwehrt wird. Für den Rechtsunterworfenen bedeutete dies, dass er bei einer derartigen Konstellation gegen eine Entscheidung der Art 133 Z 4 B-VG Behörde mit einer Art 144 B-VG Beschwerde den Verfassungsgerichtshof anrufen müsste und ein Gesetzesprüfungsverfahren anzuregen hätte. Im Zuge dessen wären dann wohl die Bestimmungen über die Einrichtung der Art 133 Z 4 B-VG Behörde aufzuheben. In der Folge würde im Art 144 B-VG Verfahren auch der letztinstanzliche Bescheid aufzuheben sein. Das hätte weiters zur Folge, dass wohl in der Regel die Landesregierung als oberste allgemeine Verwaltungsbehörde in Angelegenheiten der Landesvollziehung den Ersatzbescheid zu erlassen hätte, gegen den dann erst die Möglichkeit der Bekämpfung beim Verwaltungsgerichtshof besteht. Probleme für die Rechtsunterworfenen entstehen in mehrfacher Hinsicht. Zunächst müsste der Rechtsunterworfene einen beträchtlichen Umweg in Kauf nehmen, um zu einer endgültigen inhaltlichen Entscheidung zu kommen. Denn im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof dürfte wohl nur die Frage der Verfassungswidrigkeit der fehlenden Anrufbarkeit Verfahrensgegenstand sein. Die inhaltliche Frage kann aber erst im Verfahren nach der Aufhebung durch den Ersatzbescheid, der seinerseits dann auch beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann, geklärt werden. Das andere, viel gravierendere Problem besteht darin, dass eine Aufhebung der Bestimmungen über die Einrichtung der Art 133 Z 4 B-VG Behörde eine neuerliche Verfassungswidrigkeit nach sich zöge. Denn der Bereich des Grundverkehrs gehört zum „Kernbereich“ der civil rights nach Art 6 EMRK, bei dem nach herrschender Lehre und Judikatur die nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes für die Rechtswegegarantie des Art 6 EMRK nicht ausreicht, weil und bzw soweit im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht volle Kognitionsbefugnis gegeben ist.24 Damit brächte auch die Aufhebung der Art 133 Z 4 B-VG ____________________
24 Zur Kernbereichsjudikatur und deren Konsequenzen vgl allgemein zB Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (1997) 66 ff, 71 ff, 464 ff; Lienbacher, Der Öffentlichkeitsgrundsatz des Zivil- und Strafverfahrens im österreichischen Verfassungsrecht, ÖJZ 1990, 516 ff mwN. Dass das Grundverkehrsrecht als in den Kernbereich der civil rights fallend angesehen wird, ist soweit ersichtlich unbestritten, vgl zB Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (1997) 68; Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht 4 (2007) 660 f; Lienbacher, Grundverkehrsrecht, in: Bachmann et al (Hrsg), Besonderes Verwaltungsrecht 6 (2006) 395. Zur
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Behörden durch den Verfassungsgerichtshof eine neuerliche Verfassungswidrigkeit durch die Zuständigkeit der Landesregierung in oberster Instanz mit sich,25 solange der Landesgesetzgeber nach einer solchen Aufhebung nicht legistisch eingriffe und entweder bei der Einrichtung von Art 133 Z 4 B-VG Behörden die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ermöglichte oder zB den Unabhängigen Verwaltungssenat in letzter Instanz zur Entscheidung zuständig machte. Es zeigt sich, dass bei einem Verständnis von Art III B-VG-Nov 1992 als unmittelbar nur an die Landesgesetzgeber gerichtete Bestimmung die Gefahr einer Art „Doppelmühle“ der Verfassungswidrigkeit entstehen könnte, wenn ein Landesgesetzgeber keine entsprechenden Maßnahmen nach einer Aufhebung der Bestimmungen über die Einrichtung von Art 133 Z 4 B-VG Behörden trifft. Wie lange es bei einem derartigen Verständnis des Art III B-VG-Nov 1992 dauern könnte, bis der Rechtsunterworfene tatsächlich zu einer endgültigen inhaltlichen Klärung seiner Rechtsfrage im Bereich des Verkehrs mit bebauten und zur Bebauung bestimmten Grundstücken kommt, wenn vorher mit Blick auf Rechtsfragen, die im organisatorischen und verfahrensrechtlichen Bereich liegen, vielleicht sogar mehrfach der Verfassungsgerichtshof bemüht werden muss, ist vorstellbar. Dass dies unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kaum zumutbar ist und letztlich praktisch auch dazu geeignet sein kann, entsprechenden Rechtserwerb an bebauten und zur Bebauung bestimmten Grundstücken zu verhindern, liegt ebenfalls auf der Hand. 2. Ergebnis Hier wird die Auffassung vertreten, dass Art III B-VG-Nov 1992 vom Bundesverfassungsgesetzgeber als unmittelbar anwendbare Bestimmung erlassen wurde. Dafür lässt sich eine Reihe von Argumenten ins Treffen führen. Indizien finden sich schon im Wortlaut und in der Entstehungsgeschichte. Art III B-VG-Nov 1992 wurde erst durch den Verfassungsausschuss in die Vorlage für die B-VG-Nov 1992 aufgenommen. In der Regierungsvorlage findet sich noch keine derartige Bestimmung.26 Im Be____________________
Judikatur des VfGH vgl die Darstellung bei Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (1997) 68 f insb FN 129 und Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht 4 (2007) 660 f. 25 Vgl § 4 idF LGBl 1999/57 und das Erk des VfGH v 7.6.1999, G 238/98, der die Zuständigkeit der Landesregierung im wr AGEG zur Genehmigungserteilung in erster und einziger Instanz wegen Verstoßes gegen Art 6 EMRK aufgehoben hat. Mittlerweile hat der wr Landesgesetzgeber diese Verfassungswidrigkeit saniert, in erster Instanz den Magistrat und in zweiter Instanz den UVS als Behörde eingerichtet. Die Neuregelung ist mit 1.1. 2000 in Kraft getreten. 26 Vgl RV 372 BlgNR XVIII. GP.
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richt des Verfassungsausschusses heißt es als Begründung dazu: „Im Interesse des Rechtsschutzes soll in den landesgesetzlich zu regelnden Angelegenheiten des Verkehrs mit Baugrundstücken die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes 27 sichergestellt werden.“28 Der Wortlaut selbst ist klar und als Anspruch des Rechtsunterworfenen formuliert. Die Textierung weist keinerlei Hinweise auf, die darauf hindeuten, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber dabei noch an eine spezielle Umsetzung durch die Landesgesetzgeber gedacht hätte. Vielmehr kommt auch in der Formulierung des Art III B-VG-Nov 1992 „ist die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig“ implizit zum Ausdruck, dass sich diese Bestimmung direkt an die Rechtsunterworfenen richtet, denn nur diese können den Verwaltungsgerichtshof anrufen. Wäre es Intention des Bundesverfassungsgesetzgebers gewesen, die Landesgesetzgeber zur Gewährleistung der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zu verpflichten, würde dies wohl in der Bestimmung selbst oder zumindest in den Materialien zum Ausdruck kommen müssen. Jedenfalls müsste sich ein impliziter Hinweis darauf finden lassen. Dies gilt insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der oben dargestellten Konsequenzen, die eine unmittelbar nur die Gesetzgeber bindende Wirkung des Art III B-VG-Nov 1992 zeitigte. Die Intention der Sicherstellung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, mit der die Schaffung der Bestimmung des Art III B-VGNov 1992 im Bericht des Verfassungsausschusses begründet wird, lässt sich jedenfalls unter der Annahme einer unmittelbaren Anwendbarkeit dieser Bestimmung für Rechtsunterworfene unvergleichlich leichter und ohne zusätzliche Eingriffe in entsprechende Regelungen der Landesgesetzgeber bzw ohne zusätzliche Möglichkeiten von Verfassungswidrigkeiten verwirklichen als bei einer Annahme einer bloß unmittelbaren Bindung für die Landesgesetzgeber. Im Lichte der aufgezeigten Konsequenzen und angesichts der Regelungsintention des Bundesverfassungsgesetzgebers darf ihm solches ohne konkrete Hinweise, die ein derartiges Verständnis der Bestimmung unumgänglich machten, nicht unterstellt werden. Dies umso mehr, als bei der Annahme der unmittelbaren Anwendbarkeit für die Rechtsunterworfenen keinerlei Gefahren für Verfassungswidrigkeiten in Landesgesetzen bestehen, außer ein Landesgesetzgeber würde eine Bestimmung aufnehmen, die die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes verbietet. Aber selbst in diesem Fall bliebe eine solche Verfassungswidrigkeit für den Rechtsunterworfenen ohne Konsequenz, weil er sich immer direkt auf die unmit____________________
27 28
Hervorhebung im Original. AB 470 BlgNR XVIII. GP, 4.
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telbare Anwendbarkeit des Art III B-VG-Nov 1992 stützen könnte und auf dieser Grundlage eine Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde jedenfalls zulässig wäre. Dieses Ergebnis lässt sich auch durch einen Blick auf die Nationalratsdebatte unterstreichen, wenn dort von Abgeordneten in der Debatte ausdrücklich auf diese Änderung im Verfassungsausschuss mit den Worten Bezug genommen wird: „Wir haben – das war ein Einvernehmen der beiden Regierungsparteien – den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsschutzinstanz für den Verkehr mit bebauten Grundstücken ausdrücklich festgelegt.“29 Auch dies deutet darauf hin, dass man durch die Verfassungsbestimmung selbst und unmittelbar durchgreifend für den Rechtsunterworfenen die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes festlegen wollte. Noch deutlicher wird dies im Debattenbeitrag von Graff unterstrichen, wenn er meint: „Es konnte nun erreicht werden, daß bei dem neuen Grundverkehr mit Baugrundstücken die verwaltungsgerichtliche Kontrolle zwingend vorgesehen ist und nicht ausgeschaltet werden kann.“30 Diese Wirkung auf Grund der oben schon aufgezeigten Konsequenzen ist nur dann möglich, wenn Art III B-VG-Nov 1992 unmittelbar für den Rechtsunterworfenen anwendbar ist. Auch aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gewinnt man den Eindruck, dass dieser von einer unmittelbaren Anwendbarkeit ausgeht, wenn er meint, dass sich „durchaus unter Heranziehung der zuletzt genannten Verfassungsbestimmung“, das ist Art III B-VG-Nov 1992, der Sinngehalt des Begriffes „Baugrundstück“ klären lässt.31 Auch in der Literatur wird dieses Ergebnis vertreten.32 E. Regelungsbeispiele in den Landesgesetzen Angesichts der nunmehr geschilderten Problematik zeigt ein Blick in die Landesgesetze, dass mehrere Regelungsmodelle unterschieden werden können. Einige Länder haben die Konstruktion der Art 133 Z 4 B-VG Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag aus ihrem Regelungswerk ____________________
29
Vgl dazu Khol, 68. Sitzung des NR, XVIII. GP, 7221. Vgl dazu Graff, 68. Sitzung des NR, XVIII. GP, 7251. In diesem Sinne wohl auch die Abgeordnete Hlavac, 68. Sitzung des NR, XVIII. GP, 7255, wenn sie meint, dass mit Art III B-VG-Nov 1992 die Möglichkeit eingeräumt werden soll, „in Angelegenheiten des Grundverkehrs den Verwaltungsgerichtshof anzurufen.“ Auch diese Aussage deutet darauf hin, dass man Art III wohl so verstanden wissen wollte, dass eine Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde direkt auf ihn gestützt werden kann. 31 Vgl VwGH 30.9.1999, 99/02/0039 abgedruckt in ZfVB 2000/1841. 32 Grabenwarter, Art 133 B-VG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht, Rz 77; Lienbacher, Raumordnung und Grundverkehr, in: Funk (Hrsg), Grundverkehrsrecht (1996) 218. 30
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herausgenommen und diese durch den UVS ersetzt.33 Damit ist die Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes in allen Bereichen des Grundverkehrsrechts gegeben und die aufgezeigte Problematik mit Art III B-VGNov 1992 stellt sich in diesem Zusammenhang nicht. Zusammenfassend kann weiters festgehalten werden, dass sich die Landesgesetzgeber bemüht haben, in dem Bereich, den sie selbst als Baugrundstücksverkehr definieren, eine gesetzliche Ausgestaltung vorzunehmen, die Art III B-VG-Nov 1992 entspricht.34 Übersehen wurde dabei aber, dass das verfassungsrechtliche Tatbestandsmerkmal „Verkehr mit bebauten und zur Bebauung bestimmten Grundstücken“ in Art III B-VG-Nov 1992 über diese Eigendefinition hinausgeht und auch bebaute und zur Bebauung bestimmte landund forstwirtschaftliche Grundstücke oder derartige Grundstücke im Ausländergrundstücksverkehr erfasst, auch wenn sie im Landesgrundverkehrsgesetz anders abgegrenzt werden. In den angesprochenen Beispielen des § 28 Abs 7 tir GVG und § 25 Abs 2 oö GVG wird das Bemühen des Landesgesetzgebers, Art III B-VG-Nov zu berücksichtigen, zwar sichtbar. Hinsichtlich des bebauten und zur Bebauung bestimmten land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehr und des bebauten und zur Bebauung bestimmten Ausländergrundverkehrs bleibt aber eine Lücke offen, die nicht von den landesgesetzlichen Bestimmungen erfasst wird. Sie kann ausschließlich durch die unmittelbare Anwendung des Art III B-VG-Nov 1992 geschlossen werden. Ein Beispiel für eine landesgesetzlich vorgesehene Entscheidung einer Art 133 Z 4 B-VG Behörde, ohne dass die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes durch den Landesgesetzgeber überhaupt ausdrücklich vorgesehen wird, findet sich im § 12 Abs 1 krnt GVG. Danach entscheidet im land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehr eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag gemäß Art 133 Z 4 B-VG (Grundverkehrslandeskommission). Im Hinblick auf Art III B-VG-Nov 1992 hat das auch ____________________
33 Vgl dazu zB § 11 Abs 2, 3 und 5 vlbg GVG in dem der UVS zur Entscheidung über Berufungen in den verschiedenen Grundverkehrsangelegenheiten zuständig gemacht wird, womit die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art 130 B-VG gewährleistet ist. Auch in Salzburg wurde der UVS in allen Verfahren als Berufungsbehörde eingerichtet, wodurch die hier erörterten Probleme nicht zum Tragen kommen können, weil die Anrufung des VwGH dadurch immer möglich ist. Vgl § 27 Abs 1 lit e sbg GVG. Ebenso sieht das wr AGEG (LGBl 1998/11 idF 2003/39) im § 4 Abs 2 den UVS als Berufungsinstanz vor. Mit Erk v 7.6.1999, G 238/98, hatte zuvor der VfGH die Zuständigkeit zur Genehmigungserteilung der Landesregierung in erster und einziger Instanz wegen Verstoßes gegen Art 6 EMRK aufgehoben. Mit der Neufassung von § 4 Abs 2 in der Novelle LGBl 1999/57, die mit dem 1.1.2000 in Kraft getreten ist, wurde dieser Zustand saniert. 34 Dies zeigt sich darin, dass vielfach ausdrücklich die Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes im Bereich des Baugrundstücksverkehrs für zulässig erklärt wird, vgl zB § 28 Abs 7 tir GVG, LGBl 1996/61 idF 2005/85 oder § 25 Abs 2 oö GVG, LGBl 1994/88 idF LGBl 2006/59.
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in diesem Beispiel zur Konsequenz, dass beim Rechtsverkehr mit bebauten und zur Bebauung bestimmten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes direkt gemäß Art III B-VG-Nov 1992 möglich ist und damit die Bestimmung des § 12 Abs 1 verfassungsrechtlich unbedenklich bleibt. Zum besseren Verständnis sei auch hier nochmals hinzugefügt, dass das krnt GVG ausdrücklich vorsieht, dass land- und forstwirtschaftliche Grundstücke auch bebaut und zur Bebauung bestimmt sein können. § 3 Abs 1 lit b krnt GVG zeigt, dass zB auch Flächen, auf denen sich Wohnund Wirtschaftsgebäude befinden, land- und forstwirtschaftliche Grundstücke sind. Die landesrechtliche Qualifikation als land- und forstwirtschaftliches Grundstück geht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 3 Abs 2 lit a und b krnt GVG der Baugrundstückseigenschaft vor. Daraus ergibt sich gem § 12 krnt GVG iVm Art III B-VG-Nov 1992 die Konsequenz, dass bei landwirtschaftlichen Grundstücken, auf denen sich Wirtschaftsgebäude oder Wohnhäuser befinden, eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes möglich ist, weil diese trotz der landesrechtlichen Abgrenzung Bestandteil des verfassungsrechtlichen Tatbestandsmerkmales „bebaute oder zur Bebauung bestimmte Grundstücke“ bleiben, obwohl sie nach landesrechtlichen Bestimmungen keine Baugrundstücke sind. Bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, die sich im Grünland befinden bzw besser, die nicht bebaut und nicht zur Bebauung bestimmt sind, ist eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes unzulässig, weil § 12 Abs 1 krnt GVG keine Anrufung vorsieht.35 In Niederösterreich sind im land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehr und im Ausländergrundstücksverkehr jeweils eine eigene Art 133 Z 4 B-VG Behörden vorgesehen, ohne dass eine gesetzliche Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zugelassen wird. Auch hier gilt, dass diese hinsichtlich bebauter oder zur Bebauung bestimmter Grundstücke in beiden Bereichen gemäß Art III B-VG-Nov 1992 zulässig ist, in allen übrigen Fällen aber verwehrt bleibt.36 Ähnliche Probleme treten auch in Oberösterreich auf. Dort wird zwar eine Art 133 Z 4 B-VG Behörde,37 die Landesgrundverkehrskommission, ____________________
35 AA offenbar Schneider, Österreichisches Grundverkehrsrecht, Kommentar, Loseblatt (Stand 1. Jänner 2005) Kärnten, 28, Anm 2, der undifferenziert von einer Unzulässigkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes im gesamten von Landesgesetzgeber definierten land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrsbereich ausgeht. 36 Vgl dazu § 8 und § 21 nö GVG 2007, LGBl 6800-0. 37 Vgl dazu insb Grabenwarter, Art 133 B-VG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht, Rz 47 ff; aA Schneider, Handbuch Österreichisches Grundverkehrsrecht (1996) 360 f, und Schneider, Österreichisches Grundverkehrsrecht, Kommentar, Loseblatt (Stand 1. Jänner 2005) OÖ, 62 Anm 4, der offenbar aus dem Umstand, dass
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für alle Grundverkehrsbereiche vorgesehen. Eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird aber nur gegen Entscheidungen der Landesgrundverkehrskommission betreffend den Rechtserwerb durch Inländer an Baugrundstücken für zulässig erklärt.38 In Tirol entscheidet als oberste Behörde die Landes-Grundverkehrskommission als Kollegialbehörde richterlichen Einschlags.39 Der Weg zum Verwaltungsgerichtshof wird den Regelungen in Oberösterreich vergleichbar nur für Verfahren betreffend Baugrundstücke eröffnet,40 wobei zB bebaute oder zur Bebauung bestimmte land- und forstwirtschaftliche Grundstücke nach den landesrechtlichen Regelungen davon mehrheitlich nicht erfasst sind.41 Auch hier bildet Art III B-VG-Nov 1992 schon deshalb die unmittelbare Grundlage für die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes. Keine Probleme bereiten die Bestimmungen im Burgenland und in der Steiermark. § 26 Abs 4 bgld GVG42 sieht zwar als letztinstanzliche Be____________________
die Landesgrundverkehrskommission in der Stammfassung der Bestimmung „in letzter Instanz“ entschied und nicht als „oberste Behörde“, ableitete, dass keine Art 133 Z 4 Kollegialbehörde vorlag, weil die Landesregierung als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde fungierte und damit die Aufhebung und Abänderung einer Entscheidung der Landesgrundverkehrskommission im Verwaltungsrechtsweg nicht ausgeschlossen gewesen sei. Diese Auffassung wird vom VfGH nicht geteilt, der ausgesprochen hat, dass eine Normierung einer Entscheidungsbefugnis „in letzter“ statt „in oberster“ Instanz nicht schaden solle, VfSlg 13.232/1992, 13.285/1992. Wenngleich Schneider prinzipiell Recht zu geben ist, dass es einer genauen Prüfung bedarf, ob tatsächlich alle Kriterien für die Einrichtung einer Art 133 Z 4 Kollegialbehörde erfüllt sind, ist im konkreten Fall die Formulierung des Gesetzgebers nur ein Indiz, das in die Richtung der von Schneider vorgenommenen Interpretation deutet. Es sind aber im jeweiligen Einzelfall immer alle Indizien zu berücksichtigen. Für die oberösterreichische Regelung bedeutet dies, dass auch in die Waagschale geworfen werden muss, dass der Landesgesetzgeber, ausdrücklich nur für den Baugrundstücksverkehr die Beschwerdemöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof eröffnet. Darin zeigt sich, dass der Landesgesetzgeber eine Art 133 Z 4 B-VG Kollegialbehörde einrichten wollte, sonst hätte es dieser Anordnung nicht bedurft. In diesem systematischen Zusammenhang durfte das Tatbestandsmerkmal „in letzter Instanz“ in § 25 oö GVG aF wohl als „oberste Behörde“ verstanden werden, weil ein solches Verständnis unzweifelhaft von einem entsprechenden Willen des Gesetzgebers getragen ist, mag er sich auch „schlecht ausgedrückt“ haben. Auch die Bestimmungen über die Zusammensetzung in § 26 Abs 2 oö GVG weisen in diese Richtung, wenn zB ausdrücklich als Vorsitzender ein Richter des Aktivstandes festgelegt wird, um damit auf die Judikatur des VfGH bei Art 133 Z 4 Kollegialbehörden zu reagieren. Aus diesen Gründen wird hier die Auffassung von Schneider nicht geteilt und vom Vorliegen einer Art 133 Z 4 B-VG Kollegialbehörde ausgegangen. Inzwischen hat der oberösterreichische Gesetzgeber in einer Novellierung eine Klarstellung vorgenommen. 38 Vgl § 25 Abs 2 iVm § 26 Abs 2 oö GVG, LGBl 1994/88 idF 2006/59. 39 § 26 iVm § 28 tir GVG, LGBl 1996/61 idF LGBl 2006/85. 40 § 28 Abs 7 tir GVG, LGBl 1996/61 idF LGBl 2006/85. 41 Vgl dazu die begrifflichen Abgrenzungen in § 2 tir GVG, LGBl 1996/61 idF LGBl 2006/85, nach denen auch ein bebautes oder zur Bebauung bestimmtes land- und forstwirtschaftliches Grundstück nicht bzw nur im Ausnahmefall ein Baugrundstück ist. 42 LGBl 1996/42 idF 2001/32.
Sinn und Unsinn von Durchbrechungen verwaltungsgerichtlicher Kontrolle
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hörde eine Art 133 Z 4 B-VG Behörde, die Grundverkehrslandeskommission, vor. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes wird aber gegen alle Bescheide der Grundverkehrslandeskommission zugelassen. Auch in der Steiermark ist eine allzuständige Art 133 Z 4 B-VG Behörde, die Grundverkehrslandeskommission, eingerichtet, die als oberste Behörde entscheidet.43 Darüber hinaus sieht der steirische Landesgesetzgeber vor, dass in allen Fällen die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig ist.44
III. Schlussbemerkungen Betrachtet man nun zusammenfassend die aufgezeigte Problematik, zeigt sich ein Mehrfaches. Trotz der unterschiedlichen Definitionen der drei Grundverkehrsbereiche und des autonomen Geltungsbereiches der Tatbestandsmerkmale in Art III B-VG-Nov 1992 werden verfassungswidrige Lösungen im Bereich des Rechtsschutzes durch die unmittelbare Anwendbarkeit des Art III B-VG-Nov 1992 vermieden. Freilich mag das nicht über die rechtswidrigen Anwendungen, wie sie an Hand von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshof und des Verfassungsgerichtshof aufgezeigt wurden, hinwegtäuschen. Gravierender erscheint aber, dass in diesem Bereich der Rechtsschutz Flickwerk geblieben ist. Die Differenzierung des Rechtsschutzes zB bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, je nachdem, ob sie bebaut oder zur Bebauung bestimmt sind, vermag – auch wenn sie verfassungsrechtlich so vorgenommen wird – unter rechtspolitischen Gesichtspunkten nicht zu überzeugen. Allein das damit geschaffene Wirrwarr im Rechtsschutzsystem löst Kopfschütteln aus und schreit geradezu nach einer Vereinheitlichung. Auch unter sachlichen Gesichtspunkten ist diese Differenzierung unverständlich, wenn in dem gewählten Beispiel in aller Regel dieselben Rechtsvorschriften bei der administrativen bzw gerichtlichen Kontrolle anzuwenden sind, weil die Landesgesetzgeber die drei Grundverkehrsbereiche nicht entlang der vom Art III B-VG-Nov 1992 für den Rechtschutz festgelegten Grenze unterscheiden. Dass diese sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierung auf der Ebene der Verfassungswidrigkeit nicht durchschlägt, hängt einzig und allein damit zusammen, dass diese Struktur verfassungsrechtlich abgesichert ist. Aber nicht nur im konkret aufgezeigten Beispiel ist die hier aufgezeigte Einrichtung unterschiedlicher Sonderbehörden nicht nachvollziehbar. In den Angelegenheiten des ____________________
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§§ 45 iVm 49 stmk GVG, LGBl 1993/134 idF 2002/75. § 51 Abs 5 stmk GVG, LGBl 1993/134 idF 2002/75.
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Grundverkehrsrechts steht in aller Regel der klassische und strikte Gesetzesvollzug im Vordergrund. Dieser sollte sowohl auf der Verwaltungsebene als auch auf der Kontrollebene mit den klassischen Behörden der allgemeinen Verwaltung bzw mit dem Verwaltungsgerichtshof bewältigbar sein. Entscheidungsspielräume, in die allenfalls auch Interessen von gesetzlichen Interessensvertretungen eingebracht werden können, sind bei der Reglungsdichte, die die einzelnen Grundverkehrsgesetze aufweisen, nicht gegeben. Vielmehr erweisen sich diese als typische Grundlagen für die klassische Gesetzesvollziehung durch die Verwaltung. Eine besondere Rechtfertigung für die Einrichtung von Art 133 Z 4 B-VG Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag, wie sie in der jüngeren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes gefordert wird, ist nicht ersichtlich.45 Was bleibt, ist am Schluss an das anzuschließen, was eingangs aufgezeigt wurde. Es ist höchste Zeit, die disfunktionalen Strukturen im Bereich der Kontrolle der Verwaltung zu vereinheitlichen. Dies nicht nur aus verwaltungsreformatorischen Gründen, sondern auch, um den völker- und gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen in vielen Bereichen besser gerecht werden zu können.
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45
Vgl VfSlg 15.886/2000, 16.189/2001 und VfGH 6.10.2006, G 151/05.
Waltraud Petek
Der Einfluss von Bernhard Raschauer auf die Praxis des Umweltrechts I. Wissenschaft und Praxis Wissenschaft und Praxis werden oft als Gegensatz gesehen. Hier die – theoretische, hehre – Wissenschaft, die mit wissenschaftlichen Methoden ihren Gegenstand – in unserem Fall das Recht – untersucht und darstellt. Dort die Praxis der Rechtserzeugung und der Vollziehung, die eingezwängt zwischen politischen Wünschen und Vorstellungen, Tagespolitik, gerade auftretenden Problemen und Fällen Recht zu entwickeln oder anzuwenden hat. Manchmal gelingt eine Symbiose aus Wissenschaft und Praxis, die zu fruchtbaren Ergebnissen führt. Professor Bernhard Raschauer ist einer dieser seltenen Spezies. Es gelingt ihm, sein fundiertes wissenschaftliches Wissen und Werken mit Engagement der Praxis zur Verfügung zu stellen – als Experte in Beratungen, Verfasser von Studien, bei der Mitarbeit an Gesetzesentwürfen, als Lehrender, der Umweltrecht zu einem seiner (vielen) Schwerpunkte machte und damit einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung von UmweltjuristInnen leistet, und der sich auch nicht scheut, selbst in die Niederungen der Praxis zu gehen, als Umweltanwalt in Niederösterreich und als Mitglied des Umweltsenates.
II. Frühe Befassung mit Umweltrecht Bernhard Raschauer hat früh begonnen, sich des Themas Umweltschutz und Umweltrecht anzunehmen, zu Zeiten als es für viele noch keines war. Bereits Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre publizierte er über Themen wie „Kontrolle der Technikfolgen als gesellschaftspolitisches Problem heute“1, zu „Immissionsschutz im Gewerberecht und im Zivilrecht“2, zur „Staatsaufgabe Umweltschutz“3, zu „Verkehrsrecht und Umweltschutz“4, ____________________
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Universitas 1979, 823 (gemeinsam mit Gerhard Bruckmann). ÖZW 1980, 7. 3 Vortragsbericht, ÖJZ 1982, 460. 4 Studie für das Österreichische Gesamtverkehrskonzept, Wien 1985 (gemeinsam mit Ulrike Davy). 2
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zur „Stellung des Sachverständigen im Verwaltungsverfahren“5, zu „Stand und Ausbaumöglichkeiten für den präventiven Umweltschutz im Österreichischen Raumordnungsrecht“6. 1986 erschien in der Reihe Studien zu Politik und Verwaltung des Böhlau-Verlages sein Buch „Umweltschutzrecht“7, in dem ihm – erstmals in Österreich – eine sehr praxisnahe Darstellung der damaligen Umweltschutzbestimmungen im Zivil- und Verwaltungsrecht gelang. Gegliedert in aussagekräftige Kapitel wie „Der Heimwerker“, „Die Rasenmäher-Verordnung“ – die sich beide mit dem Thema Belästigung durch Lärm befassen, „Die Schweinemast“ – dem sich ein Exkurs genannt „Wegweisungen durch das Anlagenrecht“ anschließt, „Die unästhetische Garagentankstelle“, „Die stinkende Kläranlage“ – gefolgt von einem Exkurs zur Amtshaftung, „Die wilde Mülldeponie“ über „Schleichwege“ zum Verkehrsrecht bis hin zu „Das kalorische Kraftwerk“ mit einem Exkurs über die „Altanlagen“ und zum „Wasserkraftwerk im Landschaftsschutzgebiet“. Zu diesen durchaus praxisnahen Titeln gelang ihm dabei eine umfassende Darstellung der Rechtslage und Rechtsinstrumente, aber auch der Defizite zu wichtigen Fragen des damaligen Umweltschutzrechts. Obwohl dieses Werk vor mehr als 20 Jahren entstand und zwischenzeitlich eine starke Entwicklung des Umweltschutzrechts stattgefunden hat, finden sich in ihm noch immer Aussagen von weiter bestehender Aktualität, wie etwa zu Beginn des Exkurses für die Wegweisungen durch das Anlagenrecht, wo es heißt „..., dass es oft gar nicht leicht ist, das auf eine bestimmte Anlageneinrichtung anwendbare Recht zu ermitteln“. In seiner publizistischen Tätigkeit hat sich Professor Raschauer seither kontinuierlich mit Fragen des Umweltrechtes befasst. Seine Publikationsliste ist ein Beweis dafür, leider kann hier nicht auf alle Publikationen eingegangen werden. Erwähnt seien jedoch als Beispiele sein Kommentar zum Wasserrecht8, sein Beitrag zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Abfallrechts9 sowie seine Darstellung „Umweltrecht Allgemeiner Teil“ im 2006 erschienenen Handbuch Umweltrecht10. In dieser gelingt es ihm, die Komplexität des Umweltrechts systematisch, übersichtlich und verständlich darzustellen, von den Grundlagen über das Europä____________________
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Umweltforum 2/1986, 17. In: ÖIR (Hrsg), Umweltvorsorge durch Raumplanung, Wien 1986. 7 Studien zu Politik und Verwaltung (Hrsg: Christian Brünner, Wolfgang Mantl, Manfred Welan), Band 20, Böhler Wien-Köln-Graz 1986. 8 Bernhard Raschauer, Wasserrecht, Springer Wien-New York 1993. 9 In: Wilhelm Bergthaler/Evelyn Wolfslehner: Das Recht der Abfallwirtschaft, 2.A, Schriftenreihe Recht der Umwelt, Band 4, Wien 2004. 10 Nicolaus Raschauer/Wolfgang Wessely (Hrsg): Handbuch Umweltrecht, WUV, Wien 2006. 6
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ische Gemeinschaftsrecht bis zu den Verfassungsfragen der Kompetenzverteilung, der Staatsaufgabe Umweltschutz, der Grundrechte und des Rechtsstaatsprinzips.
III. Der Umweltanwalt Der – insbesondere bereits in seinem Buch zum Umweltschutzrecht sichtbare – praxisnahe Ansatz der Befassung mit Umweltrecht mag wohl auch mit Professor Raschauers Tätigkeit als erster Leiter der Niederösterreichischen Umweltanwaltschaft (1985-1991) in Zusammenhang stehen. Zwar war die NÖ Umweltanwaltschaft nicht die erste – bereits 1982 war die Vorarlberger Landschaftsschutzanwaltschaft11 eingerichtet worden – doch hat Professor Raschauer mit seiner Tätigkeit das Amt des Umweltanwalts maßgebend geprägt und in der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Durch sein engagiertes Auftreten als Umweltanwalt hat er zur Akzeptanz und Weiterverbreitung dieser Institution maßgeblich beigetragen. Im Nachhang zu den Ereignissen um das Anfang der 1980er-Jahre geplante Wasserkraftwerk an der Donau bei Hainburg wurde mit der NÖ Umweltanwaltschaft12 eine Institution geschaffen, die durch Parteistellung im bislang als Ein-Parteien-Verfahren geführten Naturschutzverfahren sowie anderen Verfahren im Vollziehungsbereich des Landes, die auch die Vermeidung einer erheblichen und dauernden Schädigung der Umwelt zu Gegenstand haben, sowie durch sonstige Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes, wie Information und Beratung der BürgerInnen, Recherchen und Behördenkontakte bei Beschwerden, Teilnahme an Verfahren, dem Schutz der Umwelt mehr Stimme und Durchsetzungskraft geben sollte. Als erster Leiter der NÖ Umweltanwaltschaft wurde Professor Raschauer damit zu einem Frontkämpfer für eine Verstärkung des Umweltschutzes in vielen Belangen, durch Wahrnehmung der Parteistellung in Naturschutzverfahren oder anderen landesrechtlichen Verfahren, aber auch durch „Einmischung“ in anderen Bereichen, wie Gewerbeverfahren, insbesondere bei der Altanlagenanpassung oder etwa Erhebungen zu wilden Deponien. Neben Fragen des Naturschutzes, von Hochspannungsleitungen oder Kraftwerken in Landschaftsschutzgebieten, von Forststraßen und Güterwegen waren in der Umweltanwaltschaft auch Beschwerden über Geruchs____________________
11 Vorarlberger Landschaftsschutzgesetz 1982, LGBl 1982/1; zu den Umweltanwaltschaften s auch Marlies Meyer: Die Landesumweltanwaltschaften, RdU 2003, 4. 12 NÖ UmweltschutzG, LGBl Nr 8050, §§ 10 und 11 Einrichtung der weisungsfreien NÖ Umweltanwaltschaft.
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belästigungen durch Tierzuchtbetriebe, Beschwerden zu gewerblichen Betriebsanlagen (hinsichtlich Lärm, Geruch, Luftschadstoffemissionen), im Bereich des Wasserrechts (etwa konsenslose Wassernutzungen, unzureichende Funktion von Kläranlagen, Sand-, Kies- oder Schotterbaggerungen etc) und im Bereich des Forstrechts zu behandeln – anschaulich nachzulesen etwa im ersten Jahresbericht 1985/86 der Umweltanwaltschaft des Landes NÖ13.
IV. Beitrag zur Entwicklung der Umweltverträglichkeitsprüfung Aus der Literatur war mir Bernhard Raschauer bereits als Rechtswissenschafter ein Begriff und auch seine umtriebigen Aktivitäten als NÖ Umweltanwalt waren mir bereits zu Ohren gekommen, als ich ihn 1987 dann persönlich als Experten bei den Vorarbeiten für das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz kennen lernte. Ich war als junge Juristin im damaligen Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie zunächst mit Agenden des Chemikalienrechtes betraut, bekam aber bald auch den Aufgabenbereich der Umweltverträglichkeitsprüfung zu meinem Tätigkeitsbereich dazu. Meine damalige Umweltministerin, Marlies Flemming, hatte für die Umweltverträglichkeitsprüfung zwei Studien in Auftrag gegeben: Eine an das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG, Erich Schäfer, Christian Onz) und eine an die Österreichische Gesellschaft für Ökologie. Letztere war unter dem Titel „Umweltverträglichkeitsprüfung für Österreich“ von Reinhold Christian, Bernhard Raschauer und Gerhard Strauss erarbeitet worden. Bei den Studien waren ausländische Modelle der UVP untersucht, praktische Erfahrungen verarbeitet und ein konkreter Gesetzentwurf vorgeschlagen worden. Die beiden Studien bildeten die wesentlichen Grundlagen für die Arbeiten einer im Sommer 1988 im Umweltministerium eingesetzten Arbeitsgruppe, auf deren weiteren Beratungen der Begutachtungsentwurf des UVP-G des Jahres 198914 beruhte. Nach zähen politischen Verhandlungen gelang es dem damaligen Umweltministerium 1991 endlich eine Regierungsvorlage15 für ein Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz durch den Ministerrat zu bringen und dem Nationalrat zur Behandlung vorzulegen. Der Begutachtungsentwurf und die Regierungsvorlage zum UVP____________________
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Publiziert vom Amt der NÖ Landesregierung. BMUJF Zl 03 4751/2-4/89. 269 BlgNR XVIII. GP.
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G wurde natürlich in der Literatur durchwegs kritisch bearbeitet, ua natürlich auch wieder von Professor Raschauer16. Parallel zu den Arbeiten am Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz wurde im Zuge der nach Hainburg vermehrt geführten Diskussion um mehr Bürgerbeteiligung im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst an einem Entwurf für ein Bürgerbeteiligungsgesetz gearbeitet – auch dort war Professor Raschauer als Experte gefragt – was ua dazu führte, dass die Anlagenlisten der Entwürfe des Bürgerbeteiligungsgesetzes und des UVP-G eine gewisse Ähnlichkeit aufwiesen. Die dann als Initiativanträge in den Nationalrat eingebrachten Entwürfe zur Bürgerbeteiligung17 wurden dann im Nationalrat zusammen mit der Regierungsvorlage für das UVP-G einem eigens gebildeten Unterausschuss des Verfassungs- und des Umweltausschusses zur Behandlung zugewiesen. In 13 Ausschusssitzungen und zahlreichen politischen Verhandlungen zwischen den Parteien und den Sozialpartnern fand eine umfassende Überarbeitung der Entwürfe statt – unter Einbeziehung von Experten, und auch dabei spielte Professor Bernhard Raschauer wieder eine wichtige Rolle. Erwartungen an Experten im Gesetzgebungsprozess sind ja sehr hohe: Sie sollen mithelfen, Vorschläge zu erarbeiten, die innovativ und praxistauglich sind, politische Akzeptanz finden und auch bei den Höchstgerichten halten. Professor Raschauer war hier natürlich als Wissenschafter – firm in allen Fragen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts – und mit seiner Erfahrung als Umweltanwalt ein gefragter und auch sehr hilfreicher Experte, der in vielen Bereichen wichtige Punkte einbringen konnte. Wichtigste Änderung bei der Überarbeitung im Parlament war wohl die erstmals wirklich umfassende Genehmigungskonzentration im Rahmen der UVP, mit der Landesregierung als erster Instanz und einem neu geschaffenen Umweltsenat als Rechtsmittelbehörde und ein einheitlicher Genehmigungstatbestand als Basis der UVP-Genehmigung im § 17 UVPG18. Weiters wurden Parteistellungen auch für den Umweltanwalt, Gemeinden und erstmals auch für Bürgerinitiativen im UVP-Verfahren etabliert. Raschauer hat dabei insbesondere auf die Regelungen der Rechte der Parteien einschließlich einer Beschwerdemöglichkeit bei den Höchstgerichten großen Wert gelegt. 1993 wurden das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz und auch das Bundesgesetz über den Umweltsenat vom Parlament endlich beschlossen. ____________________
16 Siehe etwa Bernhard Raschauer, Umweltverträglichkeitsprüfung und Genehmigungsverfahren, ZfVB 1992, 100. 17 Initiativanträge 208/A-211/A XVIII. GP. 18 Siehe dazu Raschauer, in: Österreichisches Jahrbuch für Politik ’93, 1994, 495, 505 ff.
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Es folgte eine umfassende literarische Auseinandersetzung mit dem UVPG, ua natürlich von Professor Raschauer19. Ihm kommt auch das Verdienst zu, den ersten Kommentar zum UVP-G20 verfasst zu haben, der für die Praxis der Vollziehung der ersten UVP-Verfahren eine wertvolle Hilfestellung bot und über die Jahre in vielen UVP-Bescheiden und Publikationen zitiert wurde und weiterhin wird.
V. Mitglied des Umweltsenates Neben der wichtigen literarischen Begleitung des UVP-G kommt Professor Raschauer seit 1999 auch eine Funktion in der Vollziehung dieses Gesetzes zu, als Mitglied des Umweltsenates. Nominiert noch vom damaligen Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie ist Professor Raschauer hochgeschätztes Mitglied des Umweltsenates und kann dort seinen großen Erfahrungsschatz in vielen Rechtsgebieten zu den im Rahmen des UVP-Verfahrens konzentrierten Materien einbringen. Als Kammermitglied und Berichter war er bislang vor allem mit Fällen zu Abfallbehandlungsanlagen21, Altlastensanierung22, Zementwerken23, Hotelbauten24, Golfplätzen25 bis zu Straßen26 und einem Funpark befasst. Mit seinem fundierten wissenschaftlichen Wissen in vielen Rechtsgebieten bringt er eine breite Sicht durch Vergleiche mit anderen Rechtsmaterien und seine Kenntnisse der Judikatur und Literatur ein und wird als diskussionsfreudiges Mitglied in den Kammern geschätzt. Dadurch ist er in den letzten neun Jahren zu einem wertvollen Mitglied des Umweltsenates geworden und hat zu dessen hoher Akzeptanz in der Öffentlichkeit in vielfacher Weise beigetragen.
VI. Vorstoß für das Umweltanlagenrecht Nicht immer führen Arbeiten zu Erfolgen, die in der Praxis auch umgesetzt werden. So bleibt manches nur ein Entwurf auf Papier. Doch wer____________________
19 Der Anwendungsbereich des UVP-G, RdU 1994, 10; Die Genehmigungsentscheidung nach dem UVP-G, ecolex 1994, 581. 20 Bernhard Raschauer, UVP-G – Umweltverträglichkeitsprüfung – Kommentar, Springer Wien-New York 1995. 21 Oberpullendorf II US 2A/2001/9, Arnoldstein US 1A/2001/13, Fraham II US 1A/2004/1, Scheffau US 1A/2004/10, Pinsdorf US 2A/2005/13. 22 Wien-Langes Feld US 1A/2002/4. 23 Hallein US 1A/2006/12, Retznei II US 1A/2005/16. 24 Biberwier US 4A/2006/7. 25 Nussdorf/Attersee US 4B/2006/6, Innsbruck/Igls US 4A/2007/1. 26 Hausmannstätten-Gössendorf US 4A/2007/15.
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den damit mögliche Wege aufgezeigt, wenn sie auch nicht – gleich – gegangen werden. Als Beispiel dafür möchte ich die Zusammenführung und Vereinheitlichung des Anlagenrechts nennen, um das sich auch Professor Raschauer sehr bemüht hat. Im Zuge der Beschlussfassung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, in dessen Rahmen ja für bestimmte Großvorhaben eine volle Genehmigungskonzentration vorgesehen wurde, hat der Nationalrat auch eine Entschließung zum Einheitlichen Anlagenrecht verabschiedet27, mit der die Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie ersucht wurde, eine Studie in Auftrag zu geben. In dieser sollte die derzeitige Kompetenzlage und die Zersplitterung des Anlagenrechts auf verschiedene Verwaltungsmaterien aufgezeigt sowie einheitliche und verbesserte Standards für die Frage der Genehmigungspflicht, der Genehmigungskriterien, der Partizipation und der Kontrollmöglichkeiten vorgeschlagen sowie ein Entwurf für eine Neugestaltung des Anlagenrechts ausgearbeitet werden. Mit der Durchführung dieser Studie „Möglichkeiten einer Neugestaltung und Vereinheitlichung des Anlagenrechts“ (Kurztitel „Einheitliches Umweltanlagenrecht“) wurde Professor Raschauer mit den damals am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien tätigen Assistenten Christoph Grabenwarter und Georg Lienbacher beauftragt. Die 1995 fertig gestellte Studie enthielt einerseits eine umfangreiche Bestandsaufnahme über sämtliche Anlagen bezogenen Vorschriften auf Bundes- wie auf Landesebene – von den Voraussetzungen im Bereich der Raumordnung, förderungsrechtlichen Bestimmungen, Genehmigungspflichten und -voraussetzungen, Verfahrensablauf, Beteiligung, über die Anlagenerrichtung, Projektmodifikation, Anpassungs- und Ergänzungsaufträge bis zu Vorschriften über den Anlagenbetrieb und Kontrollbestimmungen sowie verwaltungspolizeiliche Vorschriften. Zweiter Teil der Studie war der Entwurf für ein Einheitliches Anlagenrecht, der dann 1996 noch ergänzt wurde um Bestimmungen zur Umsetzung damals noch im Entwurfsstadium befindlicher neue EU-Regelungen über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IPPC-RL 96/61/EG) und der in der Folge mit einem Bericht des Umweltministers in Entsprechung der Entschließung aus 1993 auch dem Nationalrat vorgelegt wurde28. Wesentliche Inhalte des Entwurfes waren eine einheitliche Genehmigungspflicht für Anlagen, vier Verfahrensarten (ordentliches Verfahren, Verfahren mit UVP, vereinfachtes Verfahren, Anzeigeverfahren), Bestim____________________
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E 121-NR/XVIII.GP vom 24. September 1993. Bericht der BMUJF betreffend die Entschließung E 121-NR/XVIII.GP, III-27 BlgStenProt NR XX.GP.
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mungen zur Planungssicherheit, Ausbau der Bürgerbeteiligung und Waffengleichheit im Verfahren, Beseitigung der Genehmigungskonkurrenz und Verkürzung der Verfahrensdauer sowie Verbesserung und Vereinheitlichung der Genehmigungsanforderungen (emissionsseitig sowie bezüglich zulässiger Immissionen), einschließlich der Einführung eines so genannten Kompensationsprinzips (Verzicht auf Einhaltung bestimmter Anforderungen bei Sanierung bestehender Umweltbelastungen oder Vermeidung von Inanspruchnahme bisher nicht genutzter Flächen im Sinn einer Gesamtabwägung der Vorteile für die Umwelt) sowie Vorschriften über die Kontrolle des laufenden Betriebs und die Verwaltungspolizei. Außer im Umweltministerium stieß der Entwurf auf wenig Begeisterung, speziell auch wegen der damit verbundenen kompetenzrechtlichen Fragen zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den betroffenen Bundesministerien. Teilweise fand er aber dann Verwendung in den Folgejahren bei den zwischen 1997 und 1999 vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten erarbeiteten Entwurf für ein Umweltgesetz für Betriebsanlagen. Dieser Entwurf schaffte es zumindest in die Begutachtung29 und sogar zu einem Entwurf für einen Ministerratsvortrag, scheiterte jedoch dann am Widerstand der Länder und der Wirtschaft. Diese Ansätze zur Reform des Anlagenrechts wurden wiederum von Professor Raschauer vielfach in der Literatur bearbeitet30. Im Nachhinein betrachtet hätte die Verwirklichung dieses Gesetzesvorhabens in vielen Bereichen nicht nur die Regelung der Umsetzung der vermehrt auftretenden anlagenbezogenen Umweltschutzrichtlinien der EU erleichtert, etwa in den Bereichen der integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IPPC-RL 96/61/EG), der Regelungen für Industrieunfälle (Seveso-RL 96/82/EG) bis hin zur Umwelthaftung (RL 2004/35/EG), sondern auch zahlreiche Beschwerdeverfahren der Europäischen Kommission und Klagen beim Europäischen Gerichtshof wegen verspäteter oder mangelhafter Umsetzung erspart.
VII. Beratung in vielen Umweltmaterien Aber abgesehen von der Umweltverträglichkeitsprüfung und den Vorschlägen für das Einheitliche Anlagenrecht hat Professor Raschauer auch ____________________
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BMUJF GZ 4121/34-I/1/99 und BMwA GZ 32.830/65-III/A/2/99. Siehe dazu insbesondere folgende Beiträge von Bernhard Raschauer: Für ein einheitliches Umweltanlagenrecht, RdU 1996, 159; „Betriebsanlagengesetz“ kritische Analyse, RdU 1998, 165; Anlagenrecht und Nachbarschaftsschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht, ZfV 1999, 506 oder Die Entwicklung des Österreichischen Anlagenrechts und daraus entstehende Chancen und Gefahren, Ökobüro – Tagungsband, 1999, 80.
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in vielen anderen Umweltbereichen in beratender Funktion mitgearbeitet und so die Entwicklung des Umweltrechts vorangetrieben. Dies ging und geht von den Bereichen Abfall und Altlastensanierung, über schwierige Fragen zum Chemikalienrecht, etwa auch der Notifikationsverfahren im Bereich der EU, einer Studie zum partikularen Bundesrecht als Grundlagen für das Bundes-Luftreinhaltungsgesetz nach der B-VG-Novelle zur Schaffung einer Luftreinhaltekompetenz des Bundes, über den Emissionshandel einschließlich der Rechtsprobleme der Verzahnung EU-rechtlich vorgesehener Planungsakte mit den Instrumenten der österreichischen Rechtsordnung und den Anforderungen der Höchstgerichte bis hin zum Umwelthaftungsrecht. Dabei war und ist Professor Raschauer für uns ein begehrter Ansprechpartner und Berater aus folgenden Gründen: – Seine rasche Verfügbarkeit und rasche Reaktion auf Anfragen, mit unkomplizierte Kommunikation via Telefon oder e-mail, – er geht flexibel auf die oft schwierigen Probleme ein und hat Verständnis für die Anforderungen, unter denen BeamtInnen vielfach in großen Stresssituationen arbeiten müssen, – er hat ein schier unglaubliches Wissen über viele Rechtsbereiche, sodass ihm immer vergleichbare oder als Muster verwendbare Regelungen in ganz anderen Rechtsbereichen einfallen, – er hat die Judikatur und Literatur im kleinen Finger, – er arbeitet lösungsorientiert und ist stets für die Diskussion pragmatischer Lösungen offen. In seiner unkomplizierten Art und seinem unschlagbaren Optimismus („Da finden wir schon eine Lösung“) war und ist er uns eine wirkliche Unterstützung bei der Lösung schwieriger Rechtsfragen.
VIII. Fortbildung für die Praxis Wichtige Grundlagen und Wissensbastionen für die Praxis des Umweltrechts hat Professor Raschauer auch durch seine (Mit-)Herausgeberschaft (seit 1994) der Zeitschrift „Recht der Umwelt“ (im Manz-Verlag) gelegt. Die RdU wurde durch ihre aktuellen Artikel zu nationalem und EU-Umweltrecht, ihrer umfassenden Dokumentation und Besprechung relevanter Judikatur und Literatur bis zu den aktuellen Veranstaltungshinweisen zu einer wichtigen Informationsquelle und einem Werkzeug für die Anwendung des Umweltrechtes in Behörden aller Ebenen, bei Rechtsanwälten, den Unabhängigen Verwaltungssenaten und sicher auch den
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Höchstgerichten. Sie erleichtert es den unter Zeit-, Arbeits- und Entscheidungsdruck stehenden PraktikerInnen auf ein für qualitativ gute Arbeit erforderliches Informationsniveau zu kommen. Auch die von Professor Raschauer gemeinsam mit Professor Ferdinand Kerschner und dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband seit 1996 veranstalteten Österreichischen Umweltrechtstage – jedes Jahr im September in Linz – sind zu einer wichtigen Plattform für Information, Diskussion und Vernetzung (Networking!) im Umweltbereich geworden. Diese Veranstaltung wird von BehördenmitarbeiterInnen (JuristInnen wie auch TechnikerInnen und NaturwissenschafterInnen), RechtsanwältInnen, WissenschafterInnen, Mitgliedern des Umweltsenates und der Unabhängigen Verwaltungssenate, aber auch Interessensvertretungen und Umweltorganisationen gerne besucht, weil sie dort die Gelegenheit haben, sich über aktuelle umweltpolitische und umweltrechtliche Entwicklungen zu informieren, diese zu diskutieren und so auch zu einer Weiterentwicklung des Umweltrechtes beizutragen. Ein Fixpunkt sind dabei auch für mich die Vor- und Nachseminare zu aktuellen Entwicklungen im Umweltrecht, die eine – gerade für PraktikerInnen ungemein wertvolle – Zusammenfassung der aktuellen Entwicklung bei Gesetzen und Verordnungen, auf EU-Ebene und in der Judikatur sowohl des öffentlichen wie auch des für Umweltschutz relevanten Privatrechtes bringen. Gerade im Bereich des Umweltrechts, das in den letzten zwei Jahrzehnten eine immense Ausweitung erfahren hat, ist dieses Service hoch geschätzt, da uns PraktikerInnen einfach die Zeit fehlt, uns über alle Legislativ- und Judikaturentwicklungen der vielen Bereiche auf dem Laufenden zu halten. Damit leisten die Umweltrechtstage einen unschätzbaren Beitrag auch für die Qualität von Gesetzesvorbereitung und -vollziehung, wenn Wissen über aktuelle Entwicklungen – auch in Bereichen, die nicht im unmittelbaren Arbeitsbereich liegen – vorhanden und zugriffsbereit ist. Veröffentlicht werden die Referate jeweils im Jahrbuch des Österreichischen und Europäischen Umweltrechts, herausgegeben vom Institut für Umweltrecht der Universität Linz und dem Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband. Nicht unerwähnt sollen auch die Verdienste von Professor Raschauer um die Ausbildung von Jung-JuristInnen im Umweltbereich bleiben. Durch seine Lehrtätigkeit an der Universität, seine Betreuung von Diplomarbeiten und Dissertationen zu Themen des Umweltrechts sorgt er dafür, dass JuristInnen mit einer fundierten Grundausbildung im Umweltrecht in die Praxis kommen und sich vertieft mit Fragen des Umweltrechts beschäftigen.
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IX. Anerkennung und Dank Mit seiner Begeisterung für die Rechtswissenschaft und die Lösung kniffliger Rechtsfragen und seiner Tätigkeit als Wissenschafter, Lehrender, Experte sowohl in Fragen der Legistik, der Rechtsauslegung wie auch des Vollzugs, als Umweltanwalt und als Mitglied des Umweltsenates hat Professor Raschauer einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Umweltrechtes in Österreich geleistet. Seine rasche Verfügbarkeit für Anfragen, seine praxistauglichen Vorschläge auf wissenschaftlicher Basis und die wissenschaftliche Aufarbeitung wichtiger Umweltrechtsmaterien haben ihn für das Umweltministerium – und sicher auch für viele andere – zu einem wichtigen Partner, einer Stütze unserer Arbeit gemacht. Dafür gebührt ihm Dank und Anerkennung.
Nicolas Raschauer
Kooperationsübereinkommen im europäischen Bankenaufsichtsrecht I. Einleitung Bernhard Raschauer hat sich zuletzt intensiv mit Rechtsfragen des österreichischen und europäischen Finanzmarktaufsichtsrechts, insb mit solchen des Bankenaufsichtsrechts auseinandergesetzt1. Es ist mir daher ein besonderes Anliegen, ihm den nachfolgenden Beitrag über Kooperationsübereinkommen im europäischen Bankenaufsichtsrecht zu widmen.
II. Allgemeines Memoranda of Understanding (MoU) stellen im Zivilrecht ein gängiges Instrument dar, um mittels eines „Vorvertrags“, einer einseitig bindenden Absichtserklärung, zum Ausdruck zu bringen, einen Vertrag bestimmten Inhalts schließen zu wollen (letter of intent) 2. Sie sind darüber hinaus auch im Völkerrecht verbreitet, wenngleich es sich rechtstechnisch nicht mehr um bloße Absichtserklärungen, sondern um völkerrechtliche Verträge handelt. Ein MoU stellt in völkerrechtlicher Hinsicht ein Abkommen zwischen mindestens zwei Organisationen oder sonstigen Völkerrechtssubjekten dar, das nähere Details über deren Zusammenarbeit regelt3. Im Gemeinschaftsrecht werden sie als „Kooperationsvereinbarun____________________
1 Erinnert sei an „BWG-WAG-GewO“ in Braumüller et al (Hrsg), Von der MiFID zum WAG 2007 (2008, in Druck); „Überlegungen zur Ausübung der Herkunftsstaatsaufsicht im EWR“ (ZFR 2007, 128); „Versicherungsvermittlung durch Gewerbliche Vermögensberater“ (ecolex 2007, 294); „Gedanken zur aktuellen Lage des Bankenaufsichtsrechts“ (ZFR 2006, 2); „Subnormative Verhaltenssteuerungen“ in Akyürek et al (Hrsg), FS Heinz Schäffer (2006, 685); „Amtshaftung und Finanzmarktaufsicht“ (ÖBA 2004, 338); „Bankaufsicht, Amtshaftung und Beihilfenverbot“ (ÖJZ 2005, 1); „Die Pflichtversicherung aus verfassungsrechtlicher Sicht“ (VR 2005, 35) ua. 2 Vgl dazu auch Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II 13 (2006) 196, 203 f; http://en. wikipedia.org/wiki/Memorandum_of_un-derstanding (07.12.2007). 3 Memoranda of Understanding sind als völkerrechtliche Verträge iSd Art 2 Abs 1 lit a Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) vom 23.05.1969, BGBl 1980/40 idgF anzusehen (vgl zum Begriff beispielsweise Fischer/Köck, Völkerrecht 6 [2004] Rz 201). Da die „zweite WVK“ (Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen von 1986)
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gen“ bezeichnet(vgl zB Art 46 BARL), im nationalen Recht (insb im BWG) werden sie als „Abkommen“ (zB § 77a BWG)4 bzw als zwischenstaatliche Vereinbarungen (§ 77 Abs 3 BWG) benannt, ohne dass inhaltlich Unterschiede bestehen würden. Bi-/Multilaterale Kooperationsübereinkommen zwischen einzelnen Bankaufsichtsbehörden spielen in der aufsichtsbehördlichen Praxis eine mittlerweile tragende Rolle und dienen der Optimierung der Aufsichtstätigkeit bzw der transnationalen Behördenkooperation. Wie der Homepage der FMA5 entnommen werden konnte, haben österreichische Stellen zwischen 1998 und 2006 zahlreiche Kooperationsübereinkommen mit anderen europäischen Aufsichtsbehörden getroffen. Auch wenn derartigen Vereinbarungen in der Praxis ein bedeutender Stellenwert zukommt, waren sie bislang selten Gegenstand einer eingehenden wissenschaftlichen Betrachtung. Dass eine solche angebracht ist, zeigt sich schon daran, dass Kooperationsübereinkommen einige wichtige gemeinschaftsrechtliche und verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen, die es zu erörtern gilt, zB hinsichtlich der Frage, welche österreichische Stelle ex constitutione ermächtigt ist, diese Abkommen abzuschließen, welchen Inhalt diese Vereinbarungen zulässigerweise enthalten dürfen und welcher Rechtscharakter diesen Übereinkommen aus Sicht der nationalen Verfassungsordnung zukommt. Auf diese Fragen soll nach einer kurzen Beleuchtung der gesetzlichen Grundlagen im Gemeinschaftsrecht und in der nationalen Rechtsordnung näher eingegangen werden.
III. Die rechtlichen Grundlagen A. Kompetenzverteilung hinsichtlich Kooperationsübereinkommen Geht man von der These aus, dass die Kooperationsübereinkommen des Bankenaufsichtsrechts völkerrechtliche Verträge zwischen der EG (bzw EG-Mitgliedstaaten) und Drittstaaten bzw unter EG-Mitgliedstaaten darstellen, die der Effektuierung der durch die BankenaufsichtsRL 2006/48/ EG6 determinierten grenzüberschreitenden Bankenaufsicht dienen, wird ____________________
noch nicht in Kraft getreten ist, wird sie an dieser Stelle nicht in die Untersuchung einbezogen. 4 Ob und inwiefern MoU in völkerrechtlicher Hinsicht Bindungswirkung zukommt, soll hier nicht näher erörtert werden. Vgl zum Ganzen Möllers, Transnationale Behördenkooperation, ZaöRV 2005, 351 (369 f ); Schlag, Verwaltungsbefugnisse im Binnenmarkt (1998) 73. 5 http://www.fma.gv.at/cms/site/DE/einzel.html?channel=CH0352 (07.12.2007). 6 RL 2006/48/EG, ABl 2006 L 77/1 – BARL.
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man zunächst davon auszugehen haben, dass sich die Zulässigkeit zum Abschluss der hier interessierenden Abkommen nach der im EG-Vertrag (EG) positivierten Systematik der Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Bankenaufsichtsrechts zu richten hat. Der Politikbereich Bankenaufsicht stellt eine konkurrierende Gemeinschaftskompetenz iSd Art 47 Abs 2 EG7 dar, von der die Gemeinschaft in weiten Teilen zulässigerweise Gebrauch gemacht hat. Die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge auf dem Gebiet des Bankenaufsichtsrechts ist durch den EG nicht ausdrücklich klargestellt8. Im Licht dessen und aufgrund der Tatsache, dass im Bereich des EG-Bankenaufsichtsrechts prinzipiell die Gemeinschaft zur Regelung zentraler Sachbereiche kompetent ist, wird allgemein davon auszugehen sein, dass grundsätzlich die EG zum Vertragsschluss mit Drittstaaten berechtigt sein wird, will man Zuständigkeitskonflikte zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten vermeiden9. Ob und inwiefern Übereinkommen zwischen Mitgliedstaaten zur Effektuierung der Bankenaufsicht zulässig sind, wird nachfolgend zu klären sein. Dem entspricht die hM, wonach die völkerrechtliche Vertragsschlusskompetenz bei Politikbereichen, in denen eine konkurrierende Regelungskompetenz zwischen EG und Mitgliedstaaten besteht, implizit der Gemeinschaft zukommt. Dies insb dann, wenn ein Rechtsgebiet bereits weitgehend gemeinschaftsrechtlich geregelt ist10, keine abweichenden vertragsrechtlichen Regelungen bestehen und der Abschluss völkerrechtlicher Abkommen zur Förderung der Gemeinschaftsziele notwendig ist11. Daraus folgt zunächst, dass die Mitgliedstaaten nur in den Bereichen, die noch nicht gemeinschaftsrechtlich geregelt wurden, bzw dort, wo die Gemeinschaft ihre prinzipielle Zuständigkeit (noch) nicht in Anspruch genommen hat, unter Beachtung der Grundsätze des Gemeinschaftsrechts abschlusskompetent sind12. ____________________
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Dazu eingehend Schlag, Art 47 Rz 19 ff, 30 in Schwarze, EU-Kommentar (2000). Die der Gemeinschaft im EG ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge (zB Art 133, 149 Abs 3, 155 Abs 3) sind im gegenständlichen Zusammenhang nicht einschlägig. 9 Die Kollisionsregelung des Art 307 EG für „Altverträge“ (die vor dem Beitritt Österreichs zur EU abgeschlossen wurden), ist im vorliegenden Zusammenhang nicht näher zu beleuchten (vgl dazu Schweitzer/Hummer/Obwexer, Europarecht [2007] Rz 1033 f ), da nur die Vertragsschlusskompetenz hinsichtlich „neuer Abkommen“ von Interesse ist. 10 Statt vieler Schweitzer/Hummer/Obwexer, Europarecht (2007) Rz 989. 11 EuGH Rs C-475/98 (Kommission/Österreich), Slg 2002, I-9797 Rz 65 f, 88 f; EuGH Gutachten 1/76 (Stilllegungsfonds), Slg 1977, 741 ff. Weitere Nachweise bei Schweitzer/ Hummer/Obwexer, Europarecht Rz 984 f. 12 IdS auch Schweitzer/Hummer/Obwexer, Europarecht Rz 1041, 1045. 8
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Die Richtigkeit dieser Auslegung zeigt sich dann auch bei Betrachtung der geltenden BARL: In Entsprechung der zuvor skizzierten kompetentiellen Systematik hat die RL für wesentliche Themenbereiche die Zuständigkeit zum Vertragsschluss vorab verteilt, wobei sich die Gemeinschaft vereinzelte sensible außenpolitische Abschlusskompetenzen (insb den Abschluss von Verträgen mit Drittstaaten) vorbehalten hat (vgl Art 39 BARL), während in den meisten Fällen eine Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zum Abschluss von Abkommen (mit anderen EG-Mitgliedstaaten, Art 131 BARL) festgelegt wurde. Diese Abkommen dienen der Effektuierung der Zusammenarbeit der europäischen Bankenaufsichtsbehörden bei der grenzüberschreitenden Beaufsichtigung von Zweigstellen. Nur unter der Bedingung, dass die EG ihre Abschlusskompetenz nach Art 39 nicht in Anspruch genommen hat, besteht auch eine Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, Abkommen mit Drittstaaten abzuschließen (Art 46). Diese Zuständigkeitsverteilung soll im Folgenden näher dargelegt werden. Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass die Mitgliedstaaten weiterhin befähigt sind, Kooperationsübereinkommen der in Rede stehenden Art abzuschließen (vgl auch Art 6 WVK), da die BARL der Gemeinschaft nur vereinzelt Abschlusskompetenzen zuweist (insb Art 39 BARL). Das ist im Hinblick auf die einzelnen Arten von Übereinkünften vorauszuschicken13. B. Sekundäres Gemeinschaftsrecht Das sekundäre Gemeinschaftsrecht, soweit es Regelungen über das Bankaufsichtsrecht trifft, enthält zwei zentrale Grundlagen, die bestimmte Stellen zum Abschluss einer Kooperationsvereinbarung ermächtigt. Zu unterscheiden sind dabei zunächst Abkommen eines Mitgliedstaats mit Behörden eines Drittstaats, der kein EG-Mitgliedstaat ist (Art 46 1. Var. BARL) – diese Regelung wird durch Art 39 BARL überlagert –, und solchen zwischen einzelnen Aufsichtsbehörden aus den EG-Mitgliedstaaten (Art 46 2. Var, 131 BARL). 1. Art 46 BARL BARL14
ermächtigt die Mitgliedstaaten, mit den zuständigen Art 46 Behörden eines anderen EG-Mitgliedstaats bzw eines Drittstaats (Art 47, ____________________
13 Nicht in die Betrachtung einzubeziehen ist die im Rahmen des Europarats ausgearbeitete Konvention über die Internationale Amtshilfe in Verwaltungssachen, die von Österreich bis dato nicht ratifiziert wurde. 14 Eine ähnliche Ermächtigung sah bereits die Vorgängerfassung der BARL, Art 30 Abs 3 der konsolidierten BankenrechtskoordinierungsRL 2000/12/EG vor.
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Art 48 Abs 1 BARL)15 Kooperationsübereinkommen zum Austausch bestimmter noch näher zu erörternder Informationen zu schließen. Im Lichte der zuvor skizzierten Systematik der Kompetenzverteilung des EG im Hinblick auf den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen kommt den Mitgliedstaaten die Vertragsschlusskompetenz nur insoweit zu, als die EG nicht selbständig Verhandlungen mit Drittstaaten über den gleichen Regelungsgegenstand geführt hat. Darauf wird nachfolgend zurückzukommen sein. Unter der Voraussetzung, dass ein Mitgliedstaat abschlusskompetent ist, überlasst die BARL den Mitgliedstaaten die Festlegung, welche nationale Stelle zum Abschluss der in Rede stehenden Vereinbarungen ermächtigt wird16. Gleichzeitig legt die RL abschließend fest, mit welchen Stellen eines EG-Mitgliedstaats bzw eines Drittstaats nähere Details der Zusammenarbeit vereinbart werden können. Dabei muss es sich – vereinfacht dargestellt – um eine Stelle handeln, die mit der Überwachung eines EGKreditinstituts (KI, Art 4 Z 4 BARL), eines EG-Finanzinstituts (FI, Art 4 Z 5 BARL), einer Versicherungsgesellschaft oder anderer Sparten der Finanzmärkte betraut ist17. Darüber hinaus können auch Abkommen mit Organen, die für die Liquidation oder für die Konkursabwicklung eines EG-KI (oder ähnlichen Verfahren) zuständig ist, sowie mit Personen, die mit der gesetzlichen Kontrolle der Rechnungslegung eines dieser Institute betraut sind, abgeschlossen werden. Die Vereinbarung eines hier interessierenden Kooperationsübereinkommens ist zusätzlich nur dann zulässig, wenn gewährleistet ist, dass die im Zuge der Zusammenarbeit mitzuteilenden Informationen im Vertragsstaat einem gemeinschaftsrechtlichen Standards entsprechenden Geheimnisschutz unterliegen18 und der Informationsaustausch der Erfüllung von Aufgaben ____________________
15 Zum Begriff Drittstaat vgl § 2 Z 8 BWG: Er umfasst alle Staaten, die nicht dem EWR angehören (zB USA, Ukraine). S zB Diwok/Göth, BWG (2005) 88. 16 Arg „die Mitgliedstaaten“ (Art 46 Einleitungssatz). 17 Die BARL definiert den Begriff „Finanzmarkt“ nicht. Aufgrund der ratio legis wird davon auszugehen sein, dass die RL den im Schrifttum gängigen Oberbegriff für jene Märkte verwendet, auf denen Handel mit Kapital iwS betrieben wird. Je nach Gegenstand der gehandelten Finanzkontrakte können Geld-, Kredit- und Kapitalmärkte sowie Devisenmärkte unterschieden werden (vgl zB Kümpel, Bankrecht 3 [2004] Rz 8.124 f; Kalss/ Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I [2005] § 1 Rz 1; Kalss in Holoubek/Potacs, Wirtschaftsrecht II 2 [2007] 9; Möller, Kapitalmarktaufsicht [2006] 26; Weber, Kapitalmarktrecht [1992] 1 ff ). Finanzmärkte sind somit spezielle Märkte, auf denen Kapital in Form von Geld, Wertpapieren und weiteren Finanzkontrakten gehandelt werden. 18 Arg ex Art 46 BARL: „… das Berufsgeheimnis mindestens ebenso gewährleistet ist wie nach Artikel 44 Absatz 1“. Aus Art 44 Abs 1 der RL ergibt sich die Pflicht der Mitgliedstaaten, Regelungen zu erlassen, wonach alle Personen, die für die zuständigen Behörden tätig sind oder waren, sowie die von den zuständigen Behörden beauftragten Wirtschaftsprüfer und Sachverständigen dem Berufsgeheimnis unterliegen. Vgl idZ § 14 Abs 2 Satz 1 und
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der Aufsichtsbehörden der Vertragsstaaten dient19. Damit soll augenscheinlich gewährleistet werden, dass aufsichtsrelevante Informationen nur unter bestimmten Voraussetzungen weitergegeben und nicht für sonstige Zwecke missbraucht werden. Mangels näherer Anhaltspunkte in der RL ist freilich fraglich, wann und wie das Vorliegen dieser Voraussetzung im Einzelfall zu beurteilen ist und somit sichergestellt werden kann. Argumentierbar erscheint jedoch, dass in allen EG-Mitgliedstaaten ein funktionell gleichwertiger Geheimnisschutz vorherrscht, da die Kommission über die Einhaltung der aus Art 44 BARL resultierenden Pflicht wacht20. Vor diesem Hintergrund werden jene Dienststellen der Mitgliedstaaten, die mit einem Drittstaat ein Abkommen iSd Art 46 BARL abschließen, schon während des Abschlussverfahrens zu prüfen haben, ob die Rechtsordnung des Drittstaats einen funktionell gleichwertigen Geheimnisschutz gewährleistet21. 2. Art 131 BARL a) Allgemeines Im Hinblick auf die Beaufsichtigung von Kreditinstitutsgruppen ermöglicht Art 131 BARL den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen zwischen EG-Bankenaufsichtsbehörden22, die für die Einzelaufsicht (über einzelne Tochterinstitute) zuständig sind, und den Behörden, die im EWR mit der Aufsicht auf „konsolidierter Basis“ (Art 125, 126 BARL) betraut sind23. Dies mit dem Zweck, die grenzüberschreitende Beaufsichtigung ____________________
Satz 2 FMABG. Die Organe der FMA und ihre Arbeitnehmer unterliegen ferner der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses als Amtsgeheimnis gemäß § 38 Abs 1 BWG (vgl § 14 Abs 2 FMABG). 19 Anschaulich etwa die Presseaussendung der dt BaFin vom 30.11.2006 über das kürzlich zwischen der BaFin und der Dubai Financial Services Authority abgeschlossene Kooperationsübereinkommen. Aus besagter Aussendung ergibt sich sinngemäß, dass die Vereinbarung der beiden Behörden der Intensivierung der grenzüberschreitenden Aufsicht dient und insofern der zunehmenden Präsenz deutscher Kreditinstitute in den Vereinigten Arabischen Emiraten Rechnung trägt (vgl http://www.bafin.de/presse/pm06/061130.htm [08.12.2007]). 20 Vgl zB § 38 Abs 1 BWG iVm § 14 Abs 2 FMABG; Art 20 Abs 3 B-VG; §§ 11 dt FinDAG iVm 9 dt KWG; Section 348, 349 und 352 des britischen FSMA (Financial Services And Markets Act). 21 Diese Ansicht legt auch eine systematische Interpretation am Maßstab des § 77 Abs 5 BWG nahe. Die FMA ist im Vorfeld einer jeden Datenübermittlung in einen Drittstaat verpflichtet, zu prüfen, ob im Drittstaat ein mit gemeinschaftsrechtlichen Standards vergleichbarer Geheimnisschutz besteht. 22 Art 4 Z 4 BARL definiert als „zuständige Behörden“ diejenigen nationalen Behörden, die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften die Beaufsichtigungsbefugnis über KI haben. Vgl auch § 2 Z 9 BWG. Dazu Diwok/Göth, BWG 88. 23 Wie die Systematik und Teleologie der BARL zeigt, wird die einzelne nationale Aufsicht durch die Aufsicht auf konsolidierter Basis nicht ersetzt oder verdrängt. Die konsoli-
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über Bankenkonzerne zu erleichtern24. Konsolidierung meint allgemein die zusammenfassende Prüfung der Jahresabschlüsse bzw sonstiger Rechnungspositionen von Mutter- und Tochterunternehmen25. Im Bereich des BWG ist zwischen laufender Konsolidierung (hinsichtlich Solvabilität, Eigenmittel, Großveranlagungen und bestimmten Beteiligungen) und der jährlichen Konsolidierung (hinsichtlich des Jahresabschlusses) zu unterscheiden26. Dieser verstärkten Zusammenarbeit liegt folgende Idee zugrunde: Europäische Kreditinstitute gründeten in den letzten Jahren vermehrt Tochtergesellschaften im In- und Ausland, erwarben – tlw auch „spartenfremde“ – Beteiligungen an anderen Unternehmungen und entwickelten sich so zu international operierenden Großkonzernen27. Die europäischen Aufsichtsbehörden sind damit mit neuen Risiken und Herausforderungen konfrontiert. Es erscheint daher unerlässlich, dass sich die Aufsichtsbehörden ein detailliertes Bild über die transnational operierenden Konzernstrukturen machen können und mit Regulatoren anderer Länder intensiv zusammenarbeiten, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern und die Stabilität des Europäischen Finanzmarkts zu gewährleisten. Damit dieses Ziel, nämlich die Sicherstellung einer effizienten grenzüberschreitenden Aufsicht, auch erreicht werden kann, enthält die BARL in den Art 125 und 126 mehrere Regelungen zur Bestimmung einer von 27 EG-Bankenaufsichtsbehörden, die für die konsolidierende Beaufsichtigung eines transnational operierenden Großkonzerns zuständig ist28 („lead supervisor“). ____________________
dierte Aufsicht steht in Ergänzung zur Einzelaufsicht. Während letztere nur einzelne Institute erfasst, betrachtet die konsolidierte Aufsicht einen Konzern oder eine Gruppe gemeinschaftsweit. Sie berücksichtigt alle Gesellschaften einer Gruppe und gruppeninterne Vorgänge. Beispielsweise ist die Banca d’Italia hinsichtlich der gemeinschaftsweiten Tätigkeit der UniCredito-Gruppe, zu der auch die Bank Austria gehört, für die Wahrnehmung der konsolidierten Aufsicht verantwortlich ist (idS zB http://www.bafin.de/verlautbarungen/ mou_051201.pdf), während die Geschäfte der „slovenska sporitelna“ – zugehörig zur ErsteGruppe – (auch) der Einzelaufsicht der Slowakischen Nationalbank unterliegen. Zum Ganzen näher N. Raschauer, Das Lead-Supervisor-Konzept im europäischen Bankenaufsichtsrecht, HLR 2007/1, 25 ff. 24 Vgl Erwägungsgrund 13 zur BARL. Nach Erwägungsgrund 57 dient die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis insb dem Schutz der Kreditinstitutskunden und der Sicherung der Stabilität des Finanzsystems. 25 Zum Begriff der Bankengruppe vgl etwa Koppensteiner, ÖBA 2005, 623 (628 f ). 26 Vgl Borns, Bankrecht 2 (2006) 312 f; Schlag, Verwaltungbefugnisse 36; zur Konsolidierung nach HGB (bzw UGB) Deutsch, § 247 HGB Rz 1 f in Straube, HGB 3 (2000). Vgl weiters Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrecht II 2 (2007) § 136 Z 35 ff. 27 Zu denken ist dabei etwa an die Expansionsstrategie heimischer KI in Richtung der osteuropäischen Länder (Slowakei, Tschechien, Rumänien und dgl). Vgl zB jüngst http:// derstandard.at/?id=2703527 (20.12.2007). 28 Vgl eingehend dazu N. Raschauer, HLR 2007/1, 25 ff. Diese Systematik findet sich auch in anderen Gemeinschaftsrechtsakten wieder: so schreibt etwa die sog „Dublin II“-
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Daran knüpft dann Art 131 der RL an, wonach die für die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis zuständige Behörde und die anderen zuständigen – für einzelne Töchterinstitute zuständige – (Bankaufsichts-) Behörden schriftliche Koordinations- und Kooperationsvereinbarungen schließen können. b) Lead Supervisor Als „lead supervisor“, der für die grenzüberschreitende konsolidierte Aufsicht zuständig ist, kommen nach Art 125 und 126 BARL folgende Behörden in Betracht: – Die Behörde, die das Mutterinstitut (ein KI)29 zugelassen hat (Art 6, 125 Z 1 BARL); – Die Behörde, die ein Tochterinstitut (KI) zugelassen hat, wenn das Mutterinstitut eine Finanzholdinggesellschaft30 ist (Art 125 Z 2 BARL); – Bei einer KI-Gruppe mit mehrfacher EWR-Zulassung, dh bestehend aus selbständigen Töchterinstituten mit Einzelzulassung in EG-Mitgliedstaaten: Die Behörde, in dem die Finanzholdinggesellschaft als Mutterunternehmen ihren Sitz hat (Art 126 Z 1 UAbs 1)31; ____________________
VO (EG) 2003/43 (ABl L 50/1) vor, dass einer von 27 Mitgliedstaaten für die Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit eines Asylantrags zuständig sein soll, wobei die Kriterien des Kapitels III der VO für die Bestimmung des zuständigen Staates maßgeblich sind. Bei der Beurteilung ist auf den zeitlich erstmals eingebrachten Asylantrag abzustellen (Art 5 Abs 2). 29 Art 4 Z 14 definiert „Mutterkreditinstitut in einem Mitgliedstaat“ als ein KI, das (zumindest) ein KI oder FI als Tochter hat oder eine Beteiligung an einem solchen hält und selbst nicht Tochtergesellschaft eines anderen, in demselben Mitgliedstaat zugelassenen KI oder einer in demselben Mitgliedstaat errichteten Finanzholdinggesellschaft (Art 4 Z 19 BARL) ist (zB die Erste Bank im Verhältnis zur s Bausparkasse). Demgegenüber versteht man unter einem „EU-Mutterkreditinstitut“ ein MutterKI (Art 4 Z 16) in einem Mitgliedstaat, das nicht Tochtergesellschaft eines anderen, in einem der Mitgliedstaaten zugelassenen KI oder einer in einem der Mitgliedstaaten errichteten Finanzholdinggesellschaft ist (zB UniCredit vs Bank Austria). Die Gegenüberstellung der Z 14 und 16 zeigt, dass der Begriff EU-MutterKI der weitere ist. 30 Art 4 Z 19 BARL versteht unter einer „Finanzholdinggesellschaft“ (vereinfacht dargestellt) ein FI, dessen Tochterunternehmen ausschließlich oder hauptsächlich KI oder andere FI sind, wobei mindestens eines dieser Tochterunternehmen ein KI ist. Dementsprechend ist eine „Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem Mitgliedstaat“ (Art 4 Z 15 BARL) eine Finanzholdinggesellschaft, die nicht Tochtergesellschaft eines in demselben Mitgliedstaat zugelassenen KI oder einer in demselben Mitgliedstaat errichteten Finanzholdinggesellschaft ist. Davon ist wiederum die „EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft“ iSd Art 4 Z 17 BARL zu unterscheiden, worunter eine Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem Mitgliedstaat, die nicht Tochtergesellschaft eines in einem der anderen Mitgliedstaaten zugelassenen KI ist oder einer in einem der Mitgliedstaaten errichteten anderen Finanzholdinggesellschaft ist. 31 Voraussetzung ist diesfalls, dass die Holdinggesellschaft Mutter aller selbständigen Tochterinstitute ist.
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Im gegenteiligen Fall (KI-Gruppe mit mehrfacher EWR-Zulassung und unterschiedlichen Mutterinstituten [ds wiederum Finanzholdings]): Die Behörde, die für das Tochterinstitut mit der höchsten Bilanzsumme zuständig ist (Art 126 Z 1 UAbs 2)32; Ist eine Finanzholdinggesellschaft Mutter von mehr als einem in der Gemeinschaft zugelassenen KI-Gruppe, wurde jedoch kein Tochterinstitut im Sitzland der Mutter zugelassen: Die Behörde, die für das Tochterinstitut mit der höchsten Bilanzsumme zuständig ist (Art 126 Z 2 BARL). c) Regelungsinhalt
Im Rahmen der durch Art 131 BARL erfassten Vereinbarungen kann nicht nur die grundsätzliche Zusammenarbeit einzelner Aufsichtsbehörden präzisiert, sondern können auch sonstige Eckpunkte zur Optimierung der grenzüberschreitenden Aufsicht festgelegt werden: – Der für die konsolidierte Aufsicht zuständigen Behörde können zusätzliche Aufgaben übertragen33 und Verfahren für die Beschlussfassung und die Zusammenarbeit mit anderen, mit der Einzelaufsicht betrauten Behörden festgelegt werden. – Die mit der Einzelaufsicht betrauten Behörden können im Wege einer Übereinkunft ihre Aufsichtskompetenzen auf den lead supervisor übertragen. Anders gewendet: Durch ein Abkommen nach Art 131 BARL kann dem lead supervisor auch die Einzelaufsicht über ausländische Tochterinstitute zugewiesen werden, der die Aufgabe nach den Regelungen der BARL bzw seiner Rechtsordnung wahrzunehmen hat. 3. Art 39 BARL Nach dieser Bestimmung kann die Europäische Kommission auf Antrag eines Mitgliedstaats oder aufgrund eigener Initiative dem Rat Vorschläge unterbreiten, um mit einem Drittstaat Abkommen über Einzelheiten der Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis abzuschließen. Rege____________________
32 Voraussetzung ist diesfalls, dass sich der Sitz der einzelnen Holdinggesellschaften in unterschiedlichen Mitgliedstaaten befindet und in jedem dieser Mitgliedstaaten ein Tochterinstitut zugelassen wurde. 33 So kann etwa die für die Zulassung eines Tochterunternehmens eines Mutterunternehmens, das ein KI ist, zuständige Behörde ihre Verantwortung für die Beaufsichtigung auf die zuständige Behörde, die das Mutterunternehmen zugelassen hat und beaufsichtigt, übertragen, damit diese gemäß den Vorgaben der BARL auch (iSv zusätzlich) die Beaufsichtigung des Tochterunternehmens übernimmt (Art 131 Abs 3 BARL). Dies führt zu einer insoweit einmaligen Konstellation, als Institute, die im Herkunftsstaat zugelassen wurden, in einzelnen Teilbereichen nicht länger durch die Behörden des Herkunftsstaats, sondern durch diejenigen des Aufnahmestaats beaufsichtigt werden können.
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lungsgegenstand ist dabei die konsolidierte Aufsicht über Tochterinstitute, deren Mutterunternehmen ihren Sitz in einem Drittstaat haben (Art 39 Z 1 lit a), oder die konsolidierte Aufsicht über Tochterinstitute aus Drittstaaten, deren Mutterunternehmen ein KI oder eine Finanzholdinggesellschaft mit Sitz in der Gemeinschaft ist (Art 39 Z 1 lit b). Dadurch soll sichergestellt werden, dass sowohl den zuständigen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten als auch den Aufsichtsbehörden des Drittstaats alle aufsichtsrechtlich relevanten Informationen zur Verfügung stehen. Nach Erwägungsgrund 20 der BARL sollen die hier angesprochenen Abkommen die Durchführung der konsolidierten Aufsicht in einem größtmöglichen geographischen Rahmen ermöglichen. Zu beachten ist idZ Folgendes: Soweit ein Abkommen iSd Art 39 geschlossen wurde, besteht hinsichtlich desselben Regelungsgegenstands keine Abschlusskompetenz der Mitgliedstaaten. C. Die Umsetzung im österreichischen Recht Den zuvor skizzierten Rahmen des Gemeinschaftsrechts hat der Gesetzgeber in § 77a BWG umgesetzt. Nach dieser Bestimmung kann der BMF, nicht aber auch ein anderes Organ34, bestimmte Abkommen mit zuständigen Behörden über die Vorgangsweise bei der Zusammenarbeit mit der FMA zur Überwachung und Beaufsichtigung der KI gemäß den §§ 69 bis 71 und 77 BWG schließen, „sofern der BMF zum Abschluss von Übereinkommen gemäß Art 66 Abs 2 B-VG ermächtigt ist“35. In Betracht kommen, wie bereits zuvor skizziert, – Abkommen mit anderen EG-Mitgliedstaaten: In diesen Abkommen kann insb die Übertragung zusätzlicher Aufgaben iSv Art 131 der BARL an den lead supervisor36 sowie das Verfahren der Zusammenarbeit, etwa ____________________
34 Das Gesetz scheint einen Abschluss durch andere Organe nicht zuzulassen (aM Lampert, Bankenaufsicht [2004] 99 f ). Zu damit verbundenen Fragen vgl noch unten IV. 35 Der BP hat von der Ermächtigung, seine Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge (Art 65 Abs 1 B-VG) an die BReg oder einzelne BM durch gesetzesvertretende VO zu übertragen (vgl Art 66 Abs 2 B-VG), mit der Entschließung vom 31.12. 1920, BGBl 1921/49 Gebrauch gemacht. Diese Entschließung erfasst ua auch solche Verträge, die bloße Verwaltungsübereinkommen darstellen und vom ressortzuständigen BM abgeschlossen werden (vgl Walter, Verfassungsrecht [1972] 174). Die Kompetenz zum Abschluss solcher Übereinkommen verbleibt beim BP, wenn diese den Titel „Staatsvertrag“ tragen oder deren Abschluss durch den Austausch von Ratifikationsurkunden erfolgt (vgl Öhlinger, Verfassungsrecht 7 [2007] Rz 117). Dazu unten III.B. Ob und inwiefern diese Entschließung verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, soll hier nicht weiter vertieft werden. Dazu Walter aaO; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 [2007] Rz 225; Posch, Regierungsübereinkommen – Verwaltungsübereinkommen, ZÖR 1983, 201. 36 Das BWG nennt ihn „zentrale zuständige Aufsichtsbehörde“.
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bei grenzüberschreitenden Bewilligungsverfahren (§ 21g BWG)37, geregelt werden (§ 77a Abs 1 Z 1 BWG). – Abkommen mit Drittstaaten (§ 77a Abs 5 Z 2 und 3 BWG): Hier können nähere Details des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs vereinbart werden, soweit im Drittstaat ein zu Art 44 Abs 1 der RL gleichwertiger Geheimnisschutz vorherrscht und der Informationsaustausch der Erfüllung von Aufgaben der zuständigen Behörden dient (§ 77a Abs 1 Z 2)38. Der Abschluss eines solchen Abkommens bzw das Tätigwerden des BMF iSd § 77a Abs 1 BWG ist aufgrund des gesetzlichen Wortlauts zunächst nur dann zulässig, wenn und soweit die FMA und die OeNB einen akkordierten Vorschlag an den BMF gerichtet haben39. Dieser Vorschlag muss auf den Abschluss eines Kooperationsübereinkommens iSd § 77a BWG abzielen. Beim Abschluss einer Vereinbarung kann der BMF darüber hinaus ein Rahmenabkommen des Europäischen Rats iSd Art 39 BARL zu berücksichtigen haben (§ 77a Abs 4 BWG)40. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist zu beachten, dass der BMF nur zum Abschluss solcher Kooperationsübereinkommen ermächtigt ist, denen kein gesetzesergänzender oder gesetzesändernder Inhalt zukommt41. Darauf wird zurückzukommen sein. D. Der Inhalt der Kooperationsvereinbarungen 1. Abkommen nach § 77a Abs 1 Z 1 BWG bzw Art 131 BARL In Abkommen gemäß § 77a Abs 1 Z 1 BWG soll insb die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der FMA mit den zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten hinsichtlich des in Art 42, 44 Abs 2 und Art 139 bis 142 BARL genannten Informationsaustauschs näher geregelt werden (§ 77a Abs 2 BWG). Bei genauerer Hinsicht zeigt sich zunächst, dass § 77a Abs 2 BWG zwei an sich verschiedene Sachverhalte anspricht. Zum einen die aufsichts____________________
37 Beispielsweise können Details über das transnationale Verfahren zur Genehmigung sog „interner“ [Berechnungs-] Modelle (§§ 21d-f) BWG zwischen den beteiligten Aufsichtsbehörden vereinbart werden. Diese Modelle sind kraft Genehmigung der FMA grenzüberschreitend, für die gesamte KI-Gruppe verbindlich. 38 Vgl auch EBRV 94 BlgNR 20. GP 44. 39 IdS EBRV 641 BlgNR 84: „(…) die Initiative zum Abschluss von Aufsichtsabkommen soll von (…) der FMA ausgehen“. 40 Der Verweis des § 77a Abs 4 BWG auf bestimmte Abkommen iSd Abs 3 erweist sich als zu unbestimmt, da Abs 3 nur auf den (noch zu besprechenden) Inhalt dieser Vereinbarungen eingeht. Gemeint sind in Wahrheit Abkommen iSd § 77a Abs 1 Z 2. 41 EBRV 57 BlgNR 21. GP 28.
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behördliche Zusammenarbeit zur Optimierung grenzüberschreitender Aufsichtstätigkeit, und daran anknüpfend, den zwischenbehördlichen Informationsaustausch als Ziel und Folge der aufsichtsbehördlichen Kooperation. Zusammenarbeit ist freilich auch außerhalb von Kooperationsübereinkommen zulässig, wenn man bspw an bestehende gesetzliche Ermächtigungen zur Datenverarbeitung und -übermittlung (zB Art 132 BARL, § 77 Abs 4 BWG) denkt. Ein Abkommen der vorliegenden Art vereinfacht die Zusammenarbeit in vielerlei Punkten, da es für vergleichbare Fälle den viel zitierten „legal framework“ und insofern Rechtssicherheit schafft. Und nur von letzter Art der Zusammenarbeit, nämlich auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung, soll hier die Rede sein. § 77a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 BWG erweist sich vor diesem Hintergrund als „Sammelermächtigungsnorm“ für den Abschluss von Abkommen hinsichtlich vielerlei verschiedener Formen der aufsichtsbehördlichen Zusammenarbeit. Gegenstand eines Abkommens kann dabei sein: – Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hinsichtlich der Beaufsichtigung von Zweigstellen (Art 42, 46 BARL): Diese Bestimmung verpflichtet die zuständigen Behörden, bei der Überwachung der Tätigkeit der KI, die über eine Zweigstelle in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten als ihrem Sitzland Geschäfte betreiben, zur umfassenden Zusammenarbeit. Die Aufsichtsbehörden sollen einander alle erforderlichen Informationen, welche die Prüfung der Voraussetzungen der Zulassung eines KI betreffen (Leitung, Verwaltung und Eigentumsverhältnisse) sowie alle Informationen mitteilen, die geeignet sind, die nachfolgende Aufsicht über diese Institute zu erleichtern. Hier ist insb an Daten über Liquidität, Solvenz, Einlagensicherheit eines KI, die Begrenzung von Großkrediten, die Organisation eines KI und Rechnungslegung zu denken42. In der konkreten Vereinbarung kann bestimmt werden, zu welchem Termin (mithin zu welchem Anlass) gewisse Arten von Daten an konkrete Stellen zu übermitteln sind. Dabei kann näherhin zwischen verschiedenen Verfahrensstadien, konkret dem Zulassungsverfahren, dem Stadium laufender Aufsicht über KI und ihre ausländischen Zweigstellen sowie zwischen Gefahrensituationen, die ein aufsichtsbehördliches Einschreiten erfordern könnten, unterschieden werden43. Festgehalten sei, dass die Zusammenarbeit der europäischen Bankenaufsichtsbehörden der Absicherung und Effektuierung des Her____________________
42 Bei der entsprechenden Aufzählung des Art 42 BARL handelt es sich um keine abschließende Enumeration. 43 Vgl zB Art 2 des MoU, das die BaFin und die polnische Bankenaufsichtskommission CBS geschlossen haben (Dez 2004, http://www.bafin.de/verlautbarungen/mou_041220. pdf ).
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kunftsstaatsprinzips dient. Aus diesem Grund ist es durchaus verständlich, wenn die BARL die einzelnen Aufsichtsbehörden in Konkretisierung des Art 10 EG verpflichtet, wechselseitig (grenzüberschreitend) zusammenzuarbeiten. Damit sollen Schwierigkeiten, die sich aus der Aufsichtssystematik des Gemeinschaftsrechts ergeben, effektiv begegnet werden. Ohne ein solches Zusammenwirken verschiedener Aufsichtsbehörden ließe sich eine Aufsichtssystematik, wie sie die BARL vorschreibt, nicht im beabsichtigten Ausmaß verwirklichen44. Zu denken wäre etwa daran, dass den zuständigen Aufsichtsbehörden keine erforderlichen Daten und Informationen über ausländische Zweigstellen zur Verfügung stehen würden. Auch ist die Tatsache in die Betrachtung einzubeziehen, dass den Herkunftsstaatsbehörden idR keine Kompetenzen zur Durchsetzung von Aufsichtsmaßnahmen im Ausland (vor Ort) zukommen, sodass eine wirksame Beaufsichtigung insb der grenzüberschreitenden Banktätigkeiten ohne transnationale Behördenkooperation nicht gewährleistet werden könnte. Die Zusammenarbeit zwischen den mitgliedstaatlichen Behörden dient daher allgemein der Vermeidung von Informations- und Vollziehungsdefiziten. Sie ermöglicht damit eine wirksame grenzüberschreitende Beaufsichtigung von Finanzkonzernen und ist folglich Grundvoraussetzung für eine effektive Ausübung grenzüberschreitender Verwaltungsbefugnisse im oben beschriebenen Sinn. Kooperationsübereinkommen iSd Art 42 BARL bzw § 77a Abs 1 Z 1 BWG dienen daher zusammengefasst der Effektuierung der grenzüberschreitenden europäischen Bankenaufsicht. Nach § 77a Abs 1 BWG ist auch der Abschluss von Abkommen hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen Einzelaufsicht und lead supervisor im Zuge der konsolidierten Aufsicht (Art 139 BARL) möglich. Nach Erwägungsgrund 58 der RL soll die konsolidierte Aufsicht auf alle Bankengruppen angewendet werden, damit sie wirksam ist, daher auch auf Unternehmen, deren Mutterunternehmen kein KI ist. Um die angesprochene transnationale Behördenkooperation zu effektuieren, sollen Einzelaufsicht und lead supervisor bestimmte Informationen gegenseitig – daher auch grenzüberschreitend – austauschen, insb dann, wenn deren Kenntnis für die genannten Behörden zur Wahrnehmung der Aufsicht erforderlich ist. Auch wenn dies in § 77a BWG nicht im Detail zum Ausdruck kommt, ermächtigt § 77a BWG bei systematischer Zusammenschau mit Art 139 BARL zum Abschluss verschiedener Typen von Kooperationsvereinbarungen. – Ein Typus (Art 139 Z 1 BARL) zielt nach der ratio legis darauf ab, rechtliche Hindernisse in den einzelnen Rechtsordnungen zu beseiti-
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IdS Schlag, Verwaltungsbefugnisse 66.
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gen, die es den konsolidiert zu beaufsichtigenden Mutter- und Tochtergesellschaften verwehrt, bestimmte aufsichtsrelevante Informationen konzernintern (gegebenenfalls auch grenzüberschreitend) auszutauschen. Wann nun konkret Hindernisse der hier interessierenden Art bestehen, kann mangels näherer Anhaltspunkte in der RL nicht allgemein beantwortet werden. Daher wird auf den Einzelfall abzustellen sein. Jedenfalls wird Art 139 Z 1 BARL diejenigen Vorschriften der Mitgliedstaaten vor Augen haben, die einen Informationsaustausch normalerweise untersagen bzw nicht zulassen würden. Daher könnten sowohl Vorschriften über das Berufs- und Amtsgeheimnis in diese Kategorie fallen als auch datenschutzrechtliche Vorschriften, welche die Ermittlung und Verarbeitung von Informationen grundsätzlich nicht erlauben. Kooperationsvereinbarungen iSd Art 139 Z 1 BARL zielen daher darauf ab, diese grenzüberschreitenden Hindernisse zu beseitigen. Sie stellen insoweit Abkommen dar, die Ausnahmen von den angesprochenen rechtlichen Vorschriften schaffen und damit den Informationsaustausch im Einzelfall ermöglichen sollen. Abkommen nach Art 139 Z 1 BARL könnten daher eine zumindest partielle Änderung der nationalen Rechtsordnung bewirken und stellen nach innerstaatlicher Verfassungssystematik gesetzesändernde Abkommen dar. Bei systematischer Betrachtung des § 77a Abs 1 und Abs 3 BWG am Maßstab des Art 66 Abs 2 B-VG zeigt sich, dass der BMF zum Abschluss gesetzesändernder Abkommen iSd Art 139 Z 1 BARL, die überhaupt erst die Voraussetzungen für den Informationsaustausch schaffen, nicht befugt ist. Solche Abkommen bedürfen der Zustimmung des NR (Art 50 B-VG). – Befinden sich (innerhalb einer KI-Gruppe) Mutter- und Tochterinstitut in verschiedenen Staaten, haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass sich die Aufsichtsbehörden alle Informationen übermitteln, die notwendig sind, um die konsolidierte Aufsicht zu effektuieren (Art 139 Z 2 BARL). Im Lichte des zuvor Gesagten ist der BMF zum Abschluss solcher Vereinbarungen ermächtigt, da sie regelmäßig Details des an sich zulässigen Informationsaustauschs regeln und dadurch bestehende gesetzliche Regelungen bloß präzisieren, etwa, welche Arten der bereits zulässigerweise ermittelten Informationen zwischen Aufsichtsbehörden ausgetauscht werden können. Sie sind daher nicht gesetzesändernder Natur (§ 77a Abs 1 iVm Abs 3 BWG). – Die „spartenübergreifende“ Zusammenarbeit (Art 140 BARL): Diese Bestimmung soll die Zusammenarbeit verschiedener Aufsichtsbehörden,
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nicht bloß in einem, sondern auch in verschiedenen Mitgliedstaaten gewährleisten und trägt somit verschiedenen branchenübergreifenden Beteiligungsverhältnissen Rechnung: Dies ist insb dann von Relevanz, wenn ein KI an „branchenfremden“ Unternehmungen beteiligt ist und deren Geschäftstätigkeit maßgeblich beeinflussen kann. Zu denken ist dabei insb an Versicherungsunternehmen oder an Wertpapierfirmen. Art 140 BARL will die zuständigen Behörden zu einer verstärkten Zusammenarbeit anhalten und verpflichtet sie, sich gegenseitig alle erforderlichen Informationen mitzuteilen, die geeignet sind, die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern und eine Beaufsichtigung der Tätigkeit und der finanziellen Situation aller Unternehmen, die ihrer Aufsicht unterliegen, zu ermöglichen. – Die Zusammenarbeit bei Vorortprüfungen (Art 43, 141 BARL)45: In diesen Vereinbarungen sind insb nähere Details über den Ablauf der Prüfung festzulegen (zB Vorankündigung durch den Herkunftsstaat binnen bestimmter Fristen, Bekanntgabe der Namen der Prüfer, des Zwecks und der erwarteten Dauer der Prüfung und dgl). Dabei kann auch vereinbart werden, dass Vorortprüfungen durch Prüferteams der beteiligten Aufsichtsbehörden gemeinsam durchgeführt werden46. – Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Verfolgung, Sanktionierung und Abstellung bestimmter Gesetzesverstöße und deren Ursachen, die insb durch Organe von Finanzholdinggesellschaften oder gemischten Unternehmen47 begangen wurden: So sollen die zuständigen Behörden nach Art 142 BARL eng zusammenarbeiten, um den Erfolg dieser Sanktionen oder Maßnahmen zu sichern, vor allem dann, wenn der Sitz einer Finanzholdinggesellschaft oder eines gemischten Unternehmens sich nicht an dem Ort der Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung befindet48. ____________________
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Vgl zum Ganzen Art 43 BARL sowie N. Raschauer, ÖJZ 2008, im Erscheinen. Vgl zB Art 9 des zuvor in FN 43 angesprochenen MoU BaFin-CBS. 47 Ein „gemischtes Unternehmen“ iSd Art 4 Z 20 BARL (bzw § 2 Z 26 BWG) ist jedes Mutterunternehmen, das keine Finanzholdinggesellschaft (und daher kein FI), kein KI und keine gemischte Finanzholdinggesellschaft iSd Art 2 Abs 15 der FinanzkonglomerateRL 2002/87/EG ist, daher anderen Aktivitäten (als zB ein KI) nachgeht und zu dessen Tochterunternehmen mindestens ein KI iSd BARL gehört (vgl zB Diwok/Göth, BWG 96; EBRV 94 BlgNR 20. GP 27). 48 Art 142 BARL erweist sich insofern als Grundlage für den Austausch ermittelter Informationen, die aus gleichgeschalteten und parallel durchgeführten Überprüfungs- und/ oder Strafverfahren in den einzelnen Mitgliedstaaten stammen. Ein in diesem Zusammenhang auf Art 131 BARL oder § 77a Abs 1 Z 1 und Abs 2 BWG gestütztes Abkommen könnte daher die näheren Details der Übermittlung dieser Informationen an die jeweilige Partnerbehörde regeln. Vgl zB Art 3 des MoU BaFin-CBS (FN 43). 46
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2. Abkommen nach § 77a Abs 1 Z 2 BWG bzw Art 46 BARL In Vereinbarungen mit Drittstaaten kann unter der Annahme, dass die Gemeinschaft von ihrer Abschlusskompetenz nach Art 39 BARL nicht oder nur in einem bestimmten Umfang Gebrauch gemacht hat, insb Folgendes geregelt werden: – Die an die FMA zu übermittelnden Informationen, die erforderlich sind, um KI oder Finanz-Holdinggesellschaften, die in Österreich niedergelassen sind und in einem Drittland eine Tochtergesellschaft in Form eines KI oder FI haben oder an solchen KI und FI eine Beteiligung halten, auf der Basis der konsolidierten Finanzlage effektiv zu beaufsichtigen49. – Die durch die FMA an Drittstaaten zu übermittelnden Informationen, die erforderlich sind, um Mutterunternehmen mit Sitz in diesen Drittländern zu beaufsichtigen, die in Österreich (mindestens) eine Tochtergesellschaft in Form eines KI oder FI haben oder Beteiligungen an solchen Instituten halten50 und – die Voraussetzungen, unter denen die Behörden der Vertragsstaaten – das BWG nennt sie „Abkommensstaaten“ – „verbundene Unternehmen“51, die konsolidiert beaufsichtigt werden, in den jeweiligen Vertragsstaaten prüfen können. E. Anhaltspunkte in der österreichischen Praxis Eine nähere Untersuchung der Abschlusspraxis österreichischer Aufsichtsbehörden in den Jahren 1998 bis 2006 ist mangels Kundmachung dieser Abkommen nicht möglich. Anhaltspunkte finden sich dann bloß im Jahresbericht der FMA 200552, wo in diesem Zusammenhang festgehalten wird, dass die von der FMA regelmäßig abgeschlossenen Überkommen folgenden Regelungsinhalt aufweisen: ____________________
49 § 77a Abs 3 BWG regelt in diesem Fall bloß die passive Information der FMA mittels Empfangnahme von Daten, nicht aber auch deren aktive Weitergabe. Vgl schon Laurer, § 77a Rz 3 in Fremuth/Linc/Laurer ua, BWG 2 (1999). 50 Hier regelt § 77a Abs 3 BWG die aktive Weitergabe von Informationen an staatsvertragsgebundene Drittstaaten, soweit dies zur effizienten Aufsicht über bestimmte Unternehmen erforderlich ist. Freilich ist im Vorfeld der Informationsweitergabe stets § 77 Abs 5 vorletzter Satz mitzubedenken. Die FMA hat also für die Einhaltung des Amtsgeheimnisses Sorge zu tragen. 51 Verbundene Unternehmen sind iSd Diktion des BWG (§ 2 Z 28) zwei oder mehrere juristische Personen, die durch a) das unmittelbare Halten einer Beteiligung oder b) das Vorliegen eines Verhältnisses zwischen Mutter- und Tochterunternehmen eng verbunden sind. Vgl dazu Diwok/Göth, BWG 98. 52 http://www.fma.gv.at/JBInteraktiv/2005/DE/_index_frame.htm (07.01.2008).
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– Zu welchen Zeitpunkten Pflicht zur Kontaktaufnahme zwischen den einzelnen Aufsichtsbehörden besteht („Felder der Zusammenarbeit“). – Unter welchen Voraussetzungen informelle Treffen zwischen Behördenvertretern stattzufinden haben. – Unter welchen Voraussetzungen die jeweilige andere Aufsichtsbehörde zu informieren ist („Informationsaustausch“). Die FMA betrachtet die, insb gegenüber Nicht-EWR-Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen nicht bloß als wichtiges Instrument im Bemühen, die operative Zusammenarbeit mit Schwesterbehörden zu verstärken, sondern auch als vertrauensbildende Maßnahme.
IV. Beurteilung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Die Umsetzung des zuvor skizzierten Gemeinschaftsrahmens in nationales Recht sowie dessen praktische Handhabung werfen einige verfassungsrechtliche Fragen auf, die in weiterer Folge analysiert werden sollen. Zu untersuchen ist dabei zunächst die zeitliche Phase vor Aushandlung eines solchen Abkommens und nachfolgend die Frage, welche staatlichen Organe von Verfassungs wegen berechtigt sind, Übereinkommen iSd § 77a BWG abzuschließen. Des Weiteren wird auf den Rechtscharakter eines solchen Abkommens einzugehen sein. In diesem Zusammenhang soll ausschließlich jenes Ablaufprozedere dargestellt werden, wie es sich aus der wörtlichen und systematischen Interpretation des § 77a BWG ergibt. Soweit in der Praxis eine andere Vorgehensweise gehandhabt wird, worauf bspw der Jahresbericht der FMA 2005 schließen lässt, soll darauf erst am Ende des Abschnittes (V.) eingegangen werden. A. Die Vorphase des Abschlusses eines Übereinkommens Bevor zwischenstaatliche Beratungen über den Inhalt einer Kooperationsvereinbarung eingeleitet und durchgeführt werden können53, haben FMA und OeNB nach informellen Vorgesprächen einen akkordierten Vorschlag54 betreffend den Abschluss eines Abkommens iSd § 77a BWG ____________________
53 Die zwischenstaatlichen Beratungen über den Entwurf eines Staatsvertrags stellen zumeist die erste Phase des Vertragsabschlusses dar (vgl Adamovich sen, Verfassungsrecht 4 [1954] 262). 54 Man könnte den Vorschlag in einer ersten Annäherung als Empfehlung ansehen.
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an den ressortzuständigen BMF zu richten55. Die Aufnahme von offiziellen zwischenstaatlichen Beratungen sind dem BMF nach dem gesetzlichen Wortlaut nur dann erlaubt, wenn ihm ein von beiden Institutionen ausgehandelter Vorschlag vorliegt56. Freilich lässt sich dem Gesetz wie auch den Materialien keine näheren Details dahingehend entnehmen, wie dieser Vorschlag auszugestalten ist. Diese Empfehlung könnte im Licht der ratio legis und der gängigen Verwaltungspraxis Ausführungen dahingehend enthalten, mit welchem Staat bzw welcher ausländischen Behörde ein Kooperationsübereinkommen geschlossen werden und was Gegenstand dieser Vereinbarung sein soll. Daher scheint die Annahme vertretbar, dass die FMA und die OeNB bereits informelle Sondierungsgespräche mit einer anderen Aufsichtsbehörde geführt haben, um erste Details der Zusammenarbeit anzusprechen. Insofern käme dem Vorschlag nicht bloß eine verfahrensrechtliche, sondern auch eine materiell-rechtliche Funktion zu. Freilich könnte man auch den rein formalen Gesichtspunkt betonen, indem man den Vorschlag als verfahrensauslösendes Instrument ansieht57. IdS kämen FMA und OeNB bloß die Möglichkeit zu, den Abschluss eines Abkommens „anzuregen“. Da aber die FMA die nachfolgende Pflicht zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch auferlegt wird, kann die zweite Möglichkeit schon aufgrund praktischer Erwägungen nur schwer überzeugen. Die erste Auslegungsvariante erscheint daher plausibler zu sein und soll der weiteren Untersuchung zugrunde gelegt werden. Ob diese Ansicht dann auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht überzeugt, wird nachfolgend zu prüfen sein. 1. Der Vorschlag iSd § 77a Abs 1 BWG Wie eine systematische Auslegung des § 77a Abs 1 BWG ergibt, ermächtigt der Gesetzgeber den BMF als ressortzuständigen BM58 erst dann zum Abschluss eines Kooperationsübereinkommens, wenn und soweit ihm ein entsprechender akkordierter Vorschlag der FMA und der OeNB vorliegt, der auf Abschluss eines Abkommens abzielt. Das bedeutet, dass dem BMF nach dem Willen des Gesetzgebers die eigenständige Durchführung von Beratungen über einen Staatsvertrag verwehrt ist, wenn sich die ____________________
55 § 77a Abs 1 BWG idF BGBl I 2008/107, in Kraft seit 01.01.2008. Vor Inkrafttreten der besagten Novelle war die FMA vorschlagsberechtigt, die OeNB zum Vorschlag anzuhören. Auf die Abschlusspraxis wird sich diese Änderung kaum auswirken. 56 Ein bloß von der FMA oder von der OeNB gezeichneter Vorschlag berechtigt den BMF daher nicht zur Einleitung der Beratungsphase. 57 Vgl nochmals EBRV 641 BlgNR 21. GP 84: „Initiative“. 58 Vgl Anlage Teil C Z 3 zu § 2 Abs 1 Z 2 BMG, wonach Angelegenheiten des Finanzwesens einschließlich der Finanzpolitik (insb Währungs-, Kredit-, Sparkassen-, Bank- und Börsewesen) zum „Wirkungsbereich“ des BMF zu zählen sind.
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FMA und die OeNB nicht auf eine Empfehlung einigen konnten, keinen Vorschlag übermittelt haben oder bloß eine Institution Empfehlungen an den BMF übermittelt hat. Anders gewendet folgt daraus, das ein oberstes Organ der Bundesverwaltung (Art 19 Abs 1 B-VG)59 an einen zuvor zu setzenden Rechtsakt einer anderen Behörde gebunden ist, bevor es selbst tätig werden darf. Neben der formal zu klärenden Frage, ob die Vorschlagsbindung an sich verfassungsrechtlich zulässig ist (Untersuchungsebene eins), wird bei Annahme der Zulässigkeit zu erörtern sein, ob der BMF vom Inhalt des Vorschlags abweichen oder ihn zum Teil oder gänzlich verwerfen kann, oder ob der FMA und der OeNB bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein „Erledigungsanspruch“, ähnlich dem Entscheidungsanspruch des § 73 Abs 1 AVG, zukommt (Untersuchungsebene zwei). Im letzten Fall müsste der BMF den an ihn übermittelten Vorschlag genehmigen und das Abkommen unterzeichnen. Diese Annahme bedingt freilich, dass der BMF vom Inhalt des Vorschlags – soweit er den Vorschlag nach einer Überprüfung, ob die Voraussetzungen des Abschlusses zur Gänze erfüllt sind, nicht ablehnt –, – nicht mehr abweichen kann – und die zuständigen Stellen der anderen Staaten ihrerseits das Genehmigungsprozedere abschließen60. Der Gang der weiteren Untersuchung sei durch folgende Überlegung skizziert: Geht man aus Sicht der Praxis davon aus, dass dem Vorschlag der FMA und der OeNB nicht nur die bloße Empfehlung zugrunde liegen wird, überhaupt ein Abkommen abzuschließen, wird diese Absichtserklärung – im Entferntesten mit einer Regierungsvorlage im Gesetzgebungsprozess (Art 31, 42 B-VG) oder mit einem Vorschlag der BReg iSd Art 67 Abs 1 B-VG vergleichbar – zumeist auch nähere Details über Gegenstand und Reichweite der Vereinbarung enthalten, um dem BMF die Richtung der möglichen Verhandlungen mit einem Drittstaat vorzugeben. Die Frage, die daher neben der Vorschlagsbindung als solche verfassungsrechtlich zu erörtern ist, lautet, ob der BMF vom vorgezeichneten Inhalt ____________________
59 Zum Begriff allgemein Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 (1996) 420 ff; Stolzlechner in Haller ua, FS Winkler (1997) 1161 (1165 ff ); Adamovich/ Funk/Holzinger, Staatsrecht II (1998) Rz 28.001; B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 (2003) Rz 133; Öhlinger, Verfassungsrecht 7 Rz 483 ff; Walter/Mayer/ Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 657. 60 Diese Systematik gleicht in etwa der Genehmigung (Anerkennung) von Religionsgesellschaften nach § 2 AnerkennungsG, die bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 leg cit zwingend mit Rechtsverordnung zu erfolgen hat (vgl VfSlg 11.931/1988; VwSlg 10.833 A/1982; s dazu Gampl/Potz/Schinkele, Staatskirchenrecht [1990] 148 f; die Ablehnung erfolgt mit Bescheid) oder der bescheidmäßigen aufsichtsbehördlichen Genehmigung beschlossener FWP (vgl zB §§ 22 Sbg, 66 Tir ROG; dazu Lienbacher in Bachmann ua, Besonderes Verwaltungsrecht 6 [2006] 351 f ).
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des Abkommens abgehen, gegebenenfalls seine differenzierende Ansicht den zwischenstaatlichen Beratungen über das Übereinkommen zugrunde legen kann oder den Vorschlag zum Teil oder zur Gänze ablehnen darf, etwa, weil seiner Ansicht nach nicht mit einem bestimmten Staat oder zu einem gewissen Thema verhandelt werden soll. In die Betrachtung sind auch die §§ 69a, 77, 77a BWG und § 2 Abs 1 FMABG einzubeziehen, welche die FMA für die Vollziehung der Kooperationsübereinkommen (Wahrnehmung der grenzüberschreitende Zusammenarbeit und des Informationsaustausches mit anderen Aufsichtsbehörden in Fragen des Bankenaufsichtsrechts) für zuständig erklären, nicht aber den BMF. Bei der Erörterung ist auch zu beachten, dass der Abschluss von Kooperationsübereinkommen eine außenpolitische Angelegenheit iSd Art 10 Abs 1 Z 2 B-VG darstellt, die – zumindest dann, wenn der „Kernbereich“ der auswärtigen Angelegenheiten betroffen ist – nach der Rsp des VfGH nicht auf ausgegliederte Rechtsträger übertragen werden darf 61. Welche dieser denkbaren Varianten den Vorzug verdient, soll nach einer eingehenden Prüfung des § 77a BWG am Maßstab der Verfassungsordnung, der Rsp des VfGH und der literarischen Stellungnahmen geklärt werden. 2. Schrifttum und Rsp zu Bindungen oberster Organe Die Bindung eines obersten Organs der Verwaltung an eine Willenserklärung eines anderen Organs wird in der älteren Rsp des VfGH durchwegs als verfassungswidrig erachtet62: Ausgehend von VfSlg 2072/1950 bis vor VfSlg 12.183/1989 hatte der GH solche Bindungskonstellationen relativ undifferenziert als Verstoß gegen die Verfassungsordnung beurteilt63, wobei er eine Verletzung abwechselnd aus verschiedenen Bestimmungen des B-VG (einmal Art 19 Abs 1, dann wiederum 20 Abs 1, oder 69 und 101) ableitete64. In vielen in dieser Zeitspanne ergangenen Erkenntnissen qualifizierte der GH die Bindung oberster Organe an die Willenserklärung einer anderen Stelle, etwa die Antragsbefugnis Dritter auf Erlassung ____________________
61
Vgl VfSlg 16.995/2003. Dazu statt vieler B. Raschauer, Art 19 Abs 1 B-VG Rz 68 ff in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht (ab 1999); Rill, Preisrecht III, ÖZW 1975, 97 (106, 107); Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 657; Stolzlechner, FS Winkler 1167 ff. Vgl ferner Bruckmann, Die Sozialpartner – unsere Gesetzgeber? RdW 1998, 321. 63 Vgl zB Mayer, B-VG 4 (2007) 150; B. Raschauer aaO Art 19 Abs 1 B-VG Rz 68 ff. 64 Im älteren verfassungsrechtlichen Schrifttum stieß diese Rsp-Linie auf keine Ablehnung; vgl zB Walter, Verfassungsrecht 489 FN 96; Adamovich sen, Die Prüfung der Gesetze und Verordnungen durch den österreichischen Verfassungsgerichtshof 188 ff, 260 (letzteres zit nach Stolzlechner, FS Winkler 1174). 62
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eines Verwaltungsakts – insb hinsichtlich Rechtsverordnungen –, als Eingriff in die selbständige Entscheidungsbefugnis des mit der Erlassung des Verwaltungsakts gesetzlich betrauten obersten Verwaltungsorgans oder als unzulässige Einräumung von Mitwirkungsrechten an der oberstbehördlichen Vollziehung65. Erwähnt sei idZ etwa VfSlg 7402/1974, wo der VfGH konstatierte, dass dann, wenn eine oberstbehördliche Entscheidung in der Sache nahezu gänzlich durch ein fremdes Gutachten determiniert wird, dem obersten Organ die selbständige Beurteilung einer Angelegenheit verfassungswidrigerweise entzogen wird. Erst ab VfSlg 12.183/1989 deutete der GH eine Wende in seiner strengen Haltung an, nämlich insofern, als er die Bindung eines obersten Organs an die Antragsbefugnis einer anderen Stelle ausnahmsweise dann für zulässig erachtete, wenn dies der ausschließlichen oder überwiegenden Durchsetzung von Interessen der antragstellenden und betroffenen Stelle dient. So ergibt sich etwa aus VfSlg 14.977/1997, dass Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei, der örtlichen Raumplanung oder die Stellung einer Gemeinde als Trägerin von Privatrechten (Art 116 Abs 2 B-VG) solche Interessen darstellen und als taugliche „Ausnahmekriterien“ bezeichnet werden können. Es kann daher an dieser Stelle festgehalten werden, dass subjektive Rechte in der Rsp des GH Bindungen der hier angesprochenen Art im Ausnahmefall rechtfertigen können66. Bereits vierzehn Jahre zuvor hatte Rill67 in Replik auf K. Korinek68 die grundlegende Ansicht vertreten, dass die durchgängige Annahme, die Antragsbindung oberster Organe bei der Erlassung von Verordnungen sei verfassungswidrig, zu weit gehen würde. Soweit der Antragsteller, wenn ihm ein entsprechendes „verfahrensauslösendes Instrument“ eingeräumt worden sei, dadurch nicht zum „Mitentscheidenden“ bzw zum „Partner“ der staatlichen Behörde gemacht werde, – Rill wählte dafür den bezeichnenden Begriff „zusammengesetztes oberstes Organ“ – würden aus seiner Sicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen derartige Konstellatio____________________
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Vgl zB Kahl/Weber, Allgemeines Verwaltungsrecht (2007) Rz 130. Dies ist im Hinblick auf systematisch ähnlich gelagerte Fälle durchaus konsequent, da etwa die LReg bei Vorliegen der Voraussetzungen die Staatsbürgerschaft zu verleihen (§§ 10, 39 StbG) oder der BMVIT eine neuzubauende Bundesstraße nach Durchführung der UVP zu genehmigen hat (§§ 23a Abs 1, 24 Abs 1, 24h UVP-G). Nicht übersehen wird, dass sich die hier gegebenen Beispiele auf die Erlassung eines Bescheids beziehen, wogegen der VfGH Konstellationen zu beurteilen hatte, die auf die Erlassung einer Verordnung abzielten. Auf verfassungsdogmatischer Ebene erscheint eine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Bindungen nicht sinnvoll zu sein, da es in allen Fällen, wo Bindungen vorgesehen wurden, um die Wahrung von subjektiven Interessen iwS ging. 67 ÖZW 1975, 107. 68 Wirtschaftliche Selbstverwaltung (1970) 193. 66
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nen bestehen, was Rill ua mit der gleichgelagerten Position des Antragstellers im Bescheiderlassungsverfahren rechtfertigte69. Auch im neueren Schrifttum hat die ältere und einschränkende Position des VfGH – soweit ersichtlich – keine Zustimmung erfahren: – Aichlreiter hält Konsultationen, vergleichbar den § 77a BWG oder § 80 Abs 2 BWG70, für zulässig und verfassungsrechtlich für unbedenklich, soweit in ihr keine Beschränkung der Willensbildung des BM gesehen werden kann71. – Thienel hat im Hinblick auf die Bindung eines obersten Organs an Vorfrageentscheidungen iSd § 38 AVG die Ansicht vertreten, der absolute Ansatz des VfGH sei zu relativieren72. – Darüber hinaus hat B. Raschauer im Hinblick auf Antragsbindungen iSd § 39 StbG oder auf die Bindung des BP an Vorschläge der BReg oder des ressortzuständigen BM (Art 67 B-VG) die Judikatur des Gerichtshofs als zu undifferenziert qualifiziert73. – Stolzlechner wiederum konstatiert, dass für die oben umschriebene „Ausnahme“ in der Rsp des VfGH (ab VfSlg 12.183/1989) keine verfassungsrechtliche Begründung erkennbar sei74. Stolzlechner nimmt dann noch weitere, durchwegs überzeugende Differenzierungen vor75. Er geht im Grundsatz von einer verfassungsrechtlich grundgelegten Entscheidungsfreiheit oberster Verwaltungsorgane aus. Soweit es das Verordnungserlassungsverfahren betrifft, ist seiner Ansicht nach unter Heranziehung verfassungssystematischer76 und historischer Gründe77 die Mitwirkung anderer Stellen bei der Entscheidung in der Form der Antragstellung verfassungsrechtlich zulässig. Stolzlechner geht ____________________
69 Auch in Bezug auf Bescheide besteht die „Bindung“ des BM, ein Verwaltungsverfahren erst dann einzuleiten, wenn ihm ein darauf gerichteter Antrag vorliegt (vgl zB Feststellungsanträge nach § 349 Abs 1 GewO). Dass derartige Antragsbindungen verfassungsrechtlich unbedenklich sind, hat ausdrücklich Eingang in die Rsp des VfGH gefunden. Vgl zB VfSlg 17.101/2004 im Hinblick auf § 21 Abs 14 UG 2002, wonach Mitglieder des Universitätsrats durch Bescheid eines obersten Organs abzuberufen sind, wenn ein Antrag bestimmter universitärer Organe vorliegt. 70 Hier ist im Verordnungserlassungsverfahren jedenfalls die OeNB vor Erlassung der VO anzuhören. 71 Aichlreiter, Verordnungsrecht I (1988) 718. 72 Thienel, Mehrstufiger Verwaltungsakt (1996) 190, 192. 73 Vgl B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 1 (1998) Rz 133 FN 221; ders, Art 19 Abs 1 B-VG Rz 89 in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht. 74 Stolzlechner, FS Winkler 1169. 75 AaO 1172 ff. Vgl auch B. Raschauer, Art 19 Abs 1 B-VG Rz 88 in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht. 76 Wobei er insb eine Analogie zum Bescheidverfahren vornimmt. 77 Bereits vor Inkrafttreten des B-VG waren mehrere Fälle historischer Antragsbindungen im hier interessierenden Sinn geläufig.
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darüber hinaus davon aus, dass sich die vom einfachen Gesetzgeber vorgesehene Bindung, soweit sachlich und angemessen78, sowohl auf die Frage der Erlassung als auch auf den Inhalt des Rechtsakts erstrecken kann und insofern durch den Antrag der mitwirkenden Stelle determiniert wird. 3. Beurteilung im Licht der einschlägigen Rsp des VfGH und des Schrifttums Einleitend wurde die These vertreten, dass der Vorschlag des § 77a BWG bei allgemeiner Betrachtung auf zwei verschiedenen Ebenen zu untersuchen ist. Zunächst ist die Bindung des BMF an ein verfahrensauslösendes Instrument – einen Vorschlag – näher zu untersuchen. Erst danach ist zu fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen der BMF vom Vorschlag der FMA und der OeNB abgehen kann. Bei der Auslegung des § 77a BWG im Licht der stRsp des VfGH zur Rechtsstellung oberster Organe soll zunächst Ebene eins getrennt von den anderen Konstellationen beurteilt werden: Ist es verfassungsrechtlich zulässig, die formelle Vollziehungstätigkeit des BMF, soweit sie von § 77a BWG determiniert ist, von einem Vorschlag einer anderen Verwaltungsbehörde abhängig zu machen? Was den formalen Aspekt betrifft, lässt § 77a Abs 1 BWG bei wörtlicher, systematischer und teleologischer Interpretation zunächst den Schluss zu, dass die derzeitig maßgebliche Rechtslage verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt und daher prima vista nicht verfassungskonform ausgelegt werden kann79. Zunächst ist ins Treffen zu führen, dass der Vorschlag iSd § 77a BWG regelmäßig auf den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung abzielt und damit die weitere Optimierung der gemeinschaftsrechtlich bereits in weiten Zügen vorgezeichneten grenzüberschreitenden Aufsicht und daran anknüpfend die Verbesserung und Vereinfachung des transnationalen Informationsaustauschs sichergestellt werden soll. Dadurch, dass (auch) die nationale Aufsichtsbehörde – und aus nationaler Sicht nur sie – durch eine entsprechende Zusammenarbeit „profitiert“, werden gleichzeitig bestimmte öffentliche Interessen (Wahrung der Stabilität des Finanzmarkts ua, vgl §§ 69, 77 BWG iVm § 2 Abs 1 und § 3 Abs 2 FMABG), welche die FMA als ausschließlich zuständige Bankenaufsichtsbehörde wahrzunehmen hat, gefördert. ____________________
78 Dies liegt seiner Ansicht nach dann vor, wenn eine spezifische Betroffenheit Einzelner in rechtlich grundgelegten Interessen vorliegt. 79 Der grundsätzlich Versuch einer verfassungskonformen Interpretation ist zulässig, da die einschlägigen Gesetzesmaterialien auf keinen bestimmten Willen des Gesetzgebers schließen lassen (vgl Öhlinger, Verfassungsrecht 7 [2007] Rz 37; zum Ganzen eingehend Khakzadeh, ZÖR 2006, 201 [205 f ]). Ob ihr auch Erfolg beschieden ist, wird nachfolgend zu klären sein.
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Trotzdem erscheint die Bindung, die der einfache Gesetzgeber vor solch einem Hintergrund vorsieht, im Licht der jüngeren Rsp des VfGH durchwegs problematisch zu sein80: Soweit nämlich der VfGH über die Verfassungskonformität bestimmter Ausnahmekonstellationen im hier angesprochenen Sinn zu befinden hatte, ging es zum einen um Aufgaben der örtlichen Raumordnung oder der örtlichen Baupolizei, also Verwaltungsmaterien, die einem Selbstverwaltungskörper zur ausschließlichen Vollziehung zugewiesen sind (vgl Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG). Zum anderen hatte der VfGH in VfSlg 14.977/1997 die Stellung der Gemeinde als Trägerin von Privatrechten (Art 116 Abs 2 B-VG) zu beurteilen. Dass der GH in diesen Konstellationen die Bindung einer LReg an einen Antrag einer Gemeinde bei Erlassung einer VO als verfassungskonform erachtete, lag an ausschließlichen Gemeindeinteressen, daher an besonderen subjektiven Rechten, welche die Bindung im Einzelfall rechtfertigten (VfSlg 14.977/1997; anders VfSlg 12.183/1989 im Hinblick auf überörtliche Interessen81). Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei Betrachtung der gängigen Verwaltungspraxis. Hier zeigt sich, gleich ob es um Bindungen hinsichtlich der Erlassung einer Verordnung oder eines Bescheids geht, dass Antragsbindungen prinzipiell der Wahrung subjektiver Interessen bestimmter Personen dienen82: – Beispielsweise, wenn der BMUK einen Antrag auf Anerkennung einer Religionsgesellschaft bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 AnerkennungsG mit Verordnung zu „genehmigen“ hat (§ 2 leg cit)83 und diesfalls der Religionsgesellschaft (ihren Anhängern) ein Rechtsanspruch und damit ein subjektives Recht auf Anerkennung zukommt. – Oder, wenn die LReg einen FWP-Entwurf einer Gemeinde zur Wahrung ihrer subjektiven Rechte (vgl Art 116 Abs 2 B-VG) bescheidmäßig zu genehmigen hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl zB § 22 Sbg ROG). – Gleiches gilt für Anträge auf Genehmigung einer Betriebsanlage (§ 353 GewO), eines zu errichtenden Bauwerks (zB § 23 Abs 1 Nö BauO) oder auf Verleihung der Staatsbürgerschaft (§ 19 StbG). ____________________
80
Vgl nochmals VfSlg 12.183/1989, 14.977/1997. In VfSlg 12.183/1989 war es das überörtliche Interesse an der Beseitigung von Mülldeponien, maW das fehlende Ausschließlichkeitskriterium, das nach Ansicht des VfGH gegen die Verfassungskonformität der Bindungskonstellation sprach. 82 ZB Thienel, Verwaltungsverfahren 4 (2006) 145, Walter/Mayer, Verwaltungsverfahren 8 (2003) Rz 265 im Hinblick auf das Bescheiderlassungsverfahren. 83 Auch hier besteht eine vergleichbare Bindung insofern, als die bei Vorliegen der Voraussetzungen verpflichtende Erlassung der Verordnung der Wahrung ausschließlicher subjektiver Rechte der Religionsgemeinschaft und ihrer Anhänger dient (vgl zB VfSlg 11.931/ 1988). 81
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§ 77a BWG und die bisher geschilderten Sachverhaltskonstellationen sind wesensmäßig nicht vergleichbar, da im vorliegenden Zusammenhang das „Ausschließlichkeitskriterium“ bzw ein besonderes rechtliches Interesse als Bezugspunkt fehlt. Der Vorschlag des § 77a BWG dient „nur“ dazu, den konkreten bankenaufsichtsrechtlichen Zuständigkeitsrahmen, dh Aufgabenfelder der FMA zu präzisieren. Subjektive Rechte oder vergleichbare spezielle, zumeist subjektive Interessen, die etwa mit der Stellung einer Gemeinde verknüpft sind, werden durch das BWG nicht begründet oder verfolgt. Insofern müsste man daher folgern, dass für die in § 77a Abs 1 BWG normierte Bindungskonstellation keine vergleichbare sachliche Rechtfertigung besteht. Nun könnte man in formaler Hinsicht argumentieren, dass einem Antrag und einem Vorschlag bei wörtlicher und teleologischer Auslegung nicht dieselbe Bedeutung zukommt. Zwar dienen beide Instrumente der Initiierung eines Verfahrens (etwa zur Verordnungserlassung oder zum Abschluss eines Übereinkommens). Der Unterschied liegt dabei im Detail: Während ein Antrag meistens den Gegenstand eines Verfahrens („die Sache“ bzw den Prozessgegenstand) absteckt, im Rahmen dessen die Behörde zu entscheiden (vgl §§ 13, 59 Abs 1 AVG) und den sie fristgerecht zu erledigen hat, nicht aber auch überschreiten darf 84, berechtigt ein Vorschlag bei wörtlicher Auslegung, von der Anregung (auch zum Teil) abzugehen oder sie gänzlich abzulehnen. Wenn aber strenge Antragsbindungen, mit denen zumeist ein Erledigungsanspruch (Erlassung einer VO bei Vorliegen der Voraussetzungen) verknüpft ist, nach Ansicht des VfGH in bestimmten Sachverhaltskonstellation zulässig sind, dann könnte das auch bei weniger strengen Konstellationen gelten, in denen offensichtlich kein vergleichbarer Erledigungsanspruch und keine derart strenge Bindung besteht. Dann könnten aber auch, argumentierte man weiter, die besonderen Ausnahmekriterien, die eine Bindung ausnahmsweise rechtfertigen, zumindest zu einem bestimmten Teil entbehrlich sein. Doch diese Auslegungsvariante ist mit der besonderen Stellung der obersten Organe nicht vereinbar. Der VfGH will nach seiner Auffassung zu erkennen geben, dass Beschränkungen der von ihm angenommenen Entscheidungsfreiheit und umfassenden Leitungs- und Steuerungsgewalt eines obersten Organs (Art 19 Abs 1, 20 Abs 1, 77 Abs 1 bzw 101 B-VG), gleichgültig welcher Art, nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind, nämlich dann, wenn damit die Ausübung subjektiver Rechte oder die Wahrung spezieller Interessen ermöglicht oder begünstigt werden soll. ____________________
84 S statt vieler Thienel, Verwaltungsverfahren 4 105; Hengstschläger, Verwaltungsverfahren 3 (2005) Rz 116.
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Soweit diese Voraussetzung im Einzelfall nicht erfüllt ist, darf in die Entscheidungsfreiheit des obersten Organs nicht eingegriffen werden. Im Licht dieser These – Zulässigkeit der Ausnahme nur in speziellen Fällen – können sowohl die (einfachgesetzlich geregelte) Bindung an Vorfrageentscheidungen anderer Behörden (§ 38 AVG) unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit der Einheitlichkeit der Auslegung der Rechtsordnung gerechtfertigt werden als auch die Bindung des BMWF an den (einheitlichen) Antrag bestimmter Universitätsorgane (§ 21 Z 14 UG 2002) mit der Wahrung der Funktions- und Steuerungsfähigkeit der Autonomie der Universitäten als Selbstverwaltungskörper85. Ebenso kann für die Bindung der LReg an einen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft bei Vorliegen der Voraussetzungen das dahinterstehende subjektive Recht und der besondere, mit der Staatsbürgerschaft verknüpfte rechtliche Status als Rechtfertigung herangezogen werden86. Vergleichbare Argumente sind im Hinblick auf § 77a Abs 1 BWG nicht ersichtlich. Dann ist weiters zu bedenken, dass für die hier interessierende Bindung (§ 77a Abs 1 BWG) auch keine mit Art 67 B-VG vergleichbare – auf Verfassungsebene stehende – Ausnahmeregelung zur prinzipiellen Entscheidungsfreiheit der obersten Organe existiert. Art 67 Abs 1 B-VG beschränkt die Kompetenz des BP und macht die Ausübung seines Amts weitgehend von Vorschlägen der BReg abhängig. Der BP hat de facto zwei Entscheidungsmöglichkeiten, er kann den Vorschlag ablehnen oder annehmen. Eine selbständige inhaltliche Gestaltungskompetenz besteht grundsätzlich nicht87. Eine vergleichbare Ausnahmekonstellation ist im BWG verständlicherweise nicht enthalten. Auch in amtshaftungsrechtlicher Sicht kann eine zu strikte Auslegung der Reichweite der Bindung des BMF an den Vorschlag der FMA und der OeNB nicht gänzlich überzeugen. Wenn nämlich nach Art 23 Abs 1 B-VG iVm § 3 Abs 1 FMABG der Bund für Schäden zu haften hat, die aus der Vollziehung des Finanzmarktrechts durch die FMA (§ 69 BWG) resultieren, erscheint es konsequent, dem Bund – konkret dem BMF –, ungeachtet der Art 19, 20 und 77 B-VG, ein möglichst umfassendes Gestaltungsrecht (iSv prinzipieller Entscheidungsfreiheit) hinsichtlich Kooperationsvereinbarungen zukommen zu lassen. Letztlich gilt dieselbe Überle____________________
85 Ohne Begründung VfSlg 17.101/2004. Vgl aber Sebök, UG 2 (2003) 89, die auf die besondere Bedeutung des Universitätsrats in der Praxis (Steuerungsorgan der Universität) abstellt. 86 Dies gilt dann auch für Bau- und Betriebsanlagengenehmigungen. 87 So zB Mayer, B-VG4 277. Verfassungsgesetzlich vorgesehene Ausnahmen zur Art 67 Abs 1 B-VG ergeben sich etwa aus Art 47 Abs 1 B-VG (Beurkundung des Gesetzesbeschlusses des NR) oder aus Art 70 Abs 1 B-VG (Ernennung des BK).
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gung auch im Hinblick auf die rechtliche und politische Verantwortlichkeit des BMF (Art 74 und 76 B-VG). Schlussendlich ist zu beachten, dass die Verfassung zu erkennen gibt, dass die Beratung und der Abschluss eines Staatsvertrags als besonders sensibler Bereich anzusehen ist88 und aus diesem Grund nur bestimmten, in der Verfassung ausdrücklich genannten Organen vorbehalten bleibt. Legt man die vom VfGH in VfSlg 16.400/2001 und 16.995/2003 entwickelte Maxime der „ausgliederungsfesten staatlichen Kernaufgaben“, zu denen auch die außenpolitischen Beziehungen zu anderen Staaten zu zählen sind, der hier interessierenden Konstellation zu Grunde, so scheint eine Übertragung nur „vereinzelter Aufgaben“ auf andere Stellen nicht zulässig zu sein89. Zu denken ist dabei ua an das Vorschlagsrecht und die Beratung des Vertragsgegenstands. Das bedeutet, dass die Annahme einer formellen Vorschlagsbindung (iSv „Tätigwerden erst auf Vorschlag“) verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Damit sprechen zentrale Argumente gegen die Zulässigkeit der strikten formalen Bindung des BMF an einen in weiten Teilen bereits ausgehandelten und erarbeiteten Vorschlag der FMA. Mangels eines besonderen zu wahrenden Interesses kann die Auffassung, dass der BMF nach eingehender Prüfung der Voraussetzungen verpflichtet wäre, die Absichtserklärung der FMA und der OeNB zu genehmigen und den Staatsvertrag zu unterzeichnen, nicht aufrecht erhalten werden. Damit erübrigt sich es aber zunächst, auf die Frage einzugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen der BMF vom Vorschlag der FMA abgehen kann. 4. Abweichende Beurteilung als eigene Stellungnahme Versucht man, die im Lichte der Rsp des VfGH entwickelte Ansicht zu entkräften, können unter Heranziehung des einschlägigen Schrifttums drei zentrale Kritikpunkte an der zuvor dargestellten Auffassung festgemacht werden. a) Die Kompetenz zur Ausgestaltung der obersten Organaufgaben Lässt man Art 67 B-VG und vergleichbare, auf Verfassungsebene bestehende Sonderregelungen außer Betracht, kann aus der geltenden Verfas____________________
88 Der VfGH bezeichnet die außenpolitischen Beziehungen zu anderen Staaten als (ausgliederungsfestes) „Kerngebiet“ der Verfassung (VfSlg 16.995/2003). Der Abschluss von Staatsverträgen gehört gemäß Art 10 Abs 1 Z 2 B-VG zu den außenpolitischen Beziehungen der Republik; vgl noch unten C.2. 89 So auch die hA, s zB Holoubek, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Konsequenzen von Ausgliederungen, Privatisierungen und Beleihungen, ÖZW 2000, 33; KucskoStadlmayer, 15. ÖJT I/1 (2003) 85 f mwN; Pabel, Verfassungsrechtliche Grenzen der Ausgliederung, JRP 2005, 221 (227).
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sungsordnung kaum ein Anhaltspunkt gewonnen werden, der die Ansicht des VfGH trägt, dass bestimmte Interessen und subjektive Rechte eine Bindung eines obersten Organs an eine Willensäußerung Dritter ausnahmsweise rechtfertigen würde90. Aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Bundesverfassung ergibt sich zunächst der Grundsatz, dass dann, wenn der einfache Gesetzgeber einen individualisierbaren Anspruch eingeräumt hat oder eine solche Position aus Grundrechten ableitbar ist, diese zumindest im Weg eines Normprüfungsverfahrens vor dem VfGH durchsetzbar sein muss91. In diesem Lichte ist davon auszugehen, dass es grundsätzlich Sache des einfachen Gesetzgebers ist, gestützt auf bestimmte Sachkompetenzen iSd Art 10-15 B-VG und, was die Festlegung der behördlichen Vollziehungszuständigkeit anbelangt, auf die damit jeweils verknüpfte Adhäsionskompetenz92, die für den Vollziehung einer Materie sachlich und örtlich zuständige Behörde zu bestimmen und ihren Aufgabenkreis festzulegen93. Insofern obliegt es ihm, die Zuständigkeit eines obersten Organs für die Erlassung eines Rechtsaktes zu begründen, zu beschränken oder abzuändern. Er ist daher mE durchaus auch berechtigt, den näheren Verfahrensgang, gleich ob in Bezug auf den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung, den Bescheiderlass oder die Erlassung einer VO, von einer Reihe von Voraussetzungen abhängig zu machen und gegebenenfalls auch inhaltliche Vorgaben festzulegen94, die bei der Erlassung des Rechtsakts zu berücksichtigen sind. Er kann daher die Zuständigkeit eines obersten Organs in____________________
90 Vgl zuletzt Wessely, Parteistellung (Habil Uni Wien 2006) 63 ff: Der einfache Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Interessen bestimmter Personen, die aus Grundrechten erfließen, zum Gegenstand eines individualisierten Genehmigungsverfahrens zu machen und damit verknüpft das Recht auf Antragseinbringung und Entscheidung einzuräumen. Vgl darüber hinaus Stolzlechner (FS Winkler 1169) und die von ihm zu VfSlg 12.183/1989 geäußerte Kritik. 91 IdS auch B. Raschauer, Anlagenrecht und Nachbarschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht, ZfV 1999, 506 (508); ders, Art 19 Abs 1 B-VG Rz 103 in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht; N. Raschauer, Vereinfachtes Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, RdU 2005, 102 (105); Wessely, Parteistellung 70. So auch Berka, Verfassungsrecht (2005) Rz 185, 195; Öhlinger, Verfassungsrecht 7 Rz 74, 83; VfSlg 11.196/1986. 92 Während die Kreation einzelner Behörden unter Art 10 Abs 1 Z 16 bzw Art 15 Abs 1 B-VG fällt, ist die Begründung und Abänderung der Zuständigkeit einzelner Behörden grundsätzlich der Adhäsionskompetenz des Materiengesetzgebers zuzurechnen (vgl statt vieler N. Raschauer/Wessely, VStG AT [2005] 23; Walter, Verfassungsrecht 194). IdS auch Art 94 des „Fiedlerschen Verfassungsentwurfs“ (http://www.konvent.gv.at/pls/portal/ docs/page/K/DE/ENDB-K/ENDB-K_00001/imf-name_036118.pdf, 12.01.2008). 93 Anknüpfungspunkte zu Art 11 Abs 2 B-VG sollen hier nicht näher erörtert werden. 94 Vgl etwa § 359b Abs 2 GewO, durch den der BMWA verpflichtet wird, bestimmte Betriebsanlagen aufgrund ausdrücklich im Gesetz genannter Kriterien in einer Verordnung festzulegen, die dann im vereinfachten Verfahren zu behandeln sind. In diese Kategorie fällt auch die Judikatur des VfGH, wonach auch ohne gesetzliche Grundlage Feststellungsbescheide jedenfalls dann zu erlassen sind, wenn dies zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist (zB VfSlg 16.979/2003).
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sofern (auch) „bedingt“ ausgestalten, nämlich dahingehend, dass die Zuständigkeit wie im vorliegenden Fall von einer vorgeschalteten Amtshandlung einer anderen Stelle (Antrag und dgl) abhängig ist95. Die gegenteilige Ansicht hätte nämlich zur Folge, dass sonstige auf einfachgesetzlicher Ebene bestehende Antragsbindungen als durchwegs verfassungswidrig angesehen werden müssten96. b) Die Entscheidungsfreiheit eines obersten Organs Zum anderen muss hinterfragt werden, woraus sich die vom VfGH durchgehend postulierte Entscheidungsfreiheit eines obersten Organs verfassungsdogmatisch betrachtet ergeben soll. Soweit der Gerichtshof in älteren Entscheidungen auf Art 20 Abs 1 B-VG Bezug nimmt, kann daraus nur ein zentraler Organisationsgrundsatz der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung abgeleitet werden: Oberste Organe sind den ihnen nach geordneten Ämtern (vgl im Hinblick auf BM Art 77 Abs 1 B-VG) gegenüber weisungsbefugt, soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes angeordnet ist (vgl zB § 1 Abs 1 FMABG), nicht aber auch umgekehrt der Weisungskompetenz eines anderen Organs unterworfen97. Ihnen kommt insofern umfassende „Steuer-“ oder „Leitungsgewalt“ zu. Daraus kann aber (noch) nicht ohne Weiteres auch auf eine selbständige, mithin uneingeschränkte Entscheidungskompetenz eines BM geschlossen werden. Wie ich meine, ist die Entscheidungsfreiheit eines BM für sich alleine betrachtet auch keine Konsequenz des Art 19 Abs 1 B-VG, der bestimmte Organe als „oberste“ bezeichnet98. Eine Annäherung gelingt jedoch bei Heranziehung der Art 69 Abs 1 und 77 Abs 1 B-VG, aus denen abgeleitet werden kann, dass BM als oberste Organe der Bundesverwaltung mit der Führung bestimmter oberster Verwaltungsgeschäfte des Bundes betraut sind, nämlich derjenigen, die ihnen einfachgesetzlich zugewiesen sind (vgl die entsprechende Anknüpfung in Art 77 Abs 2 B-VG)99. Verwiesen sei darauf, dass es nach hA keine ____________________
95 IdS schon Rill, ÖZW 1975, 107. Vgl auch B. Raschauer, Art 19 Abs 1 B-VG Rz 98 ff in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht. 96 Dass Art 67 Abs 1 B-VG eine weitere Form der Bindung eines obersten Organs, nämlich des BP an Vorschläge bestimmter Stellen kennt, wird nicht übersehen. Dabei handelt es sich freilich um eine verfassungsgesetzlich vorgesehene Sonderregel, mit der die Ausübung der Kompetenzen des BP „beschränkt“ wird. 97 So statt vieler Mayer, B-VG4 150; B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 357, 363. Vgl auch VfSlg 17.101/2004. 98 So schon B. Raschauer, Art 19 Abs 1 B-VG Rz 6, 98 in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht. 99 Als „Geschäfte“ bezeichnet das B-VG durchgehend (zB Art 30, 104, 87, 117 Abs 7, 129b) jene Funktionen und Angelegenheiten, die von einer bestimmten Organisationseinheit wahrgenommen werden sollen oder dürfen. „Geschäfte der Bundesverwaltung“ sind nach B. Raschauer (Art 77 Rz 3 B-VG in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht)
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verfassungsunmittelbaren Zuständigkeiten eines BM als oberstes Organ gibt100, lässt man Art 77 Abs 3 B-VG und Art 78a Abs 1 B-VG außer Betracht101. § 2 Abs 2 und Abs 3 BMG präzisiert die hier interessierende Wortfolge „oberstes Verwaltungsgeschäft“ nun dahingehend, dass darunter Regierungsakte, Angelegenheiten der behördlichen Verwaltung oder der Verwaltung des Bundes als Träger von Privatrechten zu verstehen sind. Der VfGH hat diesen verfassungsgesetzlichen Vollziehungsauftrag dahingehend verstanden, dass der BM seine Entscheidungskompetenz selbständig auszuüben hat102. Dies ist nach Antoniolli/Koja dann gegeben, wenn der BM frei von äußerem Einfluss bzw ohne einfach-gesetzliche Beschränkungen vorgehen kann103. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich folgendes Zwischenergebnis: Wenn es idR keine verfassungsunmittelbare Zuständigkeit eines BM gibt, obliegt es dem einfachen Gesetzgeber, den Aufgabenkreis des einzelnen BM näher auszugestalten (Art 77 Abs 2 B-VG). Insofern ist die Reichweite der selbständigen Entscheidungskompetenz mit der Gesetzgebungstätigkeit des NR funktionell verknüpft und durch letztere materiell beschränkt, was sich schlussendlich auch als Folge des Legalitätsprinzips des Art 18 Abs 1 B-VG verstehen lässt, wonach die gesamte Verwaltung – also auch die Vollziehung der obersten Geschäfte der Bundesverwaltung – nur „aufgrund der Gesetze“ ausgeübt werden darf. Es zeigt sich, dass die selbständige Entscheidungsgewalt eines BM eine bloß relative ist. Er hat insofern die Rahmenbedingungen zu beachten, die sich aus den von ihm zur Vollziehung zugewiesenen Gesetzen (und dazu erlassenen Durchführungsverordnungen) ergeben. Er muss nach hier vertretener Auffassung nicht bloß formale Bindungsregelungen beachten, sondern kann gegebenenfalls auch durch bestimmte inhaltliche Vorgaben bei der Erlassung eines Rechtsakts beschränkt werden. Insofern können auch jene öffentlichen Interessen zu ____________________
sowohl jene Aufgaben, die Dienststellen des Bundes durch Gesetz oder durch (unmittelbar anwendbare) gemeinschaftsrechtliche Vorschriften übertragen sind als auch jene Agenden (zB nach Art 104 B-VG), die von Dienststellen des Bundes sonst zulässigerweise verfolgt werden. 100 VfSlg 4648/1964; B. Raschauer, Art 77 Rz 6 B-VG in Korinek/Holoubek, BundesVerfassungsrecht; Mayer, B-VG 4 289. 101 Art 77 Abs 3 B-VG weist dem (vom BP zu ernennenden) BK die Leitung des BKA zu; Art 78a Abs 1 B-VG wiederum definiert den BMI als oberste Sicherheitsbehörde des Bundes. Diese Ansicht bedingt freilich, dass daraus bereits eine Aufgabenzuweisung abgeleitet werden kann. Es liegt wohl näher, davon auszugehen, dass die von diesen Stellen zu vollziehenden „Aufgaben“ wiederum durch den einfachen Bundesgesetzgeber zu konkretisieren sind. 102 So etwa VfSlg 2418/1952. Ähnlich auch Adamovich sen (Verfassungsrecht 4 177), der ausführt, dass jedes einzelne Mitglied der BReg zur selbständigen Leitung des ihm übertragenen Aufgabenkreises (seines „Ressorts“) berechtigt ist. 103 Allgemeines Verwaltungsrecht 3 422.
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berücksichtigen sein, zu deren Wahrung ein bestimmter Rechtsakt erlassen werden soll. Daraus ergibt sich, dass sich die Frage der selbständigen Entscheidungskompetenz eines obersten Organs nur dann stellen kann, wenn man zuvor die im Einzelfall maßgeblichen gesetzlichen Rahmenbedingungen der Vollziehung definiert hat. Nur innerhalb dieser Schranken kann dann eine besondere Stellung der obersten Organe angenommen werden, wobei sich diese nach hier vertretener Auffassung (in Bezug auf BM) aus einer systematisch-funktionellen und teleologischen Zusammenschau der Art 20 Abs 1 iVm den Art 69, 74 Abs 1, 76 Abs 1, 77 Abs 1 iVm 102 und 142 B-VG ableiten lässt. – Zunächst zeigt sich, dass das B-VG einem BM eine besondere „bestandsfeste“ Rolle im Vergleich zu sonstigen weisungsgebundenen Verwaltungsorganen zugedacht hat. Seine Entscheidungstätigkeit, sofern sie in einem Materiengesetz vorgesehen ist, kann durch Weisungen Dritter nicht beeinflusst werden (Umkehrschluss aus Art 20 Abs 1 B-VG). Dass sein Verhalten bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Amtshaftungsansprüche gegen den Bund begründen kann, ist gegebenenfalls verfassungsgesetzliche Konsequenz seiner Amtstätigkeit (Art 23 Abs 1 B-VG), aber (noch) keine Besonderheit im Vergleich zu anderen Verwaltungsorganen. – Darüber hinaus ist der BM mit der Leitung eines einfach-gesetzlich näher ausgestalteten Ressorts (Ministeriums) und dessen nachgeordneter Dienststellen betraut (Art 77 Abs 1 B-VG). Aus Art 20 Abs 1 B-VG folgt, dass dem BM grundsätzlich umfassende Steuergewalt über dieses Ressort eingeräumt ist. – Die besondere Stellung eines BM zeigt sich auch daran, dass die Verfassung eine andere Form der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit für die Tätigkeit der BM vorsieht. Während das „normale“ Verwaltungsorgan an Weisungen seiner unmittelbaren (zuständigen) Vorgesetzten gebunden ist und der strafrechtlichen Verantwortung nach den §§ 302 ff StGB – zu vollziehen durch das zuständige LG – unterliegt, wird die mangelnde Einflussmöglichkeit auf Ebene der BM durch ein besonderes „Kontrollsystem“ ausgeglichen. Ungeachtet sonstiger Kontrollinstrumente kann der NR durch Misstrauensvotum (Art 74 Abs 1 B-VG) die politische Verantwortlichkeit des BM für seine Amtsführung und jene der ihm unterstellten Dienststellen geltend machen, wenn und soweit die Art der Amtsführung des BM kein Vertrauen (mehr) genießt104. Darüber hinaus kann der NR BM hinsichtlich rechts____________________
104 Vgl dazu im Detail Kneihs/Lienbacher, Art 74 B-VG Rz 2 ff in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht; Lienbacher in Arnold ua (Hrsg), FS Wimmer (2008) 319 ff.
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widriger und schuldhafter Rechtsverstöße beim VfGH anklagen (Art 76 Abs 1 iVm Art 142 B-VG) und insofern dessen rechtliche Verantwortlichkeit geltend machen105. Folge dieser besonderen Kontrolle ist gegebenenfalls die Amtsenthebung durch den BP im einen Fall (Art 74 Abs 1 B-VG)106 oder der automatischen Verlust des Amts (Art 142 Abs 4 B-VG)107 durch Ausspruch des VfGH im anderen Fall108, der dabei auch (anstelle der LG) bestimmte strafrechtliche Taten verfolgen kann, die mit der Amtsführung des BM in Verbindung stehen (Art 143 B-VG). Aus dem Gesagten kann abgeleitet werden, dass einem BM kraft geltendem Verfassungsrecht eine exklusive Stellung zukommt: BM sind Gesetz und NR, nicht aber auch sonstigen Stellen gegenüber für ihre Amtsführung (und die der ihnen nachgeordneten Dienststellen) verantwortlich. Diese exklusive Stellung des BM, soweit er mit der Führung bestimmter Geschäfte der Bundesverwaltung betraut ist, bedingt dann aus teleologischer Sicht, dass diese Organe innerhalb der vom einfachen Gesetzgeber festgesetzten Schranken selbständig und frei von sonstigen inhaltlichen Bindungen entscheiden können. Etwa dahingehend, wie sie ihr Ressort steuern und auf welche Weise sie die ihnen zugewiesenen Amtsgeschäfte erledigen. Es wäre daher unter Beachtung der vom einfachen Gesetzgeber festgesetzten Rahmenbedingungen mit dem System der Kontrolle durch den NR nicht vereinbar, wenn ein BM für etwas einstehen müsste, was nicht seiner selbständigen Entscheidungsgewalt und seiner umfassenden Steuerung unterliegt („Ingerenzprinzip“). Anders gewendet heißt das: Bestehen gesetzliche Vorgaben, ist die Entscheidungsfreiheit des BM formell und materiell beschränkt. Außerhalb davon ist daher notwendigerweise von der selbständigen Entscheidungs- und Steuerungsgewalt des BM auszugehen, soweit ihm eine bestimmte Angelegenheit zur Vollziehung zugewiesen ist. Dieses „Prinzipiendenken“ findet sich schon in anderem Zusammenhang im Bereich der Ausgliederungsjudikatur des VfGH (insb VfSlg 14.473/1996, 16.400/2001): Bei systematischer Interpretation der zentralen Aussagen des GH ergibt sich, dass bei Ausgliederungen aus der staat____________________
105 Vgl dazu eingehend Kneihs/Lienbacher, Art 76 B-VG in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht, die von „rechtlich-politischer Verantwortlichkeit“ des BM sprechen (Rz 4), und K. Korinek, Ministerverantwortlichkeit (1986) 12 ff. 106 Voraussetzung ist, dass die Mehrheit des NR – unabhängig von sonstigen rechtlichen Gründen – das Vertrauen in die Amtsführung des BM verloren hat (idS Mayer, B-VG 4 286). 107 Voraussetzung ist diesfalls, dass der BM rechtswidrig und schuldhaft gegen die Rechtsordnung verstoßen hat. 108 In der Judikatur des VfGH konnte kein Fall nachgewiesen werden, in denen es bis dato tatsächlich zu einer Anklageerhebung gegen einem BM gekommen ist; die bisherigen Fälle betrafen allesamt Verfahren gegen LH (VfSlg 8/1921, 206/1923, 10.510/1985).
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lichen Verwaltung wirksame Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten zugunsten des ressortzuständigen obersten Organs vorzusehen sind, was wiederum vor dem Hintergrund des Grundsatzes der parlamentarischen Verantwortlichkeit der obersten Organe zu sehen ist109. Freilich muss dieser Einfluss nicht immer durch die Einräumung des Weisungsrechts sichergestellt werden. Der VfGH dürfte auch sonstige Einflussmöglichkeiten und damit eine faktische Beschränkung der umfassenden Steuer- und Leitungsgewalt eines obersten Organs akzeptieren, soweit den verbleibenden Kontrollmöglichkeiten ein Mindestmaß an Wirksamkeit zukommt. Dieses Prinzip kann dem Grunde nach auch auf die hier interessierende Konstellation übertragen werden. Als Zwischenresümee kann daher festgehalten werden, dass nach hier vertretener Auffassung Bindungskonstellationen, wie sie in § 77a BWG vorgesehen sind, dann zulässig sind, wenn man dem einfachen Gesetzgeber im Hinblick auf Art 77 Abs 2 B-VG das Recht zugesteht, die Aufgaben der obersten Organe der Bundesverwaltung zu definieren (iSv materiell auszugestalten), zu beschränken und – hinsichtlich der Verfahrenseinleitung – auch von Bindungen an Willenserklärungen anderer Stellen abhängig zu machen. Letztes wohl nur insoweit, als dies der Wahrnehmung besonderer subjektiver Interessen dient und die antragseinbringende Stelle dabei an der Entscheidung des obersten Organs nicht mitwirkt. Daraus folgt, dass der einfache Gesetzgeber die besondere verfassungsrechtliche Stellung der obersten Organe zu beachten hat. Die Entscheidungsfreiheit dieser Organe ist zwar grundsätzlich zu bejahen, allerdings nur innerhalb der vom einfachen Gesetzgeber definierten Rahmenbedingungen. Eine Abwägung zwischen subjektiven Interessen, die eine Ausnahme von der Entscheidungsfreiheit der obersten Organe rechtfertigt, ist vor diesem Hintergrund verfassungsgesetzlich nicht geboten, sondern kann allenfalls die Beschränkung der Kompetenzen der obersten Organe als zusätzliches sachliches Argument rechtfertigen. c) Kooperationsvereinbarungen als staatliche Kernaufgabe Schlussendlich ist der Frage nachzugehen, ob die Zurechnung des Abschlusses von Kooperationsübereinkommen zwischen einzelnen Aufsichtsbehörden zu den ausgliederungsfesten Kernaufgaben des Staats wirklich gerechtfertigt ist. Der VfGH war bisher110 (soweit ersichtlich) nur einmal dazu aufgerufen, sich mit der Frage der Übertragung von außenpolitisch ____________________
109 So die stRsp des VfGH, zB 14.473/1996, 16.400/2001. Vgl dazu insb KucskoStadlmayer, 15. ÖJT I/1 67 ff, 81 f. Vgl auch jüngst den Endbericht des Konvents, der diesen Grundsatz bekräftigt hat (1/ENDB-K 22. GP NR 175). 110 VfSlg 16.995/2003.
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bzw völkerrechtlich bedeutsamen Aufgaben auf dezentrale Rechtsträger auseinanderzusetzen. Im bereits zitierten Erk VfSlg 16.995/2003 ging es um Frage der Zulässigkeit der Einräumung einer Verordnungsermächtigung an die E-Control GmbH betreffend Stromlieferungsverträge bei Strombezug aus Drittstaaten. Im Ergebnis bewirkte die Verordnungsgestaltung durch die E-Control die Einfuhrsperre für elektrische Energie aus anderen Staaten. Der VfGH folgerte, dass völkerrechtliche Maßnahmen (wie Stromimportverbote), die zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Beziehungen Österreichs zu einem Drittstaat führen können, nicht auf dezentrale Verwaltungsträger übertragen werden dürfen. Aus dem Gesagten ergibt sich folgendes Ergebnis: Der VfGH stellt bei der Zuordnung einer Tätigkeit zum „völkerrechtlich sensiblen Bereich“, den außenpolitischen Agenden iSv Art 10 Abs 1 Z 2 B-VG, augenscheinlich darauf ab, ob die Maßnahme erhebliche (gewichtige) Auswirkungen auf die außenpolitischen Beziehungen Österreichs nach sich ziehen kann. Das mag bei Stromimportverboten der Fall sein, bei gemeinschaftsrechtlich vorgezeichneten Kooperationsvereinbarungen erscheint dies jedoch nicht denkbar. Daher könnte argumentiert werden, dass dann, wenn keine vergleichbaren Auswirkungen mit dem Abschluss eines Abkommens verknüpft sind, auch eine differenzierte Sichtweise möglich ist. Zunächst könnte man den Kernbereich der „außenpolitischen Beziehungen“, was die Verhandlung über ein Kooperationsübereinkommen und dessen Abschluss anlangt, auf den völkerrechtlich durch die WVK vorgezeichneten Rahmen111 beschränken. Dann folgt daraus, dass Vorarbeiten, nämlich informelle Vorgespräche zwischen einzelnen Aufsichtsbehörden und der nachfolgende Vorschlag an das zum Abschluss zuständige Organ, ein Abkommen bestimmten Inhalts abzuschließen, zulässig sein müssten, da sie (noch) nicht Gegenstand des in der WVK präzisierten Vertragsschlussverfahrens sind und daher nicht zum zuvor skizzierten „Kernbereich“ der außenpolitischen Beziehungen gerechnet werden können. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 77a BWG sind insoweit nicht angebracht, da der Abschluss des nicht-sensiblen Übereinkommens dem BMF vorbehalten bleibt. 5. Ergebnis Die Prüfung des Vorschlags des § 77a BWG unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ergibt ein differenziertes Bild. Soweit man die stRsp des VfGH der Beurteilung zugrunde legt, erscheint die formale Vorschlagsbindung verfassungswidrig zu sein, da für die Bindung des BMF an einen ____________________
111
Siehe dazu noch unten C.2.c.
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Vorschlag der FMA keine (vergleichbare) sachliche Rechtfertigung erkennbar ist. Eine weitergehende materielle Prüfung erübrigt sich diesfalls. Geht man allerdings unter Heranziehung des gängigen Schrifttums davon aus, dass der einfache Gesetzgeber verfassungsgesetzlich ermächtigt ist, die Rahmenbedingungen der Vollziehung durch oberste Organe der Verwaltung näher auszugestalten und Vorberatungen bzw der Vorschlag zum Abschluss eines Übereinkommens im hier interessierenden Sinn nicht zum Kernbereich der außenpolitischen Beziehungen zu zählen sind, erscheint auch eine andere Sicht der Dinge vertretbar und eine Vorschlagsbindung des BMF argumentierbar zu sein. Mangels gegenteiliger Ausführungen in den EB zu den jüngsten BWGNovellen, mit welchen der Gesetzgeber der FMA und der OeNB das Vorschlagsrecht im hier interessierenden Sinn eingeräumt hat (BGBl I 2001/ 97, I 2007/108) sowie aufgrund des gesetzlichen Wortlautes („kann“), könnte unter Heranziehung der Systematik der §§ 22 Sbg und 66 Tir ROG112 erwogen werden, dass die FMA den Inhalt und die Reichweite des Abkommens, das sie schlussendlich zu vollziehen hat, unter Beteiligung der OeNB informell ausverhandelt und das Verhandlungsergebnis113 als Entwurf zu einem Übereinkommen an den BMF übermittelt. Dies könnte, entsprechend dem Verhältnis zwischen LReg und Gemeinderat im FWP-Genehmigungsverfahren nach den ROG der Länder, als akkordierter Vorschlag der FMA und der OeNB an den BMF iSd § 77a Abs 1 BWG gedeutet werden. Vor diesem Hintergrund und unter Heranziehung der Systematik der §§ 22 Sbg und 66 Tir ROG erscheint vertretbar, dass der BMF den Vorschlag – nicht Folge leisten muss, – dh ihn jederzeit ohne näher Begründung (auch nur zu einem bestimmten Teil) ablehnen – oder ihn bei Vorliegen der Voraussetzungen genehmigen kann114. Nur in diesem Fall hat der BMF das offizielle Übereinkommen abzuschließen. Insofern besteht dann aber auch kein Erledigungsanspruch der FMA und der OeNB, soweit sie einen Vorschlag erstattet haben. Das ____________________
112 § 66 Abs 3-5 Tir ROG idgF lautet in Auszügen: „(3) Dem Flächenwidmungsplan ist die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu versagen, wenn (…). (4) Liegt ein Versagungsgrund nach Abs 2 oder 3 nicht vor, so ist die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu erteilen. (5) Die Entscheidung der Landesregierung über die Erteilung oder Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung hat mit schriftlichem Bescheid zu erfolgen“. Ähnlich § 22 Sbg ROG. 113 Man könnte von einem ersten, rechtlich noch unverbindlichen Entwurf eines späteren Vertragstexts sprechen. 114 Vgl Rill, ÖZW 1975, 107. Ähnlich dürfte auch Art 67 Abs 1 B-VG auszulegen sein: Der BP ist rechtlich frei, den Vorschlag der BReg anzunehmen oder ihn abzulehnen (Mayer, B-VG 4 277).
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ergibt sich schon daraus, dass der BMF keinen abweisenden Bescheid zu erlassen hat, wenn er den Vorschlag nicht annehmen will115. In diesem Lichte ergibt sich, dass dem BMF zwar kein inhaltliches Gestaltungsrecht zukommt, was bedeutet, dass er den Inhalt eines Vorschlags iSd § 77a BWG nicht einseitig ändern kann. Man wird aber davon ausgehen können, dass es dem BMF zusteht, den Vorschlag mit der Begründung abzulehnen, dass ein bestimmter Themenkreis neu verhandelt oder gänzlich weggelassen werden soll. FMA und OeNB wären darauf folgend gezwungen, einen neuen (bzw modifizierten) Vorschlag zur Genehmigung vorzulegen. Zusammengefasst ist mE bei Gesamtabwägung aller Faktoren der zuvor skizzierten zweiten Auslegungsvariante der Vorzug zu erteilen und eine Vorschlagsbindung des BMF mit guten Gründen vertretbar. B. Der Abschluss des Kooperationsübereinkommens Sofern der akkordierte Vorschlag der FMA und der OeNB die Zustimmung des BMF findet, wird der BM kraft (verfassungs-)gesetzlicher Ermächtigung – soweit noch erforderlich – offizielle Verhandlungen mit den potentiellen Vertragspartnern aufnehmen (siehe sogleich). Diese Beratungen stellen die erste völkerrechtlich determinierte Phase des Abschlusses eines Übereinkommens dar. Insofern verwundert es auch nicht, dass das BWG kein bestimmtes Prozedere vorsieht, das auf die eigentliche Abschlussphase anzuwenden ist. Aus der Formulierung des § 77a Abs 1 BWG kann aber mit hinreichender Deutlichkeit erschlossen werden, dass der Gesetzgeber klassische Staatsverträge (arg: „Übereinkommen iSd Art 66 Abs 2 B-VG“ ), nicht aber sonstige formlose Vereinbarungen im Sinn hatte116. Der Wortlaut des § 77a Abs 1 BWG lässt daher nur die Auslegung zu, dass Kooperationsvereinbarungen, soweit sie unter § 77a BWG fallen, als Staatsverträge abzuschließen sind117, auf die das abschließende Organ die verfassungsgesetzlich festgeschrieben Grundsätze anzuwenden hat. ____________________
115 Demgegenüber lässt die Systematik der §§ 2 AnerkennungsG, 22 Sbg und 66 Tir ROG auf die Notwendigkeit der Erlassung eines Bescheids schließen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird (in den letzten zwei Fällen ist dies explizit angeordnet). Das kann auch mit den dahinter stehenden subjektiven Rechten und der rechtsstaatlichen Notwendigkeit der Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche begründet werden (vgl zB VfSlg 11.931/ 1988 und Gampl/Potz/Schinkele, Staatskirchenrecht I 148 f im Hinblick auf § 2 AnerkennungsG). 116 IdS auch EBRV 57 BlgNR 21. GP 28: „Staatsverträge mit bloß technischem Inhalt“. 117 IdS auch Chini/Frölichsthal, BWG 2 (1997) 468; Laurer, § 77a Rz 1 in Fremuth/ Laurer/Linc ua, BWG 2; Lampert, Bankenaufsicht 100.
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Daher sollen in weiterer Folge jene verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen angesprochen werden, die das B-VG im Hinblick auf den Abschluss von Staatsverträgen allgemein vorgibt und den BMF insoweit zum unmittelbaren Abschluss eines Kooperationsübereinkommens der in Rede stehenden Art ermächtigen. Dabei soll am Rande auch auf das Verfahren eingegangen werden, das auf den Abschluss des Staatsvertrags anzuwenden ist. 1. Anknüpfungspunkte zu Staatsverträgen im österreichischen Verfassungsrecht Staatsverträge sind Verträge, die zwischen Völkerrechtssubjekten abgeschlossen werden (vgl nochmals Art 2 Abs 1 lit a WVK)118. In Österreich kommt die Kompetenz zum Abschluss solcher Verträge Bund und Ländern zu (Art 10 Abs 1 Z 2 iVm Art 15 Abs 1, 16, 50, 65 Abs 1 und 66 Abs 2 B-VG)119. Aus Art 10 Abs 1 Z 2 erster Tatbestand B-VG ergibt sich zunächst allgemein, dass der Bund für die Wahrnehmung der äußeren Angelegenheiten der Republik, mithin für das Verhältnis der Republik Österreich zu anderen Staaten120 zuständig ist121. Dies bringt Art 10 Abs 1 Z 2 B-VG insofern zum Ausdruck, als er insb den Abschluss von Staatsverträgen als Bestandteil der „äußeren Angelegenheiten“ anspricht. VfSlg 3741/1960 hat idZ festgehalten, dass die Bundeskompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen nicht an die sonstige Kompetenzverteilung des B-VG gebunden ist122. Wenn also der Abschluss von Staatsverträgen in die Kompetenz des Bundes fällt, ist nach Anknüpfungspunkten zu suchen, die einerseits die Zuständigkeit zum Abschluss eines Vertrags, andererseits die Durchführung, also die Vollziehung eines solchen Abkommens regeln. ____________________
118 Vgl etwa Schäffer in Grothe ua (Hrsg), FS Starck (2007) 964; Walter/Mayer/ Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 221. Konsequenterweise hat der VfGH in einem Verfahren nach Art 140a B-VG nur Staatsverträge im angesprochenen Sinn, nicht aber auch Beschlüsse Internationaler Organisationen oder Gemeinschaftsrecht zu prüfen (idS Potacs, 14. ÖJT I/1 [2000] 64 f ). 119 Zum Ganzen eingehend Grabenwarter, Die Verteilung völkerrechtsbezogener Zuständigkeiten nach der österreichischen Bundesverfassung, ZÖR 1995, 79 ff; vgl weiters Öhlinger, Völkerrechtlicher Vertrag (1973) 103 ff; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 221 ff; Thienel, Art 49 Rz 25 in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht. Zu den Änderungen im Gefolge der jüngsten Verfassungsnovelle BGBl I 2008/2 vgl Weichselbaum, „Staatsverträge neu“ im Geist von Verfassungsbereinigung und völkerrechtlicher Handlungsfähigkeit JRP 2007, 211. 120 So Mayer, B-VG 4 25 f. 121 Die selbständige Vertragsschlusskompetenz der Länder (Art 16 Abs 1 B-VG) soll hier außer Betracht bleiben. 122 Vgl auch Adamovich sen, Verfassungsrecht4 81; Öhlinger, Verfassungsrecht 7 Rz 116; Walter, Verfassungsrecht 196; Binder, Wirtschaftsrecht (1992) Rz 380. Sind Länderinteressen berührt, bedarf der Staatsvertrag der ausdrücklichen Zustimmung des BR (Art 50 Abs 2 Z 2 B-VG).
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a) Arten von Staatsverträgen und deren Abschluss Der Abschluss von Staatsverträgen, auch hinsichtlich solcher, die üblicherweise in den Wirkungsbereich der Länder fallen, stellt gemäß den Art 65 Abs 1 und 16 Abs 2 B-VG eine grundsätzlich ausschließliche Kompetenz des BP dar. Der Begriff „Abschluss“ erfasst iSd völkerrechtlichen Terminologie jene staatsrechtlichen Akte, die die Bindung der Republik nach außen begründen123. Der BP kann allerdings, wie bereits oben unter FN 35 dargestellt, auch andere oberste Organe der Bundesverwaltung (BReg, einzelne BM), nicht aber sonstige Organe124 zum Abschluss bestimmter Staatsverträge ermächtigen und diese Kompetenz vorschlagsgemäß mittels gesetzesvertretender VO delegieren (vgl Art 66 Abs 2 B-VG)125. Von dieser Ermächtigung hat der BP mit Entschließung vom 31. Dezember 1920, BGBl 1921/49 Gebrauch gemacht126. Die Delegation ist dabei nur in Bezug auf bestimmte Ressort- oder Verwaltungsübereinkommen zulässig (darauf ist noch einzugehen)127. Diese Abkommen dürfen daher insb nicht gesetzesändernd sein und bedürfen einer gesetzlichen (gesetzesrangigen) Grundlage, wenn sie innerstaatlich angewendet werden sollen128. An diese Rahmenbedingungen knüpft dann auch § 77a Abs 1 BWG an. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Abschluss aller jener Übereinkommen, die einen politischen129, gesetzesändernden oder gesetzesergänzenden Inhalt aufweisen, zuvor der Genehmigung des NR bedürfen (Art 50 ____________________
123 Walter (Verfassungsrecht 178) versteht darunter Ratifikation (die verbindliche Abschlusserklärung, vgl auch Art 2 Abs 1 lit b iVm Art 14 WVK) und die Hinterlegung bzw den Austausch der Ratifikationsurkunden (Art 13 WVK). Grundsätzlich ist auch ein Abschluss mittels Unterzeichnung möglich (Art 12 WVK; vgl noch unten). Erst dadurch wird ein zuvor paraphierter Vertragstext rechtlich verbindlich. Zur historischen Staatsvertragspraxis Österreichs vgl insb Schäffer, FS Starck 953 [962 f ]; Klecatsky, JBl 1964, 349; Walter, Die Neuregelung der Transformation im staatlichen Recht, ÖJZ 1964, 449. 124 Dem entspricht die gängige völkerrechtliche Praxis, wonach Staatsverträge iaR von Staatsoberhäuptern, Regierungschefs oder Außenministern abgeschlossen werden (vgl Art 7 Abs 2 WVK; Schäffer, FS Starck 954). Der Staat muss einen Vertrag, der von einem dieser Organe abgeschlossen wurde, gegen sich gelten lassen, selbst dann, wenn dies unter Verletzung nationaler Verfassungsvorschriften erfolgte. 125 So statt vieler Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 183 mwN; eingehend dazu Posch, ZÖR 1983, 201. Ebenfalls delegiert wird die Anordnungskompetenz, dass Staatsverträge durch Verordnungen zu erfüllen sind. 126 Vgl auch EBRV 57 BlgNR 21. GP 28. 127 Dazu im Detail Öhlinger, Vertrag 214 ff, 347 ff; Schäffer, FS Starck 956. 128 Vgl Schäffer, FS Starck 956. 129 Politische Staatsverträge sind nach hM solche, die die Stellung der Republik als „Machtfaktor“ in der internationalen Gemeinschaft betreffen (zB österreichischer Staatsvertrag). Vgl statt vieler Fischer/Köck, Völkerrecht 6 Rz 150; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 226.
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Abs 1 Z 1 B-VG)130. Deren Abschluss darf insofern nicht durch den BP auf andere Organe delegiert werden, was sich auch aus der Entschließung des BP BGBl 1921/49 mit hinreichender Deutlichkeit ergibt131. Die Genehmigung der unter Art 50 Abs 1 B-VG zu subsumierenden Staatsverträge erfolgt in einem dem Gesetzgebungsverfahren (Art 31, 42, 44 B-VG) gleich geschalteten Verfahren, das gegebenenfalls mit einem Genehmigungsbeschluss des NR abgeschlossen wird (Art 50 Abs 3)132, soweit der NR nicht anordnet, dass ein unter Art 50 Abs 1 B-VG zu subsumierender Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist (Art 50 Abs 2 Z 3). Ist ein Staatsvertrag hinreichend determiniert („selfexecuting“), wird der NR iaR einen Genehmigungsbeschluss fassen und bedarf es keiner weiteren Umsetzung in das nationale Recht (durch Erlassung von Gesetzen, vgl Art 50 Abs 2 Z 3 B-VG)133. Der Vertrag ist nach dem Beschluss des BR, keinen Einspruch zu erheben, im BGBl kundzumachen (§ 5 Abs 1 Z 1 BGBlG) und damit unmittelbar anwendbar134. Er bildet insofern eine taugliche Grundlage für weitere nationale Vollziehungsakte (zB Verordnungen)135. ____________________
130 Ob ein Staatsvertrag gesetzesergänzend oder -ändernd ist, ist daran zu messen, ob der Inhalt des Abkommens nach den Regeln des B-VG als Gesetz zu erlassen wäre oder nicht (vgl zB Walter, Verfassungsrecht 178; zu den Begriffen statt vieler Aichlreiter, Verordnungsrecht II 899 ff mN; Berka, Verfassungsrecht Rz 265). 131 Außer Betracht sollen schlussendlich jene Staatsverträge bleiben, die Verfassungsrecht ändern oder ergänzen. Für sie gelten die Ausführungen zu den Abkommen, die unter Art 50 Abs 2 zu subsumieren sind, sinngemäß. 132 Zur Gültigkeit dieses Beschlusses müssen die Erfordernisse des Art 31 B-VG erfüllt werden (vgl zB Adamovich sen, Verfassungsrecht 4 81). 133 Man spricht daher von genereller Transformation. Nach hA liegt das Wesen dieser Umsetzungsmethode darin begründet, dass eine unmittelbar anwendbare völkerrechtliche Norm direkt zum innerstaatlichen Recht erklärt wird (so etwa Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 182; Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht [1927] 111; Walter, Verfassungsrecht 167; Binder, Wirtschaftsrecht Rz 384). Sind zur Durchführung eines Vertrags noch weitere Gesetze zu erlassen, mithin ein weiterer (zweiter) Verfahrensschritt zu setzen, liegt ein Fall der speziellen Transformation vor. Dies hat dann zu erfolgen, wenn der NR anlässlich der Genehmigung eines Abkommens den Beschluss gefasst hat, dass ein Staatsvertrag nicht unmittelbar angewendet werden soll; inhaltlich stellt dies einen „Erfüllungsvorbehalt“ dar (Art 50 Abs 2 B-VG; vgl Mayer, B-VG 4 211, Walter, Verfassungsrecht 183). Der Vertrag ist erst dann von Behörden anzuwenden (Art 18 Abs 1 B-VG), wenn die erforderlichen innerstaatlichen Maßnahmen zur Durchführung des Vertrags erlassen worden sind (vgl Öhlinger, Vertrag 149). Zuvor zeitigt das Abkommen keine Rechtswirkungen (zB VfSlg 14.050/1995; Mayer, B-VG 4 211; Walter, Verfassungsrecht 186), nämlich in dem Sinn, dass es für Dritte nicht verbindlich sein kann (andere Auswirkungen, etwa im Hinblick auf Art 16 Abs 2 B-VG, sollen hier ausgeklammert werden). Erst durch diese Form der Umsetzung wird das völkerrechtlich gebotene Verhalten für verbindlich erklärt (Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 182). 134 Vgl Adamovich sen, Verfassungsrecht 4 265; Öhlinger, Verfassungsrecht 7 Rz 119; Mayer, B-VG 4 212; VfSlg 13.952/1994; § 5 Abs 1 Z 1 BGBlG. 135 Vgl B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 637. So zeigt sich, dass beispielsweise die LReg und der US als zuständige UVP-Behörden die „Alpenkonvention“
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In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der Begriff Transformation alle innerstaatlichen Maßnahmen umfasst, die notwendig sind, um eine völkerrechtliche Pflicht, die etwa aus einem Staatsvertrag resultiert, zu erfüllen. Entsprechende Handlungen zielen insofern darauf ab, die erforderlichenfalls notwendige Bindung der Organwalter und der Rechtsunterworfenen sicherzustellen136. Aus Art 49 Abs 2 B-VG ergibt sich, dass Staatsverträge, die der NR entsprechend genehmigt hat, einfachen Bundesgesetzen (oder gegebenenfalls Verfassungsgesetzen) gleichgestellt sind: Gemäß Art 50 genehmigte Staatsverträge treten grundsätzlich mit Ablauf des Tags ihrer Kundmachung in Kraft und gelten für das gesamte Bundesgebiet. Auch Staatsverträge können insofern ein „Gesetz im formellen Sinn“ darstellen. Dies gilt freilich nicht für Staatsverträge, die nachfolgend durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen sind. Daraus resultiert, dass Staatsverträge, die nicht unter Art 50 B-VG einzuordnen sind, ohne Mitwirkung des NR abgeschlossen werden137. Darüber hinaus ist deren vorschlagsgemäßer Abschluss dann alleinige Kompetenz des BP, soweit diese Übereinkommen als Staatsverträge bezeichnet sind oder der Vertragsschluss durch den Austausch von Ratifikationsurkunden erfolgt (vgl Art 65 Abs 1, 66 Abs 2 B-VG und die Entschließung des BP BGBl 1921/49). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der BReg und den ressortzuständigen BM die Kompetenz zum Abschluss aller anderen Regierungs- bzw Verwaltungsübereinkommen zukommt138. Das sind im vorliegenden Zusammenhang insb diejenigen Abkommen, die keinen gesetzesändernden Inhalt aufweisen, die allgemeine Rechtsordnung nicht berühren und nur die abschließenden Stellen und allenfalls nachgeordnete Ämter (Art 77 Abs 2 B-VG) binden, nicht aber auch sonstige Personen139. ____________________
samt Zusatzprotokollen unmittelbar anzuwenden haben (§ 17 Abs 1 UVP-G; dazu Ennöckl/N. Raschauer, UVP-G 2 [2006] § 17 Rz 9; UUS 22.03.2004, 6B/2003/8-57 [Mutterer Alm]; diesem folgend VwGH 08.06.2005, 2004/03/0116; vgl ferner US 04.01. 2005, 9B/2004/8-53 [Saalfelden]). 136 Vgl für viele Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 182. 137 Insofern ist auch die Unterrichtung der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes über die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entbehrlich (Umkehrschluss aus Art 50 Abs 5 B-VG). 138 Dabei wird es sich zumeist um Abkommen technischen Inhalts handeln (idS EBRV 57 BlgNR 21. GP 28). 139 IdS zB Öhlinger, Verfassungsrecht 7 Rz 117; vgl auch B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 771 zu Verwaltungsverordnungen. Vgl aus Sicht des § 77a BWG ferner Chini/Frölichsthal, BWG 2 468. Vgl zB jüngst die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem BMI und dem Ministerium für Inneres der Republik Bulgarien über praktische Modalitäten zur erleichterten Anwendung der Verordnung (EG) 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (BGBl III 2007/113).
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Auch hinsichtlich der hier in Rede stehenden Verwaltungsübereinkommen ist grundsätzlich – sofern sie völkerrechtlich gültig abgeschlossen sind – eine Kundmachung im BGBl erforderlich (§ 5 Abs 1 Z 1 BGBlG)140, soweit der BK mittels VO keine andere Form der Veröffentlichung, etwa durch öffentliche Auflage, angeordnet hat. Dies ist im gegenständlichen Zusammenhang dann von Relevanz, wenn das Abkommen nur für einen beschränkten Kreis von Personen von Interesse ist (§ 5 Abs 3 Z 1 BGBlG). Verwiesen sei weiters darauf, dass nur Abkommen iSd Art 50 Abs 1 B-VG einem zweifachen (zusammengesetzten) Umsetzungsverfahren unterliegen (Art 50 Abs 2 Z 1141), nicht aber auch solche iSd Art 65 Abs 1, 66 Abs 2 B-VG: Der ausgehandelte Vertragstext ist im ersten Fall zunächst durch den NR zu genehmigen, bevor er durch den BP (auf Antrag der BReg142) ratifiziert werden kann. Nur auf diesem Weg kann die völkerrechtliche Bindung der Republik Österreich hinsichtlich gesetzesergänzender Staatsverträge hergestellt werden143. In Bezug auf sonstige Verwaltungsübereinkommen (zweiter Fall) könnte Anderes dann erwogen werden, wenn das vertragsschließende Organ im Zug der Genehmigung anordnet, dass ein Übereinkommen mangels ausreichender Bestimmtheit durch weitere Verordnungen zu erfüllen ist (Art 65 Abs 1, 66 Abs 2 B-VG)144, was freilich in der bankenaufsichtsrechtlichen Praxis – soweit ersichtlich – bis dato nie der Fall war. Damit ist nunmehr der Frage nachzugehen, welchen Typus Staatsvertrag § 77a BWG vor Augen hat und welches Verfahren auf den Abschluss (und nachfolgend auf die Kündigung) dieser Kooperationsübereinkommen anzuwenden ist. b) Staatsverträge iSd § 77a Abs 1 BWG Schon der gesetzliche Wortlaut des § 77a Abs 1 BWG zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber ein bestimmtes verfahrensrechtliches Prozedere vor Augen hatte und den BMF bloß zum Abschluss solcher Staatsverträge ermächtigt hat, die Verwaltungsübereinkommen iSd Art 66 Abs 2 B-VG ____________________
140 Vgl Berka, Verfassungsrecht Rz 268; Thienel, Art 49 Rz 26, 43 in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht; Weichselbaum, JRP 2007, 111. 141 Auf das seit der B-VG-Nov BGBl I 2007/108 mögliche „vereinfachte Änderungsverfahren“ soll hier nicht näher eingegangen werden (zum Hintergrund EBRV 314 BlgNR 23. GP 9). Im Wesentlichen geht es darum, Änderungen in multilateralen Staatsverträgen – soweit dies in Abkommen selbst vorgesehen wurde – wegen der oftmals knapp bemessen Umsetzungsfristen innerstaatlich auf „vereinfachte Art“, nämlich ohne Genehmigung des NR anzunehmen. 142 Vgl zB Binder, Wirtschaftsrecht Rz 382. 143 S zB Adamovich sen, Verfassungsrecht 4 262; Berka, Verfassungsrecht Rz 260; Walter, Verfassungsrecht 173. 144 Siehe zB Berka, Verfassungsrecht Rz 273.
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darstellen145. Nur auf solche Abkommen erstreckt sich die Entschließung des BP, BGBl 1921/49. § 77a Abs 1 BWG verweist nämlich ausdrücklich darauf, dass der Abschluss eines Kooperationsabkommens im zuvor umschriebenen Sinn nur dann erfolgen kann, „sofern der BMF zum Abschluss von Übereinkommen gemäß Art 66 Abs 2 B-VG ermächtigt ist“ 146. Das bedeutet, dass einer Kooperationsvereinbarung iSd § 77a Abs 1 BWG kein gesetzesergänzender, gesetzesabändernder oder politischer Inhalt zukommen darf 147. Dies ist insb bei der Beurteilung von Relevanz, ob und inwiefern der BMF Kooperationsübereinkommen iSd Art 139 BARL abschließen kann. Diese Rahmenbedingungen sind bei der weiterfolgenden Beratung über ein Abkommen und beim Abschluss eines Vertrags zu beachten. 2. Das auf den Abschluss des Übereinkommens anzuwendende Verfahrensrecht Der Abschluss, die Auslegung und die Kündigung internationaler (völkerrechtlicher) Verträge, auch von Verwaltungsübereinkommen iSd § 77a Abs 1 BWG, unterliegt der von Österreich ratifizierten Wiener Vertragsrechtskonvention (iwF: WVK), BGBl 1980/40 idgF (vgl Art 1 des Abkommens)148. Die Konvention sieht in ihrem zweiten Abschnitt mehrere Möglichkeiten vor, wie ein Vertrag abgeschlossen werden, dh wie ein Staat seine Zustimmung zu einem Abkommen zum Ausdruck bringen kann (Art 11 ff )149, so insb durch Unterzeichnung (Art 12)150, Zustimmung ____________________
145 146
EBRV 57 BlgNR 21. GP 28. So auch die übereinstimmende Ansicht im Schrifttum: Vgl statt vieler Chini/Frölichsthal, BWG 2 468; Laurer, § 77a Rz 1 in Fremuth/Laurer/Linc ua, BWG 2. 147 Ähnlich auch die Ansicht des BKA-VD. Vgl die Stellungnahme vom 28.04.2000, 600.310/0-V/A/8/00 zur VAG-Nov 2000. 148 Vgl statt vieler Berka, Verfassungsrecht Rz 260; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 221; Neuhold/Hummer/Schreuer, Völkerrecht I 3 (1996) Rz 266. Dies zeigt dann auch in der Präambel der WVK, wo die Gründungsstaaten zum Ausdruck bringen, dass durch die WVK ua die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Nationen gefördert werden soll. Gerade in jenen Kooperationsübereinkommen, die nach dem in der WVK geregelten Verfahren abgeschlossen werden, kommt dieser Gedanke deutlich zum Ausdruck. Am Rande sei angemerkt, dass die WVK im Rang eines einfachen Bundesgesetzes in das Bundesrecht transformiert wurde (so etwa Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 223). Zur Kündigung vgl Art 42, 54 WVK, auf die nicht näher eingegangen wird. 149 Vgl dazu ausführlich Neuhold/Hummer/Schreuer, Völkerrecht I 3 Rz 289 ff, 344 ff und Fischer/Köck, Völkerrecht 6 Rz 210 ff. 150 Die Zustimmung eines Staats, durch einen Vertrag gebunden zu sein, wird durch Unterzeichnung seitens seines Vertreters ausgedrückt, a) wenn der Vertrag vorsieht, dass der Unterzeichnung diese Wirkung zukommen soll; b) wenn anderweitig feststeht, dass die Verhandlungsstaaten der Unterzeichnung einvernehmlich diese Wirkung beilegen wollten, oder c) wenn die Absicht des Staates, der Unterzeichnung diese Wirkung beizulegen,
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durch Urkundenaustausch (Art 13)151 und Ratifikation bzw Annahme (Art 14)152. In Kombination mit den zuvor skizzierten verfassungsgesetzlichen Rahmenbedingungen zeigt sich, dass aus Sicht der österreichischen Staatsvertragspraxis zwei verschiedene Abschlussverfahren geläufig sind: – Das sog einfache (oder einphasige) Vertragsverfahren, wo aus österreichischer Sicht das verfassungsgesetzlich ermächtigte Staatsorgan seine Willenserklärung zum Abschluss eines Staatsvertrags durch Unterzeichnung abgibt. Unmittelbar durch diesen Akt wird der Vertrag abgeschlossen und verbindlich153. – Das sog zusammengesetzte (zweiphasige) Vertragsverfahren, wo der Vertragsentwurf nach Abschluss der diplomatischen Beratungen unterzeichnet und damit eine erste Einigung über den Inhalt signalisiert wird. Der akkordierte Vertragsinhalt ist nachfolgend zu ratifizieren, was idR durch den Austausch von Urkunden erfolgt und dem BP vorbehalten ist154. Erst durch die Ratifikation wird die völkerrechtliche Bindung des Signatarstaats hergestellt. Nicht übersehen werden darf, dass gegebenenfalls die Genehmigung des NR einzuholen ist (Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG). Hinsichtlich Kooperationsvereinbarungen iSd BARL hat sich die Unterzeichnung iSd Art 12 WVK als gängige Form der Erklärung der Zustimmung zu einem Vertrag etabliert155. Im Lichte der verfassungsgesetzlichen ____________________
aus der Vollmacht seines Vertreters hervorgeht oder während der Verhandlung zum Ausdruck gebracht wurde (Art 12 Abs 1 WVK). 151 Die Zustimmung von Staaten, durch einen Vertrag gebunden zu sein, der durch zwischen ihnen ausgetauschte Urkunden begründet wird, findet in diesem Austausch ihren Ausdruck, a) wenn die Urkunden vorsehen, dass ihrem Austausch diese Wirkung zukommen soll, oder b) wenn anderweitig feststeht, dass diese Staaten dem Austausch der Urkunden einvernehmlich diese Wirkung beilegen wollten (Art 13 WVK). 152 Die Zustimmung eines Staats, durch einen Vertrag gebunden zu sein, wird durch Ratifikation ausgedrückt, a) wenn der Vertrag vorsieht, dass diese Zustimmung durch Ratifikation ausgedrückt wird; b) wenn anderweitig feststeht, dass die Verhandlungsstaaten die Ratifikation einvernehmlich für erforderlich hielten; c) wenn der Vertreter des Staates den Vertrag unter Vorbehalt der Ratifikation unterzeichnet hat oder d) wenn die Absicht des Staates, den Vertrag unter Vorbehalt der Ratifikation zu unterzeichnen, aus der Vollmacht seines Vertreters hervorgeht oder während der Verhandlungen zum Ausdruck gebracht wurde (Art 14 Abs 1 WVK). In der Praxis und in der Lehre fallen die in Art 13 und 14 umschriebenen Abschlussverfahren zusammen (die Ratifikationsurkunde beurkundet die Zustimmung zu einem Vertrag [„Ratifikation“] und wird nachfolgend hinterlegt) und sollen in weiterer Folge unter dem Begriff der Ratifikation zusammengefasst werden (vgl Berka, Verfassungsrecht Rz 260; Walter, Verfassungsrecht 173). 153 S Walter, Verfassungsrecht 177 f; Berka, Verfassungsrecht Rz 260; ferner Fischer/ Köck, Völkerrecht 6 Rz 221 f. 154 Vgl FN 153. 155 Vgl zB Art 14 des Übereinkommens zwischen der dt BaFin und der polnischen Bankenaufsichtskommission CBS vom 20.12.2004 (abrufbar unter www.bafin.de) oder das
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Rahmenbedingungen für Staatsverträge stellt dies auch das einzig geeignete Abschlussverfahren für die gemäß § 77a BWG zu erlassenden Abkommen dar. Da sich die gesetzliche Ermächtigung des BMF iSd Art 66 Abs 2 B-VG und der Entschließung BGBl 1921/49 nur auf den Abschluss durch Unterzeichnung, nicht aber durch Ratifikation (mittels des Austauschs von Urkunden, Art 13 WVK) erstreckt, kommt eine Zustimmung zu Kooperationsvereinbarungen in anderer Form als durch Unterzeichnung nicht in Betracht. Abkommen, die durch Ratifikation zu genehmigen sind, sind dem BP vorbehalten. Hat der BMF ein Übereinkommen ausgehandelt und durch Unterzeichnung die Zustimmung zu diesem zum Ausdruck gebracht (Art 11 WVK), dann wird es im Verhältnis zu den anderen Vertragsstaaten verbindlich. Damit ist aber noch nichts über den Rechtscharakter eines solchen Übereinkommens aus nationaler Sicht und seiner weitergehenden innerstaatlichen Behandlung ausgesagt. C. Der innerstaatliche Rechtscharakter eines Kooperationsübereinkommens Der innerstaatliche Rechtscharakter einer Kooperationsvereinbarung ist bisher kaum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Das verwundert nicht, da die Mehrzahl der aus österreichischer Sicht einschlägigen Abkommen erst in der jüngeren Vergangenheit abgeschlossen wurden und der breiteren Öffentlichkeit in Österreich nicht zugänglich sind: Kooperationsvereinbarungen iSd § 77a Abs 1 BWG sind nicht veröffentlicht und damit in keinem allgemein zugänglichen „Kundmachungsmedium“, das etwa das BGBlG mit dem „RIS“ vor Augen hat, zum Abruf bereitgestellt worden156. Welcher Rechtscharakter diesem Übereinkommen dann zukommen kann, ist zum einen vor dem Hintergrund des (relativ) „geschlossenen Rechtsquellensystems“ der Bundesverfassung zu klären157, zum anderen ist auf den Inhalt der Vereinbarung und die (iaR nicht erfolgte) Kundma____________________
2006 zwischen der britischen Bankenaufsichtsbehörde FSA und der amerikanischen Börsenaufsicht SEC abgeschlossene MoU (S 13 des Abkommens, abrufbar unter http://www. fsa.gov.uk/pubs/mou/fsa_sec.pdf, 05.01.2007). 156 Sie sind auch sonst nicht auf der HP der FMA oder in anderen gängigen Kundmachungsmedien im Volltext publiziert worden (idS auch die Auskunft der FMA, Jänner 2008). Dem entspricht weiters die gängige internationale Praxis (vgl eingehend Möllers, ZaöRV 2005, 352 [379], der treffend festhält, dass die Veröffentlichung von MoU idR keinen besonderen Vorschriften unterliegt). Vgl demgegenüber die Website der dt BaFin, wo vereinzelte Übereinkommen eingesehen werden können. 157 ZB VfSlg 7593/1975, 9226/1981, 13.880/1994. Zum Ganzen eingehend Eberhard, Verwaltungsrechtlicher Vertrag [2005] 258 f mwN; weitere Nachweise unten in FN 162.
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chung dieser Abkommen Bedacht zu nehmen. Schlussendlich wird auch der Adressatenkreis der Übereinkommen eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung des Rechtscharakters spielen und wird zu hinterfragen sein, ob das Abkommen „self executing“ ist, dh durch die zuständigen Vollziehungsorgane unmittelbar angewendet werden kann, oder ob zur Umsetzung die Erlassung weiterer innerstaatlicher Vollziehungsakte erforderlich ist. Zuvor soll jedoch kurz auf die Normativität der Kooperationsübereinkommen eingegangen werden, um sie von sonstigen, rechtlich unverbindlichen Absichtserklärungen abzugrenzen158. 1. Die Normativität einer Kooperationsvereinbarung Die normative Wirkung eines Kooperationsübereinkommens als behördliche Enuntiation kann sich einerseits aus dem betreffenden Akt selbst und andererseits aus der allgemeinen Rechtslage, insb aus der Ermächtigungsgrundlage oder aus daran anknüpfenden Sanktionsbestimmungen, ergeben159. Im vorliegenden Fall sind nur die ersten zwei Aspekte von zentralem Interesse. Betrachtet man zunächst die gesetzlichen Grundlagen der Vereinbarungen, so lässt ein Blick auf Art 66 Abs 2 B-VG iVm § 77a BWG und § 5 Abs 1 Z 1 BGBlG den Schluss zu, dass die Vereinbarung näherer Modalitäten über aufsichtsbehördliche Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen in Recht setzender, außenwirksamer und damit zwingend normativer Form, nämlich durch Abschluss eines Staatsvertrags zu erfolgen hat. Vor diesem Hintergrund ist daher nicht weiter zu erörtern, ob es möglich wäre, dass die das Abkommen abschließende Verwaltungsbehörde die Normativität ihrer Enuntiation explizit ausschließen könnte. Einen „nicht außenwirksamen“ bzw „nicht-normativen Staatsvertrag“ gibt es nach verfassungsgesetzlicher Konzeption nicht. Untersucht man idS dann den Akt selbst, also die hier in näherer Betrachtung stehenden Kooperationsübereinkommen, sprechen wiederum gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass es sich um einen auf Verhaltenssteuerung ausgerichteten Akt und nicht bloß um die Mitteilung einer Gesetzesauslegung handelt. Der BMF soll durch Abschluss eines Abkom____________________
158 Dies erscheint insb im Hinblick auf das deutsche Schrifttum geboten, das in MoU idR nichts anderes als „schriftliche Absichtserklärungen“ hinsichtlich der weiteren internationalen Zusammenarbeit sieht und diese Vereinbarungen nicht als Akte der Rechtsetzung betrachtet (so Kümpel, Bankrecht 3 Rz 19.223; Beck, § 7 WpHG Rz 7 in Schwark, Kapitalmarktrecht 3 [2004]; Schlag, Verwaltungsbefugnisse 73). Nicht übersehen werden darf, dass die deutsche Ansicht nicht undifferenziert auf die österreichische Rechtslage übertragen werden kann. 159 Vgl statt vieler Winkler/Barfuss/B. Raschauer, Arzneimittelpreise und Sozialversicherung (1983) 12; B. Raschauer, FS Schäffer 697.
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mens bestimmte, durch die Aufsichtsbehörde wahrzunehmende Felder der aufsichtsbehördlichen Zusammenarbeit präzisieren und damit (teilweise unter Bezugnahme auf nationale Gesetze oder Gemeinschaftsrecht) ausdrückliche Verhaltenspflichten – nämlich der zuständigen Vollziehungsbehörde, der FMA – statuieren160. Für die hier vertretene Ansicht spricht dann auch, dass Übereinkommen idR Bestimmungen über den Anwendungsbereich enthalten, wie er für Rechtsverordnungen charakteristisch ist. Im Hinblick auf die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 1 FMABG und aufgrund der Tatsache, dass die FMA keine nachgeordnete Dienststelle iSd Art 77 Abs 1 B-VG darstellt, zeigt sich, dass die Vollziehung der Abkommen durch die Erteilung von Weisungen (zwischen BMF und FMA) nicht denkbar erscheint. Die Anwendung der Kooperationsvereinbarungen ist im Licht des Legalitätsprinzips der Bundesverfassung nur dann gesichert, wenn die FMA zur Vollziehung verpflichtet ist. Zur Effektuierung dieser Aufgabe bedarf es daher einer außenwirksamen Anordnung, was im vorliegenden Fall nur durch Einsatz normativer Hoheitsgewalt sichergestellt werden kann. 2. Kooperationsvereinbarungen im Licht des geschlossenen Rechtsquellensystems der Bundesverfassung Von der Normativität der Abkommen ist nun zur Frage nach ihrer Einordnung in die gängigen „Rechtssatzformen“ überzuleiten. Die stRsp des VfGH hat sich dazu bekannt, dass der österreichischen Verfassungsordnung ein relativ geschlossenes Rechtsquellensystem zugrunde liegt161. Dies entspricht auch der vorherrschenden Sichtweise im Schrifttum, wonach das B-VG die generellen Rechtsquellen (insb Gesetz, Verordnung) voraussetzt bzw abschließend geregelt hat162. In Bezug auf die Umsetzung von Staatsverträgen iSd Art 50 B-VG kommt insoweit das Gesetz im formellen Sinn, ____________________
160 Daran ändert sich auch dann nichts, wenn die gängigen Formulierungen der Übereinkommen bloß erzählender Art sind („Die Behörden legen fest“, „Die Behörden stellen sicher“ ). Inhaltlich dürfte völlig unzweifelhaft sein, dass es sich um „imperative Formulierungen“, also um die Darlegung gesollter Verhaltensweisen handelt (vgl B. Raschauer, FS Schäffer 697 f; VfSlg 12.574/1990). 161 Grundlegend im Schrifttum wohl Schäffer, 5. ÖJT I/1 B (1973) 38 f, 42. Vgl jüngst die Überlegungen bei Novak in Akyürek ua (Hrsg), FS Schäffer (2006) 515 ff und bei Eberhard, Altes und Neues zur Geschlossenheit des Rechtsquellensystems, ÖJZ 2007, 679 (680 f ). 162 So beispielsweise Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 538 f; B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 470; Kahl/Weber, Allgemeines Verwaltungsrecht Rz 38; Berka, Verfassungsrecht Rz 664 mwN. Ob und inwiefern der einfache demokratisch legitimierte Gesetzgeber weitere individuelle Rechtssatzformen (außerhalb von Bescheid und AuvBZ) vorsehen darf, soll hier ausgeblendet bleiben.
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hinsichtlich aller anderen, mithin jener iSd Art 66 Abs 2 B-VG die Verordnung in Betracht163. Dies liegt auch nahe, da der NR bezüglich aller Staatsverträge, die gesetzesergänzenden, gesetzesabändernden oder politischen Inhalts sind, kraft genereller Transformation die Genehmigung (Art 50 Abs 1 B-VG)164 oder die spezielle Transformation (Art 50 Abs 2 Z 3 B-VG)165 anzuordnen hat. Der NR muss daher, soweit er einen Staatsvertrag als nicht unmittelbar anwendbar erachtet, einen Beschluss iSd Art 50 Abs 2 Z 3 B-VG fassen, dass zur Umsetzung dieses Abkommens weitere innerstaatliche Vollziehungsakte in Gesetzesform erforderlich sind. Allen anderen Staatsverträgen kommt daher nicht der Rang eines Gesetzes im formellen Sinn zu. Letztere, die der Mitwirkung des NR entzogen sind und von den ressortzuständigen BM abgeschlossen werden, nehmen nach hA den Rang von Rechtsverordnungen ein166. Dies ergibt sich zum einen aus einer systematischen Interpretation des Art 140a B-VG, wonach auf die Prüfung von Staatsverträgen iSd Art 66 Abs 2 B-VG Art 139 B-VG über das Verordnungsprüfungsverfahren durch den VfGH, nicht aber auch Art 144 B-VG anzuwenden ist, zum anderen daraus, dass der eigentliche Abschlussakt durch den ressortzuständigen BM als Akt der Vollziehung zu werten ist und nicht der Staatsfunktion Gesetzgebung zugerechnet werden kann167. Daher sind auch Abkommen gemäß § 77a Abs 1 BWG als „verordnungskoordinierte Staatsverträge“ (im Rang einer Rechtsverordnung) anzusehen168. 3. Unmittelbare Anwendbarkeit als Abgrenzungsfaktor Wesentliche Bedeutung bei der Bestimmung des Rechtscharakters einer Kooperationsvereinbarung könnte dann der Frage nach der Bestimmtheit bzw nach der unmittelbaren Anwendbarkeit eines Abkommens zukommen. Wie bereits gezeigt, stellt die unmittelbare Anwendbarkeit eines Übereinkommens regelmäßig die Folge seiner ausreichenden Bestimmtheit dar. Wann ein Abkommen idS als „self-executing“ anzusehen ist, kann nicht allgemein beantwortet werden. Wie schon im Hinblick auf Art 18 Abs 1 B-VG – die dort maßgeblichen Kriterien und Aussagen sind wohl ____________________
163 Statt vieler Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 186; Öhlinger, Verfassungsrecht 7 Rz 121; Walter, Verfassungsrecht 187. 164 Vgl dazu oben IV.B. 165 Vgl dazu oben IV.B. 166 So Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 183; Berka, Verfassungsrecht Rz 268; Öhlinger, Verfassungsrecht 7 Rz 121; Walter, Verfassungsrecht 187. 167 IdS Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 183; Berka, Verfassungsrecht Rz 261. 168 Vgl dazu Schäffer, FS Starck 963.
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auch im Zusammenhang mit Staatsverträgen heranziehbar169 – kommt es auf den Einzelfall und insb darauf an, ob der Inhalt des Übereinkommens „konkret und klar genug“ formuliert ist, um unmittelbar Grundlage für weitere Vollziehungshandlungen einer zuständigen Behörde zu sein170. Nur dann, wenn für den Adressatenkreis bereits aufgrund des Inhalts klar und ausdrücklich ersichtlich ist, was „gesollt“ ist und damit auf den Willen der vertragsschließenden Parteien des Übereinkommens geschlossen werden kann, wird von einer unmittelbaren Anwendbarkeit im hier interessierenden Sinn ausgegangen werden können171. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ein Kooperationsübereinkommen, nur weil es idS als „self-executing“ angesehen werden kann, noch keinen Aufschluss über seinen Rechtscharakter zulässt. 4. Kundmachung und Inhalt als Abgrenzungsfaktor a) Grundlegendes zur Rsp der Höchstgerichte In der stRsp des VfGH zur Abgrenzung von Rechtsverordnungen gegenüber generellen Weisungen, insb Ministerialerlässen (sog „Verwaltungsverordnungen“)172 hat sich die durchaus diskussionswürdige Position verfestigt, dass bei der Beurteilung der Gesetzeskonformität von Rechts- und Verwaltungsverordnungen (generellen Weisungen) primär der Inhalt als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen ist173, während der Kundmachung ____________________
HA, vgl etwa Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 186; Öhlinger, Verfassungsrecht 7 Rz 119; Walter, Verfassungsrecht 185. 170 IdS Berka, Verfassungsrecht 274; VfSlg 12.558/1990. Diese Auslegung erscheint auch im Licht der EMRK geboten, die unzweideutig unmittelbar anzuwenden ist. Vgl zur Thematik Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 169; ausführlich Mayer, B-VG 4 136 ff; ferner Aichlreiter, Verordnungsrecht II 985 ff. 171 Vgl zB VfSlg 12.558/1990. 172 Nach stRsp des VfGH sind Verwaltungsverordnungen bestimmte generelle Vorschriften von Verwaltungsbehörden, die an unterstellte Verwaltungsbehörden adressiert sind (zB VfSlg 6278/1970). Nach Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 594, 1105 sind Verwaltungsverordnungen als rein verwaltungsinterne Normen mit generellem Adressatenkreis anzusehen, die Weisungen iSd Art 20 Abs 1 B-VG darstellen. Die Abgrenzung zur Rechtsverordnung bestimmt sich nach Ansicht des VfGH danach, ob diese Vorschrift geeignet ist, nach dem Inhalt und nach der Art ihrer Kundmachung zu bewirken, dass die Parteien ihr Verhalten danach einrichten (so etwa VfSlg 4108/1961, 4571/1963), dh ihre Rechtslage insofern gestaltet wird (VfSlg 17.023/2003). Kann eine Verwaltungsverordnung idS auch – und wenn auch nur in einzelnen Teilen (VfSlg 2715/ 1954) – als außenwirksame Verhaltensanordnung angesehen werden, unterliegt die gesamte Verordnung den einschlägigen Kundmachungsvorschriften (VfSlg 1636/1948 uvam; vgl auch Kahl/Weber, Allgemeines Verwaltungsrecht Rz 396; mwN Aichlreiter, Verordnungsrecht I 209). 173 Der VfGH geht in stRsp davon aus, dass Erlässe bei entsprechend imperativer Formulierung und bei umfassendem Geltungsanspruch gegenüber Dritten materiell nach außen wirken können und daher gegebenenfalls von einer Rechtsverordnung auszugehen 169
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als solcher, dh dem Publizitätserfordernis nur begrenzte Bedeutung zukommt174. Dass Rechtsverordnungen grundsätzlich kundzumachen sind, ergibt sich nach hA aus den Art 89 Abs 1 und 139 Abs 3 lit c B-VG175 bzw aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Bundesverfassung176. Im Lichte dessen lässt sich festhalten, dass der VfGH – ohne explizit zu differenzieren – nicht nur „[zumindest] gehörig kundgemachte“ Rechtsverordnungen, wie ein unbefangener Blick in die §§ 4 Abs 1 BGBlG, 2 Abs 1 Z 3 Oö KundmachungsG oder § 22 Abs 3 FMABG nahe legt – denn nur Rechtsverordnungen sind (im BGBl oder LGBl) kundzumachen –, sondern auch [zumindest] gehörig kundgemachte „Verwaltungsverordnungen“177 seinem Kontrollmonopol iSd Art 139 B-VG zurechnet178. Die nachfolgend anzustellenden Überlegungen sind grundsätzlich auch für die Prüfung der Rechtskonformität von Kooperationsübereinkommen iSd § 77a BWG durch den VfGH von Bedeutung, da gemäß Art 140a B-VG die in Art 139 B-VG statuierten Grundsätze, wenn auch modifiziert, bei der Prüfung von Staatsverträgen iSd Art 66 Abs 2 B-VG anzuwenden sind179. In einer jüngst ergangenen Entscheidung zum sog „QualitätsnachweisErlass“ des damaligen BMGF180 stellte der VfGH unter Verweis auf seine stRsp181 fest, dass der Erlass schon durch seine Versendung an alle LH ein bestimmtes Maß an Publizität erlangt und insofern Eingang in die Rechtsordnung gefunden hat. Problematisch war in diesem Fall, dass der Erlass, ____________________
sei. Vgl statt vieler B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 772; Kahl/Weber, Allgemeines Verwaltungsrecht Rz 395; VfGH 08.06.06, V 4/06; VfGH 28.02.2007, V 97/06. Zum Ganzen ausführlich Aichlreiter, Verordnungsrecht I 197 ff. 174 Vgl auch B. Raschauer, FS Schäffer 699. 175 ZB Berka, Verfassungsrecht Rz 667; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 602; Mayer, B-VG 4 145. Ohne Kundmachung liegt daher überhaupt keine Verordnung im Rechtssinn vor (vgl Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer aaO). 176 ZB Rill, Art 18 Rz 75 in Rill/Schäffer (Hrsg), Bundesverfassungsrecht (ab 2001); Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 165; so auch die stRsp des VfGH (zB VfSlg 12.281/1990, 12.744/1991). Lienbacher (in Jahnel, Zugang zu Wirtschaftsdaten [1994] 48 mwN) sieht die Kundmachungspflicht als Bestandteil der verfassungsrechtlichen Grundordnung iSd Art 44 Art 3 B-VG an; vgl auch Thienel, Art 49 Rz 5 in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht. S dazu weiters FN 226. 177 Dies liegt nach hA dann vor, wenn sie ein Mindestmaß an Publizität Vgl Aichlreiter, Verordnungsrecht I 179 ff (183). Vgl ferner Hattenberger, Zur Grenzziehung zwischen Verordnung und Nicht-Verordnung, ZfV 2001, 546 (557). 178 Vgl etwa Aichlreiter, Art 139 B-VG Rz 4 in Rill/Schäffer, Bundesverfassungsrecht; Berka, Verfassungsrecht Rz 669; Rill, Art 18 Rz 75 in Rill/Schäffer, Bundesverfassungsrecht; Klecatsky/Morscher, B-VG 3 (1982) 641; Walter, Verfassungsrecht 732 FN 4; VfSlg 8602/1979. 179 Vgl zB Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 188. 180 V 105/05 zum Erlass des BMGF vom 09.03.2005, GZ BMGF 92266/0049-I/B/6/ 2004. 181 Vgl zB VfSlg 14.154/1995, 15.189/1998, 16.767/2002.
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den der VfGH aufgrund seines Inhalts als Rechtsverordnung qualifizierte, nicht gesetzeskonform kundgemacht worden war (§ 4 Abs 1 BGBlG) und den VfGH gemäß Art 139 Abs 3 lit c B-VG zur Aufhebung des Erlasses veranlasste, soweit der GH dessen Gesetzwidrigkeit feststellte182. Problematisch an der durch den VfGH vorgenommenen Auslegung des Worts „Verordnung“ in Art 139 B-VG ist zunächst, dass sie darauf schließen lässt, die Verfassung verwendet den Verordnungsbegriff in verschiedener Weise. Dafür lassen sich aber, unbeachtet des Art 139 B-VG, weniger historische oder systematische, sondern – wie noch zu erläutern sein wird – insb teleologische Argumente ins Treffen führen. Der Rechtssicherheit ist diese Differenzierung gewiss nicht förderlich. – In den Art 78c Abs 2183 oder 118 Abs 6184 B-VG kommt zunächst zum Ausdruck, dass kraft der dort vorgesehenen Verordnungsermächtigungen Rechtsverordnungen zu erlassen sind. – Auch die Notverordnungskompetenz des BP und der LReg stellt auf die Erlassung von Rechtsverordnungen ab (Art 18 Abs 3, 25 Abs 2, 97 Abs 3 B-VG). – Die Anordnung einer Volksabstimmung durch den BP (Art 46 Abs 3 B-VG) oder die Anordnung der Wahl des BP durch die BReg (Art 64 Abs 4 B-VG) stellt ebenfalls eine Rechtsverordnung dar. – Ähnlich ist wohl auch Art 11 Abs 3 B-VG auszulegen, der die Zuständigkeit zur Erlassung von Durchführungsverordnungen iSd Art 18 Abs 2 B-VG in Angelegenheiten, in denen ihm bloß die Gesetzgebungskompetenz zukommt (etwa Tierschutz), dem Bund zuweist. – Im Zusammenhang damit zeigt sich dann, dass das B-VG bspw in Art 81a Abs 3 lit c hinsichtlich der Aufgaben der Schulbehörden ausdrücklich zwischen Rechtsverordnung und allgemeiner Weisung iSd Art 20 Abs 1 B-VG („Verwaltungsverordnung“) differenziert. Es lässt sich somit bei systematischer Interpretation der Verfassung mit gutem Grund vertreten, dass dem B-VG ein bestimmter Verordnungstypus als Rechtsbegriff, die Rechtsverordnung als generelle Rechtssatzform der Verwaltung zugrunde liegt, die dann anzuwenden ist, wenn außen____________________
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Vgl nunmehr auch VfGH 28.02.2007, V 97/06. Die Errichtung und nähere territoriale Organisation der BPD hat durch verfassungsunmittelbare VO der BReg zu erfolgen. Vgl dazu Hauer, Art 78c B-VG Rz 5 in Rill/Schäffer, Bundesverfassungsrecht. 184 Ortspolizeiliche VO der Gemeinden stellen jedenfalls Rechtsverordnungen dar: Art 118 Abs 6 B-VG ermächtigt die Gemeinden, zur Abwehr drohender oder bereits eingetretener (konkreter) Missstände VO zu erlassen, etwa in Bezug auf die Haltung von Hunden. S zum Ganzen Mayer, B-VG 4 383; Stolzlechner, Art 118 B-VG Rz 31 ff in Rill/ Schäffer, Bundesverfassungsrecht; Herbrüggen et al, Österreichisches Tierschutzrecht I 2 (2006) 17; Mitgutsch, Die Kampfhunderegelung des § 81 StGB, JSt 2005, 111. 183
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wirksame normative Rechtssetzung gesollt ist und die wiederum von der (gegebenenfalls generellen) Weisung („Verwaltungsverordnung“) als verwaltungsinternes Steuerungsinstrument iSd Art 20 Abs 1 B-VG abzugrenzen ist185. Die oben skizzierte Problemlage wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass der VwGH Beschwerden gegen Weisungen (Verwaltungsverordnungen) nur in einem Fall, nämlich gemäß Art 130 Abs 1 lit b iVm Art 81a Abs 4 B-VG zu behandeln und er – in gegenteiliger Position zum VfGH – nicht gehörig kundgemachte Verordnungen mangels Verbindlichkeit nicht anzuwenden hat (vgl Art 89 Abs 1 B-VG, 135 Abs 4 B-VG)186. Er sieht sich nach stRsp in diesen Fällen auch nicht befugt, einen Überprüfungsantrag iSd Art 139 B-VG an den VfGH zu stellen187. Ein Teil des Schrifttums knüpft nun an diese Differenzierung an und geht konsequenterweise davon aus, dass Verwaltungsverordnungen, wenn sie als generelle Weisungen iSd Art 20 Abs 1 B-VG anzusehen sind, unabhängig von ihrem Inhalt der Kontrolle des VfGH entzogen sind188. Bei materieller Betrachtung der Rsp des VfGH zeigt sich freilich, dass der vom GH eingeschlagene Weg in teleologischer Hinsicht durchaus beachtlich ist. Dies zeigt sich am Beispiel behördlicher (Ministerial-)Enunziationen, die grundrechtsensible Bereiche berühren, wie dies etwa im sog „Transsexuellenerlass“ des BMI im Hinblick auf Art 8 EMRK der Fall war189. Die Behörde, die sich der generellen Weisung als verwaltungsin____________________
185 IdS – zu einer ähnlichen Konstellation – Wiederin in Arnold (Hrsg), FS Wimmer (2008) 719. Im Lichte dessen kann daher die begründete Vermutung geäußert werden, dass der Verfassungsgesetzgeber gleiche Begriffe an verschiedenen Stellen der Rechtsordnung in derselben Bedeutung gebraucht. Vgl B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 41; Wessely, Parteistellung 21 FN 58. 186 In stRsp geht der VwGH davon aus, dass Erlässen keine Außenwirksamkeit zukommt (stRsp seit VwSlg 81 F/1949) und sie für ihn nicht weiter verbindlich sind (krit statt vieler Aichlreiter, Verordnungsrecht I 202 ff; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 165 f mwN). Vgl dazu weiters B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 772 mwN. Antoniolli/Koja (Allgemeines Verwaltungsrecht 3 166 mwN) gehen davon aus, dass fehlerhaft kundgemachte Rechtsverordnungen im Licht des Art 139 Abs 3 lit c B-VG sehr wohl anzuwenden und daher beachtlich sind, bis sie der VfGH aufgehoben hat. Man könnte freilich in Art 139 Abs 3 lit c B-VG auch eine Ausnahme zu Art 89 Abs 1 B-VG dahingehend sehen, die den VfGH im Gegensatz zu anderen Gerichten gerade aus rechtsstaatlichen Erwägungen auch zur Überprüfung gehörig (aber nicht gesetzeskonform) kundgemachter Verordnungen berechtigt: Dafür spricht zumindest, dass Art 135 Abs 4 iVm Art 89 Abs 1 B-VG nur für den VwGH, nicht aber auch für den VfGH gilt. Zwingend ist freilich auch diese Annahme nicht: Vgl statt vieler Wiederin, FS Wimmer 721 f mwN. 187 ZB VwGH 22.11.2000, 99/12/0116. 188 Vgl Walter, ÖJZ 1965, 29, 36; ders, Verfassungsrecht 414, 732; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 165; Mayer, B-VG 4 466; Öhlinger, Verfassungsrecht 7 Rz 1005. 189 Transsexuellen-Erlass des BMI vom 27.11.1996, 36.250/66-IV/4/96 über die personenstandsrechtliche Stellung Transsexueller.
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ternes Steuerungsinstrument bedient und eben dieses „missbraucht“, um eine für die Rechtsunterworfenen bindende Gesetzesauslegung bekannt zu geben, wird durch die Rsp des VfGH – wenn auch pro futuro – angehalten, die „richtige“ Rechtssatzform zur außenwirksamen normativen Regelung einer Angelegenheit zu verwenden190. Es darf allerdings in formaler Hinsicht nicht übersehen werden, dass die in Rede stehende verfassungsgerichtliche Auslegung des Art 139 Abs 1 iVm Abs 3 lit c B-VG und die regelmäßige prozessuale Vorgangsweise des VfGH nur dann überzeugen kann, wenn man entgegen der zuvor erörterten Ansicht davon ausgeht, dass der Begriff „Verordnung“ iSd Art 139 B-VG im Gegensatz zu den sonstigen im B-VG erfassten Anknüpfungspunkten an die „[Rechts-]Ver-ordnung“ primär nach materiellrechtlichen Gesichtspunkten abzugrenzen ist191, daher grundsätzlich auch (gehörig kundgemachte) „Verwaltungsverordnungen“ erfasst und insofern nicht auf einen bestimmten Rechtsformentyp, nämlich Rechtsverordnungen beschränkt bleibt192. Diese Auslegung ermöglicht nämlich in rechtsstaatlicher Hinsicht eine umfassende Überprüfung des Verhaltens der Staatsverwaltung193. Allerdings kann diese Ansicht in systematischer Hinsicht nicht restlos überzeugen. Sie bleibt gezwungenermaßen ein „teleologischer Kunstgriff“. Sie kann – trotz der aus rechtsstaatlicher Sicht nicht zu leugnenden Notwendigkeit einer umfassenden Überprüfung jeglichen hoheitlichen Handelns – nicht darüber hinwegtäuschen, dass das B-VG die höchstgerichtliche Kompetenz zur Kontrolle genereller Weisungen, ungeachtet deren Inhalts, nur in einem Fall (Art 130 Abs 1 B-VG) ausdrücklich vorsieht, in allen anderen Fällen dazu aber schweigt. Es ist daher Sache des Verfassungsgesetzgebers, bestehende Zweifel zu beseitigen und dem VfGH auch die ausdrückliche Kompetenz zuzuweisen, „Verwaltungsverordnungen“ (Weisungen) auf ihre Gesetzeskonformität zu kontrollieren. ____________________
190 Ähnliche Überlegungen stellt schon B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 773 an und spricht in diesem Zusammenhang von „Formenmissbrauch“. 191 Grundlegend wohl Kelsen/Froehlich/Merkl, Bundesverfassung (1922) 253; idS weiters Aichlreiter, Verordnungsrecht I 230, 244 mwN, 450; Hengstschläger in K. Korinek (Hrsg), FS Wenger (1983) 513; Ringhofer, Zur Rechtsüberleitung reichsdeutscher Erlässe, JBl 1953, 591 (592 ff ). 192 Bedenkt man, dass der VfGH auch bei der Behandlung von Beschwerden iSd Art 144 B-VG primär nach inhaltlichen Kriterien abwägt, ob ein Rechtsakt einen Bescheid darstellt oder nicht (vgl zB Mayer, B-VG 4 501, Potacs/Hattenberger, Art 144 Rz 9 in Rill/ Schäffer, Bundesverfassungsrecht; Öhlinger, Verfassungsrecht 7 Rz 1050; Thienel, Verwaltungsverfahren 4 53; B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 877), ergibt sich ein ähnliches und insofern stringentes Bild: Auch in diesem Zusammenhang differenziert der VfGH primär nach teleologischen (Rechtsschutz-)Erwägungen, formelle Aspekte treten in den Hintergrund. 193 IdS Kelsen/Froehlich/Merkl, Bundesverfassung 253; Aichlreiter, Verordnungsrecht I 230.
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b) Übertragung auf § 77a BWG Überträgt man den vom VfGH vertretenen Standpunkt, dass für die Qualität eines außenwirksamen Rechtsakts weniger der generelle Adressatenkreis, die äußere Bezeichnung194 und grundsätzlich auch nicht die Art der Kundmachung, sondern insb der Inhalt des Verwaltungsakts ausschlaggebend ist195, auf die vorliegende Situation, zeigt sich, dass primär der Inhalt einer Kooperationsvereinbarung für die Bestimmung seines Rechtscharakters maßgebend ist. Die Richtigkeit dieses Ansatzes bestätigt sich bei Betrachtung des § 5 Abs 1 Z 1 BGBlG, wonach, wie bereits ausgeführt, alle Staatsverträge im BGBl kundzumachen sind196. Keines der bisher abgeschlossenen Kooperationsabkommen nach BWG ist im BGBl oder in einem sonstigen allgemein zugänglichen Medium veröffentlicht worden197. Zu beachten bleibt, dass auch keine andere Form der Veröffentlichung der in Rede stehenden Abkommen angeordnet wurde (§ 5 Abs 3 Z 1 BGBlG), obwohl nur ein eingeschränkter Personenkreis von einem Kooperationsabkommen iSd § 77a BWG tatsächlich „betroffen“ ist198. Dann sind zur weiteren Untersuchung die oben kurz umrissenen, vom VfGH zur gesetzeskonformen Kundmachung von Verordnungen entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Dabei zeigt sich, dass ein Rechtsakt vom VfGH, einen bestimmten Inhalt vorausgesetzt, bereits dann als kundzumachende Verordnung (Art 89 Abs 1, 139 Abs 3 lit c B-VG) eingestuft wird, wenn er ein Mindestmaß an Publizität erreicht hat, der Rechtsakt daher Bestandteil der Rechtsordnung geworden ist199. Ob dieses Mindestmaß im Fall der Kooperationsübereinkommen gegeben ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Legt man aber die im Erk V 105/05 entwickelten Maßstäbe der hier interessierenden Konstellation zugrunde, könnte von einem „Kundmachungsminimum“ iSd Diktion der VfGH und damit ver____________________
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Vgl zur Verordnungsqualität eines „Leitfadens“ VfSlg 15.189/1998. Anschaulich VfGH 15.03.2006, V 105/05; ähnlich VfGH 08.06.06, V 4/06. Vgl auch Kahl/Weber, Allgemeines Verwaltungsrecht Rz 395. 196 Vgl Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 234 f. Anders die alte Rechtslage, wonach Verwaltungsübereinkommen nicht zu veröffentlichen waren (§ 2 Abs 1 lit b BGBlG idF BGBl 1985/200; vgl Walter/Mayer, Verfassungsrecht 7 [1992] Rz 234). Seit der Nov durch das BG BGBl 1996/660 sind grundsätzlich alle Staatsverträge im BGBl kundzumachen (§ 2 Abs 5 Z 1 BGBlG 1996 bzw nunmehr § 5 Abs 1 Z 1 BGBlG 2004). 197 So eine Auskunft der FMA im Jänner 2008. Von der rechtlichen Existenz der Kooperationsübereinkommen iSd § 77a BWG weiß man darüber hinaus, da sie in den gängigen Jahresberichten der FMA und auf der HP der Behörde „erwähnt“ wurden. 198 Dabei handelt es sich im Zweifel um die Organwalter der FMA und jene der anderen Aufsichtsbehörden, nicht aber auch um sonstige Dritte. 199 Krit Wiederin, FS Wimmer 722 f. 195
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knüpft von einem publikationspflichtigen Kooperationsabkommen iSd Art 89 Abs 1, 139, 140a B-VG bereits dann gesprochen werden, wenn der BMF das abgeschlossene Abkommen an die FMA, die OeNB und andere Stellen (bspw mittels Rundschreibens) zur Information übermittelt oder die FMA als Normadressat in sonstiger Weise ausreichende Kenntnis vom Norminhalt erlangt hat200. Diese Auslegung bedingt, dass die FMA an Übereinkommen gebunden ist und sie anzuwenden hat. Dann liegt es aber auch nahe, davon auszugehen, dass der VfGH ein Kooperationsabkommen gegebenenfalls einem Überprüfungsverfahren nach Art 140a B-VG unterziehen könnte. Die Kundmachungspraxis gibt daher zusammengefasst wenig Aufschluss, welche Rechtssatzform im gegenständlichen Zusammenhang vorliegt. Betrachtet man den gängigen Inhalt eines Kooperationsübereinkommens, ergibt sich, wie bereits oben ausgeführt wurde, folgendes Bild: Verwaltungsübereinkommen sollen bestehende Grundlagen für die gemeinschaftsrechtlich vorgezeichnete und die kraft innerstaatlicher Ausführungsgesetzgebung näher determinierte grenzüberschreitende Zusammenarbeit einerseits und für die Weitergabe (Übermittlung) oder Empfangnahme spezifischer Informationen, die für die Durchführung der grenzüberschreitenden Bankenaufsicht von zentraler Relevanz sein können, andererseits präzisieren201. Daher darf bei Auslegung der gängigen zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht übersehen werden, dass die Mitgliedstaaten bereits aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen, die aus der BARL resultieren, angehalten sind, jenes gesetzliche Rahmenwerk zu schaffen, das eine grenzüberschreitende Kooperation und einen Informationsaustausch hinsichtlich bestimmter, in der BARL ausdrücklich genannter Datenfelder ermöglicht. Insofern kann in einem Kooperationsübereinkommen nur das vereinbart und konkretisiert werden, was die gemeinschaftliche und die nationale Gesetzgebung an normativen Grundlagen geschaffen hat. Anders gewendet bedeutet das, dass ein Abkommen keine Basis dafür darstellen kann, fehlende Aufsichtsbefugnisse zu kreieren oder zu erweitern202. Ähnlich wird das offensichtlich auch in der Praxis gesehen, wenn die FMA in ihrem Jahresbericht 2005203 ausführt, dass durch die in Rede stehenden Abkommen „der gesetzlich bestehende Aufsichtsrahmen der Behörde nicht verändert wird“. Durch ein Kooperationsabkommen iSd § 77a BWG werden somit „nur“ technische Fragen bzw Felder der Zusammenarbeit defi____________________
200 Zu letzterer Konstellation vgl zB VfSlg 11.624/1989. Krit dazu Wiederin, FS Wimmer aaO. 201 Vgl auch EBRV 94 BlgNR 20. GP 44. 202 IdS auch Beck, § 7 WpHG Rz 7 in Schwark, Kapitalmarktrecht. 203 Vgl FN 52.
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niert204, aber keine subjektiven Rechte Einzelner begründet, beschränkt oder gar neue Pflichten Dritter festgesetzt. Aus einer entsprechenden Vereinbarung kann daher grundsätzlich auch kein unmittelbarer Grundrechtseingriff abgeleitet werden, da etwa Eingriffe in die Informationsfreiheit (Art 8 Abs 1 EMRK) oder in das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG 2000) konkrete Folge einer einzelnen behördlichen Ermittlungs- oder Vollziehungshandlung sind, die gegebenenfalls auf diese Vereinbarung gestützt werden. Ein Übereinkommen zeichnet sich daher gerade durch das Gegenteil aus, weil es den Ermessensspielraum der Behörde beschränkt. Dabei darf nicht übersehen werden, dass der BMF dann, wenn er Kooperationsübereinkommen schließt, für die FMA in verbindlicher und verhaltenssteuernder Art und Weise jene Themenfelder definiert, in denen eine verstärkte Zusammenarbeit erfolgen soll und dabei auch klarstellt, welche der gemeinschaftsrechtlich und innerstaatlich positivierten Informationen zwischen den einzelnen Aufsichtsbehörden geteilt werden sollen. Soweit die hier interessierenden Kooperationsübereinkommen – wie in der gängigen zwischenstaatlichen Praxis üblich205 – dazu dienen, die Zusammenarbeit zwischen mehreren europäischen Aufsichtsbehörden für einen konkreten Fall auf eine normative Grundlage zu stellen, dh hinsichtlich zweier oder mehrerer Staaten einvernehmlich festzulegen und dabei bloß die Zusammenarbeit hinsichtlich derjenigen Themenbereiche und für bestimmte Anlassfälle der Austausch einzelner Informationen präzisiert wird, die gemeinschaftsrechtlich bereits vorgezeichnet (Art 42 BARL) und innerstaatlich umgesetzt wurden (§ 77, 77a BWG), wird davon auszugehen sein, dass der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung in Form eines „verordnungskoordinierten Staatsvertrags“ im Ergebnis als noch ausreichend zu erachten ist. Dies ua deswegen, weil in den Abkommen – entsprechend den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben – zumeist festgehalten wird, dass die aufsichtsbehördliche Zusammenarbeit bzw der Informationsaustausch nur entsprechend den gemeinschaftsrechtlich vorgezeichneten und innerstaatlich übernommenen Bedingungen (vgl § 77a Abs 1 BWG) erfolgen darf. Etwa, wenn der Informationsaustausch aufsichtsrechtlich erforderlich ist und bestehende Geheimnisschutzvorschriften nicht verletzt werden. Anders gewendet gilt ein insoweit konkretisierendes Kooperationsübereinkommen solange nicht als gesetzesändernd und bedarf daher nicht der Zustimmung des NR, als die in einem Kooperationsübereinkommen präzisierte aufsichtsbehördliche Zusammenarbeit den gemeinschaftsrechtlich und innerstaatlich vorgegebenen Rahmen nicht überschreitet. Wenn der FMA daher keine Ermächtigung zukommt, zu____________________
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EBRV 57 BlgNR 21. GP 28. Vgl stellvertretend das bereits mehrfach zitierte MoU der BaFin und der CBS (FN 43).
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sätzliche (nicht in der Basisrichtlinie oder im nationalen Ausführungsgesetz genannte) Informationen zu verarbeiten und zu übermitteln oder hinsichtlich anderer nicht durch die BARL vorgegebener Bereiche mit europäischen Aufsichtsbehörden zusammenzuarbeiten, kann mE noch nicht von einem gesetzesergänzenden bzw gesetzesändernden Staatsvertrag gesprochen werden. Dass die FMA in Übereinkommen verpflichtet wird, die gemeinschaftsrechtlich vorgezeichneten Informationen bei Vorliegen der zuvor genannten Voraussetzungen (ausreichender Geheimnisschutz, aufsichtsrechtliche Erforderlichkeit und dgl) auszutauschen und in einzelnen, ebenfalls gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Feldern mit anderen Aufsichtsbehörden zusammenzuarbeiten, ist zum einen zur Erfüllung der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts erforderlich, stellt zum anderen aber nach hier vertretener Fassung noch keine Änderung, sondern allenfalls eine Konkretisierung bestehender gesetzlicher Vorschriften des BWG dar206. Wollte man freilich entgegen dem Willens des Gesetzgebers und entgegen der Systematik und den Zielen des Gemeinschaftsrechts207 davon ausgehen, dass der Abschluss entsprechender Kooperationsübereinkommen, durch welche die verbindliche Zusammenarbeit mehrerer Aufsichtsbehörden in verschiedenen Themenbereichen festgelegt wird, eine Ergänzung oder Änderung bestehender gesetzlicher Regelungen darstellt, wäre konsequenterweise davon auszugehen, dass dem BMF keine Kompetenz zum Abschluss dieser Vereinbarungen mehr zukommt. c) Ergebnis Zieht man den Inhalt und die gängige Form der Veröffentlichung eines Kooperationsabkommens als Betrachtungsmaßstab heran, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass Abkommen iSd § 77a BWG, soweit sie – wie im Regelfall – unmittelbar anzuwenden sind, verordnungskoordinierte Staatsverträge darstellen. Für diese Auslegung sprechen im Licht der Systematik und der Zielvorstellungen des Gemeinschaftsrechts sowie der Materialien zu den einschlägigen BWG-Novellen die besseren Gründe. Für die Annahme einer rein verwaltungsintern wirkenden Verwaltungsverordnung bleibt insofern kein Raum. ____________________
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IdS wohl auch EBRV 94 BlgNR 20. GP 44. Auch aus der BARL kann mit hinreichender Deutlichkeit die Zielvorstellung abgeleitet werden, dass Kooperationsvereinbarungen die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsbehörden optimieren, bestehende gesetzliche Regelungen aber nicht verändern sollen. Das wäre mit dem von der BARL verfolgten Grundsatz der Mindestharmonisierung nicht mehr vereinbar. Lediglich in einem Fall kann darauf geschlossen werden, dass das Gemeinschaftsrecht die Aufsichtsbehörden anhält, Kooperationsübereinkommen zu schließen, die bestehende nationale rechtliche Hindernisse beseitigen sollen. Vgl oben III.B.2. 207
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V. Probleme in der Praxis In weiterer Folge sollen einzelne praktische Probleme angesprochen und erörtert werden, die sich im Zusammenhang mit dem Abschluss von Kooperationsabkommen stellen. Zu denken ist dabei zunächst an die Frage, ob der BMF die Kompetenz zum Abschluss eines Übereinkommens an andere Organe delegieren kann, da ja nicht er, sondern die FMA für die Beaufsichtigung der Tätigkeit der KI und für die Vollziehung der Kooperationsübereinkommen iSd § 77a BWG zuständig ist (unten A.). Darüber hinaus wird zu beleuchten sein, welche Konsequenzen damit verknüpft sind, wenn ein unzuständiges Organ ein Abkommen iSd § 77a BWG abschließt und es in gesetzwidriger Form kundgemacht wird (unten B.). A. Delegation der Abschlusskompetenz zulässig? Die §§ 2 Abs 1 FMABG und 69 Abs 1 BWG normieren, dass der FMA die sachliche Zuständigkeit zur Beaufsichtigung der in Österreich tätigen KI zukommt. Bedenkt man weiters, dass die Mehrzahl der derzeit geltenden Kooperationsabkommen von der FMA, nicht aber, wie es § 77a BWG nahe legt, vom BMF abgeschlossen wurden208, stellt sich in diesem Zusammenhang unter Effizienzgesichtspunkten die Frage, ob auf Basis der geltenden Rechtslage Möglichkeiten bestehen, die Vertragsabschlusskompetenz gänzlich auf die FMA zu übertragen, wenn man die Möglichkeit einer Änderung der Verfassung und des § 77a BWG vorerst außer Betracht lässt209. Zu denken ist dabei zunächst an die Möglichkeit der Delegation der Abschlusskompetenz vom BMF auf die FMA, dh an die Übertragung mittels Rechtsverordnung210. Dies ist aus mehreren Überlegungen heraus nicht zulässig. Streng genommen liegt nämlich schon dann, wenn der BP ____________________
208 IdS könnten die Angaben der FMA in ihrem Jahresbericht 2005 auszulegen sein (FN 52). Dies bestätigt auch eine Auskunft der FMA im Jänner 2008. 209 Nicht übersehen wird, dass das Völkervertragsrecht grundsätzlich die Möglichkeit kennt, dass sich ein Staat – bzw das gesetzlich zum Abschluss bevollmächtigte Organ – zur Vornahme von Handlungen im Vertragsabschlussverfahren durch bestimmte Einzelpersonen vertreten lassen kann, soweit diese dazu bevollmächtigt sind (vgl Art 2 Abs 1 lit c WVK; vgl Fischer/Köck, Völkerrecht 6 Rz 211). So mag es zulässig sein, dass ein Mitarbeiter der FMA in Vertretung des ressortzuständigen BM an den Verhandlungen teilnimmt. Seine Handlungen sind dann aber dem zum Abschluss des Vertrages ermächtigten BM – stellvertretend für die Republik Österreich – nicht aber der FMA zuzurechnen. Insoweit bietet die WVK keine rechtliche Grundlage dafür, dass die FMA anstelle des BMF zum Vertragsschluss ermächtigt wird. 210 Vgl B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 165; Walter/Mayer/KucskoStadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 595; VfSlg 3157/1957.
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den ressortzuständigen BM mittels Entschließung BGBl 1921/49 zum Abschluss von Verwaltungsübereinkommen ermächtigt, eine verfassungsgesetzlich ausdrücklich vorgesehene Delegation vor211. Art 66 Abs 2 B-VG definiert in diesem Zusammenhang, an welche Organe der BP seine prinzipielle Zuständigkeit zum Abschluss von Staatsverträgen übertragen kann (BReg, einzelne BM). Anders gewendet kann vertreten werden, dass Art 66 Abs 2 damit den Rahmen vorgibt, innerhalb dessen der BP, nicht aber auch ein anderes Organ die Abschlusskompetenz delegieren kann. Darüber hinaus fehlt auch eine sonstige ausdrückliche (verfassungs-)gesetzliche Grundlage, die eine erneute Übertragung der Abschlusskompetenz von einem Organ, dass seinerseits durch die Entschließung BGBl 1921/49 ermächtigt wurde, auf ein anderes für zulässig erklären würde212. Für eine „Subdelegation“ zwischen BMF und FMA ist insofern kein Raum, es gilt der allgemeine Grundsatz „potestas delegata non delegatur“ 213. Auch kann der geltenden Rechtsordnung keine Regelung (iS einer „unechten Delegationsermächtigung“ oder eines „zwischenbehördlichen Mandats“) entnommen werden, welche die FMA ermächtigen würde, Übereinkommen „im Namen des BM“ abzuschließen214. Mag dies in praktischer Hinsicht nahe liegen, kann der FMA derzeit keine Abschlusskompetenz übertragen werden, solange die einschlägige Rechtsordnung nicht geändert wird. Darüber hinaus könnten neben der bereits angedeuteten Erwägung, dass die Verfassung den Abschluss von Staatsverträgen ausdrücklich den obersten Organen der Bundes- und Landesverwaltung vorbehalten hat (Art 16, 65 und 66 B-VG), auch andere verfassungsrechtliche Überlegungen gegen eine Übertragung an die FMA sprechen. Der VfGH hat in VfSlg 16.995/2003 anklingen lassen, dass der Übergang der Kompetenz zur Erlassung genereller Normen auf ausgegliederte Rechtsträger und Beliehene nicht jedenfalls, sondern nur unter gewissen Voraussetzungen zulässig ist. Im zitierten Erk führt der GH im Anschluss an seine bekannte „Ausgliederungsjudikatur“215 aus, dass die Übertragung von Hoheitsauf____________________
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Vgl Walter, Verfassungsrecht 175. Dass eine solche jedenfalls erforderlich wäre, ergibt sich schon aus der hL (vgl FN 210). IdS allgemein Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht 10 Rz 225. Vgl zu einer ähnlichen Konstellation VwSlg 4497 A/1963. 214 Hinsichtlich zwischenbehördlicher Mandate ist festzuhalten, dass diese nach hA nur zugunsten „nachgeordneter Dienststellen“ erteilt werden können (vgl B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 166) – als solche ist die FMA im Hinblick auf § 1 Abs 1 FMABG nicht anzusehen – und die hier in Rede stehenden Mandate grundsätzlich nur zur bescheidmäßigen Erledigung einer Rechtssache ermächtigen, nicht aber auch zur Erlassung einer VO „im Namen eines anderen Organs“ (vgl zB § 101 Abs 3 WRG, § 3 Abs 1 B-GAG). 215 Insb VfSlg 14.473/1996, 16.400/2001.
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gaben auf ausgegliederte Rechtsträger nur hinsichtlich „vereinzelter Aufgaben“216 zulässig ist. Daraus folgt, dass ausgegliederten Rechtsträgern grundsätzlich auch die Befugnis zur Erlassung genereller Normen eingeräumt werden kann, was sich ua aus der Aussage des GH ergibt, wonach „die Verfassung die Übertragung der Verordnungserlassung an einen Beliehenen nicht schlechthin ausgeschlossen [hat]“. Unzulässig ist der Übergang dann, wenn er sich in einem „Kerngebiet“ der Staatsaufgaben bewegt, die der VfGH als „ausgliederungs- bzw übertragungsfest“ ansieht. Darunter sind gemäß VfSlg 16.995/2003 auch die außenpolitischen Beziehungen zu anderen Staaten zu zählen217. Wenn idS aber bereits die Verordnungserlassungskompetenz nicht jedenfalls, sondern nur unter eingeschränkten Voraussetzungen auf Beliehene und ausgegliederte Rechtsträger übertragen werden darf, müsste konsequenterweise, wenn man die Aussagen des VfGH in VfSlg 16.995/2003 zugrunde legt, iS eines „argumentum a minori ad maius“ wohl auch davon ausgegangen werden, dass erst recht Staatsverträge „übertragungsfest“ sind, da ihnen aus Sicht der Praxis größere völkerrechtliche Bedeutung zukommt als innerstaatliche Durchführungsverordnungen (Stichwort „außenpolitische Sensibilität“). Das würde bedeuten, dass der einfache Gesetzgeber die FMA auch aus diesem Grund nicht ermächtigen darf, simple Kooperationsvereinbarungen iSd § 77a BWG abzuschließen. Im Hinblick auf Verwaltungsübereinkommen ist diese Annahme nicht wirklich zwingend. Betrachtet man nämlich den Inhalt einer solchen Übereinkunft, in der es „nur“ um die nähere Determinierung der gemeinschaftsrechtlich bereits vorgezeichneten und innerstaatlich näher ausgeführten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs geht, nicht aber auch darum, außenpolitisch sensible Maßnahmen zu setzen wie etwa Stromimportverbote auszusprechen, die zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Beziehungen Österreichs zu einem Drittstaat führen können, erscheint ein Denken in Kategorien von Kernaufgaben und der Übertragung bloß vereinzelter Aufgaben nicht angebracht. ____________________
216 Zur Auslegung des Begriffes „vereinzelte Aufgaben“ vgl statt vieler Kucsko-Stadlmayer, 15. ÖJT I/1 85 f; jüngst dazu Lachmayer, Ausgliederungen und Beleihungen im Spannungsfeld der Verfassung, JBl 2007, 750. 217 Im Anlassfall hatte § 13 Abs 2 ElWOG idF BGBl I 2000/121 die E-Control GmbH zur Erlassung einer VO ermächtigt, mit der eine Einfuhrsperre für elektrische Energie aus anderen Staaten verhängt werden konnte. Eine solche Einfuhrsperre stellt(e) nach Ansicht des GH eine völkerrechtliche Maßnahme dar, die zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Beziehungen Österreichs zu einem Drittstaat führen kann (konnte). Eine Ermächtigung zur Erlassung von Verordnungen solchen Inhalts an einen ausgegliederten Rechtsträger überstieg den verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen und war daher im Anlassfall aufzuheben. Wie eng oder wie weit dieser Rahmen zu ziehen ist, hat der GH im zitierten Erk nicht näher definiert und hängt offensichtlich vom Einzelfall ab.
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B. Konsequenzen der Rechtswidrigkeit eines Kooperationsübereinkommens In der Praxis wird sich des Öfteren die Frage stellen, welche Konsequenzen eintreten, wenn ein Übereinkommen iSd § 77a BWG nicht in der Form abgeschlossen wird, wie es gesetzlich vorgesehen ist. Im Hinblick auf die Art 139 und 140a B-VG über die Prüfung von Staatsverträgen scheint es nahe zu liegen, diese Konstellationen allgemein mit „rechtswidrig“ zu umschreiben218. IdS können Probleme auf mehreren Ebenen des Abschlussverfahrens iSd § 77a BWG auftreten. Exemplarisch seien genannt219: – Bei der Einleitung des Verfahrens, wenn etwa kein akkordierter Vorschlag der FMA und der OeNB vorliegt und der BMF Abkommen eigenmächtig abschließt. – Beim Abschluss des Abkommens, wenn das Übereinkommen von einem sachlich unzuständigen Organ abgeschlossen wird. – Wenn eine Abschlussmethode iSd Art 11 ff WVK gewählt wird, zu deren Anwendung der BMF nicht iSd Art 66 Abs 2 B-VG ermächtigt ist. – Wenn der Inhalt der Vereinbarung die gemeinschaftsrechtlichen und/ oder die gesetzlichen Rahmenbedingungen überschreitet. – Bei der Publikation des Abkommens, wenn der Vertragstext überhaupt nicht oder nicht in der gesetzlich vorgesehenen Art und Weise kundgemacht werden. Erinnert sei daran, dass die bisher abgeschlossenen Kooperationsabkommen nicht auf gesetzeskonforme Weise kundgemacht wurden, weil sie entgegen § 5 Abs 1 Z 1 BGBlG nicht im BGBl veröffentlicht worden sind. Lässt man die Fälle außer Acht, in dem ein Übereinkommen iSd § 77a BWG überhaupt keinen normativen Inhalt aufweist220, von einer Stelle „abgeschlossen“ wurden, der keine behördliche Qualität zukommt221 und nicht einmal ein Minimum an Publizität erlangt haben222, umschreiben ____________________
218 Vgl Schäffer, FS Starck 964. Am Rande sei angemerkt, dass der VfGH seit der B-VG-Nov 1964 (BGBl 1964/59) auf die Kontrolle der Staatsverträge (des innerstaatlichen „Transformats“) zum einen die Regeln der Gesetzesprüfung (hinsichtlich parlamentarisch genehmigter Verträge), zum anderen die Regeln über das Verordnungsprüfungsverfahren (auf alle anderen Staatsverträge) sinngemäß anzuwenden hat (Schäffer aaO 963). 219 Dazu eingehend Schäffer, FS Starck 954 ff. 220 Nach stRsp des VfGH (seit VfSlg 2071/1950) stellen „Äußerungen“ ohne normativen Inhalt keine Verordnungen und wohl auch keine Staatsverträge dar. 221 Diese Stelle darf daher auch sonst nicht – nicht einmal abstrakt – gesetzlich ermächtigt sein, bestimmte Hoheitsakte zu setzen. Ansonsten ist, wie auch ein Blick in § 66 AVG zeigt, zwischen rechtsverbindlichen, aber bekämpfbaren Akten einer zuständigen und unzuständigen Behörde zu unterscheiden. Dieser Grundsatz erscheint verallgemeinerungsfähig zu sein. 222 Diese Fälle könnten in Analogie zur Lehre über den Bescheid (s dazu zB B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 Rz 859 ff; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwal-
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diese Beispiele sog „Meisterfordernisse“ einer Kooperationsvereinbarung: Wie eine systematisch-teleologische Auslegung der Art 139, 140a B-VG iVm § 77a BWG zeigt, hat ein zuvor geschilderter Fall nicht jedenfalls die absolute Nichtigkeit iSv „Nichtexistenz“ eines Übereinkommens zur Folge, sondern führt zur rechtlichen Verbindlichkeit, solange kein verfassungsgerichtlicher Ausspruch vorliegt, dass ein Staatsvertrag nicht mehr anzuwenden ist. Anders gewendet heißt das: In diesen Konstellationen liegt zwar ein Gesetzesverstoß vor, der zur Rechtswidrigkeit eines Übereinkommens führen kann, die Vereinbarung ist jedoch rechtlich verbindlich und bis zu einem Ausspruch des VfGH iSd Art 140a B-VG (von den Behörden) weiterhin anzuwenden223. Aus Sicht der Praxis sind im gegenständlichen Zusammenhang zwei Fälle von erheblicher Bedeutung, auf die ich kurz eingehen möchte: – Soweit nicht der BMF, sondern die FMA Übereinkommen iSd § 77a BWG (mit-) abgeschlossen hat224, verstößt die entsprechende Vorgehensweise nicht bloß gegen § 77a Abs 1 BWG, sondern belastet diese Übereinkommen iSd Art 66 Abs 2 B-VG darüber hinaus auch mit Verfassungswidrigkeit, da die zitierten Bestimmungen einen Abschluss eines Staatsvertrags durch andere Organe als den BMF nicht zulassen. Diese Übereinkommen bleiben zwar sowohl völkerrechtlich gegenüber den Vertragspartnern als auch aus Sicht der FMA verbindlich225, un____________________
tungsrecht 2 509 ff ) als „Mindesterfordernisse“ eines Kooperationsübereinkommens bezeichnet werden. Damit soll gleichzeitig die Grenze zu den Konstellationen gezogen werden, in denen von einem unverbindlichen „Nichtakt“ auszugehen ist. 223 Der VfGH kann in einem Verfahren nach Art 140a B-VG „nur“ die Rechtswidrigkeit (Verfassungs- bzw Gesetzeswidrigkeit) eines Staatsvertrags feststellen, worauf folgt, dass der Vertrag von den zu seiner Vollziehung berufenen Organen nicht mehr angewendet werden darf. Die völkerrechtliche Norm zwischen den Vertragspartnern bleibt dadurch unberührt, auch das innerstaatliche „Transformat“ wird dadurch nicht ungültig und ist weiterhin als Bestandteil der Rechtsordnung anzusehen. Vgl Schäffer, FS Starck 964. 224 Die Angaben der FMA in ihrem Jahresbericht 2005, die ausdrücklich von „Abschluss“ sprechen, lassen es zweifelhaft erscheinen, ob man iS einer verfassungskonformen Interpretation auch davon sprechen könnte, die FMA hätte bloß informelle Vorgespräche mit anderen Aufsichtsbehörden über den Inhalt der Übereinkommen geführt und den ausverhandelten Vorschlag dann zwecks Genehmigung an den BMF übermittelt. 225 IdS zB Thienel, Art 49 Rz 27 in Korinek/Holoubek, Bundes-Verfassungsrecht. Vgl auch Art 46 WVK: Ungültig ist ein Staatsvertrag im Fall eines staatsrechtswidrigen Vertragsabschlusses nur, soweit eine innerstaatliche Rechtsvorschrift von grundlegender Bedeutung, etwa hinsichtlich der Zuständigkeit zum Abschluss von Staatsverträgen verletzt wurde. Das muss freilich für den Vertragspartner, der nach Treu und Glauben handelt, objektiv erkennbar und offenkundig sein (vgl Fischer/Köck, Völkerrecht 6 Rz 251). Ob allerdings allen Vertragspartnern einer Kooperationsvereinbarung die Kenntnis österreichischen Rechts zumutbar ist, erscheint mE zweifelhaft. Soweit daher die FMA anstelle des BMF eine Kooperationsvereinbarung abschließt, kann nach hier vertretener Auffassung noch nicht von einer grundlegenden Rechtsverletzung iSd Art 46 WVK gesprochen werden. Aus Sicht der Vertragspartner kann in diesem Fall davon ausgegangen werden, dass der Vertrag aufrecht bleibt. Sie konnten berechtigterweise davon ausgehen, dass der andere Staat (hier:
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terliegen aber in innerstaatlicher Hinsicht der Rechtskonformitätskontrolle des VfGH, der gegebenenfalls auszusprechen hätte, dass diese Abkommen (wohl bis zur nachträglichen Genehmigung durch den BMF) nicht anzuwenden sind (Art 140a B-VG). – Was darüber hinaus die Kundmachung anlangt, wurde bereits zuvor ausgeführt, dass § 5 Abs 1 und Abs 3 BGBlG zwei Möglichkeiten vorsieht, wie Staatsverträge, damit auch Kooperationsvereinbarungen iSd § 77a BWG, zu veröffentlichen sind. Einerseits durch unmittelbare Publikation im BGBl (vgl auch § 22 Abs 3 FMABG), andererseits auf sonstigem Weg, den der BK mittels Rechtsverordnung angeordnet hat. In der Praxis ist keines der jüngst abgeschlossenen Kooperationsabkommen in gesetzeskonformer Art und Weise kundgemacht worden, auch sonst konnte keine spezielle Form der Veröffentlichung nachgewiesen werden. Damit sind diese Übereinkommen allesamt als rechtswidrig zu qualifizieren, da eine „gesetzwidrige [Form der] Kundmachung“ iSd Art 139 Abs 3 lit c, Art 140a B-VG vorliegt226. Das basiert auf folgender Überlegung: Es kann aufgrund gängiger Verwaltungspraxis davon ausgegangen werden, dass die FMA dem BMF die von ihr abgeschlossenen Kooperationsübereinkommen zumindest mitteilen wird (vgl § 16 Abs 1-3 FMABG227). Umgekehrt kann angenommen werden, dass der BMF seinerseits die FMA über den Abschluss eines Übereinkommens gehörig in Kenntnis setzen wird. Überträgt man vor diesem Hintergrund die in der stRsp des VfGH entwickelten Grundsätze, ab welchem Zeitpunkt ein behördlicher Akt Bestandteil der Rechtsordnung geworden ist, dh ein Mindestmaß an Publizität erlangt hat228, auf die vor____________________
Österreich) seine nationale Rechtsordnung korrekt anwendet. Eine grundlegende Verletzung läge aber wohl dann vor, wenn ein politischer Staatsvertrag unter Ausschaltung des NR abgeschlossen wird. 226 Vgl etwa Walter, Verfassungsrecht 733: Mangelt es an der gesetzlichen vorgeschriebenen Kundmachung, ist (im Bereich des Art 139 B-VG) von Gesetzwidrigkeit (der Verordnung) auszugehen. Ähnliches gilt daher gemäß Art 140a B-VG, der hinsichtlich Verwaltungsübereinkommen auf Art 139 B-VG verweist, auch für Staatsverträge. Dass Verordnungen (und wohl auch Staatsverträge) jedenfalls kundzumachen sind, ergibt sich nicht bloß aus den Regelungen des Art 49, 139 Abs 3 lit c B-VG bzw des § 5 BGBlG, sondern wird auch in der stRsp des VfGH vertreten (seit VfSlg 102/1922; vgl weiters VfSlg 2828/ 1955, 4865/1964 uva) und ist auch im Zusammenhang mit der dahinter stehenden rechtsstaatlichen Funktion zu sehen: Kundmachungen sollen die Rechtsunterworfenen möglichst effektiv vom Inhalt eines Rechtsakts informieren (vgl statt vieler Rill, Art 18 Rz 99 in Rill/Schäffer, Bundesverfassungsrecht; Aichlreiter, Verordnungsrecht I 770 f ). 227 Diese Bestimmung regelt – vereinfacht dargestellt – die Rechtsaufsicht des BMF über die FMA. Aus § 16 Abs 3 ergibt sich zunächst, dass die FMA zumindest einmal jährlich dem BMF über die aufsichtsrechtliche Tätigkeit im vergangenen Kalenderjahr zu berichten hat. Darüber hinaus hat sie dem BMF gemäß § 16 Abs 2 jedes Verordnungsvorhaben zur Kenntnis zu bringen, was dann aber auch für Verwaltungsübereinkommen gelten müsste. 228 ZB VfSlg 6422/1971, 6945/1972 und 8649/1979.
Kooperationsübereinkommen im europäischen Bankenaufsichtsrecht
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liegende Konstellation, kann wohl davon ausgegangen werden, dass ein Kooperationsabkommen, gleichgültig, ob es vom BMF oder von der FMA abgeschlossen wurde, rechtlich verbindlich geworden ist. Es liegt dann eine „gehörige Kundmachung“ iSd Art 89 Abs 1 B-VG vor, die vom VfGH gemäß Art 140a B-VG wahrzunehmen ist.
VI. Lösungsansatz Die Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit und der Ausbau des Informationsaustauschs zwischen den Bankenaufsichtsbehörden der EG stellt eines der Hauptziele der konsolidierten BARL dar229, um den steigenden Anforderungen an eine leistungsfähige Aufsicht, die sich aus der grenzüberschreitenden Tätigkeit der KI und den zunehmenden operativen Risiken dieses sensiblen Wirtschaftsbereiches ergibt, Rechung zu tragen (Stichwort: „Vernetzung der Aufsichtsbehörden“). Diesem Grundsatz entsprechend sieht das Gemeinschaftsrecht mehrere Ansätze vor, wie diese Vorgaben verwirklicht werden sollen. Eine zentrale Maßnahme stellt dabei das Instrument der Kooperationsvereinbarung dar, das in der jüngeren Vergangenheit verstärkt zum Einsatz kommt und dessen Anwendungsbereich durch die BARL erheblich erweitert wurde. Der nationale Gesetzgeber ist gemäß Art 10 EG verpflichtet, geeignete Umsetzungsmaßnahmen zu treffen, um die Erfüllung dieser Ziele und den Abschluss bzw die Anwendbarkeit der Kooperationsübereinkommen auch innerstaatlich zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund sieht § 77a BWG ein System vor, dessen Zustandekommen zwar historisch und verfassungssystematisch erklärbar ist, das aber den Anforderungen der Praxis und des EG-Binnenmarkts nicht jedenfalls gerecht wird. Dies ist wie folgt zu begründen: Dadurch, dass das BWG dem BMF die Kompetenz zum Abschluss von Kooperationsübereinkommen zuweist, mag der Gesetzgeber verfassungsgesetzliche Anforderungen erfüllt haben. Doch lässt der gemeinschaftsrechtliche Hintergrund eine differenzierte Betrachtungsweise angebracht erscheinen. Zum einen ist die Konzentration der Abschlusskompetenz auf den BMF gemeinschaftsrechtlich nicht geboten (vgl zB Art 46 BARL). Zum anderen ist fraglich, warum der FMA bloß das Vorschlagsrecht eingeräumt, nicht aber auch die verfassungsgesetzlichen Voraussetzungen für die Übertragung der Abschlusskompetenz auf die FMA (und damit eine rechtspolitisch wünschenswerte Konzentration der Aufsichtsagenden) geschaffen worden sind. Eine Aufsplittung der Zuständigkeitsbereiche in Bezug auf den Abschluss ____________________
229
Vgl insb die Erwägungsgründe 22 – 24 der BARL.
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und die Vollziehung eines Kooperationsübereinkommens mag zwar verfassungsrechtlich erklärbar sein, erscheint jedoch rechtspolitisch fragwürdig und entspricht nicht der internationalen Praxis. Das belegt aus innerstaatlicher Sicht zunächst der Jahresbericht der FMA 2005 mit hinreichender Deutlichkeit. Nach ihren eigenen Angaben hat die FMA einschlägige Abkommen bereits jetzt selbständig abgeschlossen. Das ist durchaus verständlich und nahe liegend, da sie – nicht aber auch eine andere Behörde – die anfallenden Agenden der grenzüberschreitenden Bankenaufsicht zu vollziehen hat. Sie orientiert sich damit an internationalen Vorbildern, wobei stellvertretend die deutsche Praxis als Maßstab herangezogen werden soll. In Deutschland ist die BaFin und nicht der dt BMF zum Abschluss der hier interessierenden Kooperationsübereinkommen berufen (vgl ua §§ 8a Abs 2 dt KWG und 7 WpHG). Bei ihr, nicht aber auch bei anderen deutschen Stellen sind die Kompetenzen zur Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der anderen EGMitgliedstaaten zentralisiert230. Nach deutschem Verfassungsrecht ist diese zentrale Zuweisung an die BaFin nicht weiter zu beanstanden, nachdem Art 32 dt GG die Kompetenz zur Pflege der Beziehungen zu den auswärtigen Staaten allgemein dem Bund, nicht aber spezifischen Organen vorbehält231. Im Licht einschlägigen Gemeinschaftsrechts kann in diesem Zusammenhang wohl auf die Notwendigkeit geschlossen werden, systemimmanente Kompetenzen der vorliegenden Art bei einer Aufsichtsbehörde zu bündeln. Dies implizieren wohl auch das Gebot der wirksamen Umsetzung von Gemeinschafsrecht (Art 10 EG) und zahlreiche internationale Beispiele. Vor diesem Hintergrund sollten auch in Österreich erforderliche Anpassungsschritte gesetzt werden: – Zum einen sollte der FMA die Möglichkeit des Abschlusses der erforderlichen Kooperationsübereinkommen übertragen werden. Soweit man in diesem Zusammenhang außenpolitische Bedenken oder im Hinblick auf die parlamentarische Verantwortlichkeit des BMF Zweifel hegt, könnte erwogen werden, die Einleitung der Verhandlungen über den Abschluss eines Kooperationsabkommens an das Erfordernis der ausdrücklichen Zustimmung des BMF zu binden. – Dies bedingt freilich auch eine Änderung der verfassungsgesetzlichen Rahmenbedingungen: Hier könnte erwogen werden, Kooperationsübereinkommen, welche die FMA gestützt auf die gängigen MaterienG des Kapitalmarktrechts abschließt, von den einschlägigen Regelungen ____________________
Vgl zB Beck, § 7 WpHG Rz 3 in Schwark, Kapitalmarktrecht 3. 231 Vgl zB Jarass/Pieroth, GG 7 (2004) Art 32 Rz 1; Beck, § 7 WpHG Rz 3 in Schwark, Kapitalmarktrecht 3; BVerfGE 1, 351, 359. 230
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des B-VG über Staatsverträge auszunehmen bzw die Regelungen über die Abschlusszuständigkeit zu erweitern. Dies sollte nach hier vertretener Auffassung durchaus zulässig sein, da in einem Abkommen, mit dem nähere Details der internationalen Zusammenarbeit präzisiert werden, kein (ausgliederungsfester und sensibler) Kernbereich der Verfassung berührt wird232. Dies würde sich auch mit Art 10 Abs 1 Z 2 B-VG vereinbaren lassen, wonach der Abschluss von Staatsverträgen allgemein (unbeschadet von Art 15 Abs 1 B-VG) dem Bund zukommt. – Eine weniger eingriffsintensive Änderungsmöglichkeit könnte auch darin gesehen werden, wenn man auf verfassungsgesetzlicher Ebene den BMF ermächtigt, die Kompetenz zum Abschluss einzelner Übereinkommen auf die FMA zu delegieren.
VII. Zusammenfassung Um die grenzüberschreitende Aufsicht über KI-Gruppen zu effektuieren, ermöglicht das Gemeinschaftsrecht (konkret: die BARL) den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen, mithin völkerrechtlichen Verträgen, die im Kern technische Details der Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsbehörden verschiedenerer EG-Mitgliedstaaten bzw Drittstaaten sowie den wechselseitigen Informationsaustausch enthalten. In Umsetzung dessen ermächtigt das BWG den BMF zum Abschluss solcher Übereinkommen, welche die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts bloß präzisieren. Der Abschluss gesetzesändernder oder -ergänzender Abkommen ist dem BMF verwehrt. Bei Einordnung der hier interessierenden Verträge in die von der Verfassung vorgegebenen außenwirksamen Rechtssatzformen ist von „verordnungskoordinierten Staatsverträgen“ auszugehen. Bei Analyse der österreichischen Abschlusspraxis am Maßstab der verfassungsgesetzlichen Rahmenbedingungen für den Abschluss von Staatsverträgen zeigt sich, dass die österreichische Abschlusspraxis in vielen Punkten gesetzwidrig sein dürfte.
____________________
232
S dazu schon die Ausführungen in Abschnitt II.E.
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Ökologie und Ökonomie Perspektiven einer Zielkonkurrenz am Beispiel des Umweltrechts I. Wie kein zweiter österreichischer Jurist verkörpert Bernhard Raschauer die wissenschaftliche Symbiose von Umwelt- und Wirtschaftsrecht in perfekter Weise: Hat er sich in seinen wissenschaftlichen „Anfangsjahren“ zunächst dem öffentlichen Wirtschaftsrecht – und dabei etwa Themen wie dem europarechtlichen Beihilfenverbot1, Rechtsfragen der Wechselkursfestsetzung2 oder den Grenzen der Wahlfreiheit zwischen den Handlungsformen der Verwaltung im Wirtschaftsrecht3 – zugewandt, fokussierte sein wissenschaftliches Interesse in der Folge stärker auf dem zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnenden Umweltrecht. Dabei hat er sich, und dies ist typisch für Bernhard Raschauer, dem Umweltrecht nicht bloß aus der Perspektive des „wissenschaftlichen Elfenbeinturms“ gewidmet, sondern hat es als niederösterreichischer und zugleich erster österreichischer „Umweltanwalt“4 auch tatsächlich in der Praxis „gelebt“. Daraus sind reiche literarische Früchte erwachsen – geradezu Pionierleistungen des Umweltrechts: die erste monographisch-systematische und über lange Jahre Monopolstellung einnehmende Studie zum „Umweltrecht“5, Bernhard Raschauers umfassender Kommentar zum Wasserrecht6, sein Kommentar zu dem von ihm maßgeblich mitgestalteten UVP-G7 sowie zahlreiche Arbeiten zu einzelnen umweltrechtlichen Fra____________________
1 Das Beihilfenverbot nach den Globalabkommen mit den Europäischen Gemeinschaften, ÖZW 1974, 112. 2 Rechtsfragen der Wechselkursfestsetzung – eine erste Orientierung, WipolBl 1976/3, 75. 3 ÖZW 1977,1. 4 Zuvor war lediglich in Vorarlberg ein Landschaftsschutzanwalt eingerichtet worden, vgl Petek, Der Einfluss von Bernhard Raschauer auf die Praxis des Umweltrechts, in diesem Band. 5 Umweltschutzrecht (1986). 6 Kommentar zum Wasserrecht (1993). 7 Kommentar zum UVP-G (1995).
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gen. Vielfach, insbesondere in seinen anlagenrechtlichen Abhandlungen, hat Bernhard Raschauer dabei auch Probleme im Schnittpunkt von Wirtschafts- und Umweltrecht behandelt, wie etwa die Frage der „wirtschaftlichen Zumutbarkeit“8. Überhaupt hat er wirtschaftsrechtliche Fragestellungen nie „aus den Augen“ verloren, sondern in diesem von ihm an der Universität Wien betreuten Rechtsbereich stets klare wissenschaftliche Akzente gesetzt. So etwa mit seinem Lehrbuch des Wirtschaftsrechts9, in dem er schon kurz nach dem EU-Beitritt unseres Landes genuin österreichische Fragestellungen meisterhaft in die Komplexität des europäischen Rechtskreises zu integrieren wusste. Dieses stete wissenschaftliche Interesse Bernhard Raschauers am Wirtschaftsrecht hat sich in den letzten Jahren intensiviert und auf neue Forschungsgebiete konzentriert, von denen wesentliche, wie etwa das – von ihm handbuchartig behandelte – „Energierecht“10, im Schnittpunkt von Umwelt- und Wirtschaftsrecht angesiedelt sind. Dem Umweltrecht im engeren Sinn ist Bernhard Raschauer dabei bis heute eng verbunden geblieben: nicht zuletzt als Mitglied des Unabhängigen Umweltsenats sowie, gemeinsam mit Ferdinand Kerschner, als Herausgeber der RdU – der führenden umweltrechtlichen Zeitschrift Österreichs. Wer, wie die Verfasserin dieser Zeilen, bei Bernhard Raschauer in die Schule gegangen ist, war also in der glücklichen Lage, eine gleichsam „interdisziplinäre“ rechtswissenschaftliche Ausbildung zu genießen. Und durfte dabei – in vielen anregenden Diskussionen – von der ungeheuren Komplexität seines Wissens profitieren, die es Bernhard Raschauer erlaubt, am Einzelfall stets Querbezüge und theoretische Perspektiven (wesentlich in seinem „Allgemeinen Verwaltungsrecht“11 dargelegt) sichtbar zu machen, dabei aber immer auch das richtige Augenmaß für die Bedürfnisse der Rechtspraxis zu behalten. – Ein wertvolles und unverzichtbares Rüstzeug für Forschung und Lehre in einem interdisziplinären wissenschaftlichen Umfeld, für das Bernhard Raschauer mit der folgenden “Skizze“12 über das Verhältnis von Ökologie und Ökonomie am Beispiel des Umweltrechts sehr herzlich gedankt sei! ____________________
8 Wirtschaftliche Zumutbarkeit, in Raschauer (Hrsg), Beiträge zum Verfassungs- und Wirtschaftsrecht, FS Winkler (1989) 149. 9 Grundriss des österreichischen Wirtschaftsrechts (1998, 2. Aufl. 2003). 10 Handbuch Energierecht (2006). 11 Allgemeines Verwaltungsrecht (1998, 2. Aufl. 2003). 12 Die nachfolgenden Überlegungen beruhen auf meinem im Dezember 2006 an der Universität für Bodenkultur Wien gehaltenen Berufungsvortrag. Der Vortragsstil wurde beibehalten.
Ökologie und Ökonomie
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II. A. Ökologie und Ökonomie – eine Zeitreise Man begebe sich für einen Augenblick auf eine kleine Zeitreise und versetze sich um ca 2.400 Jahre in die Vergangenheit zurück, und zwar in das antike Griechenland. Dort treffen wir Xenophon13, einen Schüler des Sokrates, der als Feldherr und Schriftsteller bekannt geworden ist. Nachdem er seine Schlachten geschlagen hatte, zog er sich auf ein idyllisches Landgut bei Olympia zurück und schrieb zahlreiche Bücher – unter anderem das Werk „Oikonomikos“14 – „Von der Hauswirtschaft“. Es handelt in Form eines sokratischen Dialogs von den ethischen und praktischen Aspekten der Hauswirtschaft, das hieß damals die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Ackerbau, Viehzucht und Handel. Für manche gilt dieses Buch als ein früher Klassiker der Nationalökonomie, jedenfalls gibt es einen guten Einblick in das wirtschaftliche Denken der Antike. Das Bild, das uns darin vermittelt wird, ist ein friedliches: Das Wirtschaften des Menschen ist an der Natur ausgerichtet. Die Natur ist Grundlage und Gegenstand des Wirtschaftens. Wirtschaft und Naturhaushalt stehen noch in einer harmonischen Beziehung zueinander. Der Grundsatz der Nachhaltigkeit war noch nicht erfunden – er wurde aber schon wie selbstverständlich gelebt! Wie wir wissen, stammt unser Wort „Ökonomie“ vom griechischen Wort „oikonomia“ ab und meint im Kern das „Gesetz des Hauses“: „oikos“ und „nomos“, eben die Hauswirtschaft. Aber auch ein zweiter, später geprägter, Begriff hat seine Wurzel im griechischen Wort für Haus. Aus „oikos“ und „logos“ wurde nämlich der Begriff der „Ökologie“ als der Lehre vom Haushalt der Natur.15 Ökonomie und Ökologie haben also eine gemeinsame Herkunft; sie standen ursprünglich in einer Beziehung der wechselseitigen Ergänzung. Springen wir nun aber zurück in die Gegenwart. Hier sehen wir ein ganz anderes Bild: Die Wirtschaft gilt als einer der Hauptverursacher unserer Umweltprobleme. – Das braucht nicht näher geschildert zu werden. Die Wirtschaft selbst sieht den Umweltschutz dagegen bloß als einen belastenden Kostenfaktor! Aber auch wir Konsumenten sind nicht gerne bereit, uns an den Kosten des Umweltschutzes zu beteiligen. Die Ökonomen erklären uns auch warum: Saubere Luft, reines Wasser und gesunde ____________________
13
Vgl den Artikel „Xenophon“ in Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Xenophon). Siehe Übersetzung und Kommentar von Meyer, Xenophons „Oikonomikos“ (1975). 15 Zu Begrifflichkeit und geistesgeschichtlichem Hintergrund Manstetten, Die Einheit und Unvereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie, GAIA 1995/1, 40. 14
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Wälder sind so genannte öffentliche Güter,16 für die sich aus bestimmten Gründen keine Märkte bilden können oder sollen. Wie sollte man auch – technisch gesehen – die Luft, die wir einatmen portionieren und dann als marktfähiges Gut an den einzelnen Konsumenten verkaufen? Aber auch aus sozialpolitischen Gründen wäre es wohl nicht erwünscht, wenn man zB für den Spaziergang im grünen Wald Eintrittskarten verkaufen würde. Die saubere Umwelt ist daher kein marktfähiges Gut. Diejenigen, die sie kostenlos benützen und verschmutzen, sind so genannte Trittbrettfahrer und verursachen externe Kosten!17 Die Ökologie ist daher heute offenbar stark unter die Räder gekommen. Aber sie wird auf der anderen Seite auch zunehmend verteidigt. So kann man beobachten, dass in den westlichen Gesellschaften das Umweltbewusstsein der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat. Auch Österreich hat ein starkes ökologisches Gewissen. Man denke nur an die jüngsten Proteste in der Lobau18 – sie erinnern uns an die berühmte Besetzung der Hainburger Au19 im Jahr 1984! Einfache Bürger stellen sich einer wirtschaftlichen Übermacht entgegen, um ursprüngliche Naturlandschaften zu schützen. Ökologie und Ökonomie stehen also heute nicht mehr in einem Gleichgewicht sondern in einem Spannungsverhältnis, sie sind weitgehend konkurrierende Zielsetzungen20 geworden. B. Die Rolle des Rechts im Allgemeinen Welche Rolle kann nun in dieser Situation das Recht spielen? Wie wir wissen, stellt das Recht Regeln für menschliches Verhalten auf, es ordnet ____________________
16 Vgl zB Feess, Umweltökonomie und Umweltpolitik 3 (2007) 37 ff; Perman et al, Natural Resource and Environmental Economics 3 (2003) 126 ff; Common/Stagl, Ecological Economics – An Introduction (2005) 325 f. Aus rechtlicher Sicht Merli, Öffentliche Nutzungsrechte und Gemeingebrauch (1995). 17 Dazu etwa Feess, Umweltökonomie, 37 ff; Endres, Umweltökonomie 3 (2007) 16 ff, 48; Perman et al, Natural Resource and Environmental Economics, 131 ff; Common/ Stagl, Ecological Economics, 326 ff. 18 Im November 2006 besetzten Umweltschützer das Donau-Auengebiet der Lobau als Protest gegen die umstrittene Errichtung der Wiener Außenring Schnellstraße S 1, vgl http://de.wikipedia.org/wiki/Lobau. 19 Dazu aus juristischer Sicht Hauer, Hainburg – rechtliche und rechtspolitische Aspekte oder Recht zwischen Parteitaktik und Umweltschützern (1985); Pernthaler/Weber, Verfassungsrechtliche, verwaltungsrechtliche und völkerrechtliche Fragen des geplanten Baues des Donaukraftwerkes Hainburg – Rechtsgutachten (1989); Welan (Hrsg), Der Streit um Hainburg in Verwaltungs- und Gerichtsakten – Gutachten, Bescheide, Erkenntnisse (1988). – Die Besetzung der Hainburger Au hat wesentliche Anstöße zur Entwicklung des österreichischen Umweltrechts gegeben, zu Bernhard Raschauers Beitrag dazu vgl auch Petek, Der Einfluss von Bernhard Raschauer auf die Praxis des Umweltrechts, in diesem Band. 20 Dazu umfassend Common/Stagl, Ecological Economics.
Ökologie und Ökonomie
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die Beziehungen der Menschen untereinander,21 aber auch die Art und Weise, wie die Menschen mit bestimmten Gütern umgehen, oder wie sie natürliche Ressourcen nützen. Dabei entstehen – wie es unter Menschen eben üblich ist – immer wieder Konflikte.22 Und eine der wichtigsten Aufgaben des Rechts ist es, diese Konflikte in geordnete Bahnen zu lenken und möglichst zu lösen. Was bedeutet dies nun für den Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie? – Er wird zu einem großen Teil über das „Umweltrecht“23 ausgetragen. Sehen wir uns näher an, inwiefern das Umweltrecht sozusagen als Mediator zwischen Ökologie und Ökonomie wirkt: In einer ersten Annäherung könnte man sagen, das gesamte Umweltrecht diene im Grunde nichts anderem als eben einen solchen Ausgleich zu finden. Im Folgenden sollen aber gewisse Akzente gesetzt und an einigen Beispielen gezeigt werden, wie das Umweltrecht dieses Spannungsverhältnis ganz bewusst in den Griff bekommen und ausgleichen will. – Dazu soll zunächst an Beispielen aus dem klassischen Umweltrecht gezeigt werden, welche Lösungsansätze der Gesetzgeber entwickelt hat. – Sodann soll die Rolle der Gerichte schlaglichtartig beleuchtet werden. Versuchen sie doch – in Fällen, wo der Gesetzgeber ihrer Ansicht nach in bestimmen Punkten keine adäquate Regelung getroffen hat – eine sachgerechte Regelung für den Einzelfall zu finden.24 – Schließlich soll an Beispielen aus der modernen Umweltgesetzgebung gezeigt werden, wie das Recht versucht, durch so genannte „wirtschaftliche“ bzw „marktorientierte“ Instrumente Ökologie und Ökonomie miteinander zu versöhnen. C. Das klassische Umweltrecht Betrachten wir zunächst das klassische Umweltrecht: Die Ökonomen sprechen auch vom so genannten „Ordnungsrecht“ oder von „Umwelt____________________
21 Anschaulich Welan, Recht in Österreich 4 (2005) 19 ff, Kapitel „Mensch und Recht gehören zusammen“. 22 Sehr einprägsam hierzu ist die bekannte Schrift Jherings, Der Kampf um’s Recht (1872). 23 Zur Begrifflichkeit Bernhard Raschauer, Umweltrecht Allgemeiner Teil, in N. Raschauer/W. Wessely (Hrsg) Handbuch Umweltrecht (2006) 13, insb 17 f. 24 Zu den Grenzen gerichtlicher, insbesondere höchstrichterlicher Entscheidungen siehe am Beispiel des EuGH Bernhard Raschauer, Ultra-vires-Akte der Europäischen Gemeinschaften, ÖJZ 2000, 241 sowie im Hinblick auf den Verfassungsgerichtshof derselbe, „Kernaufgaben des Staates“: Rechtsfortbildung oder Rechtskreation? ZfV 2005, 18. Vgl jüngst auch die Beiträge in Jabloner (Hrsg), Wirken und Wirkungen höchstrichterlicher Judikatur, FS Mayer (2007).
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auflagen“.25 Für den Juristen handelt es sich im Wesentlichen um Teile des „Besondere Verwaltungsrechts“26. Ein typisches Regelungsinstrument bildet das so genannten „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“.27 Dabei wird eine bestimmte Tätigkeit zunächst vom Gesetz verboten – etwa der Betrieb einer umweltgefährlichen Anlage, wie einer Chemiefabrik –, dieses Verbot gilt aber nicht absolut. Beantragt nämlich ein Unternehmer ein entsprechendes Verwaltungsverfahren und erfüllt er die vom Gesetz vorgesehen Kriterien, so hat er Anspruch auf eine Genehmigung und erhält damit das Recht, seine Anlage zu betreiben. Bei den Kriterien für die Erteilung einer solchen Genehmigung versucht nun der Gesetzgeber einen Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie zu treffen. Er macht dies zB, indem er die Behörde in ihrer Entscheidung zu einer Abwägung verpflichtet. Keines der konkurrierenden Ziele darf dabei ohne Augenmaß und Rücksicht auf das andere verwirklicht werden. Man blicke etwa ins Forstrecht: § 49 Forstgesetz28 sieht eine Bewilligungspflicht für Anlagen vor, die forstschädliche Luftverunreinigungen emittieren. Diese werden zur Einhaltung bestimmter Grenzwerte verpflichtet. Das Gesetz besagt nun, dass eine solche Bewilligung dann zu erteilen ist, wenn eine Gefährdung der Waldkultur nicht zu erwarten ist, oder durch entsprechende Auflagen beseitigt werden kann, oder aber „auf ein tragbares Ausmaß beschränkt werden kann“. Ob ein solches tragbares Ausmaß vorliegt, ist von der Behörde zu beurteilen. Dabei hat sie „die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Anlage mit dem Ausmaß der zu erwartenden Gefährdung der Waldkultur abzuwägen.29 Der Gesetzgeber schützt also einerseits den Wald, indem er für bestimmte Anlagen über den allgemeinen anlagenrechtlichen Standard hinausgehende Anforderungen festlegt. Er setzt aber andererseits diesen Schutz nicht absolut, sondern ist bereit, eine bestimmte – tragbare – Ge____________________
25 Vgl Feess, Umweltökonomie, 48; Endres, Umweltökonomie, 107. Im englischen Sprachraum wird von „command and control instruments“ gesprochen, Perman et al, Natural Resource and Environmental Economics, 209; Common/Stagl, Ecological Economics, 410. 26 Bernhard Raschauer hat sich diesem Rechtsgebiet nicht nur in zahllosen Einzelstudien, sondern auch in Form eines Lehrbuchs („Besonderes Verwaltungsrecht, 1990, 4. Aufl. 2001) gewidmet. 27 Paradigmatisches Beispiel aus dem Anlagenrecht ist § 74 iVm 77 GewO, BGBl 1994/194 idF zul BGBl I 2008/8, vgl weiters etwa § 37 iVm § 43 AWG, BGBl 2002/102 idF zul BGBl I 2007/43, § 3 iVm § 17 UVP-G, BGBl 1993/697 idF zul BGBl I 2006/ 149; für eine tätigkeitsbezogene Regelung siehe etwa die in § 25 AWG vorgesehene Erlaubnis für die Sammlung oder Behandlung gefährlicher Abfälle. 28 BGBl 1975/440 idF zul BGBl I 2007/55. 29 § 49 Abs 3 Forstgesetz.
Ökologie und Ökonomie
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fährdung der Waldkultur in Kauf zu nehmen. In die Waagschale geworfen wird dabei die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Anlage! Das heißt, es reicht nicht aus, wenn der Anlagenbetreiber etwa nachzuweisen versucht, dass ihm die Belastung wirtschaftlich unzumutbar30 ist. Er muss vielmehr darlegen, welchen Beitrag sein Projekt für die Volkswirtschaft bringt. Er muss also zB beweisen, dass mit Hilfe seiner Anlage 100 neue Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden. Man kann nun darüber streiten, ob der Gesetzgeber mit einer solchen Abwägungsformel einen sachgerechten Kompromiss zwischen Ökologie und Ökonomie getroffen hat. Für den überzeugten Ökologen ist es wahrscheinlich bedenklich, dass der Gesetzgeber überhaupt bereit ist, Gefährdungen des Waldes in Kauf zu nehmen. Vieles hängt dabei natürlich – so wie immer in juristischen Dingen – von der Handhabung des Gesetzes durch die Praxis ab. Jedenfalls sind solche Abwägungsentscheidungen31 ein beliebtes Mittel des Gesetzgebers, Ökologie und Ökonomie zum Ausgleich zu bringen. Besonders häufig finden sie sich zB in den verschiedenen Naturschutzgesetzen der Länder.32 Was allerdings auch ein bezeichnendes Licht auf den rechtspolitischen Stellenwert des Naturschutzes wirft! Hat man nun einmal als Unternehmer eine Genehmigung für seine Anlage erlangt, so könnte man meinen, man hätte damit sozusagen einen Freibrief in der Hand. Man brauche also nicht mehr an allfällige Umweltbeeinträchtigungen denken, solange man nur beim Betrieb seiner Anlage die in der Genehmigung vorgeschriebenen Auflagen einhält. Juristen bezeichnen eine solche Genehmigung auch als einen „Konsens“, also eine Art Abmachung zwischen Behörde und Anlagenbetreiber33 und gehen davon aus, dass dieser Konsens rechtskräftig ist, also auf Dauer Bestand hat! Die Rechtskraft ist ein zentrales Institut des Verwaltungsrechts.34 Sie ____________________
30 Zu den verschiedenen Dimensionen der „wirtschaftlichen (Un-)Zumutbarkeit“ im Umwelt- und Wirtschaftsrecht Bernhard Raschauer, Wirtschaftliche Zumutbarkeit. 31 Vgl auch Bernhard Raschauer, „Ermessen“ als abwägungsgebundene Rechtsanwendung, in Haller et al (Hrsg), Staat und Recht, FS Winkler (1997) 881. 32 ZB § 10 NÖ Naturschutzgesetz, LGBl 5500-0 idF zul LGBl 5500-6. Kritisch zu derartigen Klauseln Bernhard Raschauer, Umweltschutzrecht, 289, 290. Zur Problematik – insbesondere auch im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie – vgl Weber, Stand und Entwicklung des österreichischen Naturschutzrechts, JBl 2000, 701, insb 704 ff. 33 Dies ungeachtet dessen, dass bescheidmäßige Genehmigungen selbstverständlich dem, grundsätzlich durch einseitig-„imperative“ Anordnungsbefugnisse des Staates gegenüber dem Bürger geprägten, Bereich des öffentlichen Rechts angehören, welches nur ausnahmsweise, wie etwa bei den verschiedenen Ansätzen zu einem verwaltungsrechtlichen Vertrag (dazu Öhlinger, Das Problem des verwaltungsrechtlichen Vertrages [1974] sowie jüngst Eberhard, Der verwaltungsrechtliche Vertrag [2005]), kooperative Elemente der Rechtssetzung kennt. 34 Dazu jüngst Holoubek/Lang (Hrsg), Rechtskraft im Verwaltungs- und Abgabenverfahren (2008).
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bringt dem Unternehmer Rechtssicherheit und damit auch Investitionssicherheit. Für die Umwelt kann die Rechtskraft freilich gravierende Nachteile haben. Man nehme zB an, die Behörde stellt einige Zeit nach Erteilung der Genehmigung fest, dass sie die Lage falsch eingeschätzt hat und die Anlage doch umweltgefährlicher ist als ursprünglich angenommen. Oder es werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse publiziert, die das krebserregende Potential bestimmter von der Anlage emittierter Luftschadstoffe nachweisen. Sind der Behörde nunmehr die Hände gebunden, weil sich der Anlagenbetreiber auf die Rechtskraft berufen kann? Nein – zum Glück nicht! Das Umweltrecht sieht für solche Fälle so genannte Durchbrechungen der Rechtskraft35 vor. Das heißt, es können dem Anlagenbetreiber von Amts wegen oder auch auf Antrag Betroffener nachträgliche Auflagen vorgeschrieben werden, also zB der Einbau einer neuen Filteranlage, die die krebserregenden Luftschadstoffe reduziert. Die wirtschaftliche Belastung für den Anlagenbetreiber liegt in solchen Fällen natürlich auf der Hand. Dementsprechend kommt ihm auch der Gesetzgeber immer wieder entgegen. Und zwar, indem er den Schutzstandard für Umwelt und Nachbarn zugunsten wirtschaftlicher Gesichtspunkte relativiert. Man blicke beispielsweise ins Gewerberecht, in den bekannten § 79 GewO, der solche nachträglichen Auflagen vorsieht. Sein Absatz 1 bestimmt, dass die Behörde die Frist für die Einhaltung nachträglicher Auflagen um drei bis fünf Jahre erstrecken muss, wenn eine sofortige Einhaltung für den Anlagenbetreiber „wirtschaftlich unzumutbar“ wäre. Hier kommt es also – anders als im Forstrecht – auf die individuelle wirtschaftliche Situation an! Das Gesetz verweist dabei demonstrativ auf Fälle einer Betriebsübernahme und die damit verbundenen Kosten. Sind bestimmte Nachbarn nach der Genehmigung der Anlage zugezogenen, so sieht § 79 Abs 2 GewO für sie nur einen eingeschränkten Schutzstandard vor. Nachträgliche Auflagen sind dann nämlich nur dann vorzuschreiben, wenn Lebens- und Gesundheitsgefahren drohen, nicht aber, wenn es bloß um unzumutbare Belästigungen geht. Dies ist freilich insofern sachgerecht, als Baugründe und Wohnungen bekanntlich in der Nähe „lärmender und stinkender“ Betriebe relativ billig sind und die Nachbarn ja in Kenntnis dieser Lage zugezogen sind. Eine weitere Möglichkeit, ökologische Anforderungen mit wirtschaftlichen Aspekten zum Ausgleich zu bringen, besteht darin, so genannte „unbestimmte Gesetzesbegriffe“36 zu verwenden, so zB den „Stand der ____________________
35 Vgl dazu Bernhard Raschauer, Rechtskraftdurchbrechungen von Amts wegen im Verwaltungsverfahren, in Holoubek/Lang (Hrsg), Rechtskraft, 277. 36 Dazu mwH Bernhard Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 1, 310 ff.
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Technik“37. Bekanntlich ist in verschiedensten Umweltgesetzen vorgeschrieben, dass Emissionen nach dem „Stand der Technik“ zu reduzieren sind.38 Dies bedeutet, dass zB die Luftschadstoffe einer Anlage so weit verringert werden müssen, als dies nach dem jeweiligen Stand der technischen Entwicklung möglich ist, nicht aber nur so weit, dass Mensch und Umwelt nicht gefährdet werden. Umweltpolitisch ist dies Ausdruck des so genannten Vorsorgeprinzips. Für die Umwelt liegt darin ein großer Fortschritt, für die Unternehmen dagegen eine Belastung. Der Gesetzgeber schreibt daher den Stand der Technik auch nicht radikal und bedingungslos vor. So verlangt zB § 71a GewO, dass der Stand der Technik „erprobt und erwiesen“ sein muss. Das heißt, es ist eine gewisse Marktreife gefordert – die sündteure Pilotanlage in einem japanischen Labor bildet noch nicht den Stand der Technik. Die Kostenfrage wird darüber hinaus von § 71a GewO ganz explizit angesprochen. Der Stand der Technik ist nämlich auch nach Maßgabe des Kosten-Nutzen-Verhältnisses zu bestimmen. Existiert also beispielsweise am Markt eine Filteranlage, die übel riechende Luftstoffe um 10 % reduziert, gleichzeitig aber das Investitionsvolumen verdoppelt, wäre dies unverhältnismäßig und die Filteranlage dürfte dem Anlagenbetreiber nicht unter dem Titel „Stand der Technik“ vorgeschrieben werden. Bis jetzt wurde von Genehmigungskriterien im Umweltrecht gesprochen, also von inhaltlichen Anforderungen. Dieses materielle Recht ist aber das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht, wenn es nicht in einem entsprechenden, rechtsstaatlichen Verfahren umgesetzt und angewendet wird. Umweltschutz ist daher sehr wesentlich auch auf das Verwaltungsverfahren angewiesen. Gerade in diesem Bereich hat aber der Gesetzgeber in den letzten Jahren die Gewichte zwischen Ökologie und Ökonomie nicht unbeträchtlich zulasten der Ökologie verschoben! Und zwar, indem er betonte, die inhaltlichen Anforderungen an den Umweltschutz, also die materiellen Genehmigungskriterien, die wir eben betrachtet haben, würden gleich bleiben, es würde aber das Genehmigungsverfahren beschleunigt und vereinfacht. Wie sollte das erreicht werden? Ganz einfach – es wurden die Nachbarn weitgehend aus dem Verfahren ausgeschlossen! Dadurch nämlich, dass im Anlagenrecht auf brei____________________
37 Dazu schon Davy, Legalität durch Sachverstand? Zur Bestimmbarkeit von TechnikKlauseln im österreichischen Verwaltungsrecht, ZfV 1982, 345; Straube, Technikklauseln im Recht (1988) sowie jüngst Saria (Hrsg), Der „Stand der Technik“ – Rechtliche und technische Aspekte der „Technikklauseln“ (2007). 38 ZB § 77 Abs 3, § 77a Abs 1 GewO, § 3 Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen (EG-K), BGBl I 2004/150 idF zul BGBl I 2006/84, § 43 Abs 1 AWG, § 17 Abs 2 UVP-G.
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ter Basis ein so genanntes vereinfachtes Verfahren39 geschaffen wurde, bei dem die Nachbarn keine Parteistellung haben. Das aber bedeutet sozusagen eine Reduktion des Umweltschutzes durch die Hintertür – wo nämlich kein Kläger, dort kein Richter. D. Die Rolle der Gerichte im Umweltrecht In diesem Punkt wird nun die Rolle der Gerichte sichtbar. Haben doch gleich zwei Gerichte versucht, den Sündenfall des Gesetzgebers beim vereinfachten Verfahren auszugleichen! So hat zunächst der Verfassungsgerichtshof das vereinfachte Verfahren in mehreren Fällen geprüft. Er hat es dabei zwar nicht grundsätzlich verfassungsrechtlich in Frage gestellt,40 aber doch korrigiert, so zB als der Gesetzgeber versucht hatte, alle Anlagen schon dann dem vereinfachten Verfahren zu unterziehen, wenn sie nur in einem als Betriebsgebiet gewidmeten Standort errichtet werden sollten.41 Das heißt, es kam nicht darauf, welche Auswirkungen die Anlage in concreto hatte, und welche Widmung die angrenzenden Gebiete hatten. Im Extremfall hätte daher auch eine Chemiefabrik, die an ein Wohngebiet angrenzt, im vereinfachten Verfahren, also unter Ausschluss der Nachbarn, genehmigt werden können. Der Verfassungsgerichtshof hat das unsachlich gefunden.42 Das vereinfachte Verfahren ist aber auch von einer anderen Front her unter Beschuss geraten, nämlich von der Seite des Zivilrechts.43 Wieso? – § 364 Abs 2 ABGB ermächtigt den Eigentümer eines Grundstücks, seinem Nachbarn von dessen Grund ausgehende Immissionen dann zu untersagen, wenn sie ortsunüblich sind. Keinen solchen Unterlassungsanspruch hat der Nachbar gemäß § 364a ABGB dagegen, wenn es sich um ____________________
39 Siehe zB § 359b GewO, § 39 iVm § 50 AWG, § 3 Abs 1 UVP-G. Dazu statt mehrerer Bernhard Raschauer, Das vereinfachte Verfahren, in Hauer (Hrsg) Betriebsanlagenrecht im Umbruch (2004) 83. 40 So hat er insbesondere den Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung explizit als sachliche Rechtfertigung für das vereinfachte Verfahren anerkannt, VfSlg 14.512/1996, bestätigend zB VfSlg 16.103/2001, VfSlg 17.165/2004. 41 § 359b Abs 4 Z 2 GewO idF BGBl I 1997/63. 42 VfSlg 16.103/2001. – Zur verfassungsrechtlichen Problematik und weiteren „Korrekturen“ des VfGH am vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren siehe statt mehrerer Bernhard Raschauer, Anlagenrecht und Nachbarschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht, ZfV 1999, 506; Thienel, Verfassungsrechtliche Grenzen für das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 359b GewO, ZfV 2001, 1558; Raschauer, N., Das vereinfachte Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (§ 359b GewO) im Gefolge jüngster höchstgerichtlicher Entscheidungen, RdU, 2005, 100. 43 Bernhard Raschauer hat sich in seinem Beitrag „Immissionsschutz im Gewerberecht und im Zivilrecht“, ÖZW 1980, 7, schon früh mit dem hier angesprochenen Zusammenspiel von zivilem und öffentlichem Recht auseinandergesetzt.
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eine „behördlich genehmigte Anlage“ handelt. Er kann dann nur Schadenersatz fordern. Der Oberste Gerichtshof weigert sich nun seit einigen Jahren in seiner Judikatur, eine Anlage, die im vereinfachten Verfahren und damit unter Ausschluss der Nachbarn genehmigt worden ist, als eine solche behördlich genehmigte Anlage zu qualifizieren.44 Die Folge davon ist, dass ein Unternehmer, dessen Anlage im vereinfachten Verfahren genehmigt worden ist, sich zwar einerseits über ein rasches und unkompliziertes Verfahren freuen kann, andererseits aber allfälligen Unterlassungsklagen der Nachbarn ins Auge sehen muss.45 Die Gewichte sind damit wieder ein wenig zugunsten des Nachbar- und Umweltschutzes verschoben! Nun aber noch ein Beispiel, in dem die Gerichtsbarkeit wieder die Partei des Unternehmers ergriffen hat. Die zugrunde liegende Fallkonstellation wurde schon kurz angesprochen. Es geht um die so genannte „heranrückende Wohnbebauung“, die sich in der Umgebung einer bereits bestehenden Anlage ansiedelt. Wie gesagt, sieht das Umweltrecht vor, dass einem Unternehmer in einem solchen Fall nachträgliche Auflagen vorgeschrieben werden können. Es besteht daher ein verständliches Interesse des Anlagenbetreibers, eine derartige heranrückende Wohnbebauung in Grenzen zu halten und möglichst schon im entsprechenden Bauverfahren für diese Wohnungen ein Mitspracherecht zu erhalten. Die Bauordnungen haben dies freilich traditionellerweise nicht vorgesehen. Hier ist vor einigen Jahren der Verfassungsgerichtshof richterrechtlich in die Bresche gesprungen und hat den Anlagenbetreibern das Recht zugesprochen, im Bauverfahren mögliche Belastungen wegen nachträglich zu erwartender Auflagen einzuwenden.46 Diese Judikatur des Verfassungsgerichtshofs war nicht unstrittig,47 sie hat sich auf eine relativ kühne verfassungskonforme Interpretation gestützt und dabei den Wortlaut des Gesetzes nicht beachtet! ____________________
44 OGH 8.7.2003, 4 Ob 137/03 f (= RdU 2003, 151, mit Kommentar von Stolzlechner), OGH 21.12.2006, OGH 3Ob 252/06i; relativierend dagegen das obiter dictum in OGH 27.6.2007, 8 Ob 135/06w. Zu diesen Entscheidungen jüngst mwH Kerschner, Nachbarschaftsrecht kompakt (2008), 58 f, 143, 62 ff. 45 Zu Unterlassungsansprüchen jüngst umfassend Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht (2006), vgl weiters dieselbe, Die Betriebsanlage im zivilen Nachbarrecht (1997). 46 VfSlg 12.468/1990. 47 Insbesondere hat ihr der VwGH keine Gefolgschaft geleistet (zB VwGH 7.9.1993, 93/05/0073) dazu A. Hauer, Rechtsfragen der „heranrückenden Wohnbebauung“, RdU 1995, 116; W. Hauer, Kann sich der Inhaber eines immissionsträchtigen Betriebs im Baubewilligungsverfahren gegen eine heranrückende Wohnbevölkerung wehren? ÖJZ 1995, 361. Kritisch auch Öhlinger, Verfassungsrecht 7 (2007) 39.
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E. Marktorientierte Instrumente des Umweltrechts Nun zum letzten Punkt, den so genannten marktorientierten Instrumenten des Umweltrechts.48 Diese machen sich die ureigensten Instinkte des Menschen zu Nutze und appellieren an sein Eigeninteresse. Indem nämlich die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmer stimuliert werden, soll zugleich dem Umweltschutz gedient werden, sozusagen eine „Win-Win-Situation“. Ganz ohne staatlichen Zwang geht freilich auch dies nicht. Werfen wir einen Blick auf das wichtigste Beispiel für ein solches marktorientiertes Instrument in Österreich, den Emissionshandel nach dem Emissionszertifikategesetz49. Die Idee dahinter ist, dass die Unternehmer nicht, wie bisher nach dem Ordnungsrecht, soweit emittieren bzw so viele Schadstoffe an die Luft abgeben dürfen, als ihnen ihre Anlagengenehmigung erlaubt – und dies alles gratis. Man möchte vielmehr die „externen Kosten“, die durch die Luftverschmutzung der Allgemeinheit entstanden sind, wie man sagt „internalisieren“, das heißt, den Unternehmern zumindest zum Teil zurechnen. Wie passiert das? Bestimmte größeren Anlagenbetreiber50 dürfen Luftschadstoffe – derzeit betrifft dies Kohlendioxid – nur dann abgeben, wenn sie über entsprechende Emissionszertifikate verfügen.51 Diese Zertifikate sind nichts anderes als „Verschmutzungsrechte“. Sie werden in einer ersten Periode vom Staat den Unternehmen in begrenzter Zahl und zunächst noch gratis zugeteilt. In der Folge werden sie dann schrittweise verringert. Dadurch werden sie immer knapper. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ein Markt entsteht und sich ein Preis für die Zertifikate bildet. Diese Knappheit führt auch dazu, dass Unternehmer beginnen, für sich nachzurechnen: Sollen sie ihre Produktion einschränken oder besser ihre Technologie so entwickeln, dass weniger Schadstoffe emittiert werden, oder verdienen sie so gut, dass sie nichts zu ändern brauchen und dafür von anderen Unternehmern Zertifikate zukaufen können? Wenn es billiger ist, die Emissionen zu vermeiden als die Zertifikate auf dem Markt zu ____________________
48 Vgl Feess, Umweltökonomie, 48, 71 ff; Endres, Umweltökonomie, 108 ff; Perman et al, Natural Resource and Environmental Economics, 217 ff (“economic incentive [quasimarket] instruments“); Common/Stagl, Ecological Economics, 405 (“market-based instruments“). 49 BGBl I 2004/46 idF zul BGBl I 2006/171 (EZG). 50 Vgl Anhang 1 zum EZG. 51 § 4 iVm § 18 EZG. Einen Überblick über das System geben Bratrschovsky/Chojnacka, Luftreinhaltung und Klimaschutz, in N. Raschauer/W. Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht, 471 sowie Pirker, Emissionszertifikaterecht in Holoubek/Potacs, Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts 2 (2007) Bd II 1069.
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kaufen, ergibt sich daraus ein marktwirtschaftlicher Anreiz zu mehr Umweltschutz. Freilich hat auch dieses System seine Tücken. Zunächst ist es einmal mit einem großen Verwaltungsaufwand verbunden – und der hat seinen Preis, sowohl für die Unternehmen als auch für den Staat. Dann ist fraglich, ob es sachgerecht52 ist, nur, wie das derzeit der Fall ist, einzelnen, größeren Unternehmen einen solchen Beitrag zum Klimaschutz abzuverlangen. Müsste man nicht auch andere Emittenten, wie den Verkehr, vor allem die Luftfahrt, einbeziehen, oder gar jeden einzelnen Konsumenten, der seine Heizung betreibt?53 Vieles hängt auch davon ab, ob sich für die Emissionszertifikate ein entsprechender Preis bildet, was bis jetzt freilich noch nicht gelungen ist. Lag der Preis bei Handelsbeginn Ende Juni des Jahres 2005 bei knapp € 24 pro Zertifikat bzw Tonne CO2, im Dezember 2006 bei € 6,55, so betrug er Ende Jänner 2008 lediglich € 0,03!54 Schließlich sind die neuen umweltrechtlichen Instrumente auch für die Legistik eine Herausforderung. Bekanntlich hat der VfGH die Bestimmungen des Emissionszertifikategesetzes zum Teil für verfassungswidrig erklärt,55 und zwar im Hinblick auf die rechtliche Konstruktion des Nationalen Zuteilungsplans für die Zertifikate. Das Problem dabei war, dass der Gesetzgeber für diesen Plan einen von unserer Verfassung nicht vorgesehenen Rechtsakt geschaffen hatte, nämlich einen Akt, bei dem die Entscheidung der österreichischen Verwaltung unzulässigerweise an die Zustimmung der Europäischen Kommission gebunden war. ____________________
52 Zu den damit angesprochenen gleichheitsrechtlichen Überlegungen siehe die Beiträge von Binder, Schwarzer und Hauer in Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz (Hrsg), Rechtsprobleme des Emissionszertifikategesetzes (2006). 53 Auf EU-Ebene sind mittlerweile Vorstöße in Richtung einer Ausweitung des Emissionshandelssystems vorgenommen worden; vgl die Richtlinienvorschläge der Kommission zur Änderung der RL 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, KOM (2006) 818 endgültig vom 20.12.2006, bzw zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten, KOM (2008) 16 endgültig vom 23.1.2008. 54 Siehe die Tabelle „Historische Handelsergebnisse – CO Markt“ der österreichischen 2 Energie und Umweltbörse „Energy Exchange Austria“ (EXAA), downloadbar unter http:// www.exaa.at/market/historical/co2/. 55 VfGH 11.10.2006, G 138/05, V 97/05 ua betreffend § 13 Abs 4 EZG aF, dazu Randl/Mayerthaler, Der VfGH zum EZG – Fortsetzung folgt …, RdU 2006/5, Beilage Umwelt & Technik, 45; Holley, Emissionszertifikate an der Schnittstelle zwischen Gemeinschaftsrecht und Verfassungsrecht, JAP 2006/2007/22; Bezemek, Hybride Rechtsakte und normative Zuteilungspläne, ZfV 2007, 616; Eberhard, Altes und Neues zur „Geschlossenheit des Rechtsquellensystems“, ÖJZ 2007/58 sowie die Besprechung von Potacs in ÖZW 2007, 35.
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Abschließend noch kurz zu einem weiteren Regelungsbereich, den wir mit dem marktwirtschaftlichen Gedanken assoziieren, zur Umwelthaftung. Auch sie geht von der Idee aus, dass Unternehmer dann, wenn sie die Kosten der Umweltverschmutzung selbst tragen müssen, mit der Umwelt viel vorsichtiger umgehen. Ziel ist also auch hier eine Zurechnung nach dem Verursacherprinzip. Einschlägig ist die EU-Umwelthaftungsrichtlinie,56 die bis April 2007 in unser Recht umzusetzen war. Blickt man in die Regierungsvorlage zum geplanten „Bundes-Umwelthaftungsgesetz“57, ist man wahrscheinlich überrascht. Es finden sich dort nämlich keine zivilen Haftungs- und Schadenersatzregelungen, sondern eher klassisches Verwaltungsrecht, nämlich die verwaltungsrechtliche Verpflichtung, so genannte „Umweltschäden“ zu vermeiden und zu sanieren. Erfasst sind dabei Schäden an Gewässern und am Boden, soweit sie bei bestimmten Tätigkeiten entstehen, wie zB beim Betrieb einer besonders umweltgefährlichen Anlage.58 Das Gesetz orientiert sich dabei stark an der schon lange bestehenden Bestimmung des § 31 Wasserrechtsgesetzes,59 die eine allgemeine Sorgfaltspflicht für gewässergefährliche Tätigkeiten kennt und den Verursacher einer Gewässerverunreinigung zu unverzüglichen Abhilfemaßnahmen verpflichtet bzw der Behörde aufträgt, an seiner Stelle Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen zu setzen.60 Der wichtigste Punkt ist in einem solchen Fall aber die Kostentragung durch den Verursacher, das Gesetz sieht eine Überwälzung der behördlichen Kosten auf den Verschmutzer vor.61 Die neuen Haftungsregelungen werden sicherlich dazu beitragen, das Umweltbewusstsein der Wirtschaft zu erhöhen. Vom Instrumentarium her sind sie allerdings eher dem klassischen Ordnungsrecht zuzurechnen. F. Resümee Ziehen wir nunmehr ein Resümee: Was kann das Recht für den Ausgleich von Ökologie und Ökonomie leisten? Nun, es lenkt zunächst den ____________________
56 RL 2004/35/EG über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl L 143/56 v 30.4.2004. 57 95 BlgNR XXIII.GP (im Folgenden RV zum B-UHG). – Auch an der Vorbereitung des zugrundeliegenden Gesetzesentwurfes war Bernhard Raschauer maßgeblich beteiligt, siehe Kerschner, Private enforcement im öffentlichen Umweltrecht, in diesem Band. 58 Vgl im Einzelnen § 2 iVm Anh 1 RV zum B-UHG. 59 Ausführlich Bernhard Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, 114. 60 Vgl die Vermeidungs- und Sanierungspflichten gemäß den §§ 5 und 6 RV zum B-UHG. 61 § 8 RV zum B-UHG; dazu – insbesondere wegen der darin enthaltenen beträchtlichen Einschränkung durch eine sog „permit defense“ sowie im Hinblick auf das „Entwicklungsrisiko“ – kritisch Kerschner, Private enforcement, in diesem Band.
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zugrunde liegenden Konflikt in geordnete Bahnen, es macht ihn von einer bloßen Machtfrage zu einer Rechtsfrage. Das gelingt ihm mithilfe eines rechtsstaatlichen Verfahrens und wohlabgewogener inhaltlicher Kriterien, aber auch durch ein gelungenes Zusammenspiel der verschiedenen Staatsgewalten: einem vernünftigen Gesetzgeber einer unabhängigen Gerichtsbarkeit und einer engagierten und unparteiischen Verwaltung. Nur wenn alle diese Komponenten gegeben sind, wird der Rechtsordnung ein adäquater Ausgleich von Ökologie und Ökonomie gelingen. Freilich darf man seine Erwartungen nicht übertreiben. Das Recht ist vom Menschen gemacht und kann damit letzten Endes nur so gut oder schlecht sein, wie die Menschen, die seine Regeln aufstellen und sie dann anwenden. Vielleicht sollten wir uns daher doch wieder einmal die Lehren der alten Griechen zu Herzen nehmen, uns den Ursprung von Ökologie und Ökonomie in der Haus- und Landwirtschaft vor Augen führen und uns ihre Gemeinsamkeiten bewusst machen. Gerade an einer multidisziplinären Universität wie der „BOKU“62, so meine ich, bieten sich dafür viele Ansätze und Möglichkeiten!
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62 Zu Entwicklung und Geschichte der „BOKU“ Welan (Hrsg), Die Universität für Bodenkultur Wien – Von der Gründung in die Zukunft 1872 – 1997 (1997). – Sie ruht heute als „Universität des Lebens“ („University of Natural Resources and Applied Life Sciences, Vienna“) auf den „drei Säulen“ der Naturwissenschaft, der Technik sowie der Sozial- und Wirtschaftswissenschaft.
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Strafprozessreform und Bankgeheimnis – eine halbe Sache? I. Aufgabenstellung Mit dem StrafprozessreformG1 wurde das strafprozessuale Vor- bzw Ermittlungsverfahren grundlegend umgestaltet, wobei an die Stelle der überkommenen, in der Praxis bereits weitgehend verlassenen Leitidee unmittelbarer richterlicher Ermittlungen (sog Untersuchungsrichtermodell) ein Gerichte, Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizei einbindendes Kooperationsmodell trat. Zu den wesentlichen Säulen dieses Modells zählen die Anerkennung eigenständiger Ermittlungskompetenzen der Kriminalpolizei, die staatsanwaltliche Koordinations- und Leitungsbefugnis und sowie die verstärkte gerichtliche Kontrolle. Galt es dabei – das Ziel einer Anpassung der im Wesentlichen auf das Jahr 1873 zurückgehende Struktur des Vorverfahrens an heutige Auffassungen und Anforderungen sowohl auf dem Gebiet kriminalpolizeilicher Effizienz als auch im Bereich des Grundrechtsschutzes vor Augen – zahlreiche Regelungen völlig neu zu konzipieren, wurden andere lediglich in die Systematik und Gesetzessprache der Novelle transformiert. Zu diesen, zumeist jüngeren Schichten des bisherigen Regimes angehörenden Bestimmungen zählen insb jene betreffend Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte (§ 116 StPO)2. Freilich würde wohl die angesprochene „Transformation“ für sich – nicht zuletzt angesichts der umfassenden literarischen Aufarbeitung durch Flora3 – eine neuerliche Auseinandersetzung mit Fragen der Handhabung des Bankgeheimnisses im gerichtlichen Strafverfahren nicht rechtfertigen. Vielmehr ziehen gerade jene darüber hinausgehenden kleinen, auf den ersten Blick nahezu unscheinbar anmutenden Änderungen des bisherigen Regelungsregimes des § 145a aF StPO auf der einen, vor allem aber die Neufassung des § 38 Abs 1 Z 2 BWG auf der anderen Seite das Interesse ____________________
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BGBl I 2004/19. EBRV 25 BlgNR 22. GP 160. Bislang § 145a StPO idF BGBl I 2000/108, I 2002/
134. 3 Vgl zu diesem Themenbereich (im Wesentlichen zur bisherigen Rechtslage) grundlegend und umfassend Flora, Das Bankgeheimnis im gerichtlichen Strafverfahren (2007).
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auf sich. Mögen die Materialien ihre Bedeutung auch auf die Ebene rein technischer Anpassungen an die neue verfahrensrechtliche Konzeption des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens herunterspielen4, so ist es gerade diese Beiläufigkeit, die zu einer näheren Betrachtung einlädt. Dieser Einladung soll im vorliegenden Beitrag nachgekommen werden. Schwerpunktmäßig soll dabei der Frage nach möglichen inhaltlichen (materiellen) Änderungen des Bankgeheimnisses, aber auch jener nach seiner Handhabung außerhalb des Kernbereichs des § 116 StPO – namentlich im Zusammenhang mit dem Zeugenbeweis – auf der anderen Seite nachgegangen werden. Der Veranschaulichung soll dabei folgende, in der Praxis bedeutsame Fallkonstellation5 dienen: A vergisst bei einem im Foyer Geldausgabeautomaten, das von ihm abgehobene Geld, a) € 100,--; b) € 5.000,-zu entnehmen. Als er kurze Zeit später zurückkehrt, ist das Geld nicht mehr dort. B, der den Automaten gerade verlässt, versichert ihm, dass er – als er angekommen sei – das Geld des A nicht mehr vorgefunden habe. Klarheit über den Täter, insbesondere ob B das Geld an sich genommen hat, könnten zum einen die Bilder der Überwachungskamera, zum anderen ein Mitarbeiter des Kreditinstituts bringen, der den Automaten im fraglichen Zeitraum beobachtet hatte.
In einem ersten Schritt stellt sich im genannten Sachverhalt evidentermaßen die Frage nach dem Umfang des Bankgeheimnisses bzw seiner Durchbrechung im Zusammenhang mit der Aufklärung mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen. Ehe man sich freilich der neuen Rechtslage zuwendet, gilt es, sich wesentliche Aspekte des status quo zu vergegenwärtigen.
II. Inhaltliche Änderung des Bankgeheimnisses? A. Status quo Ursprünglich nach § 22 Abs 3 PostSpG 1969 ausschließlich auf die Postsparkasse bezogen, fand das Bankgeheimnis als besonderes Berufsgeheimnis mit Inkrafttreten des KWG 1979 eine alle Kreditinstitute betreffende ausdrückliche gesetzliche Anerkennung. In seither im Wesentlichen unveränderter Weise gebietet es, dass Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, ____________________
4 Soweit die Materialien noch vom erforderlichen Anpassungsbedarf an das Protokoll zum Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU sprechen, wurde dieser durch das StRÄG 2002 vorweggenommen. Die Überschneidung der beiden Gesetzesvorhaben mag auch Mitursache für das völlige Schweigen zum Entfall des bisherigen § 145a Abs 1a StPO sein. 5 Vgl Flora, Bankgeheimnis 129 (zu Bankomaten).
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Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für Kreditinstitute tätige Personen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindungen mit Kunden oder auf Grund des § 75 Abs 3 BWG6 anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten dürfen. Zu diesen grundsätzlich dem Bankgeheimnis unterliegenden Informationen zählen – um beim oben genannten Beispiel zu bleiben – insbesondere solche über die Identität von Kunden sowie darüber, ob, wann und wo diese mit dem Kreditinstitut in Kontakt getreten sind. Erfasst sind daher auch den Kunden zeigende Bilder aus Überwachungskameras sowie Kontonummer und Bankleitzahl aufweisende Terminalstreifen des Geldausgabeautomaten7.
Wie für den bei weitem überwiegenden Teil der Berufsgeheimnisse gilt auch für das Bankgeheimnis, dass es nicht absolut garantiert wird. Vielmehr gilt es nur dann und insoweit, als nicht das Geheimhaltungsinteresse aufgrund einer in erster Linie auf Gesetzesebene vorweggenommenen Interessensabwägung8 hinter andere – gegenläufige – Interessen zurücktritt. Zu letzteren zählt seit jeher jenes an der Aufklärung mit gerichtlicher Strafe bedrohter Handlungen. So bestand bislang nach § 38 Abs 2 Z 1 BWG keine Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit eingeleiteten 9 gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten. Bildete diese Regelung zunächst auch die alleinige Rechtsgrundlage für die Handhabung das Bankgeheimnis betreffender strafprozessualer Zwangs- und Sicherungsmittel und damit die Berücksichtigung dieses Berufsgeheimnisses im Strafprozess, so wurde dieser Problemkreis mit der StPO-Nov 2000, BGBl I 2000/108, auf eine eigene gesetzliche Grundlage gestellt. An das bis dahin geltende Regime sowie die einschlägige höchstgerichtliche Rsp anknüpfend, unterwarf fortan § 145a StPO zunächst die sog Kontoöffnung10 eigenen Regelungen. Mit seiner Neufassung durch das StRÄG 2002, BGBl I 2002/134, traten solche über Auskünfte über Bankkonten sowie Kontoüberwachungen als besondere Ermittlungsmethoden hinzu11. Während sich die StPO dabei ursprünglich ____________________
6 Richtig wohl: Abs 5 (Datenbekanntgaben durch die OeNB; vgl Oppitz, Bankrecht, in: Holoubek/Potacs (Hrsg), Öffentliches Wirtschaftsrecht II 2 [2007] 101). 7 Flora, Bankgeheimnis 130 (zu Bankomaten). 8 Vgl zu antizipierten Interessenabwägungen weiterführend Wessely, Eckpunkte der Parteistellung (Habil Uni Wien 2006) 71 ff. 9 Als eingeleitet galt ein Strafverfahren nach hM (vgl ausführlich Schütz, Die Aufhebung des Bankgeheimnisses aufgrund eines ausländischen Rechtshilfeersuchens in Strafsachen, JBl 1996, 503 ff ), wenn irgendeine strafgerichtliche Maßnahme gegen einen bekannten oder unbekannten Täter ergriffen wurde, im Wesentlichen daher mit gerichtlichen Vorerhebungen (vgl EvBl 1989/99). 10 AB 289 BlgNR 21.GP 5. 11 EBRV 1166 BlgNR 21. GP 50.
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– der Intention des Gesetzgebers entsprechend12 – im Wesentlichen auf die Statuierung besonderer formeller Voraussetzungen beschränkte, wohingegen die materiellen Voraussetzungen des § 38 BWG – nicht zuletzt in Form der ausdrücklichen Anknüpfung der StPO an diese Bestimmung – unverändert beibehalten wurden, brachte die Neufassung des § 145a StPO durch das StRÄG 2002 insoweit eine nicht unerhebliche Änderung mit sich: Bestand das ausschließlich im Lichte des § 38 BWG zu beurteilende Offenbarungsrecht auch weiterhin unverändert fort, wurde die ursprünglich korrespondierende Offenbarungspflicht ausnahmslos auf das Gerichtshofverfahren und damit im Wesentlichen auf die Ahndung solcher Delikte eingeschränkt, die mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht waren13. Wenngleich sich daher an der Berechtigung des Kreditinstituts, mit den Strafgerichten auch im Zusammenhang mit eingeleiteten bezirksgerichtlichen Verfahren zu kooperieren, nichts änderte, war diese Kooperation fortan in das Ermessen des Kreditinstituts gestellt. Hinderte es das Kreditunternehmen daher – um auf das eingangs geschilderte Beispiel a) zurückzukommen – nicht, die Bilder der Überwachungskamera herauszugeben oder im Wege der Zeugenaussage die erforderlichen Informationen zu erteilen, fehlte es – anders als im Fall b) – an einer korrespondierenden und letztlich im Zwangsweg durchsetzbaren Verpflichtung.
B. Änderung der Offenbarungspflicht? Wendet man sich nun der Frage nach der gegenwärtigen Rechtslage zu, so können zunächst hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen der strafprozessualen Offenbarungspflicht – trotz des Entfalls des Verweises auf § 38 BWG14 – keine Änderungen konstatiert werden15. Nach wie vor besteht sie ausschließlich im Gerichtshofsverfahren (nunmehr: Verfahren vor dem Landesgericht). Soll die Offenbarung auch Art und Umfang von Geschäftsverbindungen (§ 109 Z 3 lit b StPO) umfassen, so bedarf es darüber hinaus eines Verdachts, dass die Geschäftsverbindung insbesondere mit der Begehung der strafbaren Handlung im Zusammenhang steht und entweder der Kontoinhaber selbst verdächtig ist oder zu erwarten ist, dass ein der Tat Verdächtiger eine Transaktion über das Konto abgewickelt hat oder abwickeln wird, oder die Geschäftsverbindung im Zusammenhang ____________________
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AB 289 BlgNR 21.GP 5. Flora, Bankgeheimnis 49 f. Entsprechende Einschränkungen konnten sich allerdings auch vorher bereits aus Verhältnismäßigkeitserwägungen ergeben (idS EBRV 1166 BlgNR 21. GP 50; EBRV 25 BlgNR 22. GP 160). 14 Flora, Bankgeheimnis 179 f. 15 Die in den EBRV 25 BlgNR 22. GP 160 f angesprochene erforderliche Anpassungen an das Protokolls zum Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU wurde bereits im Zuge des StRÄG 2002 vorweggenommen. 13
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mit der Abschöpfung (§ 20 StGB) oder dem Verfall (§ 20b StGB) unterliegenden Vermögenswerten genutzt wird. C. Änderung des Offenbarungsrechts? Als ungleich schwieriger zu beantworten erweist sich demgegenüber die Frage nach Änderungen des Offenbarungsrechts. So besteht zufolge § 38 Abs 1 Z 2 BWG eine Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nunmehr unter anderem nicht im Zusammenhang mit einem Strafverfahren – auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung (§ 116 StPO) gegenüber den Staatsanwaltschaften und – Strafgerichten. Von den EBRV zum StrafprozessreformG als bloß „technische“ Anpassung angekündigt16, unterstreichen die Materialien17 zur interessierenden BWG-Nov, BGBl I 2007/108, dass durch die Neufassung, namentlich durch die Ausdehnung der Ausnahme auf die Staatsanwaltschaft, der geänderten Rollenverteilung im Ermittlungsverfahren entsprochen werden sollte. Auf Grund der Eingriffsintensität sei diese Ausnahme jedoch an eine gerichtliche Bewilligung geknüpft. Was hier bei erster unbefangener Lektüre durchaus in sich schlüssig und plausibel erscheint, erweist sich bei näherer Betrachtung als problematisch: So könnten die genannten Ausführungen leicht den Eindruck erwecken, die Ausnahme der Z 1 habe durch die Novelle eine Ausdehnung erfahren und betreffe nicht Fragen des Offenbarungsrechts, sondern der Offenbarungspflicht. Wendet man sich erstgenanntem zu, so wird – angesichts der Koppelung an die gerichtliche Genehmigung nach § 116 StPO – rasch deutlich, dass gerade das Gegenteil der Fall ist. Erfasste die Ausnahme nämlich bislang eingeleitete Strafverfahren generell, mithin jedes Strafverfahren ab dem Stadium der gerichtlichen Vorerhebungen, kann ihr nunmehr – jedenfalls im Ermittlungsverfahren – nur mehr dann Bedeutung zukommen, wenn – dieses Verfahren die Aufklärung einer in die Zuständigkeit der Landesgerichte fallenden Straftat bezweckt18 und – eine entsprechende Auskunft seitens der Staatsanwaltschaft ausdrücklich begehrt wird19. ____________________
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EBRV 25 BlgNR 22. GP 22. EBRV 286 BlgNR 23. GP 5. 18 Nur in diesen Fällen darf die vom Gesetz als Anknüpfungspunkt statuierte gerichtliche Bewilligung erteilt werden (§ 116 Abs 1 StPO). 19 Nur die Initiative der Staatsanwaltschaft ebnet den Weg zur erforderlichen gerichtlichen Bewilligung. Eine Möglichkeit des Kredit- oder Finanzinstituts, den Strafverfolgungs17
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Eine ausdrückliche Begründung für diese nicht unerhebliche Einschränkung lassen die Materialien indes vermissen. Sie könnte allenfalls in der im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer gerichtlichen Bewilligung ins Treffen geführten „Eingriffsintensität“ erblickt werden. Bereits die Berufung darauf ist freilich „verräterisch“20 und bestärkt den Leser darin, dass der Gesetzgeber bei der Novellierung offenbar den Problemkreis der Offenbarungspflicht – namentlich gegenüber staatsanwaltschaftlichen Behörden und Kriminalpolizei – vor Augen hatte. Doch ist es gerade nicht dieser, sondern jener des Offenbarungsrechts, den § 38 Abs 2 BWG auch seinem klaren Wortlaut nach seit jeher regelt. Diese Vermengung zweier verschiedener und voneinander zu unterscheidender Fragestellungen hat nun zur Folge, dass das Kredit- oder Finanzinstitut im Ermittlungsverfahren nur bei Bestehen einer konkreten und durch eine entsprechend gerichtlich bewilligte Anordnung iSd § 116 StPO aktualisierten Offenbarungspflicht auch zur Offenbarung berechtigt ist. Wiederum am eingangs genannten Beispiel dargestellt, wäre daher das Kreditinstitut nicht nur nicht verpflichtet, die erforderlichen Informationen zu erteilen, sondern wäre es ihm im Fall a) – jedenfalls im Ermittlungsverfahren – verboten.
Diese Konsequenz der Vermengung lässt Zweifel daran aufkommen, dass Gesetz wurde, was der Gesetzgeber vor Augen hatte, nämlich lediglich eine technische Anpassung des § 38 Abs 1 Z 2 BWG vorzunehmen. Sieht man davon ab, wirft die nunmehrige Konstruktion darüber hinaus freilich auch die Frage nach ihrer sachlichen Rechtfertigung auf, wird das Kredit- bzw Finanzinstitut durch diese Regelung gleichsam dazu verdammt, unter der Landesgerichtsschwelle angesiedelte Straftaten eigener Kunden an Dritten, aber auch an ihm selbst generell decken zu müssen. Für eine – Interessenabwägungen zulassende – Einzelfallbeurteilung21 und damit eine flexible Handhabung bleibt kein Raum. Bestärkt wird der Verdacht einer überschießenden Formulierung schließlich, hält man sich vor Augen, dass das Offenbarungsrecht im bezirksgerichtlichen Hauptverfahren, also ab Einbringen der Anklage, wohl unverändert erhalten blieb. Wenngleich die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte im Hauptverfahren zufolge § 210 Abs 3 StPO einer in sinngemäßer Anwendung des § 116 StPO zu erlassenden gerichtlichen Anordnung (eines Beschlusses) bedarf, sodass die Offenbarungspflicht auch insoweit nur im Verfahren vor dem Landesgericht besteht, scheint ____________________
behörden gleichsam von sich aus dem Bankgeheimnis unterliegende Informationen zur Verfügung zu stellen, besteht damit nicht mehr. 20 Angesprochen sind wohl Eingriffe durch staatliche Organe, nicht aber die (freiwillige) Preisgabe einschlägiger Informationen durch das Kredit- bzw Finanzinstitut. 21 Vgl zur Notwendigkeit einer solchen nach der bisherigen Rechtslage Flora, Bankgeheimnis 128 ff.
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dies aufgrund der Formulierung des § 38 Abs 2 Z 1 BWG, die der Auskunft an die Staatsanwaltschaft jene an das Gericht gegenüberstellt22, nicht auf das Offenbarungsrecht durchzuschlagen. In jedem Fall erscheint eine Entwirrung der beiden Regelungsgegenstände des § 38 BWG auf der einen und des § 116 StPO auf der anderen Seite dringend geboten.
III. Zeugenvernehmung und Bankgeheimnis A. § 116 StPO als „lex specialis“? Ebenso zu den eingangs angesprochenen „beiläufigen“ Änderungen des hier interessierenden Regimes zählt der Entfall des bislang die zeugenschaftliche Vernehmung für Kredit- oder Finanzinstitute tätiger Personen regelnden § 145a Abs 1a aF StPO. Dieser Bestimmung zufolge hatten für das Kredit- oder Finanzinstitut tätige Personen unter den in Abs 1 genannten Voraussetzungen, mithin bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen der Offenbarungspflicht23, als Zeugen über Tatsachen auszusagen, die ihnen auf Grund der Geschäftsverbindung anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind. Und was läge auch im eingangs geschilderten Fall näher, als – abgesehen von den Bildern der Überwachungskamera – auf die Wahrnehmungen des Mitarbeiters des Instituts zurückzugreifen.
Die dabei auftretende Frage der Bedeutung des Bankgeheimnisses im Bereich des Zeugenbeweises begleitet die einschlägige Diskussion seit jeher. Fand die Problematik ursprünglich in § 22 Abs 3 aE PostSpG ausdrücklich Berücksichtigung, indem das Gesetz klar stellte, dass es sich beim Bankgeheimnis um kein die Zeugnispflicht ausschaltendes Berufungsgeheimnis iSd § 104 FinStrG handelte, so traf dies auf das KWG, das BWG, zunächst aber auch auf die StPO nicht zu. Statt ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen begnügte man sich fortan damit, in den Materialien kundzutun, dass eine entsprechende Zeugenvernehmung nur unter den Voraussetzungen des § 23 Abs 2 Z 1 KWG24 bzw des § 145a Abs 1 ____________________
22 Das Erfordernis der gerichtlichen Bewilligung – und damit die Einschränkung auf das Verfahren vor den Landesgerichten – kann sich richtigerweise nur auf die Auskunft an die Staatsanwaltschaft und damit nur auf das Ermittlungsverfahren beziehen. Das in der zweiten Alternative angesprochene Auskunftsrecht gegenüber dem Gericht betrifft das Haupt- und Rechtsmittelverfahren. Nicht übersehen wird, dass eine Verbal- bzw grammatikalische Interpretation durchaus anderes nahe legen könnte. 23 Die formellen, den entsprechenden Beschluss betreffenden Regelungen fanden sich in den Abs 3 und 4. 24 EBRV 844 BlgNR 14. GP 50.
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StPO idF der StPO-Nov 200025 rechtens sei. Sah sich der Gesetzgeber des StRÄG 2002 in weiterer Folge gleichwohl – im Übrigen ohne jede Begründung in den Materialien26 – veranlasst, die Frage des Zeugenbeweises in der oben genannten Bestimmung des § 145a Abs 1a StPO ausdrücklich zu regeln, verließ diese Regelungen mit dem StrafprozessreformG die juristische Welt so sang- und klaglos und abermals ohne jede Begründung, wie sie sie betreten hatte27. Wiederum traten – man mag zu sagen versucht sein: in guter Tradition – an ihre Stelle „Klarstellungen“ in den Materialen28: So stelle § 116 gegenüber allen anderen Ermittlungs- und Zwangsbefugnissen eine „lex specialis“ dar, sodass stets und ausschließlich nach ihr vorzugehen sei, wenn von § 38 BWG erfasste Auskünfte einzuholen seien. Die Vernehmung informierter Vertreter dieser Institute und Prüfungsverbände habe daher eine Anordnung der Staatsanwaltschaft voranzugehen, die ihrerseits der gerichtlichen Bewilligung bedürfe. Worauf die Materialien damit zunächst den Blick lenken, stellt keinesfalls ein Spezifikum des Bankgeheimnisses dar, sondern gilt für gesetzlich garantierte Geheimnissphären29 generell: Soll ihr Schutz effektiv sein, so kann alleine mit dem Verbot, in sie auf eine bestimmte Weise – etwa durch die Beschlagnahme von Papieren – einzudringen, nicht das Auslagen gefunden werden. Vielmehr gilt es, Eingriffe auf welche Art auch immer hintanzuhalten. Wird die StPO dieser Vorgabe hinsichtlich anderer Geheimnisbereiche wie insbesondere dem Beichtgeheimnis oder dem Berufsgeheimnis des Rechtsanwalts durch ausdrücklich statuierte Umgehungsverbote30 und hinsichtlich des Brief- und Fernmeldegeheimnisses durch besondere Beweisverwertungsverbote31 gerecht, so irritiert es zunächst, dass dem Gesetz solche ausdrücklichen Regelungen im hier interessierenden Zusammenhang fremd sind. Am fehlenden Problembewusstsein konnte es dabei – wie die Materialien zeigen – nicht gelegen haben. ____________________
25 „Regelmäßig“ nach Vorliegen eines Kontoöffnungsbeschlusses (JAB 289 BlgNR 21. GP 6). 26 EBRV 1166 BlgNR 21. GP; JAB 1213 BlgNR 21. GP. 27 Mitursache hiefür dürfte wieder die Entstehungsgeschichte des StrafprozessreformG sein, näherhin die zeitliche Überschneidung mit der Gesetzwerdung des StRÄG 2002. 28 JAB 406 BlgNR 22. GP 17. 29 Dies im Übrigen unabhängig davon, ob die Geheimnissphäre auf verfassungs- oder einfachgesetzlicher Ebene gewährt wird, sodass die Frage, ob das Bankgeheimnis auch als Teil des Privatlebens im Wege des Art 8 EMRK verfassungsrechtlichen Schutz genießt (idS Bertel, Das Bankgeheimnis im Strafverfahren, ÖBA 1992, 13; Flora, Bankgeheimnis 3; Roth/Fritz, Anonymität, Identitätsfeststellung und Bankgeheimnis, ÖBA 1996, 410; Sautner/Huber, Jüngste Entwicklungen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in der EU und ihre Auswirkungen auf das österreichische Bankgeheimnis, JSt 2006, 83) oder nicht (idS Apathy/Koch, in: Apathy/Iro/Koziol [Hrsg], Österreichisches Bankvertragsrecht I 2 [2006] Rz 2/4) an dieser Stelle dahingestellt bleiben kann. 30 § 144 StPO. 31 § 140 Abs 1 und 3 StPO.
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Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung allein würde der im JAB vertretenen Ansicht allerdings noch nicht notwendig entgegenstehen. Vermögen nämlich die Materialien für sich auch weder eine gesetzliche Regelung zu ersetzen noch abzuändern, so kann ihnen – nach hM – dann und insoweit Bedeutung zukommen, als der Gesetzeswortlaut undeutlich ist und der unter Berufung auf die Materialien gewonnenen Auslegung nicht Konformitätsüberlegungen entgegenstehen. Eine zentrale Grenze für die Berücksichtigung von Überlegungen des historischen Gesetzgebers ergibt sich dabei aus dem Gesetzeswortlaut bzw der Gesetzessystematik32. Maßgeblich ist daher – mit anderen Worten – das Ergebnis des Gesetzgebungsprozesses, nicht hingegen der Weg dorthin33. Dabei wird nicht verkannt, dass derartigen „Klarstellungen“ außerhalb des Gesetzes in der Praxis bisweilen zentrale Bedeutung zukommen kann und eine „Flucht“ des Gesetzgebers in eine außerhalb des Gesetzes im formellen Sinn angesiedelte Art soft law gerade im Bereich des gerichtlichen Strafrechts kein Novum darstellen würde. Zu den wohl berühmtesten Beispielen außerhalb des Gesetzes angesiedelter „genereller Normen“ zählte dabei die Empfehlung des Gesundheitsausschusses 420 BlgNR 15.GP 55 (sog ForeggerDoktrin), die von der Praxis – mangels entsprechender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung – über längere Zeit als hin als Grundlage für den Einsatz verdeckter Ermittler im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Suchtmittelkriminalität herangezogen wurde34. Mögen es dort rechtspolitische Gründen gewesen sein, die dazu bewogen hatten, den Gerichten anstelle ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen gleichsam eine – freilich nicht bindende – Argumentationsschiene in Richtung Straflosigkeit des verdeckten Ermittlers zur Hand zu geben, so können derartige augenscheinliche Gründe im hier interessierenden Zusammenhang nicht erkannt werden. Überlegenswert wäre allenfalls (von der Annahme des JAB ausgehend), dass von weiteren ausdrücklichen Regelungen Abstand genommen wurde, um mögliche partikuläre Verdopplung von Regelungsinhalten35 zu vermeiden. Ein Blick in das StrafprozessreformG generell lässt dies jedoch als höchst unwahrscheinlich erscheinen36. ____________________
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VfSlg 5.862/1968; 7.698/1975; VfSlg 11.576/1987; VfGH 19.6.1998, G 275/
96. 33 VfSlg 10.090/1984. IdS auch B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 (2003) Rz 561. 34 Zustimmend Foregger/Litzka, SGG 2 (1985) Anm XII zu § 12; krit etwa Unterwaditzer, Zur Frage der „verdeckten Ermittlung“, ÖJZ 1992, 249. Vgl auch Fuchs, Verdeckte Ermittler – anonyme Zeugen, ÖJZ 2001, 495. 35 Einmal in § 116, ein weiteres Mal allenfalls im Zusammenhang mit dem Zeugenbeweis. 36 Vgl nur die Mehrfachstatuierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum einen in § 5 StPO auf der einen und im Zusammenhang mit diversen einzelnen Ermächtigungen auf
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Damit, dass es dem Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, gerade im Zuge der generellen Überarbeitung des Ermittlungsverfahrens Klarheit zu schaffen, ist freilich für die Praxis wenig gewonnen. Vielmehr stellt sich zum einen die Frage, ob die nunmehr bestehenden Regelungen iSd im JAB vertretenen Ansatzes verstanden werden können, zum anderen jene nach der Handhabung des Bankgeheimnisses im Zusammenhang mit dem Zeugenbeweis. Wendet man sich der ersten Frage zu, so scheint es zunächst nahe liegend, die Antwort in § 116 Abs 6 StPO zu erblicken. Dieser Bestimmung zufolge trifft die Verpflichtung zur Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte iSd § 109 Z 3 StPO bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 Abs 1 bis 5 StPO nicht nur das Kredit- oder Finanzinstitut selbst, sondern auch seine Mitarbeiter. Hält der Gesetzgeber aber – so könnte zunächst weiter argumentiert werden – eine ausdrückliche Erstreckung der Auskunfts- bzw Mitwirkungspflicht auf Mitarbeiter des Kredit- oder Finanzinstituts für erforderlich, so würde dies – soll die Regelung nicht inhaltsleer sein – nur dann Sinn machen, wenn eine solche Verpflichtung, insbesondere eine solche zur Zeugenaussage, andernfalls nicht bestünde. Relativiert werden diese Überlegungen jedoch, hält man sich die insoweit vergleichbare Situation im Zusammenhang mit Auskünften über Daten von Nachrichtenübermittlungen (§ 134 Z 2 StPO) vor Augen: Da wie dort trifft die Verpflichtung in erster Linie juristische Personen37, da wie dort sind es aber im Ergebnis deren Mitarbeiter, derer es im konkreten Einzelfall bedarf. Eine entsprechende ausdrückliche Anordnung wurde jedoch dort – wie sich aus § 138 Abs 2 StPO ergibt – nicht für erforderlich erachtet38. Erwogen werden könnte weiters, § 116 Abs 6 StPO in dem Sinn einer Einschränkung an sich bestehender strafprozessualer Mitwirkungs- und damit insbesondere auch Zeugenpflichten dahingehend zu lesen, dass diese nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 Abs 1 bis 5 bestehen. Abgesehen vom Gesetzeswortlaut selbst spricht gegen eine solche Leseweise wiederum die Tatsache, dass das Gesetz bislang der Statuierung der Mitwirkungspflicht für das Kredit- oder Finanzinstitute tätiger Personen in § 145a Abs 1 aF StPO in Abs 1a dieser Bestimmung eine besondere, ____________________
der anderen Seite, vor allem aber auch die ausdrückliche Anordnung der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung (§ 5 StPO; krit hiezu St.Seiler, Strafprozessreform 2004 V). 37 Im Zusammenhang mit Auskünften über Daten von Nachrichtenübermittlungen: Anbieter (§ 92 Abs 1 Z 3 TKG) und sonstige Diensteanbieter (§§ 13, 16 und 18 Abs 2 des E-Commerce-G). 38 Ein Grund für diese differenzierende Regelung ist den Materialien nicht zu entnehmen.
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die Zeugenpflicht betreffende und diese wohl39 einschränkende Regelung gegenüber stellte. Zu den gewichtigsten Argumenten zählt freilich die Tatsache, dass Mitarbeiter von Kredit- oder Finanzinstituten – anders als Träger anderer Berufsgeheimnisse – nicht in den Kreis der begünstigten Zeugen nach §§ 155 bzw 157 StPO aufgenommen wurden. Dieses Argument gewinnt dabei umso mehr an Bedeutung, als dem Träger gleich welcher gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitspflicht40 zwar im Zusammenhang mit der Sicherstellung einschlägiger, diese Geheimnissphäre betreffender schriftlicher Aufzeichnungen bzw Datenträger nach § 112 StPO in Form des Widerspruchsrechts41 ein eigenes Rechtsschutzinstrumentarium zur Hand gegeben ist, das Bestehen einer solchen gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht für sich und ohne ausdrückliche Anordnung42 aber weder der Zeugenvernehmung entgegensteht noch zur Aussageverweigerung berechtigt43. Dass gerade im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis anderes gelten solle, wäre nur schwer erklärlich. Solcherart sprechen im Ergebnis mehr Gründe gegen als für die im JAB getroffene Annahme, wonach die § 116 StPO – de lege lata – allen anderen Ermittlungs- und Zwangsbefugnissen einschließlich jener des Zeugenbeweises als „lex specialis“ vorgeht bzw diese überlagert. B. Probleme des Zeugenbeweises Ringt man sich – insbesondere aus Effektivitätsüberlegungen – gleichwohl dazu durch, dem JAB zu folgen und § 116 StPO als eine allen anderen Ermittlungs- und Zwangsbefugnissen vorgehende bzw diese überlagernde Bestimmung zu betrachten, so ist damit allerdings noch nicht viel gewonnen, sondern drängt sich die Frage nach dem konkreten Zusammenspiel der einzelnen Regelungen auf. Ins Auge fällt dabei zunächst die vom Gesetz vorgezeichnete Zweistufigkeit einschlägiger Ermittlungen, wobei den Ermittlungen ieS – sei es ____________________
39 IdS Fabrizy, StPO 9 § 145a Rz 5; Flora, Bankgeheimnis 159; Flora, Die Kontoöffnung nach § 145a StPO – Änderungen durch das StRÄG 2002, RdW 2002, 586. 40 Anders als das Gesetz gestand die RV dieses Recht nur den Trägern geistlicher Amtsverschwiegenheit sowie den in § 157 Abs 1 Z 2 bis 5 StPO genannten begünstigten Zeugen zu. 41 Vgl hiezu EBRV 25 BlgNR 22. GP 157 f. 42 Anders als etwa im Finanzstrafverfahren nach § 104 Abs 1 lit d FinStrG. 43 Während etwa Psychologen nach § 157 Abs 1 Z 2 StPO ein Recht zur Verweigerung der Aussage zukommt, ist ein solches generelles Verweigerungsrecht für Ärzte dem Gesetz nach wie fremd. Dass beide derselben beruflichen Verschwiegenheitspflicht des § 54 Abs 1 ÄrzteG 1998 unterliegen und auch beiden im Zusammenhang mit der Sicherstellung entsprechender Aufzeichnungen die Möglichkeit des Widerspruchs nach § 112 StPO offen steht, vermag daran nichts zu ändern.
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in Form von Auskunftsersuchen, Einsichtnahmen, Durchsuchungen des Kredit- oder Finanzinstituts44, Sicherstellung oder in Form des Zeugenbeweises – logisch ein die Aufhebung des Bankgeheimnisses und damit des spezifischen Geheimschutzes betreffender Verfahrensabschnitt vorangestellt ist. Dieser Abschnitt bzw die Rechtswirksamkeit der Aufhebung des Bankgeheimnisses und damit des Geheimschutzes bestimmter Unterlagen und/oder Informationen45, soll sohin – so wohl die Intention des JAB – eine unabdingbare Voraussetzungen für jedwede einschlägige Ermittlungsmaßnahme darstellen. Konsequent weitergedacht müsste es der Behörde vor Aufhebung des Bankgeheimnisses verwehrt sein, in die zweite Stufe, die Ermittlungen ieS, einzutreten. Erst nach – dem Kredit- bzw Finanzinstitut gegenüber46 – rechtswirksamer Aufhebung des Bankgeheimnisses käme solcherart auch die Sicherstellung von Unterlagen bzw die zeugenschaftliche Vernehmung von Mitarbeitern in Betracht. Strukturell ähnelt das vorliegende zweigliedrige Konzept damit jenem, wie es im Zusammenhang mit dem Amtsgeheimnis47 schon seit jeher im Strafprozessrecht seinen Niederschlag findet, mag auch dort die Entscheidung über die Entbindung vom Amtsgeheimnis der Dienstbehörde und nicht dem Gericht obliegen. Probleme bereitet nun evidentermaßen nicht das Konzept an sich, sondern seine konkrete Umsetzung, namentlich die Verknüpfung der beiden Verfahrensstadien auf der einen und – damit in Zusammenhang stehend – seine Perfektionierung auf der anderen Seite. Während das Gesetz in § 116 Abs 6 Satz 3 StPO hinsichtlich einschlägiger Erhebungen im Wege der Sicherstellung den erforderlichen Brückenschlag zwischen der Aufhebung des Geheimnisschutzes und zwangsbewehrten Ermittlungen (jedenfalls zum Teil) vollzieht48, bleibt es entsprechende, den Zeugenbeweis be____________________
44 45
Vgl § 116 Abs 6 Satz 5 StPO. Nach § 116 Abs 3 Z 3 StPO haben sowohl die Anordnung des Staatsanwalts als auch die gerichtliche Bewilligung die herauszugebenden Unterlagen bzw die zu erteilenden Auskünfte und Informationen zu benennen. Nicht zu übersehen ist freilich, dass die Aufhebung des Bankgeheimnisses nach Maßgabe des § 116 Abs 6 Satz 6 StPO über den von der Anordnung bzw von der Bewilligung ausdrücklich genannten Umfang hinausgehen kann. 46 Die Rechtswirksamkeit der Anordnung bzw Bewilligung dem Betroffenen gegenüber stellt demgegenüber evidentermaßen (vgl § 116 Abs 5 Satz 2 StPO) keine Voraussetzung dar. Die Bekanntmachung alleine einem als Zeugen vernommenen Mitarbeiter gegenüber genügt nach der nunmehrigen Konzeption nicht mehr (so bereits zur bisherigen Rechtslage Flora, Bankgeheimnis 159 f; aM JAB 289 BlgNR 21. GP 6). 47 Vgl hiezu auch die Anordnung des § 38 Abs 1 Satz 2 BWG, wonach Organen von Behörden sowie der Oesterreichischen Nationalbank ihnen bei ihrer dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordene, dem Bankgeheimnis unterliegende Tatsachen als dem Amtsgeheimnis unterliegend zu wahren haben und von der Verpflichtung nur in den Fällen des Abs 2 entbunden werden dürfen. 48 Erhebt das Kredit- oder Finanzinstitut Beschwerde gegen die Bewilligung oder erklärt es dies zumindest (sei es anlässlich der Bekanntmachung der Anordnung bzw Bewil-
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treffende ausdrückliche Regelungen schuldig. Auch im vorliegenden Zusammenhang spiegelt es damit das vom JA49 eingeschlagene – in § 112 einerseits und §§ 155 und 157 StPO andererseits seinen Niederschlag findende – Konzept der nach Ermittlungsarten differenzierenden Berücksichtigung gesetzlich anerkannter Verschwiegenheitspflichten wider. Diese gesetzlich vorgezeichnete differenzierende Berücksichtigung ist es aber wiederum, die einer – allenfalls erwägbaren und dem JAB möglicherweise vor Augen schwebenden – Verallgemeinerung der spezifisch auf die Sicherstellung abstellenden Regelungen des § 116 Abs 6 Satz 3 und 4 StPO entgegensteht. Zu verschieden sind naturgemäß die auftretenden Probleme, als dass aus dem Modell des § 112 StPO für die im Zusammenhang mit dem Zeugenbeweis auftretende Fragen, namentlich für jene nach der Art und Weise der zu beachtenden Beschränkungen50, etwas gewonnen werden könnte. Wie aber, wenn nicht im Wege der analogen Anwendung des genannten Regimes kann Verstößen gegen § 116 StPO im Zusammenhang mit dem Zeugenbeweis dann Bedeutung zukommen? Angesprochen sind im Wesentlichen zwei Problemkreise, jener der Zeugenpflichten auf der einen und des Rechtsschutzes des Kredit- bzw Finanzinstitutes sowie des Beschuldigten auf der anderen Seite. Ersteren betreffend zeichnen bereits die obigen Überlegungen, namentlich das Fehlen einer ausdrücklichen Nennung in §§ 155 bzw 157 StPO die Lösung vor. Dies dahingehend, dass die fehlende vorherige Aufhebung des Bankgeheimnisses weder an der Verpflichtung des Zeugen, vor der Behörde oder vor Gericht zu erscheinen51, noch – im Hinblick auf die grundsätzliche Entkoppelung zwischen Berufsgeheimnis auf der einen und Zeugenspflicht auf der anderen Seite – an jener zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Aussage etwas zu ändern vermag52. Konsequenterweise fehlt ____________________
ligung, sei es anlässlich einer Amtshandlung innerhalb offener Beschwerdefrist), so steht dies zwar der Sicherstellung von Unterlagen nicht entgegen, doch sind diese auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und – ohne vorherige Sichtung – dem OLG zur Entscheidung vorzulegen. Erst dieses hat in der Folge zu entscheiden, inwieweit die Sicherstellung aufrechterhalten und damit eine Sichtung der Unterlagen zulässig wird (vgl EBRV 25 BlgNR 22. GP 157 f ). 49 Vgl oben FN 40. 50 Dunkel bliebe insbesondere, ob die unterbliebene Aufhebung des Bankgeheimnisses auf den Zeugenbeweis – wie zur bisherigen Rechtslage vertreten (Flora, Bankgeheimnis 160) – nach Art eines Aussageverweigerungsrechts oder – wofür das systematische Naheverhältnis zum Amtsgeheimnis (vgl auch § 38 Abs 1 Satz 2 BWG) sprechen könnte – eines Vernehmungsverbotes durchschlägt. 51 IdS schon zur bisherigen Rechtslage Flora, Bankgeheimnis 161, der zufolge es „nicht sinnvoll“ erscheine, einer Zeugenladung keine Folge zu leisten. 52 IdS auch Flora, Bankgeheimnis 183. Ein – etwa im Wege des Einspruchs nach § 106 Abs 1 Z 2 StPO durchsetzbares – subjektives Recht des Zeugen, bei fehlender Auf-
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es nicht nur an einer korrespondierenden Belehrungspflicht nach Art des § 159 StPO, sondern steht die fehlende Aufhebung des Bankgeheimnisses auch der Anwendung entsprechender Beugemittel nicht entgegen. Sie kann daher vom Zeugen insbesondere auch im Beschwerdeweg53 nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Kommt eine Zeugenaussage trotz fehlender Aufhebung des Bankgeheimnisses zustande, so stellt sich in einem letzten Schritt sowohl aus Sicht der Kredit- bzw Finanzinstituts als auch des Beschuldigten die Frage nach bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten bzw nach der Verwertbarkeit solcherart gewonnener Beweise. Könnte insoweit im Rahmen des Ermittlungsverfahrens allenfalls noch im Wege des Einspruchs nach § 106 Abs 1 Z 2 StPO54 die Vernichtung der Aufzeichnungen über die Zeugenvernehmung erreicht werden55, so fehlt es im Hauptverfahren an jeglicher Rechtsschutzmöglichkeit des Kredit- bzw Finanzinstituts auf der einen, aber auch des Beschuldigten auf der anderen Seite. Insbesondere bleiben entgegen § 116 StPO erlangte Beweise mangels entsprechenden Verwertungsverbots bzw mangels ausdrücklicher Nichtigkeitsdrohung56 – gegenüber der bisherigen Rechtslage unverändert – grundsätzlich verwertbar und sind, Beachtlichkeit vorausgesetzt, der Entscheidung zugrunde zu legen. Dass damit das de lege lata erzielbare Ergebnis der im JAB niedergelegten Intention des Gesetzgebers gerecht wird, darf bezweifelt werden.
IV. Schluss Versucht man zum Abschluss aus dem kurzen Streifzug durch die Handhabung des Bankgeheimnisses im gerichtlichen Strafrecht regelnden Bestimmungen der StPO auf der einen und des BWG auf der anderen Seite ____________________
hebung des Bankgeheimnisses nicht aussagen zu müssen, besteht demnach nicht. Die von Flora (Bankgeheimnis 160) zur bisherigen Rechtslage konstatierte, die genannte Zeugenpflicht betreffende Rechtsunsicherheit vermag insoweit nicht erkannt zu werden. 53 Gegen Beschlüsse, mit denen Beugemittel verhängt werden, steht dem Zeugen grundsätzlich eine Beschwerdemöglichkeit offen; dies anders als bisher (vgl hiezu Flora, Bankgeheimnis 160; Mayerhofer, StPO 5 E 13 zu § 160) auch dann, wenn der Beschluss in der Hauptverhandlung gefällte wurde. 54 Einspruch steht im Ermittlungsverfahren nach § 106 Abs 1 Z 2 StPO jeder Person zu, die behauptet, durch Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen der StPO angeordnet oder durchgeführt wurde. 55 Vgl § 107 Abs 4 StPO, wonach bei stattgebender Entscheidung der entsprechende Rechtszustand mit den zu Gebote stehenden Mitteln herzustellen ist. 56 IdS Bertel/Venier, Einführung in die neue StPO 2 Rz 224. Verstöße gegen § 116 können mangels entsprechender ausdrücklicher Nichtigkeitsdrohung nur nach Maßgabe des § 281 Abs 1 Z 4 StPO geltend gemacht werden.
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ein Resümee zu ziehen, so scheinen mit dem neuen Regime – salopp gesagt – mehr Probleme geschaffen, denn gelöst worden zu sein. Sieht man von der – wohl nicht beabsichtigen – Ausdehnung des Bankgeheimnisses iSd § 38 BWG und des damit verbundenen Offenbarungsrechts ab, ist es vor allem die mangelhafte bzw fehlende Verzahnung der zentralen Bestimmung des § 116 StPO mit den in Betracht kommenden strafprozessualen Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen, die in der Praxis Schwierigkeiten zu bereiten geeignet scheint. Mögen die Materialien die Problematik auch durchaus als solche erkannt haben, so blieb doch – was verwundern darf – die Konsequenz in Form einer ausdrücklichen Berücksichtigung im Gesetz aus. Wenngleich damit eine durch die völlige Umgestaltung des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens wohl einmalige Chance, auch den hier interessierenden, zugegebenermaßen komplexen Problemkreis in entsprechender Weise zu regeln, nicht genutzt wurde, darf gehofft werden, dass eine der nächsten Novellen dazu Gelegenheit bieten wird, die fehlenden kleinen Zahnräder einzusetzen und ein in sich schlüssiges Konzept zu schaffen – auf dass der Schutz des Bankgeheimnisses im gerichtlichen Strafverfahren keine halbe Sache bleibe.
Ewald Wiederin
Allgemeines Verwaltungsrecht: Auf der Suche nach dem Sinn Der Name Bernhard Raschauer steht für ein facettenreiches Werk, das das gesamte öffentliche Recht umspannt. Wer einzelne Arbeiten herausgreift und hervorhebt, muss damit rechnen, ja kann sicher sein, mehr über sich selbst zu verraten als über das Raschauer’sche Oeuvre. Schon ob man ihn als Verfassungsrechtler oder als Verwaltungsrechtler wahrnimmt, ist primär eine Frage des Standpunkts des Betrachters. Dies vorausgeschickt, stehe ich nicht an, auf zwei Bücher hinzuweisen, die nach meiner Überzeugung von herausragender Bedeutung sind: zum einen auf das Lehrbuch des allgemeinen Verwaltungsrechts1, zum anderen auf den Kommentar zum Wasserrechtsgesetz2. Beide Bücher haben mich in meiner Beschäftigung mit der Verwaltung begleitet als wissenschaftliche Leuchttürme, zu denen man aufblicken konnte und die beim Steuern im Dunkel Orientierung gaben. Sie stellen nicht nur die sprichwörtliche Vielseitigkeit Bernhard Raschauers unter Beweis, sondern auch seine souveräne Beherrschung verschiedener literarischer Genres: Hier das große akademische Lehrbuch, das – jedenfalls in der bahnbrechenden ersten Auflage – die Kollegenschaft nicht weniger anspricht als die Studierenden; dort der große Kommentar, der höchste wissenschaftliche Ansprüche einlöst, aber gleichwohl primär für die Verwaltungspraxis geschrieben worden ist. Allgemeines Verwaltungsrecht und Wasserrecht: Weil Bernhard Raschauer in meiner subjektiven Wahrnehmung für diese beiden Themen steht, bin ich – zu einem Beitrag zu diesem Band aufgefordert – der Versuchung erlegen, sie miteinander in Verbindung zu bringen. Die Ausführungen, die aus diesem vagen Plan entstanden sind, legen freilich den Schwerpunkt eindeutig auf das allgemeine Verwaltungsrecht. Sie gliedern sich in drei Teile. Zunächst will ich auf Phänomene aufmerksam machen, die als Krisensymptome des allgemeinen Verwaltungsrechts als wissenschaftlicher Disziplin gedeutet werden können (I). Sodann werde ich die traditionellen Antworten auf die Frage, zu welchem Ende wir denn allge____________________
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Bernhard Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1. Aufl 1998, 2. Aufl 2003. Bernhard Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, 1993.
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meines Verwaltungsrecht betreiben, einer kritischen Würdigung unterziehen (II). Schließlich möchte ich einen eigenen Vorschlag in die Diskussion einbringen und dabei am Rande kurz anreißen, auf welche Weise die Beschäftigung mit dem Wasserrecht das allgemeine Verwaltungsrecht befördern könnte (III).
I. Das allgemeine Verwaltungsrecht in der Krise? Krise ist ein ebenso starkes wie inflationär gebrauchtes Wort; ich will es deshalb beim Fragezeichen belassen. Es häufen sich jedoch Phänomene, die darauf hindeuten, dass das allgemeine Verwaltungsrecht in seiner Bedeutung schwindet. Es wird durch das Verfassungsrecht, durch das Europarecht und durch das Besondere Verwaltungsrecht zunehmend an die Wand gedrückt, und es trägt zur Lösung genuin verwaltungsrechtlicher Probleme immer weniger bei. 1. Konstitutionalisierung Der wichtigste Grund für die Erosion des allgemeinen Verwaltungsrechts liegt im Aufstieg des Verfassungsrechts. Im letzten Vierteljahrhundert hat auch3 in Österreich eine Konstitutionalisierung der Rechtsordnung stattgefunden, in deren Zuge die Verfassung viele jener Rollen übernahm, die zuvor das allgemeine Verwaltungsrecht ausgefüllt hatte. Die Verfassung ist umfangreicher geworden, und sie wird ernster genommen. Das gilt zunächst für das Organisationsrecht. Seit 1920 ist der Regelaufbau der allgemeinen staatlichen Verwaltung in der Verfassung festgelegt. Das B-VG selbst ging zwar, seinem Charakter als Spielregelverfassung entsprechend, mit äußerster Zurückhaltung vor und regelte neben den obersten Organen lediglich die Bundesministerien und das Bundesheer.4 Im Übergangsrecht zur neuen Verfassung wurden freilich auch die Behörden der allgemeinen politischen Verwaltung in den Ländern, die Agrarbehörden, die Polizeibehörden und die Gendarmerie erwähnt.5 Im Laufe der nachfolgenden Entwicklung wurden je länger, je mehr konkrete Behörden und Hilfsorgane verfassungsrechtlich festgeschrieben: die Bezirkshauptmannschaften (BGBl 1925/269), die Ämter der Landesregierung (BGBl 1925/289), der Oberste Agrarsenat (BGBl 1929/392), die wichtigsten Organe der Gemeinde (BGBl 1962/205), die Schulbehörden (BGBl 1962/ ____________________
3 Für Deutschland vgl die Analyse von Gunnar Folke Schuppert/Christian Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, 2000. 4 Vgl Art 77 und 79 B-VG 1920, StGBl 1920/450 = BGBl 1920/1. 5 Vgl §§ 8 Abs 1, 10 Abs 1 und 2 ÜG 1920, StGBl 1920/451 = BGBl 1920/2.
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215), die Sicherheitsbehörden (BGBl 1991/565), der Umweltsenat (BGBl 1993/508), die Universitäten (BGBl I 2008/2). Die Einrichtung all dieser Behörden hat daher eine verfassungsrechtliche Dimension. Aufgrund der Dichte der konstitutionellen Regelungen sind selbst klassische Themen des allgemeinen Verwaltungsrechts wie Delegation und Mandat6 oder die Amtshilfe zwischen Behörden in das Verfassungsrecht eingemeindet worden. Sonderbestimmungen im Verfassungsrang, die erlassen wurden, um Abweichungen vom allgemeinen verfassungsrechtlichen Rahmen zu sanieren7 oder um diesen zu erweitern8, tragen das ihre zur verfassungsrechtlichen Zementierung von Verwaltungsbehörden und Verwaltungsträgern bei. Aber auch dort, wo sich die Verfassung wie bei den Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag auf die Vorgabe eines Rahmens beschränkt, hat die Verfassung an Bedeutung gewonnen, weil nach der Rechtsprechung des VfGH von den einschlägigen Ermächtigungen nicht schrankenlos Gebrauch gemacht werden darf.9 Dass schließlich gar verwaltungsrechtliche Reservate wie Ausgliederung und Beleihung verfassungsrechtlich „aufgeladen“ wurden, geht ebenfalls auf das Konto der verfassungsgerichtlichen Judikatur.10 Da sich all diese Faktoren überlagert und wechselseitig verstärkt haben, ist die Behördenorganisation mehr und mehr ein Thema des Verfassungs____________________
6 Vgl VfSlg 4117/1961 (Mühlenkuratorium), 5184/1965 (Preisregelung), 11.563/ 1987 (Gemeindeaufsicht), VfGH 20. 6. 2007, G 177/06 ua, V 69/06 ua (Diensthoheit über Landeslehrer). 7 In erster Linie ist sicherlich die in Art 20 Abs 1 B-VG verankerte Weisungsbindung der Verwaltungsorgane zu nennen, die von der Rechtsprechung als ein die gesamte Verwaltung durchziehendes Prinzip verstanden wurde. Die Folge war, dass die Schaffung weisungsfreier Behörden, sofern es sich nicht um Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag handelte, eine Sonderbestimmung im Verfassungsrang erforderlich machte. Zwischenzeitig hat eine Verfassungsänderung der Gesetzgebung die Weisungsfreistellung bestimmter Typen von Behörden freigestellt und gleichzeitig eine Vielzahl von Weisungsfreistellungsregelungen ihres Verfassungsrangs entkleidet. Es bleibt aber abzuwarten, ob der erweiterte verfassungsrechtliche Rahmen wirklich das Ende des Ad-hoc-Organisationsverfassungsrechts bedeutet. Erstens setzt auch der neue Art 20 Abs 2 B-VG der Gesetzgebung Grenzen, und zweitens sind andere Schranken, die punktuell durch Verfassungsgesetz ausgehebelt wurden, unverändert erhalten geblieben (Gewaltenteilung, taxaktiver Zuschnitt der Kompetenzen des VfGH). 8 Vgl etwa die verfassungsrechtlichen Sonderbestimmungen betreffend die Amtshilfe in § 93 Abs 1 AKG, BGBl 1991/626, § 28 Abs 1 UVP-G, BGBl 1993/697, und § 68 WKG, BGBl 1998/103; vgl ferner § 33 Abs 5 AKG und § 17a Abs 3 AKG idF BGBl 1998/ 104. 9 Vgl VfSlg 15.427/1999, 15.886/2000, 16.048/2000, 16.189/2001; vgl ferner VfGH 6. 10. 2006, G 151/05 ua. 10 Dazu statt vieler mwN Konrad Lachmayer, Ausgliederungen und Beleihungen im Spannungsfeld der Verfassung, JBl 2007, 750-767, sowie die Kritik bei Bernhard Raschauer, „Kernaufgaben des Staates“: Rechtsfortbildung oder Rechtskreation? ZfV 2005, 18-21.
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rechts geworden. Sie wird folgerichtig in den Lehrbüchern des Verfassungsrechts11 ebenso behandelt wie in den Darstellungen des allgemeinen Verwaltungsrechts12. Die einschlägigen Kapitel setzen zwar unterschiedliche Akzente, überschneiden sich aber über weite Strecken. Andere zentrale Problemstellungen des allgemeinen Verwaltungsrechts haben eine ähnliche Entwicklung genommen. In der Stammfassung des B-VG hatten die Bestimmungen über Rechtsquellen und Handlungsformen der Verwaltung noch überwiegend beiläufigen Charakter: Während man beim Gesetz und beim Weg der Gesetzgebung mit Fug und Recht von abschließenden Regelungen sprechen kann, wurden die Verordnung, der Bescheid und auch die Weisung13 eher erwähnt denn normiert. Nachdem es aber in der Logik jeglicher verfassungsrechtlichen Verankerung von Begriffen und Rechtsinstituten liegt, der Gesetzgebung die Dispositionsmöglichkeit über die Elemente des Begriffs und über die Ausgestaltung des Instituts zu entziehen, wurden die Verfassungsbestimmungen auch hier mehr und mehr als abschließende Regelungen bald der angesprochenen Rechtsquelle, bald der Rechtsquellen und Handlungsformen überhaupt gelesen – mit der Folge, dass etwa die Satzung der Selbstverwaltungskörper völlig in der Verordnung aufging.14 Die Verfassungsgesetzgebung wiederum hat hierauf durch die Nachführung der einschlägigen Bestimmungen reagiert und damit deren grundsätzlich exklusiven Zuschnitt bestätigt: Die Novellierung des Weisungsartikels15 und die Einführung des Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt16 seien als Beispiele erwähnt. Soweit noch Lücken verblieben, wurden diese durch die Rechtsprechung zum Rechtsstaatsprinzip geschlossen, nach der Eingriffe in Rechte in eine Rechtsform gekleidet werden müssen, die vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpfbar ist. Mitt____________________
11 Vgl Ludwig K. Adamovich/Bernd-Christian Funk/Gerhart Holzinger, Staatsrecht Bd 2, 1998; 154-223; Walter Berka, Lehrbuch Verfassungsrecht, 2005, Rz 641654, 679-758; Theo Öhlinger, Verfassungsrecht, 7. Aufl 2007, Rz 483-570; Peter Pernthaler, Österreichisches Bundesstaatsrecht, 2004, 153-160, 176-204, 213-244; Robert Walter/Heinz Mayer/Gabriele Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Verfassungsrechts, 10. Aufl 2007, Rz 618-756, 820-844, 870-874. 12 Walter Antoniolli/Friedrich Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl 1996, 413-479; Arno Kahl/Karl Weber, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2007, Rz 284-326; Raschauer, Verwaltungsrecht (FN 1) Rz 231-350. 13 In der Stammfassung des Art 20 B-VG war zwar die Weisungsbindung der öffentlich Bediensteten verankert; dabei wurde jedoch eine Befugnis der Gesetzgebung vorausgesetzt, bei qualifizierten Fehlern von Weisungen deren Ablehnung zuzulassen. Vgl Rudolf Herrmann Herrnritt, Grundlehren des Verwaltungsrechtes, 1921, 175-179. 14 VfSlg 1397/1931 im Anschluss an VfSlg 313/1924. 15 Vgl die Anfügung eines Satzes zur Möglichkeit der Ablehnung von Weisungen durch BGBl 1925/268 und die Umformulierung durch BGBl 1929/392. 16 BGBl 1975/302 und BGBl 1988/685.
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lerweile steht es außer Frage, dass das Rechtsquellensystem des B-VG grundsätzlich geschlossen ist; diskutiert wird nur mehr darüber, ob diese Geschlossenheit nun absoluten oder relativen Charakter hat.17 Der verwaltungsrechtliche Vertrag wird deshalb keine Zukunft haben, solange er in der Verfassung nicht erwähnt ist. Dementsprechend zugelegt haben die Ausführungen der Verfassungsrechtslehrbücher zu den Handlungsformen der Verwaltung.18 An Umfang und Erklärungstiefe stehen sie den einschlägigen Partien der Werke über das allgemeine Verwaltungsrecht19 zwar noch immer nach. Dass das Verfassungsrecht einiges an Terrain okkupiert hat, das zunächst allein vom allgemeinen Verwaltungsrecht besetzt war, ist gleichwohl nicht zu bestreiten; und dass dieser Expansionstrend künftig anhalten wird, erscheint als in einem Maße wahrscheinlich, das an Sicherheit grenzt. Auch in der Analyse des Ermessens liegt der Akzent seit längerem auf den verfassungsrechtlichen Schranken. Der VwGH deutet seit den Sechzigerjahren Kann-Bestimmungen vermehrt in Muss-Bestimmungen um;20 und für Bernd Raschauer geht das Ermessen sogar gänzlich in abwägungsgebundener Rechtsanwendung auf, bei der vor allem der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz eine wesentliche Abwägungsdeterminante darstellt.21 Bei den subjektiven Rechten und beim Rechtsschutz scheint sich die Geschichte ein weiteres Mal zu wiederholen. Das Verhältnis zwischen Bürger und öffentlicher Gewalt wird nicht durch Analyse einfachgesetzlicher Normierungen und Institutionen, es wird zuvörderst durch den Rekurs auf Rechtsstaatlichkeit als Verfassungsprinzip und durch Darstellung der Subprinzipien der Rechtsstaatlichkeit bestimmt.22 Und selbst bei Beant____________________
17 Vgl Robert Walter, Die Gewohnheit als rechtserzeugender Tatbestand, ÖJZ 1963, 225-232 (226 f ); Heinz Schäffer, Rechtsquellen und Rechtsanwendung, Gutachten 5. ÖJT Bd I/1/B, 1973, 34-43; Ludwig K. Adamovich/Bernd-Christian Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl 1987, 237 f; Friedrich Koja, Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer, 2. Aufl 1988, 161 f; Stefan Griller, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen, 1989, 93-131; Antoniolli/ Koja, Verwaltungsrecht (FN 12) 538-541; zum Diskussionsstand zuletzt Harald Eberhard, Altes und Neues zur „Geschlossenheit des Rechtsquellensystems“, ÖJZ 2007, 679688. 18 Vgl nur Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Verfassungsrecht (FN 11) Rz 588617. 19 Vgl insb Raschauer, Verwaltungsrecht (FN 1) Rz 754-986, und Antoniolli/Koja, Verwaltungsrecht (FN 12) 492-600. 20 Vgl VwSlg 6225 A/1964; aus jüngerer Zeit VwGH 30. 1. 2001, 2000/05/0118, 22. 10. 2001, 2001/19/0014, 26. 11. 2002, 2002/18/0099, 14. 7. 2005, 2004/06/0021. 21 Bernhard Raschauer, „Ermessen“ als abwägungsgebundene Rechtsanwendung, in: Herbert Haller ua (Hrsg), Staat und Recht. FS Winkler, 1997, 881-895 (885-892). 22 Kahl/Weber, Verwaltungsrecht (FN 12) Rz 458-472.
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wortung der Frage, ob eine bestimmte Rechtsvorschrift einer bestimmten Person ein subjektives Recht vermittelt, werden entscheidende Argumente vielfach den Grundrechten23 sowie dem Rechtsstaatsprinzip24 entnommen. Wohin wir auch blicken, das Bild ist überall das gleiche. Aus vormaligen Domänen des allgemeinen Verwaltungsrechts sind aktuelle Themen des Verfassungsrechts geworden. Es gibt wenige Kapitel des allgemeinen Verwaltungsrechts, die vom Trend zur Konstitutionalisierung der Rechtsordnung unberührt geblieben wären. 2. Verrechtlichung Eine zweite Bedrohung des allgemeinen Verwaltungsrechts geht von der Verrechtlichung der Verwaltung aus. Wenn Themenbereiche durch die Gesetzgebung geregelt werden, gehen sie dem allgemeinen Verwaltungsrecht regelmäßig verloren. Das älteste und zugleich prominenteste Beispiel bildet das Verwaltungsverfahrensrecht. Im Gefolge der Kodifikation dieses Rechtsgebiets im Jahre 1925 kamen Kommentare und Lehrbücher auf den Markt, die eine weitaus intensivere Erörterung mit den einschlägigen Bestimmungen und eine tiefere Durchdringung ihrer Probleme gaben, als die Überblicksdarstellungen über das Verfahren in den Werken des Allgemeinen Verwaltungsrechts bieten konnten. Gleichwohl hielten die Lehrbücher des Allgemeinen Verwaltungsrechts zunächst an der Tradition fest, dem Verwaltungsverfahren (und mitunter auch dem Verwaltungsstrafrecht) einen eigenen Abschnitt zu widmen.25 Mit dieser Übung hat Bernd Raschauer als erster gebrochen,26 und die nachfolgenden Darstellungen sind ihm gefolgt.27 In meinen Augen völlig zu recht: Schon aus Platzgründen können ____________________
23 Vgl Magdalena Pöschl, Subjektive Rechte und Verwaltungsrecht. Referat 16. ÖJT Bd I/2, 2008, 6-43 (35-42). 24 Vgl Rudolf Thienel, Der mehrstufige Verwaltungsakt, 1996, insb 45-54; ebenso mit anderer Akzentuierung – Problematisierung des Ausschlusses von subjektiven Rechten – Bernhard Raschauer, Anlagenrecht und Nachbarschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht, ZfV 1999, 506-520 (513-517). 25 Rudolf Herrnritt, Österreichisches Verwaltungsrecht, 1925, 107-131; Adolf Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1927, 213-224, 266-289; Ludwig Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts Bd 1, 1954, 203-284, der die Darstellung jedoch in einen eigenen „formalrechtlichen“ Teil integriert; Walter Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1954, 221-226, 279-290; Ludwig K. Adamovich/BerndChristian Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl 1987, 370-426; Antoniolli/ Koja, Verwaltungsrecht (FN 12) 601-630. 26 Vgl Raschauer, Verwaltungsrecht (FN 1). 27 Gerhard Baumgartner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl 2003; Kahl/Weber, Verwaltungsrecht (FN 12); Benjamin Kneihs, Verfassungs- und Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl 2008.
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Darstellungen des Allgemeinen Verwaltungsrechts nur eine kursorische Einführung in das Verfahrensrecht geben. Danach aber fehlt angesichts der ausdifferenzierten Spezialliteratur zum Verwaltungsverfahrensrecht der Bedarf.28 Das Ergebnis ist dennoch frappierend: Obschon die Verwaltungsverfahrensgesetze mit ihren einheitlichen Bestimmungen fraglos allgemeinen Charakter haben,29 fallen sie aus dem dem allgemeinen Verwaltungsrecht gesteckten Rahmen. Ein anderes Beispiel stellt das öffentliche Dienstrecht dar. Es dürfte auf seine frühe Kodifikation zurückzuführen sein, dass es in den Darstellungen des allgemeinen Verwaltungsrechts selten Beachtung und Behandlung fand.30 Mit dem Vergaberecht haben wir hingegen ein Rechtsgebiet vor uns, das jüngst in die Darstellungen des Besonderen Verwaltungsrechts integriert zu werden beginnt,31 obschon seine Regelungen zweifellos allgemeinen Charakter haben, indem sie für die gesamte öffentliche Hand (und über sie hinaus) Geltung beanspruchen. Der Grund liegt neben der Praxisrelevanz des Rechtsgebiets einmal mehr in der Verrechtlichung, die unter europäischem Einfluss erfolgt ist. 3. Europäisierung Einen dritten Grund, um die Frage nach einer Krise aufzuwerfen, sehe ich in der wachsenden Überlagerung des österreichischen Verwaltungsrechts durch Rechtsnormen europäischer Provenienz. Diese These dürfte Erstaunen, wenn nicht Kopfschütteln auslösen, gilt doch die Europäisierung als große Chance des allgemeinen Verwaltungsrechts und als die Herausforderung für die wissenschaftliche Befassung mit ihm.32 Und in der ____________________
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Vgl Franz-Joseph Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl 2004, V. Allgemeine Geltung fehlt ihnen jedoch wegen Art II EGVG bis heute. Der mit dem Begutachtungsentwurf 396/ME XXII. GP (BKA-600.126/0004-V/1/2006 vom 2. 3. 2006) unternommene Versuch, das Enumerativsystem des EGVG um eine Generalklausel zu ergänzen (vgl den vorgeschlagenen Art II Abs 2 lit F EGVG), ist leider gescheitert. 30 Vgl die Erörterung im Besonderen Teil bei Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Bd 2, 3. Aufl 1924, 135-217; Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl 1931, 352-382. Anders Josef Ulbrich, Lehrbuch des österreichischen Verwaltungsrechtes, 1904, 174-188; Herrnritt, Verwaltungsrecht (FN 25) 78-84; Adamovich, Handbuch Bd 1 (FN 25) 190-202 (Behandlung im „formalrechtlichen“ Teil); Adamovich/Funk, Verwaltungsrecht (FN 17) 357-370. 31 Vgl Anna Gamper, Vergaberecht, in: Irmgard Rath-Kathrein/Karl Weber (Hg), Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl 2005, 224-245; Susanne Bachmann, Vergaberecht, in: dieselbe ua, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Aufl 2007, 319-336. – Das Beschaffungswesen ist indes erwähnt und knapp erörtert bei Kahl/Weber, Verwaltungsrecht (FN 12) Rz 454-457. 32 Vgl statt aller Friedrich Schoch, Die Europäisierung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, JZ 1995, 109-123; Thomas von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, 1996; Stefan Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter
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Tat: Wenn und weil sich das nationale Recht mit den Einwirkungen einer Rechtsordnung konfrontiert sieht, die in den Mitgliedstaaten unmittelbare Anwendbarkeit beansprucht, muss die Rechtswissenschaft diesen Wandel begleiten und verarbeiten.33 Rainer Wahl hält diesen Prozess für dermaßen tiefgreifend, dass er „eine kopernikanische Wende im Rechtssystem“ ortet und von einer zweiten Phase des öffentlichen Rechts spricht, in der die Binnenorientierung der ersten Phase aufgebrochen ist.34 Auch wenn man über die Berechtigung dieser und ähnlicher Prädikate streiten mag:35 Nichts liegt mir ferner, als den Prozess der Durchdringung und Überwölbung nationalen Verwaltungsrechts durch das supranationale Recht in seiner Relevanz und in seinen Folgewirkungen zu unterschätzen. Alles andere als ausgemacht erscheint mir indes, ob er wirklich dem allgemeinen Verwaltungsrecht zu stärkerer Konjunktur verhilft. Denn „Europarecht“ bedeutet eine Spezifikation von Recht, die allein auf seine Herkunft abstellt und über seine materielle Einordnung nichts besagt. Genau so wie Bundesrecht oder Landesrecht, so ist auch europäisches Recht bald privates, bald öffentliches Recht; und der öffentlich-rechtliche Anteil seiner Normen lässt sich wiederum in Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht scheiden. Ruft man sich dies in Erinnerung und sieht man genauer hin, so scheint mir, als habe bislang nur das europäische Verfassungsrecht in die Darstellungen des allgemeinen Verwaltungsrechts Eingang gefunden. Strukturprinzipien des Gemeinschaftsrechts, Organe und Handlungsformen der Gemeinschaft, allgemeine Rechtsgrundsätze, Beschränkungen der Organisations- und Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten durch Effektivitätsgebot und Äquivalenzprinzip, Beihilfenverbot, Vorabentscheidungsverfahren, Staatshaftung – ein Blick in die jüngsten, um Integration des Europarechts bemühten Lehrbücher bestätigt, dass mit dem Primärrecht das europäische Verfassungsrecht dominiert.36 Das europäische Verwaltungsrecht wird hingegen durchwegs im besonderen Verwaltungsrecht verarbeitet.37 Aufgrund des sektoralen Zuschnitts der einschlägigen Ver____________________
europäischem Einfluß, 1999; Eberhard Schmidt-Assmann, Allgemeines Verwaltungsrecht in europäischer Perspektive, ZÖR 55 (2000), 159-179. 33 Die Rezeption der deutschen Wissenschaft vom öffentlichen Recht in Phasen gliedernd: Matthias Ruffert, Die Europäisierung der Verwaltungsrechtslehre, Die Verwaltung 36 (2003), 293-319 (293-299). 34 Rainer Wahl, Die zweite Phase des Öffentlichen Rechts in Deutschland, Der Staat 38 (1999), 495-518 (496). 35 Vgl die Vorbehalte zur Postnationalisierung bei Ulrich Haltern, Internationales Verfassungsrecht? AöR 128 (2003), 511-557. 36 Vgl Kahl/Weber, Verwaltungsrecht (FN 12) Rz 53, 68, 82-90, 364-368, 450, 453, 548-552; Kneihs, Verwaltungsrecht (FN 27) 97-107, 111-115. 37 Jene Ausnahmen, die diese Regel bestätigen, betreffen meist den Verwaltungsaufbau und das Verwaltungsverfahren – und damit Bereiche, die entweder verfassungsaffin sind oder in Österreich nicht (mehr) zum allgemeinen Verwaltungsrecht gezählt werden.
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ordnungen, Richtlinien und Rahmenbeschlüsse ist dies nicht weiter verwunderlich. Jenseits des direkten Vollzugs geht dem Sekundärrecht der allgemeine Charakter schon deshalb ab, weil Gemeinschaft und Union nicht über die dafür nötige Kompetenz verfügen.38 Diese Andeutungen mögen genügen. Unter dem Strich sprechen in meinen Augen die besseren Gründe für die These, das allgemeine Verwaltungsrecht werde eher zu den Verlierern als zu den Gewinnern der europäischen Einigung zählen. Denn Europäisierung der Verwaltung lässt sich aufspalten einerseits in Konstitutionalisierung, andererseits in Verrechtlichung der Verwaltung – also just in jene beiden Prozesse, die dem allgemeinen Verwaltungsrecht seinen Entfaltungsraum nehmen.
II. Wozu überhaupt allgemeines Verwaltungsrecht? Die eben geschilderten Krisensymptome sind beunruhigend. Nichts aber wäre voreiliger und unberechtigter, als ihretwegen den Abgesang auf das allgemeine Verwaltungsrecht anzustimmen. Jede Wissenschaft tut gut daran, in periodischen Abständen die Sinnfrage zu stellen und sich ihrer Ziele, ihres Gegenstandes und ihrer Methoden zu versichern. Das gilt zumal für die Rechtswissenschaft,39 und es gilt in besonderem Maße für eine Subdisziplin, die so offen konzipiert ist wie das allgemeine Verwaltungsrecht. Es ist stets auf der Suche nach seinem Sinn gewesen, und jede Generation musste in Auseinandersetzung mit der Tradition und mit den aktuellen Entwicklungen des Verwaltungsrechts die Antwort neu finden. Deshalb sei zugestanden, dass sich die soeben als Krisensymptome gewerteten Phänomene auch ganz anders deuten lassen: Heute mag die adäquate Antwort auf die Frage nach dem Sinn des allgemeinen Verwaltungsrechts in der Tat darin bestehen, der Verwaltung ihre verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Determinanten in Erinnerung zu rufen, weil insoweit Nach- und Aufholbedarf besteht. Auf Dauer kann sich allgemeines Verwaltungsrecht hierin freilich nicht erschöpfen. Vordergründig dürfte Konsens darüber bestehen, worum es im allgemeinen Verwaltungsrecht geht und was das allgemeine vom besonderen Verwaltungsrecht abhebt. Aufgabe und Ziel des allgemeinen Verwaltungsrechts liegt in der Abstraktion, im Freilegen des der Verwaltung und ihrem Recht Gemeinsamen, im Herausschälen der die einzelnen Teile ver____________________
38 Vgl die im Wesentlichen bis heute gültige Analyse bei Wolfgang Kahl, Hat die EG die Kompetenz zur Regelung des Allgemeinen Verwaltungsrechts? NVwZ 1996, 865869 (866-869). 39 Anregend Andreas Vosskuhle, Methodik und Pragmatik im Öffentlichen Recht, in: Hartmut Bauer ua (Hg), Umwelt, Wirtschaft und Recht, 2002, 171-195 (177-188).
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bindenden Ordnungsideen und in der Darstellung der rechtlichen Grundlinien. Es hat den Anschein, als stimmten insoweit alle Auffassungen überein. Sieht man näher hin, so zeigt sich, dass dieser kleinste gemeinsame Nenner so manchen Unterschied überdeckt. Vergröbernd kann man sagen, dass es drei verschiedene Anliegen sind, die als erkenntnisleitende Interessen hinter einer gemeinsamen Fassade stehen. 1. Vereinheitlichung und Kodifikation Das erste Anliegen ist das ursprünglichste und älteste. Es mag nachdenklich stimmen, dass das allgemeine Verwaltungsrecht als Disziplin vor allem im deutschen Sprachraum gepflegt wird;40 und es fällt auf, dass es als Fach in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Beides erklärt seine primäre Funktion, denn diese lag im Dienst an der Rechtsangleichung. Aufgabe des Allgemeinen Verwaltungsrechts war die wissenschaftliche Vorbereitung, wenn nicht die Herstellung von Rechtseinheit.41 Es galt, in dem aus einer Vielzahl teils größerer, teils kleinerer Einzelstaaten zusammenwachsenden Deutschland der Verwaltung ein gemeinsames Fundament zu legen und der Vereinheitlichung ihres zersplitterten Rechts durch Aufbereitung gemeindeutscher Grundlagen den Weg zu ebnen. Nirgends kommt dies schöner zum Ausdruck als im Lehrbuch des Verwaltungsrechts von Otto Mayer, das bis heute einen Glanzpunkt in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Verwaltungsrecht markiert. Mayer weist dort im Vorwort auf die Schwierigkeiten hin, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, die er in seinem nicht minder bahnbrechenden Buch zum französischen Verwaltungsrecht42 formuliert hatte. Und er macht deutlich, dass er das deutsche Verwaltungsrecht im Gegensatz zum französischen für eine wissenschaftliche Aufarbeitung noch nicht für reif hält:43 „Dort hatte ich den Einheitsstaat vor mir mit schlechthin nationalem Recht. Hier die Mannigfaltigkeit der Landesrechte, ihrerseits wieder in verschiedenem Maße dem Einflusse fremden, d. h. des französischen Rechtes unterliegend. Dort ein neues Recht aus einem Gusse, wie es aus dem Schmelzofen der Revolution hervorging. Hier allmähliche Übergänge und alles durchzogen von stehengebliebenen Resten des Alten.“ ____________________
40 Vgl die vergleichende Übersicht bei Thomas Gross, Die Beziehungen zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen Verwaltungsrecht, in: Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht (Die Verwaltung Beiheft 2), 1999, 57-80 (67-70). 41 Heiko Faber, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl 1992, 14 f. 42 Otto Mayer, Theorie des französischen Verwaltungsrechts, 1886. Vgl dazu die noch immer lesenswerte Rezension von Paul Laband, AöR 2 (1887) 149-162. 43 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Bd 1, 1. Aufl 1895, VII.
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Wäre es nach seinen Gedanken gegangen, so würde er das Buch nicht geschrieben haben; eine gründliche Durcharbeitung der einzelnen Materien durch Monographien erschien ihm als der zielführende Weg.44 Dennoch wollte er sich der Einladung nicht versagen, im „Systematischen Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft“ für das Verwaltungsrecht einzustehen. In der folgenden Rechtfertigung45 klingen neben Zweifeln auch rechtsgestaltende Motive an: „Vielleicht war es doch das Richtige, mutig das Ganze anzufassen, um es einheitlich nach gemeinsamen, großen Gesichtspunkten aufzubauen. Da hab’ ich denn gesagt: in Gottes Namen, und mein Bestes gethan.“
Mit diesem konstruktivistischen Anliegen steht Otto Mayer im Verwaltungsrecht nicht allein, und es fügt sich auch sonst perfekt in die Zeit.46 Nicht nur im Verwaltungsrecht, auch im Verfassungsrecht, im Zivilrecht und im Strafrecht wurde um die Rechtseinheit gerungen; und hier wie dort gab es Bestrebungen, gemeinsame Inhalte und Fundamente in einem „Allgemeinen Teil“ vor die Klammer zu ziehen.47 Mit dem Reichsstrafgesetzbuch 1871 und mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch 1896 ist beides geglückt. Im Verwaltungsrecht sind die Bestrebungen nach Kodifikation eines Allgemeinen Teiles hingegen Utopie geblieben.48 Mehr als der Entwurf einer „Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg“ aus dem Jahr 1931 liegt bis heute nicht vor. In Österreich wurde der Plan im Schrifttum erörtert,49 aber von offizieller Seite niemals ernsthaft verfolgt. Mittlerweile ist selbst die literarische Diskussion verstummt.50 ____________________
44 Ähnliche Vorbehalte vorausschickend: Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, 1. Aufl 1928, V. 45 Mayer, Verwaltungsrecht Bd 1 (FN 43) VII f. 46 Näher zum Hintergrund Christian Starck, Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, JZ 1997, 1021-1030 (1022 f ), und Gross, Beziehungen (FN 40) 61-65. 47 Für das Verwaltungsrecht vgl Karl Kormann, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte, 1910, VII, der seine Arbeit als Vorarbeit für eine künftige Kodifikation ansieht. 48 Höhe-, aber wohl auch Endpunkt der Debatte waren die Verhandlungen des 43. Deutschen Juristentages zum Thema „Empfiehlt es sich, den allgemeinen Teil des Verwaltungsrechts zu kodifizieren?“ mit Gutachten von Hans Spanner und Fritz Werner (Bd I 2. Teil, 1960) sowie Referaten von Klaus von der Groeben und Werner Weber (Bd II D, 1962). 49 Walter Antoniolli, Vom Beruf unserer Zeit zur Kodifikation eines allgemeinen Teils des Verwaltungsrechts, in: Friedrich Lehne/Edwin Loebenstein/Bruno Schimetschek (Hg), Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. FS 100 Jahre VwGH, 1976, 151-164. 50 Mit Walter Antoniolli hat der wichtigste Protagonist (vgl FN 49) den Kodifikationsplan nach der Jahrtausendwende als „Jugendtraum“ bezeichnet: vgl Gabriele KucskoStadlmayer, Die heutige Bedeutung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, in: Clemens Jabloner/Heinz Mayer/Wolfgang Pesendorfer (Hg), 125 Jahre Verwaltungsgerichtshof, 2002, 39-53 (39).
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In der Tat fehlt es an allen Voraussetzungen. Zunächst schon an der Kompetenz: Um für die gesamte Verwaltung geltende Grundsätze, allgemeine Bestimmungen und subsidiär geltende Regelungen mit Lückenschließungsfunktion positivieren zu können, braucht es eine entsprechende Gesetzgebungsbefugnis, über die derzeit weder der Bund noch die Länder verfügen.51 Es ist bezeichnend, dass eine Bedarfskompetenz für den Allgemeinen Teil des Verwaltungsrechts nicht zu jenen Themen zählen, die in der aktuellen Verfassungsreformdebatte erörtert werden. Auf der Tagesordnung steht nur eine Gesetzgebungsbefugnis des Bundes zur Regelung verwaltungsrechtlicher Verträge. Sodann aber fehlen aber auch konkrete Vorstellungen darüber, welche Problemfelder eine Kodifikation sinnvollerweise in Angriff nehmen könnte.52 Die Lektüre des Württembergischen Entwurfes53 zeigt, dass der Spielraum außerordentlich eng ist.54 Gleichzeitig führt dieser Entwurf vor Augen, dass nicht alles, was gemeinhin unter dem Titel Allgemeines Verwaltungsrecht abgehandelt wird, in ein allgemeines Verwaltungsrechtsgesetz passt. Im Organisationsrecht beschränkt sich der Entwurf beispielsweise auf Rahmenregelungen über Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, die nur subsidiäre Geltung beanspruchen; Bestimmungen über Behörden und ihre Organisation sucht man in ihm hingegen vergeblich. Das könnte in Österreich anders nicht sein. Die Absicht, etwa Regelungen betreffend die Einrichtung der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in eine Kodifikation zu integrieren, wäre nämlich nicht realisierbar, ohne die bundesstaatliche Kompetenzordnung aus den Angeln zu heben.55 ____________________
51
Vgl Antoniolli, Kodifikation (FN 49) 161. So auch Antoniolli, Kodifikation (FN 49) 162 f. 53 Kommission für die Landesordnung des Allgemeinen Öffentlichen Rechts (Hg), Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg. Entwurf eines Gesetzes mit Begründung, 1931. Nach dem Vorwort des Vorsitzenden Staatsrat Dr. Hegelmaier war der Entwurf ein Versuch, „die in der württembergischen Staatsverwaltung zur Anwendung kommenden allgemeinen Rechtsgrundsätze und Rechtssätze einschließlich der Vorschriften über das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten festzustellen und den heutigen Anforderungen der Verwaltung entsprechend zu einem einheitlichen Gesetzgebungswerk auszubauen“ (III). 54 Der Allgemeine Teil des Entwurfs (1. Buch) beginnt mit Bestimmungen über Rechtsquellen, die sich in der Wiederholung der Verfassung und in Definitionen erschöpfen. Ergiebiger sind die Bestimmungen über Rechtsverhältnisse, die Stellvertretung, Rechtsnachfolge, Verzicht und Vertretung regeln, und die Partien über Willenserklärungen. Die daran anschließenden Normen über die Verwaltungsakte enthalten Grundsätze und Regelungen über Nebenbestimmungen, Nichtigkeit, Zurücknahme und Änderung. Am Ende stehen Bestimmungen über Verjährung und Sicherheitsleistung. Es folgt ein zweites Buch über Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, ein drittes Buch über öffentliche Sachen und ein viertes Buch über Schuldverhältnisse des öffentlichen Rechts. 55 Das gibt Anlass, die Behandlung der Verwaltungsorganisation im Rahmen des allgemeinen Verwaltungsrechts zu überdenken. Sie erscheint uns heute selbstverständlich, 52
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2. Vereinfachung und Ordnung Andere Autoren geben dem für die Disziplin typischen Streben nach Verallgemeinerung eine andere Stoßrichtung und einen anderen Sinn. Aufgabe des allgemeinen Verwaltungsrechts ist für sie das Ordnen der vielfältigen verwaltungsrechtlichen Erscheinungen und die Reduktion ihrer stets steigenden Komplexität. Im Vorwort zu den Fleiner’schen Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts können wir beispielsweise lesen:56 „Die nachfolgende Darstellung versucht, die verwaltungsrechtlichen Erscheinungen [...] auf ihre juristischen Grundlinien zurückzuführen. Von Jahr zu Jahr werden die Gesetze komplizierter. Um so mehr ist es Aufgabe des akademischen Lehrers, den Lernenden zu einer einfachen Anschauung des Rechts zu verhelfen.“
Das gleiche Anliegen, das Fleiner der Studierenden wegen verfolgte, ist bei anderen Autoren mit Blick auf die in der Verwaltung Tätigen formuliert. So war es Rudolf Herrnritt darum zu tun, „in der Erscheinungen Flucht das Dauernde festzuhalten und durch das Werdende zu ergänzen“, um „dem Praktiker einen Wegweiser durch das dichte Gestrüpp besonders der neueren Verwaltungsgesetzgebung“ zu geben.57 Walter Antoniolli schwebte als Ziel vor, „jene allgemeinen Gedanken des Verwaltungsrechts herauszuarbeiten, die man im Alltag der Verwaltungspraxis unbedingt kennen muß“.58 Didaktik und Entlastung der Rechtspraxis sind indes nur Nebenfunktionen. Die zentrale Aufgabe liegt in der wissenschaftlichen Systembildung.59 Im Kern geht es darum, die Phänomene des Verwaltungsrechts in eine Ordnung zu bringen, seine inneren Strukturen freizulegen, Gemeinsamkeiten vor die Klammer zu ziehen und die typischen Faktoren herauszuschälen.60 Das allgemeine Verwaltungsrecht hat „strukturelle Ordnungsfunktion“.61 Die Geister scheiden sich aber bei Beantwortung der Frage, ob es diese Ordnung zu rekonstruieren oder ob es sie herzustellen gilt. Nicht we____________________
war aber ursprünglich heiß umkämpft. Otto Mayer, Verwaltungsrecht (FN 43) 14-16, schied die gesamte Behördenordnung aufgrund ihrer inneren Bezüge zum Verfassungsrecht aus dem Verwaltungsrecht aus und wollte sie „mit dem geistesverwandten Verfassungsrecht zu einem ‚Staatsrecht‘ verbunden“ wissen (16). Für diese Entscheidung gibt es ausgezeichnete Gründe. 56 Fritz Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 1. Aufl 1911, V. 57 Herrnritt, Grundlehren (FN 13) V. Als weiteres Anliegen wird die Leistung von Diensten für eine Neugestaltung der Rechtsordnung genannt. 58 Antoniolli, Verwaltungsrecht (FN 25) V. Er fährt fort, dass später die Absicht hinzukam, den Studierenden ein Lehrbuch in die Hand zu geben. 59 Schmidt-Assmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl 2004, Rz 1/1; Kucsko-Stadlmayer, Bedeutung (FN 50) 41 f. 60 Adamovich/Funk, Verwaltungsrecht (FN 17) 72-76. 61 Matthias Schmidt-Preuss, Das Allgemeine des Verwaltungsrechts, in: Max-Emanuel Geis/Dieter Lorenz (Hg), Staat, Kirche, Verwaltung. FS Maurer, 2001, 777-801 (778).
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nige Autoren plädieren dafür, Ordnung weniger als etwas Vorgegebenes denn als etwas Aufgegebenes zu betrachten: Das allgemeine Verwaltungsrecht soll als Ordnungsidee das Auseinanderdriften der Rechtsentwicklung in den einzelnen Verwaltungsgebieten verhindern,62 es soll die Partikularinteressen der Ressorts zügeln,63 kurzum: es soll die Einheit der Verwaltung begründen und bewahren.64 Solcherart als Gestaltungsauftrag verstanden, führt das Ordnungsanliegen zum Vereinheitlichungsziel zurück; es macht sich der Grenzüberschreitung verdächtig, weil es die Rechtswissenschaft für politische Zwecke instrumentalisiert; und es dürfte deren Durchsetzungskraft einigermaßen überschätzen. Wer hingegen nicht gefährdete Ordnung verteidigen und verlorene Ordnung wiederherstellen will, sondern seine Aufgabe darin sieht, die im Recht tatsächlich vorhandenen Strukturen aufzuzeigen, sieht sich alsbald in einem Dilemma. Als Abstraktion und Generalisierung aus den konkreten Teilordnungen des Verwaltungsrechtes verstanden,65 ist allgemeines Verwaltungsrecht dem amorphen Material hilflos ausgeliefert. Wo es keine Gemeinsamkeiten gibt, sind auch keine Induktionsschlüsse vom Besonderen auf das Allgemeine mehr möglich. Allgemeines Verwaltungsrecht als wissenschaftliche Disziplin steht und fällt mit der Homogenität des Rechtsmaterials. Um diese Homogenität ist es aber, wenn es sie denn je gab,66 immer schlechter bestellt. „Von einem übergeordneten Ordnungskonzept kann im geltenden österreichischen Verwaltungsrecht keine Rede mehr sein.“67 Wenn allgemeines Verwaltungsrecht mit jenen Grundbegriffen, Grundsätzen und Rechtsinstituten gleichzusetzen ist, „die für alle Gebiete des Besonderen Verwaltungsrecht durchgängige Geltung beanspruchen“,68 dann bleibt außer der Darstellung der verfassungsrechtlichen und primärrechtlichen Determinanten der Verwaltung in der Tat nicht viel zu tun. Die Verwaltungsvorschriften sind dermaßen amorph, dass sich Re____________________
62 Schmidt-Assmann, Ordnungsidee (FN 59) Rz 1/1, bezeichnet es als „zentrale These dieser Schrift, daß nur ein systematisch ausgerichtetes Verwaltungsrecht in der Lage ist, Wertungswidersprüche bewußt zu machen und den auseinanderlaufenden Rechtsentwicklungen der Fachgebiete entgegenzuwirken.“ 63 Faber, Verwaltungsrecht (FN 41) 15; ähnlich Eberhard Schmidt-Assmann, Zur Funktion des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Die Verwaltung 27 (1994), 137-156 (146 f ): Disziplinierung der Sonderinteressen von Fachverwaltungen, Politik und Parlamenten. 64 Antoniolli, Kodifikation (FN 49) 165. 65 Formulierung in Anlehnung an Merkl, Verwaltungsrecht (FN 25) XI. 66 Zweifel, ob allgemeines Verwaltungsrecht angesichts der Heterogenität des Stoffes überhaupt möglich sei, äußert schon Albert Hensel, Der Einfluß des Steuerrechts auf die Begriffsbildung des öffentlichen Rechts, VVDStRL 3 (1927), 63-101 (74). 67 Raschauer, Verwaltungsrecht (FN 1) VII. 68 Schmidt-Assmann, Die Verwaltung 27 (1994), 137; ähnlich Dirk Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: Hans-Uwe Erichsen/Dirk Ehlers (Hg), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl 2006, § 3 Rz 8.
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geln kaum noch benennen und Ausnahmen immer schwerer als Ausnahmen erkennen lassen.69 Die Suche nach dem Allgemeinen und Einigenden bleibt vielfach vergeblich. Wie Hans Peter Lehofer treffend beobachtet hat, ist deshalb oft das Verfahrensrecht das einzige die Verwaltungsrechtler noch einende Band.70 Das liegt wohl weniger daran, dass innere Ordnung im Verfahrensrecht leichter zu erzielen und zu bewahren wäre, sondern hängt damit zusammen, dass die Einheit des Verwaltungsverfahrensrechts durch Art 11 Abs 2 B-VG verfassungsrechtlich abgesichert ist: Bedarfsgesetze des Bundes müssen einheitlich sein, und Abweichungen hievon sind auf das zur Regelung des Gegenstandes Erforderliche beschränkt. Gleichwohl ist auch im Verfahrensrecht die Einheitlichkeit permanent gefährdet. 3. Teilbereichsintegration und Clusterbildung Ein dritter Zugang nimmt die notorischen Schwierigkeiten, angesichts der Zersplitterung des Rechtsmaterials zu validen generellen Aussagen zu gelangen, zum Anlass, die Latte niedriger zu legen und sich mit Abstraktionen mittlerer Reichweite zu begnügen. So plädiert etwa Matthias Schmidt-Preuss dafür, das allgemeine Verwaltungsrecht stärker mit dem besonderen zu verzahnen und sich mit teilbereichsintegrierenden Systembildungen zu begnügen, um die innere Harmonisierung des Verwaltungsrechts wenigstens auf einer Zwischenebene zu erreichen.71 Thomas Gross will ebenfalls nicht auf Abstraktion, wohl aber auf den Anspruch auf Geschlossenheit verzichten und innerhalb des allgemeinen Systems Differenzierungen der Abstraktionsebene sowie Abstufungen der Reichweite von Grundlehren zulassen. Ihm schwebt ein Drei-Kreise-Modell vor, in dem sich rund um einen Kern von Dogmen mit genereller Geltung in einem zweiten Kreis Institute und Grundsätze gruppieren, die grundsätzlich allgemeinen Charakter haben, die aber nicht über die gesamte Bandbreite des Verwaltungsrechts hinweg auftreten und die Variationen zugänglich sind. An diesen zweiten Kreis soll sich ein dritter Kreis mit gebietsübergreifenden Lehren anschließen, die zusammengehörige Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts auf mittlerer Abstraktionsebene zu integrieren ____________________
69 Im Strafrecht und auch im Zivilrecht ist systematische Geschlossenheit leichter erzielbar, weil ihre legistische Betreuung (weitgehend) in einem Ressort konzentriert ist. 70 Hans Peter Lehofer, Internet und Verwaltungsrecht oder: Das e-Tüpfelchen auf dem Imperium? in: Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hg), Internet und Recht, 2002, 23-42 (26). 71 Schmidt-Preuss, Allgemeine (FN 61) 779 f. Ebenfalls für verstärktes Ansetzen am besonderen Verwaltungsrecht: Kucsko-Stadlmayer, Bedeutung (FN 50) 52 f.
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erlauben, indem sie Grundprinzipien herauspräparieren, die den Teilrechtsgebieten ein stabiles Fundament geben.72 Dass dieser bescheidenere Ansatz fruchtbar sein könnte, leuchtet intuitiv ein; dass er wirklich fruchtbar ist, hat Bernhard Raschauer mit seinen allgemeinen Teilen zum Wirtschaftsrecht73 und zum Umweltrecht74 bewiesen. Denn in ihnen findet sich nicht nur eine Analyse der für diese Verwaltungsbereiche wichtigen verfassungsrechtlichen und den europarechtlichen Grundlagen; darüber hinaus enthalten sie auch Ausführungen zur Begriffsbildung und Übersichten der zum Einsatz gelangenden Instrumente. Schwierigkeiten vermeiden, heißt aber meist andere Schwierigkeiten in Kauf nehmen. Die Crux von Teilbereichsintegration und Clusterbildung innerhalb des besonderen Verwaltungsrechts liegt darin, dass sich die – wie auch immer gebildeten – Teilbereiche nur schwer zu einem Ganzen der Verwaltung weiter integrieren lassen. Das gelingt leichter, wenn die einzelnen Bereiche überschneidungsfrei gehalten werden. Hingewiesen sei auf den gelungenen, bis heute einflussreichen Entwurf Ernst Forsthoffs, der der Eingriffsverwaltung die Leistungsverwaltung gegenüberstellt.75 Die Gesamtheit der Verwaltungsfunktionen vermochte und vermag seine Zweiteilung freilich nicht zu erfassen. Gleiches gilt für Heiko Fabers anregenden Versuch, das Verwaltungsrecht in die Segmente Eingriffsverwaltung, Leistungsverwaltung und Infrastrukturverwaltung zu gliedern, für sie je eigene Grundsätze zu entwickeln und diese zu einem allgemeinen Verwaltungsrecht zusammen zu setzen,76 sowie für Vorschläge, die die Kooperationsverwaltung als weitere Kategorie ins Spiel bringen.77 Wer die Teilbereiche stärker auf Lebenssachverhalte ausrichtet oder sie rund um Staatsaufgaben bildet, stößt auf andere Untiefen. Dass es – wie etwa zwischen Umweltrecht und Wirtschaftsrecht oder zwischen Medizinrecht und Wissenschaftsrecht – Überlappungen in Kauf zu nehmen gilt, dürfte noch bewältig- und hinnehmbar sein. Bedenklicher ist hingegen eine andere Konsequenz: Die Integration von Teilbereichen erschwert die Integration des Ganzen. Da jeder Cluster sein eigenes Gravitations____________________
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Gross, Beziehungen (FN 40) 78-80. Bernhard Raschauer, Allgemeiner Teil, in: derselbe (Hg), Grundriss des österreichischen Wirtschaftsrecht, 2. Aufl 2003, 1-103 (insb 1-6). 74 Bernhard Raschauer, Umweltrecht Allgemeiner Teil, in: Nicolas Raschauer/Wolfgang Wessely (Hg), Handbuch Umweltrecht, 2006, 13-48 (insb 17-26). 75 Grundlegung: Ernst Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, sowie derselbe, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959. Letzte Darstellung: Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts Bd I, 10. Aufl 1973, 368-429. 76 Faber, Verwaltungsrecht (FN 41), insb 30-34. 77 Vgl etwa Arthur Benz, Kooperative Verwaltung, 1994. 73
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zentrum hat, tendiert er dazu, sich in sich abzuschließen; und in dem Maße, in dem ein Cluster Masse gewinnt, geht es dem gemeinsamen Zentrum verloren – mit der Folge, dass die Cluster auseinander driften. An der Entwicklung des Finanzrechts und des Sozialrechts lassen sich diese Prozesse gut studieren. Ich habe daher den Eindruck, dass Teilbereichsintegration und Clusterbildung keine tragfähigen Antworten auf die Frage sind, zu welchem Ende wir allgemeines Verwaltungsrecht betreiben sollen. So paradox es klingt: Die Einheit der Verwaltung auf mittlerer Ebene retten wollen, heißt ihren Zerfall befördern, ihren Verlust beschleunigen.
III. Allgemeines Verwaltungsrecht als intranationale Verwaltungsrechtsvergleichung? Vielleicht ist es mehr als bloß ein Bonmot, diese Paradoxie umzukehren und folgenden Satz zu formulieren: Wem die Einheit der Verwaltung am Herzen liegt, der muss ihre Verluste protokollieren. Als Arbeitshypothese gab er jedenfalls den Anstoß für die folgenden Überlegungen. Meine Unzufriedenheit mit den klassischen Ansätzen veranlasst mich, einen weiteren Entwurf in die Diskussion einzubringen, der dermaßen unfertig ist, dass ich in der Überschrift zum dritten Abschnitt dieses Beitrages besser ebenfalls ein Fragezeichen setze. 1. Vergleichung als Leitmotiv: Zwecke und Methoden So eingängig und anschaulich sie prima facie ist: Die klassische „Formel, wonach das Allgemeine Verwaltungsrecht durch Abstrahierung und Generalisierung entsteht“,78 führt in die Sackgasse. Die Pflege des Faches hat sich denn auch nie auf sie beschränkt. Hiefür gibt es ungeachtet der soeben geäußerten Kritik gute Gründe. Ich schlage deshalb vor, Abstraktion und Generalisierung als Leitmotive des allgemeinen Verwaltungsrechts zu verabschieden und sie durch die Vergleichung zu ersetzen.79 Das allgemeine Verwaltungsrecht als Rechtsvergleichung innerhalb des nationalen Verwaltungsrechtes anzulegen und es mit rechtsvergleichenden Methoden zu betreiben, könnte ihm zu neuer Relevanz verhelfen. In den letz____________________
78 Gross, Beziehungen (FN 40) 57, der diese Gleichsetzung ebenfalls als unzureichend bezeichnet. 79 So weiter ausgreifend für die Verwaltungsrechtswissenschaft überhaupt: Christoph Möllers, Theorie, Praxis und Interdisziplinarität in der Verwaltungsrechtswissenschaft, VerwArch 93 (2002), 22-61 (insb 46-58). Dieser Arbeit verdanke ich die entscheidenden Anregungen.
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ten Jahrzehnten hat die Rechtsvergleichung verstärkt auch im öffentlichen Recht Fuß gefasst und dermaßen signifikant an Bedeutung gewonnen, dass sie mit Peter Häberle80 vielfach schon an als die fünfte Auslegungsmethode bezeichnet wird. Es gibt keinen Grund, weshalb sie nur als Vergleichung der Rechtssysteme verschiedener Staaten Ertrag abwerfen sollte. Was im internationalen Bereich Früchte bringt, muss auch als intranationale Komparatistik funktionieren. Dieser Vorschlag klingt weit revolutionärer, als er es in Wahrheit ist. Keine Begriffsbildung, keine Kategorienbildung und keine Systembildung kommt ohne Vergleichung aus. Wer abstrahieren und generalisieren will, muss sich auf einen Vergleichsmaßstab, auf ein tertium comparationis stützen, dem gegenüber jene Unterschiede verblassen, welche die zu ordnenden Phänomene aufgrund ihrer Individualität zwangsläufig aufweisen.81 In vielen Geisteswissenschaften bildet daher der Vergleich das zentrale methodische Mittel.82 Das allgemeine Verwaltungsrecht als Rechtsvergleichung aufzufassen, könnte deshalb dem Fach nicht nur neue Forschungsfelder erschließen. Der Ansatz dürfte es auch erlauben, seine traditionellen Funktionen weitgehend zu bewahren. Wenn der Vergleich Gemeinsamkeiten zu Tage fördert, lassen sich diese nach wie vor als solche darstellen und als allgemeine Grundsätze oder Rechtsinstitute benennen. Auch die Orientierungs- und Entlastungsfunktion dürfte in des Wortes doppelter Bedeutung gut aufgehoben sein. Nicht wer vereinfacht, weist im Dschungel des heutigen Verwaltungsrechts den Weg; Orientierung ermöglicht vielmehr, wer die richtigen Fragen stellt. In einer Hinsicht bedeutet das Vergleichsparadigma indessen einen Bruch. Unter ihm verliert das allgemeine Verwaltungsrecht den Status eines rechtsdogmatischen Faches und verwandelt sich in eine Reflexionswissenschaft, die der Verwaltungsrechtsdogmatik zwar die Grundlagen aufbereiten und ihr wichtige Anstöße und Hilfestellungen geben kann, die aber auf Aussagen über den Inhalt des geltenden Rechts verzichten muss. Das allerdings halte ich für verschmerzbar. Jene Funktionen, die allgemeine Teile im Zivilrecht und im Strafrecht erfüllen, haben für das Verwaltungsrecht ohnehin das nationale und europäische Verfassungsrecht sowie das Verwaltungsverfahrensrecht übernommen. Insoweit geht also wenig verloren. Im Übrigen besteht für mehr als bloße Grundlagenforschung kein Bedarf: Wenn und weil durch den Vergleich die Basis aufbe____________________
80 Erstmals Peter Häberle, Grundrechtsgeltung und Grundrechtsinterpretation im Verfassungsstaat – Zugleich zur Rechtsvergleichung als „fünfter“ Auslegungsmethode, JZ 1989, 913-919. 81 Karl-Peter Sommermann, Die Bedeutung der Rechtsvergleichung für die Fortentwicklung des Staats- und Verwaltungsrechts in Europa, DÖV 1999, 1017-1029 (1017). 82 Möllers, VerwArch 93 (2002), 48 FN 197 mwN.
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reitet wird, können Lückenfüllungen und Gegenschlüsse getrost der Wissenschaft vom besonderen Verwaltungsrecht als dogmatischem Fach überlassen werden. Das Verhältnis von allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht stelle ich mir demnach ähnlich vor wie jenes zwischen Verfassungsvergleichung und Verfassungsrecht. So wie internationale Verfassungsvergleichung Distanz zur „eigenen“ Rechtsordnung schafft,83 so ermöglicht der intranationale Verwaltungsrechtsvergleich erstens Abstand von der „eigenen“ Verwaltungsrechtsmaterie. Nicht anders als jene84 erschließt sie zweitens die Problemlösungen in anderen Gebieten. Drittens bringt sie die Fülle der Antworten durch Bündelung in eine überschaubare Ordnung. Viertens bewertet sie die solcherart gefundenen Modelle und Typen auf Signifikanz. Fünftens prüft sie deren Funktionalität und arbeitet mögliche Folgeprobleme auf. Diese Zwecke werden dadurch erreicht, dass der Rechtsstoff mit Fragen konfrontiert wird, die Brücken über mehrere Verwaltungsmaterien schlagen und Querschnittsanalysen erlauben. Fragestellung und Umfang der in den Vergleich einbezogenen Verwaltungsrechtsmaterien hängt vom Erkenntnisinteresse ab. Die Fragestellung fungiert als Raster, die einbezogenen Rechtsgebiete und ihre Vorschriften als Daten des Abgleichs. Die Frage zu formulieren, bedeutet ein Netz zu knüpfen, das die relevanten Details der Verwaltungsvorschriften aufzufangen erlaubt. Die notorischen Schwierigkeiten, mit denen Rechtsvergleichung üblicherweise zu kämpfen hat85 und die bei europäischen Binnenvergleichen in dem Maße schwinden, in dem nationales Recht durch Europarecht gleichförmig geprägt wird, sind im intranationalen Bereich von vornherein wesentlich kleiner. Da mit dem verfassungsrechtlichen Rahmen auch der institutionelle Kontext derselbe ist, fährt bereits ein reiner Normtextvergleich einigermaßen verlässliche Ergebnisse ein. Das kann für ein Makrovergleich genügen; für Mikrovergleiche wird freilich im Sinne eines kontextualistischen Ansatzes86 auch die zu den verglichenen Rechtsvorschriften ergangene Rechtsprechung und Lehre einzubeziehen sein. Dar____________________
83 Michael Stolleis, Nationalität und Internationalität: Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht des 19. Jahrhunderts, 1998, 28. 84 Konrad Zweigert/Hein Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl 1996, 14. Vgl ferner Martin Kriele, Recht als gespeicherte Erfahrungsweisheit – Zu einem Argument Ciceros, in: derselbe, Die demokratische Weltrevolution und andere Beiträge, 1997, 383-393 (insb 386-389). 85 Vgl Starck, JZ 1997, 1026-1029. Die Diskussion im öffentlichen Recht ist umfassend behandelt bei Georgios Trantas, Die Anwendung der Rechtsvergleichung bei der Untersuchung des öffentlichen Rechts, 1998. 86 Zu ihm allgemein Sommermann, JZ 1999, 1022.
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über hinaus sind Vergleiche denkbar, die einen funktionalistischen Ansatz zugrunde legen und sich nicht auf gleichartige Institute beschränken, sondern gleichwertige Phänomene in die Suche miteinbeziehen. Eine solche Jagd nach funktionalen Äquivalenten, der sich die jüngere Rechtsvergleichung fast schon mit Versessenheit widmet, dürfte jedoch bei nationalen verwaltungsrechtlichen Binnenvergleichen nur in Ausnahmefällen sinnvoll sein.87 2. Die Bedeutung von Referenzgebieten Die Hauptschwierigkeit des Vergleichsansatzes liegt jedoch in der Formulierung der Frage. Der Vergleichende findet die Vergleichsstellung nicht im Rechtsstoff vor, er trägt sie von außen an diesen heran. Die Fruchtbarkeit einer Fragestellung steht und fällt aber mit ihrer Relevanz. Für diese ist es regelmäßig ein gutes Indiz, dass hinter ihr ein Problem des besonderen Verwaltungsrechtes steckt, das strukturellen Charakter hat, also in gleicher oder ähnlicher Weise auch in anderen Verwaltungsgebieten begegnet.88 Solcherart ist das allgemeine Verwaltungsrecht gleichsam mit dem besonderen verschraubt: Das besondere fungiert als Problemreservoir für das allgemeine, das allgemeine als Lösungsreservoir für das besondere Verwaltungsrecht. Für Einzeluntersuchungen des allgemeinen Verwaltungsrechts mag es nun genügen, derartige strukturelle Probleme zu isolieren und sie zum Ausgangspunkt der Analyse zu machen. Eine Gesamtdarstellung des allgemeinen Verwaltungsrechts muss hingegen ihrem Anspruch nach nicht nur alle Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts mitberücksichtigen, sondern zunächst einen Fragenkatalog entwickeln, der die Gesamtheit der wesentlichen Punkte enthält und sie in ein „System“ bringt. Da niemand das gesamte besondere Verwaltungsrecht zu überblicken vermag, ist schon der erste Schritt leichter benannt als getan. Eberhard Schmidt-Assmann hat vorgeschlagen, zunächst einzelne Verwaltungsgebiete in den Blick zu nehmen, die in der Praxis eine Schlüsselrolle spielen oder die sich als Bezugspunkte theoretischer Überlegungen eignen; und ____________________
87 Ein denkbarer Einsatzbereich könnte die Analyse von Ausgliederungsphänomenen sein. Die Privatisierung von Staatsaufgaben geht vielfach mit der Schaffung funktionaler Äquivalente für öffentlich-rechtliche Institute einher: Kontrahierungszwang an Stelle des Legalitätsprinzips, Unabhängigkeit des Privaten an Stelle des Befangenheitsschutzes, Geheimhaltungspflicht an Stelle der Amtsverschwiegenheit, Versicherungspflicht an Stelle der Amtshaftung. – Diese Einsicht schulde ich Franz Merli, dem ich überhaupt für viele Diskussionen dankbar bin. 88 Selbstverständlich fließen Wichtigkeit und Schwierigkeit der Problemlösung ebenfalls in die Relevanzanalyse mit ein.
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er hat für solche Materien den Begriff des „Referenzgebietes“ geprägt.89 Dieser bereitwillig aufgegriffene90 Vorschlag räumt Schwierigkeiten aus und macht das Unterfangen operationabel: Ein System das allgemeinen Verwaltungsrechts zu entwerfen, bedeutet ein repräsentatives Set von Schlüsselmaterien auf Strukturprobleme zu untersuchen und die Ergebnisse der Suche miteinander abzugleichen.91 Der Sache nach ist man im allgemeinen Verwaltungsrecht wohl seit jeher so vorgegangen, war es doch lange Zeit auf das Polizeirecht hin ausgerichtet und durch das Polizeirecht inspiriert. 3. Das Wasserrecht als Referenzgebiet Damit aber kommt vieles, wenn nicht alles auf die Auswahl der Referenzgebiete an. In der aktuellen Diskussion haben „neue“ Materien wie Umweltrecht, Telekommunikationsrecht, Medienrecht, Produktrecht und Vergaberecht, die der technische Fortschritt hervorgebracht hat oder in denen sich sozialer Wandel widerspiegelt, die mit Abstand beste Konjunktur. Ich möchte einen Kontrapunkt setzen und dafür plädieren, darob die klassischen Verwaltungsmaterien nicht aus dem Blick zu verlieren. Gleichzeitig will ich das Wasserrecht als Kandidaten ins Rennen schicken. Das Wasserrecht ist in der österreichischen Verwaltungsrechtswissenschaft lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt worden.92 Legt man die Maßstäbe von Helmuth Schulze-Fielitz an, dann war es sogar ein negatives Referenzgebiet93, bis der Kommentar von Bernhard Raschauer es im Jahre 1993 von diesem traurigen Los befreit hat. Aufgrund seiner ____________________
89 Eberhard Schmidt-Assmann, Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann/Gunnar Folke Schuppert (Hg), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Grundfragen, 1993, 11-63 (14 f ). 90 Vgl statt aller Helmuth Schulze-Fielitz, Verwaltungsrechtsdogmatik als Prozeß der Ungleichzeitigkeit, Die Verwaltung 27 (1994), 277-300 (277-279). 91 Treffend Möllers, VerwArch 93 (2002), 56: „Letztendliches Ziel der Untersuchung von Referenzgebieten könnte schließlich die Entwicklung verschiedener miteinander konkurrierender wissenschaftlicher Entwürfe eines Allgemeinen Verwaltungsrechts sein.“ 92 Bei Ludwig Gumplowicz, Verwaltungslehre unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Verwaltungsrechts, 1882, kommt das Wasserrecht gar nicht vor. Josef Ulbrich, Lehrbuch des österreichischen Verwaltungsrechtes, 1904, 492-501, erörtert es unter dem Titel „Wasserpolizei“. Bei Ludwig Adamovich , Handbuch des Verwaltungsrechts Bd 2, 5. Aufl 1953, 96-108, ist es in die Darstellung der Öffentlichen Sachen integriert. 93 Als negative Referenzgebiete bezeichnet Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 27 (1994), 278, von der Universität vernachlässigte Gebiete, in denen die Standardkommentare und -lehrbücher von Verwaltungspraktikern oder Rechtsanwälten verfasst sind. Diese Kriterien sind für Deutschland brauchbar, auf das kleinräumigere Österreich aber nicht tel quel übertragbar.
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Vielfalt drängt sich das Wasserrecht als positives Referenzgebiet nachgerade auf: Es gibt kaum eine Verwaltungsfunktion, die sich in ihm nicht fände. Das sei mit kurzen Strichen plausibel gemacht. Das Wasserrecht ist eine Wurzel des Umweltrechts: Zur Sicherung hoher Wasserqualität und im Interesse langfristiger Nutzbarkeit enthält es eine allgemeine Sorgfaltspflicht, Emissions- und Immissionsbeschränkungen, Untersuchungspflichten und Bewilligungspflichten. Es geht jedoch über Umweltrecht weit hinaus, weil es als Ressourcenbewirtschaftungsrecht die möglichst effiziente Ausbeutung eines knappen Gutes im öffentlichen Interesse gewährleisten will. Zu diesem Zweck war Wasserrecht historisch zunächst Entprivatisierungsrecht, und bis heute spielen Zwangsrechte in ihm eine wesentliche Rolle. Sodann enthält es mit der materiellen Präklusion, der Befristung von Nutzungsbewilligungen und dem Widerstreitverfahren aber auch Institute, die aktuelle Konkurrenz um Nutzungen auflösen oder künftige Konkurrenz offen halten. Mit der Gewässeraufsicht und dem wasserpolizeilichen Auftrag ragt es in das Polizeirecht hinein; mit den Bestimmungen über Pflege und Abwehr greift es in einem Maße darüber hinaus, dass man es dem Risikobewältigungsrecht zuordnen kann. In den Vorschriften über Wasseranlagen ist Wasserrecht Anlagenrecht, in jenen über die wasserwirtschaftliche Planung Planungsrecht. Die Bestimmungen über den Schutz der Wasserversorgung, den Anschlusszwang und die Nutzung der Wasserkraft für Zwecke der Energiegewinnung berühren das Infrastrukturrecht, jene über Schadenshaftung und Entschädigungen das Zivilrecht und das Regulierungsrecht. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen: Es gibt wenige Cluster, denen das Wasserrecht nicht zugeordnet werden könnte. Ähnlich umfassend und vielfältig sind die zum Einsatz gelangenden Instrumente. Neben der gesamten Palette hoheitlicher Akte begegnen verwaltungsrechtliche Verträge zwischen Privaten94 und weiche Steuerungsmittel wie Rahmenpläne. Für das Medium Information stehen Wasserbuch, Wasserinformationssystem Austria, ein komplexes Berichtswesen, diverse Veröffentlichungspflichten und nicht zuletzt die Hydrographie. Geld als Steuerungsmedium gelangt in der Wasserbautenförderung zum Einsatz. Dass es schließlich auf Seiten der Akteure mit den Wassergenossenschaften und Wasserverbänden auch Beispiele für juristische Personen des öffentlichen Rechts gibt, fügt sich ins Bild. Das mag genügen, um zu sehen, dass es nur leicht übertrieben ist zu behaupten: Was das Verwaltungsrecht im Großen ist, ist das Wasserrecht ____________________
94 Vgl zu Übereinkommen nach § 111 Abs 3 WRG VwSlg 4596 A/1958, VfSlg 5473/ 1967, OGH in EvBl 1978/54 sowie Friedrich Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 1962, 452.
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im Kleinen. Ich wüsste keine Verwaltungsmaterie, die als Referenzgebiet besser geeignet wäre. *** Damit bin ich am Ende meiner Sinnsuche angelangt. Mehr als eine holzschnittartige Skizze und ein recht grobschlächtiger Vorschlag sind aus ihr nicht entstanden. Ich gestehe deshalb freimütig zu: Der hier propagierte Ansatz, das allgemeine Verwaltungsrecht als Rechtsvergleichung zu betrachten und zu betreiben, kann auch ein Holzweg sein. Dass es gleichwohl lohnen dürfte, ihn ein Stück weit auszugehen, dazu ermutigt mich folgende Überzeugung: Die raison d’être des allgemeinen Verwaltungsrechts liegt nicht in seinen Problemlösungen, sondern in seinen Problemstellungen.
Lebenslauf – Geboren 1948 in Wien – Akademischer Übersetzer (Englisch) 1970 – Promotion zum Dr. iur. 1971 – 1971 – 1974 wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht (Heidelberg) – 1978 Habilitation für Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht und Ausländisches Öffentliches Recht – 1982 Extraordinarius an der Universität Wien – Seit 1989 Ordentlicher Universitätsprofessor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht ebendort und Leiter der Abteilung „Öffentliches Wirtschaftsrecht“ des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien – Seit 1994 Mitherausgeber der Zeitschrift „Recht der Umwelt“ – Seit 2000 Herausgeber der von Günther Winkler gegründeten Schriftenreihe „Forschungen aus Staat und Recht“ – 1994 – 1998 Vorsitzender des Kuratoriums der Donau-Universität Krems – 1985 – 1991 Umweltanwalt des Landes Niederösterreich – Seit 1999 Mitglied des Unabhängigen Umweltsenats beim Umweltministerium – 2000/2001 Vorsitzender der Aufgabenreformkommission der Bundesregierung – 2003/2004 Mitglied des Österreich-Konvents – Mitglied des Vorstandes der Österreichischen Juristenkommission
Publikationsliste I. Selbständige Veröffentlichungen 1. Bundesverfassungsrecht (Textausgabe), München 1976 2. Namensrecht, Wien – New York 1978 3. Die juristische Ausbildung in der Verwaltung, Studienarbeit für die Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft, Wien 1979 4. Importabhängigkeit Österreichs auf dem Gebiete mineralischer und agrarischer Rohstoffe als sicherheitspolitischer Faktor, Studien der österreichischen Gesellschaft zur Förderung der Landesverteidigung, Wien 1979 5. Tierrecht (gemeinsam mit Günther Winkler), Wien 1980 6. Verfassungsfragen des Zivildienstes, Wien 1981 7. Arzneimittelpreise und Sozialversicherung, gemeinsam mit Günther Winkler und Walter Barfuß, Wien 1983 8. Umweltschutzrecht, Wien 1986 9. Die Umweltverträglichkeitsprüfung, in Schriftenreihe der Niederösterreichischen Juristischen Gesellschaft, Heft 47/48/49, St. Pölten 1988 10. Abfallvermeidung in Österreich (gemeinsam mit Christoph Scharff und Franz P. Neubacher), Wien 1988 11. Umweltverträglichkeitsprüfung für Österreich (gemeinsam mit Reinhold Christian und Gerhard Strauß), Wien 1989 12. Besonderes Verwaltungsrecht, Kurzlehrbuch, Wien 1990, 4. Aufl 2001 13. Bankenaufsicht und Europäische Integration, Wien 1991 14. Neutralität und Waffenexporte (gemeinsam mit Wolfgang Brandstetter, Gerhard Loibl und Gero Schmied), Wien 1991 15. Wasserrecht (Kommentar), Wien 1993 16. Bankgesetze (Textausgabe, gemeinsam mit Klaus Hartmann), Wien 1993 17. Gewerbeordnung (Textausgabe, gemeinsam mit Eva Schulev-Steindl), Wien 1994 18. Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, in Schriftenreihe der Niederösterreichischen Juristischen Gesellschaft, Orac 1994 19. UVP-G (Kommentar), Wien 1995 20. Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1998, 2. Aufl 2003
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Publikationsliste
21. Mobilkommunikation, Wien 1998 22. Grundriß des österreichischen Wirtschaftsrechts, Wien 1998, 2. Aufl 2003 23. Energierecht (Skriptum), Wien 1999, 4. Aufl 2002 24. Handbuch Energierecht, Wien 2006
II. Herausgeber 1. Beiträge zum Verfassungs- und Wirtschaftsrecht, Festschrift für Günther Winkler, Wien – New York 1989 2. Staat und Recht, Festschrift für Günther Winkler, Wien – New York 1997 3. Herausgeber der „Forschungen aus Staat und Recht“ 4. Herausgeber der „Wirtschafts- und verwaltungsrechtlichen Studien“ (Springer-Verlag) 5. Österreichische Verwaltungslehre (gemeinsam mit Gerhart Holzinger und Peter Oberndorfer), Wien 2001, 2. Aufl 2006 6. Mitherausgeber der Zeitschrift „Recht der Umwelt“ 7. Aktuelles Telekommunikationsrecht, Wien – Graz 2005 8. Aktuelles Energierecht, Wien – Graz 2006
III. Unselbständige Veröffentlichungen 1. Überproportionale Vertretung in Verhältniswahlrechtssystemen, ÖZÖR 1971, 135 2. Der Beitritt Großbritanniens zu den Europäischen Gemeinschaften, ZaöRV 1972, 616 3. Ein Ombudsmann für Frankreich, ZaöRV 1973, 503 4. Die Gesetzeskontrolle im britischen Recht, Der Staat 1974, Heft 2, 239 5. Regionalverwaltung in Frankreich, Die Verwaltung 1974, Heft 3, 356 6. Das Beihilfenverbot nach den Globalabkommen mit den Europäischen Gemeinschaften, ÖZW 1974, 112 7. Frankreich, Länderbericht, in Verwaltung in der Demokratie, Institut für Höhere Studien (Hrsg), Wien 1975, Band 3, 85 8. Verfassungsbeschwerde gegen Rechtssätze, DÖV 1976, 698 9. Rechtsfragen der Wechselkursfestsetzung – eine erste Orientierung, Wirtschaftspolitische Blätter 1976, Heft 3, 75
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10. Länderberichte „Großbritannien“ und „Australien“, in Die Befugnis des Gesamtstaats im Bildungswesen, Schriftenreihe Bildung und Wissenschaft, Band 9, 1976, 83 und 189 11. Unmittelbare Gesetzesanfechtung durch einzelne in Österreich/Anmerkung zum Beschluß des VfGH vom 17.3.1977, EuGRZ 1977, 262 12. Grenzen der Wahlfreiheit zwischen den Handlungsformen der Verwaltung im Wirtschaftsrecht, ÖZW 1977, 1 13. Demokratie in der Stadt, in Alois Mock/Herbert Schambeck (Hrsg), Verantwortung in Staat und Gesellschaft, Wien 1977, 491 14. Vereinsnamenserkenntnis, Entscheidungsbesprechnung, ÖZW 1978, 87 15. Haftung für Fernsehfahndung nach deutschem und österreichischem Recht, JBl 1978, Heft 13/14, 353 16. Die Bedeutung internationaler Abkommen, insbesondere der Integrationsverträge, für die innerstaatliche Gestaltung des Vergabewesens, in Karl Wenger (Hrsg), Ausgewählte Probleme des öffentlichen Vergabewesens, Schriftenreihe der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Heft 38, Wien 1978, 233 17. Die obersten Organe der Bundesverwaltung, in Heinz Peter Rill (Hrsg), Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1979, 363 18. Die obersten Organe der Landesverwaltung, in Heinz Peter Rill (Hrsg), Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1979, 375 19. Demokratie in Österreich, in Christian Sedlnitzky (Hrsg), Das Österreichmodell des Management Clubs, Wien 1979, 333 20. Die Kontrolle der Technikfolgen als gesellschaftspolitisches Problem heute (gemeinsam mit Gerhard Bruckmann), Universitas 1979, 823 21. Immissionsschutz im Gewerberecht und im Zivilrecht, ÖZW 1980, 7 22. „Daseinsvorsorge“ als Rechtsbegriff?, ÖZW 1980, 79 23. Ausländerbeschäftigungsrecht, Entscheidungsbesprechung, ZAS 1980, 227 24. Der öffentliche Dienst in der modernen Demokratie, in Öffentlicher Dienst – selbständiger Bürger, Gesellschaftspolitische Informationen, Heft 23, Wien 1980, 7 25. „Finale Programmierung“ und Raumordnung, ZfV 1980, 93 26. Die Absetzbarkeit der Reisekosten selbständig Erwerbstätiger (§ 4 Abs 5 EStG), ÖStZ 1981, Heft 8, 87 27. Selbstbindungen der Verwaltung, in VVDStRL 40, 1982, 240 28. Verwaltungsorganisation (gemeinsam mit Wolfgang Kazda), in Karl Wenger/Christian Brünner/Peter Oberndorfer (Hrsg), Verwaltungslehre, Wien 1982, 141
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29. Staatsaufgabe Umweltschutz, Vortragsbericht, ÖJZ 1982, 460 30. Werbung und Verfassung, in Josef Aicher (Hrsg), Das Recht der Werbung, Wien 1982, 19 31. Sozialpartnerschaft als Lebenswerk, in FS Julius Raab, Wien 1982, 58 32. Verfassungsrechtliche Fragen der Wohnbauförderung, in Karl Korinek (Hrsg), Beiträge zum Wirtschaftsrecht, Wien 1983, 121 33. Die Rechtsstellung der Dolmetscher und Übersetzer in Österreich (gemeinsam mit Günther Winkler), Wien 1983 (hektographiert) 34. Betriebsbedingte Kündigung und Barauslagen, Entscheidungsbesprechung, ZAS 1983, 69 35. Antidumpingrecht, Entscheidungsbesprechung, ÖZW 1983, 55 36. Ökonomische Verschreibweise und das Spezialitätenverzeichnis (gemeinsam mit Günther Winkler), in Günther Winkler/Walter Barfuß/ Bernhard Raschauer, Arzneimittelpreise und Sozialversicherung, Wien 1983, 11 37. Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, Stb 1984, 4, 8 und 12 38. Preisrecht, in Heinz Schäffer (Hrsg), Fälle und Lösungen zum Verwaltungsrecht, Wien 1985, 159, 3. Aufl 1993 39. Vermögensverschiebungen zwischen Gebietskörperschaften, in Heinz Schäffer (Hrsg), Fälle und Lösungen zum Verfassungsrecht, Wien 1985, 13 40. Gleichheitssatz und Weinanbauverbot, in Heinz Schäffer (Hrsg), Fälle und Lösungen zum Verfassungsrecht, Wien 1985, 85 41. Zurückweisungsbescheide gemäß § 362 ASVG, Entscheidungsbesprechung, ZAS 1985, 186 42. Verkehrsrecht und Umweltschutz (gemeinsam mit Ulrike Davy), Studie für das Österreichische Gesamtverkehrskonzept, Wien 1985 (hektographiert) 43. „Getränke“steuer auf „Verpackungen“?, ÖStZ 1985, 244 44. Die Stellung des Sachverständigen im Verwaltungsverfahren, in Umweltforum 2/1986, 17 45. Stand und Ausbaumöglichkeiten für den präventiven Umweltschutz im österreichischen Raumordnungsrecht, in ÖIR (Hrsg), Umweltvorsorge durch Raumplanung, Wien 1986 46. Sozialstaat und Gesundheitswesen aus verfassungsrechtlicher Sicht, Österreichische Krankenhauszeitung, 27/1986, 147 47. Monopolunternehmen, ZfV 1987, 1 48. Wasserwirtschaft – Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsordnung, in Zukunftsperspektiven der österreichischen Wasserwirtschaft, Heft
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68 der Schriftenreihe des österreichischen Wasserwirtschaftsverbandes, Wien 1987 Zu einer Frage der Nebengebühren auf Grund des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetzes, Versicherungs-Rundschau 1987, 309 Gesetzgebung und Vollziehung im Umweltschutzrecht, politicum 1987, 38 Sind die Gesetzesvorbehalte der Grundrechte unmittelbar anwendbares Recht?, ZfV 1988, 30 Die Rechtsstellung der Politischen Parteien, in Anton Pelinka/Fritz Plasser (Hrsg), Das österreichische Parteiensystem, Wien 1988, 557 (auch in englischer Übersetzung) Bürgerbeteiligung in der Verkehrsplanung, Vortrag im Rahmen der Tagung Umweltschutz in der Straßen- und Verkehrsplanung, Karl Rudelstorfer (Hrsg), Innsbruck 1988, 397 Gewerberecht – Raumordnung (Entscheidungsbesprechung), ÖZW 1988, 27 Der Amtsarzt und die Rechtsgrundlagen im wasserrechtlichen Verfahren, Mitteilungen der österreichischen Sanitätsverwaltung, 1988, Heft 12, 325 Umsetzung der Ziele der Raumordnung: Dirigismus – …?, in Politische Akademie Forschung (Hrsg), Raumordnung zwischen Traum und Wirklichkeit, 1988, 53 Wirtschaftliche Zumutbarkeit, in Bernhard Raschauer (Hrsg), Beiträge zum Verfassungs- und Wirtschaftsrecht, Wien 1989, 149 Staatsangehörigkeit, Artikel, in Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, Band 5, 1989 Die Bedeutung der Erwerbsfreiheit für das Sozialversicherungsrecht, in Theodor Tomandl (Hrsg), Verfassungsrechtliche Probleme des Sozialversicherungsrechts 1989, 79 Grenzen der Ausgliederung von Staatsfunktionen (Vortragsbericht), ÖJZ 1989, 529 Abgabenbegriff und Rechtsformenmissbrauch, in FS Gerold Stoll 1990, 213 Der Abfallbegriff des Abfallwirtschaftsgesetzes, ecolex 1990, 645 Recht der Wirtschaftslenkung (gemeinsam mit Karl Wenger) in Karl Wenger (Hrsg), Grundriß des Wirtschaftsrechts, Bd 2, 1990, 147 Umweltschutzrechtliche Bestimmungen (gemeinsam mit Walter Michalitsch), in Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen (Hrsg), Mindestanforderungen an die Wohnumwelt, 2. Teil, Wien 1990, 167
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65. Geruchsemissionen aus Abwasserreinigungsanlagen, in Band 99 der Wiener Mitteilungen Wasser, Abwasser, Gewässer, Wien 1990 66. Diplomprüfung aus Verwaltungsrecht, JAP 1990/91, 220 67. Anforderungen des Umweltschutzes an eine kooperative Raumordnungspolitik, in ÖIR (Hrsg), Zwischen „Altlasten“ und „Neuen Ufern“ – Teil 2, 1991, 41 68. Verschmelzung von Sparkassen und Liquidationserlös, ecolex 1991, 61 69. Rechtsfragen der Sparkassenfusionen, ÖZW 1991, 11 70. Landesgesetzgebungsbefugnis im Abfallrecht, ecolex 1991, 303 71. Die Pflichtmitgliedschaft zur Gewerbe- und Wirtschaftskammer im Fürstentum Liechtenstein (gemeinsam mit Günther Winkler), Liechtenst. JZ 1991, 119 72. Die verweigerte Versicherungskonzession/Erwerbsausübung, in Heinz Schäffer (Hrsg), Fälle und Lösungen zum Verfassungsrecht, 2. Aufl Wien 1991, 149 73. Sanierung kontaminierter Industriestandorte, ÖZW 1991, Heft 2, 41 74. Wirtschaftliche Vereinigungsfreiheit, ÖZW 1992, 11 75. Wegweisungen durch das Abfallwirtschaftsrecht, JAP 1991/92, 23 76. Umweltverträglichkeitsprüfung und Genehmigungsverfahren, ZfV 1992, 100 77. Zum Ausschluß der aufschiebenden Wirkung (Replik), ecolex 1992, 759 78. Die Aufgaben der Verwaltung, in BKA (Hrsg), Die öffentliche Verwaltung in Österreich, 1992, 81 (auch in englischer und französischer Übersetzung) 79. Verfassungswidrige GewO-Novelle 1992, WBl 1993, 179 80. Das Preisgesetz 1992, ÖZW 1993, 33 81. Anmerkungen zur Neuordnung des Sparkassenrechts, Österr BankArchiv 1993, 445 82. Vergütungen für Dienste in Ausübung öffentlicher Funktionen, SWI 1993, 79 83. Möglichkeiten einer Neugestaltung und Vereinheitlichung des Anlagenrechts, in III-27 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP (gemeinsam mit Christoph Grabenwarter und Georg Lienbacher), Wien 1993 84. Diplomprüfung Verwaltungsrecht (gemeinsam mit Harald Festl), JAP 1993/94, 92 85. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen, in Karl Korinek/Ewald Nowotny (Hrsg), Handbuch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, 1994, 315
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86. Der Anwendungsbereich des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G), RdU 1994, 10 87. Keine Grenzen für Privatisierungen?, ecolex 1994, 434 88. Die Genehmigungsentscheidung nach dem UVP-G, ecolex 1994, 581 89. Rechtsfragen der Amtssachverständigen, in Informationsblatt des österr Amtsärzteverbandes, Heft 1/1994 90. Verschmelzung einer Sparkassen-Anteilsverwaltungsgesellschaft mit einer Sparkasse, ecolex 1995, 299 91. Gesetzmäßigkeitsgrundsatz und Wirtschaftsrecht, in FS Heinz Peter Rill, 1995, 515 92. Rechtsfragen mobiler Abfallbehandlungsanlagen, RdU 1996, 3 93. Zwanzig Jahre „Zeitschrift für Verwaltung“, ZfV 1996, 317 94. Für ein einheitliches Umweltanlagenrecht, RdU 1996, 159 95. Umweltrecht aktuell – Öffentliches Recht, ÖWAV (Hrsg) Tagungsbände der Umweltrechtstage (jährlich seit 1996) 96. Abfallverbrennung zwischen Bundes- und Landesrecht, RdU 1997, 63 97. WRG-Novellen 1997, RdU 1997, 111 98. „Ermessen“ als abwägungsgebundene Rechtsanwendung, in FS Winkler, 1997, 881 99. Bestimmung des volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preises (Entscheidungsbesprechung), ÖZW 1998, 25 100. Karl Wenger – 75 Jahre, JBl 1998, 436 101. „Betriebsanlagengesetz“ – Kritische Anmerkungen, RdU 1998, 165 102. Unterschrift, Organwalterkompetenz und absolute Nichtigkeit, in FS Friedrich Koja, 1998, 589 103. Die „wilde“ Klärschlamm-Deponie, in Heinz Schäffer (Hrsg), Fälle und Lösungen zum Verwaltungsrecht, 4. Aufl 1998, 123 104. Rattenvergiftung an der Salzach, in Heinz Schäffer (Hrsg), Fälle und Lösungen zum Verwaltungsrecht, 4. Aufl 1998, 129 105. Anlagenrecht und Nachbarschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht, ZfV 1999, 506 106. Die Entwicklung des österreichischen Anlagenrechts und daraus entstehende Chancen und Gefahren, Ökobüro – Tagungsband, 1999, 80 107. Naturschutzrecht und Verfassung, in Michael Potacs (Hrsg), Beiträge zum Kärntner Naturschutzrecht, 1999, 1 108. Von der Verwaltungsverträglichkeit der Rechtsdogmatik, in FS Walter Leisner 1999, 897 109. Werbungsverbot für Tabakwaren, in Heinz Schäffer (Hrsg), Fälle und Lösungen zum Verfassungsrecht, 3. Aufl 1999, 149
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110. Diplomprüfung Verwaltungsrecht, JAP 1999/2000, 72 (gemeinsam mit Ulrich Tauböck) 111. Art 61 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 112. Art 62 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 113. Art 63 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 114. Art 64 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 115. Art 65 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 116. Art 66 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 117. Art 67 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 118. Art 68 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 119. Art 69 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 120. Art 70 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 121. Art 72 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 122. Art 73 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 1999 123. Art 20/1 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 2000 124. Art 102 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 2001 125. Art 103 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 2001 126. Art 104 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 2001 127. Art 18/3-5 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 2003 128. Art 19/1 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 2003 129. Art 27/1 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 2003 130. Art 77 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 2003 131. Art 78/1 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 2003 132. Art 29/1 in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, 2003 133. Mitbenutzung von Leitungen und Netzzugang, ÖZW 2000, 65 134. Ultra-vires-Akte der Europäischen Gemeinschaften, ÖJZ 2000, 241 135. Verbraucherschutzrechtliche Dimensionen im Wirtschaftsordnungsund Wirtschaftsaufsichtsrecht, in Josef Aicher/Michael Holoubek (Hrsg), Der Schutz von Verbraucherinteressen, 2000, 17 136. Bundesstraßenverwaltung (Entscheidungsbesprechung), ÖZW 2000, 62 137. Neuerungen im Anlagenrecht, JAP 2000/2001, 175 138. Aufgabenrevision – Staat und Verwaltung, in Peter Bußjäger (Hrsg), Föderalismusdokumente, 2001, 15 139. Bericht der Aufgabenreformkommission, 2001 140. Zwangsweiser Eigentumsübergang bei Wohnungen gemeinnütziger Bauvereinigungen, in Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen (Hrsg), Förderung des Wohnungswesens in Österreich, Wien 2001, 75 141. Der vertragsersetzende Bescheid, in FS Heinz Krejci, Bd 2, 2001, 2053
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142. Die Liberalisierung – rechtliche Gesamtbilanz, in Dietmar Pauger (Hrsg), Ein Jahr ElWOG, 2001, 3 143. Erneuerbare Energie im ElWOG, in Dietmar Pauger (Hrsg), Das Elektrizitätsrecht nach der ElWOG-Novelle, 2001, 99 144. Die Aufgaben der Verwaltung, in Gerhart Holzinger/Peter Oberndorfer/Bernhard Raschauer, Österreichische Verwaltungslehre, 2001, 169 145. Amtswegigkeit und kontradiktorisches Verfahren, in Michael Holoubek/Michael Lang (Hrsg), Das Senatsverfahren in Steuersachen, 2001, 181 146. Gewährleisten statt Leisten, Verwaltung heute, Mai 2001, 3 147. Der Zuschlag für „Ökostrom“, ÖZW 2001, 65 148. Die Systemnutzungstarife im Energierecht, WBl 2002, 241 149. Rechtsstaatliche Anforderungen an Verfahren vor Regulierungsbehörden, in Dietmar Jahnel ua (Hrsg), Verfassung in Zeiten des Wandels, 2002, 185 150. Zur Rechtsstellung der freien Jugendwohlfahrtsträger, Der Österreichische Amtsvormund, 2002, 157 151. Arzneimittelpreise und Sozialversicherung, in FS Walter Barfuß, 2002, 209 152. Staatliche Kernaufgaben – Notwendigkeit oder Fiktion?, in ÖJK (Hrsg), Entstaatlichung – Gefahr für den Rechtsstaat?, 2002, 107 153. Verwaltungsreform durch Aufgabenreform, Jahrbuch der Freiheitlichen Akademie 2001, 2002, 28 154. Das neue Bundes-Luftreinhaltegesetz, Kommunal 2002, Heft 11, 20, Heft 12, 22 155. Die staatliche Aufsicht über die Universitäten, in Sigurd Höllinger/ Stefan Titscher (Hrsg), Die österreichische Universitätsreform, 2002, 189 156. Bodenschutzkompetenzen im Österreichischen Rechtssystem, ÖBG 66/2002, 17 157. „Öffentliches Amt“ und „autorité publique“, FS Georg Weissmann, Wien 2003, 757 158. Richtlinien des Hauptverbandes – Anwendbarkeit und Verbindlichkeit, Entscheidungsbesprechung, DRdA, 2003, 266 159. Amtshaftung und Finanzmarktaufsicht, in Österr Bank-Archiv 2004, 338 160. Verfassungsrechtliche Grundlagen, in Wilhelm Bergthaler/Evelyn Wolfslehner (Hrsg), Das Recht der Abfallwirtschaft, 2. Aufl 2004, 19 161. Elektrizitätswirtschaft zwischen Politik und Recht, in FS Wolfgang Mantl, Graz 2004, 391
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162. Großverfahren, UVP und Öffentlichkeitsarbeit, in Österreichische Juristenkommission (Hrsg), Recht und Öffentlichkeit, Wien-Graz 2004, 84-93 163. Transnationale Verwaltungsakte, in FS Theo Öhlinger, Wien 2004, 661 164. Bankaufsicht, Amtshaftung und Beihilfenverbot, ÖJZ 2005, 1 165. „Kernaufgaben des Staates“: Rechtsfortbildung oder Rechtskreation?, ZfV 2005, 18 166. Die Pflichtversicherung aus verfassungsrechtlicher Sicht, Die Versicherungsrundschau 2005, 35 167. Umweltqualitätsziel aus juristischer Sicht, in Inst f Umweltrecht/ ÖWAV (Hrsg), Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2005 (gemeinsam mit D. Ennöckl) 168. Aktuelles Umweltrecht – Neue Entwicklungen im öffentlichen Recht, in Inst f Umweltrecht/ÖWAV (Hrsg), Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2005 (gemeinsam mit D. Ennöckl) 169. Bergwasser in Tunnelanlagen, ecolex 2005, 727 170. Subnormative Verhaltenssteuerungen, FS Heinz Schäffer, Wien 2006, 685 171. Gedanken zur aktuellen Lage des Bankenaufsichtsrechts, ZFR 2006, 2 172. Nationalratspartei und Zurechnung, JRP 255 173. Neue Entwicklungen im öffentlichen Recht – Rechtssetzung, Jahrbuch des österreichischen und europäischen Umweltrechts 2007, 15 (gemeinsam mit D. Ennöckl) 174. Versicherungsvermittlung durch Gewerbliche Vermögensberater, ecolex 2007, 294-296 175. Niederlassungsfreiheit auch für öffentliche Ämter?, ÖJZ 2007, 525 (gemeinsam mit G. Holley und St. Zleptnig) 176. Versorgungssicherheit, in Aktuelle Fragen des Energierechts 2007, 137 177. Umweltrecht im Wandel, Festschrift Holzer, Wien 2007 178. Überlegungen zur Ausübung der Herkunftsstaatsaufsicht im EWR, ZFR 2007, 128 179. Staatsaufgaben, in Festschrift Wilhelm Brauneder, Wien 2008
IV. Entscheidungsbesprechungen 1. RdU 1996/126 VfGH 18. 6. 1996, G 1355/95, V 158/95 2. RdU 1996/127 VfGH 27. 2. 1996, B 1709/95
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3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40.
RdU 1996/128 VwGH 11. 7. 1996, 95/07/0020 RdU 1997/20 VfGH 27. 6. 1996, G 211/94 RdU 1997/24 VwGH 17. 1. 1997, 96/07/0228 RdU 1997/25 VwGH 21. 1. 1997, 96/11/0166 RdU 1997/26 VwGH 3. 9. 1996, 95/04/0189 RdU 1997/28 VwGH 28. 2. 1996, 95/07/0098 RdU 1997/4 VfGH 11. 6. 1996, B 124/95 RdU 1997/47 VfGH 28. 2. 1996, V 357/94 RdU 1997/5 VfGH 21. 6. 1996, B 2528/94 RdU 1997/64 EGMR 26. 8. 1997, 67/1996/686/876 RdU 1997/65 VwGH 27. 5. 1997, 94/05/0092 RdU 1997/66 VwGH 28. 1. 1997, 96/04/0186 RdU 1997/7 VwGH 28. 2. 1996, 95/07/0079 RdU 1997/70 VwGH 17. 9. 1996, 95/05/0220 ÖZW 1998, 25 VwGH 12. 8. 1997, 93/17/0003 RdU 1998/101 VwGH 12. 11. 1996, 94/04/0243 RdU 1998/102 VwGH 22. 2. 1996, 95/10/0132 RdU 1998/109 VwGH 17. 3. 1998, 97/04/0078 RdU 1998/110 VwGH 1. 7. 1997, 97/04/0048 RdU 1998/111 VwGH 26. 2. 1998, 98/07/0003 RdU 1998/112 VwGH 26. 2. 1998, 97/07/0204 RdU 1998/113 VwGH 1. 7. 1997, 95/04/0129 RdU 1998/126 VfGH 11. 3. 1998, B 123/97 RdU 1998/127 VwGH 26. 5. 1998, 97/07/0222 RdU 1998/128 VwGH 28. 10. 1997, 97/04/0121 RdU 1998/129 VwGH 2. 7. 1998, 98/07/0076 RdU 1998/81 VwGH 11. 9. 1997, 94/07/0166, 0186, 0190 RdU 1998/82 VwGH 11. 9. 1997, 96/07/0241 RdU 1998/83 VwGH 11. 9. 1997, 96/97/0223 RdU 1998/85 VwGH 29. 1. 1996, 94/10/0084 RdU 1998/88 VwGH 28. 8. 1997, 96/04/0068 RdU 1998/89 VwGH 2. 10. 1997, 96/07/0055 RdU 1998/90 Umweltsenat 14. 11. 1997, 8/1997/2-51 RdU 1998/96 VwGH 10. 12. 1996, 96/04/0151 RdU 1998/97 VwGH 28. 3. 1996, 95/07/0195 RdU 1999/143 VwGH 2. 7. 1998, 97/07/0152 RdU 1999/144 VwGH 19. 5. 1998, 98/05/0024 RdU 1999/160 VwGH 2. 10. 1997, 97/07/0072
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RdU 1999/170 VwGH 29. 10. 1998, 96/07/0006 RdU 1999/171 VwGH 24. 11. 1998, 95/05/0097 RdU 1999/184 VwGH 10. 12. 1998, 98/07/0128 RdU 2005/83 VwGH 24. 2. 2005, 03/07/0046 RdU 2005/84 VwGH 28. 2. 2005, 01/10/101
Weiters zahlreiche Buchbesprechungen in juristischen Fachzeitschriften